PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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3. Ist Bildung ohne Religion möglich?<br />
wirklichen. Das ist die eigentliche Bildungsaufgabe;<br />
dass der Mensch das Bild, das der<br />
Schöpfer in ihn hineingelegt hat, zur Wirklichkeit<br />
werden lasse. Das ist weder Menschenformung<br />
nach einem vorgegebenen<br />
Bild in der Form von Gleichmacherei; das<br />
ist Orientierung in der Freiheit, Freigabe als<br />
Auftrag für Individualität, das ist jene Freiheit,<br />
die sich nach Seneca im Gehorsam gegenüber<br />
dem Auftrag Gottes begründet.<br />
Bildung als Verwirklichung der Ebenbildlichkeit<br />
ist ein universaler Auftrag. Kein Erlebnis,<br />
kein Bewusstseinsinhalt, kein Wollen und<br />
Fühlen kann ausgenommen sein. Jene Universalität<br />
des Menschseins beansprucht den<br />
Vorrang vor aller spezialisierenden Ausbildung,<br />
und wo diese gefordert ist und stattfindet,<br />
muss sie sich in der Beziehung auf jene<br />
begreifen, wenn der Mensch nicht instrumentalisiert<br />
werden soll. Bildung als Selbstbestimmung,<br />
als Bildverwirklichung versteht<br />
sich immer auch im Verhältnis zu sich selbst.<br />
Ohne diesen intrapersonalen Vollzug ist<br />
Bildung nicht möglich. Der intrapersonale<br />
Vollzug umfasst den Umgang mit sich selbst<br />
in Selbstbetrachtung in Vorsatz, redlichem<br />
Blick auf sich und sein Tun. Er ist gleichzeitig<br />
gebunden an die Annahme seiner selbst,<br />
in der Hoffnung auf die eigenen besseren<br />
Möglichkeiten, ohne das eigene Versagen,<br />
das Misslingen, die eigenen Grenzen, auf<br />
eigene Schuld zu übersehen und sich selbst<br />
gegenüber zu verschweigen. Sich annehmen<br />
bei aller Schuld, die Hoffnung mit sich nicht<br />
aufzugeben bei allen Rückschlägen, das wird<br />
möglich im Bewusstsein der Liebe Gottes.<br />
Seine Offenbarung ist Zeugnis dieser Liebe,<br />
ist Zeugnis von Vergebung und Erlösung,<br />
ist Zeugnis der Berufung zum ewigen Heil.<br />
Das lässt den Menschen hoffen, lässt ihm die<br />
Möglichkeit des Ja-Sagens zu seinem Leben,<br />
die Möglichkeit vom Sinngebung, bei allem<br />
Zweifel. Weil Gott den Menschen liebt, vermag<br />
der Mensch sich selbst zu mögen. Der<br />
Gebildete, der Weise wird sich nach Seneca<br />
selbst zum Freund.<br />
18<br />
Offenbarung zeigt den universalen Heilswillen<br />
Gottes. Niemand ist aus dieser Berufung<br />
ausgeschlossen. Jeder ist nach Gottes<br />
Bild geschaffen, jeder ist erlöst, ist zum<br />
ewigen Heil gerufen. Das stiftet eine Form<br />
und Qualität der Mitmenschlichkeit, die ihr<br />
sicheres Fundament jenseits jedes Zweifels<br />
hat. Niemand kann gebildet sein, der die Liebe<br />
zum anderen verletzt. Offenbarung stiftet<br />
die Gemeinschaft der zum Heil Berufenen.<br />
Diese Gemeinschaft gilt ohne Ansehen der<br />
Person, in der Achtung vor und der Liebe<br />
zum Nächsten erfüllt das Gebildet sein sich<br />
in seiner höchsten Form. So kann der große<br />
Pädagoge Michael Sailer, um 1820 Bischof<br />
in Regensburg, sagen, dass die Wertigkeit der<br />
Bildung, die jemand erreicht hat, sich an der<br />
Liebe und Achtung, die jemand für den anderen<br />
empfindet, bestimmen lässt.<br />
Bildung ist ohne Religion nicht möglich.<br />
Denn ohne den Richterstuhl des Wahren<br />
und Guten im Menschen, ohne Bindung an<br />
jenes unendliche Maß, das den Menschen in<br />
seinem Subjektsein und in seiner Würde definiert,<br />
wird Bildung orientierungslos, Selbstbestimmung<br />
zur Beliebigkeit; Wissen verliert<br />
seinen Grund, Haltung ihre Moralität.<br />
Im Verständnis von Religion Offenbarung<br />
der Wahrheit selbst erhält Menschenbildung<br />
schließlich jene unwiderrufliche Möglichkeit,<br />
in der sie sich als je individuelle Verwirklichung<br />
des Bildes begreifen kann, das im<br />
Schöpfer und Erlöser sein unendliches Urbild<br />
findet. Bildung wird Vollzug der Gottesebenbildlichkeit<br />
des Menschen, ist getragen<br />
von unerschütterlichen Glauben an die eine<br />
geoffenbarte Wahrheit, von der unverlierbaren<br />
Hoffnung auf die Berufung zum Heil in<br />
der liebenden Annahme durch den Schöpfer<br />
und Erlöser.<br />
In diesem Sinne kann man mit Goethe sagen:<br />
Wer Bildung hat, der hat auch Religion.<br />
Man sollte vielleicht fortsetzen, wer Religion<br />
hat, der muss sich um Bildung bemühen, um<br />
eine Bildung, die nicht an Stand und Titel,<br />
nicht an Position und Einkommen ermisst,