Vereinsheft Nr 107 - SFMM
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<strong>SFMM</strong>-Information No. <strong>107</strong> Gyenesdias, im April 2010<br />
Liebe Mitglieder<br />
Um es vorweg zu nehmen: Dies ist mein<br />
letztes Vorwort als Präsident des <strong>SFMM</strong>.<br />
Wie ja alle Vereinsmitglieder im Versand<br />
vom März gelesen haben, trete ich als<br />
Präsident und Vortstandsmitglied per<br />
GV 2010 zurück. Hauptgrund ist sicher<br />
unsere Wohnsitzverlegung nach Ungarn,<br />
dann aber auch die Aufgaben, welche wir<br />
im Zusammenhang mit unserem kleinen<br />
Museumsbetrieb in Keszthely übernommen<br />
haben. Ich möchte das Präsidentenamt nicht<br />
einfach so «nebenbei» weiterführen und<br />
will die Verantwortung, welche ein solches<br />
Amt erfordert, gerne einem kompetenten<br />
Nachfolger überlassen.<br />
Das Vorwort für das <strong>Vereinsheft</strong> zu<br />
schreiben, war nicht immer so einfach.<br />
Besonders nach so einem langen und<br />
langweiligen Winter wie der Vergangene es<br />
war, fehlen die Anregungen. Immerhin sind<br />
für dieses Heft einige lesenswerte Beiträge<br />
von verschiedenen Autoren eingetroffen.<br />
Besonders hinweisen möchte ich auf die<br />
Buchbesprechung von André Ginesta,<br />
den Artikel orgelARTmuseum von Anita<br />
und René Weiss und die schönen Gemälde<br />
von Drehorgelspielern, zum grossen Teil<br />
aus Russland. In letzter Minute ist Irina<br />
auf einen interessanten russischen Artikel<br />
gestossen, welcher über die damaligen<br />
1<br />
Drehorgelspieler und Drehorgelbauer<br />
Auskunft gibt. Besonders sehenswert sind<br />
die dazugehörigen Bilder, meist Ölgemälde<br />
von zum Teil berühmten russischen<br />
Meistern. Weiter ist Irina auf einen sehr<br />
interessanten Film in russischer Sprache<br />
gestossen. Er beinhaltet ein Interview mit<br />
dem georgischen Drehorgelbauer Vano<br />
Kitesow aus Tiflis. Darin zu sehen ist<br />
auch der vor kurzem verstorbene Akop<br />
Kitesow, welcher damals von seinem Vater<br />
die Nachfolge von Johan Netschada,<br />
Orgelbauer in Odessa, übernommen hatte.<br />
Der körperlich behinderte Vano baut nach<br />
wie vor erstklassige Walzenorgeln auf<br />
Bestellung und mit ausgesuchten Hölzern<br />
aus den Lagerbeständen seines Vaters und<br />
Grossvaters. Irina versucht nun Näheres in<br />
Erfahrung zu bringen, so dass wir hoffentlich<br />
nächstes Mal über einen Drehorgelbauer<br />
aus einem für uns Westeuropäer so gut wie<br />
unbekannten Gebiet berichten können.<br />
Auch wenn ich nicht mehr im Vorstand<br />
des <strong>SFMM</strong> tätig bin, werde ich zusammen<br />
mit Irina darum bemüht sein, stets ein<br />
interessantes <strong>Vereinsheft</strong> gestalten zu<br />
können, nicht zuletzt natürlich unter Mithilfe<br />
aller Vereinsmitglieder.<br />
Ich wünsche allen Vereinsmitgliedern einen<br />
warmen und abwechslungsreichen Frühling.<br />
Hansjörg Surber
Sammlerbörse Schafisheim<br />
Mit dem Vorabend begann am 21. November die<br />
Sammlerbörse 2009. Ab 19 Uhr trafen sich die<br />
Helfer der Kaktus-Chilbi, die Aussteller und alle<br />
Vereinsmitglieder die Zeit und Lust hatten in der<br />
Kakteen Gärtnerei von Therese und Max Gautschi<br />
in Schafisheim. Die Gästeschar wurde mit<br />
Getränken, Grilladen, einem reichhaltigen Salatbuffet<br />
und schönen Klängen von mechanischen<br />
Musikinstrumenten verwöhnt. Es war ein mit<br />
angeregten Gesprächen, schöner Musik und von<br />
viel lachen begleiteter, gemütlicher Abend. Den<br />
krönenden Abschluss bildete das Dessertbuffet<br />
mit den vielen verschiedenen leckeren Köstlichkeiten.<br />
Die Auswahl war so vielfältig, dass man<br />
wahrlich die Qual der Wahl hatte. Ein herzliches<br />
Dankeschön an die Gastgeber für Speis und Trank<br />
und den sehr schönen, gemütlichen Abend.<br />
Am Sonntagmorgen 22. November um 9 Uhr<br />
öffnete dann die 4. Sammlerbörse ihre Tore. Die<br />
in harmonischen Farben, wunderschönen, weih-<br />
Impressum<br />
Schweizerischer Verein der Freunde mechanischer Musik, <strong>SFMM</strong><br />
Postadresse: Hansjörg Surber Redaktion: Irina Selivanova Surber<br />
Hunyadi köz 28 Druck: Huber Druckerei, Boswil<br />
HU-8315 Gyenesdiàs<br />
Ungarn<br />
E-Mail: info@sfmm.ch Adressverwaltung: Markus Bürgler<br />
Internet: www.sfmm.ch Redaktionsschluss: 15.3.; 15.7.; 15.11.<br />
Bankverbindung: Postcheckkonto: 85-667192-3<br />
IBAN:CH28 0900 0000 8566 7192 3<br />
BIC: POFICHBEXXX<br />
Jährliche Mitgliederbeiträge:<br />
Einzelmitglieder CHF 60.–<br />
Vorstand: E-Mail: info@sfmm.ch Doppelmitglieder CHF 80.–<br />
Präsident: Hansjörg Surber Aufnahmebeitrag CHF 50.–/60.–<br />
Vizepräsident: André Ginesta<br />
Aktuar: Hans Kunz Inserate:<br />
Kassiererin: Barbara Bürgler Privatinserate<br />
Internet: Markus Bürgler für Mitglieder: gratis<br />
1. Beisitzer: Max Gautschi Geschäftsinserate: 1 Seite CHF 180.–<br />
2. Beisitzer: René Weiss 1 /2 Seite CHF 100.–<br />
Revisoren: Liselotte Frei, Max Heller 1 /4 Seite CHF 60.–<br />
1 Beilage CHF 180.–<br />
2<br />
nachtlich dekorierten Räumlichkeiten luden die<br />
Besucher zum schauen, bewundern, staunen und<br />
verweilen ein. Die 10 Aussteller präsentierten ein<br />
breites Spektrum mechanischer Musik. Da wurde<br />
vom kleinsten Musikdöschen, über grosse, sehr<br />
schöne und wohlklingende Walzenspieldosen,<br />
diverse Plattenspieldosen, Grammophone, Drehorgeln,<br />
Notenrollen, die verschiedensten Platten<br />
für mechanische Musikinstrumente, Kataloge,<br />
Bücher und Schallplatten, bis hin zur neuesten<br />
«Läckerli-Huus»-Kreation alles angeboten.
