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Historische Fahrräder (4)<br />
Draufgänger auf zwei Rädern<br />
Velozipedisten in <strong>Hamburg</strong> und Umgebung gründeten<br />
1869 einen der ersten Radsportvereine Deutschlands:<br />
den ab 1881 so genannten Altonaer Bicycle Club.<br />
Am 17. April 1869 gründeten in Altona/Elbe<br />
einige radsportbegeisterte<br />
Männer den »Eimsbüttler Velozipeden-<br />
Reit-Club«. »Veloziped« ist eine Wortschöpfung<br />
aus dem lateinischen velox<br />
für schnell und pes für Fuß, also »Schnellfüße«.<br />
Dass man sich dennoch als »Reit-<br />
Club« verstand, spiegelt sich in dem Begriff<br />
der »stählernen Rosse« wider, auf<br />
denen die Vereinsmitglieder damals<br />
in <strong>Hamburg</strong> und seinen umliegenden<br />
Landgemeinden »ritten«.<br />
Die Michauline Die Entwicklung von<br />
der zweirädrigen Laufmaschine, wie sie<br />
Karl Drais erstmals 1817 fuhr, bis hin zum<br />
Veloziped war aber keineswegs selbstverständlich<br />
gewesen. Anders als bei<br />
den Draisinen mussten nun die Füße den<br />
sicheren Boden verlassen und das Rad<br />
mittels Kurbeln und Pedalen vorwärts<br />
treten. Auf die Idee, den Vorderrädern<br />
der hölzernen Laufräder eine Tretkurbel<br />
zu verpassen, war der französische Wagenbauer<br />
Pierre Michaux gekommen.<br />
1867 stellte er seine »Michauline« auf<br />
der Pariser Weltausstellung vor. Rasch<br />
trat die neue Antriebsidee von Paris aus<br />
ihren Siegeszug im übrigen Europa an.<br />
Es war dabei nicht nur die Balance,<br />
RadCity 1|13<br />
unverkennbares Markenzeichen: Ein Steuerkopfschild<br />
der Gebrüder Schlüter am Veloziped<br />
im Industriemuseum Elmshorn<br />
die Schwierigkeiten bereitete. Schon<br />
der Aufstieg aufs »Velo« gestaltete sich<br />
akrobatisch. Um vorwärts zu kommen<br />
mussten die Wagemutigen neben dem<br />
Hochrad herlaufen und sich anschließend<br />
aufschwingen und schnell die<br />
Pedale am Vorderrad erreichen, da sie<br />
sonst umkippten.<br />
Vorläufer der Cyclassics Zu den<br />
Gründungsmitgliedern des Velozipeden-Clubs<br />
gehörten auch die Gebrüder<br />
Schlüter aus Pinnenberg. Von ihren Velozipeden<br />
ist heute noch ein Exemplar<br />
von 1870 im Elmshorner Industriemuseum<br />
zu sehen. Die Vermarktung von Velozipeden<br />
hatte bereits 1869 auf einer<br />
Industrieausstellung in Altona begonnen.<br />
Dort wurde das Veloziped und seine<br />
Varianten dem Publikum präsentiert.<br />
Fahrräder aus der Zeit um 1870 blieben meist<br />
wohlhabenden und sportverliebten Bürgern<br />
vorbehalten. Ein Tretkurbelrad kostete damals<br />
um die 600 Mark, für Arbeiter unerschwinglich.<br />
Größenvergleich: Niederräder, Hochrad und<br />
Veloziped (v. l.)<br />
Die Firma Tewes & Co. aus Harburg etwa<br />
war mit dem Ansatz, ein »Dreiräderiges<br />
Vélocipède in ein zweiräderiges zu verwandeln«<br />
sowie mit »Eis-Vélocipède<br />
und anderen« vertreten, wie der Ausstellungskatalog<br />
von 1869 vermerkte.<br />
Diese 25 kg schweren Velozipede waren<br />
mühsam zu fahren. Dennoch veranstalteten<br />
anlässlich der Altonaer Ausstellung<br />
»Velofans« ein Rennen am 10.<br />
September 1869. Es war das erste Radrennen<br />
in deutschen Ländern und sozusagen<br />
der Urvater der Cyclassics. Kurz<br />
darauf brachte der deutsch-französische<br />
Krieg den Radsport in den beiden Ländern<br />
weitgehend zum Erliegen.<br />
1881, als sich der Velozipeden-Club in<br />
Altonaer Bicycle Club umbenannte, wa-<br />
Stahlhart und schwer draufzukommen: Der<br />
Sattel des Velozipeds wirkt aus heutiger Sicht<br />
gewöhnungsbedürftig.<br />
ren Hochräder längst in Gebrauch, da sie<br />
durch das große Vorderrad höhere Geschwindigkeiten<br />
erreichten. Tollkühnheit<br />
war auch jetzt gefragt, denn Hochräder<br />
waren dafür berüchtigt vornüber<br />
zu kippen. Erst das Niederrad zu Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts machte ein sicheres<br />
Radfahren möglich.<br />
Katja Nicklaus<br />
Pryor Dodge, Faszination Fahrrad. Geschichte,<br />
Technik, Entwicklung, Kiel 2011.<br />
www.industriemuseum-elmshorn.de<br />
Fotos: Katja Nicklaus