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Veilchenduft und Honignoten spielen im Labor keine Rolle

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Verwechslungen ausgeschlossen. Arbeiten <strong>im</strong> <strong>Labor</strong> <strong>und</strong> das Erfassen der Daten <strong>im</strong> Computer erfordernhöchste Konzentration.<br />

Der Lebensmitteltechnologe Markus Heini ist <strong>im</strong>mer wieder überrascht, wie Weine mit unterschiedlichen Messwerten m<strong>und</strong>en.<br />

Weinwissen<br />

<strong>Veilchenduft</strong> <strong>und</strong> <strong>Honignoten</strong><br />

<strong>spielen</strong> <strong>im</strong> <strong>Labor</strong> <strong>keine</strong> <strong>Rolle</strong><br />

An Degustationen liefernBlumenduft <strong>und</strong> Fruchtaromen den ersten<br />

Eindruck eines Weins. Auf Weinetiketten ist davon nichts zu lesen.<br />

Stattdessen stehen dort der Alkoholgehalt <strong>und</strong> die Warnung «enthält<br />

Sulfite». Wie viele Inhaltsstoffe ein Wein enthält <strong>und</strong> welche Mengen<br />

zugelassen sind, sagen die <strong>Labor</strong>mitarbeiter der BataillardAG.<br />

Schmucke Dörfer, umgeben von<br />

herbstfarbenen Rebbergen,<br />

pralle Trauben <strong>und</strong> Barriques in<br />

herausgeputzten Kellergewölben sind<br />

idyllische Bilder. Sie illustrieren die Prospekte<br />

zahlreicher Weinproduzenten.<br />

Und opulent blumig werden die Weine<br />

darin beschrieben.<br />

Gewiss, mit Emotionen lässt sich<br />

Wein besser verkaufen als mit Analyseresultaten.<br />

Doch der Wegvon der Trau-<br />

be zum Wein ist verb<strong>und</strong>en mit einer<br />

Kette komplexer chemischer Prozesse.<br />

«Erste Reaktionen beginnen bereits<br />

vor der Lese <strong>im</strong> Rebberg», sagt Dr.<br />

Klaus Veit, Betriebsleiter der Bataillard<br />

AG <strong>im</strong> luzernischen Rothenburg, <strong>und</strong> erklärt:<br />

«Reife Trauben sind sehr süss,<br />

<strong>und</strong> Zucker ist ein guter Nährboden für<br />

wilde Hefen, Bakterien <strong>und</strong> Sch<strong>im</strong>melpilze.»<br />

Wilde Hefen, die natürlicherweise<br />

auf jeder Traube vorkommen, werden<br />

Im <strong>Labor</strong>. Reagenzgläser <strong>und</strong> Pipetten<br />

anstelle von Tanks <strong>und</strong> Barriques.<br />

in gequetschten Beeren aktiv. Bei einer<br />

spontanen <strong>und</strong> unkontrollierten Gärung<br />

entstehen unter anderem Histamine<br />

(siehe Kasten auf Seite 23). In grösserenMengen<br />

konsumiert oder in Kombination<br />

mit Käse, der auch Histamine<br />

enthält, können diese bei Menschen mit<br />

Histamin-Intoleranz Kopfschmerzen<br />

verursachen. Für Histamin gibt es in der<br />

Schweiz Toleranzwerte. Dazu sagt<br />

Klaus Veit: «Bei Offenwein<strong>im</strong>porten, die<br />

wir in Rothenburg abfüllen, können wir<br />

kleine Korrekturen vornehmen <strong>und</strong> Histamine<br />

ausschönen.» Zudem ist es<br />

möglich, dass über die Trauben Pestizide<br />

<strong>und</strong> Spritzmittelrückstände in den<br />

Wein gelangen.<br />

Bei Flaschenweinen vertraut Veit auf<br />

das Können seiner Lieferanten. Dennoch<br />

werden zur Rückverfolgbarkeit <strong>und</strong><br />

Qualitätssicherung bei jedem Jahrgangswechsel<br />

<strong>und</strong> jeder <strong>im</strong>portierten<br />

Charge Musterflaschen analysiert. «Wir<br />

beanstanden etwa 15 Prozent der begutachteten<br />

Muster.Die häufigstenFehler<br />

sind flüchtige Säuren <strong>und</strong> Probleme<br />

bei der Reintönigkeit. Die Ursache liegt<br />

meist in einer unkontrollierten Gärung»,<br />

sagt der Önologe Martin Erbsmehl.<br />

Die Gärung ist zwar der spannendste<br />

Moment in der Weinbereitung, gilt<br />

aber auch als die grösste Fehlerquelle.<br />

Ohne Eingriffe der Önologen<br />

würde Traubenmost innert kürzester<br />

Zeit zu Essig.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden der weisse<br />

