27.02.2013 Aufrufe

Die «Schaffhauser Nachrichten

Die «Schaffhauser Nachrichten

Die «Schaffhauser Nachrichten

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Seit 150 Jahren<br />

im Herzen der Region<br />

Beilage zum 150-jährigen Bestehen der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» Samstag, 28. Mai 2011<br />

Hanspeter Lebrument, Präsident des Verbandes Schweizer<br />

Medien: Weil die ‹Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong>› so klar stets<br />

einen eigenen, von starkem Föderalismus geprägten Kurs<br />

gehalten haben, waren sie auch wenig verwundbar, wenn die grossen<br />

Zürcher Verlagshäuser, sei es nun die <br />

oder der , liebkosend oder mit Waffengewalt<br />

versuchten, Schaffhausen ins eigene Reich einzubringen und aus<br />

dem scharfen Intelligenz- und Meinungsblatt eine unklare, sich<br />

jedem zur Verfügung haltende Forumszeitung zu machen. Doris<br />

Leuthard, Bundesrätin: In turbulenten Zeiten waren die SN immer<br />

ein stabiler Wert – für die Leser, für die Wirtschaft und für die<br />

Politik. Dr. Reto Dubach, Regierungspräsident: <strong>Die</strong> ‹Schaffhauser<br />

<strong>Nachrichten</strong>› sind gleichzeitig auch Botschafter der Region Schaffhausen<br />

in der Schweiz. Dr. Hans Heinrich Coninx, Ehrenpräsident<br />

des Verbandes Schweizer Medien, Verleger des ‹Tages-Anzeigers›<br />

bis 2007: Ich wünsche mir, dass die ‹Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong>›<br />

ihrem Kurs treu bleiben. Dr. Konrad Hummler, Verwaltungsratspräsident<br />

‹Neue Zürcher Zeitung›: Hier haust ein gesundes Bürgertum<br />

– zusammengehalten von einer hervorragenden Regionalzeitung.<br />

Dr. Christoph Blocher, alt Bundesrat: Ich wünsche den ‹Schaffhauser<br />

<strong>Nachrichten</strong>› für die Zukunft dasselbe wie unserem<br />

Land: Mögen beide trotz Tendenz zur Vermassung ihre<br />

innere Freiheit und äussere Un abhängigkeit bewahren.


2 Zeitung Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Inhalt<br />

ERSTER Bund – zEiTung<br />

3 Leitartikel von Norbert Neininger<br />

5 Grussworte der Politiker<br />

7 Über Carl Oechslin und Max U. Rapold<br />

9 Fotoseite Rolf Wessendorf<br />

10 <strong>Die</strong> Köpfe hinter der Zeitung<br />

15 150 Jahre im Überblick<br />

zWEiTER Bund – WiRTSchafT<br />

17 Vom Gewicht der Seele<br />

19 An der langen Leine geführt: Cilag<br />

21 Mehr sein, als ist: <strong>Die</strong> Marken<br />

2 3 Just in sequence<br />

2 5 Fotoseite Rolf Wessendorf<br />

2 7 Holding- statt Industriekanton<br />

28 Schaffhauser KMU entdecken die Welt<br />

31 In der Welt zu Hause<br />

32 Vergangenheit hat Zukunft<br />

dRiTTER Bund – poliTik<br />

33 Der Hort des Analogen<br />

35 Konkordanz und Kampf<br />

37 Politik und Medien im Wandel<br />

38 Schaffhausen im Fokus<br />

41 Fotoseite Rolf Wessendorf<br />

43 Der grosse Zielkonflikt<br />

44 <strong>Die</strong> Gemeinden der Region<br />

47 Primär Standesvertreter<br />

viERTER Bund – gESEllSchafT<br />

49 Handys verändern die Welt<br />

51 Zwischen Leben und Tod<br />

52 Mutter sein, früher und heute<br />

55 Eine Erfolgsgeschichte<br />

57 Fotoseite Rolf Wessendorf<br />

59 <strong>Die</strong> Schule im Wandel<br />

61 SMS: Immer auf Sendung<br />

63 Das digitale Kinderzimmer<br />

fünfTER Bund – kulTuR<br />

65 <strong>Die</strong> Welt der Dauerklicker<br />

67 Umstrittenes Erbe einer Epoche<br />

69 Das zerbrechliche Blut<br />

71 Viel mehr als Bim Bam Bum<br />

73 Fotoseite Rolf Wessendorf<br />

75 Kultur wertet den Standort auf<br />

77 Kunst brauche ich zum Leben<br />

79 Kleine Stadt, grosse Kultur<br />

SEchSTER Bund – SpoRT<br />

81 Der Körper als Projekt<br />

83 Macher im Schaffhauser Sport<br />

87 Regionalsport in zwölf Monaten<br />

89 Fotoseite Rolf Wessendorf<br />

91 <strong>Die</strong> Krux mit der «Sportstadt»<br />

93 Bosman-Urteil und die Folgen<br />

95 Sport und Vaterland<br />

Bodenständig und offen<br />

Bodenständig und der Schweiz verbunden,<br />

grenzüberschreitend und offen: so präsentieren<br />

sich der Kanton Schaffhausen und<br />

die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>». In der besonderen<br />

