Medienerziehung: Neue Medien- Chancen und ... - Sunderhaus.de
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„<strong><strong>Medien</strong>erziehung</strong>: <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong>-<br />
<strong>Chancen</strong> <strong>und</strong> Grenzen digitaler <strong>Medien</strong> im<br />
Unterricht <strong>de</strong>r Mittel- <strong>und</strong> Oberstufe erfahren“<br />
Staatsarbeit für das Zweite Staatsexamen für Lehrämter<br />
Studienseminar Duisburg 2: Gymnasium/Gesamtschulen<br />
Name: Benedikt Lütke S<strong>und</strong>erhaus<br />
-<br />
45144 Essen<br />
Kontakt: www.aleato.<strong>de</strong><br />
1
Ausrisse aus:<br />
“Meyers Großes Konversationslexikon“. Leipzig, 1903; S. 742<br />
“Der Große Her<strong>de</strong>r“. Freiburg 1953, S. 393<br />
“Wahrig. Die <strong>de</strong>utsche Rechtschreibung“. Gütersloh 2005; S. 336<br />
2
1. Inhaltsverzeichnis<br />
2. Vorwort: __________________________________________________Seite: 4<br />
3. Begriffsklärung <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> _____________________________________5<br />
4. <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong>: Nutzung <strong>und</strong> Verbreitung<br />
4.1 Die Nutzung <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Stellenwert von PC <strong>und</strong><br />
Internet bei Jugendlichen_______________________________________5<br />
4.2 Schicht- <strong>und</strong> geschlechtsspezifische Implikationen bei <strong>de</strong>r Nutzung von<br />
PC, Multimedia <strong>und</strong> Internet – ein Problem für <strong>de</strong>n Unterricht mit <strong>Neue</strong>n<br />
<strong>Medien</strong> ?____________________________________________________6<br />
4.3 Ausstattung <strong>de</strong>utscher Schulen – stark verbesserungswürdig________7<br />
4.4 Nutzen Lehrer ausreichend <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong><br />
für <strong>de</strong>n Unterricht? ___________________________________________8<br />
5. Didaktik <strong>und</strong> <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong><br />
5.1 Hinkt die Didaktik <strong>de</strong>m technischen Fortschritt hinterher?___________9<br />
5.2 <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong>: Reduzierung auf ein<br />
Metho<strong>de</strong>nwerkzeug ist unzulänglich_____________________________10<br />
5.3 Lehren <strong>und</strong> Lernen mit <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> ohne<br />
einen "Kanon", geht das? _____________________________________10<br />
5.4. Verhelfen <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> zu<br />
besseren Unterrichtsergebnissen? _______________________________11<br />
5.5. Ein Blick über <strong>de</strong>n Tellerrand..._____________________________12<br />
6. <strong>Chancen</strong> <strong>und</strong> Grenzen <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong>:<br />
6.1 Kritische Fragen 1: Digitalisierung – eine Einbahnstraße? ________13<br />
6.2 Kritische Fragen 2: Psychosoziale <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Folgen von<br />
erhöhtem <strong>Medien</strong>konsum_____________________________________14<br />
7. Phänomene <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> <strong>und</strong> ihre Konsequenzen für <strong>de</strong>n Unterricht<br />
7.1 <strong>Medien</strong>integration <strong>und</strong> Mobilisierung <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> _____________15<br />
7.2 Absolute Kopierbarkeit <strong>und</strong> Verän<strong>de</strong>rbarkeit<br />
–Chance o<strong>de</strong>r Problem? ______________________________16<br />
7.3 Vom „User“ zum Autor – die Möglichkeiten<br />
produktionsorientierten Arbeitens_____________________ 16<br />
7.4 Das Überangebot in <strong>de</strong>n <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> – <strong>und</strong> die Macht <strong>de</strong>r<br />
Suchmaschine______________________________________________ 17<br />
7.5 Rezeptionsweisen - "Literacity" in digitalen <strong>Medien</strong>?____________ 17<br />
7.6 Integrierte Bild-, Audio- <strong>und</strong> Vi<strong>de</strong>okompetenz als neue<br />
Herausfor<strong>de</strong>rung an <strong>de</strong>n Fächerkanon? ____________________ 19<br />
7.8 Die Erzieherfunktion im Netz – vernachlässigbar? ______________ 19<br />
8. Exemplarische Einsatzfel<strong>de</strong>r <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> ...<br />
...als Werkzeug im Fachunterricht __________________________ab 20<br />
...als Thema <strong>und</strong> Unterrichtsgegenstand _____________________ab 23<br />
10. Fazit_________________________________________________________26<br />
11. Quellenangabe/ Erklärung/ Literaturverzeichnis sowie Anhänge_________ab S.28<br />
3
2. Vorwort<br />
In dieser Examensarbeit wer<strong>de</strong> ich mich <strong>de</strong>m Thema <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> widmen. In<br />
paradoxer Weise wur<strong>de</strong> dieser Begriff bereits seit Jahrzehnten immer wie<strong>de</strong>r "neu"<br />
gebraucht, um auftreten<strong>de</strong> technische <strong>Neue</strong>rungen (Super8-Filme, später Vi<strong>de</strong>ofilm,<br />
dann <strong>de</strong>r Computer) zu charakterisieren. Dass die Super8-Kamera heute eher als<br />
Fall für das Technik-Antiquariat gilt, zeigt, wie schnell sich technische Än<strong>de</strong>rungen<br />
überlebt haben, was allerdings nicht notwendigerweise für die Film-Didaktik gilt,<br />
die auch auf <strong>de</strong>n Umgang mit mo<strong>de</strong>rnsten MiniDV-Kameras übertragbar sein kann.<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> sind insofern ein erklärungsbedürftiger Begriff, weil sie natürlich in<br />
wenigen Jahren nicht mehr dasselbe meinen wie heute.<br />
Ich verstehe diese Arbeit daher auch als ein zu diesem Zeitpunkt aktuelles <strong>und</strong><br />
notwendigerweise zu verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>s Stück "Selbstvergewisserung" als<br />
Berufsanfänger.<br />
In <strong>de</strong>r Konzeption möchte ich die Begründungszusammenhänge <strong>und</strong> aktuellen<br />
Ten<strong>de</strong>nzen r<strong>und</strong> um <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> –eingegrenzt auf <strong>de</strong>n PC sowie das Internetaufbereiten.<br />
Der Begriff <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> bezieht sich also auf diese bei<strong>de</strong>n <strong>Medien</strong><br />
bzw. <strong>Medien</strong>phänomene.<br />
Im weiteren Verlauf möchte ich – anknüpfend an <strong>de</strong>n Untertitel – exemplarisch die<br />
Anwendbarkeit auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>s Unterrichts in zwei Strategien <strong>de</strong>s Einsatzes<br />
entwickeln <strong>und</strong> diskutieren: "<strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> als methodisches Werkzeug" sowie<br />
"<strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> als Thema". Bei<strong>de</strong>s – so wird sich noch zeigen – ist sinnvollerweise<br />
nicht klar voneinan<strong>de</strong>r zu trennen.<br />
Bei <strong>de</strong>m Teil "<strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> als methodisches Werkzeug" soll explizit auch die<br />
Integration von z.B. Internet-Recherchen in <strong>de</strong>n "konventionellen" Fachunterricht<br />
angegangen wer<strong>de</strong>n. Der Blick hinter die Funktionsweisen <strong>de</strong>r digitalen <strong>Medien</strong>,<br />
<strong>de</strong>ren spezifisch neue Qualität, <strong>de</strong>ren Möglichkeiten, Risiken <strong>und</strong> Grenzen wird<br />
dann im zweiten Teil („<strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> als Thema“) angegangen.<br />
Mittlerweile von <strong>de</strong>r didaktischen Literatur gut abge<strong>de</strong>ckte Bereiche wie die in fast<br />
allen Lehrwerken <strong>und</strong> in abertausen<strong>de</strong>n Internetseiten besprochenen Phänome wie<br />
"Netzliteratur" 1 möchte ich ausklammern. Nicht weil sie nicht interessant sind,<br />
son<strong>de</strong>rn weil mein Interesse eher neuere Entwicklungen betrifft, stehen z.B. in<br />
Fachliteratur noch nicht aufbereitete Phänomene im Fokus.<br />
Ich möchte die innovieren<strong>de</strong>n, theoretischen Überlegungen auf <strong>de</strong>r Ebene<br />
konkreten Unterrichts exemplarisch ausarbeiten – die Unterrichtsmodule im<br />
Anhang sind Beispiele einer möglichen Umsetzung. Diese Bausteine wer<strong>de</strong>n<br />
modulhaft arrangiert <strong>und</strong> besprochen, weil sie <strong>de</strong>m Gegenstand angemessener sind,<br />
die (bereits angesprochene) ständige Evolution <strong>de</strong>r <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> ein<br />
abgeschlossenes Gesamtpaket nicht zulassen wür<strong>de</strong> <strong>und</strong> schließlich auch <strong>de</strong>shalb,<br />
weil es nicht um die Entwicklung einer Gesamtreihe, son<strong>de</strong>rn um die<br />
"Vergewisserung" geht, die meinen Unterricht als Überbau leiten soll <strong>und</strong> auch Pate<br />
stehen soll für zukünftige, innovative Entwicklung von Unterricht <strong>und</strong> damit<br />
meinem fachlichen <strong>und</strong> pädagogisch-erzieherischen Profil.<br />
Insgesamt habe ich <strong>de</strong>m Fach Deutsch etwas mehr Aufmerksamkeit als <strong>de</strong>m Fach<br />
Kunst zukommen lassen, wenn möglich aber bei<strong>de</strong> in gewisser Weise abge<strong>de</strong>ckt.<br />
Sofern von Interesse, sind die Internetseiten im Anhang noch einmal ausgedruckt<br />
wor<strong>de</strong>n.<br />
3. Begriffsklärung <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong><br />
1 Führen<strong>de</strong> Suchmaschinen zeigen zum Begriff "Netzliteratur" über 140.000 Ergebnisse.<br />
4
Der Begriff „<strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong>“ wird in dieser Arbeit in erster Linie als Sammelbegriff<br />
für alle Funktionen eines mo<strong>de</strong>rnen Personal Computers (PC) genutzt, <strong>de</strong>r zu<strong>de</strong>m<br />
noch an das Internet angeschlossen ist. Momentan (2006) kann ein mo<strong>de</strong>rner PC<br />
Textverarbeitungsprogramme, Bildbearbeitungsprogramme, Audioprogramme,<br />
Vi<strong>de</strong>oprogramme (inklusive DVD/CD-Wie<strong>de</strong>rgabe) sowie möglicherweise<br />
Multimediaprogramme zum Erstellen von Webseiten o<strong>de</strong>r Multimedia-<br />
Komponenten einsetzen 1 .<br />
Eine weitere Begriffsklärung ist aus mehreren Grün<strong>de</strong>n nicht sinnvoll o<strong>de</strong>r auch gar<br />
nicht möglich. Einmal wird durch die technische Evolution dieser <strong>Medien</strong> das<br />
<strong>Medien</strong>paket in seiner Zusammensetzung weiter verän<strong>de</strong>rt <strong>und</strong> zum zweiten können<br />
die didaktischen o<strong>de</strong>r sachbezogenen Überlegungen dieser Arbeit möglicherweise<br />
auch dann noch zum Tragen kommen, wenn sich ein Schüler z.B. statt eines PC<br />
eines Multimedia-Mobiltelefons bedient, um MP3-Audios selber zu erstellen.<br />
Daher haben – so hoffe ich – einige didaktische Überlegungen einen größere<br />
Halbwertszeit als ihre technischen Gegenstän<strong>de</strong>.<br />
4. <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong>: Nutzung <strong>und</strong> Verbreitung<br />
4.1 Die Nutzung <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Stellenwert von PC <strong>und</strong> Internet bei Jugendlichen<br />
Geht man davon aus, dass in <strong>de</strong>r Schule auch gesellschaftlich Phänomene<br />
besprochen wer<strong>de</strong>n sollten, die einen Bezug zur Lebenswelt <strong>de</strong>r Jugendlichen<br />
haben, so scheint ein Blick auf die <strong>Medien</strong>nutzung in dieser Altersgruppe<br />
notwendig zu sein. Nach einer Erhebung <strong>de</strong>r öffentlich-rechtlichen Sen<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />
Jahr 2004 2 verdoppelt sich die Nutzungsrate <strong>de</strong>s Internets (<strong>de</strong>finiert als Kategorie<br />
"oft genutzt"<br />
o<strong>de</strong>r "manchmal Grafik 1<br />
genutzt") von<br />
Neunjährigen<br />
bis zu <strong>de</strong>n<br />
Neunzehnjährigen auf 94%. Der Computer (ohne Netzanschluss) ist bereits bei<br />
Neunjährigen an dritter Stelle, was die "Wichtigkeit" angeht – dieser dritte Platz<br />
wird <strong>de</strong>m Computer bis zur Altersgruppe <strong>de</strong>r Neunzehnjährigen konstant<br />
eingeräumt. Interessanterweise geht die Nutzung von Spielekonsolen in dieser Zeit<br />
1 Mir ist bewusst, dass viele Schulen noch weit entfernt vom oben skizzierten, technisch möglichen<br />
Niveau sind, insofern hoffe ich darauf, dass <strong>de</strong>r Zugang z.B. zur Bildbearbeitungs- <strong>und</strong> vor allem zur<br />
Vi<strong>de</strong>oschnittfunktion (die <strong>de</strong>utlich höhere Anfor<strong>de</strong>rungen an Speicherplatz <strong>und</strong> Rechnerkapazität<br />
stellt) in <strong>de</strong>n nächsten Jahren zumin<strong>de</strong>st für einige Schulrechner Wirklichkeit wird.<br />
2 vgl.: U. Wagner u.a. (Hrsg.): Zwischen Vereinnahmung <strong>und</strong> Eigensinn- Konvergenz im<br />
<strong>Medien</strong>alltag Heranwachsen<strong>de</strong>r. München 2004; S. 39<br />
5
von 73% auf 35% zurück, so dass man nicht davon sprechen kann, die neuen,<br />
digitalen <strong>Medien</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung seien auf <strong>de</strong>ren Nutzung beim exzessiven<br />
PC-Spielen zurückzuführen. Über die Altersspanne aller Befragten gab nur etwa<br />
22% (<strong>de</strong>r männlichen Nutzer) bzw. 24% (<strong>de</strong>r weiblichen Nutzer) an, das Internet<br />
nie zu nutzen. An<strong>de</strong>re Studien1 2 geben ein ähnliches Bild ab, weit mehr als zwei<br />
Drittel <strong>de</strong>r Jugendliche nutzten 2002 <strong>de</strong>n PC zu Hause.<br />
Insgesamt wird die Nutzung <strong>und</strong> Verbreitung <strong>de</strong>r <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> heute – einige<br />
Jahre später – wohl eher noch gestiegen sein.<br />
Grafik 2<br />
Als Fazit kann man daraus<br />
ableiten, dass<br />
<strong><strong>Medien</strong>erziehung</strong> ohne die<br />
<strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> kaum noch<br />
<strong>de</strong>nkbar ist, wenn sie die<br />
<strong>Medien</strong> ab<strong>de</strong>cken soll, die in<br />
<strong>de</strong>r Alltagswelt eine Rolle<br />
spielen. Jugendliche nutzen<br />
(zunehmend) <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> in<br />
ihrer Lebenswelt <strong>und</strong> es<br />
besteht ein großes Interesse<br />
an <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> .<br />
4.2 Schicht- <strong>und</strong> geschlechtsspezifische Implikationen bei <strong>de</strong>r Nutzung von PC,<br />
