Medienerziehung: Neue Medien- Chancen und ... - Sunderhaus.de

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Elektronische Texte und Medien haben aber andere Funktionsweisen als gedruckte Texte. Durch das nebeneinander stehende Medienangebot digitalisierter Inhalte sowie durch das Nutzerverhalten entsteht eine neue Medienform, die weder gelesen, noch gehört, noch angeschaut werden kann, sondern alles in einer mehr oder weniger intensiver Form abwechselnd. Dadurch wandle sich (nach Gunther Kress) das lineare Lesen in ein eher orientierendes Lesen 1 . Dabei ändert sich auch die Taktzahl oder der zeitliche Leseverlauf, der Wunsch, dem nächsten Link zu folgen, ist häufig stärker als die Attraktivität des momentanen Lesetextes. In der Folge entwickelt sich ein zwischen Textfragmenten springender Leseprozess, der den Nutzer des Internets oder aber auch der CDrom zu vielen, aber nicht immer abgeschlossenen Leseerfahrungen verführt. Gleichzeitig verschwimmen in Teilen der Kommunikation, insbesondere im Chat, die Grenzen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, es wird Sprachen übergreifend kommuniziert, weil es möglich (und in gewissem Sinn auch pragmatisch ist). Digitale Medien haben damit einen Textbegriff, der sich von dem traditioneller Texte unterscheidet. Für den Unterricht hat das Konsequenzen: Nicht selten wird der zur Lektüre aufgegebene Roman im Internet anhand einer Zusammenfassung vorrecherchiert, dann als Hörbuch gehört oder als Verfilmung angeschaut und am Ende steht dann die klassische Lektüre – vorstrukturiert oder mitunter in der Rezeptionsweise von den Adaptionen gefiltert. Auch wenn von Seiten des Lehrers dazu nicht aufgefordert wird, wird ein beträchtlicher Teil der Schülerinnen und Schüler diesen Weg gehen. Dass das nicht ohne Konsequenzen auf die Schülerinnen und Schüler bleibt, denen ein im besten Sinn "naives" Erstleseerlebnis oft fehlt, ist klar. Aus den oben genannten Veränderungen ist ein rein auf das Buch basierender Unterricht nicht möglich. Der Deutschunterricht solle deshalb, fordert Wermke, zu einem "integrativen Deutschunterricht" werden, da die Buchkultur nicht mehr isoliert betrachtet werden könne 2 . Auch Mathis Kepser sieht den Gegenstandsbereich der (unter anderem im Deutschunterricht angesiedelten) Medienkritik auf einen Medienverbund bezogen: "Nicht zuletzt ist die Trennung zwischen den öffentlichen Massenmedien, die tradionellerweise auf einseitige Kommunikation beschränkt waren, und den privaten Medien, die zwei- und mehrseitige Kommunikation ermöglichen, durchlässig geworden." 3 Die Lesekompetenz ("literacy") ist insofern kein Begriff, den man an Büchern alleine festmachen kann, sondern der sich zunehmend einem erweiterten Textbegriff stellen wird. Wenn aber diese Lesekompetenz im Internet die Herausforderung multimedialer Bild-Text-Audio-Video-Inhalte annehmen muss, so muss sie auch außerhalb des sprachunterrichtlichen Kerns und abseits des konventionellen Textbegriffes geschult werden. 7.6 Integrierte Bild-, Audio- und Videokompetenz als neue Herausforderung an den Fächerkanon? 1 vgl.: Gunther Kress: Literacy in the new media age. London (u.a.) 2004, v.a. Kapitel 9 2 vgl.: M. Kämper-van dem Boogart (Hrsg.): Deutschdidaktik. Leitfaden für die Sekundarstufe I und II.; S. 96f 3 Mathis Kepser (Hrsg.): Medienkritik im Deutschunterricht. Hohengehren 2004; S. 3 18
