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Entsäuern zum richtigen Zeitpunkt - (DLR) Mosel

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OENOLOGIE<br />

20<br />

Gernot Friedrich,<br />

<strong>DLR</strong> <strong>Mosel</strong>, Trier<br />

Der optimale <strong>Zeitpunkt</strong> für die<br />

Entsäuerung wird zunächst durch<br />

Weinsteinausfall herbeigeführt. Ist zu<br />

viel Weinstein ausgefallen, kann man<br />

den optimalen <strong>Zeitpunkt</strong> durch eine<br />

Entsäuerung mit Kalk und<br />

Kaliumbicarbonat wieder herstellen<br />

(Foto: dwi)<br />

Die Entsäuerung zur Erzielung harmonischer Weine ist eine<br />

fast jährlich wiederkehrende Behandlungsmaßnahme. Höhe<br />

und Zusammensetzung der Säure bestimmen das Maß der<br />

Entsäuerung und deren technische Durchführung.<br />

<strong>Entsäuern</strong> <strong>zum</strong><br />

<strong>richtigen</strong> <strong>Zeitpunkt</strong><br />

In den letzten Jahren hat die Notwendigkeit einer<br />

Entsäuerung abgenommen, doch die weniger guten<br />

Lagen und die manchmal zu frühe Lese und vor allen<br />

Dingen der Wunsch des Verbrauchers nach moderaten<br />

Endsäuren zwingen den Kellerwirt zu einer<br />

Korrektur der Säure. Diese Korrektur kann sowohl<br />

über den biologischen Säureabbau (BSA), als auch<br />

durch eine Behandlung mit Kalk erfolgen. Die Säure<br />

wirkt nicht nur als sensorische Komponente im Wein<br />

sondern sie beeinflusst nicht unerheblich die Weinsteinstabilität<br />

des Weines. Über den Umfang einer<br />

Entsäuerung und den günstigsten <strong>Zeitpunkt</strong> gehen<br />

die Meinungen der Oenologen auseinander.<br />

Es ist heute möglich, je nach vorliegenden Bedingungen,<br />

das Ausmaß, den <strong>Zeitpunkt</strong> und die Technik<br />

der Entsäuerung mit Kalk so zu wählen, dass mit<br />

diesem Arbeitsschritt gleichzeitig eine Weinsteinstabilisierung<br />

erreicht wird. Das heißt: Es gibt nur einen<br />

Entsäuerungszeitpunkt, der richtig ist, damit man<br />

bei der gewünschten Säure auch einen weinsteinstabilen<br />

Wein erhält. Zu diesem <strong>Zeitpunkt</strong> muss so<br />

viel Weinstein ausgefallen sein, dass durch eine<br />

anschließende Entsäuerung der Weinsäuregehalt<br />

soweit reduziert wird, damit ein stabiler Wein erhalten<br />

wird. Sind diese Anforderungen erfüllt, so gibt<br />

es für den betreffenden Wein nur einen Weinsäure-<br />

gehalt und einen Kaliumgehalt, der zutrifft. Eine<br />

erforderliche Weinsteinstabilisierung ist grundsätzlich<br />

immer vor der Entsäuerung durchzuführen. Ist<br />

eine Weinsteinstabilisierung nach einer Entsäuerung<br />

mit Kalk notwendig, so wurde zu früh entsäuert<br />

und nicht der notwendig gewesene Weinsteinausfall<br />

abgewartet. Ist der optimale <strong>Zeitpunkt</strong> verpasst<br />

worden, so kann man ihn nachträglich durch<br />

eine Entsäuerung mit Kalk und Kaliumbicarbonat<br />

wieder herstellen. Dabei wird der Wein auf den optimalen<br />