geografischen Lage, direkt an der Landesgrenze<br />

und auch noch «ennet» dem Rhein gelegen, ist<br />

eine mediale Kultur entstanden, die heute selten<br />

zu finden ist. Getreu dem Beinamen «Intelligenzblatt»<br />

sind die SN seit 150 Jahren dem sauberen<br />

<strong>Nachrichten</strong>journalismus verpflichtet.<br />

Zeitungen wie die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

nehmen ihren Auftrag dann umfassend wahr, wenn<br />

sie ihren Blick auch über den Rand der Region<br />

hinaus richten. Mit der Einbettung der nationalen<br />

und internationalen Ereignisse in das regionale<br />

Umfeld helfen sie den Lesern, das nationale und<br />

internationale Geschehen richtig einzuordnen<br />

und zu gewichten. <strong>Die</strong>sen Grat zwischen regiona­<br />

VON BundESRäTin doRiS lEuThaRd<br />

ler, nationaler und internationaler Berichterstattung<br />

zu begehen, ist nicht einfach und stellt hohe<br />

Anforderungen an die Publizistik. <strong>Die</strong> SN machen<br />

das gut!<br />

Wer sich die eigenständige Recherche über<br />

die Vorkommnisse in der Region und die fundierte<br />

Umsetzung der «grossen Politik» in die «kleine<br />

Politik» auf seine Fahne geschrieben hat, der wird<br />

auch – wie die SN – den rasanten Wandel im medialen<br />

Bannwald überstehen können. Was nützt<br />

es mir als Leser, die News von der letzten Revolte<br />

im arabischen Raum im Minutentakt zu erhalten,<br />

wenn die Hintergründe fehlen? Wichtig sind die<br />

saubere Analyse, die Beleuchtung und Kommentierung<br />

von Ereignissen, die kluge Schlussfolgerung<br />

– auch hinsichtlich möglicher Auswirkungen<br />

auf die Schweiz, auf die Region. Wichtig ist es, die<br />

Bedürfnisse einer treuen Leserschaft mit einer<br />

korrekten und umfassenden Berichterstattung<br />

über das lokale und regionale Geschehen abzudecken.<br />

Durch die unmittelbare Verknüpfung von<br />

Politik, Sport und Wirtschaftsreportage prägen<br />

die regionalen Medien die Diskussion im Ort.<br />

Deshalb sind Zeitungen wie die SN ein unverzichtbarer<br />

Teil unserer Demokratie – ganz besonders<br />

in einer Zeit mit einem Übermass an Informationen.<br />

Der Staat kann nur dann zum Wohle der<br />

Bürger wirken, wenn alle, auch die Medien, die<br />

ihnen zugedachte Rolle qualitätsbewusst und<br />

seriös umsetzen.<br />

Ich gratuliere den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

zum 150. Geburtstag. In turbulenten Zeiten waren<br />

die SN immer ein stabiler Wert – für die Leser, für<br />

die Wirtschaft und für die Politik. Für die Zukunft<br />

wünsche ich dem Verlag Standhaftigkeit und der<br />

Redaktion weiterhin viel Biss.


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Zeitung 3<br />

Überblick und Orientierung<br />

Hinter uns liegt ein an Horrormeldungen<br />

und Hiobsbotschaften reiches Jahr. Nichts<br />

scheint mehr zu klappen […] kaum Zeichen<br />

einer Wendung im Umgang mit der Natur,<br />

statt dessen lebensbedrohende Umweltkatastrophen<br />

– Tschernobyl, Basler Chemiebrand», schrieb<br />

Martin Schweizer in seinem Leitartikel an der<br />

Spitze der (auch im Rückblick) hervorragenden<br />

Beilage zu unserem 125­Jahr­Jubiläum. Das düstere<br />

Fazit mündete in die Frage: «Wie wird die<br />

Welt in 25 Jahren, anno 2011, aussehen? Könnte<br />

es sein, dass unsere Nachfahren feststellen, die<br />

Menschheit habe damals, also 1986, geistig noch<br />

in den Kinderschuhen gesteckt? Es wäre schön,<br />

wenn unsere weltbewegenden Probleme einer<br />

kommenden Generation lächerlich erschienen!»<br />

Es wird keinen, am wenigsten den Autor selber,<br />

überraschen, dass die damaligen Probleme<br />

heute keineswegs lächerlich scheinen oder gar<br />

gelöst wären. Und an die Stelle der wenigen, die<br />

uns heute nicht mehr kümmern – wie etwas das<br />

Waldsterben –, sind neue getreten: der Fanatismus<br />

und Terrorismus, die zunehmende Ökonomisierung<br />

und Entsolidarisierung oder die durchgehende<br />

Mathematisierung; mit der Digitalisierung<br />

verschwinden Datenschutz und Diskretion. Dem<br />

Ende des Kalten Krieges, das sich 1986 noch nicht<br />

abzeichnete, folgte keineswegs ein umfassender<br />

Weltfriede, die Globalisierung brachte keineswegs<br />

Wohlstand für alle. Und, dies betrifft uns in<br />

besonderem Masse, der Medienwandel führte zum<br />

Ausdünnen des «Bannwaldes der Demokratie»,<br />

zum Verschwinden zahlreicher eigenständiger<br />

Zeitungen also.<br />

Dem Vierteljahrhundert seit 1986 widmen<br />

die Autorinnen und Autoren dieser Beilage ihre<br />

besondere Aufmerksamkeit, 25 Jahre schien uns<br />

eine überblick­ und beschreibbare Zeitspanne.<br />

Was hat sich warum und wie verändert, und in<br />

welchem Ausmass betreffen uns diese Veränderungen?<br />

So lautet die Frage, auf die wir Antworten<br />

gesucht haben und mancherorts auch fanden.<br />

Dabei stellen wir fest: Schnelllebig, noch schnell­<br />

Es gibt Ausnahmen im lichter gewordenen<br />

Wald der Schweizer Tageszeitungen. Wer<br />

auch immer in den letzten dreissig Jahren<br />

seine Tageszeitung aus­ und umgebaut hat, hat<br />

sich die Frage gestellt: Wie kann ich es allen recht<br />

machen? Solange ich die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

kenne, und es sind dies vor allem die Wirkungszeiten<br />

der Verleger und Chefredaktoren<br />

Max Rapold und Norbert Neininger, war diese<br />

Zeitung eine Ausnahme. Beide haben geradeaus<br />

geschaut. Sie glaubten und glauben, dass es<br />

zweierlei Arten von Abonnenten gibt: jene, die mit<br />

der klaren Haltung einer Zeitung einig gehen, und<br />

die anderen, die sich darüber ärgern. Auch mit<br />

den Dritten, die nichts mehr von einer Zeitung<br />

wissen wollen, wenn sie nicht die eigene Meinung<br />

abbildet, muss man leben können.<br />

Weil die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» so klar<br />

stets einen eigenen, von starkem Föderalismus<br />

geprägten Kurs gehalten haben, waren sie auch<br />

wenig verwundbar, wenn die grossen Zürcher<br />

Verlagshäuser, sei es nun die «Neue Zürcher Zeitung»<br />

oder der «Tages­Anzeiger», liebkosend oder<br />

mit Waffengewalt versuchten, Schaffhausen ins<br />

eigene Reich einzubringen und aus dem scharfen<br />

Intelligenz­ und Meinungsblatt eine unklare, sich<br />

jedem zur Verfügung haltende Forumszeitung zu<br />

machen. Gut, dass in diesem Lande die <strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>» möglich sind. Ich gratuliere<br />