Das schon legendäre «Kaktus-Beizli» in dem zu<br />
günstigen Preisen viele Leckereien angeboten<br />
wurden, trug sicherlich auch dazu bei, dass sich<br />
die Besucher wohl fühlten und länger verweilten.<br />
Auch die Aussteller liessen sich dort zwischendurch<br />
gerne zur Stärkung, zum Fachsimpeln und<br />
Diskutieren nieder. Es war wieder eine sehr gelungene<br />
Börse, welche hoffentlich auch in Zukunft<br />
Das selbstspielende Klavier von den Anfängen<br />
bis zur Gegenwart) Jürgen Hocker 2009<br />
Jürgen Hocker, langjähriger Präsident der Gesellschaft<br />
für selbstspielende Musikinstrumente e.V.<br />
(GSM) ist weit herum bekannt für seinen Einsatz<br />
für die selbstspielenden Klaviere, mit regelmässigen<br />
Konzerten in Deutschland und den Nachbarländern.<br />
Nun liegt sein Buch vor, welches die Entwicklungsgeschichte<br />
der mechanischen Musik sehr<br />
spannend und gut lesbar aufzeigt. So geht er auf<br />
Instrumente des Altertums und Mittelalters ein<br />
und auf Flötenuhren, Androiden, Musikmaschinen<br />
des 19. Jh. wie auch die Erfindung und Entwicklung<br />
der Spieldosen.<br />
Der erste Teil ist aber natürlich hauptsächlich<br />
der Entwicklung des selbstspielenden Klaviers<br />
gewidmet. Spannend, wie Herr Hocker die gleichzeitige<br />
Entwicklung und Vermarktung des<br />
deutschen Phonola und des amerikanischen Pianola<br />
beschreibt und vergleicht! Ich finde es besonders<br />
angenehm und positiv, dass er generell<br />
3<br />
stattfinden wird. Denn es ist nicht selbstverständlich,<br />
dass jemand Jahr für Jahr die viele Arbeit<br />
und den enormen Aufwand auf sich nimmt, um<br />
im Namen des <strong>SFMM</strong> eine solche Veranstaltung<br />
durchzuführen. Dafür im Namen aller Vereinsmitglieder<br />
vielen Dank an Therese und Max.<br />
Dezember 2009 / Anita Weiss<br />
Buchbesprechung – Faszination Player Piano<br />
seine Erklärungen nicht persönlich färbt, sondern<br />
sehr neutral die Eigenschaften und Eigenheiten<br />
der einzelnen Instrumente und Systeme darlegt.<br />
Für mich ist dies ein grosser Pluspunkt dieses Buches.<br />
Auch begeistern mich die qualitativ sehr hochstehende<br />
Bebilderung und die Tatsache, dass es<br />
der Autor vermeidet, sich in technischen Details<br />
zu verlieren. Daher ist das Buch gut lesbar und<br />
spannend für alle Menschen, die Freude an der<br />
mechanischen Musik haben.<br />
Etwas komplexer ist naturgemäss der 2. Teil, der<br />
sich mit der Entwicklung des Reproduktionsklaviers<br />
beschäftigt. Auch wenn dieses heute von der<br />
«digitalen» Welt nicht oder vielleicht noch nicht<br />
zur Kenntnis genommen wird, bedeutete die Erfindung<br />
des Reproduktionsklaviers einen gewaltigen<br />
Schritt in der Musikgeschichte, und zwar in<br />
zweifacher Hinsicht:<br />
Das erste Mal seit tausenden Jahren Musik war<br />
es möglich, das individuelle Spiel eines Musi-<br />
kers festzuhalten. Musik war und ist eine wunderbare<br />
Kunst, die sich aber immer mit dem letzten<br />
gespielten Ton verflüchtigt. Musiker und deren
Interpretationen konnten kaum miteinander verglichen<br />
werden, zu weit lagen z.B. Konzerte und<br />
Opernaufführungen zeitlich auseinander für das<br />
menschliche Erinnerungsvermögen.<br />
Das Reproduktionsklavier erlaubte erstmals, das<br />
Spiel von Pianisten festzuhalten und somit deren<br />
Technik und Interpretation zu vergleichen. Die<br />
Kunst des Pianisten konnte erstmals für die Nachwelt<br />
festgehalten werden. Daher war es nicht verwunderlich,<br />
dass alle bekannten Konzertpianisten<br />
und zeitgenössischen Komponisten Aufnahmen<br />
ihres Spiels mit diesem neuen «Wundermedium»<br />
machen wollten.<br />
Während diese Einspielungen heute vor allem<br />
noch einen nostalgischen, musikhistorischen Wert<br />
haben, ist eine zweite Qualität des Reproduktionsklaviers<br />
auch heute noch aktuell, ja wird vielleicht<br />
an Interesse noch gewinnen. Es geht um die<br />
Tatsache, dass ein Komponist für das Reproduktionsklavier<br />
erstmals Musik schreiben kann,<br />
welche nicht durch die menschliche Fähigkeit<br />
zur Interpretation, also durch die Hände des Pianisten,<br />
eingeschränkt ist. Dies ist eine unglaubliche<br />
Vision, die eigentlich die ganze Musikwelt in<br />
ein anderes Licht rückt!<br />
Die spannende und logische Darlegung von Herrn<br />
Hocker lassen den Leser neue Betrachtungen machen,<br />
neue Fragen stellen. Wie hätten z.B. Komponisten<br />
wie Mozart, Beethoven oder Liszt ein<br />
Klavierstück komponiert, hätten sie freie Hand<br />
gehabt, d.h. wären sie nicht von der technischen<br />
Fähigkeit und von der menschlichen Hand abhängig<br />
gewesen?<br />
Schon seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts<br />
komponieren moderne Komponisten solche unspielbaren<br />
Stücke, wie der Autor aufschlussreich<br />
Vierzehn Jahre nach seiner letzten offiziellen CD<br />
«Schwarzer Humor gegen den grauen Alltag»<br />
wagt sich der Berner Bänkelsänger und Liedermacher<br />
Peter Hunziker an eine neue CD. Damals,<br />
im Dezember 1996, war seine CD sogar die<br />
Weihnachtsbeigabe unseres Vereins, wurde doch<br />
damit gezeigt, wie vielfältig und gekonnt mechanische<br />
Musikinstrumente als Begleitinstrumente<br />
eingesetzt werden können.<br />
Diesmal erscheint die CD in bunter, fröhlicher<br />
Aufmachung und animiert zum Hören. Aber<br />
täuschen lassen darf man sich nicht: Die Texte<br />
sind wie immer satirisch – frech, witzig und regen<br />
zum Nachdenken an. Einzelne Zeilen bleiben<br />
4<br />
darlegt. Dass diese Kompositionen eine relativ<br />
geringe Resonanz haben, liegt wohl vor allem daran,<br />
dass nur ein kleiner Teil der Musikliebhaber<br />
an der modernen, zeitgenössischen Musik Freude<br />
hat. Wie wäre es, wenn ein Komponist sich<br />
entschliessen könnte, Stücke in klassischer Art zu<br />
schreiben, also z.B. versuchen würde, eine Sonate<br />
zu schreiben in der Art von Chopin, aber eben<br />
mit unbegrenzten musikalischen Möglichkeiten!<br />
Könnte dadurch die Musik reicher, schöner und<br />
interessanter gestaltet werden?<br />
Herr Hocker beschäftigt sich auch sehr intensiv<br />
mit der Frage, wie die Musikaufzeichnungen erfolgen.<br />
Die zentrale Frage lautet natürlich: war<br />
es möglich, das Künstlerspiel damals exakt aufzuzeichnen<br />
oder nicht? Diskutiert werden könnte<br />
beispielsweise, ob eine Aufzeichnung, die noch<br />
während Tagen durch den Pianisten korrigiert<br />
wurde, als authentisch bezeichnet werden kann.<br />
(Auch heute werden ja viele Musikaufnahmen<br />
nachbearbeitet!)<br />
Ganz grundsätzlich kann man wohl auch philosophieren,<br />
ob eine Interpretation, so wie sich der<br />
Komponist es sich vorgestellt hat, erstrebenswert<br />
ist, oder ob man dem Interpreten zugestehen darf,<br />
dass er selbst kreativ ist, d.h. dem Stück seinen<br />
Stempel aufdrücken darf, sozusagen als Mitkomponist?<br />
Ihr seht, dieses spannende Buch vermittelt nicht<br />
nur viele Informationen, sondern regt zum Nach-<br />
und Mitdenken an. Ich kann daher dieses Buch<br />
wirklich allen Mitgliedern empfehlen, nicht nur<br />
Sammler, auch Drehorgelspieler werden daran<br />
ihre Freude haben. Auch sie werden fasziniert<br />
miterleben, welche Leistungen die «mechanische<br />
Musik» in den letzten Jahrhunderten erbracht hat!<br />
André J. Ginesta<br />
Neue CD «lästerlich, liederlich & unverblümt»<br />
von Peter Hunziker<br />
haften wie die Widerhaken kleiner Samenkapseln<br />
und erwecken ein Lächeln.<br />
Dass die bekannte Moritat von Mackie Messer am<br />
Anfang steht, ist gewollt, wird doch gleich noch<br />
eine Zusatzstrophe aus dem Jahre 1930 nachgeliefert:<br />
…«ach wie kommt der Mensch zu Zaster,<br />
in Kontoren, kühl wie Eis, geht der Bankier,<br />
Mackie Messer, den man nicht fragt, aber der es<br />
weiss!» Und so sind wir mitten in der Aktualität<br />
von Abzockerei und Bankgeheimnis!<br />
Auch die Texte von Erich Kästner haben nichts<br />
an Aktualität eingebüsst, z.B. die kleine Rechenaufgabe<br />
(ein Song gegen gewissen «Nullen»)
In «Sachliche Romanze» wurde auf moderne<br />
Art, fast jazzig, die Udo Lindenberg-Melodie<br />
