27.02.2013 Aufrufe

PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland

PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland

PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

3. Ist Bildung ohne Religion möglich?<br />

Menschentum in seinem Leben und Sein<br />

zu verwirklichen, der muss dieses Maß im<br />

Menschen voraussetzen. Das ist keine weltanschauliche<br />

einseitige Position, kein christlich<br />

borniertes, d.h. vorurteilshaftes Denken,<br />

sondern eine zwingende Notwendigkeit,<br />

wenn Selbstbestimmung nicht in Beliebigkeit,<br />

Geltung als Wahrheitsanspruch nicht im<br />

Relativismus verloren gehen soll.<br />

Wenn nun jenes Maß im Menschen nicht<br />

mehr Gegenstand des Erkennens sein kann,<br />

weil es allem Erkennen vorausgesetzt sein<br />

muss; wenn jenes Maß in seiner Unendlichkeit<br />

vorausgesetzt werden muss, wenn jenes<br />

Maß mit der Gewissheit des Glaubens anerkannt<br />

werden muss, wenn jenes Maß eine<br />

unverzichtbare Gebundenheit des Menschen<br />

im Sinne natürlicher Religion oder Vernunftreligion<br />

aussagt, dann ist Bildung ohne diese<br />

nicht denkbar. Dann wird man die gestellte<br />

Frage eindeutig beantworten müssen, dass<br />

Bildung ohne Religion nicht möglich ist.<br />

Allerdings wird man sogleich fragen müssen,<br />

was denn ein solches Bedingungsverhältnis<br />

bedeutet, ob es für das Verständnis von Bildung<br />

seinerseits etwas beiträgt, wenn diese<br />

notwendig auf Religion verweist, auf eine<br />

Bindung, die dem Menschen mitgegeben ist,<br />

über die er nicht verfügt, in der über ihn als<br />

Mensch vorweg verfügt ist. Dieses Maß hat<br />

er sich nicht selbst gegeben, es bindet ihn in<br />

seinem Erkennen und Werten, in Urteilen<br />

und Entscheiden. Wenn man in jener Rückbindung<br />

so etwas wie Religion begreift, dann<br />

sind dessen Konsequenzen nicht zu übersehen.<br />

Im Bewusstsein dieser Rückbindung kann<br />

der Mensch eine zügellos gewordene Vernunft<br />

bändigen. In der Gegenwart ist die Gefahr<br />

der Maßlosigkeit dieser Vernunft offenkundig<br />

geworden. Der Glaube an die totale<br />

Machbarkeit hat zur Angst der Selbstzerstörung<br />

geführt; der Mensch kann sich und die<br />

Welt vernichten; wir sind in Gefahr, mit Hilfe<br />

unserer in Technik umgesetzten Rationalität,<br />

14<br />

die Natur auf eine Weise zu zerstören, dass<br />

sie auch uns und vor allem die nachfolgenden<br />

Generationen zerstört. Das gilt sowohl<br />

für die Umwelt als auch für den mitmenschlichen<br />

Bereich.<br />

Die religiöse Bindung des Menschen zeigt<br />

der Vernunft ihre Verantwortung und ihre<br />

Grenzen im konkreten Vollzug; in ihm ist alles<br />

Wissen durch Nichtwissen gekennzeichnet<br />

und seit den Tagen des Sokrates nennt<br />

man jenes Wissen um das eigene Nichtwissen<br />

Weisheit.<br />

In der religiösen Bindung ist dem Menschen<br />

Gewissheit gegeben, dass ein unendliches,<br />

allem Wissen vorausgehendes Maß allen<br />

Menschen gegeben ist. Niemand ist davon<br />

ausgenommen. Das gleiche Maß, die gleiche<br />

Bindung gilt für Schwarze und Weiße, Kranke<br />

und Gesunde, Eltern und Kinder, Lehrer<br />

und Schüler. Die gemeinsame Bindung stiftet<br />

Mitmenschlichkeit auf eine besondere Weise,<br />

stiftet die Solidarität aller Menschen. Auch<br />

dies gehört zur Bildung: diese Solidarität gilt<br />

allen Menschen; Gemeinschaft versteht sich<br />

als Dialog. Dieser darf niemandem verweigert<br />

werden, dieser fordert im anderen einen<br />

individuellen Repräsentanten jenes unendlichen<br />

Maßes zu achten. Kants kategorischer<br />

Imperativ, den Menschen immer als Zweck<br />

seiner selbst zu achten, findet hier seine unaufhebbare<br />

Grundlage. Seine Notwendigkeit<br />

gilt heute mehr denn je, wenn man bedenkt,<br />

wie groß die Gefahr ist, den Menschen als<br />

Mittel zu benutzen, zu instrumentalisieren:<br />

wenn Politiker den Menschen als Mittel zur<br />

Mehrheitsbeschaffung, d.h. zur Stabilisierung<br />

der eigenen Herrschaft instrumentalisieren.<br />

Wenn in missverstandener Sexualität<br />

der andere zum Instrument der eigenen Lust<br />

gemacht wird; wenn in moderner Werbung<br />

der Konsument zur eigenen Produktionssteigerung<br />

instrumentalisiert wird; wenn in<br />

der modernen Wirtschaft der Mitarbeiter aus<br />

ökonomischen Gründen als bloßes Mittel,<br />

ausgebeutet wird. Besonders bedenklich wird<br />

es, wenn solche Tendenzen auch in der Päd-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!