zu dieser ausserordentlichen Leistung.<br />

Hanspeter Lebrument<br />

Präsident Verband Schweizer Medien<br />

lebiger ist sie geworden, unsere Zeit, verändert<br />

hat sich unser Alltag in den letzten 25 Jahren in<br />

ungewohntem Ausmass. Und doch: Der Menschen<br />

Bedürfnisse sind seit Jahrtausenden dieselben<br />

geblieben, wir alle suchen nach Geborgenheit,<br />

Gerechtigkeit und Unversehrtheit – und seit<br />

nunmehr 150 Jahren spiegelt sich diese Sehnsucht<br />

der Bewohner unserer Region in ihrer Zeitung,<br />

dem ehemaligen «Intelligenzblatt», den heutigen<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>». Auch bei diesem<br />

Jubiläum erinnern wir an folgende – programmatische<br />

– Sätze der Gründer: «Unser Bestreben<br />

geht nach dem Handeln, das durch den gesunden<br />

Menschenverstand normiert ist […] Wir werden<br />

bald Gelegenheit haben, zu zeigen, dass wir fähig<br />

sind, eine Meinung zu haben und kühn genug, sie<br />

auszusprechen.» Und: «Ein vernünftiger Mensch<br />

wird dies nicht übel nehmen und um das Urtheil<br />

von Querköpfen bekümmern wir uns nicht. So<br />

glauben wir dem Staatswohle zu dienen und das<br />

Publikum wird uns seine Achtung nicht versagen,<br />

wenn es auch nicht immer mit uns einverstanden<br />

sein sollte.»<br />

Mit Dankbarkeit und Respekt erinnern wir<br />

uns an unsere Vorgänger, darunter vor allem an<br />

Carl Oechslin und Max U. Rapold; sie beide prägten<br />

die jüngere Vergangenheit dieses Unternehmens<br />

und seine Zeitung. Vor allem MR – bis 1994<br />

Chefredaktor – ist den älteren Mitarbeitern der<br />

«Meierei» als debattierfreudiger, streng denkender,<br />

aber grosszügig handelnder Patron in guter<br />

Erinnerung. Wer ihm widersprechen wollte,<br />

brauchte allerdings Zeit und Standhaftigkeit für<br />

die unweigerlich folgende Auseinandersetzung;<br />

man verliess dabei schnell die Tagesaktualität<br />

und landete im Grundsätzlichen. Für MR waren<br />

Medien «Treuhänder des freien Austausches der<br />

Vernünfte», und um das Wertepaar Freiheit und<br />

Verantwortung drehte sich manches Gespräch bis<br />

tief in die Nacht. Obwohl ihm rein Formales suspekt<br />

war und er die Entwicklung zur produzierten<br />

Zeitung (mit Farbbildern, vorgegebener Grafik<br />

und damit eingeschränkten Textlängen) höchst<br />

<strong>Die</strong> Erstausgabe erschien 1861, als Italien<br />

den Absolutismus überwand, als der amerikanische<br />

Bürgerkrieg zur Befreiung<br />

der Sklaven begann, als die junge eidgenössische<br />

Armee unter dem Kommando des Genfers Louis<br />

Aubert ihr erstes Manöver in den Alpen – dem<br />

späteren Reduit – unternahm. <strong>Die</strong> Zeitung entstand<br />

als «Intelligenzblatt», in der Kaufleutenstube<br />

arbeitete die Redaktion.<br />

Solches Miteinander von Geist und Geld soll in<br />

den nächsten 150 Jahren erst recht Programm<br />

sein, auch wenn der Zeitgeist das Intellektuelle<br />

gering schätzt. Den Menschenrechten und der<br />

Freiheit – zwei bürgerlichen Errungenschaften –<br />

mag das Leib­, Intelligenz­ und unerlässliche Regionalblatt<br />

treu bleiben: Von Herzen Glückwunsch<br />

zu anderthalb Jahrhunderten Kontinuität in wechselhaften<br />

Zeiten!<br />

Roger de Weck<br />

Generaldirektor SRG<br />

von Norbert NeiNiNger, Chefredaktor<br />

widerwillig akzeptierte, erkannte er – auch als<br />

Präsident des Zeitungsverlegerverbandes – die<br />

Zeichen der Zeit als einer der Ersten und gab grünes<br />

Licht für den Ausbau des Verlages zum regionalen<br />

Medienunternehmen. Und Max U. Rapold<br />

hatte, im Einvernehmen mit der Familie Oechslin,<br />

zuvor jene Voraussetzungen geschaffen, welche<br />

für Kontinuität und Stabilität sorgten und sorgen:<br />

Mit der CO­Stiftung als Hauptaktionärin konnte<br />

und kann die Meier + Cie AG die Unabhängigkeit<br />

ins Zentrum ihres Wirkens stellen. <strong>Die</strong> (überlebensnotwendigen)<br />

Gewinne kommen dabei zur<br />

Hauptsache dem Unternehmen und den Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern zugute.<br />