auf das Orchestrone programmiert. Ebenfalls bemerkenswert<br />
ist das Abendlied des Kammervirtuosen,<br />
das vorher überhaupt noch nie gesungen<br />
worden war.<br />
In Deutschland erleben übrigens anspruchsvolle<br />
Lieder von Kästner, Grasshoff, Brecht u.a. ein echtes<br />
Revival; sie sind beim Publikum und bei vielen<br />
neuen Interpreten in letzter Zeit sehr beliebt.<br />
Verschiedene Texte begleitet Hunziker mit seiner<br />
Orguinette (14 Tonstufen), einem Instrument, zu<br />
Vom 5. September 2010 bis zum 31. Oktober 2010<br />
ist in Waldkirch erstmals eine Sonderausstellung<br />
der Spieluhr gewidmet. Diese Ausstellung<br />
im Elztalmuseum Waldkirch, welche in Kooperation<br />
mit der «Gesellschaft für Selbstspielende<br />
Musikinstrumente e.V.» (GSM) erarbeitet wird,<br />
ist einer besonderen Entwicklung in der Welt der<br />
Musikautomaten gewidmet. Die Spieluhr oder<br />
Musikdose mit ihrer anrührenden Musik wird dabei<br />
im Mittelpunkt stehen.<br />
Im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert<br />
waren im Schwarzwald wie im Schweizer Jura<br />
findige Tüftler und Uhrmacher am Werk, die<br />
mit Kreativität und Gespür für feinmechanische<br />
Lösungen Gebrauchsgegenstände mit automatisch<br />
spielender Musik anreicherten. So unterschiedlich<br />
die Lösungen sind, die in den beiden<br />
Landschaften entwickelt wurden, so erfolgreich<br />
5<br />
dem er die meistens selbst komponierten Melodien<br />
mit dem Japanmesser ausschneidet.<br />
Interessant sind besonders auch die von ihm vertonten<br />
Gedichte seines langjährigen Freundes,<br />
des Dichters und Malers Fritz Grasshoff (1913–<br />
1997), etwa seine modernen Übersetzungen aus<br />
der Antike.<br />
Die CD kann per E-Mail bei über peter@baenkelsaenger.ch<br />
für nur Fr. 22.– bestellt werden. Weitere<br />
Angaben dazu auf seiner Homepage www.<br />
baenkelsaenger.ch.<br />
Presseinformation – Musikalische Romanzen<br />
Von der Spieluhr bis zu Urgrossvaters Plattenspieler<br />
5. September 2010 bis zum 31. Oktober 2010 im Elztalmuseum in Waldkirch<br />
waren die jeweils geschaffenen Produkte, die<br />
schließlich den Weltmarkt eroberten. Dabei ist<br />
auch eine weitere interessante Gemeinsamkeit<br />
beider Zentren zu entdecken: Die arbeitsteilige<br />
Produktionsweise.<br />
Im heutigen Schweizer Jura entwickelte sich im<br />
18. Jahrhundert eine Uhren- und Schmuckherstellung<br />
auf höchstem Niveau. Berühmte Techniker<br />
wie die Jaquet-Droz aus Neuchâtel konstruierten<br />
vielbestaunte automatische Wunderwerke. Glockenspiele<br />
wurden in allerlei Form in Kunstgegenstände<br />
und Uhren eingebaut. Um jedoch einen<br />
befriedigenden Klang zu erzeugen, musste eine<br />
Mindestgröße der Glocken eingehalten werden.<br />
Dadurch waren einer beliebigen Miniaturisierung<br />
natürliche Grenzen gesetzt.<br />
Dieses Problem löste der Uhrmacher Antoine<br />
Favre aus Genf 1796, indem er ein «Carillon
ohne Glocken und Hämmerchen» erfand. Dieses<br />
Musikwerk bestand aus einer bestifteten Walze<br />
und aus Stahlzungen, die Favre wie eine Klaviatur<br />
davor anordnete. Durch Drehung der Stiftwalze<br />
wurden die gestimmten Stahlzungen angezupft<br />
und erzeugten durch ihre Schwingungen Töne,<br />
sobald sie von den Stiften losgelassen wurden.<br />
Leider konnte er selbst seine Entwicklung nicht<br />
mehr gewinnbringend umsetzen. Doch viele<br />
seiner Kollegen in Genf profitierten von Favres<br />
Erfindung. Alle erdenklichen Gebrauchsgegenstände,<br />
vor allem sehr teure Schmuckstücke, wurden<br />
mit eingebautem Musikwerk zur Luxusware.<br />
Genfer Bijoutiers bauten solche Spielwerke «en<br />
Miniature» sogar in Fingerringe ein. Besonders<br />
erfolgreich war die Verbindung von Musikwerk<br />
und Taschenuhr, oft mit einer beweglichen<br />
Bilderszene in feinster Emailarbeit versehen. Solche<br />
kostbaren musikalischen Spielereien wurden<br />
bevorzugt vom Adel und von begüterten bürgerlichen<br />
Kreisen gesammelt.<br />
Eine ganze Anzahl von Manufakturen in Genf<br />
spezialisierte sich auf die Herstellung von Spielwerken<br />
der neuen Art. Dieser neue Handwerkszweig<br />
löste sich immer mehr von der Uhrmacherei.<br />
Schon nach 1810 waren die Musikwerke mehr<br />
als nur Beiwerk für exklusiven Schmuck. Die<br />
Spielwerke wurden größer und schließlich zum<br />
eigenständigen Musikinstrument. Dies setzte eine<br />
Faszination Walzenspieldose<br />
Thementag unserer deutschen Schwestergesellschaft GSM in Waldkirch<br />
Spieldosen haben sich als einzige Instrumentengattung<br />
im breiten Spektrum der mechanischen<br />
Musikinstrumente bis heute im Alltag behaupten<br />
können. Als Souvenir oder als Kinderspielzeug<br />
ist die Spieldose nach über 200 Jahren seit Ihrer<br />
Erfindung so aktuell wie eh und je.<br />
Nicht wenige unserer Mitglieder haben sich diesen<br />
Instrumenten verschrieben und in den vergangenen<br />
Jahren viel Wissenswertes und Interessantes<br />
über die Spieldose zusammengetragen.<br />
Manch ein besonderes Kleinod hat in interessanten<br />
Sammlungen ein neues Zuhause gefunden.<br />
Grund genug für den Arbeitskreis «Thementag»<br />
der GSM («Gesellschaft für selbstspielende<br />
Musikinstrumente e.V.»), diesen besonderen Instrumenten<br />
eine Veranstaltung zu widmen. Anders<br />
als für Drehorgelfans gibt es für Spieldosen-Enthusiasten<br />
bislang keine organisierten Treffen zum<br />
Meinungsaustausch. Dies soll sich jetzt ändern.<br />
Der Thementag unter dem Motto «Faszination<br />
Walzenspieldose» findet am 31. Oktober 2010 in<br />
6<br />
technische Entwicklung mit erstaunlichen musikalischen<br />
Ergebnissen in Gang. Mit der starken<br />
Nachfrage einer kaufkräftigen Käuferschicht begann<br />
das Gewerbe zu blühen.<br />
Kaminuhren und Prachtschränke mit eingebautem<br />
Musikwerk gehörten zur repräsentativen<br />
Ausstattung von Schlössern wie Patrizierhäusern.<br />
In einfachere Gehäuse eingebaut, wurden die<br />
Spieldosen schließlich auch für breitere Bevölkerungsschichten<br />
bezahlbar.<br />
Die großen Musiktruhen aus dem Schweizer Jura<br />
erfreuten sich genauso großer Beliebtheit, wie<br />
die Wiener Portaluhren mit Musikwerk, welche<br />
die Salons des aufkommenden Mittelstands im<br />
19. Jahrhundert schmückten. Bald schon wurden<br />
die großen Walzenspielwerke durch Lochplatten-Spieluhren<br />
abgelöst, die beliebig viele<br />
Musikstücke wiedergeben konnten. Zauberhafte<br />
Puppenautomaten aus Pariser Manufakturen wetteiferten<br />
mit den großen Musikautomaten für<br />
Gasthäuser. Doch mit der Erfindung von Phonograph<br />
und Grammophon entwickelte sich eine<br />
ernsthafte Alternative. Die großen Spieldosen<br />
waren nicht mehr konkurrenzfähig. Fast nur noch<br />
in Kinderspielzeug und billigen Souvenirs überlebte<br />
die Spieldose und findet auch heute ihre<br />
Käufer Die Musikwerke werden nicht mehr in<br />
entlegenen Bauernhöfen in den Hochebenen des<br />
Jura, sondern in großen Fabrikkomplexen in<br />
Fernost zusammengebaut.<br />
Waldkirch im Breisgau statt. Das Elztalmuseum<br />
Waldkirch organisiert im Spätherbst eine Sonderausstellung<br />
zum Thema «Musikalische Romanzen<br />
– Von der Spieldose bis zu Urgrossvaters<br />
Plattenspieler» (siehe separate Ankündigung)<br />
und bietet daher den optimalen Rahmen für diese<br />
Veranstaltung.<br />
Eingeladen sind interessierte Sammler und/oder<br />
Fachleute, aber auch Mitglieder und Interessierte,<br />
die sich einfach nur gerne in kurzweiliger<br />
Runde mit dem Thema beschäftigen möchten.<br />
Gerne dürfen zu dieser Veranstaltung eigene Instrumente,<br />
besonders solche mit einer besonderen<br />
Geschichte, einer speziellen Konstruktion oder<br />
sonstigen Besonderheiten, mitgebracht werden.<br />
Wir bieten eine Spezialführung durch die Ausstellung<br />
und werden auf besondere Merkmale<br />
einzelner Hersteller eingehen, sowie Hilfen bei<br />
der Datierung und Hersteller-Zuordnung von Instrumenten<br />
erörtern. Außerdem soll in der Runde<br />
versucht werden, unbekannte Musikstücke, die<br />
auf Walzen gesetzt sind, zu identifizieren.