Kaliumgehalt wieder eingestellt. Um die Entsäuerung<br />

korrekt durchzuführen und zu berechnen,<br />

ist die Bestimmung der Weinsäure und der Ausgangssättigungstemperatur<br />

unumgänglich.<br />

Die Normalentsäuerung mit Kalk<br />

Generell kann empfohlen werden, dass bei einer<br />

geringfügigen Säurekorrektur der Weinsteinausfall<br />

abgewartet werden sollte. Erst nach dem Weinsteinausfall<br />

kann auf den gewünschten Gehalt an Gesamtsäure<br />

entsäuert werden. Diese Verfahrensweise führt<br />

einmal zu weinsteinstabilen Weinen und <strong>zum</strong> anderen<br />

zu einem exakten Erreichen des angestrebten<br />

Säuregehaltes.<br />

Für das in Tabelle 1 angeführte Beispiel und den<br />

betreffenden Wein bedeutet dies, dass nach einem<br />

Der Deutsche Weinbau • 6.1.2006 • Nr. 1


Weinsteinausfall von 1 g/l vor der Entsäuerung der<br />

Kaliumgehalt im fertigen Wein 993 mg/l und der<br />

Weinsäuregehalt 2,6 g/l betragen muss, damit der<br />

Wein eine Gesamtsäure von 7 g/l und eine Sättigungstemperatur<br />

von 10 °C aufweist und damit<br />

neben der gewünschten Säure auch Weinsteinstabilität<br />

gegeben ist.<br />

Anders stellt sich der Sachverhalt dar, wenn die<br />

Säureminderung höher ist und genügend Weinsäure<br />

vorliegt. Hier sollte früh entsäuert werden. Der<br />

Grund dafür ist in Tabelle 2a wiedergegeben. Beim<br />

Rückgang der Gesamtsäure um 1 g/l durch Ausfall<br />

von 2,5 g/l Weinstein geht die Weinsäure um 2 g/l<br />

zurück. Das Beispiel zeigt die Ausgangsdaten im<br />

Most vor dem Weinsteinausfall und im Jungwein<br />

nach dem Weinsteinausfall von 2,5 g/l. Unter den<br />

gegebenen Verhältnissen ist gerade noch die Reduzierung<br />

der Gesamtsäure durch Normalentsäuerung<br />

auf 7 g/l möglich, wenn eine Restweinsäure von<br />

1 g/l erhalten bleiben soll.<br />

Es werden die Ausgangswerte eines Mostes mit<br />

einer berechneten theoretischen Sättigungstemperatur<br />

von 50 °C gezeigt. Die Sättigungstemperatur<br />

wurde hier <strong>zum</strong> ersten Mal im Jungwein sofort nach<br />

der Gärung bestimmt. Sie lag hier bei 30 °C. 2,5 g/l<br />

ausgefallener Weinstein verändern die Sättigungstemperatur<br />

um 20 °C, so dass im Ausgangsprodukt<br />

bei angenommener Vergärung die Sättigungstemperatur<br />

bei 50 °C gelegen hätte. Außerdem wird der<br />

Kaliumgehalt um ca. 500 mg/l erniedrigt, was in<br />

den meisten Fällen für die Weinstabilität nicht ausreichend<br />

ist. Dieser Wein ließe sich im Jungweinstadium<br />

gerade noch um 4 g/l auf die gewünschten<br />

7 g Säure / L einstellen bei Erhaltung des Kaliums.<br />

Wie in der Praxis geschehen, wurde dieser Wein<br />

weiter der Winterkälte ausgesetzt, was zur Folge<br />

hatte, dass weiterer Weinstein ausfiel. Die Werte in<br />

Tab. 2b zeigen die Säureverhältnisse, wenn 2 g/l der<br />

Gesamtsäure als Weinstein ausgefallen sind. Die<br />

Weinsäure reduziert sich um 4 g/l auf 3 g/l und<br />

erreicht damit 30 % der Gesamtsäure. Wird ein Restweinsäuregehalt<br />

