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PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland

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einen evangelischen Religionspädagogen ist<br />

dies kein Zufall, wenn er in systematischem<br />

Denken festhält: „Bildung ist für (Staat und)<br />

Kirche einerseits ein bestandsgefährdendes<br />

Risiko.“<br />

Für die Entfaltung unserer Frage, ob Bildung<br />

ohne Religion möglich ist, scheint das wie<br />

eine radikale Umkehr. Bildung wird erst dann<br />

in ihre Wirk1ichkeit eintreten, wenn sie sich<br />

von Religion löst. Bildung begreift sich in der<br />

Maßgeblichkeit des Menschen selbst.<br />

Seine Vernunft kennt keine Grenze. Alles soll<br />

ihrer Verfügung unterworfen werden. Wir erleben<br />

allerdings in diesen Tagen, wie dieser<br />

Zauberlehrling in seinem Ungebändigtsein<br />

vor nichts und niemandem Halt macht. Alles<br />

soll verfügbar werden, machbar, effektiv<br />

einsetzbar. Menschliche Vernunft hat Naturkräfte<br />

entdeckt, einsatzfähig gemacht, die<br />

unsere gesamte We1t vielfach zerstören können.<br />

Menschliche Vernunft glaubt etwa in<br />

der Anwendung der Gentechnologie selbst<br />

den Menschen neu und anders schaffen zu<br />

können.<br />

Menschliche Vernunft will sich auch zum<br />

Richter über Religion und Offenbarung aufspielen.<br />

Die Autorität der Kirche, die Autorität<br />

der heiligen Schriften kann von jener Vernunft,<br />

die sich im modernen Bildungsdenken<br />

als autonom und maßgeblich begreift, nicht<br />

bestehen bleiben. In seinem Aufsatz über<br />

Aufklärung schreibt Kant sarkastisch:<br />

„Der Offizier sagt, räsoniert nicht, sondern<br />

exerziert! Der Finanzrat: räsoniert nicht, sondern<br />

bezahlt! Der Geistliche: räsoniert nicht,<br />

sondern glaubt!“<br />

Am schärfsten hat das Jean Paul Sartre in seiner<br />

These herausgearbeitet 10 , dass der existentialistische<br />

Humanismus atheistisch sein<br />

müsse. Die Autonomie des Subjekts, so seine<br />

These, vertrage sich nicht mit einem Schöpfergott,<br />

der den Menschen nach seinem Bilde<br />

geschaffen habe. Denn durch jene Schöpfung<br />

10 Sartre, J.P.: Ist der Existentialismus ein Humanismus?<br />

wäre dem Menschen notwendigerweise ein<br />

Maß vorgegeben, an dem er sich orientieren<br />

müsse. Jene Einschränkung der Freiheit hebe<br />

die Freiheit überhaupt auf; und ein von Gott<br />

in den Menschen hineingelegtes Maß hebe<br />

auch die Autonomie seiner Vernunft durch<br />

eben diese Bindung auf.<br />

So scharfsichtig Sartres Ausführungen sein<br />

mögen, sie verkennen, dass in seiner Position<br />

Freiheit zur Beliebigkeit und Willkür verkommt;<br />

dass in seiner Position das Denken<br />

dem absoluten Relativismus und der radikalen<br />

Skepsis ausgeliefert wird. Orientierungslose<br />

Freiheit macht den Menschen zum Untertanen<br />

seiner augenblicklichen Bedürfnisse, zur<br />

Puppe des Zeitgeistes, lässt seine Kritik- und<br />

Urteilsfähigkeit im unverbindlichen, im subjektiven<br />

Vorurteil stecken bleiben. Von Bildung<br />

als, Selbstbestimmung kann nicht mehr<br />

die Rede sein. Sie ist nur zu sichern, wenn das<br />

dem Menschen innewohnende Maß nicht<br />

mehr seiner Willkür, der Grenzenhaftigkeit<br />

seines Denkens und Irrens unterliegt.<br />

Die Wahrheit als Prinzip, als Richterstuhl für<br />

wahre und falsche Erkenntnis kann selbst<br />

nicht mehr Gegenstand des Erkennens sein.<br />

Wenn sie nicht in ihrer Gewissheit vorausgesetzt<br />

wird, dann muss alle Erkenntnis ihren<br />

Anspruch aufgeben, dann wird die Prüfung<br />

nach wahr und falsch zum Schein; Vorurteile<br />

und Machtansprüche treten an die Stelle von<br />

Argumenten.<br />

In gleicher Weise muss im Menschen der<br />

Richterstuhl von Gut uns böse vorausgesetzt<br />

werden. Auch er kann selbst nicht mehr<br />

der urteilenden Vernunft unterstellt werden.<br />

Er ist die Bedingung für das Urteilen und<br />

schließlich für die Entscheidung.<br />

Wer von Bildung spricht und mit ihr Mündigkeit,<br />

freies und redliches Denken, Urteilen<br />

meint, wer Bildung als Kritik und Dialogfähigkeit<br />

meint, wer im Sinne einer begründeten<br />

Humanität von Bildung spricht, wer sie<br />

als Auftrag an den Menschen versteht, das<br />

13<br />

3. Ist Bildung ohne Religion möglich?

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