PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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Kinder mit möglichst zahl- und umfangreichen<br />
Lernmaterialien sich selbst zu überlassen.<br />
Der Begriff „Lernen“ bringt wohl zum<br />
Ausdruck, dass der Lerner an dem Prozess<br />
beteiligt ist – anders ist Lernen ja auch nicht<br />
möglich. Dessen ungeachtet bedarf es in der<br />
Grundschule eines Zeigens, eines Erklärens,<br />
eines Verständlichmachens, auf das dann<br />
ein selbstständiges Sich-Vertiefen, Arbeiten,<br />
Üben mit differenzierten Aufgaben folgen<br />
kann. Es ist nicht einzusehen, warum dabei<br />
auf darbietende Unterrichtsformen verzichtet<br />
werden sollte. Ein spannender, neugierig<br />
machender Lehrervortrag vermag ebenso zu<br />
faszinieren wie die Möglichkeit, bei offenen<br />
Unterrichtsformen selbstständig und differenziert<br />
arbeiten und üben zu können.<br />
Neue Lernkultur will verhindern, dass gelehrt<br />
wird, ohne den Lerner zu „berühren“<br />
im Sinne von: ihn zu erreichen. Vielfach<br />
herrscht die Meinung, ein Schüler werde von<br />
einem Thema nur dann berührt, wenn es dieses<br />
selbst wählen könne. Das würde die Pädagogik<br />
an sich ad absurdum führen, denn das<br />
hieße, dass es einem Lehrer nicht gelingen<br />
könne, auf einen Inhalt neugierig zu machen,<br />
ja dafür zu begeistern. Es hieße ferner, dass<br />
es keinen spannenden Lehrervortrag gebe,<br />
dem die Kinder lauschen und der sie wissbegierig<br />
macht für einen Bereich, von dessen<br />
Existenz sie bis dahin gar nichts wussten.<br />
Die Diskussion um die neue Lernkultur lässt<br />
einen weiteren wesentlichen Aspekt missen,<br />
gewissermaßen die conditio sine qua non in<br />
der Pädagogik: die Bedeutung der Lehrer-<br />
Schüler-Beziehung für den Lernerfolg. Petzelt<br />
spricht von der „Natur des Bandes zwischen<br />
Lehrer und Schüler“ (Petzelt 2003, S<br />
151), Hermann Nohl vom „pädagogischen<br />
Bezug“: „Die Grundlage jeder pädagogischen<br />
Arbeit ist der pädagogische Bezug, d.<br />
h. die innere Verbundenheit des Zöglings mit<br />
dem Erzieher (Nohl 1958, S. 21).<br />
Die Lehrer-Schüler-Beziehung wächst allmählich,<br />
muss gepflegt werden und ist auch<br />
störanfällig. Um bei dem Bild des Bandes zu<br />
bleiben: Es setzt sich aus vielen Fäden zusammen<br />
– je mehr Fäden, desto haltbarer<br />
und tragfähiger wird das Band sein, desto<br />
vertrauenswürdiger wird die Verbindung<br />
und desto aussichtsreicher der erfolgreiche<br />
Unterricht. Von der Wertschätzung, die der<br />
Lehrer jedem einzelnen Kind entgegenzubringen<br />
hat, abgesehen: Er prägt mit seiner<br />
Persönlichkeit, ist Vorbild in jeder Hinsicht –<br />
vom Betreten der Klasse über seine Sprache,<br />
über die Haltung – bis zu der Art und Weise,<br />
wie er an ein Thema heran- und dessen Verständnis<br />
herbeiführt und wie erzieherische<br />
Maßnahmen getroffen werden. Er kann die<br />
Schüler für eine Aufgabe begeistern, oder sie<br />
damit langweilen. Er kann zeigen und erklären,<br />
oder die Kinder mit dem Thema sich<br />
selbst überlassen, ja, er kann das Kind das<br />
Thema selbst wählen lassen. In einem gewissen<br />
Rahmen mag das die Motivation, sich mit<br />
einem Gebiet zu beschäftigen, auch steigern<br />
und kann stattfinden, ohne das Ziel und den<br />
Lehrplan aus den Augen zu verlieren. Sollen<br />
z. B. im Sachunterricht die Haustiere erarbeitet<br />
werden, spricht nichts dagegen, die Kinder<br />
zwischen Hund, Katze etc. wählen und<br />
die Ergebnisse im Plenum vorstellen zu lassen.<br />
Gleichwohl ist der Lehrer – abgesehen von<br />
den Eltern – diejenige Person, die über die<br />
Bedeutsamkeit der Themen für den Heranwachsenden<br />
Bescheid weiß: „Thema ist jeder<br />
Sachverhalt, der sich in Hinsicht auf das<br />
(kindliche) Lernen zeigt und von den Erziehenden<br />
direkt oder indirekt berücksichtigt<br />
wird“ (Prange 2005, S. 40). Kultur bedeutet<br />
auch, den Menschen – in dem Fall: das Kind<br />
– mit Bereichen und Inhalten vertraut zu machen,<br />
für die es sich von Natur aus nicht notwendig<br />
interessieren und sich infolgedessen<br />
auch nicht damit beschäftigen würde, deren<br />
Kenntnis für ein Bestehen in der Gesellschaft<br />
aber unerlässlich ist. „Dabei folgt diese Thematisierung<br />
nicht nur dem, was das Kind von<br />
sich aus möchte (oder wovon wir vermuten,<br />
dass es das möchte), sondern wir lenken das<br />
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5. Die Neue Lernkultur und ihre Bedeutung