<strong>Die</strong> Redaktion und der Verlag bilden im Medienunternehmen<br />

eine Einheit, wer hier einen unlösbaren<br />

Konflikt erkennt, dem sei folgendes Wort<br />

meines Vorgängers entgegengehalten: «Weder<br />

liegt der Hauptzweck eines Zeitungsunternehmens<br />

in seinem geschäftlich­finanziellen Erfolg,<br />

noch handelt es sich beim Zeitungsjournalismus<br />

um frei schwebende Schriftstellerei.» Medien sind<br />

Ort der Debatte und ein Marktplatz, auf dem<br />

Meinungen frei und unzensiert geäussert werden<br />

können. In den Jahrzehnten verlagerte sich die<br />

Diskussion aus den Hinterzimmern und Sälen<br />

noch mehr in Radio­ und Fernsehstationen und<br />

die Zeitungen; das Internet schuf eine weitere<br />

Dimension des Meinungsaustausches. So sind<br />

manche Zeitungen zu Forumsblättern geworden,<br />

deren Redaktionen ihre Meinung – so sie denn<br />

eine hätten – möglichst nicht veröffentlichen.<br />

Ganz anders, auch in ihrem 150. Jahr, die <strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>»: Sie stehen allen Strömungen<br />

dieser Region offen, und wer etwas zu sagen<br />

hat, soll es in unserer Zeitung tun können. Darüber<br />

hinaus aber stehen wir zu unserer tradierten<br />

Grundhaltung, die in wenigen Sätzen umschrieben<br />

werden kann: Wir sind für verantwortete<br />

Freiheit, treten für Föderalismus, Subsidiarität<br />

und eine unabhängige, selbstbestimmte Gemeinschaft<br />

ein; die direkte Demokratie und die schweizerische<br />

Neutralität scheinen uns unverzichtbar.<br />

Ich melde mich aus meinem verlegerischen<br />

Ruhestand zurück, um den <strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>» zu ihrem 150. Geburtstag sehr<br />

herzlich zu gratulieren.<br />

Was verdient, aus diesem Anlass in Kürze<br />

besonders hervorgehoben zu werden? <strong>Die</strong> <strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>» haben bis heute ihre publizistische<br />

Unabhängigkeit erhalten, und sie verstehen<br />

sich zu Recht als eine der letzten Repräsentantinnen<br />

der sogenannten «Meinungspresse».<br />

<strong>Die</strong>ses bewusst sorgsam gehütete Selbstverständnis<br />

ist das eigentliche Qualitätsmerkmal dieser<br />

Zeitung. Es wird unterstrichen durch die Tatsache,<br />

dass ihr Verleger jede Woche selbst in einem<br />

Kommentar Stellung zum aktuellen Geschehen<br />

nimmt. Und darin liegt wohl auch der Erfolg dieser<br />

Zeitung. Sie erfüllt seit jeher die Erwartungen<br />

ihrer Leserinnen und Leser, die keine Wischiwaschihaltungen,<br />

sondern klare Standpunkte in<br />

ihrem Leibblatt lesen wollen, auch wenn sie mit<br />

deren Inhalt manchmal nicht einverstanden sind.<br />

Ich wünsche mir, dass die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

ihrem Kurs treu bleiben.<br />

Dr. Hans Heinrich Coninx<br />

Verleger des «Tages-Anzeigers» 1987–2007,<br />

Ehrenpräsident des Verbandes<br />

Schweizer Medien<br />

Bewährtes soll Neuem nur dann weichen, wenn<br />

dieses besser ist als das Alte, Bewährte.<br />

Keiner Partei, aber liberalem Gedankengut<br />

fühlen wir uns verpflichtet, und für die soziale<br />

Marktwirtschaft treten wir ein. Vor allem aber:<br />

Unsere Region Schaffhausen und ihre Bewohnerinnen<br />

und Bewohner bilden jene Gemeinschaft,<br />

die wir nach bestem Wissen und Gewissen informieren<br />

und auch unterhalten wollen.<br />

Wir erleben derzeit eine Rückbesinnung auf<br />

vergessen geglaubte Werte und Überzeugungen –<br />

mit der Globalisierung geht eine Wertschätzung<br />

von Tradition und Heimat einher; beides wird<br />

zunehmen: <strong>Die</strong> Offenheit gegenüber der grossen<br />

Welt, aber auch die Verbundenheit mit der nächsten<br />

Umgebung. Global denken, lokal handeln<br />

heisst die Devise der nächsten Jahre, und selbstverständlich<br />

kann nur Bestand haben, was auch<br />

im Kleinen Sinn macht.<br />

Eine Regionalzeitung kann die Welt nicht<br />

verändern. Wir können aber aufzeigen, welche<br />

Konsequenzen Entscheide auf unser aller Leben<br />

haben; wir können den Stil der öffentlichen<br />

Debatte mitgestalten und uns als eine weitere<br />

Stimme in öffentlichen Fragen zu Gehör bringen.<br />

Das tun wir in der Überzeugung, dass angesichts<br />

des steten <strong>Nachrichten</strong>­ und Informationsstroms<br />

der Wunsch nach Überblick und Orientierung<br />

wachsen wird. Das soll die Zeitung, sollen die<br />

Medien leisten.<br />

Es haben sich in den letzten 25 Jahren grosse<br />

Medienunternehmen etabliert, manche regionale<br />

Zeitung ist verschwunden oder existiert nur noch<br />

als Hülle. Nur die eigene Zeitung, die eigenen Medien<br />

können die Ereignisse in der gebotenen Sachlichkeit<br />

und Tiefe darstellen – oder anders gesagt:<br />

Wir vertreten den Schaffhauser Standpunkt und<br />

schauen von hier aus auf die Welt. Gleichzeitig<br />

aber erinnern wir uns an den ersten Leitartikel<br />

des «Intelligenzblattes», wo es 1861 hiess: «Dann<br />

wollen wir uns auch bestreben, nicht auf die närrische<br />

Idee zu verfallen, dass der Kanton Schaffhausen<br />

grösser sei als die Welt.»<br />

Aus dem sauberen Dörfchen mit seinen<br />

weissgekalkten, steinernen Reihenhäusern<br />

machten wir uns auf den Weg über die<br />

weiten Randenhöhen mit den stattlichen Einzelbäumen<br />

und den harmonisch gewellten Magerwiesen,<br />

fast ohne Besiedlung.» <strong>Die</strong>se Zeilen sind<br />

nicht 150 alt, sondern mein Vater hat sie anlässlich<br />

seiner Wanderung von Bargen nach Chiasso<br />

im Jahr 1982 verfasst. <strong>Die</strong> Verbundenheit mit der<br />

Munotstadt hat sich vom Vater auf den Sohn übertragen.<br />

Als es darum ging, die Ausbreitung der<br />

Bank Wegelin & Co. in der Schweiz voranzutreiben,<br />

stand sie ganz oben auf der Liste. Weshalb?<br />

Schaffhausen hat sich bis heute nicht nur seine<br />

intakte Landschaft bewahrt, sondern auch den<br />

freien Geist. Hier haust ein gesundes Bürgertum<br />

– zusammengehalten von einer hervorragenden<br />

Regionalzeitung.<br />

Dr. Konrad Hummler<br />

geschäftsführender Teilhaber<br />

Wegelin & Co. Privatbankiers,<br />

Verwaltungsratspräsident<br />

«Neue Zürcher Zeitung»