von 1 g/l angestrebt, so reduziert<br />

sich der Entsäuerungsspielraum auf 2 g/l. Die maximal<br />

erreichbare Säure durch Normalentsäuerung<br />

betrüge 8 g/l. Dies bedeutet, dass unter den gegebenen<br />

Verhältnissen ein Hinauszögern der Entsäuerung<br />

zu der doch aufwendigen Doppelsalzentsäuerung<br />

(oder sogar der erweiterten Doppelsalzentsäuerung)<br />

zwingt. Wäre die Entsäuerung vor dem<br />

Weinsteinausfall - also frühzeitig - durchgeführt worden,<br />

wäre eine Säureminderung durch Normalentsäuerung<br />

auch bis auf 7 g/l möglich gewesen.<br />

Erweiterte Normalentsäuerung mit<br />

Weinstein<br />

Weinstein als Hilfsmittel für die Entsäuerung zu<br />

verwenden ist nicht vorgesehen und nicht erlaubt,<br />

man kann nur auf den Weinstein zurückgreifen der<br />

Tabelle 1: Normalentsäuerung bei Kellertemperatur<br />

nach Weinsteinausfall<br />

OENOLOGIE<br />

Gesamtsäure Weinsäure Kalium Sättigungstemperatur<br />

9,0 g/l 5,0 g/l 1200 mg/l 26 °C<br />

nach Weinsteinausfall -1,00 g/l<br />

8,6 g/l 4,2 g/l 993 mg/l 18 °C<br />

nach der Entsäuerung mit 1,07 g Kalk/l<br />

7,0 g/l 2,6 g/l 993 mg/l 10,0 °C<br />

Tabelle 2a: Frühe Entsäuerung bei hoher Säure nach Weinsteinausfall<br />

Gesamtsäure Weinsäure Kalium Sättigungstemperatur<br />

12,0 g/l 7,0 g/l 1600 mg/l 50 °C<br />

nach Weinsteinausfall -2,50 g/l<br />

11,0 g/l 5,0 g/l 1083 mg/l 30 °C<br />

nach der Entsäuerung mit 2,66 g Kalk/l<br />

7,0 g/l 1,0 g/l 1083 mg/l 10,0 °C<br />

Tabelle 2b: Späte Entsäuerung nach weiterem Weinsteinausfall<br />

Gesamtsäure Weinsäure Kalium Sättigungstemperatur<br />

11,0 g/l 5,0 g/l 1083 mg/l 30 °C<br />

nach Weinsteinausfall -2,50 g/l<br />

10,0 g/l 3,0 g/l 565 mg/l 10 °C<br />

nach der Entsäuerung mit 2,00 g Kalk/l<br />

7,0 g/l 0,0 g/l 565 mg/l -5,0 °C<br />

Tabelle 3: Einstellung der optimalen Bedingungen nach der<br />

Entsäuerung<br />

Gesamtsäure Weinsäure Kalium Sättigungstemperatur<br />

10,0 g/l 3,0 g/l 565 mg/l 10 °C<br />

nach der Entsäuerung auf 6 g/l<br />

6,0 g/l -1,0 g/l 565 mg/l -10 °C<br />

nach der Auflösung von 2,5 g Weinstein / l<br />

7,0 g/l 1,0 g/l 1083 mg/l 10,0 °C<br />

Tabelle 4: Einstellung der optimalen Bedingungen vor der<br />

Entsäuerung<br />

Gesamtsäure Weinsäure Kalium Sättigungstemperatur<br />

10,0 g/l 3,0 g/l 565 mg/l 10 °C<br />

nach Weinsteinauflösung 2,50 g/l<br />

11,0 g/l 5,0 g/l 1083 mg/l 30 °C<br />

nach der Entsäuerung mit 2,66 g Kalk/l<br />

7,0 g/l 1,0 g/l 1083 mg/l 10,0 °C<br />

Der Deutsche Weinbau • 6.1.2006 • Nr. 1 21


OENOLOGIE<br />

Gesamtsäure Weinsäure gewünschte gewünschte Menge Weinstein-<br />

Säure Restweinsäure sättigungs<br />

temp.<br />

10,0 g/l 3,0 g/l 7,0 g/l 1,0 g/l 1000 ml 10,0 °C<br />

Kalkmenge 0,666 x (Weinsäure – gewünschte Rest WS) x Menge / 1000 1,33 g Kalk<br />

Kaliumbicarbon. (Ges.S. – gew.S.) x 0,666 / 1000 x Menge – Kalkmenge) x 2 1,33 g Bicarb.<br />

ST n. Entsäuerung Ausgangs.ST + Bicarbonat / 0,666 x 5 - Kalk / 0,666 x 5 10,0 °C<br />

