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NFV_12_2009 - Rot Weiss Damme

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Titel<br />

8<br />

Die Liebe seines Lebens: Robert Enke mit seiner Frau Teresa, die er bereits als Schüler kennenlernte.<br />

„Er ist ein offener Mensch mit vielen<br />

Fragen. Er ist intellektuell gut bestückt, hat<br />

eine soziale Ader – kurzum ein Sohn, wie<br />

man ihn sich wünscht“, sagte sein Vater<br />

Dirk 1993 über ihn. Zum Zeitpunkt der Aussage<br />

war sein Filius 16 Jahre jung, besuchte<br />

das Sportgymnasium in seiner Heimatstadt<br />

Jena und galt in einem Land, wo traditionell<br />

ein Überangebot an guten Torhütern<br />

herrscht, als eines der größten Talente.<br />

Spätere Weggefährten, aufgrund seines<br />

inzwischen eingeschlagenen Berufes<br />

als Fußball-Profi zählen zunehmend Journalisten<br />

dazu, beschreiben ihn als einen<br />

„nachdenklichen, leisen, angenehmen<br />

Menschen“ (Peter Ahrens, SPIEGEL<br />

ONLINE), der „freundlich, sympathisch und<br />

respektvoll im Umgang mit anderen war“<br />

(Michael Richter, kicker-sportmagazin). Roland<br />

Zorn, Fußball-Chef der Frankfurter Allgemeinen<br />

Zeitung, erlebte Enke als „klugen,<br />

oft sehr ernsten Fußballprofi, der in<br />

seinen Aussagen bescheiden und bodenständig<br />

und dazu jederzeit selbstkritisch<br />

blieb“. Weiter schreibt Zorn: „Er hat den<br />

Menschen, die mit ihm zu tun hatten, so<br />

viel Freude gemacht.“<br />

Ich selbst habe Robert Enke gefühlte<br />

10 bis 15 Mal live in einem Stadion spielen<br />

sehen, ihn mehrmals bei Terminen meines<br />

Arbeitgebers, dem Niedersächsischen Fußballverband,<br />

getroffen und ein einziges Mal<br />

auch persönlich gesprochen. Das war im<br />

Mai 2007, als der Schlussmann von Hannover<br />

96 in Barsinghausen als „Niedersachsens<br />

Fußballer des Jahres“ geehrt wurde.<br />

Unser Thema war Ronald Reng, ein deutscher<br />

Sportjournalist aus Frankfurt am<br />

Main, der seit 2001 in Barcelona lebt und<br />

unter anderem das Buch „Der Traumhüter“<br />

geschrieben hat, das die wahre Geschichte<br />

des Torwarts Lars Leese erzählt.<br />

Über Enke, der über die Jahre ein enger<br />

Freund von ihm geworden ist, hat Reng<br />

(noch) kein Buch geschrieben. Dafür aber<br />

athmosphärisch dichte Artikel, die sich<br />

wunderbar lesen und anhand derer sich die<br />

Karriere Enkes nachempfinden lässt. Reng<br />

Dezember <strong>2009</strong><br />

ist selbst (Freizeit-)Torhüter und kann deshalb<br />

beurteilen, was seinen Freund Robert<br />

von ihm und (fast) allen anderen Männern<br />

auf dieser speziellen Position des Fußballs<br />

unterscheidet. In einem viel beachteten<br />

Blog schreibt er 2008 hierzu:<br />

„Ich saß im Stadion Helidoro Rodríguez<br />

des spanischen Zweitligisten CD Teneriffa<br />

und wartete auf Robert Enke ... Das<br />

Training begann ... Für die deutsche Fußballszene<br />

hatte Enke damals aufgehört zu<br />

existieren, er war ein Zweitliga-Torwart auf<br />

einer Ferieninsel vor Afrika. Ich sah, wie er<br />

beim Schusstraining einen Ball nach dem<br />

anderen atemberaubend gut hielt, ich sah<br />

die Reflexe, die Explosivität, die lehrbuchreife<br />

Fangtechnik. Ich wusste nicht, was er<br />

aus seinem Talent machen würde, aber ich<br />

wusste, dass ich solch ein Torwarttalent allenfalls<br />

einmal gesehen hatte (das erste<br />

Mal, als ich Iker Casillas im Training beobachtete)<br />

...“<br />

Zum Zeitpunkt des Besuches von Reng<br />

im Jahr 2004 befindet sich die Karriere des<br />

Thüringers, von außen betrachtet, am Tiefpunkt.<br />

Eine Karriere, die ihre besten Phasen<br />

am Anfang und gegen Ende hat. Als Jugendlicher<br />

steht Enke im Kader aller DFB-<br />

Juniorenmannschaften von der U 15 bis zur<br />

U 18. In der Saison 1995/96 ist er der<br />

jüngste deutsche Torhüter im Profifußball<br />

und feiert am 11. November 1995 im Dress<br />

des FC Carl-Zeiss Jena sein Debüt in der<br />

2. Liga – das Spiel findet in Hannover statt,<br />

es endet 1:1. Zwei weitere Einsätze folgen,<br />

ehe er im Sommer, Deutschland wird in<br />