4 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Schaffhauser Lebensqualität - unser gemeinsames Ziel<br />

Wir W gratulieren zum Jubiläum und wünschen weiterhin viel Erfolg!<br />

<strong>Die</strong> Schaffhauser Wirtschaftsverbände (KGV und IVS)<br />

gratulieren den Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong> zum 150-jährigen Bestehen Bestehen.<br />

KGV Kantonaler Gewerbeverband<br />

Schaffhausen<br />

Dachverband der KMU<br />

Auf eine eine weiterhin weiterhin gute gute Partnerschaft Partnerschaft !<br />

!<br />

Paradiesische<strong>Nachrichten</strong><br />

Stellen Siesichvor,die Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong> hätteninden letzten 150 Jahren nur<br />

positiv über unsereRegion berichtet.Wäredas nicht zu langweilig? Deshalb möchten<br />

wir den Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong> zum Jubiläum gratulieren und uns bedanken für<br />

die kritischen Töne, auch über das kleine Paradies. Eine andere Meinung stimuliert<br />

und spornt zu ausserordentlichen Leistungen an. Und so freut es uns,dassdie Botschaft<br />

«Schaffhausen. Einkleines Paradies»nicht nur in unserer Region, sondernauch im<br />

Zielgebiet «AgglomerationZürich» immer besserankommt.www.einkleinesparadies.ch<br />

A1270628<br />

A1270308


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Zeitung 5<br />

Unsere Stadt präsentiert sich in beneidenswerter<br />

Form. <strong>Die</strong> neuen Einwohnerinnen<br />

und Einwohner, die Mitarbeitenden von<br />

angesiedelten Firmen und unsere Besucherinnen<br />

und Besucher aus aller Welt beglückwünschen<br />

uns zu unserer grossartigen Altstadt inmitten<br />

einer intakten Landschaft. Sie loben die Freundlichkeit<br />

der Menschen und unsere Offenheit gegenüber<br />

der Welt. <strong>Die</strong>sen Blumenstrauss reiche ich<br />

gerne weiter an die Schaffhauser Bevölkerung,<br />

an die Unternehmen, an die Kulturschaffenden,<br />

an die Sportvereine, an die Naturverbundenen, an<br />

Wenn eine schweizerische Tageszeitung<br />

in beachtenswerter Selbständigkeit ihr<br />

150-jähriges Bestehen feiern darf, ist<br />

das allein schon Grund zur Freude. Wenn es dann<br />

erst noch die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» sind,<br />

ist es eine doppelte Freude.<br />

Ich gestehe, dass dies auch etwas mit meiner<br />

Vergangenheit zu tun hat – aber nicht nur!<br />

His torisch ist für mich die Kindheitserinnerung,<br />

weil die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» – in meinem<br />

Elternhaus wurde stets liebevoll vom <strong>«Schaffhauser</strong><br />

Intelligenzblatt» gesprochen – ebenso selbstverständlich<br />

ins Pfarrhaus in Laufen am Rheinfall<br />

flatterten wie die «Neue Zürcher Zeitung», die<br />

«Andelfinger Zeitung» und der «Nebelspalter».<br />

Damals wurde bei Alt und Jung noch eifrig gelesen.<br />

Und im Zürcher Weinland interessierten<br />

auch die Ereignisse des nördlichen Nachbarkantons.<br />

War doch unsere zürcherische Wohngemeinde<br />

mehr auf die Stadt Schaffhausen als auf<br />

die eigene Hauptstadt Zürich ausgerichtet. <strong>Die</strong>s<br />

galt umso mehr, als die eigene Kantonshauptstadt<br />

für uns nur von Schaffhausen aus und erst noch<br />

über deutsches Gebiet zu erreichen war.<br />

<strong>Die</strong> <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» verstanden<br />

sich seit der Nachkriegszeit als parteiunabhängiges<br />

Meinungsblatt bürgerlich-liberaler Richtung.<br />

Verleger und Chefredaktor Max U. Rapold, langjähriger<br />

Sekretär und Stiftungsratspräsident der<br />

Vereinigung für freies Unternehmertum, setzte<br />

sich für eine bemerkenswerte inhaltliche und formelle<br />

Eigenständigkeit der Zeitung ein. <strong>Die</strong>s kam<br />

Grussworte der Politiker<br />

<strong>Die</strong> <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» befassen sich seit ihrer Gründung intensiv mit der Politik und versuchen auch, sie mit Berichten und<br />

Kommentaren mitzugestalten und zu beeinflussen. Hier nun befassen sich Politiker mit den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>».<br />

die Engagierten im Sozialbereich und an alle, die<br />

sich für die Gemeinschaft und für den Gemeinsinn<br />

einsetzen. Unser Wohlstand und unsere Freiheit<br />

sind keine Selbstverständlichkeit. Sie zeichnen<br />

uns aus, weil wir den Dingen um uns und uns<br />

gegenseitig Sorge tragen.<br />

Darüber berichten die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

seit 150 Jahren engagiert und differenziert<br />

und sind damit ein wichtiger und lebendiger<br />

Teil des Ganzen. Dafür bedanke ich mich und<br />

wünsche unserer Zeitung nur das Beste.<br />

Thomas Feurer, Stadtpräsident<br />

insbesondere 1992 – dem Jahr des grossen Abstimmungskampfes<br />

über den Vertrag betreffend<br />

den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) – zum<br />

Ausdruck. Nach seriöser Prüfung der Faktenlage<br />

und vielen innerlichen Kämpfen kam Rapold zum<br />

Schluss, dass ein EWR-Vertrag zwischen der<br />

Schweiz und der Europäischen Union die Grundsäulen<br />

unseres Landes im Innersten treffen und<br />

die Freiheit, Unabhängigkeit und Wohlfahrt empfindlich<br />

schwächen würde. Denn zum einen beinhaltete<br />

der EWR-Vertrag die obligatorische<br />

Übernahme von noch nicht bekanntem EU-Recht,<br />

zum andern bedeutete er lediglich die Vorstufe<br />

zum EU-Beitritt. Er war in seinem Wesen ein<br />

Kolonialvertrag.<br />

Ebenso mutig wie einsam kämpften die <strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>» damals als einzige Tageszeitung<br />