Multimedia <strong>und</strong> Internet – ein Problem für <strong>de</strong>n Unterricht mit <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong>?<br />
Die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> scheinen vornehmlich bei Jugendlichen genutzt zu wer<strong>de</strong>n, die<br />
eher <strong>de</strong>n höheren Bildungsschichten angehören: "Mehr höher Gebil<strong>de</strong>te gehen ins<br />
Internet (87% zu 68%) <strong>und</strong> dieselbe Ten<strong>de</strong>nz zeigt sich bei <strong>de</strong>r Nutzung <strong>de</strong>s<br />
Computers." 3 Zu<strong>de</strong>m spielen offensichtlich die Bildungshintergrün<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n<br />
Nutzungsprofilen <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> eine Rolle: Höher Gebil<strong>de</strong>te nutzen <strong>de</strong>n PC <strong>und</strong><br />
das Internet neben <strong>de</strong>r Unterhaltung auch zur Informationsbeschaffung, während<br />
weniger Gebil<strong>de</strong>te diese <strong>Medien</strong> vor allem als Unterhaltungsmedien nutzen. Ob<br />
dies ein spezifisches Phänomen <strong>de</strong>r <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> ist, o<strong>de</strong>r ggf. auch für Magazine<br />
o<strong>de</strong>r TV-Nutzung gilt, kann hier nicht erörtert wer<strong>de</strong>n.<br />
Für <strong>de</strong>n Einsatz von <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> in <strong>de</strong>r Schule kann dieser Umstand<br />
problematisch sein.<br />
Ein Unterricht, <strong>de</strong>r in Sachen Hausaufgaben (im Extremfall) nur auf Internet-fähige<br />
PCs setzt ohne <strong>de</strong>n (wenn auch wenigen) Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern, die aus<br />
diversen Grün<strong>de</strong>n diese <strong>Medien</strong> nicht nutzen können, Alternativen anzubieten,<br />
wür<strong>de</strong> eine Diskriminierung dieser Schülergruppe be<strong>de</strong>uten. Umgekehrt gedacht,<br />
wird <strong>de</strong>utlich, dass eine verbesserte Ausstattungslage <strong>de</strong>r Schulen mit <strong>Neue</strong>n<br />
<strong>Medien</strong> (vgl. folgen<strong>de</strong>s Kapitel) in <strong>de</strong>r Tat auch helfen könnte, Jugendlichen ohne<br />
(privat zur Verfügung stehen<strong>de</strong>) Ressourcen diese im Rahmen <strong>de</strong>r Schule<br />
anzubieten. Hierauf ist in je<strong>de</strong>m Fall bei <strong>de</strong>r Integration <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> als Thema<br />
o<strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong>nwerkzeug in <strong>de</strong>n Unterricht zu achten.<br />
Neben diesen Ergebnissen existieren geschlechtsspezifisch unterschiedliche<br />
Nutzungsprofile dieser Ressourcen: Der „Bildungsbericht“ <strong>de</strong>r<br />
1 vgl.: http://www.heute.<strong>de</strong>/ZDFheute/drucken/1,3733,3725518,00.html (Abruf: 25.03.2006)<br />
2 vgl.: Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Bildungsbericht. 2004 Online-Version unter:<br />
http://www.kmk.org/doc/publ/bildungsbericht/bildungsbericht_1610b.pdf (Abruf: 25.03.2006); S.<br />
314<br />
3 vgl.: U. Wagner u.a. (Hrsg.): Zwischen Vereinnahmung <strong>und</strong> Eigensinn- Konvergenz im<br />
<strong>Medien</strong>alltag Heranwachsen<strong>de</strong>r. München 2004; S. 41<br />
6
Kultusministerkonferenz (KMK) 1 wertete nach Art einer Metastudie auch die<br />
Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Geschlechtern an<strong>de</strong>rer Befragungen aus. Jungen gaben<br />
in <strong>de</strong>r PISA Schülerbefragung zu 73% an, sich selbst als „sehr gut o<strong>de</strong>r gut“ in<br />
Bezug auf die PC-Kompetenz einzuschätzen, bei <strong>de</strong>n Mädchen waren dies 49% 2 .<br />
Die „Wichtigkeit, am PC zu arbeiten“ bezeugten 84% <strong>de</strong>r Jungen <strong>und</strong> 69% <strong>de</strong>r<br />
Mädchen. Man beachte <strong>de</strong>n großen Geschlechter-Unterschied, aber auch das hohe<br />
Niveau <strong>de</strong>r Zahlen! Dass Jungen höhere Werte als Mädchen haben, gilt übrigens<br />
auch in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn.<br />
Es ist zu überlegen, ob diese Ergebnisse mit <strong>de</strong>r (aus <strong>de</strong>r Studie ablesbaren)<br />
einseitigen Verteilung <strong>de</strong>s PC-Einsatzes auf die „üblichen Verdächtigen“<br />
Informatik, Arbeitslehre, Wirtschaft, Technik <strong>und</strong> Mathe liegt 3 . Wäre <strong>de</strong>m so, so<br />
könnte möglicherweise das Integrieren dieser <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> gra<strong>de</strong> in traditionell<br />
von Mädchen favorisierten Fächern wie Deutsch o<strong>de</strong>r Kunst ausgleichend wirken.<br />
An<strong>de</strong>rs ausgedrückt: Bleiben die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> vornehmlich eine Sache technischnaturwissenschaftlicher<br />
Fächer, bleiben sie fern musischer o<strong>de</strong>r sprachlicher<br />
Einbindung, so könnte dies Schülerinnen diskriminieren <strong>und</strong> die unterschiedlichen<br />
Niveaus <strong>de</strong>r Geschlechter zementieren. Bei meinem Unterricht habe ich ein<br />
erhöhtes Interesse von Mädchen an Themenkomplexen wie „Chatsprache“ o<strong>de</strong>r<br />
„Verhin<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r PC das Lernen“ festgestellt, die daher auch in Zukunft neben <strong>de</strong>n<br />
eher technischen Themen bestehen bleiben wer<strong>de</strong>n. Es kommt also darauf an, die<br />
<strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> auch in <strong>de</strong>n Fel<strong>de</strong>rn einzusetzen, die sich als attraktiv für<br />
Schülerinnen zeigen.<br />
4.3 Ausstattung <strong>de</strong>utscher Schulen – stark verbesserungswürdig<br />
Die Auswirkungen einer mangelhaften Ausstattungslage (sowohl in Sachen<br />
Verfügbarkeit wie auch Zahl <strong>de</strong>r Computer) wur<strong>de</strong>n bereits angesprochen. Bei <strong>de</strong>r<br />
Ausstattung mit Computern <strong>und</strong> <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> gibt es drei Mo<strong>de</strong>lle. Ein „Traum-<br />
Mo<strong>de</strong>ll“ ist die Ausstattung mit einem mobilen PC – einem Laptop für je<strong>de</strong>n<br />
Schüler, was jenseits <strong>de</strong>r Realität liegt 4 .<br />
Dann existiert das sogenannte „Klassenraum-Mo<strong>de</strong>ll“, das <strong>de</strong>n PC plus Zubehör in<br />
die unmittelbare Lernumgebung integriert <strong>und</strong> damit auch die Zugangsschwelle<br />
herabsetzt.<br />
Faktisch ist aber das „Computerraum-Mo<strong>de</strong>ll“ gang <strong>und</strong> gäbe, das allen Klassen in<br />
speziellen Räumen PC-Einheiten zur Verfügung stellt.<br />
Während <strong>de</strong>r PC zu Hause häufiger genutzt wird, gaben 2002 nur 6% <strong>de</strong>r<br />
Befragten <strong>de</strong>r PISA-Studie an, dass sie <strong>de</strong>n PC in <strong>de</strong>r Schule fast je<strong>de</strong>n Tag<br />
nutzten. 5<br />
Diese Diskrepanz mag mittlerweile überw<strong>und</strong>en sein, aber die Realität in vielen<br />
Schulen zeigt, dass sich viele Klassen noch einen Computer-Raum teilen müssen.<br />
Auf <strong>de</strong>n Fakt, dass die Zahl <strong>de</strong>r 15-Jährigen, die sich in <strong>de</strong>r Schule noch einen PC-<br />
Platz teilen müssen in Deutschland doppelt so hoch sei wie in <strong>de</strong>n vergleichbaren<br />
OECD-Staaten Australien, Korea o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n USA, reagieren Schulleiter <strong>de</strong>nnoch<br />
offensichtlich eher gelassen: "Nur 34 Prozent <strong>de</strong>r Schulleiter geben an, dass ein<br />
Mangel an Computern die Unterrichtsversorgung bis zu einem gewissen Grad o<strong>de</strong>r<br />
1 vgl.: Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Bildungsbericht. 2004 Online-Version unter:<br />
http://www.kmk.org/doc/publ/bildungsbericht/bildungsbericht_1610b.pdf (Abruf: 25.03.2006)<br />
2 vgl.: Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Bildungsbericht. 2004 Online-Version; S. 215<br />
3 vgl.: Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Bildungsbericht. 2004; S. 215<br />
4 Dies haben nur sehr wenige Privatschulen ermöglicht o<strong>de</strong>r Schulen, die als Pilotschulen an<br />
Mo<strong>de</strong>llstudien (z.B. durch die Bertelsmann-Stiftung geför<strong>de</strong>rt) teilnahmen.<br />
5 vgl.: Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Bildungsbericht. 2004 Online-Version; S. 314<br />
7
stark beeinträchtigt." 1 Ob man dies nun als Ignoranz o<strong>de</strong>r als Ausdruck von<br />
Souveränität sehen möchte, sei dahin gestellt. In an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn wird <strong>de</strong>m Thema<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> in <strong>de</strong>r Schule allerdings oft höhere Priorität eingeräumt.<br />
4.3. Nutzen Lehrer ausreichend <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> für <strong>de</strong>n Unterricht?<br />
Geht man davon aus, dass <strong>Medien</strong>nutzung eine Bereicherung von Unterricht ist gibt<br />
es die klare Antwort: Nein. Auch hier zitiert <strong>de</strong>r "Bildungs-Bericht" <strong>de</strong>r KMK eine<br />
Vergleichsstudie (aus 2002) in <strong>de</strong>r EU, wo durchschnittlich 71% <strong>de</strong>r Lehrer <strong>de</strong>n PC<br />
<strong>und</strong> 35% das Internet im Unterricht einsetzten. In Deutschland nutzten 38% <strong>de</strong>n<br />
Computer <strong>und</strong> 12% das Internet.<br />
Dies ist umso verw<strong>und</strong>erlicher, als dass auch die Eltern eine Vermittlung von<br />
Multimedia-Kompetenz in <strong>de</strong>r Schule vermittelt sehen wollen 2 . In einer<br />
Untersuchung <strong>de</strong>s „Staatsinstituts für Schulqualität <strong>und</strong> Bildungsforschung<br />
München“ (ISB) aus <strong>de</strong>m Jahr 2002 unter 5572 Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer aller<br />
Schulformen <strong>und</strong> –stufen ergab, dass die Zurückhaltung bei <strong>de</strong>r Nutzung nicht<br />
unbedingt darauf zurückzuführen war, dass das Lehrpersonal schwerwiegen<strong>de</strong><br />
Be<strong>de</strong>nken o<strong>de</strong>r eine ablehnen<strong>de</strong> Haltung gegen die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> hat. Vielmehr<br />
gehörten nur 5% <strong>de</strong>r Befragten zu dieser Gruppe, die Mehrzahl (52%) verhielt sich<br />
eher abwartend 3 , in <strong>de</strong>n nicht-wirtschaftlichen o<strong>de</strong>r nicht-naturwissenschaftlichen<br />
Fächern, auch in Deutsch, lag <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Lehrer, die bisher noch keine <strong>Neue</strong>n<br />
<strong>Medien</strong> einsetzten, bei r<strong>und</strong> 50% 4 . Hier zeigt sich, dass die <strong>Medien</strong>nutzung<br />
offensichtlich von <strong>de</strong>r Motivation, Qualifikation o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Möglichkeiten <strong>de</strong>r<br />
Lehrperson abhängt. <strong>Neue</strong>re Untersuchungen zeigen, dass in <strong>de</strong>n Sek<strong>und</strong>arstufen<br />
<strong>de</strong>r PC nach Mathematik im Fach Deutsch am häufigsten eingesetzt wird 5 , damit<br />
hat das Fach Deutsch offenbar aufgeholt.<br />
Außer einigen Untersuchungen hinsichtlich <strong>de</strong>r Art <strong>und</strong> Weise <strong>de</strong>s Einsatzes, die<br />
mittlerweile auch schon als veraltet gelten können, ist die empirische Untersuchung<br />
dieses Bereichs angesichts <strong>de</strong>r wachsen<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>utung quantitativ schlecht<br />
wissenschaftlich beleuchtet.<br />
1<br />
vgl.: Internetdokument: http://www.heute.<strong>de</strong>/ZDFheute/drucken/1,3733,3725518,00.html (Abruf:<br />
25.01.2006)<br />
2<br />
Laut KMK-Bildungsbericht wollen die Hälfte <strong>de</strong>r west- <strong>und</strong> 41% <strong>de</strong>r ost<strong>de</strong>utschen Eltern mehr<br />
Multimedia-Kompetenz in <strong>de</strong>r Schule vermittelt sehen. Vgl.: Bildungsbericht 2004 Online-Version,<br />
s.o. ; S. 121<br />
3 vgl.: J. Bofinger (Hrsg.): <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> im Fachunterricht. Donauwörth 2004; S. 67<br />
4<br />
vgl.: J. Bofinger (Hrsg.): <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> im Fachunterricht. Donauwörth 2004; S. 66<br />
5 vgl.: IT-Ausstattung allgemeinbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r <strong>und</strong> berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Schulen. Berlin 2005; S. 54ff<br />
8
5. Didaktik <strong>und</strong> <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong><br />
5.1 Hinkt die Didaktik <strong>de</strong>m technischen Fortschritt hinterher?<br />
Am 14. Juni 2004 berichtete die Bildungsredaktion <strong>de</strong>r Süd<strong>de</strong>utschen Zeitung in<br />
<strong>de</strong>m Bericht "M.A.U.S., p@ss, Digitalkamera <strong>und</strong> Tralala" über die Diskrepanz<br />
zwischen <strong>de</strong>m technischen Engagement, <strong>de</strong>r Begeisterung für <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>m (nicht o<strong>de</strong>r nicht angemessenen entwickelten) fachlichen o<strong>de</strong>r didaktischen<br />
Überbau, <strong>de</strong>m "Wozu?" <strong>und</strong> "Warum?". Während Lan<strong>de</strong>spolitiker neue<br />
Programme aus <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n stampfen wür<strong>de</strong>n <strong>und</strong> diese von Klassen <strong>und</strong> Lehrern<br />
auch begeistert aufgenommen wer<strong>de</strong>n, wür<strong>de</strong> nach Meinung von Didaktikern oft<br />
keine ausreichen<strong>de</strong> inhaltsbezogene Prüfung <strong>de</strong>s Mediums statt fin<strong>de</strong>n. Die positive<br />
Bewertung <strong>de</strong>r <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> sei laut <strong>de</strong>m <strong>Medien</strong>pädagogen Friedrich<br />
Schönweiss aber nicht selten ein aktueller Einmal-Effekt, <strong>de</strong>n eine solche<br />
technikbasierte "Lernshow" bringe, während die Nachhaltigkeit <strong>de</strong>s Lernens damit<br />
noch nicht gesichert sei. 1 Das war für die Autoren wohl das, was das "Tralala" <strong>de</strong>r<br />
Überschrift meinte.<br />
Zwei Jahre später – Anfang 2006- ist die Didaktik nicht unbedingt weiter.<br />
So formuliert Andreas Borrmann im einführen<strong>de</strong>n Artikel <strong>de</strong>s Deutschmagazins:<br />
"Wohl nie zuvor hat ein neues Medium so schnell seinen Weg in <strong>de</strong>n<br />
Deutschunterricht gef<strong>und</strong>en wie das Internet. Und dabei ist dieser Einzug<br />
keineswegs Folge wissenschaftlicher Entwicklungen. Eine digitale Didaktik ist<br />
noch nicht geschrieben." 2<br />
Insofern gibt es offensichtlich auch heute keine (Fach-)Didaktik, die <strong>de</strong>n Anspruch<br />