Saft <strong>und</strong> die Rotweinmaische seit Beginn<br />

der europäischen Weinkultur geschwefelt.<br />

Bis heute ist kein Produkt<br />

bekannt, das ähnlich gute Wirkung zeigt<br />

<strong>und</strong>vor Oxidation <strong>und</strong> mikrobiellem Verderb<br />

schützt wie schweflige Säure(SO2).<br />

Wein ohne Schwefel gibt es nicht. Bei<br />

der Gärung produzieren gewisse Hefen<br />

bis zu 30 Milligramm SO2 pro Liter. Mit<br />

der Wahl des Zeitpunkts <strong>und</strong> der Dosierung<br />

von SO2-Gaben haben Önologen<br />

wesentliche Einflussmöglichkeiten<br />

auf den Weinstil. Frühe <strong>und</strong> hohe SO2-<br />

Gaben können mehr Fruchtaromen <strong>und</strong><br />

Frische bewahren, die Weine aber auch<br />

Klaus Veit. Betriebsleiter der BataillardAG: «Die Analysen beginnen <strong>im</strong> Rebberg. Nebst<br />

Zuckergehalt <strong>und</strong> Reifegrad können Spritzmittelrückstände ermittelt werden.»<br />

Martin Erbsmehl. Der Önologe prüft die geschmacklichen Eigenschaften der Weine:<br />

«Sortentypizität <strong>und</strong> Gesamteindruck können <strong>im</strong> <strong>Labor</strong> nicht bewertet werden.»<br />

Markus Heini. Lebensmitteltechnologe: «Wir überprüfen die Weine auf Fehler <strong>und</strong><br />