der Schweiz gegen diesen EWR – gegen<br />

die geballte Macht der Classe politique von Wirtschaftsverbänden<br />

und Gewerkschaften, gegen<br />

sämtliche kulturellen und gesellschaftlichen Meinungsführer.<br />

Obwohl seinerzeit für den Fall eines<br />

Nein an der Urne nicht weniger als der Untergang<br />

der Schweiz vorausgesagt wurde, gab die seitherige<br />

Entwicklung dem Weitblick Rapolds recht.<br />

<strong>Die</strong> Grenzlage weit im Norden mag die Sensibilität<br />

für die intellektuelle Fehlkonstruktion der<br />

EU gefördert haben; jedenfalls folgte das Schaffhauser-<br />

wie das Schweizervolk der Nein-Parole<br />

der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>».<br />

Obwohl ich selbst etwas abgeraten hatte, hatte<br />

der Verlag Meier + Cie AG Schaffhausen, in wel-<br />

<strong>Die</strong> <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>», das ist<br />

ein Stück Schaffhausen und gehört zum<br />

Start in den Tag wie der Morgenkaffee. <strong>Die</strong><br />

SN sind seit 150 Jahren ein fester Wert im Kanton<br />

Schaffhausen. Ohne die täglichen SN wäre unsere<br />

Region wohl nicht das, was sie heute ist. Bis heute<br />

konnten sie ihre Eigenständigkeit behalten; das<br />

verdient Respekt! Sie sind eine identitätsstiftende<br />

Zeitung, die <strong>Nachrichten</strong> aus allen Kantonsteilen<br />

vereint und einen Blick in die deutsche Nachbarschaft<br />

beziehungsweise in die Nachbarkantone<br />

erlaubt. So hat sie sich im Verlauf der Zeit zu einer<br />

eigentlichen Agglomerationszeitung entwickelt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» sind gleichzeitig<br />

auch Botschafter der Region Schaffhausen in der<br />

Schweiz: Sie berichten über die vielfältigen politischen,<br />

wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen<br />

Aktivitäten. Sie gehören nicht nur zur Lektüre<br />

von «Insidern», sondern von vielen anderen,<br />

die in unserem kleinen Paradies leben. <strong>Die</strong> SN<br />

informieren, polarisieren und werden diskutiert.<br />

Viele lieben sie, manche ärgern sich (manchmal)<br />

über sie. Für mich entscheidend ist die positive<br />

Gesamtbildung.<br />

Liebe <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>», alles Gute<br />

zum Geburtstag. Ich freue mich auf weiterhin<br />

gute Zusammenarbeit.<br />

Reto Dubach, Regierungspräsident<br />

chem die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» erscheinen,<br />

den Mut, auch die erste Biografie über meine<br />

Person herauszugeben. «Liebi Fraue und Manne»<br />

lautete der Titel von Wolf Mettlers erfolgreichem<br />

Buch von 1995. Später folgte das Führungsbuch<br />

von Matthias Ackeret über das «Blocher-Prinzip»,<br />

das bereits in der 5. Auflage erscheint. Unter Chefredaktor<br />

Rapold wurde das konzessionierte Regionalradio<br />

Munot und später unter Norbert Neininger<br />

das Schaffhauser Fernsehen gegründet. Wie<br />

zu Chefredaktor Rapold ergab sich für mich auch<br />

<strong>Die</strong> <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» sind eine<br />