auf Allgemeingültigkeit haben kann – dies könnte einen am Thema interessierten<br />
Lehrer enttäuschen.<br />
Was man nun gegen die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> wen<strong>de</strong>n kann, die fehlen<strong>de</strong> Didaktik, ist im<br />
Prinzip aber für je<strong>de</strong>n neuen Unterrichtsgegenstand, je<strong>de</strong>s neue Buch anzubringen,<br />
die im Unterricht besprochen wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> für die kein Mo<strong>de</strong>ll vorliegt. Borrmann<br />
sucht <strong>de</strong>n Ausweg in <strong>de</strong>m Artikel in erster Linie darin, das Internet <strong>und</strong> <strong>de</strong>n PC<br />
nicht als Thema, son<strong>de</strong>rn nur als Werkzeug anzupreisen: "Das Internet macht <strong>de</strong>n<br />
Deutschunterricht also nicht durch neue Inhalte noch komplexer <strong>und</strong> komplizierter,<br />
es macht ihn vielmehr in mancher Hinsicht einfacher <strong>und</strong> sicher methodisch<br />
vielfältiger." Als Beispiel führt er ausgerechnet an, dass Grafikprogramme zur<br />
Erstellung von Schülerzeitungen <strong>de</strong>n Vorteil hätten, frühere Zeiten"[…]<br />
zeitaufwändiger <strong>und</strong> nervtöten<strong>de</strong>r Schnippeleien bei solchen Vorhaben […]"<br />
abgelöst zu haben, also eine methodische Verbesserung bringen wür<strong>de</strong>n. Dass man<br />
mit <strong>de</strong>r analogen (zugegeben manchmal eher dadaistischen) Collagetechnik auch so<br />
etwas wie <strong>de</strong>n haptischen Umgang mit einem Papierformat verliert o<strong>de</strong>r dass manch<br />
ein Schüler Schere <strong>und</strong> Kleber weniger nervtötend als das unverständliche<br />
Grafikprogramm fin<strong>de</strong>t, wird hier übersehen.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re die Behauptung, das Internet mache <strong>de</strong>n Deutschunterricht nicht<br />
komplexer, biete auch keine neuen Inhalte (!), ist entwe<strong>de</strong>r eine völlige<br />
Fehleinschätzung <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r ist als eine Beruhigungsformel für diejenigen Leser<br />
gemeint, die mit <strong>de</strong>m tatsächlich komplexen Medium Internet im Unterricht<br />
Probleme haben o<strong>de</strong>r dies fürchten.<br />
1 vgl.: Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung vom 14. Juni 2004<br />
2<br />
vgl.: Deutschmagazin. (Schwerpunkt: PC <strong>und</strong> Internet im Deutschunterricht). 3. Jahrgang,<br />
Januar/Februar 2006; S.8<br />
9
5.2 <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong>: Reduzierung auf ein Metho<strong>de</strong>nwerkzeug ist unzulänglich<br />
Eine Flucht in die Reduzierung <strong>de</strong>s Mediums "PC <strong>und</strong> Internet" (wie hier aktuell<br />
geschehen) auf ein methodisches Hilfsmittel wird <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung dieser neuen<br />
<strong>Medien</strong>welt nicht gerecht. Im Unterricht muss zum Beispiel klar wer<strong>de</strong>n, wieso das<br />
Internet die vorher festgefügte Verhältnis von Autor/Verlag/Leser aufgelöst hat.<br />
Die Faktoren "Unendliche Kopierbarkeit", "Dezentrale <strong>Medien</strong>distribution <strong>und</strong> –<br />
produktion", das neuartige Verhältnis von Texten zu Texten (Hypertextualität) <strong>und</strong><br />
zu Bil<strong>de</strong>rn (Text-Bild-Konglomerate) sind alles Phänomene, die auch auf die<br />
Inhalte <strong>und</strong> auf die Rezeptionsweise <strong>und</strong> auch auf die inhaltliche Gestaltung <strong>de</strong>r<br />
<strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> ihren Nie<strong>de</strong>rschlag fin<strong>de</strong>n. Phänomene wie Wikipedia-Lexika,<br />
Chats o<strong>de</strong>r Blogs sind nicht nur alte Formen von Kultur <strong>und</strong> Literatur in<br />
mo<strong>de</strong>rnisiertem Gewand, son<strong>de</strong>rn haben genuin neue Eigenschaften, die Thema im<br />
Unterricht sein müssen.<br />
Ein an<strong>de</strong>res Missverständnis wäre, die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> als quasi autonome neue<br />
<strong>Medien</strong>form anzusehen, die ohne Vorbil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r strukturelle sowie inhaltliche<br />
Überschneidungen, Übernahmen o<strong>de</strong>r Parallelen auskommen.<br />
5.3 Lehren <strong>und</strong> Lernen mit <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> ohne einen "Kanon", geht das?<br />
Wür<strong>de</strong> für meine Fächer eine Didaktik fehlen, so könnte mir immerhin noch ein<br />
„Kanon“ wichtiger Werke eine gewisse Orientierung bieten. Aber auch dieser<br />
Kanon existiert für die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> (noch) nicht.<br />
Einerseits ist die Vielfalt <strong>de</strong>r Funktionen <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> eine Bereicherung, doch<br />
sie führt zu einer strukturellen, fast nicht behebbaren Unübersichtlichkeit. Auch die<br />
inhaltliche Qualität <strong>und</strong> Quantität vieler Internetangebote variiert vom Prädikat<br />
"umfassend-neutral" über "guter Einstieg" bis zu <strong>de</strong>n Seiten, die im Unterricht<br />
nichts zu suchen haben.<br />
Die Erfahrung, dass einige Schüler bei <strong>de</strong>r Websuche zu einem bekannten Gedicht<br />
eines <strong>de</strong>utschen Autors von Rang <strong>de</strong>ssen satirische Bearbeitung für das Original<br />
halten, ist noch eine harmlosere Variante "digitaler Köpenikia<strong>de</strong>n".<br />
Das Problem, ob die Suchmaschinen die richtigen Treffer zum Suchbegriff<br />
"Holocaust" o<strong>de</strong>r "Stasi" bringen, ob diese Seite eine für <strong>de</strong>n Unterricht tragfähige<br />
Qualität haben o<strong>de</strong>r sich zum Beispiel unter <strong>de</strong>m scharfen Blick genauerer<br />
Betrachtung von <strong>de</strong>r vermeintlichen "jewish history page" zur<br />
geschichtsverfälschen<strong>de</strong>n Holocaust-Leugner-Seite wan<strong>de</strong>ln, ist <strong>de</strong>utlich<br />
schwerwiegen<strong>de</strong>r 1 .<br />
Fakt ist aber, dass Schüler häufig zu wenig wissen, um auch im Netz angesichts <strong>de</strong>r<br />
Vielfalt vernünftige Ergebnisse <strong>und</strong> verlässliche Quellen zu fin<strong>de</strong>n bzw.<br />
unzulängliche Quellen zu i<strong>de</strong>ntifizieren <strong>und</strong> auszusortieren.<br />
Dabei kann man mit wenigen Tricks die I<strong>de</strong>ntität von Webseitenbetreibern<br />
feststellen <strong>und</strong> somit <strong>de</strong>ren virtuelles Angebot besser einschätzen (dies wird einem<br />
Unterrichtsmodul später auch vorgestellt).<br />
1 Aktuellere Fälle um die Aufarbeitung <strong>de</strong>r DDR-Vergangenheit können in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
um die Gesellschaft zur Rechtlichen <strong>und</strong> Humanitären Unterstützung eV (www.grh-ev.org) gesehen<br />
wer<strong>de</strong>n, die als Lobbygruppe von Ex-DDR-Mitarbeitern in mehr o<strong>de</strong>r weniger subtiler Weise das<br />
Bild <strong>de</strong>r DDR <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Grenztruppen <strong>und</strong> Staatssicherheitsbehör<strong>de</strong> positiv manipulieren.<br />
10
Lernen <strong>und</strong> Lehren mit <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> muss also in doppeltem Sinn ohne einen<br />
"Kanon" auskommen, <strong>de</strong>r – wenn er überhaupt in einem Bereich entstehen könnte –<br />
sich ständig erweitern müsste.<br />
Die einzige Möglichkeit, so etwas wie ein "Kanon gesicherten Wissens"<br />
aufzubauen, hat das Internet seit wenigen Jahren selber erf<strong>und</strong>en: das "Wiki". Hier<br />
kann je<strong>de</strong>r einen Artikel erstellen, än<strong>de</strong>rn, korrigieren. Problematische o<strong>de</strong>r<br />
verfälschen<strong>de</strong> Einträge wer<strong>de</strong>n öffentlich <strong>und</strong> somit transparent diskutiert, was ein<br />
erstaunlich hohes Niveau <strong>de</strong>r Artikel insgesamt bewirkt 1 . Möglich wäre es, für die<br />
<strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> auch ein „Lehrer-Wiki“ einzurichten, um gleichzeitig aktuell <strong>und</strong><br />
f<strong>und</strong>iert aktuelle Phänomene in die Schule zu bringen. Das bleibt aber bislang noch<br />
Zukunftsmusik.<br />
5.4 Verhelfen <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> zu besseren Unterrichtsergebnissen?<br />
Die Frage, ob <strong>de</strong>r Einsatz eines Mediums gerechtfertigt ist <strong>und</strong> die Leistungen im<br />
Unterricht verbessern hilft, muss bei je<strong>de</strong>m Medium gestellt wer<strong>de</strong>n. Ob <strong>Neue</strong><br />
<strong>Medien</strong> im Unterricht helfen o<strong>de</strong>r eher in Form einer „Lernshow“ (siehe oben) ein<br />
zwar auf <strong>de</strong>r Phänomenebene interessanten Unterricht bringen, <strong>de</strong>ssen Ergebnisse<br />
aber hinterher hinken o<strong>de</strong>r möglicherweise nicht nachhaltig genug sind, ist<br />
ein<strong>de</strong>utig eine Frage <strong>de</strong>s konkreten Einsatzes. Nicht immer sind PC, Multimedia<br />
<strong>und</strong> Internet ein passen<strong>de</strong>r Ersatz für konventionellen Unterricht. Ich wer<strong>de</strong> in<br />
einem späteren Kapitel die „Grenzen“ <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> auf <strong>de</strong>r Unterrichtsebene<br />
aufzuzeigen versuchen.<br />
Schaut man sich etwas globaler unter <strong>de</strong>n berühmten Schulleistungsstudien <strong>de</strong>r<br />
letzten Jahre um, so wird man zwar nicht beweisen können, dass ausgerechnet<br />
verstärkter (sinnvoller) Einsatz dieser neuen Kommunikationstechnologien <strong>de</strong>n<br />
Unterricht verbessert hat.<br />
Jedoch ist das Argument, Computernutzung <strong>und</strong> Internet wären eher ein<br />
„Hin<strong>de</strong>rnis“ für das Lernen ein<strong>de</strong>utig wi<strong>de</strong>rlegt. Alle wirtschaftlich vergleichbaren<br />
OECD-Län<strong>de</strong>r, die von <strong>de</strong>n Leistungen in <strong>de</strong>n PISA-Studien vor Deutschland<br />
liegen, nutzen in weitaus größerem Maße die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> .<br />
Eine neue, aus <strong>de</strong>r PISA-Untersuchung 2003 ausgekoppelte OECD-Studie spricht<br />
von Leistungsverbesserungen in Mathematik-Tests, die auch auf die regelmäßige<br />
Nutzung von Computer zurück zu führen sind: "Schüler, die Computer seit Jahren<br />
nutzen schnei<strong>de</strong>n besser ab. Schüler hingegen, die erst vor kurzem Computer-<br />
Nutzer sind o<strong>de</strong>r keinen PC nutzen, tendieren zu schwächeren Leistungen." 2<br />
Obwohl dieser Zusammenhang nicht unumstritten ist, behauptet die OECD diese<br />
Korrelation zwischen Computernutzung <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit zumin<strong>de</strong>st im Fach<br />
Mathematik.<br />
Im sprachlichen <strong>und</strong> musischen Fächer-Bereich ist dies vielleicht nicht übertragbar.<br />
Aber es wäre ein gelin<strong>de</strong> gesagt gewagtes Unterfangen, aus <strong>de</strong>r Anwesenheit von<br />
mathematisch-naturwissenschaftlicher Kompetenz bei <strong>de</strong>n Computer nutzen<strong>de</strong>n<br />
Proban<strong>de</strong>n auf die Abwesenheit sprachlicher o<strong>de</strong>r musischer Kompetenz zu<br />
schließen. Es gibt also gute Grün<strong>de</strong>, <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> im Unterricht zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Die ISB-Studie „<strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> im Fachunterricht“ stellte fest, dass 47% <strong>de</strong>r<br />
Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer nach <strong>de</strong>r Nutzung <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> angaben, <strong>de</strong>r Einsatz<br />
1 Die Vertrauenswürdigkeit mag man daran ablesen, dass auch von Behör<strong>de</strong>n <strong>und</strong> ähnlichen<br />
Institutionen in offiziellen Unterrichtsmaterialien Linkempfehlungen zu WIKIPEDIA aufgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
2 vgl.: Internetdokument:<br />
http://www.oecd.org/document/17/0,2340,en_2649_37455_35992849_1_1_1_37455,00.html<br />
(Abruf: 24.01.2006); eigene Übersetzung aus <strong>de</strong>m Englischen<br />
11
hätte „sich gelohnt“ (wofür auch immer), 44% machten dabei Einschränkungen, 3%<br />
hatten kein Erfolgserlebnis 1 . Dabei spielten nach Einschätzung <strong>de</strong>r befragten<br />
Pädagoginnen <strong>und</strong> Pädagogen Metho<strong>de</strong>nkompetenzen <strong>und</strong> Fachkompetenz (z.B. in<br />
Übungen) eine wichtigere Rolle als die soziale Kompetenz 2 .<br />
Es bleibt die Frage nach <strong>de</strong>m „Wie?“ <strong>de</strong>s Einsatzes. Ein nachhaltiges, schon früh<br />
beginnen<strong>de</strong>s <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n Unterricht fest verankertes Nutzungskonzept von<br />
Computern scheint sinnvoller als ein heute noch häufig praktiziertes einmaliges<br />
Einzelmodul z.B. als zweiwöchiges Unterrichtsvorhaben "Netzliteratur – was ist<br />
das?". Dass dieses eher sporadische Intensivnutzen auch damit zusammenhängt,<br />
dass viele Schulen (noch) kein Klassenraum-Mo<strong>de</strong>ll, son<strong>de</strong>rn ein "PC-Raum-<br />
Mo<strong>de</strong>ll" haben, <strong>de</strong>n sich alle Lerngruppen nach Absprache teilen müssen, ist<br />
unbestritten.<br />
5.5 Ein Blick über <strong>de</strong>n Tellerrand…<br />
Für an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r hat sich die Frage, ob man die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> zum Teil <strong>de</strong>s<br />
regulären Unterrichts macht, schon lange erledigt. Während hier hin <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r<br />
noch ein kompletter Ausstieg aus einer Technik (vergleiche die aktuelle Reaktion<br />
auf das Phänomen "Handymissbrauch" an an<strong>de</strong>rer Stelle dieser Arbeit), zumin<strong>de</strong>st<br />
aber eine gr<strong>und</strong>sätzlich kritische o<strong>de</strong>r abwarten<strong>de</strong> Haltung gegenüber <strong>Neue</strong>n<br />
<strong>Medien</strong> anzutreffen ist, hat <strong>de</strong>r Zugang zu <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> in an<strong>de</strong>ren wirtschaftlich<br />
vergleichbaren Län<strong>de</strong>rn Priorität. In Finnland ist man stolz darauf neben einem<br />
hohen Versorgungsgrad an konventionell gedruckten Zeitungen/Magazinen je<strong>de</strong>m<br />
Bürger von klein auf Zugang zu <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> zu bieten.<br />
Der mittlerweile im Jahr 2004 bereits abgelaufene Informationstechnologie-Plan<br />
<strong>de</strong>s finnischen Erziehungsministeriums 3 sah unter an<strong>de</strong>rem vor, Lehrpersonal in <strong>de</strong>r<br />
