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PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland

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len den Gewissensanspruch behindernden<br />

Unfreiheiten und Borniertheiten gemeint ist.<br />

Man denke an Vorurteile, an die fatale Neigung,<br />

den eigenen Vorteil als höchstes Gut<br />

anzusehen, an die Bequemlichkeit, andere<br />

für sich denken zu lassen, an die Feigheit,<br />

seine Überzeugung aus Opportunismus aus<br />

Angst vor den vielen, die anderer Meinung<br />

sind, zu verraten. Emanzipation verrät Bildung<br />

und Selbstbestimmung, wenn sie auch<br />

zur Befreiung von jener letzten Bindung, zur<br />

Emanzipation vom eigenen Gewissen aufruft.<br />

Dann liefert sie den Menschen fremden<br />

Machthabern aus: der Meinung der Vielen,<br />

der Meinung der Starken, der Bindung an die<br />

eigenen Interessen und Bedürfnisse. Selbstbestimmung<br />

wird unter dem Schein von<br />

Emanzipation zur Fremdbestimmung.<br />

Bildung ist nie nur individualistisch. Sie ist<br />

immer auch sozial, sie ist immer auf das Du<br />

bezogen. Auch hier kann die religiöse Bindung<br />

ein unübersteigbares Bollwerk gegen<br />

die egoistisch-individuelle Pervertierung von<br />

Humanität und Bildung. Die Gewissheit von<br />

der Brüderlichkeit aller Menschen findet ihr<br />

Fundament in der Bindung, die für alle Menschen<br />

gleich und unaufhebbar ist. Sie definiert<br />

diese Bindung gleichzeitig im Sinne von<br />

Mitmenschlichkeit, die den anderen als Alter-<br />

Ego, als ein anderes Ich anerkennt. Die z.B.<br />

anerkennt, dass ich nicht gebildet sein kann,<br />

wenn mir die Bildung des anderen gleichgültig<br />

ist; dass ich nicht frei sein kann, wenn ich<br />

Unfreiheit um mich dulde oder sie gar noch<br />

durch mein Verfügen-wollen über andere<br />

fördere. Jene Bildung schließt allerdings auch<br />

ein, dass ich mich in definierter Weise vom<br />

Du unabhängig halte, ohne die Mitmenschlichkeit<br />

aufzugeben, sondern ihr eine personale<br />

Qualität gebe.<br />

Wenn bisher von der Notwendigkeit religiöser<br />

Bindung für die Bildung die Rede war, so ist<br />

der Begriff der Religion im philosophischen<br />

Sinne gebraucht. Religion aber begegnet uns<br />

jedoch in anderer konkreter Form: Kirche<br />

als Institution, Gotteshäuser, Liturgie und<br />

Gebet, Opfer sind vielfältige Erscheinungen.<br />

Religion beruft sich auf Offenbarung. Gemeint<br />

ist Offenbarung als Wort Gottes, wie<br />

es in den HI. Schriften festgehalten, von der<br />

Kirche interpretiert und in Glaubenssätzen<br />

den Gläubigen vorgeschrieben ist. Bricht<br />

hier nicht jener Gegensatz von Bildung und<br />

Religion in aller Schärfe auf, wie er zwischen<br />

autonomer Vernunft und zu glaubenden Inhalten<br />

sich abzeichnet?<br />

Dem ist folgende Überlegung entgegenzuhalten:<br />

Die Wahrheit kann nicht Gegenstand der<br />

Erkenntnis sein, weil sie deren Bedingung ist.<br />

Die Wahrheit ist unendlich und kann nicht<br />

gedacht werden, „denn um dem Denken eine<br />

Grenze zu ziehen, müssten wir beide Seiten<br />

dieser Grenze denken können - wir müssten<br />

also denken können, was sich nicht denken<br />

lässt“ 11<br />

Über eine inhaltliche Bestimmung der unendlichen<br />

Wahrheit können wir nur wissen,<br />

wenn diese sich offenbart. Offenbarung der<br />

Wahrheit steht dem Denken nicht unkritischer<br />

Absicht zur Verfügung; sie muss, weil<br />

sie sich nicht selbst widersprechen kann, in<br />

bedingungslosem Glauben angenommen<br />

werden. Das bedeutet nicht Entmachtung<br />

der Vernunft, nicht Aufhebung der Bildung<br />

in der Selbstbestimmung und Mündigkeit.<br />

Denn Offenbarung beantwortet nicht die<br />

Fragen, die der Vernunft gestellt werden.<br />

Sie überhöht den Anspruch der Vernunft<br />

in der leitenden Beziehung von Wahrheit zu<br />

denken. Wenn im Johannesevangelium von<br />

Logos als allem Anfang ist, dann wird der<br />

Dienst an diesem Logos zum Gottes-Dienst;<br />

dann wird der Gewissensanruf zum Ruf jenes<br />

Logos und seine Befolgung zum Gehorsam<br />

gegenüber dem Auftrag Gottes.<br />

Offenbarung definiert den Menschen in seiner<br />

Ebenbildlichkeit. Gott schuf den Menschen<br />

nach seinem Bilde. Dieses Bild des<br />

Unendlichen gilt es in seiner Unendlichkeit<br />

in seinen individuellen Ausprägungen zu ver-<br />

11 Ludwig Wittgenstein: Tractatus logio - philosophicus.<br />

Suhrkamp 1963.S.7<br />

17<br />

3. Ist Bildung ohne Religion möglich?

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