marktmächtige Zeitung. Ihre Herausgeber<br />

hören es zwar nicht gerne, aber<br />

nach gängigen Massstäben publizieren sie ein<br />

Monopolblatt. Sie haben als täglich erscheinende<br />

Regionalzeitung keine wirkliche Konkurrenz<br />

mehr. <strong>Die</strong>sen Anspruch erhebt nicht einmal die<br />

«schaffhauser az», deren Verwaltungsrat ich präsidiere,<br />

auch wenn wir der dominanten «Vordergass-Tante»<br />

wenigstens einmal die Woche eine<br />

andere Sicht auf unsere Region entgegensetzen.<br />

Direkte Demokratie braucht öffentlichen Meinungswettbewerb,<br />

publizistische Vielfalt. Monopole<br />

werden ihren Ansprüchen nicht gerecht.<br />

Darum verbinde ich mit meiner Gratulation<br />

zum 150. Geburtstag den Wunsch, das «Intelligenzblatt»<br />

möge mithelfen bei den Bestrebungen, in<br />

der Schweiz eine demokratiegerechte Medienlandschaft<br />

zu rekon struieren.<br />

Hans-Jürg Fehr, Nationalrat und Präsident<br />

des Verwaltungsrats der az Verlags AG<br />

zu Nachfolger Neininger ein unkomplizierter,<br />

ja freundschaftlicher Kontakt. <strong>Die</strong> wöchent liche<br />

Internetsendung «Tele Blocher» – ebenfalls eine<br />

in ihrer Art einmalige Sendung – ist ein Ergebnis<br />

dieser erfreulichen Zusammenarbeit.<br />

Ich wünsche den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

für die Zukunft dasselbe wie unserem Land:<br />

Mögen beide trotz der Tendenz zur Vermassung<br />

ihre innere Freiheit und äussere Unabhängigkeit<br />

bewahren!<br />

Christoph Blocher, alt Bundesrat


Herzliche Gratulation zu<br />

150 Jahren<br />

Stelle Nordost<br />

Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

Zürcher Regionalzeitungen AG Garnmarkt 1 8401Winterthur<br />

Postfach 778 Tel. 044 515 44 44<br />

inserate@zrz.ch www.zrz.ch<br />

–<br />

A1265553


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Zeitung 7<br />

In Carl Oechslin – Inhaber der «Buchdruckerei<br />

Meier & Cie» von 1956 bis 1971, Verleger und<br />

Chefredaktor der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

– vereinigte sich Menschlichkeit, verankert in<br />

einer überzeugten Beschäftigung mit dem «inneren<br />

Menschen», mit dem Bestreben, unternehmerische<br />

Freiheit als soziale Gestaltungskraft, als<br />

Verantwortung der Gesellschaft gegenüber zu<br />

verstehen und zu leben. <strong>Die</strong>se Freiheit im Denken<br />

und Handeln gestand er jedem Mitarbeiter,<br />

Geschäftspartner, wie auch Politikern jeder Couleur<br />

zu. Als Mitbegründer der Vereinigung für<br />

freies Unternehmertum (Gründung 1951) vermittelte<br />

er in Vorträgen und Seminaren Bildungs­<br />

inhalte für Unternehmer zu grundsätzlichen<br />

Themen aus der Praxis der Unternehmensführung<br />

im Sinne eines neuen, ganzheitlichen und<br />

menschengemässen Denkansatzes. Sein Nachlass<br />

beinhaltet zahllose Briefe, Notizen und Manuskripte<br />

und ist eine Fundgrube für Sozialethik,<br />

welche den Bereich der Wirtschaft weit übersteigt.<br />

Carl Oechslin entstammt der Industriellenfamilie<br />

von Clara und Oscar Oechslin­<br />

Spahn, Inhaber der damaligen Schweizerischen<br />

Seilindustrie AG in Schaffhausen. Wesentliche<br />

Impulse für seinen Werdegang hatte<br />

er aus Gesprächen mit seinem Grossvater mütterlicherseits<br />

erhalten, Dr. iur. Carl Alfred Spahn<br />

(1863–1943), Stadtpräsident von Schaffhausen<br />

und Nationalrat. <strong>Die</strong>ser hatte in Schaffhausen<br />

eine neue Industrialisierungsepoche eingeleitet.<br />

Seine Gattin Marianne Meier, eine Tochter des<br />

ursprünglichen Besitzers der Firma Meier, Arnold<br />

Meier, pflegte ein offenes Haus für die unzähligen<br />

Freunde und Gesprächspartner von Carl<br />

Oechslin und war eine liebevolle Mutter für die<br />

beiden Söhne.<br />

Entscheidend für Carl Oechslins spätere<br />

geistige Entwicklung waren die Begegnung<br />

und intensive Beschäftigung mit<br />

dem Werk Rudolf Steiners und die Bekanntschaft<br />

mit Dr. Roman Boos, einem<br />

So haben wir ihn in Erinnerung, wie er eiligen<br />

Schrittes des Weges zieht, in einer Hand<br />

seine abgegriffene, zerknautschte Ledermappe.<br />

Max U. Rapold, langjähriger Verleger,<br />

Chefredaktor, Freund dieses Hauses: Bis wenige<br />

Wochen vor seinem Tod am 22. September 2006<br />

war er ein Mensch voller Temperament, voller<br />

geistiger Vitalität und Lebensfreude. Trotz einer<br />

ärztlichen Diagnose, die ihm wenig Hoffnung<br />

machte. Resignation kannte er nicht, auch nicht<br />

während seiner Zeit als Chefredaktor. Wer resigniert,<br />

steht auf verlorenem Posten, pflegte er seinen<br />

Redaktoren einzubläuen. Und so war er auch<br />

noch im Frühjahr, damals vor fünf Jahren, häufig<br />

auf Achse, unterwegs von hier nach dort, irgendwohin.<br />

Und er nahm – symbolisch und realiter –<br />

gern zwei Treppenstufen auf einmal, sei es auf<br />

einen Sprung in sein Büro, sei es an eine Sitzung<br />

oder einen Vortrag. Weil er viel und fleissig debattierte,<br />

auch auf der Strasse mit wildfremden Leuten<br />

unbefangen und ohne «Zeitrahmen» über dieses<br />

oder jenes Thema hampeln konnte, sprang er<br />

auch jeweils als Letzter auf den Zug. Fuhr dann<br />

nach Zürich, Bern, in die Berge, ins Tessin, früher<br />

oft zu Kollegen des Zeitungsverlegerverbandes,<br />

zu Parlamentariern, zu Unternehmern der Vereinigung<br />

für freies Unternehmertum, an Tagungen<br />

über Gott und die Welt. Meistens wusste<br />

(oder ahnte) nur seine Sekretärin, wo er sich gerade<br />

aufhielt.<br />

Doch so umtriebig, so rastlos Max U. Rapold<br />

auch war – wenn es drauf ankam, bewahrte er den<br />

wachen Blick für das Wesentliche und eine Umsicht<br />

in Gesprächen auch mit schwierigen Partnern.<br />

Plattitüden waren von M. R. auch in seinen<br />

Leitartikeln und Aufsätzen nie zu erwarten, dank<br />

eines brillanten Intellekts dafür scharfsinnige<br />