Bildungsarbeit in Sachen Informationstechnologie auszubil<strong>de</strong>n.<br />
Folgen<strong>de</strong> Standards sollten von 2000 bis 2004 erreicht wer<strong>de</strong>n 4 :<br />
Alle (!) Lehrer müssten gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Fähigkeiten haben, PC <strong>und</strong><br />
Internetprogramme in <strong>de</strong>n Basisfunktionen zu nutzen, etwa min<strong>de</strong>stens die Hälfte<br />
<strong>de</strong>r Lehrer muss digitales Lernmaterial vielfältig einsetzen, aktuelle Ten<strong>de</strong>nzen <strong>und</strong><br />
Weiterentwicklungen <strong>de</strong>r Technik verfolgen <strong>und</strong> dabei auch ein Bewusstsein für die<br />
sozialen Probleme <strong>und</strong> Herausfor<strong>de</strong>rungen entwickeln, die die<br />
Informationstechnologien mit sich bringen. (Anmerkung: Hier zeigt sich <strong>de</strong>utlich,<br />
dass es keineswegs darum geht, im Land <strong>de</strong>s Mobiltelefon-Weltmarkführers<br />
NOKIA eine einseitig technizistische, mediale Aufrüstung <strong>de</strong>r Schule zu betreiben,<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Menschen <strong>und</strong> die sozialen Technikfolgen im Blick zu halten.)<br />
Etwa zehn Prozent <strong>de</strong>r Lehrer sollten laut Plan weitergehen<strong>de</strong> Kompetenzen<br />
erreichen <strong>und</strong> einsetzen können: Selbst digitale Materialien gestalten,<br />
Programmierung digitaler Informationssysteme angehen, die Unterstützung <strong>und</strong><br />
Weiterbildung <strong>de</strong>r Kollegen übernehmen.<br />
In <strong>de</strong>n USA wur<strong>de</strong>n in Sachen technischer Ausrüstung auch erhebliche Fortschritte<br />
auf ein in Deutschland damals unerreichtes Niveau gemacht: „Zu Beginn <strong>de</strong>s<br />
Jahres 2000 verfügten 95 Prozent aller öffentlichen Schulen in <strong>de</strong>n USA über<br />
1 vgl.: J. Bofinger (Hrsg.): <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> im Fachunterricht. Donauwörth 2004; S. 68f<br />
2<br />
vgl.: s.o. ; S. 69<br />
3 Englischer Titel: "Information Strategy for Education and Research 2000-1004 Implementation<br />
Plan"; siehe Internetdokument:<br />
http://www.minedu.fi/minedu/education/inform_strategy_implementation_plan.pdf (Abruf:<br />
07.04.2006)<br />
4 vgl.: Siehe oben; S. 9ff<br />
12
Computer mit Internetanschlüssen <strong>und</strong> nahezu 50 Prozent über einen Zugang zu<br />
einem Hochgeschwindigkeitsnetz.“ 1<br />
Auch wenn die Betreuung <strong>und</strong> wohl auch das didaktische Konzept nach Meinung<br />
<strong>de</strong>s Autors hinter <strong>de</strong>n phänomenalen Zahlen etwas zurückblieb, ist die Integration<br />
<strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> in <strong>de</strong>n USA offensichtlich schon lange Fakt. Schon damals hatten<br />
die Schulen in <strong>de</strong>n USA eine Ratio von sechs Schülern pro PC, während sich in<br />
Deutschland 2003 durchschnittlich 17 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler einen PC teilten 2 .<br />
Hochtechnologielän<strong>de</strong>r wie die B<strong>und</strong>esrepublik sind offenbar auch aus<br />
wirtschaftlichen Grün<strong>de</strong>n darauf angewiesen, mo<strong>de</strong>rne Informationstechnik im<br />
Bildungssystem einzusetzen.<br />
Dies könnte man auch als Berufsqualifizierung <strong>und</strong> Vorbereitung zum Studium<br />
<strong>de</strong>uten, <strong>de</strong>nn dort wird <strong>de</strong>r f<strong>und</strong>ierte Umgang mit PC <strong>und</strong> Internet vorausgesetzt.<br />
6. <strong>Chancen</strong> <strong>und</strong> Grenzen <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong><br />
6.1 Kritische Fragen 1: Digitalisierung – eine Einbahnstraße?<br />
Nicht nur, dass man bei Google.<strong>de</strong> mittlerweile neben <strong>de</strong>r auf Schrift basieren<strong>de</strong><br />
Schlüsselwortsuche Texte auch Bil<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Vi<strong>de</strong>os recherchieren kann. Mit <strong>de</strong>r<br />
Bibliothekssuchfunktion z.B. von www.google.com hat das Internet längst<br />
begonnen, halbe Bibliotheken zum Teil recherchierbar <strong>und</strong> für <strong>de</strong>n Nutzer<br />
verfügbar zu machen.<br />
Hin<strong>de</strong>rnis bei dieser Digitalisierung literarischer Werke <strong>und</strong> Bestän<strong>de</strong>, ja <strong>de</strong>r<br />
ganzen Literaturgeschichte ist hier wohl eher die Frage <strong>de</strong>s Urheberrechts bzw. das<br />
Copyright als die Technik 3 .<br />
Das nahezu unbegrenzte Aufsaugen nicht-digitalen Inhalts über Scanner,<br />
Leseerkennungsprogramme o<strong>de</strong>r Kameras birgt die Chance, auch Randständiges,<br />
sogar Raritäten zu publizieren. Somit bekommen auch "Außenseitertexte"<br />
prinzipiell das gleiche Recht wie die "Klassiker", die man bisher in Schulbüchern<br />
vorwiegend (<strong>und</strong> zu Recht) fin<strong>de</strong>t.<br />
Was einerseits eine grandiose Chance ist, vormals aus diversen Grün<strong>de</strong>n<br />
unzugängliche Materialien in hoher Qualität auch für <strong>de</strong>n Unterricht zu bekommen 4<br />
bzw. zu bearbeiten, kann sich auch als Problem erweisen. Insbeson<strong>de</strong>re im<br />
Kunstunterricht fehlen bei <strong>de</strong>r Bearbeitung digitaler Bil<strong>de</strong>r (ob als Foto, Grafik o<strong>de</strong>r<br />
Film) oft die haptischen Erlebnisse. Wer ein Bild mit einer Digitalkamera knipsen<br />
kann, hat in Sek<strong>und</strong>en ein Ergebnis, das man selbst mit tagelangem Malen nicht<br />
1<br />
vgl.: Artikel von E. Messow; Internetdokument: http://www.lehrer-online.<strong>de</strong>/dyn/227485.htm<br />
(Abruf: 23.4.2006)<br />
2 vgl.: Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Bildungsbericht. 2004 Online-Version; S. 123<br />
3<br />
Ganz offensichtlich scheinen bei <strong>de</strong>r Digitalisierung literarischer Texte Fragen <strong>de</strong>s Urheberrechts<br />
das Problem zu sein. Nicht zuletzt die beliebten CDrom-Reihen <strong>de</strong>r DIGITALEN BIBLIOTHEK<br />
haben fast ohne Ausnahmen nur Werke von Autoren, die bereits nach <strong>de</strong>utschem Urheberrecht<br />
gemeinfrei sind – also <strong>de</strong>ren Verfasser min<strong>de</strong>stens 75 Jahre tot sind. Die erste Ausgabe hieß <strong>de</strong>nn<br />
auch "Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka" <strong>und</strong> barg somit das Paradoxon, wirklich alten<br />
"Wein" in die allerneueste technische Form gegossen zu haben. Das gleiche gilt für das "Gutenberg-<br />
Projekt" (http://gutenberg.spiegel.<strong>de</strong>), bei <strong>de</strong>m genau darauf hingewiesen wird, dass das Benn-<br />
Gedicht seit 44 Tagen rechtefrei ist.<br />
4<br />
Ein gutes Beispiel ist die fortschreiten<strong>de</strong> vollständige Digitalisierung mittelalterlicher Codices<br />
durch f<strong>und</strong>ierte Spezialisten, die als Internetprojekt für Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler eine ganz neue<br />
Qualität <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Handschriftenkultur <strong>de</strong>s Mittelalters bietet, welche durch<br />
Bücher so bisher nicht leistbar war. (Dies ist wie<strong>de</strong>r eine merk-würdige Allianz ältester <strong>und</strong> neuester<br />
<strong>Medien</strong>.) Ein hervorragen<strong>de</strong>s Beispiel sind die in höchster Qualität digitalisierten Handschriften <strong>de</strong>r<br />
St. Gallener Stiftsbibliothek: http://www.cesg.unifr.ch/virt_bib/handschriften.htm<br />
13
erreichen kann. Gra<strong>de</strong> durch die scheinbare „Schnelligkeit“ gehen aber auch<br />
Prozessqualitäten verloren.<br />
An einem Vergleich von Linoldruck <strong>und</strong> Digitalprint kann auch ein zweites<br />
Problem <strong>de</strong>utlich gemacht wer<strong>de</strong>n: Während ein einmal in eine Druckplatte<br />
eingebrachter „Fehlschnitt“ nicht mehr rückgängig gemacht wer<strong>de</strong>n kann, können<br />
im PC mit „Strg+Z“ bis zu 40 Bearbeitungsschritte rückgängig gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Wer dies als Schüler erfährt, kann es sich leisten, wesentlich weniger auf<br />
kontrolliertes Arbeiten zu achten. Damit gehen Prozessqualitäten wie die<br />
„verlangsamte“ Wahrnehmung o<strong>de</strong>r die Konzentration verloren, ein (auf <strong>de</strong>n ersten<br />
Blick) kreatives Arbeiten hält Einzug.<br />
Als Antwort auf diese Problematiken sollte im Kunstunterricht versucht wer<strong>de</strong>n,<br />
digitale mit nichtdigitalen <strong>Medien</strong> auszuwechseln. Es kann sinnvoll sein, ein Foto<br />
mit digitalen <strong>Medien</strong> zu verzerren <strong>und</strong> zu manipulieren, um es dann als<br />
Ausdruckvorlage für Malerei zu benutzen.<br />
Manchmal hilft es eben, eine „Ausstiegs-Strategie“ parat zu halten, um vielfältigere<br />
Ergebnisse zu erreichen.<br />
6.2 Kritische Fragen 2: Psychosoziale <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Folgen von<br />
erhöhtem <strong>Medien</strong>konsum<br />
Wer längere Zeit vor <strong>de</strong>m PC, vor <strong>de</strong>m Fernseher o<strong>de</strong>r ähnlichem sitzt, wird schnell<br />
merken, wie anstrengend die vermeintlich wenig anstrengen<strong>de</strong> Arbeit am<br />
Bildschirm ist. Wer sich die „Schnittstellen“, also die Zugangswege zum Rechner<br />
genauer anschaut, ent<strong>de</strong>ckt, dass die Rezeption wie die Produktion über im<br />
wesentlichen drei immer gleiche Instrumente vollzieht. Die Rezeption über einen<br />
Bildschirm (möglicherweise mit Audio-Anschluss) <strong>und</strong> die „Produktion“ über die<br />
Tastatur <strong>und</strong> die Maus.<br />
Daraus folgen zwei Strategien: Zunächst sollte man alle Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich über „richtiges Sitzen“ <strong>und</strong> ergonomische Arbeitshaltung informieren<br />
sowie (durch die Zehn-Finger-Technik 1 ) für effizientes Arbeiten sorgen. Und man<br />
kann durch die Strukturierung <strong>de</strong>s Unterrichts, gezielt eingesetzte Pausen, gezielt<br />
eingesetzte „Nicht-Digital-Phasen“ (z.B. Brainstorming per Stift <strong>und</strong> Kartenabfrage<br />
o<strong>de</strong>r Diskussion) die Abwechslung auch <strong>und</strong> gra<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Arbeit am PC Programm<br />
wer<strong>de</strong>n lassen. Hier wäre auch die Einbeziehung von mobilen digitalen<br />
Aufnahmesystemen (Digitalkameras, MP3-Aufnahmegeräte) eine kurzfristige<br />
Entlastung.<br />
Diese Möglichkeiten verhin<strong>de</strong>rn auch ein stures, nicht sozial orientiertes<br />
Einzelplatz-Arbeiten. Dies ist die zweite Problematik <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> – diese vertritt<br />
das Klischee <strong>de</strong>s „NERD“ 2 , einem oft introvertierten „Computerfreak“, <strong>de</strong>r in einer<br />
Parallelwelt abtaucht <strong>und</strong> im wirklichen Leben nicht klar kommt. Obwohl dies<br />
natürlich ein Klischee ist, tauchen viele Jugendliche in die (kommerziellen)<br />
„Parallelwelten“ Computerspiel, Onlinegame, Strategiespiel, Rollenspiel ab <strong>und</strong><br />
suchen dort, was sie im wahren Leben (vermeintlich o<strong>de</strong>r tatsächlich) nicht fin<strong>de</strong>n.<br />
Für die negativen sozialen Folgen ist die Lösung nicht so einfach zu fin<strong>de</strong>n wie für<br />
die physiologischen Probleme, wo oft ein Infoblatt „So sitze ich richtig vorm PC“<br />
<strong>de</strong>r Krankenkasse Abhilfe schafft.<br />
1<br />
Viele Schulen bieten „Schreibmaschinen/Computerkurse“ an, meist aber nur freiwillig im AG-<br />
Bereich bzw. am Nachmittag.<br />
2<br />
Was dieses Acronym be<strong>de</strong>utet, darüber gibt es diverse Auffassungen. Im Amerikanischen steht es<br />
für eine unbeliebte, meist auch komische Person.<br />
14
An dieser Stelle nur zwei Denkmöglichkeiten, die psychosoziale Probleme<br />
zumin<strong>de</strong>st lin<strong>de</strong>rn können. Zunächst einmal sollten gra<strong>de</strong> die Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler, bei <strong>de</strong>nen soziales „Nichtintegriertsein“ mit hoher „PC-Kompetenz“ einher<br />
geht, gezielt in die Vermittlung von Metho<strong>de</strong>nkompetenz einbezogen wer<strong>de</strong>n,<br />
an<strong>de</strong>ren Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern z.B. beim Erstellen einer Internetseite helfen.<br />
Zweitens kann man die kritische <strong>Medien</strong>reflexion <strong>und</strong> die (positiven <strong>und</strong> negativen)<br />
sozialen Folgen von „Virtualität“ bzw. „virtual reality“ zum Thema machen.<br />
In <strong>de</strong>r Schule kann man so die Kompetenz <strong>de</strong>r Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler stärken,<br />
die digitalen <strong>Medien</strong> bewusst zu nutzen, ihre Folgen zu kennen <strong>und</strong> auch f<strong>und</strong>iert<br />
Entscheidungen gegen eine Nutzung zu treffen. Damit stellt man <strong>de</strong>m<br />
unreflektierten Konsum einen mündigeren Nutzer entgegen.<br />
7. Phänomene <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> <strong>und</strong> ihre<br />
Konsequenzen für <strong>de</strong>n Unterricht<br />
7.1 <strong>Medien</strong>integration <strong>und</strong> Mobilisierung <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong><br />
Das Phänomen ( <strong>und</strong> Mo<strong>de</strong>wort <strong>de</strong>r 1990er Jahre) "Multimedia" war lange Zeit auf<br />
PC beschränkt, mittlerweile macht dieser Begriff auch in Form <strong>de</strong>s "Multimedia-<br />
Handys" die R<strong>und</strong>e <strong>und</strong> zeigt damit möglicherweise auch die Zukunft <strong>de</strong>s Internets<br />
– weiter mobilisiert <strong>und</strong> individualisiert auf <strong>de</strong>m Handy, das neben <strong>de</strong>r mittlerweile<br />
vorausgesetzten Foto-Funktion auch die Funktionen <strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>o-Kamera, <strong>de</strong>s<br />
Spielfilm-Abspielgeräts, <strong>de</strong>s Musik-Wie<strong>de</strong>rgabegerätes, <strong>de</strong>s Datenspeichers <strong>und</strong> so<br />
weiter einbeziehen wird.<br />
Was ist <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong> hinter dieser Entwicklung? Auf <strong>de</strong>r technischen Seite ist <strong>de</strong>r<br />
Ausbau <strong>de</strong>r Handynetze o<strong>de</strong>r die Erhöhung <strong>de</strong>r Daten-Bandbreite <strong>und</strong> die immer<br />
weiter steigen<strong>de</strong> Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r Geräte <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />
steht das Interesse <strong>de</strong>r Multimedia-Industrie, immer neue Angebote <strong>und</strong> Märkte zu<br />
erschließen. Und letztlich das Interesse <strong>de</strong>r Verbraucher an solchen<br />
