PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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4. Was bedeutet Neue Lernkultur für den Unterricht?<br />
nen zu sehen ist.<br />
Durch den öffentlich geführten Diskurs über<br />
das Lernproblem in der Gesellschaft wird die<br />
gesamte Pädagogik unter Druck gesetzt. Als<br />
Ausdruck dieses Druckes wird innerhalb der<br />
Pädagogik intensiv nach Theorien und Ansätze<br />
gesucht, die Vorschläge unterbreiten,<br />
wie die programmatischen Ziele bezüglich<br />
einer neuen Lernkultur und des lebenslangen<br />
Lernens im Rahmen einer lernenden Gesellschaft,<br />
lernender Organisationen usf. praktisch<br />
umgesetzt bzw. in den Schwierigkeiten<br />
der praktischen Umsetzung besser verstanden<br />
und bestehende Probleme gemeistert<br />
werden können. Genannt seien beispielsweise<br />
evolutionäre Pädagogik, Hirnforschung<br />
und Konstruktivismus (siehe z.B. Zeitschrift<br />
für Erziehungswissenschaft (1999)4, (2004)7,<br />
(2006)5, Zeitschrift für Pädagogik 48(2002)5,<br />
50(2004)5, 51(2005), 49. Beiheft, Pädagogik<br />
1, 2, 6(2000), 4(2003), 6(2005), Zeitschrift<br />
Sonderpädagogische Förderung 51(2006)3),<br />
nicht genannt werden sollen weitere weniger<br />
seriöse Theorien und Ansätze (siehe zum<br />
Problem Terhart 1997).<br />
Und wegen der gesellschaftlichen Dimension<br />
der Problemstellung melden sich Grundlagenforscher<br />
zum pädagogischen Thema zu<br />
Wort, mehr noch, werden regelrecht auf Konferenzen<br />
und Tagungen herumgereicht und<br />
diskutieren hier Fragen wie: Lernen wir oder<br />
lernen unsere Gehirne (Hüter 2003, Spitzer<br />
2007, Roth 1995; 2001, Brand/Markowitsch<br />
2006, Singer 2006, siehe aber auch kritisch<br />
Baumann 2006, Bork 2006, Jantzen 2004;<br />
2007, Klix 1993, Künzli 2004, Lüpke 2006)?<br />
Ist Lernen eine Form der Adaptation an die<br />
Umwelt, ist also Entwicklung als Anpassung<br />
an die Umwelt zu deuten, passen sich Menschen<br />
lernend an die Umwelt an (Scheunpflug<br />
2002, Treml 2002, Voland & Voland<br />
2002, Bellmann 2005, Voland 2006, Lüders<br />
2004)? Gibt es den freien Willen oder ist das<br />
nur eine von unserem Gehirn vorgegaukelte<br />
Illusion und uns wird nur bewusst, was das<br />
Limbische System vorher schon entschieden<br />
26<br />
hat (Roth 2001)? Ist unser Gehirn aus Sicht<br />
der Gegenwart eine archaische Fehlkonstruktion,<br />
die nicht zum (wissenschaftlichen)<br />
Denken, Lesen, Schreiben… geschaffen wurde<br />
(Spitzer 2007, Singer 2006)? Es stellt sich<br />
die Frage, ob die Gesellschaft der Pädagogik<br />
nicht zutraut, angemessene Antworten auf<br />
die Fragen nach der Bewältigung der gekennzeichneten<br />
Herausforderungen zu finden, da<br />
sie Grundlagenforscher in ganz praktisch pädagogischen<br />
Fragen um Rat bittet.<br />
Andererseits grenzt es schon an Peinlichkeit,<br />
dass in der tonangebenden deutschen<br />
lernpsychologischen Literatur diese Ansätze<br />
(evtl. mit Ausnahme des Konstruktivismus)<br />
kaum eine Rolle spielen (vgl. Reinmann &<br />
Mandl 2006). Gleiches gilt im Gegensatz zu<br />
internationalen Tendenzen (vgl. z.B. Journale<br />
„Learning and Instruction“ und „European<br />
Journal of Psychology of Education“) auch<br />
für den hier referierten Ansatz.<br />
Auch die Didaktik als Wissenschaft vom Unterricht<br />
ist zentral betroffen, denn jede Didaktik<br />
geht notwendigerweise von der zentralen<br />
Bedeutung des Lehrens für das Lernen<br />
aus, wie immer auch die konkrete Rolle des<br />
Lehrers ausfällt. Da die neue Lernkultur<br />
mit einer erheblichen Kritik an der (alten)<br />
Schule verbunden ist, wen wundert es, dass<br />
die unterschiedlichsten reformpädagogisch<br />
orientierten Konzepte auf den Plan treten.<br />
Diese sind allerdings so unterschiedlich,<br />
dass als Gemeinsamkeit lediglich die Kritik<br />
an der Schule übrig bleibt. Die Spannweite<br />
der Auffassungen geht von der Behauptung<br />
der Unmöglichkeit einer Didaktisierung des<br />
Lernens (Schüler 1997 vgl. auch Peschel<br />
2002), was ja in der Tat bedeutet, dass der<br />
Lehrer mit Blick auf das Lernen der Schüler<br />
keine direkte Funktion hat (vgl. auch Meier<br />
1994) und Lehren eher als Lernbehinderung<br />
(Holzkamp 1990) aufzufassen ist, bis hin zu<br />
Ansätzen, die dem Lehren einen ganz entscheidenden<br />
Stellenwert im Unterricht einräumen<br />
(anchored instruction, apprenticeship<br />
learning, problembasiertes Lernen, four