Aufgrund der technischen Möglichkeiten (vor allem der immer weiter steigenden Bandbreite) ist eine Internetseite heute anders aufgebaut als eine durchschnittliche Seite von 1995. Ähnliche digitale "Aufrüstung" erfahren CDroms oder PC- Programme, die sehr viel mehr und bessere Grafik-Elemente enthalten. Kulturwissenschaftler sprechen gar von einem "Iconic Turn" 1 , der die Schriftsprache in eine Bildsprache umwandele. Zu Ende gedacht würde diese Wende große Teile des textorientierten Deutschunterrichts 2 schlicht (in deren konventioneller Auslegung) arbeitslos machen. Wenn man unterstellt, dass hier also ein neues Medium entsteht, so kann man fragen, welches Fach zumindest hauptsächlich diese Neuen Medien übernehmen könnte oder ob man nicht ein neues Fach einrichten müsste. Neben der durch Informatik, vielleicht durch Physik, übernommenen technischen Grundlagen, kommen für den sprachlichen Teil sicher die sprachlichen Fächer (Deutsch, Englisch u.a.) in Frage. Möglicherweise können diese auch einen Großteil der theoretischen Kommunikationstheorie (Kommunikationstheorien, Medienkritik, etc.) übernehmen, wie sie es für das Fernsehen bereits gemacht haben 3 . Aufgrund des hohen grafischen Anteils in der Bildschirm orientierten Aufmachung, dem weiter steigenden Bildanteils in den Neuen Medien käme Kunst in Betracht. Für die nicht besonders hervorstechenden, aber auch häufiger werdenden Audio-Anteile könnte das Fach Musik einen Beitrag leisten. Wie kein anderes Medium stellt das multimediale Internet die relativ abgeschotteten Fach-Konzepte der Schule in Frage. Hier wäre entweder ein neues Fach namens "Medien" nötig oder eine sehr systematisch ausgebaute, fachübergreifende Zusammenarbeit, die das bis heute eher weniger abgestimmte Durcheinander und Nebeneinander einzelner Anstrengungen in den Fächern ablöst 4 . Keine der beiden Lösungsmodelle ist kurzfristig in Sicht, so dass die Frage "Wer hat die Fach-Hoheit über das Internet?" spannend bleibt, sie kann hier aber nur aufgeworfen werden. 7.8 Die Erzieherfunktion im Netz – vernachlässigbar? Das Lehrerbild des "Erziehers", der pädagogisch Jugendliche auch in Sachen Wert-/ Moralerziehung begleitet, scheint sich in Bezug auf Neue Medien nicht direkt in den Vordergrund zu drängen. Zu sehr geht es um methodische Kompetenz oder auch die Inhalte der Analyse, die zweifelsohne wichtig sind. Anhand eines aktuellen Falls kann eindrucksvoll belegt werden, wie sehr die erzieherischen Kompetenzen eines Lehrers für die Neuen Medien gefordert und herausgefordert sind: In einer auch mit anderen Schulproblemen 5 korrespondieren Welle von Meldungen 1 Dieser Begriff ist mittlerweile zu einem Modewort geworden, dessen Grundlage eine Vorlesungsreihe bzw. ein Buch ist: C. Maar/ H. Burda (Hrsg.): Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder. Köln 2004. 2 Zitat aus dem Lehrplan Deutsch Oberstufe: "Methoden schriftlicher Arbeit sind ein wesentliches Medium des Deutschunterrichts." Lehrplan Deutsch Sek II (Gymnasien/Gesamtschulen), 1999; S. 28 3 Beim Vergleich zum Fernsehen ist allerdings zu bemerken, dass die Fächer bzw. deren Didaktiker Jahrzehnte (Start des Farbfernsehens: 1972) zum Auf- und Ausbau eines didaktischen Lehrkonzeptes gebraucht haben, das Internet dagegen förmlich in einer Dekade (ca. ab 1995) gradezu "explosionsartig" auftrat. 4 Fast jedes Fach hat mittlerweile am Rande Multimedia-Kompetenz als zumindest Methode integriert, sicherlich auch eine Reaktion auf die steigende Relevanz des Themas. 5 Im Fokus standen auch die Probleme der Schulform "Hauptschule", die von den Ereignissen der "Rütli"-Schule in Berlin ausgehend, bis in den deutschen Bundestag gingen. Allerdings gab es 19
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