Entwicklungen. Was jetzt Ursache o<strong>de</strong>r Folge ist, bleibt so unbeantwortbar, wie die<br />
Frage nach <strong>de</strong>r Henne <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Ei. Fest steht, dass eine fortschreiten<strong>de</strong> technische<br />
Entwicklung die Anwendung dieser <strong>Medien</strong> <strong>de</strong>utlich einfacher, leichter, kleiner <strong>und</strong><br />
ergonomischer macht.<br />
Für <strong>de</strong>n Unterricht be<strong>de</strong>utet dies, dass mehrere, man könnte sagen „multisensuale“<br />
Wege bestehen, einen Lern-Inhalt zu transportieren 1 . Möglich ist nun auch die<br />
„Zusammenfassung Lyrik <strong>de</strong>s Barocks“ als Service für die Schüler wahlweise in<br />
MP3-Form bzw. als Podcast. Ob das sinnvoll ist, sei dahin gestellt, möglich ist es<br />
allemal. Folgt man <strong>de</strong>r Theorie, dass es unterschiedliche Lerntypen gibt, so kann<br />
man diese neue Bandbreite nur begrüßen – während ein Schüler eine<br />
Zusammenfassung schreibt, liest ein an<strong>de</strong>rer eine Online-Präsentation <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />
nächste spricht sich ein an<strong>de</strong>rer Klausurstoff auf sein MP3-Player. Und er geht<br />
damit joggen.<br />
7.2 Absolute Kopierbarkeit <strong>und</strong> Verän<strong>de</strong>rbarkeit –Chance o<strong>de</strong>r Problem?<br />
1 In gewisser Weise steht <strong>de</strong>m die zuvor dargestellte „Einseitigkeit“ <strong>de</strong>r Schnittstelle Bildschirm,<br />
Maus <strong>und</strong> Tastatur natürlich entgegen.<br />
15
In digitaler Form kann sich (allen Kopierschutzbemühungen zum Trotz) nahezu<br />
je<strong>de</strong>s <strong>Medien</strong>format klonen lassen – <strong>und</strong> dies beliebig oft. Damit taucht in<br />
verschärfter Form das Problem <strong>de</strong>s Urheberrechts auf. Die vervielfältigten Texte<br />
<strong>und</strong> <strong>Medien</strong>formate sind außer<strong>de</strong>m durch weitreichen<strong>de</strong> Hypertextualität (an<br />
an<strong>de</strong>rer Stelle besprochen) aufeinan<strong>de</strong>r bezogen. Somit geht es häufig nicht mehr<br />
um einen Text, son<strong>de</strong>rn um eine „Auszug“, nicht um ein „Musikstück“, son<strong>de</strong>rn um<br />
ein „Sample“, nicht um einen wissenschaftlichen Gesamttext, son<strong>de</strong>rn um ein<br />
„Abstract“ <strong>und</strong> so weiter. Was dabei gewonnen <strong>und</strong> was dabei auch verloren geht,<br />
kann hier nicht umfassend besprochen wer<strong>de</strong>n – nur so viel vielleicht: Das<br />
freiheitliche Umgehen mit einem Text, <strong>de</strong>r auch (<strong>und</strong> per Hyperlink besser als in<br />
gedruckter Form) kommentiert, kritisiert o<strong>de</strong>r mit sonstigen Verweisen illustriert<br />
wer<strong>de</strong>n kann, ist sicherlich auf <strong>de</strong>r "Haben-Seite" <strong>de</strong>r elektronischen <strong>Medien</strong> zu<br />
verbuchen. Bei richtiger Zitierweise <strong>und</strong> korrektem Verhalten gegenüber <strong>de</strong>m<br />
Ursprungstext ist dieses neuartige Textverhalten per se nichts Schlechtes, es bleiben<br />
aber einige negative Erscheinungen am Ran<strong>de</strong> dieser Phänomene.<br />
Fraglich bleibt, ob <strong>de</strong>m Trend zur Lektüre bereits verkürzter o<strong>de</strong>r abstrahierter<br />
Texte nicht auch ein Verlust an Lesetraining, Leseerfahrung o<strong>de</strong>r auch eigener<br />
Abstraktionsfähigkeit folgt. Nicht selten gehen Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler bei<br />
literarischen Texten an die Interpretation aus <strong>de</strong>m Internet heran o<strong>de</strong>r lesen statt <strong>de</strong>s<br />
vom Lehrer gegebenen Auszugs einer komplizierten Theorie lieber das schon<br />
zusammengefasste „Abstract“ eines Dritten aus <strong>de</strong>m Netz.<br />
Hier stellt sich für die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler wegen <strong>de</strong>r großen Auswahl zu<strong>de</strong>m<br />
noch die Frage, welcher Information man trauen kann.<br />
Digitale Formate sind (in gutem wie im schlechten Sinn) manipulierbar <strong>und</strong> die<br />
Qualität einer Kopie reicht oft genau an die <strong>de</strong>s Ursprungsmediums heran – man<br />
kann daher eher vom „Klonen“ sprechen. Dieses Klonen von (möglicherweise<br />
urheberrechtsgeschützten) <strong>Medien</strong> beherrschen vor allem Jugendliche nicht selten<br />
nahezu perfekt. Umso wichtiger ist auch die ethische Dimension <strong>de</strong>s Umgangs mit<br />
<strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> <strong>und</strong> die kritische Begleitung – nicht alles, was möglich ist, sollte<br />
man auch tun. In einem reflektierten Prozess können aber die Vorteile <strong>de</strong>r <strong>Neue</strong>n<br />
<strong>Medien</strong> gezielt genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />
7.3 Vom „User“ zum Autor – die Möglichkeiten produktionsorientierten<br />
Arbeitens<br />
Das Internet bietet auf nahezu allen Ebenen <strong>und</strong> Kanälen (Text/Vi<strong>de</strong>o/Audio) die<br />
Möglichkeit, von einem passiven <strong>Medien</strong>nutzer zu einem aktiven Nutzer zu<br />
wer<strong>de</strong>n, auch ohne das "Klonen" <strong>und</strong> ohne Vorbil<strong>de</strong>r. Diese Möglichkeit –<br />
unterstützt durch die <strong>de</strong>zentrale Netzwerkstruktur, die hohe Verbreitungsrate,<br />
niedrigen Kosten <strong>und</strong> größtenteils fehlen<strong>de</strong>r Hierarchie – bietet für <strong>de</strong>n Unterricht<br />
die großartige Chance, produktionsorientiert zu arbeiten. Für Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schüler ist es oft ein erheblicher Motivationsschub, einen eigenen Text als „pdf-<br />
Buch“ online zu veröffentlichen, sei es als ein Kurzgeschichten-Band o<strong>de</strong>r als ein<br />
wissenschaftspropä<strong>de</strong>utisch veranlagtes Projekt.<br />
Ganz nebenbei können die Schüler dann auch lernen, wie sie für eine Zielgruppe<br />
schreiben bzw. produzieren. Während man außerhalb <strong>de</strong>s Internets oft gezielt für<br />
die Augen <strong>de</strong>r Lehrpersonen schreibt, die beurteilen, sollte man jetzt zumin<strong>de</strong>st<br />
nicht nur an die Note, son<strong>de</strong>rn auch an die anonyme Öffentlichkeit <strong>de</strong>nken. Zu<strong>de</strong>m<br />
muss man seine „Eigenproduktion“ auch in <strong>de</strong>r virtuellen Welt bewerben, Links<br />
16
setzen o<strong>de</strong>r sich um Rezensionen bemühen – man steht ja schließlich in Konkurrenz<br />
zu Millionen an<strong>de</strong>rer Webseiten.<br />
Nicht je<strong>de</strong> Schülerarbeit zum Thema „Lyrik selbst produziert“ ist damit gleich<br />
„(Netz-)Literatur“, aber das gilt ja genauso für die konventionellen Schülerarbeiten.<br />
Die fehlen<strong>de</strong>n Barrieren, zum Autoren zu wer<strong>de</strong>n, sind ein großer Pluspunkt für <strong>de</strong>n<br />
Unterricht <strong>und</strong> dies vor allem aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Motivation, eine eigene Publikation zu<br />
erstellen 1 .<br />
7.4 Das Überangebot in <strong>de</strong>n <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> – <strong>und</strong> die Macht <strong>de</strong>r Suchmaschine<br />
Seit<strong>de</strong>m es (große) Bibliotheken gibt, gibt es Ordnungssysteme, Abteilungen <strong>und</strong><br />
möglicherweise auch <strong>de</strong>n Typus <strong>de</strong>s Kritikers, <strong>de</strong>r die schier <strong>und</strong>urchschaubare<br />
Masse für <strong>de</strong>n Leser ordnet <strong>und</strong> auch wertend filtert. Diskussionen um die "Macht<br />
<strong>de</strong>r Kritiker" sind nicht erst seit <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung um <strong>de</strong>n Roman "Tod eines<br />
Kritikers" von Martin Walser für <strong>de</strong>n nicht digitalen Bereich ein Thema.<br />
In <strong>de</strong>n <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> , insbeson<strong>de</strong>re im Internet ist die Funktion <strong>de</strong>s Ordnens <strong>und</strong><br />
Ausfilterns auf die "Such-Maschinen" übergegangen, unter <strong>de</strong>nen Google sicherlich<br />
die am meisten genutzte ist.<br />
Man kann schätzen, wie viel Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler diese Internetseite als<br />
Standard-Suchmaschine nutzen, wahrscheinlich sind es über 90%.<br />
Mittlerweile sogar als Verb "herausgoogeln" in die alltägliche Unterrichtssprache<br />
mancher Lehrer integriert, ist Google zum fast alleinigen Suchinstrument<br />
gewor<strong>de</strong>n. Problematisch ist diese Entwicklung in <strong>de</strong>r Tat – sie führt<br />
paradoxerweise im an sich unendlich erweiterbaren <strong>und</strong> unhierarchischen Internet<br />
zu einer Re-Kanalisierung <strong>de</strong>r Information aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r wie ein Geheimnis<br />
gehüteten Rechneralgorithmen. Die Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung brachte es auf <strong>de</strong>n Punkt,<br />
welche merkwürdigen Folgen diese Art <strong>de</strong>r <strong>Medien</strong>landschaft hat. Die oft auch<br />
mangelhaften Qualität <strong>de</strong>r Inhalte im Internet wird ohne Prüfung <strong>de</strong>s Inhaltes durch<br />
einen hohen Platz im Google-Ranking suggestiv bewertet: "Sobald Google es aber<br />
fin<strong>de</strong>t, scheint es relevant. […] Die F<strong>und</strong>seiten wer<strong>de</strong>n dabei nach ihrer Wertigkeit<br />
gefiltert, indiziert <strong>und</strong> gelistet. Allein, was ist Wertigkeit?" 2<br />
Oft fehlt Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler diese "Wertigkeit", ein Anhaltspunkt, eine<br />
Anleitung, eine Suchstrategie mit einem klar <strong>de</strong>finierten Ziel, nicht selten lan<strong>de</strong>t ein<br />
"Webquest" (eine Internetrecherche) im digitalen Nirvana, man hat viel Zeit<br />
verloren <strong>und</strong> wenig handfeste Informationen gewonnen. Damit wird für alle Fächer<br />
ein "Internetrecherche-Kurs" eigentlich für alle Fächer zur Pflicht, in <strong>de</strong>nen das<br />
Internet (mit o<strong>de</strong>r ohne Auffor<strong>de</strong>rung durch die Lehrkraft) zum Recherchewerkzeug<br />
genutzt wird. Und das sind alle Fächer. Hier könnte ein <strong>Medien</strong>modul helfen, egal<br />
in welchem Fach es dann eingesetzt wird.<br />
7.5 Rezeptionsweisen - "Literacity" in digitalen <strong>Medien</strong>?<br />
Lange Zeit war die "Lesefähigkeit" fast ganz an das Format "Buch" gekoppelt.<br />
Noch vor wenigen Jahren galt das Buch, insbeson<strong>de</strong>re die Belletristik in <strong>de</strong>n<br />
Sprachen als dominieren<strong>de</strong>s Leitmedium. In <strong>de</strong>n Lehrplänen ist (auch in Reaktion<br />
auf Schulleistungsstudien) <strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r "Sachtexte" enorm aufgewertet wor<strong>de</strong>n.<br />
1 Ein I<strong>de</strong>albeispiel ist die Online-Veröffentlichung <strong>de</strong>r Facharbeit, die ja zum Teil wirklich bei<br />
manchen Schwerpunkten öffentliches Interesse wecken können.<br />
2 vgl. Artikel: "Hase <strong>und</strong> Google. So gute I<strong>de</strong>en hat keiner: Wie eine Suchmaschine das neue<br />
Internet regiert." Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung vom 17. Januar 2006<br />
17
Elektronische Texte <strong>und</strong> <strong>Medien</strong> haben aber an<strong>de</strong>re Funktionsweisen als gedruckte<br />
Texte.<br />
Durch das nebeneinan<strong>de</strong>r stehen<strong>de</strong> <strong>Medien</strong>angebot digitalisierter Inhalte sowie<br />
durch das Nutzerverhalten entsteht eine neue <strong>Medien</strong>form, die we<strong>de</strong>r gelesen, noch<br />
gehört, noch angeschaut wer<strong>de</strong>n kann, son<strong>de</strong>rn alles in einer mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />
intensiver Form abwechselnd. Dadurch wandle sich (nach Gunther Kress) das<br />
lineare Lesen in ein eher orientieren<strong>de</strong>s Lesen 1 . Dabei än<strong>de</strong>rt sich auch die Taktzahl<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r zeitliche Leseverlauf, <strong>de</strong>r Wunsch, <strong>de</strong>m nächsten Link zu folgen, ist häufig<br />
stärker als die Attraktivität <strong>de</strong>s momentanen Lesetextes. In <strong>de</strong>r Folge entwickelt<br />
sich ein zwischen Textfragmenten springen<strong>de</strong>r Leseprozess, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Nutzer <strong>de</strong>s<br />
Internets o<strong>de</strong>r aber auch <strong>de</strong>r CDrom zu vielen, aber nicht immer abgeschlossenen<br />
Leseerfahrungen verführt. Gleichzeitig verschwimmen in Teilen <strong>de</strong>r<br />
Kommunikation, insbeson<strong>de</strong>re im Chat, die Grenzen zwischen Mündlichkeit <strong>und</strong><br />
Schriftlichkeit, es wird Sprachen übergreifend kommuniziert, weil es möglich (<strong>und</strong><br />
in gewissem Sinn auch pragmatisch ist).<br />
Digitale <strong>Medien</strong> haben damit einen Textbegriff, <strong>de</strong>r sich von <strong>de</strong>m traditioneller<br />
Texte unterschei<strong>de</strong>t.<br />
Für <strong>de</strong>n Unterricht hat das Konsequenzen: Nicht selten wird <strong>de</strong>r zur Lektüre<br />
aufgegebene Roman im Internet anhand einer Zusammenfassung vorrecherchiert,<br />
dann als Hörbuch gehört o<strong>de</strong>r als Verfilmung angeschaut <strong>und</strong> am En<strong>de</strong> steht dann<br />
die klassische Lektüre – vorstrukturiert o<strong>de</strong>r mitunter in <strong>de</strong>r Rezeptionsweise von<br />
<strong>de</strong>n Adaptionen gefiltert. Auch wenn von Seiten <strong>de</strong>s Lehrers dazu nicht<br />
aufgefor<strong>de</strong>rt wird, wird ein beträchtlicher Teil <strong>de</strong>r Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler diesen<br />
Weg gehen.<br />
Dass das nicht ohne Konsequenzen auf die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler bleibt, <strong>de</strong>nen<br />
ein im besten Sinn "naives" Erstleseerlebnis oft fehlt, ist klar. Aus <strong>de</strong>n oben<br />
genannten Verän<strong>de</strong>rungen ist ein rein auf das Buch basieren<strong>de</strong>r Unterricht nicht<br />
möglich.<br />
Der Deutschunterricht solle <strong>de</strong>shalb, for<strong>de</strong>rt Wermke, zu einem "integrativen<br />
Deutschunterricht" wer<strong>de</strong>n, da die Buchkultur nicht mehr isoliert betrachtet wer<strong>de</strong>n<br />
könne 2 . Auch Mathis Kepser sieht <strong>de</strong>n Gegenstandsbereich <strong>de</strong>r (unter an<strong>de</strong>rem im<br />
Deutschunterricht angesie<strong>de</strong>lten) <strong>Medien</strong>kritik auf einen <strong>Medien</strong>verb<strong>und</strong> bezogen:<br />