Die Veranstaltung wird öffentlich beworben und<br />
wir hoffen, damit vielleicht auch «neue Gesichter»<br />
für unser Hobby gewinnen zu können.<br />
Die Hauptveranstaltung findet am Sonntag, 31.<br />
Oktober 2010 statt, ein interessantes Rahmenprogramm<br />
wird auch für den Samstag, 30. Oktober<br />
und für den Montag, 1. November vorbereitet.<br />
Weitere Informationen und Anmeldung bei:<br />
Raphael Lüthi, dingdong5378@gmx.de, Telefon<br />
+49 7681 5290, oder Ralf Smolne, vorsitzender@<br />
musica-mechanica.de, Telefon +49 201 784 927<br />
Kosten: Es wird eine Teilnahmegebühr erhoben.<br />
Diese deckt die anfallenden Kosten für Museumseintritt,<br />
Mittagessen und für den Kaffee am 31.10.<br />
Zimmer: Auf Wunsch wird ein Hotel- und Gaststättenverzeichnis<br />
zugesandt. Die Teilnehmer<br />
kümmern sich selbst um ihre Unterkunft.<br />
Interessierte werden gebeten, sich bis zum<br />
15.9.2010 bei einer der obengenannten Adressen<br />
anzumelden.<br />
Der zu den nachfolgenden Bildern gehörige Artikel<br />
ist in russischer Sprache verfasst und beinhaltet<br />
im Wesentlichen die uns allen bekannte<br />
Entwicklung der mechanischen Musikinstrumente<br />
und der Drehorgeln. Die russische Bezeichnung<br />
«Scharmanka» für Drehorgel stammt<br />
vermutlich von dem im Russland des XIX. Jh.<br />
populären Liedchen «Charmante Catherine».<br />
Das Lied wurde in den grossen Städten des Zarenreiches<br />
häufig auf Drehorgeln gespielt.<br />
Weiter beschreibt der Artikel die in Russland<br />
einst äusserst populären Puppenspieler. Zu den<br />
Puppenspielern gehörte fast immer auch ein<br />
Drehorgelspieler, welcher die Aufgabe hatte,<br />
Scharmanka<br />
7<br />
ZU VERKAUFEN:<br />
Frati Trompeten-Walzen Orgel renoviert.<br />
44 Tonstufen, 8 Melodien auf der Orgel.<br />
Anerkennung Berliner Gewerbe-Ausstellung 1879<br />
1 Popper happy-Jazzband mit 10 Rollen<br />
Offerte an Jean Furrer<br />
39 rt de Botyre, 1966 Ayent<br />
Telefon / Fax 027 398 49 44<br />
HUBI verkauft seine Eigenbau-Drehorgel 45/106<br />
Eigenbau-Drehorgel, Typ HABU 45 / 106<br />
Hersteller: H.U. Binggeli,<br />
Dammweg 29, 3013 Bern,<br />
Baujahr 1991 / 92<br />
Abmessungen:<br />
Breite 79 cm, Tiefe 52 cm, Höhe 80 cm<br />
Verhandlungspreis, Telefon 031 332 03 84<br />
Mehr Informationen und Bilder der Drehorgel auf der<br />
Webseite Binggeli: www.drehorgel.ch/binggeli<br />
während dem Aufbau des Puppentheaters mit<br />
seinem Spiel die Zuschauer anzulocken. Auch<br />
während des Puppenspiels kam der Drehorgelspieler<br />
zum Einsatz, vor allem, um die Dialoge<br />
zu untermalen.<br />
Dem Artikel beigefügt sind einige sehr schöne<br />
Gedichte über Drehorgelspieler und andere<br />
Strassenkünstler, sowie viele farbenprächtige<br />
Bilder, meist Ölgemälde, von denen wir hier einige<br />
wiedergeben möchten. Interessant sind die<br />
Szenen aus Russland, welche sich gar nicht so<br />
sehr von denen in andern europäischen Städten<br />
unterscheiden.<br />
Irina Surber
Fritz von Uhde: Der Leierkastenmann kommt, 1883<br />
8<br />
Paul Charles: Chocarn-Moreau Teasing the Monkey Vasiliy Perov: Drehorgelspielerin in Paris, 1864
В.Е.Мakowski: Scharmantschik, 1879<br />
Unbekannter russischer Künstler Vasiliy Perov: Scharmantschik, 1863<br />
Peter Jackson: Ohne Titel<br />
9 Andrej Tschernyschev: Scharmanka
Wenn man die Autobahn A 61, etwa in der Mitte<br />
zwischen Ludwigshafen und Koblenz, bei der<br />
Ausfahrt Waldlaubersheim verlässt und der Beschilderung<br />
«Orgelmuseum» folgt, erreicht man<br />
nach wenigen hundert Metern das «orgelARTmuseum<br />
rheinnahe» am Ortseingang von Windesheim.<br />
Der Grundriss des vom Architekten Hans<br />
Bergs entworfenen, modernen Museumbaus, der<br />
im September 2001 eingeweiht wurde, erinnert<br />
an eine klassische Orgel.<br />
Die in weissen, grauen und silbernen Farbentönen<br />
gehaltene Ausstattung des Gebäudes gibt dem Ganzen<br />
teilweise einen fast sakralen Rahmen. In den<br />
grosszügig konzipierten Räumlichkeiten werden<br />
dem Besucher eine grosse Zahl an Orgeln und Klavierinstrumenten<br />
aus fünf Jahrhunderten präsentiert<br />
und ständig wechselnde Kunstausstellungen aus<br />
den verschiedensten Sparten geben dem Ganzen<br />
einen besonderen Touch. Den Rundgang kann man<br />
mit Leihkatalog oder Audiophon absolvieren.<br />
Die Orgelbaufirma Oberlinger wurde 1773<br />
gegründet. Die Sammlung der Orgelbauerfamilie<br />
Oberlinger bildet den Grundstock der Ausstellung<br />
und wird durch wertvolle Leihgaben<br />
der Orgelbauerfamilie Heuss ergänzt und bereichert.<br />
Hauptbestandteil des Museums sind<br />
historische und neue Orgeln. Da einige frühe historische<br />
Orgeln nicht im Original erhalten, oder<br />
die erhaltenen Originale der Öffentlichkeit nicht<br />
zugänglich sind, ist die Orgelsammlung mit einigen<br />
Rekonstruktionen komplettiert worden.<br />
Stellen wir uns zu Beginn des Rundgangs zunächst<br />
die Frage: Was ist eine Orgel? Nach mittelalterlicher<br />
Darstellung ein Blasinstrument aus Blei und<br />
Zinn für die Pfeifen, Holz für die Tasten und das<br />
Gehäuse, Messing für die Ventilfedern und Schaf-<br />
oder Rindsleder für den Blasbalg. Mit dem Blasbalg<br />
wird der Wind zum Bespielen des Instruments<br />
erzeugt. Im Mittelalter hatten die Orgeln auch eine<br />
spezielle Taste, um am Ende des Spiels den Wind<br />
aus dem Instrument zu lassen. Ein Aberglaube besagte,<br />
dass der Wind, die «Seele des Instruments»,<br />
nie eingesperrt werden dürfe. Diese Taste findet<br />
man auch beim ersten Exponat der Ausstellung,<br />
dem «Gotischen Positiv». Die Bezeichnung «Positiv»<br />
wird vom lateinischen «Positum» abgeleitet<br />
und bedeutet «hingestellt». Positive können also<br />
überall im Raum aufgestellt werden und sind nicht<br />
wie grössere Orgeln fest im Raum installiert. Als<br />
Grundlage für die Rekonstruktion des «Gotischen<br />
Positivs» diente das 1432 von Jan van Eyck<br />
geschaffene Genter Altarbild und für die Details<br />
im Inneren des Instruments die Fragmente der<br />
gotischen Orgel von Norrlanda (Schweden), die<br />
mit Ausnahme der Pfeifen erhalten ist. Bei diesem<br />
Positiv handelt es sich um ein sogenanntes<br />
orgelARTmuseum<br />
10<br />
Blockwerk bei dem die einzelnen Pfeifenreihen<br />
noch nicht registrierbar waren. Die Prospektpfeifen<br />
weisen auf dem Genter Altarbild zwei Längsnähte<br />
auf. Für die Rekonstruktion wurde diese<br />
Besonderheit von der Orgelbaufirma Oberlinger<br />
so interpretiert, dass sie alle Sichtseiten der Prospektpfeifen<br />
aus Zinn und die Rückseiten, sowie<br />
alle Innenpfeifen aus Blei hergestellt haben.<br />
Das nächste Instrument ist die Kopie eines zirka<br />