vergleichen die Messwerte der Muster mit den Analysen der Lieferung.»<br />

20 Swiss Gastro-Kombi 3/2009 Swiss Gastro-Kombi 3/2009 21


Analytische Probe. Im <strong>Labor</strong> werden die Bestandteile eines<br />

jeden Weinmusters einzeln untersucht <strong>und</strong> bewertet.<br />

verschlossen <strong>und</strong> eind<strong>im</strong>ensional machen.<br />

Späte oder niedrigere Dosen können<br />

komplexere <strong>und</strong> langlebigere Weine<br />

erbringen, mit der Gefahr, dass sie<br />

müde <strong>und</strong> überaltert scheinen. Die<br />

Höchstgrenzen be<strong>im</strong> abgefüllten Wein<br />

liegen zwischen 160 <strong>und</strong> 400 Milligramm<br />

proLiter,jenach Art des Weines.<br />

In den meisten Fällen enthalten Flaschenweine<br />

aber weit weniger SO2.<br />

Zum Vergleich: Im menschlichenKörper<br />

bildet der Abbau von Eiweiss aus der<br />

Nahrung täglich mehr als 2000 Milligramm<br />

SO2.Schwefel verursacht <strong>keine</strong><br />

Kopfschmerzen.Trotzdem schreibt das<br />

Gesetz vor, die Sulfite auf jedem Weinetikett<br />

zudeklarieren. Die Kennzeichnungspflicht<br />

gründet darauf, dass Sulfite<br />

als «Allergene» angesehen werden.<br />

Auch Alkohol muss deklariert werden.<br />

Dieser entsteht bei der Gärung.<br />

Gemäss Nicolai Worm, dem Autor des<br />

Buches «Täglich Wein», soll Alkohol zusammen<br />

mit Polyphenolen wie Gerbstoffen<br />

<strong>und</strong> dem Resveratrol, einem<br />

Wirkstoff aus der Haut blauer Trauben,<br />

sogar positive Auswirkungen auf die Ges<strong>und</strong>heit<br />

haben. Im <strong>Labor</strong> können neben<br />

Ethanol, dem reinen Alkohol, auch Glycerin,<br />

Glykol <strong>und</strong> Methanol, die bei der<br />

Gärung in geringen Mengen entstehen,<br />

nachgewiesen werden. Diese Inhaltsstoffe<br />

sind wichtige Indikatoren für die<br />

Authentizität des Weins. Sie geben Hinweise<br />

über die Herkunft, die Rebsorten<br />

<strong>und</strong> die Qualität des Produkts. Gleichzeitig<br />

sind solche Stoffe auch prägend<br />

für den sensorischen Eindruck. Daher<br />

sindderen Eigenschaften <strong>im</strong>merwieder<br />

ein Gr<strong>und</strong> für Panschereien.<br />

Seit die Menschen Wein trinken, gibt<br />

es Versuche, diesen zu verfälschen.<br />

So verleiht das süsslich schmeckende<br />

Glycerin dem Wein etwas Öliges, ist<br />

aber ges<strong>und</strong>heitlich unbedenklich. Zusätzliches<br />

Be<strong>im</strong>ischen von Glykol, das<br />

den Wein geschmeidig macht, <strong>und</strong> Methanol,<br />

einem kräftigen, mitunter bren-<br />

Sensorische Probe. Die Summe aller Einzelteile, die Harmonie,<br />

können nur Nase <strong>und</strong> Gaumen beurteilen.<br />

nenden Alkohol, hatte in Österreich <strong>und</strong><br />

Italien Weinskandale zur Folge.<br />

Auf jeden Fall ist Alkohol ein Aromenträger.Und<br />

das gilt für die positiven<br />

Düfte ebenso wie für negative Töne. Laien<br />

erkennen aromatische Fehltöne oft<br />

nicht. Doch sie würden entsprechende<br />

Weine kein zweites Mal kaufen. Deshalb<br />

durchlaufen bei der Bataillard AGalle<br />

Weine neben der chemischen Analyse<br />

auch sensorische Kontrollen. Bei der<br />

Lieferung analysieren Lebensmitteltechnologe<br />

Markus Heini <strong>und</strong> Önologe<br />

Martin Erbsmehl Proben <strong>und</strong> vergleichen<br />

die Werte mit den Analyseresultaten<br />

der Muster. «Nur so können wir sicher<br />

sein, dass uns genau die Qualität<br />

geliefert wurde, die wir ausgesucht hatten»,<br />

sagt Klaus Veit <strong>und</strong> ergänzt: «Diese<br />

Qualitätssicherung ist die Basis für<br />

das Vertrauen in unsere Produkte. Nur<br />

damit können wir unsere Weine mit<br />

emotionalen Bildernverkaufen.»<br />

gabriel.tinguely@gastronews.ch<br />

www.bataillard.ch<br />

22 Swiss Gastro-Kombi 3/2009<br />

Die wichtigsten Wirkstoffe <strong>im</strong> Wein<br />

Wasser: Wein besteht bis zu 85 Prozent<br />

aus Wasser. Darin sind Alkohol <strong>und</strong><br />

Wirkstoffe gelöst. Obwohl Wein viel<br />

Wasser enthält, empfiehlt es sich, zu jedem<br />

Glas Wein auch ein Glas Wasserzu<br />

trinken.<br />

Zucker: Reife Trauben enthalten Glukose<br />

(Traubenzucker) <strong>und</strong> Fruktose<br />

(Fruchtzucker) <strong>im</strong> Verhältnis 1:1. Die<br />

Hefen vergären zuerst die Glukose. Weine<br />

mit Restsüsse enthalten somit vorwiegend<br />

Fructose. Diese ist für Diabetiker<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Insulinneutralität weitgehend<br />

ungefährlich. In kl<strong>im</strong>atisch<br />

schwierigen Jahren kann der Alkoholgehalt<br />

mit Rübenzucker künstlich angehoben<br />

werden. Die so genannte<br />

«Chaptalisation» ist in zahlreichen Ländernjedoch<br />

umstritten.<br />

Alkohol: Bei der GärungverwandelnHefen<br />

den Zucker <strong>im</strong> Traubenmost in Alkohole<br />

<strong>und</strong> Kohlensäure. Ethanol, früher<br />

Weingeist genannt, ist mengenmässig<br />

der wichtigste Alkohol. Glycerin ist ein<br />

Qualitätsmerkmal für die Authentizität<br />

eines Weins <strong>und</strong> schmeckt süsslich.<br />

Eher unerwünscht <strong>und</strong> in kleinsten Mengen<br />

vorkommend sind Hexanol, Butanol<br />

<strong>und</strong> Methanol, ein brennend schmeckender<br />

Alkohol.<br />

pH-Wert: Neben erwünschten Hefen<br />

können sich <strong>im</strong> Traubenmost ab pH-<br />

Werten von 3,5 <strong>und</strong> höher viele andere<br />

Mikroorganismen entwickeln. Diese steigern<br />

die Gefahr einer Fehlgärung <strong>und</strong><br />

somit der Bildung unerwünschter Geruchsnoten<br />

(Böckser). Wein liegt mit pH-<br />

Werten zwischen 2,8 <strong>und</strong> 3,9 <strong>im</strong>mer <strong>im</strong><br />