"Nicht zuletzt ist die Trennung zwischen <strong>de</strong>n öffentlichen Massenmedien, die<br />
tradionellerweise auf einseitige Kommunikation beschränkt waren, <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />
privaten <strong>Medien</strong>, die zwei- <strong>und</strong> mehrseitige Kommunikation ermöglichen,<br />
durchlässig gewor<strong>de</strong>n." 3 Die Lesekompetenz ("literacy") ist insofern kein Begriff,<br />
<strong>de</strong>n man an Büchern alleine festmachen kann, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r sich zunehmend einem<br />
erweiterten Textbegriff stellen wird.<br />
Wenn aber diese Lesekompetenz im Internet die Herausfor<strong>de</strong>rung multimedialer<br />
Bild-Text-Audio-Vi<strong>de</strong>o-Inhalte annehmen muss, so muss sie auch außerhalb <strong>de</strong>s<br />
sprachunterrichtlichen Kerns <strong>und</strong> abseits <strong>de</strong>s konventionellen Textbegriffes<br />
geschult wer<strong>de</strong>n.<br />
7.6 Integrierte Bild-, Audio- <strong>und</strong> Vi<strong>de</strong>okompetenz als neue Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
an <strong>de</strong>n Fächerkanon?<br />
1<br />
vgl.: Gunther Kress: Literacy in the new media age. London (u.a.) 2004, v.a. Kapitel 9<br />
2 vgl.: M. Kämper-van <strong>de</strong>m Boogart (Hrsg.): Deutschdidaktik. Leitfa<strong>de</strong>n für die Sek<strong>und</strong>arstufe I <strong>und</strong><br />
II.; S. 96f<br />
3 Mathis Kepser (Hrsg.): <strong>Medien</strong>kritik im Deutschunterricht. Hohengehren 2004; S. 3<br />
18
Aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r technischen Möglichkeiten (vor allem <strong>de</strong>r immer weiter steigen<strong>de</strong>n<br />
Bandbreite) ist eine Internetseite heute an<strong>de</strong>rs aufgebaut als eine durchschnittliche<br />
Seite von 1995. Ähnliche digitale "Aufrüstung" erfahren CDroms o<strong>de</strong>r PC-<br />
Programme, die sehr viel mehr <strong>und</strong> bessere Grafik-Elemente enthalten.<br />
Kulturwissenschaftler sprechen gar von einem "Iconic Turn" 1 , <strong>de</strong>r die<br />
Schriftsprache in eine Bildsprache umwan<strong>de</strong>le. Zu En<strong>de</strong> gedacht wür<strong>de</strong> diese<br />
Wen<strong>de</strong> große Teile <strong>de</strong>s textorientierten Deutschunterrichts 2 schlicht (in <strong>de</strong>ren<br />
konventioneller Auslegung) arbeitslos machen.<br />
Wenn man unterstellt, dass hier also ein neues Medium entsteht, so kann man<br />
fragen, welches Fach zumin<strong>de</strong>st hauptsächlich diese <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> übernehmen<br />
könnte o<strong>de</strong>r ob man nicht ein neues Fach einrichten müsste. Neben <strong>de</strong>r durch<br />
Informatik, vielleicht durch Physik, übernommenen technischen Gr<strong>und</strong>lagen,<br />
kommen für <strong>de</strong>n sprachlichen Teil sicher die sprachlichen Fächer (Deutsch,<br />
Englisch u.a.) in Frage. Möglicherweise können diese auch einen Großteil <strong>de</strong>r<br />
theoretischen Kommunikationstheorie (Kommunikationstheorien, <strong>Medien</strong>kritik,<br />
etc.) übernehmen, wie sie es für das Fernsehen bereits gemacht haben 3 . Aufgr<strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>s hohen grafischen Anteils in <strong>de</strong>r Bildschirm orientierten Aufmachung, <strong>de</strong>m<br />
weiter steigen<strong>de</strong>n Bildanteils in <strong>de</strong>n <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> käme Kunst in Betracht. Für<br />
die nicht beson<strong>de</strong>rs hervorstechen<strong>de</strong>n, aber auch häufiger wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Audio-Anteile<br />
könnte das Fach Musik einen Beitrag leisten.<br />
Wie kein an<strong>de</strong>res Medium stellt das multimediale Internet die relativ<br />
abgeschotteten Fach-Konzepte <strong>de</strong>r Schule in Frage. Hier wäre entwe<strong>de</strong>r ein neues<br />
Fach namens "<strong>Medien</strong>" nötig o<strong>de</strong>r eine sehr systematisch ausgebaute,<br />
fachübergreifen<strong>de</strong> Zusammenarbeit, die das bis heute eher weniger abgestimmte<br />
Durcheinan<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Nebeneinan<strong>de</strong>r einzelner Anstrengungen in <strong>de</strong>n Fächern ablöst 4 .<br />
Keine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Lösungsmo<strong>de</strong>lle ist kurzfristig in Sicht, so dass die Frage "Wer<br />
hat die Fach-Hoheit über das Internet?" spannend bleibt, sie kann hier aber nur<br />
aufgeworfen wer<strong>de</strong>n.<br />
7.8 Die Erzieherfunktion im Netz – vernachlässigbar?<br />
Das Lehrerbild <strong>de</strong>s "Erziehers", <strong>de</strong>r pädagogisch Jugendliche auch in Sachen Wert-/<br />
Moralerziehung begleitet, scheint sich in Bezug auf <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> nicht direkt in<br />
<strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong> zu drängen. Zu sehr geht es um methodische Kompetenz o<strong>de</strong>r<br />
auch die Inhalte <strong>de</strong>r Analyse, die zweifelsohne wichtig sind.<br />
Anhand eines aktuellen Falls kann eindrucksvoll belegt wer<strong>de</strong>n, wie sehr die<br />
erzieherischen Kompetenzen eines Lehrers für die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> gefor<strong>de</strong>rt <strong>und</strong><br />
herausgefor<strong>de</strong>rt sind:<br />
In einer auch mit an<strong>de</strong>ren Schulproblemen 5 korrespondieren Welle von Meldungen<br />
1 Dieser Begriff ist mittlerweile zu einem Mo<strong>de</strong>wort gewor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ssen Gr<strong>und</strong>lage eine<br />
Vorlesungsreihe bzw. ein Buch ist: C. Maar/ H. Burda (Hrsg.): Iconic Turn. Die neue Macht <strong>de</strong>r<br />
Bil<strong>de</strong>r. Köln 2004.<br />
2 Zitat aus <strong>de</strong>m Lehrplan Deutsch Oberstufe: "Metho<strong>de</strong>n schriftlicher Arbeit sind ein wesentliches<br />
Medium <strong>de</strong>s Deutschunterrichts." Lehrplan Deutsch Sek II (Gymnasien/Gesamtschulen), 1999; S. 28<br />
3 Beim Vergleich zum Fernsehen ist allerdings zu bemerken, dass die Fächer bzw. <strong>de</strong>ren Didaktiker<br />
Jahrzehnte (Start <strong>de</strong>s Farbfernsehens: 1972) zum Auf- <strong>und</strong> Ausbau eines didaktischen<br />
Lehrkonzeptes gebraucht haben, das Internet dagegen förmlich in einer Deka<strong>de</strong> (ca. ab 1995)<br />
gra<strong>de</strong>zu "explosionsartig" auftrat.<br />
4 Fast je<strong>de</strong>s Fach hat mittlerweile am Ran<strong>de</strong> Multimedia-Kompetenz als zumin<strong>de</strong>st Metho<strong>de</strong><br />
integriert, sicherlich auch eine Reaktion auf die steigen<strong>de</strong> Relevanz <strong>de</strong>s Themas.<br />
5 Im Fokus stan<strong>de</strong>n auch die Probleme <strong>de</strong>r Schulform "Hauptschule", die von <strong>de</strong>n Ereignissen <strong>de</strong>r<br />
"Rütli"-Schule in Berlin ausgehend, bis in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen B<strong>und</strong>estag gingen. Allerdings gab es<br />
19
eschäftigte die <strong>de</strong>utsche Öffentlichkeit im Frühjahr 2006 die Frage, wie harte<br />
Porno- <strong>und</strong> Gewaltdarstellungen auf die Mobiltelefone von Schülern gelangen<br />
könnten <strong>und</strong> damit mitten auf <strong>de</strong>n Pausenhof einer bayrischen Schule. Neben <strong>de</strong>m<br />
Konfiszieren h<strong>und</strong>erter Handys als erste Polizeiaktion, for<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r bayrische<br />
Kultusminister S. Schnei<strong>de</strong>r (CSU) ein generelles Verbot von Handys auf<br />
Schulhöfen 1 . Man kann dieses (kaum durchsetzbare) Totalverbot auch als Zeichen<br />
<strong>de</strong>r Hilflosigkeit gegenüber einer neuen Technik <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Nutzung <strong>de</strong>uten.<br />
Dementsprechend gab das Schulministerium NRW auf eilig eingerichteter<br />
Webseite bekannt, es wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Motto "Fit machen- nicht verbieten" <strong>de</strong>n Vorzug<br />
geben 2 .<br />
Dieser Vorfall zeigt dreierlei: Erstens ist die alleine Vermittlung von<br />
Metho<strong>de</strong>nkompetenz ohne die Thematisierung von Verantwortung als<br />
"<strong>Medien</strong>nutzer" bzw. "Autor" 3 - gelin<strong>de</strong> gesagt - unvollständig. Zweitens zeigt es,<br />
dass sozusagen unter <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r später erschrockenen Kollegen eine Subkultur<br />
aggressiven Verhaltens entstand, <strong>de</strong>ren beson<strong>de</strong>res Charakteristikum durch die<br />
Dynamik <strong>de</strong>s multimedialen Aufnehmens <strong>und</strong> <strong>de</strong>r netzwerkartigen Weitergabe<br />
dieser Vi<strong>de</strong>os war.<br />
Drittens zeigt zumin<strong>de</strong>st die bayrische Antwort eines totalen Handy-Verbots eine<br />
große Unsicherheit auch <strong>de</strong>r Verantwortlichen an höchster Stelle.<br />
Heruntergebrochen auf die Konzipierung von Unterrichtsinhalten zum Thema <strong>Neue</strong><br />
<strong>Medien</strong> sollten die Inhalte, das "journalistische Ethos" (sofern man davon sprechen<br />
kann) <strong>und</strong> die Abgrün<strong>de</strong> z.B. im Internet nicht ausgeblen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
Thema wer<strong>de</strong>n.<br />
8. Exemplarische Einsatzfel<strong>de</strong>r <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong><br />
als Werkzeug im Fachunterricht<br />
8.1 Wortstatistik <strong>und</strong> avancierte Suchfunktionen nutzen<br />
Für das Drama „Maria Stuart“ von Schiller habe ich meinem Deutschkurs (11.<br />
Klasse) aus <strong>de</strong>m „Gutenberg-Projekt“ 4 <strong>de</strong>n Originaltext in ein PDF-Dokument<br />
zusammengefasst <strong>und</strong> ergänzend zum Buchtext zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe<br />
<strong>de</strong>r Suchfunktion <strong>de</strong>s PDF-Programms kann man hier gezielt nach Schlüsselwörtern<br />
(„Macht“, „Recht“, „Schönheit“ usw.) suchen. Diese Funktion von digitalen<br />
Dokumenten ist eine <strong>de</strong>utliche Ergänzung, wenngleich man <strong>de</strong>n Schülerinnen <strong>und</strong><br />
Schülern <strong>de</strong>utlich machen muss, dass gra<strong>de</strong> bei Maria Stuart dies nur als Ergänzung<br />
zur herkömmlichen Textarbeit zu verstehen ist, <strong>de</strong>nn die Suche nach <strong>de</strong>m<br />
Kernbegriff „Schönheit“, in <strong>de</strong>m die bei<strong>de</strong>n Protagonistinnen Maria Stuart <strong>und</strong><br />
bereits Monate vorher Berichte über das sog. "happy slapping", das Aufnehmen von Opfern eigener<br />
gewalttägiger Aktionen <strong>und</strong> die Verbreitung dieser Aufnahmen über Internet/Handy aus<br />
Großbritannien. Dieser "Kult" scheint nun auch nach Deutschland geschwappt zu sein.<br />
1 vgl.: Internetdokument: http://www.sued<strong>de</strong>utsche.<strong>de</strong>/panorama/artikel/671/72599/ (Abruf:<br />
07.04.2006)<br />
2 "Fit machen – nicht verbieten" ist <strong>de</strong>r Slogan <strong>de</strong>r Kampagne; vgl.: Internetdokument:<br />
http://www.medienberatung.nrw.<strong>de</strong>/fachthema/schule/handys+in+<strong>de</strong>r+schule/ (Abruf: 07.04.2006)<br />
3 Ein Teil <strong>de</strong>r Gewaltdarstellungen war offensichtlich von Schülern selber inszeniert o<strong>de</strong>r<br />
aufgenommen wor<strong>de</strong>n.<br />
4 http://gutenberg.spiegel.<strong>de</strong><br />
20
Elisabeth konkurrieren hätte sicherlich<br />
nicht diese Stelle ausfindig gemacht –<br />
eine Einschätzung Maria Stuarts aus<br />
<strong>de</strong>m M<strong>und</strong>e Elisabeths:<br />
„Und doch gewann sie aller<br />
Männer Gunst,<br />
Weil sie sich nur befliss, ein<br />
Weib zu sein<br />
Und um sie buhlt die Jugend<br />
<strong>und</strong> das Alter.“<br />
Hier zeigt sich <strong>de</strong>utlich, dass das<br />
Durchforsten nach schlagwortartig<br />
zusammenfassbaren Wörtern das<br />
interpretieren<strong>de</strong> Lesen nicht ersetzen,<br />
nur ergänzen kann. Wenn man das<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern die<br />
Grenzen dieses Werkzeugs klar macht,<br />
dürfte <strong>de</strong>m Einsatz dieser Funktionen<br />
nichts im Wege stehen.<br />
8.2 Motiv vergleichen<strong>de</strong>s Arbeiten<br />
mit digitalen <strong>Medien</strong><br />
Neben oben genannten Suchfunktionen<br />
innerhalb eines Textes könnte man mit<br />
Screenshot aus <strong>de</strong>m PDF-Programm<br />
dieser Funktion auf digitalen <strong>Medien</strong><br />
wie Literatur-CDroms o<strong>de</strong>r im Internet<br />
z.B. nach motivgleichen Gedichten zum Begriff „Welle“, „Trauer“ o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Farbe<br />
„Violett“ suchen lassen. Insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r Oberstufe kann man hiermit auch<br />
motiv- o<strong>de</strong>r begriffsgeschichtlich arbeiten. Sucht man nur im Bereich einer<br />
Literatur-CDrom, so bekommt man ein literaturwissenschaftlich interessante Liste<br />
von Werken, in <strong>de</strong>nen mit <strong>de</strong>r Farbe „Violett“ gearbeitet wird.<br />
Sucht man in <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rsuche im Internet, kann man eher von einer<br />
„kulturwissenschaftlichen“ Motiv-Suche sprechen, <strong>de</strong>nn hier sind die Grenzen von<br />
Populärwissenschaft <strong>und</strong> „Hochkultur“ fließend.<br />
Im Fach Kunst gibt es neben <strong>de</strong>m berühmten Bild von Hokusai o<strong>de</strong>r Cezanne bei<br />
<strong>de</strong>r Eingabe von „Welle“ o<strong>de</strong>r „wave“ in die Bil<strong>de</strong>rsuche von www.google.<strong>de</strong> auch<br />
Surfer-Bil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r vom Tsunami. Wissen die Schüler um die (z.T. auch<br />
problematischen) Hintergrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Google-Suchmaschine (vgl. weiteres Kapitel),<br />
so können sie <strong>de</strong>n aktuellen, bildikonologischen Assoziationsraum <strong>de</strong>s Motivs<br />
„Welle“ abschätzen <strong>und</strong> untersuchen.<br />
Bei <strong>de</strong>r Eingabe von „Trauer“ kommen Ergebnisse, die typische Symbole (wie die<br />
Kerze, die gefalteten Hän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r die Farbe Schwarz) aufzeigen <strong>und</strong> die man bis in<br />
<strong>de</strong>n Barock hinein verfolgen könnte.<br />
8.3 Mittelalterliche Literatur im Netz<br />
In <strong>de</strong>r Form eines Recherche kann man die Funktionen <strong>de</strong>s Internets gra<strong>de</strong> für die<br />
mittelalterliche Literatur sehr gut benutzen. Aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r restriktiven Handhabung<br />