22<br />

Tabelle 5: Berechnung der optimalen Entsäuerung durch Änderung<br />

der Restweinsäure<br />

Gesamtsäure Weinsäure gewünschte Sättigungs- Kalium Rest-<br />

Säure temperatur weinsäure<br />

10,0 g/l 3,0 g/l 7,0 g/l 10,0 °C 565 mg/l 0,0 g/l<br />

Berechnung der Entsäuerung für 1000 ml<br />

gewünschte Kalk Bicarbonat Sättigungstemp. Kalium<br />

Restweins. n. Entsäuerung<br />

0,00 g/l 2,00 g Kalk 0,00 g Bicarb. -5,0 °C 565 mg/l<br />

0,50 g/l 1,67 g Kalk 0,67 g Bicarb. 2,5 °C 825 mg/l<br />

1,0 g/l 1,33 g/l 1,33 g/l 10,0 °C 1085 mg/l<br />

1,25 g/l 1,17 g Kalk 1,67 g Bicarb. 13,8 °C 1215 mg/l<br />

1,50 g/l 1,00 g Kalk 2,00 g Bicarb. 17,5 °C 1345 mg/l<br />

Tabelle 6: Formelsammlung<br />

Tabelle 7a: Entsäuerungsbeispiel 1<br />

Gesamtsäure Weinsäure gewünschte Sättigungs- Kalium Rest-<br />

Säure temperatur weinsäure<br />

10,0 g/l 4,3 g/l 7,0 g/l 15,0 °C 650 mg/l 1,3 g/l<br />

Berechnung der Entsäuerung für 1000 ml<br />

gewünschte Kalk Bicarbonat Sättigungstemp. Kalium<br />

Restweins. n. Entsäuerung<br />

1,30 g/l 2,0 g Kalk 0,0 g Bicarb. 0,0 °C 650 mg/l<br />

1,50 g/l 1,86 g Kalk 0,27 g Bicarb. 3,0 °C 754 mg/l<br />

2,00 g/l 1,53 g Kalk 0,93 g Bicarb. 10,5 °C 1014 mg/l<br />

2,50 g/l 1,20 g Kalk 1,60 g Bicarb. 18,0 °C 1274 mg/l<br />

Tabelle 7b: Entsäuerungsbeispiel 2<br />

Gesamtsäure Weinsäure gewünschte Sättigungs- Kalium Rest-<br />

Säure temperatur weinsäure<br />

8,0 g/l 3,0 g/l 7,0 g/l 15,0 °C 600 mg/l 2,0 g/l<br />

Berechnung der Entsäuerung für 1000 ml<br />

gewünschte Kalk Bicarbonat Sättigungstemp. Kalium<br />

Restweins. n. Entsäuerung<br />

2,00 g/l 0,67 g Kalk 0,00 g Bicarb. 10,0 °C 600 mg/l<br />

2,50 g/l 0,33 g Kalk 0,67 g Bicarb. 17,5 °C 860 mg/l<br />

3,00 g/l 0,00 g Kalk 1,33 g Bicarb. 25,0 °C 1120 mg/l<br />

ausgeschieden wurde und im Tank vorliegt. Die Auflösung<br />

von 2,5 g/l Weinstein führt zur Erhöhung<br />

der Gesamtsäure um 1 g/l und um 2 g/l Weinsäure.<br />

Man könnte also theoretisch einen Wein auf<br />

-1 g Weinsäure entsäuern und die Auflösung von<br />

2,5 g Weinstein / Liter abwarten. Der Entsäuerungsspielraum<br />

wird praktisch um 1 g/l erweitert bei Wiederherstellung<br />

des optimalen Kaliumgehaltes, siehe<br />

Tabelle 3. Wird in dem in Tabelle 4 gezeigten Beispiel<br />

der optimale Zustand wieder hergestellt, so<br />

benötigt man 2,5 g/l Weinstein.<br />

Wird das Kalium aus dem zugesetzten Weinstein<br />

in Kaliumbicarbonat umgerechnet, so kommt man<br />

auf einen Wert von 1,33 g/l, dies entspricht 518<br />

mg/l Kalium. Das Kaliumbicarbonat dient in diesem<br />

Fall den Wein auf den optimalen Ausgangszustand<br />

vor der Entsäuerung einzustellen und gleichzeitig<br />

einen Teil der Säure zu neutralisieren.<br />

Um 1 g Säure / Liter zu entfernen, benötigt man<br />

0,66 g Kaliumbicarbonat unter der Vorraussetzung,<br />

dass sich das Kalium mit der Weinsäure komplett<br />

verbindet und als Weinstein ausfällt. Bleibt das Kalium<br />

jedoch erhalten und fällt nicht aus, so wird praktisch<br />

nur 0,5 g Säure entfernt und man benötigt<br />

1,33 g Bicarbonat um 1 g Säure / Liter zu neutralisieren.<br />