1600 entstandenen «Regals», gefolgt von der<br />
Rekonstruktion mit der Bezeichnung «Renaissance»<br />
Tischpositiv. Das Instrument erhielt den<br />
Namen «Renaissance» vermutlich, weil das Gehäuse<br />
seitlich und hinten Grisaille Malerei im Renaissance<br />
Stil aufweist. Das unsignierte Original<br />
des Positivs wurde Ende des 16. Jahrhunderts im<br />
süddeutschen Raum, für die Kapelle St. Sebastian<br />
«im Grund» der Familie Ab Yberg im Kanton<br />
Schwyz, gebaut. Spuren im Inneren des Instruments<br />
weisen darauf hin, dass das ursprünglich<br />
eingebaute Zungenregister im 18. Jahrhundert<br />
durch ein Register Quinte ersetzt wurde. Der für<br />
das Spielen notwendige Wind wird durch zwei<br />
Keilbälge, die horizontal hinter dem Instrument<br />
angebracht sind, erzeugt. Irgendwann fand das Instrument<br />
den Weg in die Privatsammlung Schumacher<br />
in Luzern. Als die Sammlung aufgelöst<br />
wurde, konnte das historische Museum Basel das<br />
Tischpositiv käuflich erwerben. Danach stand die<br />
Tischorgel viele Jahre im historischen Museum in<br />
der Barfüsser-Kirche Basel, bevor sie ihren Platz<br />
im heutigen Musikmuseum, dem ehemaligen Gefängnis<br />
der Stadt Basel, dem Lohnhof fand.<br />
Ein weiteres Ausstellungsstück das «Physharmonika»<br />
mit Baujahr 1859 war der Vorgänger des<br />
heute besser bekannten Harmoniums. Es würde<br />
den Rahmen dieses Berichtes sprengen jedes<br />
einzelne der zirka 30 Exponate näher zu beschreiben.<br />
Aus diesem Grund wurden beliebig einige<br />
wenige für eine nähere Betrachtung ausgewählt.<br />
Im Verlauf des Rundgangs gelangt man in den<br />
Konzertsaal wo, umrahmt von alten, ehrwürdigen<br />
Instrumenten die grosse, neue Konzertorgel<br />
steht. Dieses Instrument wurde von der Firma<br />
Oberlinger im Jahr 2001 als Referenz an die<br />
französische Orgelbaukunst, im besonderen an<br />
den Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll aus Paris<br />
gebaut. Der berühmte französische Orgelbauer<br />
Aristide Cavaillé-Coll (1811–1899) revolutionierte<br />
die Orgelkultur mit der «Orgue symphonique».<br />
Die dadurch entstandenen vielfältigen<br />
musikalischen Möglichkeiten erinnern an ein<br />
Symphonieorchester und haben die französischen<br />
Orgelkomponisten und Virtuosen des 19. und 20.<br />
Jahrhunderts inspiriert. Die Orgel ist ausgestattet<br />
mit einer neu entwickelten Transponiervorrichtung,<br />
sowie mit einer nach neuesten Erkenntnis
sen gebauten Windberuhigung, welche Windverwirbelungen<br />
glättet und so beim Spiel einen<br />
gleichmässig reinen und dynamischen Ton erzeugt.<br />
Ebenfalls im Konzertsaal stehen zwei italienische<br />
Orgeln, die sich durch einige typische<br />
Merkmale von den Orgeln aus anderen Ländern<br />
unter-scheiden. So sind z.B. die Orgelgehäuse<br />
schrankförmig mit einfacher Front, anstelle von<br />
Zinn wurde für die Pfeifen Blei verwendet und die<br />
Orgeln weisen ein eingeschränktes oder gar kein<br />
Pedal auf. Auf der gegenüber liegenden Seite befindet<br />
sich eine «Mittelrheinische Barockorgel»<br />
aus dem 18. Jahrhundert, erbaut von der Orgelbaufirma<br />
Stumm in Rhaunen-Sulzbach. Dieses<br />
seitenspielige Instrument mit angehängtem Pedal<br />
wurde von den Orgelbauern der Mittelrhein-<br />
region zu jener Zeit oft gebaut. Eine Rarität stellt<br />
auch die «Klassizistische Orgel» von 1802 dar.<br />
Die Erbauer, die Gebrüder Philipp Heinrich und<br />
Johann Georg Bürgy aus Bad Homburg vor der<br />
Höhe, führten die Werkstatt ihres aus der Schweiz<br />
eingewanderten Vaters fort. Die Zeiten waren damals<br />
sehr schwierig, denn es herrschte Hunger und<br />
Krieg und als Folge von Napoleons Blockadepolitik<br />
und der Kontinentalsperre war vor allem das<br />
Pfeifenmaterial Zinn Mangelware. Man sieht der<br />
aufwändig gearbeiteten Orgel erstaunlicherweise<br />
nicht an in welch schwierigen Zeiten sie gebaut<br />
wurde. Das Instrument stand an vier verschiedenen<br />
Orten bevor es seinen Platz im Orgelartmuseum<br />
fand. Die Orgel hat diese vier Umzüge<br />
gut überstanden und befindet sich nach wie vor im<br />
Originalzustand. Auch die Trettbalganlage hinter<br />
der Orgel ist original erhalten. Für die Winderzeugung<br />
zum Bespielen des Instrumentes war früher<br />
menschliche Muskelkraft erforderlich. Diese Arbeit<br />
wurde von sogenannten Kalkanten (abgeleitet<br />
vom lateinischen calcare = treten) verrichtet.<br />
Weiter geht der Rundgang über die Empore auf<br />
welcher die Kopie eines Nonnenpositivs mit Baujahr<br />
1942 steht. Das farblich sehr schön gefasste<br />
Instrument war ursprünglich im Diakonissenhaus<br />
in Speyer im Einsatz. Der hinterspielige Orgeltyp<br />
war in Bayern und Österreich bis ins 19. Jahrhundert<br />
weit verbreitet. Der Organist konnte durch<br />
eine kleine Öffnung in der Rückwand des Orgelgehäuses,<br />
zwischen den Pfeifen hindurch in den<br />
Altarraum sehen, ohne selbst gesehen zu werden.<br />
Auch auf der Empore befindet sich die von der<br />
Firma Oberlinger im Jahr 2002 speziell für Aufnahmen<br />
entwickelte und gebaute Studio-Orgel.<br />
Ein Kuriosum ist das «Claviorganum» (Nachbau<br />
eines Instrumentes von 1745) das den Übergang<br />
von den luftgeblasenen Exponaten zu den Saiteninstrumenten<br />
herstellt. Diese Mitte des 15. Jahrhunderts<br />
entstandenen Instrumente sind Orgel<br />
und Cembalo zugleich und haben ein oder zwei<br />
Manuale. Auch aus der Familie der besaiteten<br />
Tasteninstrumente bietet das Museum eine grosse<br />
Vielfalt an Instrumenten. Da wäre zum Beispiel<br />
das «Clavichord», dessen Name 1396 erstmals<br />
11<br />
nachweisbar erwähnt wurde und das eines der<br />
ältesten besaiteten Tasteninstrumente ist. Das älteste,<br />
noch erhaltende, Instrument stammt aus<br />
dem Jahr 1543 und ist im Leipziger Musikinstrumentenmuseum<br />
ausgestellt. Man unterscheidet<br />
zwei Arten, das gebundene und das ungebundene<br />
Clavichord. Bei der älteren Bauform, dem gebundenen<br />
Clavichord, wird von 2–4 nebeneinanderliegenden<br />
Tasten die gleiche Saite, oder<br />
bei Doppelchörigkeit, das gleiche Saitenpaar zur<br />
Tonerzeugung verwendet. Die sogenannten Tangenten<br />
(pro Taste eine Tangente) treffen die Saite<br />
oder das Saitenpaar an ganz bestimmten Stellen,<br />
wodurch die Länge der schwingenden Saite zum<br />
festen Steg verkürzt oder verlängert wird. Der<br />
schwingende Teil der Saite ist also unterschiedlich<br />
lang und als Folge davon der Ton höher oder tiefer.<br />
Solange die Taste gedrückt wird, hält der Ton<br />
an. Wird die Taste losgelassen, verbindet sich der<br />
schwingende mit dem nicht schwingenden Teil<br />
