Medienerziehung: Neue Medien- Chancen und ... - Sunderhaus.de

5.2 Neue Medien: Reduzierung auf ein Methodenwerkzeug ist unzulänglich
Eine Flucht in die Reduzierung des Mediums "PC und Internet" (wie hier aktuell
geschehen) auf ein methodisches Hilfsmittel wird der Bedeutung dieser neuen
Medienwelt nicht gerecht. Im Unterricht muss zum Beispiel klar werden, wieso das
Internet die vorher festgefügte Verhältnis von Autor/Verlag/Leser aufgelöst hat.
Die Faktoren "Unendliche Kopierbarkeit", "Dezentrale Mediendistribution und –
produktion", das neuartige Verhältnis von Texten zu Texten (Hypertextualität) und
zu Bildern (Text-Bild-Konglomerate) sind alles Phänomene, die auch auf die
Inhalte und auf die Rezeptionsweise und auch auf die inhaltliche Gestaltung der
Neuen Medien ihren Niederschlag finden. Phänomene wie Wikipedia-Lexika,
Chats oder Blogs sind nicht nur alte Formen von Kultur und Literatur in
modernisiertem Gewand, sondern haben genuin neue Eigenschaften, die Thema im
Unterricht sein müssen.
Ein anderes Missverständnis wäre, die Neuen Medien als quasi autonome neue
Medienform anzusehen, die ohne Vorbilder oder strukturelle sowie inhaltliche
Überschneidungen, Übernahmen oder Parallelen auskommen.
5.3 Lehren und Lernen mit Neuen Medien ohne einen "Kanon", geht das?
Würde für meine Fächer eine Didaktik fehlen, so könnte mir immerhin noch ein
„Kanon“ wichtiger Werke eine gewisse Orientierung bieten. Aber auch dieser
Kanon existiert für die Neuen Medien (noch) nicht.
Einerseits ist die Vielfalt der Funktionen Neuer Medien eine Bereicherung, doch
sie führt zu einer strukturellen, fast nicht behebbaren Unübersichtlichkeit. Auch die
inhaltliche Qualität und Quantität vieler Internetangebote variiert vom Prädikat
"umfassend-neutral" über "guter Einstieg" bis zu den Seiten, die im Unterricht
nichts zu suchen haben.
Die Erfahrung, dass einige Schüler bei der Websuche zu einem bekannten Gedicht
eines deutschen Autors von Rang dessen satirische Bearbeitung für das Original
halten, ist noch eine harmlosere Variante "digitaler Köpenikiaden".
Das Problem, ob die Suchmaschinen die richtigen Treffer zum Suchbegriff
"Holocaust" oder "Stasi" bringen, ob diese Seite eine für den Unterricht tragfähige
Qualität haben oder sich zum Beispiel unter dem scharfen Blick genauerer
Betrachtung von der vermeintlichen "jewish history page" zur
geschichtsverfälschenden Holocaust-Leugner-Seite wandeln, ist deutlich
schwerwiegender 1 .
Fakt ist aber, dass Schüler häufig zu wenig wissen, um auch im Netz angesichts der
Vielfalt vernünftige Ergebnisse und verlässliche Quellen zu finden bzw.
unzulängliche Quellen zu identifizieren und auszusortieren.
Dabei kann man mit wenigen Tricks die Identität von Webseitenbetreibern
feststellen und somit deren virtuelles Angebot besser einschätzen (dies wird einem
Unterrichtsmodul später auch vorgestellt).
1 Aktuellere Fälle um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit können in der Auseinandersetzung
um die Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung eV (www.grh-ev.org) gesehen
werden, die als Lobbygruppe von Ex-DDR-Mitarbeitern in mehr oder weniger subtiler Weise das
Bild der DDR und deren Grenztruppen und Staatssicherheitsbehörde positiv manipulieren.
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