Für das in Tabelle 4 angeführte Beispiel bedeutet<br />

dies, dass durch Zusatz von 1,33 g/l Kaliumbicarbonat<br />

der optimale Kaliumgehalt eingestellt wird<br />

und gleichzeitig eine Säurereduzierung von 1 g/l<br />

stattfindet. Wird jetzt noch um 2 g/l mit Kalk entsäuert,<br />

so kommt man auf die gewünschte Säure von<br />

7 g/l<br />

Das Ziel einer solchen Entsäuerung muss natürlich<br />

auch Weinsteinstabilität sein und hat dadurch<br />

seine Grenzen. Aus der Ausgangssättigungstemperatur<br />

und dem Entsäuerungsspielraum lässt sich die<br />

Sättigungstemperatur berechnen.<br />

Kombinierte Entsäuerung mit Kalk und<br />

Kaliumbicarbonat<br />

Ziel dieser Entsäuerung ist es, durch einen Entsäuerungsgang<br />

die gewünschte Säure zu erreichen<br />

und gleichzeitig Weinsteinstabilität. Die Weine müssen<br />

auf einen optimalen Ausgangszustand gebracht<br />

werden, d.h.: es muss soviel Weinstein vor der Entsäuerung<br />

ausgefallen sein, damit man durch eine<br />

Entsäuerung mit Kalk den Wein optimal einstellen<br />

kann. Ist zuviel Weinstein ausgefallen, kann man<br />

dies durch eine Entsäuerung mit Kaliumbicarbonat<br />

kompensieren und die optimalen Bedingungen bzw.<br />

den „optimalen <strong>Zeitpunkt</strong>“ nachträglich herstellen.<br />

Durch diese Art der Entsäuerung wird es ermöglicht,<br />

dass man die Weine erst kurz vor der Füllung<br />

entsäuert und sie ohne Eingriff in das System bei<br />

einem tiefen pH Wert vergären kann und damit nicht<br />

anfällig gegen mikrobiologische Veränderungen sind.<br />

Man erhält einen Wein, der weinsteinstabil ist und<br />

Der Deutsche Weinbau • 6.1.2006 • Nr. 1


außerdem einen max. Kaliumgehalt aufweist. Eine<br />

nachträgliche Stabilisierung ist nicht nötig.<br />

Für das in Tabelle 5 angeführte Beispiel ist eine<br />

Entsäuerung auf 7 g/l mit 1,33 g/l Bicarbonat und<br />

1,33 g/l Kalk bei einer gewünschten Restweinsäure<br />

von 1,0 g/l die ideale Entsäuerung. Die gleichen<br />

Werte hätte man auch erhalten, wenn man diesen<br />

Wein mit 2,5 g/l Weinstein mehr, also zu einem früheren<br />

<strong>Zeitpunkt</strong> mit Kalk entsäuert hätte. Die Formeln<br />

für die Berechnung sind der Tabelle 6 zu entnehmen.<br />

In den in den Tabellen 7a und 7b aufgeführten<br />

Beispielen wird noch einmal gezeigt, wie man durch<br />

Änderung der Restweinsäure die optimale Entsäuerung<br />

erzielt. Anfangs wurde erwähnt, dass es für den<br />

zu entsäuernden Wein nur einen Kaliumgehalt und<br />

einen Weinsäuregehalt gibt, den es zu erreichen gilt.<br />

Für den 1. Wein ist die Entsäuerung mit 2,0 g Restweinsäure<br />

bei einer gewünschten Säure von 7,0 g/l<br />

die optimale Entsäuerung, der Kaliumgehalt erhöht<br />

sich um 364 mg/l.<br />

Beispiel 2 (Tabelle 7b) zeigt einen Wein, der <strong>zum</strong><br />

jetzigen <strong>Zeitpunkt</strong> mit Kalk zu entsäuern ist, wie<br />

das auch die Berechnung zeigt. Der Wein hat mit<br />

750 mg/l Kalium bei der gewünschten Säure und<br />

einer Sättigungstemperatur von 10 °C optimale<br />

Werte. Eine Entsäuerung mit Kaliumbicarbonat<br />