der Saite und wird mittels den, im nicht schwingenden<br />
Teil, in die Saiten eingeflochtenen Filz-<br />
streifen gedämpft. Nebeneinander liegende Tasten,<br />
die dieselbe Saite zur Tonerzeugung verwenden,<br />
können nicht gleichzeitig angeschlagen werden,<br />
da die Saite schon «gebunden» ist. Der Vorteil<br />
des gebundenen Clavichords lag in der geringen<br />
Anzahl Saiten, somit war das Instrument schnell<br />
gestimmt und die gesamte Konstruktion konnte<br />
äusserst leicht und resonant gebaut werden.<br />
Clavichord<br />
Anschlagmechanik eines gebundenen Clavichords
Beim ungebundenen Clavichord ist jeder Taste<br />
eine Saite, oder bei Doppelchörigkeit ein Saitenpaar<br />
zugeordnet. Diese Bauform wurde Ende des<br />
17. Jahrhunderts entwickelt, konnte jedoch die ältere<br />
Bauart, wegen der bereits erwähnten Vorteile,<br />
nie verdrängen.<br />
Eine Besonderheit ist auch das schöne um zirka<br />
1820 erbaute Lyraklavier mit vertikal liegendem<br />
Gehäuse, bei dem die Saiten um 90 Grad gedreht<br />
wurden. In unmittelbarer Nähe davon steht ein<br />
vom Hoflieferanten Carl Mand um 1850 erbautes<br />
Tafelklavier. Auch zwei, von verschiedenen Erbauern<br />
hergestellte, Hammerflügel, ein Fortepiano<br />
mit Baujahr 1797, ein Muselar, ein Cembalo, eine<br />
Harfenuhr und diverse Flügel sind zu bewundern.<br />
Ein weiteres sehr schönes Exponat in der Ausstellung<br />
ist das «Pianino». Der Begriff «Pianino»<br />
stammt aus dem italienischen, heisst übersetzt<br />
«kleines Piano» und ist die Bezeichnung für das<br />
heute allgemein bekannte Klavier. Das Instrument<br />
verfügt meistens über den vollen Tonumfang und<br />
eroberte im 19. Jahrhundert als Hausmusikinstrument,<br />
wegen des gegenüber dem Flügel geringeren<br />
Platzbedarfs und der geringeren Lautstärke,<br />
die guten Stuben. Das ausgestellte «Pianino»<br />
wurde etwa 1875 vom Klavierbauer Carl Mand<br />
aus Koblenz (D) geschaffen. Carl Mand wurde<br />
1811 in Horchheim bei Koblenz geboren. In<br />
der Nähe seines Elternhauses hatte der Bankier<br />
Mit freundlicher Genehmigung der Tamedia AG Zürich dürfen wir die beiden nachfolgenden<br />
Artikel «Der Mann, der seine Puppe Gedichte schreiben lässt» von Richard<br />
Diethelm, sowie «Die Schaustellerlegende Fritz Müller nimmt Abschied» von Helene<br />
Arnet in unserem <strong>Vereinsheft</strong> veröffentlichen.<br />
© Tages-Anzeiger; 24.12.2009<br />
Der Mann, der seine Puppe Gedichte schreiben lässt<br />
François Junod hat die im Jura heimische<br />
Tradition, Menschen-Automaten zu bauen,<br />
zur Kunstform gesteigert. Seine Androiden<br />
kosten ein Vermögen.<br />
Von Richard Diethelm, Sainte-Croix<br />
François Junod hat im Blut, was das Industriedorf<br />
Sainte-Croix im Waadtländer Jura einst<br />
reich und berühmt machte: Die Präzision in der<br />
Feinmechanik und eine grosse Erfindungsgabe.<br />
«Meine Grossväter waren Künstler, die in der<br />
Fabrik arbeiteten», sagt der 50-Jährige. Der eine<br />
Grossvater fertigte in der ersten Hälfte des letzten<br />
Jahrhunderts Federantriebe für Grammofone,<br />
der andere winzige Zahnräder für Musikdosen<br />
und Uhren sowie Tonabnehmernadeln.<br />
In Sainte-Croix hergestellte mechanische Sch-<br />
12<br />
Mendelsohn seinen Sommersitz, wo auch Felix<br />
Mendelsohn Bartholdy manchmal zu Besuch<br />
war. Diese Nachbarn ermunterten Carl Mands<br />
Bruder Nikolaus seine musikalischen Kenntnisse<br />
in Wien zu vertiefen. Als dieser erkrankte, reiste<br />
an seiner Stelle Carl nach Wien und arbeitete dort<br />
von 1827–1835 als Klavierbauer. Wieder zurück<br />
in heimatlichen Gefilden gründete er seine eigene<br />
Firma, mit welcher er sehr erfolgreich war, was<br />
viele an Weltausstellungen errungene Preise belegen.<br />
Von seinem grossen Können und den wunderschönen<br />
Instrumenten aus seinem «Hause»<br />
zeugt auch das im Museum ausgestellte mit<br />
prunkvollen Schnitzereien verzierte «Pianino».<br />
Nach Mands Tod wurde die Firma zwei Mal von<br />
anderen Klavierbauern übernommen, bevor die<br />
Produktion 1928 eingestellt wurde.<br />
Das grossartige Erlebnis lässt sich kaum in<br />
Worten ausdrücken. Auch ist die Fülle der Eindrücke<br />
und Informationen so gross, dass man<br />
bei einem Besuch nicht alles zu erfassen und zu<br />
verarbeiten vermag. Was sich jedoch in weiteren<br />
Besuchen nachholen lässt. Allen Liebhabern von<br />
Orgeln und Klavierinstrumenten ist das schön<br />
gestaltete, mit vielen faszinierenden Exponaten<br />
bestückte und mit reichlichen Informationen<br />
versehene, «orgelARTmuseum» wärmstens zu<br />
empfehlen.<br />
Bericht und Fotos 2009 / Anita und René Weiss<br />
reibmaschinen, Filmkameras und Plattenspieler<br />
waren das Nonplusultra, bis diese Technologie<br />
im Zuge der Elektronisierung verdrängt wurde.<br />
Auf dem «Balcon du Jura» machten Anfang der<br />
Achtzigerjahre mehrere Fabriken dicht.<br />
Die Grenzen des Möglichen<br />
Seine Grossväter hat François Junod nicht mehr<br />
erlebt. «Gerade deshalb beeinflussten sie mich<br />
in meiner Arbeit stark», sagt er. Der Automatier<br />
und Bildhauer wollte hinter die Geheimnisse<br />
seiner Vorfahren kommen. Im Empfangsraum<br />
der Ateliers, die er in der ehemaligen Kartonagefabrik<br />
seines Vaters eingerichtet hat, schliesst<br />
Junod einen Schaukasten auf. Er holt einen<br />
Antrieb hervor, den sein Grossvater wie ein
Uhrwerk zusammengesetzt hat. War die Feder<br />
über eine Kurbel am Grammofon aufgezogen,<br />
liess ein Regulator den Plattenteller gleichmässig<br />
drehen. Der Enkel kopierte und perfektionierte<br />
die Technik des Regulators. Dieser ist längst<br />
fester Bestandteil seiner mechanischen Puppen.<br />
Der Begriff «Puppe» weckt in der Weihnachtszeit<br />
allerdings falsche Assoziationen.<br />
Das fünfköpfige Team um Junod kreiert in<br />
Sainte-Croix das Gegenteil von Barbie-Puppen,<br />
die am Fliessband produziert werden. Es sind<br />
Einzelstücke-Automaten und Androiden, die<br />
menschliche Bewegungen in mechanischen<br />
Abläufen nachahmen. Dieses Kunsthandwerk<br />
ist eng mit der Uhrmacherei verwandt. Junods<br />
Vorbilder sind Pierre Jaquet-Droz und dessen<br />
Sohn Henri-Louis, die von 1768 bis 1774 in La<br />
Chaux-de-Fonds die berühmtesten Automaten<br />
konstruierten: einen Schreiber, einen Zeichner<br />
und eine Musikerin.<br />
Der diplomierte Fein- und Präzisionsmechaniker<br />
Junod knüpfte nach dem Kunststudium<br />
in Lausanne an diese Tradition im Jurabogen<br />
an. Dabei schob er die Grenzen des mechanisch<br />
Menschenmöglichen weiter hinaus. Seit<br />
2004 arbeitet er an einer 90 cm hohen Figur des<br />
russischen Nationaldichters Alexander Puschkin.<br />
