Medienerziehung: Neue Medien- Chancen und ... - Sunderhaus.de

Aufgrund von rechtlichen Problemen 1 musste aber ein Alternativthema her.
Ich stieß auf den Stern Artikel „Pädophile- Kinderfang im Bravo-Chat“ 2 .
In einer Doppelstunde erarbeiteten die Schülergruppen verschiedene Themen in
Gruppenarbeit. Die Gruppe von Schülerinnen und Schülern zu diesem Modul hatte
sich (ohne meine direkte Aufforderung) nicht nur mit den Arbeitsmaterialien
auseinandergesetzt, sondern sich flugs im BRAVO-Chat angemeldet.
Das hatte ich aus Zeitgründen eigentlich ausgeschlossen. Ich ließ dies geschehen,
doch dem war meines Erachtens wenig Erfolg beschienen. Denn die BRAVO-
Redaktion würde –so meinte ich – nach dem negativen Echo durch den Artikel
Maßnahmen gegen solche Leute getroffen haben...?!
Doch meine Einschätzung war falsch. Nach fünf Minuten war die Anmeldung
perfekt, nach zehn Minuten mit offensichtlich ebenfalls jugendlichen Chat-Partnern
und den üblichen Themen kam es zu (neben stehender) Eins-zu-Eins-Unterhaltung,
die hier in Teilen abgedruckt ist.
Dieses Ergebnis war im Anschluss Anlass zu einer der intensivsten Diskussionen
meiner Medien-Reihe, weil die Schülerinnen und Schüler und ich sozusagen einen
selbst "gefundenen" Unterrichtsgegenstand kontrovers diskutierten:
Wie war es möglich, bereits Freitag vormittags um zehn Uhr eine solche Chat-
Kommunikation zwischen einem (offensichtlichen) 34-jährigen und einem Kind
aufzubauen? War die Kommunikation, die von meinen Schülerinnen und Schülern
aus in der Rolle eines jungen Mädchens gelenkt wurden, ein Spiel? Was ist real,
was ist sozusagen ein "Probehandeln" oder gar "nur Spaß"? Ist der Chatpartner
"ferkel28" ein pädophiler Herumtreiber im BRAVO-Chat ("nomen est omen")?
Oder gar ein Redaktionsmitglied, ein Polizist gar, der es vielleicht hier mal anderen
demonstriert, was möglich ist oder durch gezielte Fragen von "sweety1994w" in
eine Richtung gedrängt wurde?
Passte das Klischee vom sozial gestörten, arbeitslosen Bauarbeiter, der mit kleinen
Mädchen etwas anfängt, nicht viel zu gut, um real zu sein? Kann BRAVO.de einen
Missbrauch des Jugend-Chats verhindern? …
Dieser Chat eines fiktiven 12-jährigen Mädchens mit einem ihr vorher völlig
unbekannten Chatpartner, der sich als 34-jährigen Arbeitsloser aus Sachsen ausgibt,
zeigt für jeden in der Klasse deutlich, auf welchem unsicheren Terrain man sich im
Bereich des Internets bewegt. Auch eine Strafverfolgungsbehörde hätte hier wenig
Handhabe – selbst wenn eindeutigere Aussagen gefolgt wären. Denn wir befinden
uns im Internet.
Der Rollenwechsel, die Frage nach der Identität, der Konstituierung von
Erwartungen und Rollen in einer Kommunikation – wie hätte man ein besseres
Beispiel finden können?
Google – nur eine Suchmaschine?
Obwohl jeder Jugendliche auch andere Möglichkeiten hat, reagieren viele Schüler
auf eine Hausaufgabe oft mit dem Eingeben eines Schlagwortes bei der
Suchmaschine Google.
Im Kunstunterricht der neunten Klasse staunte ich nicht schlecht, als ein
1 Auf Rechtsextremismus-Seiten zu surfen, ist zwar nicht verboten, aber dennoch in gewisser Weise
problematisch. Auf einer entsprechenden DVD der Landesmedienanstalt wurde auch davon
abgeraten, die auf der DVD vorgestellten Seiten (außerhalb des Films) zu besuchen.
2 vgl. Internetdokument : http://www.stern.de/computer-technik/internet/:P%E4dophile-
Kinderfang.htm (Abruf vom 06.03.2006)
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