kommt nicht in Frage. Gibt man die Restweinsäure<br />

mit 3,0 g/l an, so berechnet das Programm die Werte<br />

nach Neutralisation mit 1,33 g Kaliumbicarbonat.<br />

Mit den derzeitigen Werten kann man den Wein auf<br />

2,0 g Restweinsäure optimal mit Kalk entsäuern.<br />

Die Entsäuerung mit Kaliumbicarbonat<br />

Wie schon des öfters erwähnt ist eine Entsäuerung<br />

alleine mit Kaliumbicarbonat nicht zu empfehlen.<br />

Die analytischen Endwerte unterscheiden sich<br />

nicht von denen einer Entsäuerung mit Kalk. Während<br />

die Normalentsäuerung mit Kalk bei normaler<br />

Kellertemperatur ohne viel Aufwand über die Bühne<br />

geht, ist bei der Entsäuerung mit Kaliumbicarbonat<br />

einiges zu beachten. Bei den Entsäuerungen mit Kaliumbicarbonat<br />

muss gekühlt, eventuell Kontaktweinstein<br />

verwendet werden oder mit Metaweinsäure<br />

gefüllt werden. Oft wird die gewünschte Säure nicht<br />

erreicht, man hat einen erhöhten Kaliumgehalt und<br />

der Wein ist in vielen Fällen weinsteininstabil; Tabelle<br />

8.<br />

Um den Wein von 8 g/l auf 7 g/l mit Kaliumbicarbonat<br />

zu entsäuern, benötigt man 0,66 g/l. Durch<br />

Neutralisation geht die Säure zunächst um den halben<br />

gewünschten Betrag zurück, der Kaliumgehalt<br />

steigt um 260 mg/l.<br />

Anschließend muss der Wein stabilisiert werden.<br />

1,25 g Weinstein muss ausfallen, damit sich die Säure<br />

um 0,5 g/l und der Kaliumgehalt um 260 mg/l<br />

erniedrigt. (Identische Werte wie bei der Normalentsäuerung<br />

mit Kalk).<br />

Werden die 260 mg Kalium, die in 0,66g Kaliumbicarbonat<br />

enthalten sind in Weinstein umgerechnet,<br />

so beträgt dies 1,25 g/l, was wiederum 0,5 g/l<br />

Gesamtsäure und 1 g/l Weinsäure, sowie eine Erhöhung<br />

der Sättigungstemperatur von 10 °C ergibt.<br />

Die Tabelle zeigt den Ausgangswein zu einem früheren<br />

<strong>Zeitpunkt</strong> mit 1,25 g/l Weinstein mehr in<br />

Lösung.<br />

Kein Kellerwirt käme auf die Idee den Wein <strong>zum</strong><br />

jetzigen <strong>Zeitpunkt</strong> mit Kalk zu entsäuern. Eine<br />

anschließende Stabilisierung wäre unumgänglich.<br />

Hätte man trotzdem diesen Wein mit Kalk um 1 g/l<br />

entsäuert, so kommt man auf die identischen Werte<br />

wie nach Neutralisation mit Bicarbonat, allerdings<br />

viel früher. Man hat in beiden Fällen eine Säure von<br />

7,5 g/l erreicht. Um den Wein nun auf die<br />

gewünschte Säure zu bringen, muss noch 1,25 g<br />

Tabelle 8: Beispiel<br />

Ausgangswein (optimale Bedingungen, um den Wein mit Kalk<br />

zu entsäuern)<br />

Weinstein ausfallen, was zu einer Erniedrigung der<br />

Gesamtsäure um 0,5 g/l und um 260 mg/l Kalium<br />

führt. Es muss auf jeden Fall gekühlt und stabilisiert<br />

werden.<br />

Auf der anderen Seite hätte man ideale Vorraussetzungen<br />

den Ausgangswein <strong>zum</strong> jetzigen <strong>Zeitpunkt</strong><br />

mit 8 g/l Säure mit Kalk auf 7 g/l zu entsäuern.<br />

Auch bei Keller- und Weintemperaturen um 15 °C<br />

erhält man hier die berechnete Sättigungstemperatur<br />

von 10 °C ohne Kühlung und Kontaktverfahren<br />