Die mechanische Puppe sitzt an einem<br />
Tischchen und kann 1458 verschiedene Gedichte<br />
von Hand auf ein Blatt Papier schreiben und<br />
eine Zeichnung hinzufügen. Ein reicher Hightech-Unternehmer<br />
aus dem Silicon Valley hatte<br />
Junod beauftragt, einen Automaten zu bauen,<br />
«der komplizierter ist als alles, was es schon<br />
gibt».<br />
Der Automatier schlug eine Mechanik vor, die<br />
nach dem Zufallsprinzip aus je sechs Nomen,<br />
Adjektiven, Verben und Adverbien Gedichte<br />
zusammensetzt. Bis er die Lösung hatte, zerbrach<br />
sich Junod ein halbes Jahr den Kopf. Sein<br />
Auftraggeber filterte mit mathematischen Me-<br />
13<br />
thoden jene 24 Begriffe aus dem Englischen, die<br />
in allen Gedichtvarianten einen Sinn ergeben.<br />
Junods Team hatte inzwischen ausgetestet, dass<br />
die mit Drähten, Stangen und Nocken bewegte<br />
Hand «Puschkins» dieses Repertoire tatsächlich<br />
schreiben kann. Nun liegen die 4000 Einzelteile<br />
des 60 Kilogramm schweren Androiden zur<br />
Endmontage bereit.<br />
Faszination seit der Antike<br />
Im kreativen Chaos der Werkstätte hebt der Automatier<br />
sachte eine Folie von einem Tablett.<br />
Darunter liegen Baugruppen auf nummerierten<br />
Zetteln. Die Teile aus Edelstahl sind auf<br />
Hochglanz poliert, jene aus Messing frisch vergoldet.<br />
Auf der Werkbank nebenan liegt der<br />
Kopf «Puschkins». Er wird beim Schreiben die<br />
Augäpfel bewegen und die aus Lammleder gefertigten<br />
Lider öffnen und schliessen.<br />
Im Gegensatz zu Robotern nehmen Androiden<br />
den Menschen keine Arbeit ab. Automaten<br />
verkörpern die reine Faszination an der Technik,<br />
die Menschen seit der Antike umtreibt. In Japan<br />
beispielsweise waren Firmen und Sammler eine<br />
Zeitlang ganz verrückt nach diesen Kunstwerken.<br />
Heute sind Junods Auftragsbücher mit Bestellungen<br />
aus den USA, Russland und von Luxusuhrenfirmen<br />
gefüllt.<br />
Den Namen des kalifornischen Unternehmers, der<br />
«Puschkin» in Auftrag gab, hält Junod auf dessen<br />
Wunsch geheim. Ebenso den Preis des wohl komplexesten<br />
Androiden, der je konstruiert wurde. Eine<br />
andere menschenähnliche Puppe, die drei Personen<br />
des Teams in 17 Monaten aus 2800 Einzelteilen konstruiert<br />
hatten, kostete eine halbe Million Franken.<br />
Hätte Junod wie die Grossväter sein Geschick in einer<br />
Fabrik entfaltet, wäre er in den grossen Uhrenkrisen<br />
unter die Räder geraten. Als Künstler hingegen<br />
lebt er gut von seinen Automaten und Androiden.<br />
www.francoisjunod.com<br />
© Tages-Anzeiger; 14.9.2009<br />
Die Schaustellerlegende Fritz Müller<br />
nimmt Abschied<br />
Fritz Müller gehört zum Zürcher Knabenschiessen<br />
wie der Schützenkönig. Nun ist der<br />
75-Jährige auf seiner letzten Chilbi-Tournee.<br />
Von Helene Arnet<br />
Zürich/Winterthur. – Mit 75 werde er sesshaft,<br />
hat sich Fritz Müller vor Jahren schon<br />
vorgenommen. Nun ist es so weit. Am 21. Juni<br />
2009 hat der gebürtige Winterthurer den 75.<br />
Geburtstag gefeiert. Noch ein letztes Knabenschiessen<br />
mit seinem Kinder-Autoscooter, die<br />
Chilbi in Hinwil, die Olma und die Herbstmesse<br />
in Basel.<br />
Dann gehen Fritz Müller und seine Frau Bertha<br />
in den Ruhestand. Die Schaustellerlegende und
der Mitbegründer des Winterthurer Albanifestes<br />
verlässt die Chilbiplätze der Schweiz.<br />
In der Rössliriiti aufgewachsen<br />
Das Jaulen, Hämmern, Dudeln, Kreischen und<br />
Lachen ist offensichtlich immer noch Musik in<br />
seinen Ohren. Fritz Müller ist die Ruhe selbst<br />
im grossen Rummel des Knabenschiessens. Nur<br />
manchmal ärgert er sich. Wenn er sieht, wie die<br />
Angestellten in einem Kinderkarussell ein kleines<br />
Mädchen auf ein zu hohes Rössli setzen. «Das ist<br />
gefährlich, da muss man eingreifen, das käme bei<br />
mir nicht vor.» Fritz Müller hat die Schaustellerei<br />
im Blut. «Ich bin in der Rössliriiti aufgewachsen.»<br />
Seine Urgrossmutter Berta Müller<br />
betrieb schon 1881 in Zürich ein Salonkarussell,<br />
seine Grossmutter ist nach dem Tod ihres ersten<br />
Mannes ab 1910 mit ihren Karussells durch die<br />
ganze Schweiz gereist.<br />
Grossmutters Kettenflieger von 1937<br />
Eine leichte Zeit sei das bestimmt nicht gewesen,<br />
sagt Fritz Müller. Er erzählt von Rückschlägen<br />
und mehreren Neuanfängen. 1930 mit einer<br />
Schiessbude, später mit einer Schifflischaukel<br />
und 1937 mit einem Kettenflieger, den die Grossmutter<br />
in Wien kaufen konnte. Er war auf den<br />
Schweizer Chilbiplätzen eine Sensation.<br />
In die Schule gingen Fritz Müller und seine<br />
Schwester immer dort, wo gerade Jahrmarkt war.<br />
«Wir hatten manchmal zwanzig Lehrer pro Jahr.»<br />
Kein Problem sei das gewesen. Man habe ja nichts<br />
anderes gekannt. Geheiratet wurde bei Müllers<br />
in der Regel unter seinesgleichen. So stammt<br />
Fritz Müllers Frau Bertha aus einer deutschen<br />
Schaustellerdynastie, die einst mit Tierschauen unterwegs<br />
war. Müller sitzt auf den Holzstufen, die<br />
von dem Alpenblitz zu seinem Kinder-Autoscooter<br />
hinaufführt, und erzählt von vier Generationen von<br />
Schaustellern, als ob alles gestern gewesen wäre.<br />
In seiner Familiengeschichte spiegelt sich der<br />
rasende Fortschritt der Technik, welche die Menschen<br />
nicht nur auf dem Mond, sondern auch auf<br />
der Chilbi schwerelos werden liess. Zum Beispiel<br />
in der Zentrifuge. Einer jener Bahnen, die Müller<br />
im Ausland gekauft hatte und damit auf den Schweizer<br />
Jahrmärkten Furore machte.<br />
Sein Vater tüftelte an Autodromen herum, denn<br />
erst fuhren die Wagen einfach im Kreis. Lustiger<br />
aber, das war klar, sind «Tütschiautos». Doch die<br />
waren, da mit Benzin betrieben, in der Schweiz<br />
verboten. Vater und Sohn Müller entwickelten<br />
ein System, wie die Autos elektrisch betrieben<br />
werden konnten.<br />
Fritz Müller hat die Nase für den Nervenkitzel,<br />
aber auch für die romantisch-nostalgische Seite<br />
der Chilbi. Er betrieb einst Geisterbahnen und<br />
14<br />
jenes Schiff, das einen kopfüber stehen lässt.<br />
Eine Wilde Maus, aber immer auch ruhigere<br />
Karussells. Reitschulen. Das grosse Riesenrad,<br />
an dessen Fuss zurzeit sein kleiner Autoscooter<br />
steht, gehörte früher ihm, dann seiner ältesten<br />
Tochter. Seine jüngste Tochter betreibt am heurigen<br />
Knabenschiessen das Kinder-Kettenkarussell.<br />
Müllers Lieblingskarussell war jene<br />
Raupenbahn, bei der im rasenden Tempo sich<br />
plötzlich ein Tuch über die Wagen stülpte, unter<br />
dem man herrlich verborgen küssen konnte. Und<br />
seine Lieblingschilbi? «Das Albanifest, weil<br />