sauren Bereich. Die Skala des pH-Wertes<br />

reicht von 0bis 14.<br />

Gesamtsäure: Die Summe der <strong>im</strong> Wein<br />

enthaltenen freien Säuren, mit Ausnahme<br />

der Kohlensäure, wird als Gesamtsäurebezeichnet.<br />

Es handelt sich dabei<br />

um organische, in der Traube vorkommende<br />

Säuren unterschiedlicher Stärke.<br />

Weinsäure stabilisiert den Wein. Lagert<br />

ein Wein längereZeit bei sehrtiefen Temperaturen,<br />

scheiden Kristalle aus. Der so<br />

genannte Weinstein hat <strong>keine</strong>n Einfluss<br />

auf die Qualität des Weins. Die sauer<br />

schmeckende Zitronensäure wird mit<br />

der malolaktischen Gärung abgebaut.<br />

Bei diesem, auch biologischer Säureabbau<br />

genannten Vorgang wirddie knackige<br />

Apfelsäure inmildere Milchsäure<br />

umgewandelt. Bernsteinsäure wiederum<br />

ist ein Qualitätsmerkmal für die<br />

Authentizität eines Weins.<br />

Flüchtige Säure: Aldehyde entstehen bei<br />

jeder Gärung. Essigsäure(Acetaldehyd)<br />

ist in Bezug auf die Wirkung die wichtigste.<br />

Sie gilt bei höherer Konzentration<br />

als nicht korrigierbarer Fehler. Weissweine<br />

mit mehr als 1,1 Gramm Essigsäurepro<br />

Liter <strong>und</strong> Rotweine mit mehr als<br />

1,2 Gramm gelten als verdorben. Eine<br />

Ausnahme bilden edelsüsse Weine.<br />

Schwefel/Sulfit: Jeder Wein enthält natürlicherweise<br />

bis zu 40 Milligramm<br />

Schwefel pro Liter (mg/l). Dieser wird<br />

bei der Gärung gebildet. Seit der Antike<br />

wird dem Wein zur Konservierung<br />

Schwefel beigemischt. Ersatzstoffe mit<br />

gleicher Funktionalität gibt es bis heute<br />

nicht. Die freie schweflige Säuredient als<br />

Schutz vor Oxydation <strong>und</strong> mikrobiellem<br />

Verderb. Die geb<strong>und</strong>ene schweflige<br />

Säure bindet Nebenprodukte der Gärung<br />

wie Aldehyde. Die gesamte<br />

schweflige Säuredarf Höchstwerte von<br />

160 mg/l bei trockenem Rotwein, bis<br />

400 mg/l bei Süsswein nicht überschreiten.<br />

Sulfitempfindliche Personen<br />

können allergisch reagieren. Deshalb ist<br />

der Wortlaut «enthält Sulfite» auf jedem<br />

Etikett zwingend.<br />

Aromastoffe: Mit wenigen Ausnahmen<br />

schmecken Trauben sauer oder süss.<br />

Die sortentypischen Aromen entstehen<br />

erst bei der Gärung.<br />

Mineralien: Eisen ist ein Qualitätsmerkmal<br />

für die Authentizität. Calcium <strong>und</strong> Kalium<br />

binden Säuren <strong>und</strong> mildern diese.<br />

Das <strong>im</strong> Pflanzenschutz eingesetzte Kupfer<br />

kann auf den Trauben oder über die<br />

Böden in den Wein gelangen <strong>und</strong> diesen<br />

trüben.<br />

Histamin: Während <strong>und</strong> nach der Gärung<br />

bilden Bakterienaus Aminosäuren<br />

Histamin. Empfindliche Personen können<br />

darauf allergisch reagieren. Der Toleranzwert<br />

liegt bei zehn mg/l. Histamin<br />

muss nicht deklariert werden.<br />

Swiss Gastro-Kombi 3/2009 23

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