innerhalb von 24 Stunden.<br />

Es gibt keinen Unterschied der analytischen Endwerte<br />

zwischen einer Entsäuerung mit Bicarbonat<br />

und Kalk. In dem einen Fall wird Kalium, in dem<br />

anderen Fall Calcium als Fällungsmittel verwandt.<br />

In beiden Fällen geht man davon aus, dass beide Fällungsmittel<br />

mit der Weinsäure quantitativ ausfallen<br />

und wieder entfernt werden. In dem einen Fall, bei<br />

OENOLOGIE<br />

Gesamtsäure Weinsäure Kalium Sättigungs- gewünschte Resttemperatur<br />

Säure weinsäure<br />

8,0 g/l 3,0 g/l 600 mg/l 15 °C 7,0 g/l 2,0 g/l<br />

1. Neutralisation<br />

7,5 g/l 3,0 g/l 860 mg/l 20 °C<br />

2. nach Stabilisierung<br />

7,0 g/l 2,0 g/l 600 mg/l 10 °C<br />

Ausgangswerte zu einem früheren <strong>Zeitpunkt</strong><br />

8,5 g/l 4,0 g/l 860 mg/l 25 °C<br />

Nach Entsäuerung um 1 g/l mit Kalk<br />

7,5 g/l 3,0 g/l 860 mg/l 20 °C<br />

Der Deutsche Weinbau • 6.1.2006 • Nr. 1 23


OENOLOGIE<br />

Noch Fragen?<br />

Fragen zu diesem Beitrag<br />

beantwortet Ihnen unser Autor.<br />

Tel. 0651 9776 184<br />

E-Mail:<br />

gernot.friedrich@dlr.rlp.de<br />

24<br />

Abbildung 1: Calciumreduzierung während der Entsäuerung<br />

Durch eine Leitfähigkeitmessung<br />

kann man den fortschreitenden<br />

Stabilisierungsprozess verfolgen<br />

der Entsäuerung mit Kalk geschieht dies bei Kellertemperatur,<br />

in dem anderen Fall bei der Entsäuerung<br />

mit Kaliumbicarbonat muss der Wein gekühlt und<br />

eventuell kontaktiert werden, um die gewünschten<br />

Endwerte zu erhalten. Es gibt demnach drei Möglichkeiten<br />

den Wein auf dieselben Endwerte einzustellen.<br />

Beispiele einer Entsäuerung um 1 g/l:<br />

1. Frühe Entsäuerung mit Kalk:<br />

Die Säure wird nicht auf den Endwert eingestellt,<br />

es wird 0,5 g/l Säure über den Endwert entsäuert<br />

Das halbe Gramm Säure muss in Form von Weinstein<br />

noch ausfallen.<br />

2. Späte Entsäuerung mit Kalk:<br />

Man hat den Weinsteinausfall abgewartet und entsäuert<br />

mit Kalk auf den Endwert. Diese Entsäuerung<br />

ist richtig und optimal und führt zu weinsteinstabilen<br />

Weinen.<br />

3. Späte Entsäuerung mit Kaliumbicarbonat:<br />

Man hat den Weinsteinausfall abgewartet und entsäuert<br />

mit Kaliumbicarbonat auf den Endwert. Diese<br />

Entsäuerung ist falsch. Man hat seine Bemühungen,<br />

einen weinsteinstabilen Wein herzustellen mit einem<br />

Schlag nach Zugabe des Bicarbonates zunichte<br />

gemacht und einen Wein mit einem erhöhtem Kaliumgehalt<br />

hergestellt, der in Form von Weinstein wieder<br />

ausfallen muss. Man ist jetzt da angelangt wie<br />

bei der Entsäuerung mit Kalk zu einem frühen <strong>Zeitpunkt</strong>.<br />

Durchführung der kombinierten<br />

Entsäuerung mit Kalk und Bicarbonat<br />

Zur Erreichung eines schnellstmöglich calciumstabilen<br />

Weines verfährt man bei der Normalentsäuerung<br />

mit Kalk am erfolgreichsten so: zu 10 % der zu<br />

entsäuernden Menge gibt man die berechnete Kalk-<br />

menge und lässt die Weinmenge langsam zulaufen.<br />

Die Vorteile einer solchen Verfahrensweise liegen<br />

klar auf der Hand. Sollen z.B.: 1.000 Liter Wein um<br />