mein Vater und ich bei dessen Gründung mitbeteiligt<br />
waren.»<br />
Jazz als Chilbimusik<br />
Müller hatte oft mehrere Bahnen nebeneinander<br />
– Hits und Flops. In den Sechzigern reisten ihm<br />
viele Jugendliche nach. Nicht nur wegen seiner<br />
Bahnen, sondern vor allem wegen der Musik,<br />
die er abspielte. Fritz Müller ist ein grosser Jazzexperte<br />
und organisierte eine Zeitlang im Zürcher<br />
Kafi Marokko viel besuchte Jazzmatinees<br />
mit seiner Schallplattensammlung. Seit einigen<br />
Jahren sammelt er alte mechanische Musikorgeln<br />
und ist zum angesehenen Fachmann für Jahrmarktorgeln<br />
arriviert.<br />
Fritz Müller ohne Chilbi? Kaum vorstellbar. «Ich<br />
bin daran, ein Chilbimuseum aufzubauen», sagt<br />
er. Und wo wird er wohnen? Seine Frau hätte<br />
gerne ein Haus gekauft. Zusammen haben sie<br />
zeitweilig versucht, in einem Haus zu wohnen.<br />
«Es geht einfach nicht.» Nun haben sie in Kreuzlingen<br />
einen Standplatz gefunden. «Ich bin in<br />
einem Wohnwagen geboren, ich werde in einem<br />
Wohnwagen sterben.»<br />
Fritz Müllers Karussell-Museum in Müllheim TG<br />
ist nach Voranmeldung zu besichtigen.<br />
052 763 15 12, zuemue@bluewin.ch.<br />
www.karussell-orgeln.ch<br />
Fritz Müller
Termine 2010<br />
17. April GV des <strong>SFMM</strong> im Museum «Wunderwelt der mechanischen<br />
Musik» in Basel<br />
01.Mai 16. Drehorgelfestival anlässlich der LUGA in Luzern<br />
29./30. Mai Historisches Drehorgeltreffen in Lichtensteig<br />
19./20. Juni Drehorgeltreffen in Davos<br />
03./04. Juli Kaktus-Chilbi in Schafisheim<br />
24./25. Juli Drehorgeltreffen in Brunnen<br />
22. August Drehorgeltreffen in Einsiedeln<br />
27. August Drehorgelkonzert in der reformierten Kirche Zurzach<br />
28. August 22. Zurzacher Drehorgeltreffen<br />
05. September 27. Drehorgelmatinée in Lachen anlässlich der Lachner-Chilbi<br />
05. September Drehorgeltreffen auf dem Rigi<br />
05. September/31.Oktober Sonderausstellung Musikalische Romanzen von der Spieluhr<br />
bis zu Urgrossvaters Plattenspieler im Elztalmuseum in Waldkirch<br />
10. September Kirchen-Orgelkonzert und Drehorgel mit Hannes Meier<br />
11. September Drehorgeltreffen in Chur<br />
17./19. September Flugreise des <strong>SFMM</strong> nach Holland<br />
(3 Tage, diverse Besichtigungen, 2 Übernachtungen)<br />
10. Oktober 22. Drehorgeltreffen an der HELA in Laufenburg CH<br />
31. Oktober Thementag «Faszination Walzenspieldose»<br />
in Waldkirch im Breisgau<br />
Wiederholende Anlässe<br />
Immer am letzten Sonntag im Monat um 17.00 Uhr bei Kurt und Ursula Matter.<br />
Leichte Klassik am Sonntagnachmittag. Im Osthaus Wichterheer, Oberhofen.<br />
Eintritt frei. Kollekte.<br />
Drehorgel-Stamm<br />
Jeden 4. Donnerstag im Monat<br />
Hogg der Basler Drehorgelfreunde um 19.45 Uhr im Restaurant Ysebähnli,<br />
Utengasse 22, 4058 Basel.<br />
Wir freuen uns auf Gäste, die sich unter<br />
Tel. (+41) 61 681 71 24; Mob. Tel. (+41) 78 683 48 95 anmelden.<br />
15
Musik-Automat von Lambert,<br />
Paris, um 1915<br />
Rauchender Musiker mit<br />
Trompete. Mit 2 Marsch-<br />
Titeln (Waldhorn) – Das<br />
einzige bekannte Exemplar<br />
weltweit! –<br />
Interchangeable Musical<br />
Box von »Paillard«,<br />
um 1890<br />
Schwarzwälder Flötenuhr<br />
mit Figurenwerk,<br />
um 1820<br />
Musik-Automat »Zauberer<br />
mit verketteten Ringen«,<br />
um 1900<br />
Von Roullet et Decamps, 42<br />
cm hoch. – Ein ganz außergewöhnlicher<br />
»Illusionist«<br />
Pianola-Orchestrion »Beverly,<br />
Chicago«, um 1920<br />
Selbstspielendes amerikanisches Klavier mit<br />
Münzmechanik. Mit Becken, 2 Trommeln, Rassel,<br />
Holzblock, 24-tonigem Xylophon. Springende<br />
Tasten. Langspiel-Notenrolle mit 10 Titeln.<br />
– Hervorragend spielender Zustand!<br />
Zylinder Wechsel-Musical<br />
Box, um 1870<br />
»Nicole Freres« Forte-Piano<br />
Musical Box, um 1860<br />
»Savoyard«, um 1890<br />
Legendäre Polyphon-<br />
Spieldose für 39,8cm-<br />
Platten mit 100% authentischem<br />
Figuren-Nachbau<br />
mit drehender Hand!<br />
– Ein spektakuläres<br />
Museumsstück! –<br />
Für weitere Informationen besuchen Sie bitte ab Mitte April unsere Website:<br />
www.Breker.com / New Highlights, sowie youtube.com: AuctionTeamBreker<br />
Voll-illustrierter 2-sprachiger (deutsch/englisch) FARB-Katalog: 6 28.–<br />
Jahresabonnement (2 Kataloge): 6 50,– (credit cards, bank transfer, cash)<br />
☛ Einlieferungen sind jederzeit willkommen!☛<br />
Die Spezialisten für »Technische Antiquitäten«<br />
Postfach 50 11 19, 50971 Köln * Tel.: +49-2236-38 434-0 * Fax: +49-2236-38 43 430<br />
Otto-Hahn-Str. 10, 50997 Köln (Godorf) * e-mail: Auction@Breker.com<br />
Geschäftszeiten: Di – Fr 9 – 17 Uhr<br />
16<br />
L‘Épee ‚Ouvertüren‘ Musical<br />
Box mit Provenienz von Ruth<br />
Bornand, um 1850<br />
Musik-Automat<br />
»Vogelkäfig«<br />
von Bontems,<br />
um 1900<br />
Weltweit führende:<br />
Spezial-Auktion<br />
Interchangeable Musical Box<br />
von Langdorff, um 1870<br />
Six-Air Forte-Piano ‚Ouvertüren‘<br />
Musical Box, um 1860<br />
»Regina Automatic Disc<br />
Changer«, um 1900<br />
Größtes Modell für 12 Platten Working Model<br />
mit Ø 69 cm! »Brass Beam Engine«, um 1870<br />
Außergewöhnliches englisches<br />
münzbetriebenes Schau-Modell mit<br />
Gewichtsantrieb. Von: »William<br />
Tansley, Coventry«. – Unikat!<br />
– Ein fantastisches Sammlungsund<br />
Ausstellungsstück! –<br />
»Mechanische Musik-Instrumente«<br />
29. Mai 2010<br />
UNSERE INTERNATIONALEN REPRÄSENTANTEN:<br />
England: Tel: (07779) 637317 * Brian Chesters, Tel. 07970-923 301 * g4nxw@hotmail.co.uk<br />
U.S.A.: Lee Richmond, ‘The Best Things’, Tel. (703) 796-5544 * Fax (703) 766-0966 * BREKER@TheBestThings.com<br />
Japan: Murakami Taizo, Tel./Fax (06) 6845-8628 * murakami@ops.dti.ne.jp<br />
»Monopol Excelsior«, um 1900<br />
France: Pierre J. Bickart, Tel. (01) 43 33 86 71 * AuctionTeamKoln@aol.com<br />
Für 55,3cm-Metallplatten.<br />
Australien & Neuseeland: Dieter Bardenheier, NZ, Tel./Fax -/64/(09) 817-7268 * dbarden@orcon.net.nz<br />
Spielt exzellent. Äußerst selten. China: Jiang Feng, Tel. (China): 0086-1386-2062075, (Deutschland): 0179-484 5391, jiangfengde@gmail.com<br />
– Original-Zustand! –<br />
Russland: Russian Antique Inc., Tel. +7 812 438 1525 * Fax +7 812 438 1526, PR@antiq.info (Kataloge)<br />
Polyguide Ltd. Moscow,Tel. (925) 740-66-03, Tel/Fax (985) 999-93-55, ml.mediaservice@gmail.com (Kauf & Verkauf von Auktionsware)<br />
Musik-Chalet mit Spielwerk<br />
von »Bremond«, um 1870<br />
Flötenuhr<br />
»Georg Printz Regent<br />
von England«, um 1820<br />
Mit 5-Melodienwerk<br />
klassischer deutscher<br />
Lieder!<br />
29-05_Musik_A4_d_NEU.indd 1 25.03.10 09:28