England Europameister, zu Borussia Mönchengladbach<br />

wechselt.<br />

Am Bökelberg muss er sein erstes<br />

sportliches Tief überstehen, drückt zwei<br />

Jahre die Bank. Eine schwere Verletzung<br />

des Stammtorwarts Uwe Kamps wendet zu<br />

Beginn der Saison 1998/99 aber das Blatt.<br />

Gegen Schalke 04 (3:0) bestreitet Robert<br />

Enke am 15. August 1998 seine erste<br />

Bundesligapartie. Anschließend spielt der<br />

Thüringer die komplette Serie, gehört mit<br />

Sebastian Deisler zu den wenigen Lichtbli-<br />

cken einer überforderten Mannschaft, die<br />

die Serie als Tabellenletzter abschließt. 79<br />

Mal muss Enke hinter sich greifen, einmal<br />

gegen Leverkusen kassiert er zu Hause gar<br />

acht „Stück“, doch seine Klasse ist über jede<br />

Statistik erhaben.<br />

Vom deutschen Erstligaabsteiger zieht<br />

es ihn zum portugiesischen Rekordmeister<br />

Benfica Lissabon. Die Gladbacher Ikone<br />

Jupp Heynckes, der zum gleichen Zeitpunkt<br />

dort als Trainer anfängt, hat ihn gelockt.<br />

Der junge Deutsche lernt schnell die Landessprache,<br />

avanciert mit starken Leistungen<br />

zum Publikumsliebling und wird mit<br />

24 Jahren als erster Ausländer Kapitän des<br />

zweifachen Europapokalsiegers der Landesmeister.<br />

Während sein Status im Ausland<br />

wächst, Klubs aus England, Spanien und<br />

Italien werben um Enke, verweigert ihm der<br />

deutsche Fußball die Anerkennung. In seinem<br />

Heimatland herrscht, wie Peter Ahrens<br />

auf SPIEGEL ONLINE schreibt, „in diesen<br />

Jahren die kultische Oliver-Kahn-Verehrung“.<br />

Bei der Weltmeisterschaft im Juni<br />

2002 steigt der Keeper des FC Bayern München<br />

gar zum Titan auf. Gut einen Monat<br />

später, am 25. Juli, präsentiert der FC Barcelona<br />

der Öffentlichkeit einen Neuzugang:<br />

Robert Enke. Er trägt ein rotes Hemd, neben<br />

ihm steht Louis van Gaal, beide halten<br />

ein gelbes Torwarttrikot in die Kameras. Enke,<br />

dessen Gesichtszüge in späteren Jahren<br />

oftmals verhärmt wirken, lächelt. Es scheint<br />

so, als ob er angekommen ist. Auf der Bühne<br />

des Spitzenfußballs, bei sich selbst.<br />

22 Jahre nach Bernd Schuster ist er der<br />

zweite Deutsche, der für einen der größten<br />

Fußballvereine der Welt spielen darf. Doch<br />

im Gegensatz zu Schuster wird Enke in Katalonien<br />

nicht glücklich. Nur in vier Spielen<br />

hütet er für „Barca“ das Tor. Einmal in der<br />

Liga, einmal im Pokal, immerhin zwei Mal<br />

in der Champions League.<br />

Einen der Gründe für sein Scheitern<br />

sieht er gut anderthalb Jahre später wieder.<br />

Mit Ronald Reng sitzt er in einer Hotelbar<br />

auf Teneriffa. Auf den Bildschimen läuft ein<br />

Uefa-Cup-Spiel des FC Barcelona. Im Tor<br />

steht Victor Valdés, gebürtiger Katalane<br />

und im Klub groß geworden. 2002 rückte<br />

er zeitgleich mit Enkes Verpflichtung in den<br />

Kader der ersten Mannschaft, war aber hinter<br />

dem Deutschen und dem Argentinier<br />

Roberto Bonano nur als Nummer drei vorgesehen.<br />

Als Valdés jetzt im Fernsehen vor<br />

den Augen seines einstigen Rivalen einen<br />

Schuss spektakulär über die Latte lenkt,<br />

sagt Enke: „Der Victor kennt keine Selbstzweifel.“<br />

Und Ronald Reng empfindet: „Es<br />

klingt bewundernd, es klingt irritiert.“<br />

Es sind Momente wie diese, die den<br />

hochsensiblen Thüringer nachdenklich<br />

stimmen. Hierzu schreibt Reng in seinem<br />

preisgekrönten Artikel „Enkes Reflexe“:<br />

„Oft fragt er sich, wie es wäre, wenn er<br />

mit Scheuklappen durchs Leben liefe, absolut<br />

überzeugt von sich und seiner Arbeit.<br />

Manchmal glaubt er, er wäre dann<br />

ein besserer Torwart.“ Doch Enke ist nicht<br />

Valdés, der bis heute im Barca-Tor steht<br />

und <strong>2009</strong> zum zweiten Mal mit Barcelona<br />

die Champions League gewinnt. Zwei<br />

Tage nach seinem Freitod gibt sein Vater,<br />

ein promovierter Psychotherapeut, dem<br />

Hamburger Nachrichtenmagazin DER<br />

SPIEGEL ein Gespräch. Dirk Enke erzählt<br />

von den Zweifeln und Ängsten, die seinen<br />

Jungen bereits früh plagten, obwohl er ➤

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