1 g/l entsäuert werden, so werden 250 Liter dieses<br />

Weines um 4 g/l entsäuert. In 10 % des Weines liegt<br />

das benötigte Calcium in der 10 fachen Konzentration<br />

vor. Es wird sich sofort Calciumtartrat bilden,<br />

das im weiteren Verlauf als Kontaktmasse für die<br />

weitere Calciumtartratbildung dient. Nach 30 Minuten<br />

sollte der Vorgang beendet sein und man gibt die<br />

berechnete Menge Kaliumbicarbonat hinzu. Um Calciumstabilität<br />

zu erhalten, sollte an den folgenden<br />

3 Tagen täglich 5 Mal kurz aufgerührt werden, damit<br />

das ausgeschiedene Calciumtartrat besser als Kontaktmasse<br />

dienen kann. Der Wein ist nach dieser<br />

Zeit sowohl calcium- als auch weinsteinstabil. Eine<br />

schnellstmögliche Stabilität wird erreicht, indem man<br />

den Wein kühlt und längere Zeit rührt. Eine Wartezeit<br />

von 6 Wochen ist nicht erforderlich. Durch eine<br />

Leitfähigkeitmessung kann man den fortschreitenden<br />

Stabilisierungsprozess verfolgen; Abbildung 1.<br />

Fazit<br />

Es werden Hinweise gegeben, wie wichtig der<br />

Entsäuerungszeitpunkt ist. Der optimale <strong>Zeitpunkt</strong><br />

wird zunächst durch Weinsteinausfall herbeigeführt.<br />

Ist nur eine geringfügige Entsäuerung notwendig,<br />

muss der Weinsteinausfall abgewartet werden. Die<br />

Entsäuerung ist kurz vor der Füllung vorzunehmen.<br />

Hat man den <strong>Zeitpunkt</strong> verpasst, kann das auch von<br />

Vorteil sein – Vergärung ohne Eingriff in das System,<br />

tiefer pH Wert und problemlose Entsäuerung mit<br />

Kalk und Kaliumbicarbonat kurz vor der Füllung auf<br />

die gewünschte Säure bei berechneter Weinsteinstabilität<br />

machen das neue Verfahren interessant. Ist zu<br />

viel Weinstein ausgefallen, so kann man den optimalen<br />

<strong>Zeitpunkt</strong> durch eine Entsäuerung mit Kalk<br />

und Kaliumbicarbonat wieder herstellen.<br />

Für den betreffenden Wein gibt es nur einen Kalium-<br />

und Weinsäuregehalt, der bei der gewünschten<br />

Säure und Sättigungstemperatur zutrifft.<br />

Will man dieses Verfahren nicht anwenden, so ist<br />

wichtig, dass bei einer hohen Entsäuerungsspanne<br />

und Gesamtsäuren über 12 g/l eine Entsäuerung um<br />

ca. 2 g/l mit Kalk im Most zu erfolgen hat oder eine<br />

schnellstmögliche Entsäuerung nach der Gärung richtig<br />

ist. Bei Gesamtsäuren unter 10 g/l ist eine späte<br />

Entsäuerung zu empfehlen. In diesem Fall muss ein<br />

Weinsteinausfall abgewartet werden oder es sollte<br />

eine gezielte Weinsteinstabilisierung (z.B. durch Kontaktverfahren)<br />

vor der Entsäuerung erfolgen. Eine<br />

Weinsteinstabilisierung nach einer Entsäuerung mit<br />

Kalk oder Kaliumbicarbonat ist immer ein Fehler. Es<br />

ist einfacher einen Wein durch Weinsteinausfall von<br />

20 °C auf 15 °C Sättigungstemperatur zu bringen,<br />

als einen Wein von 15 °C auf 10 °C. Außerdem wird<br />

durch eine Stabilisierung nach der Entsäuerung<br />

immer die gewünschte Säure unterschritten. ◗<br />

Der Deutsche Weinbau • 6.1.2006 • Nr. 1

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