<strong>de</strong>s Zugangs gra<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n eindrucksvollen <strong>und</strong> wertvollen Originalen durch die<br />
21
meisten Archive eröffnen sich hier ganz neue Perspektiven durch das Internet, da<br />
die Qualität <strong>de</strong>r Scans <strong>de</strong>rart gut ist, dass man einen sehr guten Eindruck vom<br />
Original hat. Zwar fehlt <strong>de</strong>n Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern das notwendige Material zu<br />
einer Übersetzung, doch man kann als Einstieg in eine Reihe mit <strong>de</strong>n Abbildungen<br />
einen sehr authentischen Eindruck <strong>de</strong>r Machart mittelalterlicher Literatur<br />
vermitteln. Hier habe ich ein Einstiegsmodul gewählt, <strong>de</strong>ren Sinn auch darin liegt,<br />
eine Annäherung an das Aussehen von mittelalterlicher Literatur zu leisten.<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r optischen Qualität <strong>de</strong>r Abbildungen sind diese Texte viel besser für<br />
eine Annäherung als eine gedruckte Version, auch wenn sie nicht übersetzbar sein<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
8.4 www.aleato.<strong>de</strong> - Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Betrieb eines Webservers<br />
In meinen Klassen (10 <strong>und</strong> 11) habe ich zu Beginn <strong>de</strong>s Unterrichtsjahres eine kleine<br />
Umfrage gestartet, wer Interesse <strong>und</strong> Zugang zu einem Webserver hat. Da in<br />
meiner Klasse zu Beginn etwas über 90% <strong>de</strong>r Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler einen<br />
Internetzugang (plus Druckmöglichkeit) zur Verfügung hatten, startete ich diesen<br />
Lernserver, auf <strong>de</strong>m fast alle wichtigen Dokumente aus <strong>de</strong>m Fachunterricht<br />
eingestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Viele meiner anfänglichen Hoffnungen/Visionen haben sich schnell zerstoben. Zum<br />
Beispiel haben sich ins Internet gestellte Hausaufgaben zum größeren Teil nicht<br />
bewährt. Schüler <strong>und</strong> Schüler haben (angeblich o<strong>de</strong>r tatsächlich) immer einen<br />
Gr<strong>und</strong>, diese Hausaufgaben nicht zu machen: „Kein Drucker gehabt, Virus auf <strong>de</strong>r<br />
Festplatte....“.<br />
Daher gebe ich keine Hausaufgaben auf, die nur auf <strong>de</strong>m Server stehen – mit einer<br />
Ausnahme: Im Bereich Kunst sind erst durch Einstellen von Bil<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Server<br />
z.B. bestimmte Bildbesprechungen als Hausaufgabe möglich, da im Internet auch<br />
Farbabbildungen zu einem vertretbaren Preis möglich sind. Mit <strong>de</strong>n üblichen<br />
Schwarz-Weiß-Kopien kann man die Farbkontraste nicht außerhalb <strong>de</strong>r Schule<br />
bearbeiten lassen. Hier ist ein Server eine enorme Hilfe.<br />
Nach meinen Erfahrungen fin<strong>de</strong>n die meisten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler die<br />
Internet-Plattform ein probates Mittel zur Ergänzung <strong>de</strong>s Unterrichts. Speziell als<br />
Maßnahme zum eigenständigen Nacharbeiten (z.B. wegen Krankheit o<strong>de</strong>r<br />
Abwesenheit), zur eigenständigen Mehrarbeit/freiwilligen <strong>und</strong> als Wie<strong>de</strong>rholung<br />
vor <strong>de</strong>r Klausur ist <strong>de</strong>r Server beliebt 1 .<br />
Wer etwas mehr wissen will, z.B. über Schillers Rolle als<br />
Geschichtswissenschaftler, bekommt von mir (nach Maßgabe <strong>de</strong>r Zeit) zusätzliches<br />
Material, das auch gezielt für die Oberstufe gesammelt wer<strong>de</strong>n kann. Zwar ist die<br />
Erstellung <strong>de</strong>s Materials aufwendig, aber sie schont das Kopier-Budget. An<strong>de</strong>rs<br />
ausgedrückt: Ohne das Internet könnte ich nie die Breite an Materialien anbieten,<br />
die sozusagen ein „Plus“ darstellen, vor allem für eigenverantwortliches<br />
(zusätzliches) Lernen.<br />
9. Exemplarische Einsatzfel<strong>de</strong>r <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong><br />
als Thema <strong>und</strong> Unterrichtsgegenstand<br />
9.1. Vorweg – zur Organisation <strong>de</strong>r Module<br />
1 Man sieht das auch an <strong>de</strong>r gestiegenen Zahl <strong>de</strong>r Seitenabrufe wenige Tage vor <strong>de</strong>r Klausur.<br />
22
Da ich es für wichtig erachte, dass Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler qualitativ hochwertige<br />
Materialien haben <strong>und</strong> weil ich mit <strong>de</strong>n bis dato entwickelten Mitteln unzufrie<strong>de</strong>n<br />
war, habe ich selber eine Reihe von Materialien erstellt. Diese sind bewusst relativ<br />
unabhängig in Modulform erstellt, weil sie in verschie<strong>de</strong>nen Klassen eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. [Die Module befin<strong>de</strong>n sich in entsprechen<strong>de</strong>r Reihenfolge im Anhang.]<br />
9.2 Das Internet – eine Einführung auch mit Kafka<br />
Eine gewisse Übersicht über die <strong>de</strong>zentralen Netzstrukturen ist unbedingt<br />
erfor<strong>de</strong>rlich. Ich habe dieses Modul als eines von zwei möglichen Einstiegen in<br />
diese Thematik im Fach Deutsch<br />
eingestellt. Um nicht allzu sehr in <strong>de</strong>n<br />
Bereich Informatik abzurutschen, habe ich<br />
die Kafka-Parabel als ein Gegenmo<strong>de</strong>ll<br />
zur „offenen Hierarchie“ integriert.<br />
I<strong>de</strong>ntität <strong>und</strong> Anonymität im Netz<br />
R<strong>und</strong> um die Problematik von I<strong>de</strong>ntität<br />
<strong>und</strong> Anonymität kreist dieses Modul.<br />
Viele Nutzer glauben naiverweise, sie<br />
seien beim Surfen völlig anonym. Das das<br />
nicht so ist, soll dieses Modul zeigen. Die<br />
Schüler reflektieren auch über geplante<br />
"I<strong>de</strong>ntifikationsinstrumente" wie das<br />
Zuordnen von digitalen Bil<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r<br />
Stimmaufzeichnungen zu bestimmten<br />
Menschen, also die Aufhebung von<br />
Anonymität zugunsten einer digitalen<br />
I<strong>de</strong>ntifizierung.<br />
Diesem Modul sollte man noch eine<br />
Diskussion voranschicken, wo die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler Anonymität als<br />
wohltuend o<strong>de</strong>r sogar notwendig<br />
empfin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> wo diese Anonymität als<br />
negativ erlebt wird. Denn auch außerhalb<br />
<strong>de</strong>r <strong>Medien</strong>welt gibt es natürlich dieses<br />
Phänomen – zum Beispiel auch in<br />
literarischen Großstadtschil<strong>de</strong>rungen.<br />
Abgrün<strong>de</strong> im Netz: Pädophilie im<br />
BRAVO-Chat<br />
- <strong>und</strong> ein unerwartetes Schülerergebnis<br />
Zu Beginn plante ich ein Modul, das um<br />
das Thema „Rechtsextremismus-Seiten“<br />
kreisen sollte.<br />
[Originalabdruck aus <strong>de</strong>m Chat]<br />
"ferkel28: hi<br />
sweetyl994w: Hi<br />
ferkel28: na du wie gehts?<br />
sweetyl994w: gut <strong>und</strong> dir?<br />
ferkel28: auch gut danke<br />
ferkel28: wie alt bist du?<br />
sweetyl994w: 12 <strong>und</strong> du?<br />
ferkel28: 34<br />
sweetyl994w: bi ich zu jung?<br />
ferkel28: nö<br />
sweetyl994w: du bist doch 22 jahre älter<br />
ferkel28: ja<br />
sweetyl994w: naja egal<br />
sweetyl994w: hast du ne fre<strong>und</strong>in?<br />
ferkel28: wie sihst du aus?<br />
ferkel28: ne hab ich nicht<br />
sweetyl994w: 1,58,blon<strong>de</strong> lange haare,blaue<br />
augen schlank <strong>und</strong> sportlich<br />
sweetyl994w: <strong>und</strong> du?<br />
ferkel28: süß<br />
ferkel28: 180, lange schwarze haare, grüne<br />
augen, gut gebaut<br />
sweetyl994w: woher kommst du?<br />
ferkel28: Sachsen<br />
ferkel28: bist du solo?<br />
sweetyl994w: ich auch<br />
sweetyl994w: ja bin ich<br />
ferkel28: cool<br />
ferkel28: hattest du schon einen fre<strong>und</strong>?<br />
sweetyl994w: nein war aber schonmal<br />
verliebt?<br />
sweetyl994w: ich komm aus zwickau <strong>und</strong> du?<br />
ferkel28: Leipzig<br />
sweetyl994w: cool<br />
sweetyl994w: das ist ja nicht soooo weit weg<br />
ferkel28: nee<br />
sweetyl994w: gehst du schon arbeiten?<br />
ferkel28: im mom nicht<br />
sweetyl994w: warum nicht?<br />
ferkel28: hab keine arbeit<br />
sweetyl994w: was hast du <strong>de</strong>nn vorher<br />
gearbeitet?<br />
ferkel28: Straßenbau<br />
sweetyl994w: was macht man da genau?<br />
ferkel28: Straßen bauen .. asphalt pflastern....<br />
sweetyl994w: okay...<br />
sweetyl994w: hast du kin<strong>de</strong>r? […]"<br />
23
Aufgr<strong>und</strong> von rechtlichen Problemen 1 musste aber ein Alternativthema her.<br />
Ich stieß auf <strong>de</strong>n Stern Artikel „Pädophile- Kin<strong>de</strong>rfang im Bravo-Chat“ 2 .<br />
In einer Doppelst<strong>und</strong>e erarbeiteten die Schülergruppen verschie<strong>de</strong>ne Themen in<br />
Gruppenarbeit. Die Gruppe von Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern zu diesem Modul hatte<br />
sich (ohne meine direkte Auffor<strong>de</strong>rung) nicht nur mit <strong>de</strong>n Arbeitsmaterialien<br />
auseinan<strong>de</strong>rgesetzt, son<strong>de</strong>rn sich flugs im BRAVO-Chat angemel<strong>de</strong>t.<br />
Das hatte ich aus Zeitgrün<strong>de</strong>n eigentlich ausgeschlossen. Ich ließ dies geschehen,<br />
doch <strong>de</strong>m war meines Erachtens wenig Erfolg beschienen. Denn die BRAVO-<br />
Redaktion wür<strong>de</strong> –so meinte ich – nach <strong>de</strong>m negativen Echo durch <strong>de</strong>n Artikel<br />
Maßnahmen gegen solche Leute getroffen haben...?!<br />
Doch meine Einschätzung war falsch. Nach fünf Minuten war die Anmeldung<br />
perfekt, nach zehn Minuten mit offensichtlich ebenfalls jugendlichen Chat-Partnern<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>n üblichen Themen kam es zu (neben stehen<strong>de</strong>r) Eins-zu-Eins-Unterhaltung,<br />
die hier in Teilen abgedruckt ist.<br />
Dieses Ergebnis war im Anschluss Anlass zu einer <strong>de</strong>r intensivsten Diskussionen<br />
meiner <strong>Medien</strong>-Reihe, weil die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler <strong>und</strong> ich sozusagen einen<br />
selbst "gef<strong>und</strong>enen" Unterrichtsgegenstand kontrovers diskutierten:<br />
Wie war es möglich, bereits Freitag vormittags um zehn Uhr eine solche Chat-<br />
Kommunikation zwischen einem (offensichtlichen) 34-jährigen <strong>und</strong> einem Kind<br />
aufzubauen? War die Kommunikation, die von meinen Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern<br />
aus in <strong>de</strong>r Rolle eines jungen Mädchens gelenkt wur<strong>de</strong>n, ein Spiel? Was ist real,<br />
was ist sozusagen ein "Probehan<strong>de</strong>ln" o<strong>de</strong>r gar "nur Spaß"? Ist <strong>de</strong>r Chatpartner<br />
"ferkel28" ein pädophiler Herumtreiber im BRAVO-Chat ("nomen est omen")?<br />
O<strong>de</strong>r gar ein Redaktionsmitglied, ein Polizist gar, <strong>de</strong>r es vielleicht hier mal an<strong>de</strong>ren<br />
<strong>de</strong>monstriert, was möglich ist o<strong>de</strong>r durch gezielte Fragen von "sweety1994w" in<br />
eine Richtung gedrängt wur<strong>de</strong>?<br />
Passte das Klischee vom sozial gestörten, arbeitslosen Bauarbeiter, <strong>de</strong>r mit kleinen<br />
Mädchen etwas anfängt, nicht viel zu gut, um real zu sein? Kann BRAVO.<strong>de</strong> einen<br />
Missbrauch <strong>de</strong>s Jugend-Chats verhin<strong>de</strong>rn? …<br />
Dieser Chat eines fiktiven 12-jährigen Mädchens mit einem ihr vorher völlig<br />
unbekannten Chatpartner, <strong>de</strong>r sich als 34-jährigen Arbeitsloser aus Sachsen ausgibt,<br />
zeigt für je<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Klasse <strong>de</strong>utlich, auf welchem unsicheren Terrain man sich im<br />
Bereich <strong>de</strong>s Internets bewegt. Auch eine Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> hätte hier wenig<br />
Handhabe – selbst wenn ein<strong>de</strong>utigere Aussagen gefolgt wären. Denn wir befin<strong>de</strong>n<br />
uns im Internet.<br />
Der Rollenwechsel, die Frage nach <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität, <strong>de</strong>r Konstituierung von<br />
Erwartungen <strong>und</strong> Rollen in einer Kommunikation – wie hätte man ein besseres<br />
Beispiel fin<strong>de</strong>n können?<br />
Google – nur eine Suchmaschine?<br />
Obwohl je<strong>de</strong>r Jugendliche auch an<strong>de</strong>re Möglichkeiten hat, reagieren viele Schüler<br />
auf eine Hausaufgabe oft mit <strong>de</strong>m Eingeben eines Schlagwortes bei <strong>de</strong>r<br />
Suchmaschine Google.<br />
Im Kunstunterricht <strong>de</strong>r neunten Klasse staunte ich nicht schlecht, als ein<br />
1 Auf Rechtsextremismus-Seiten zu surfen, ist zwar nicht verboten, aber <strong>de</strong>nnoch in gewisser Weise<br />
problematisch. Auf einer entsprechen<strong>de</strong>n DVD <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>smedienanstalt wur<strong>de</strong> auch davon<br />
abgeraten, die auf <strong>de</strong>r DVD vorgestellten Seiten (außerhalb <strong>de</strong>s Films) zu besuchen.<br />
2 vgl. Internetdokument : http://www.stern.<strong>de</strong>/computer-technik/internet/:P%E4dophile-<br />
Kin<strong>de</strong>rfang.htm (Abruf vom 06.03.2006)<br />
24
eträchtlicher Teil <strong>de</strong>r Schüler (weit über die Hälfte) auf die Hausaufgabe "Bringt<br />
ein Foto eines Flurs mit!" mit aus <strong>de</strong>m Internet herauskopierten Bil<strong>de</strong>rn reagierte.<br />
Noch mehr verw<strong>und</strong>ert, um nicht zu sagen schockiert war ich, als sich herausstellte,<br />
dass ein großer Teil <strong>de</strong>r Schüler das Bild herausgepickt hatte, dass unter Google bei<br />
<strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>rsuche mit <strong>de</strong>m Stichwort "Flur" an erster Stelle stand. Das Internet,<br />
Quelle von Milliar<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn, führte hier also nicht zu einer qualitativen<br />
Verbreiterung, son<strong>de</strong>rn zu einer Uniformierung <strong>de</strong>r Schülerergebnisse.<br />
Dieses Phänomen verwertete ich als sinnfälliges Beispiel für ein Modul zur<br />
<strong><strong>Medien</strong>erziehung</strong> r<strong>und</strong> um die weltweite wichtigste Suchmaschine, <strong>de</strong>ssen<br />
wirtschaftlicher Wert schon <strong>de</strong>n von Autokonzernen übersteigt.<br />
Das mehrteilige Arbeitsset versucht, hinter die Kulissen von Google zu schauen, die<br />
kulturellen Folgen <strong>de</strong>r "Suchmaschinen-Monokultur" zu verfolgen <strong>und</strong> letztlich die<br />
Suchstrategien von Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu hinterfragen. Am En<strong>de</strong> könnte ein<br />
Lernerfolg auch in methodischer Hinsicht stehen – schließlich wer<strong>de</strong>n die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler Suchmaschinen weiter nutzen.<br />
Problematik <strong>de</strong>s Copyrights in <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong><br />
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die meisten Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler schon<br />
Copyright-Bestimmungen verletzt haben. Ob nun aus Unwissenheit o<strong>de</strong>r bewusst –<br />
die Kopierbarkeit (besser: Klonbarkeit) digitaler <strong>Medien</strong> ist grenzenlos. Während<br />
die Musikindustrie, die Filmindustrie <strong>und</strong> alle kommerziellen Produzenten große<br />
Summen in die Abschreckung <strong>und</strong> Verfolgung von Copyrightverletzungen stecken,<br />
hat sich insbeson<strong>de</strong>re unter jungen Internetnutzern eine regelrechte "Tauschkultur"<br />
entwickelt. Ohne <strong>de</strong>n moralischen Zeigefinger zu schwingen, kann dieses Modul in<br />
eine Diskussion mün<strong>de</strong>n, ob nun die Autoren (nicht nur die Kulturindustrie) das<br />
Internet begrüßen o<strong>de</strong>r mei<strong>de</strong>n sollten. Gleichzeitig zeigt <strong>de</strong>r historische Vergleich<br />
mit <strong>de</strong>r Goethe-Zeit erstaunliche Parallelen <strong>und</strong> eröffnet somit eine geschichtliche<br />
Perspektive.<br />
Zensur – auch im Netz ein Problem<br />
Obwohl das Internet wesentlich schwieriger zu kontrollieren ist, als hierarchische<br />
<strong>Medien</strong>-Institutionen wie Sen<strong>de</strong>anstalten o<strong>de</strong>r Verlage, existiert Zensur auch im<br />
Netz. Dabei läuft die digitale Zensur oft nicht unbedingt so einfach wie die Zensur<br />
mit <strong>de</strong>m "Stift", wie sie <strong>de</strong>r im Beispiel genannten Zensor aus Dubai anwen<strong>de</strong>t.<br />
Spammails, Hoaxes <strong>und</strong> Kettenbriefe – sprachlich analysiert<br />
Hier wer<strong>de</strong>n sprachliche Analyseinstrumente eingesetzt, um einen (schlecht)<br />
gemachten Betrugsversuch aufzu<strong>de</strong>cken. Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler können<br />
diverse grammatische Fehler <strong>und</strong> stilistische Fehler im Text ent<strong>de</strong>cken.<br />
Solche Betrugsversuche ("Phishing" genannt) gibt es immer wie<strong>de</strong>r mit<br />
wechseln<strong>de</strong>n Tricks aber oft auch mit solchen Fehlern. Wenn einige Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler früher fertig sind, kann man optional als Zusatzaufgabe sogar<br />
versuchen, aufgr<strong>und</strong> idiomatischer Auffälligkeiten über die Herkunft <strong>de</strong>s Autors<br />
spekulieren zu lassen. Dazu müssten allerdings Fremdsprachenkenntnisse<br />
vorhan<strong>de</strong>n sein.<br />
Ein ähnliches Phänomen sind die Hoaxes o<strong>de</strong>r Kettenbriefe, die hier ebenfalls als<br />
"Sachtext" untersucht wer<strong>de</strong>n. Gra<strong>de</strong> die Emotionalisierungs-Strategien <strong>de</strong>r<br />
Kettenbriefe sind ein dankbares Objekt <strong>und</strong> schulen nebenbei auch Kompetenzen,<br />
25
die in an<strong>de</strong>ren Textarten <strong>und</strong> –gattungen angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n können.<br />
Bildmanipulationen – Symmetrische Selbstportraits<br />
Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Bildanalyse ist <strong>de</strong>r Bereich „Symmetrie-Asymmetrie“<br />
ein wichtiger Untersuchungspunkt. In <strong>de</strong>r Einheit war dies eine Hausaufgabe, die<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sollten ihr eigenes Portrait verän<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> dann mir per<br />
Email zuschicken. Aus <strong>de</strong>n symmetrisierten Portraits wur<strong>de</strong> dann ein Album<br />
gemacht.<br />
Obwohl es in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit eine Zeit lang als gesichert galt, dass symmetrische<br />
Gesichter insgesamt sympathischer wirkten, kann man durch dieses Experiment<br />
schnell belegen, dass allzu viel Symmetrie zu perfekt wirkt <strong>und</strong> daher eher verstört.<br />
10. Fazit<br />
Der Einsatz <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> ist sicherlich eine Bereicherung <strong>de</strong>s Unterrichts, gra<strong>de</strong><br />
wenn er regelmäßig erfolgt <strong>und</strong> die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler auch methodisch gut<br />
vorbereitet sind.<br />
Parallel zum Zusammenbrechen <strong>de</strong>s sogenannten „<strong>Neue</strong>n Marktes“ ist die Euphorie<br />
r<strong>und</strong> um das Thema Internet, Multimedia <strong>und</strong> PC zwar in <strong>de</strong>r Tat verflogen.<br />
Dennoch ist nicht erkennbar, warum <strong>de</strong>r Stellenwert dieser <strong>Medien</strong> sich verkleinert<br />
haben soll. Während bislang vor allem in <strong>de</strong>r Erwachsenen-„Pädagogik“ o<strong>de</strong>r im<br />
Bereich <strong>de</strong>r Fortbildung das „E-Learning“ stark verbreitet hat, während<br />
Schlagworte wie „E-Business“ (wie<strong>de</strong>r) en vogue sind <strong>und</strong> auch je<strong>de</strong> größere<br />
Tageszeitung ihren Abonnenten ein zusätzliches „E-Paper“ anbietet, hat sich in <strong>de</strong>r<br />
Schule zwar die Ausstattungslage in Sachen Soft- <strong>und</strong> Hardware verbessert.<br />
Doch wesentliche didaktische Orientierungen gibt es noch nicht genug. Es bleibt<br />
die Frage, ob sich diese angesichts <strong>de</strong>r ständigen Evolution digitaler <strong>Medien</strong><br />
überhaupt irgendwann einstellen wird.<br />
Mit dieser Arbeit hoffe ich, für mich eine gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Klärung <strong>und</strong> exemplarische<br />
didaktische Leitlinien zumin<strong>de</strong>st für die nächsten Jahre erörtert zu haben, die<br />
natürlich weiter entwickelt wer<strong>de</strong>n müssen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Lebenswirklichkeit, <strong>de</strong>r technischen Möglichkeiten <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Drucks<br />
aus <strong>de</strong>m Arbeitsleben <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Wissenschaft wird nicht nur am Gymnasium <strong>de</strong>r<br />
Einsatz <strong>Neue</strong>r <strong>Medien</strong> keine Frage <strong>de</strong>s „Ob“, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s „Wie“ <strong>und</strong> „Wie viel“<br />
sein.<br />
Gra<strong>de</strong> auf das „Wie“ kommt es eben auch an, um die Vorteile von <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong><br />
mit ihren Nachteilen in bestimmten Unterrichtssituationen genau auszutarieren.<br />
Jugendliche sind im Prinzip technischen Innovationen aufgeschlossen, insofern<br />
wird es wenig Schwierigkeiten o<strong>de</strong>r Hemmschwellen geben. Wo sie <strong>de</strong>nnoch<br />
existieren – auch <strong>und</strong> vor allem bei Mädchen, kann gra<strong>de</strong> ein Einsatz in meinen<br />
Fächern Deutsch <strong>und</strong> Kunst die (eher) für Schüler interessanten Techniken mit <strong>de</strong>n<br />
(möglicherweise eher) für Schülerinnen interessanten Inhalten Sprache <strong>und</strong> Kunst<br />
zusammen bringen. Macht man auch die kommerziell intensiv genutzten<br />
<strong>Medien</strong>formen (wie PC-Spiele) zum Thema, kann man die von <strong>de</strong>r Verfassung<br />
gefor<strong>de</strong>rte „Mündigkeit“ erreichen, das oft (von <strong>de</strong>r Industrie geför<strong>de</strong>rte)<br />
Konsumverhalten pädagogisch begleiteten <strong>und</strong> die <strong>Medien</strong> in gewisser Weise auch<br />
„entzaubern“.<br />
Für Spekulationen bieten die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> genügend Raum:<br />
26
Wird das Buch zu einer Ran<strong>de</strong>rscheinung? Wird das traditionelle Fernsehen nicht<br />
mehr über Antenne, son<strong>de</strong>rn als „PC-TV“ die Zukunft bestimmen?<br />
Lei<strong>de</strong>r ist die wissenschaftliche Ausleuchtung hinsichtlich <strong>de</strong>s Nutzungsverhaltens<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Tragfähigkeiten verschie<strong>de</strong>ner Strategien <strong>de</strong>s Einsatzes in <strong>de</strong>r Schule kaum<br />
ausreichend, um daraus konkrete Anhaltspunkte für die Strukturierung eigenen<br />
Unterrichts mit <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> abzuleiten.<br />
Vielleicht ist das Beispiel <strong>de</strong>r Tageszeitungen ein Mo<strong>de</strong>ll, wie die Zukunft aussehen<br />
wird: Digitale Distributionen wer<strong>de</strong>n analoge (konventionelle) <strong>Medien</strong> ergänzen.<br />
Auch in <strong>de</strong>r Schule wer<strong>de</strong>n digitale <strong>Medien</strong> die konventionellen ergänzen, in Teilen<br />
auch ersetzen, aber sicherlich nicht komplett ablösen.<br />
Spannend ist auch die Frage, welches Fach im Laufe <strong>de</strong>r nächsten Jahre das Thema<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> besetzen wird o<strong>de</strong>r ob es bei <strong>de</strong>r bisherigen Aufgabenteilung bleiben<br />
wird. In <strong>de</strong>m "Kampf <strong>de</strong>r Fächer" um St<strong>und</strong>enzahl, finanzielle <strong>und</strong> personelle<br />
Ressourcen o<strong>de</strong>r auch die Frage, welche Fächer nun zu "Kernbereichen" (<strong>und</strong> daher<br />
z.B. zu <strong>de</strong>n Abiturfächern) gehören, wird nahezu von allen Fächern ein Anspruch<br />
auf die didaktische Bearbeitung <strong>de</strong>s Fel<strong>de</strong>s <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> gemacht.<br />
Die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung wird – so meine Prognose - sicher meine gesamte<br />
Laufbahn als Lehrer begleiten, zumal ich mit <strong>de</strong>n Fächern Deutsch<br />
(Sprachkompetenz) <strong>und</strong> Kunst (Bildkompetenz) zweifach betroffen bin.<br />
Insgesamt halte ich die <strong>Neue</strong>n <strong>Medien</strong> für eine große Bereicherung, wenn man<br />
ihren Einsatz richtig vorbereitet <strong>und</strong> neben <strong>de</strong>r (naheliegen<strong>de</strong>n) technischmethodischen<br />
Kompetenz, auch die medienkritische <strong>und</strong> moralische Kompetenz im<br />
<strong>de</strong>r Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler Umgang mit neuen <strong>Medien</strong>formen stärkt.<br />
11. Quellenangabe/ Literaturhinweise<br />
In <strong>de</strong>r Reihenfolge <strong>de</strong>s erstmaligen Auftretens wur<strong>de</strong>n benutzt:<br />
• “Meyers Großes Konversationslexikon“. Leipzig, 1903<br />
• “Der Große Her<strong>de</strong>r“. Freiburg 1953<br />
• “Wahrig. Die <strong>de</strong>utsche Rechtschreibung“. Gütersloh 2005<br />
• U. Wagner u.a. (Hrsg.): Zwischen Vereinnahmung <strong>und</strong> Eigensinn-<br />
Konvergenz im <strong>Medien</strong>alltag Heranwachsen<strong>de</strong>r. München 2004<br />
• http://www.heute.<strong>de</strong>/ZDFheute/drucken/1,3733,3725518,00.html (Abruf:<br />
25.03.2006)<br />
• http://www.kmk.org/doc/publ/bildungsbericht/bildungsbericht_1610b.pdf<br />
(Abruf: 25.03.2006)<br />
• Artikel „M.A.U.S., p@ss, Digitalkamera <strong>und</strong> Tralala“ aus <strong>de</strong>r Süd<strong>de</strong>utschen<br />
Zeitung vom 14. Juni 2004<br />
• J. Bofinger (Hrsg.): <strong>Neue</strong> <strong>Medien</strong> im Fachunterricht. Donauwörth 2004<br />
• Deutschmagazin. (Schwerpunkt: PC <strong>und</strong> Internet im Deutschunterricht). 3.<br />
Jahrgang, Januar/Februar 2006<br />
• http://www.oecd.org/document/17/0,2340,en_2649_37455_35992849_1_1_<br />
1_37455,00.html (Abruf: 24.01.2006<br />
• http://www.minedu.fi/minedu/education/inform_strategy_implementation_p<br />
lan.pdf (Abruf: 07.04.2006)<br />
27
• http://www.lehrer-online.<strong>de</strong>/dyn/227485.htm (Abruf: 23.4.2006)<br />
• http://gutenberg.spiegel.<strong>de</strong> (Abruf: 21.4.2006)<br />
• http://www.cesg.unifr.ch/virt_bib/handschriften.htm (Abruf: 23.4.2006)<br />
• Artikel "Hase <strong>und</strong> Google. So gute I<strong>de</strong>en hat keiner: Wie eine<br />
Suchmaschine das neue Internet regiert." Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung vom 17.<br />
Januar 2006<br />
• Gunther Kress: Literacy in the new media age. London (u.a.) 2004<br />
• M. Kämper-van <strong>de</strong>m Boogart (Hrsg.): Deutschdidaktik. Leitfa<strong>de</strong>n für die<br />
Sek<strong>und</strong>arstufe I <strong>und</strong> II.<br />
• C. Maar/ H. Burda (Hrsg.): Iconic Turn. Die neue Macht <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r.<br />
DuMont-Vlg., Köln 2004<br />
• Lehrplan Deutsch Sek II (Gymnasien/Gesamtschulen), 1999<br />
• http://www.sued<strong>de</strong>utsche.<strong>de</strong>/panorama/artikel/671/72599/ (Abruf:<br />
07.04.2006)<br />
• http://www.medienberatung.nrw.<strong>de</strong>/fachthema/schule/handys+in+<strong>de</strong>r+schul<br />
e/ (Abruf: 07.04.2006)<br />
• http://www.stern.<strong>de</strong>/computer-technik/internet/:P%E4dophile-<br />
Kin<strong>de</strong>rfang.htm (Abruf vom 06.03.2006)<br />
• Grafiken:<br />
• Grafik 1 <strong>und</strong> 2 aus: U. Wagner u.a. (Hrsg.): Zwischen Vereinnahmung <strong>und</strong><br />
Eigensinn- Konvergenz im <strong>Medien</strong>alltag Heranwachsen<strong>de</strong>r. München 2004<br />
• Screenshot selber hergestellt aus <strong>de</strong>m Programm „Acrobat Rea<strong>de</strong>r“<br />
Erklärungen:<br />
„Ich versichere, dass ich die Arbeit eigenständig verfasst, keine<br />
an<strong>de</strong>ren Quellen <strong>und</strong> Hilfsmittel als die angegebenen benutzt <strong>und</strong> die<br />
Stellen <strong>de</strong>r Arbeit, die an<strong>de</strong>ren Werken <strong>de</strong>m Wortlaut o<strong>de</strong>r Sinn nach<br />
entnommen sind, in je<strong>de</strong>m einzelnen Fall unter Angabe <strong>de</strong>r Quelle als<br />
Entlehnung kenntlich gemacht habe. Das Gleiche gilt auch für beigegebene<br />
Zeichnungen, Kartenskizzen <strong>und</strong> Darstellungen.“<br />
„Ich bin damit einverstan<strong>de</strong>n, dass diese Hausarbeit nach Abschluss<br />
meiner Zweiten Staatsprüfung wissenschaftlich <strong>und</strong> pädagogisch<br />
interessierten Personen o<strong>de</strong>r Institutionen zur Einsichtnahme zur Verfügung<br />
gestellt wird <strong>und</strong> dass zu diesem Zweck Ablichtungen dieser Hausarbeit<br />
hergestellt wer<strong>de</strong>n, sofern diese keine Korrektur- o<strong>de</strong>r<br />
Bewertungsvermerke enthalten.“<br />
____________________________<br />
Ort, Datum, Unterschrift<br />
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12. Anhang I: Internetquellen als Ausdruck<br />
In <strong>de</strong>r ONLINE-Version nicht vorhan<strong>de</strong>n!<br />
29