Analysen. Nie durfte dabei sein auf liberalen<br />

Grundsätzen basierendes Credo der sozialen Ver­<br />

Über Carl Oechslin<br />

vON Christa seiler, thomas oeChslin, alfred meister<br />

zeitweiligen Mitarbeiter Rudolf Steiners und Mitbegründer<br />

der Vereinigung für freies Unternehmertum.<br />

<strong>Die</strong> umfangreiche juristische Dissertation<br />

Carl Oechslins, «Kernpunkte der Kausalhaftungsproblematik»,<br />

ist von Roman Boos, der auch<br />

Jurist war, mit beeinflusst worden und weist mit<br />

philosophischen Gedanken über den juristischen<br />

Sachbereich hinaus.<br />

Wesentliche Impulse seines liberalen Denkens<br />

sind eingeflossen in die Orte seiner Öffentlichkeitsbeziehungen:<br />

als Präsident der Schaffhauser<br />

Kantonalbank, als Präsident des Schaffhauser<br />

Automobil Clubs und Mitglied des Direktionskomitees<br />

des Schweizerischen Automobil<br />

Clubs ACS, als Mitglied der Wirtschaftskommission<br />

der Industrievereinigung Schaffhausen, um<br />

nur die bedeutendsten<br />

zu nennen.<br />

antwortung fehlen, die er als Patron auch im eigenen<br />

Betrieb zu verwirklichen suchte. Von den<br />

Redaktoren forderte er die Einhaltung bestimmter<br />

Werte, verantwortungsvoll wahrgenommene<br />

Freiheit, Wahrhaftigkeit, Unbestechlichkeit. Er<br />

bestand darauf, dass Journalisten Charakter, ein<br />

soziales Gewissen haben oder zumindest bilden<br />

müssten und in der Zeitung nicht einfach ihr eigenes<br />

Süppchen kochen dürften – Zeitungsmachen<br />

im liberalen Geist und als <strong>Die</strong>nst an der Öffentlichkeit.<br />

Max U. Rapold hat, kein Zweifel, den Stil der<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» als Verleger und<br />

Chefredaktor während Jahren und Jahrzehnten<br />

nachhaltig geprägt – trotz Abwesenheiten war<br />

er immer präsent. Der Anfang fiel ihm nicht leicht;<br />

er habe den Posten eines Chefredaktors nicht gesucht,<br />

sei vielmehr, meinte er in einem Gespräch<br />

zu seinem 80. Geburtstag, «in die Redaktion hineingeworfen»<br />

worden. Damals, im Herbst 1971,<br />

als Carl Oechslin, sein Freund und Vorgänger,<br />

einen Herzinfarkt erlitt, völlig überraschend<br />

starb und eine grosse Lücke hinterliess.<br />

Doch Max U. Rapold, der zehn Jahre zuvor<br />

als Jurist in die noch 250 Mitarbeiter umfassende<br />

«Meierei» gekommen war, nahm die Hürden<br />

und stellte sich nach einigem Zögern entschlossen<br />

hinter jene damals im Zeitungswald<br />

neuartige Gestaltung des Regionalteils, die mit<br />

einer politischen und inhaltlichen Öffnung einherging<br />

– und letztlich mit einer willkommenen<br />

Steigerung der Auflage.<br />

1994 trat Max U. Rapold als<br />

Chefredaktor, später als Verwaltungsratspräsident<br />

der<br />

Meier + Cie AG und wenige<br />

Wochen vor seinem Tod<br />

auch als Stiftungsratspräsident<br />

zurück. <strong>Die</strong><br />

Zur Veranschaulichung seiner Denkart und<br />

Vision für die SN sei hier ein Ausschnitt aus<br />

einem 1946 geschriebenen Brief an den befreundeten<br />

Redaktor <strong>Die</strong>trich Barth der damaligen «Luzerner<br />

Neuesten <strong>Nachrichten</strong>» zitiert, der für sich<br />

selbst spricht:<br />

«... Ich habe nun einen Plan gefasst, dessen<br />

nähere Begründung ich noch geben werde. Im<br />

Hinblick auf meine spätere redaktionelle Tätigkeit<br />

in SCHAFFHAUSEN suche ich bereits heute<br />

einen lockeren Mitarbeiterstab zu versammeln,<br />

Leute, die ganz ungezwungen und frei, gelegentlich,<br />

wenn sie etwas sachlich zu sagen haben, in<br />

unser Blatt schreiben würden. Dabei wäre nach<br />

meiner Ansicht nicht mal diese Schreibtüchtigkeit<br />

die eigentliche Hauptsache, sondern vielmehr<br />

der persönliche Kontakt zwischen uns. Ich<br />

möchte gewissermassen aus dem praktischen<br />

Ringen um die vor uns liegende MENSCHHEITS-<br />

AUFGABE grösserer und vor allem auch kleinerer<br />

Prägung ein geistiges Colloquium zum<br />

Klingen bringen, dessen Früchte sich dann in<br />

dieser oder jener Weise auch mal in die Zeitung<br />

ergiessen könnten. Ich möchte also nicht eine<br />

eigentlich redaktionelle INSTITUTION begründen,<br />

nicht wieder einen Apparat und ein Organisationsungeheuer,<br />

das schliesslich doch wieder<br />

das Menschliche verschlingen würde. Sondern<br />

ich möchte ganz bewusst das kompromisslose<br />

Ringen um die MENSCHHEITSSACHE zur Basis<br />

nehmen. Es soll einer nicht schreiben, um so und<br />

so viel Geld dafür einsacken zu können; sondern<br />

er soll schreiben, weil er sachlich etwas zu bieten<br />

hat und das wird ihm dann auch wirtschaftlichen<br />

Lohn eintragen. <strong>Die</strong> ganze Sache steht<br />

im Zusammenhang einer Zielsetzung, die halsbrecherisch<br />

hoch ist, von der ich jedoch deshalb<br />

nicht zurückschrecke, da ich mir sage, das heutige<br />

Leben sei ja ohnehin halsbrecherisch geworden.<br />

Ich habe nämlich den Plan, unsere Zeitung –<br />

selbstverständlich ist das nicht von heute auf<br />

morgen möglich – gewissermassen zu einem Versammlungsorte<br />

der Geister zu machen, die sich<br />

gesamtschweizerisch zu beobachtende Entwicklung<br />

im grafischen Gewerbe, die auch die eigene<br />

Druckerei in Feuerthalen in ihren Grundfesten<br />

erschütterte, schmerzte ihn zutiefst; abwenden<br />

konnte die Umstrukturierung und am Ende die<br />

Schliessung niemand.<br />

Zu seinem bleibenden Verdienst gehört, dass<br />

er, partnerschaftlich mit Marianne Oechslin, den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» schon vor drei Jahrzehnten<br />

mit der Gründung der Carl­Oechslin­<br />

Stiftung eine zukunftsweisende Struktur gab; die<br />

Stiftung hält seither gut 60 Prozent der Meier +<br />

Cie AG, was der Zeitung Stabilität und Kontinuität<br />

verleiht – eine wichtige Konstante nicht zuletzt<br />

heute, wo selbst regionale Printmedien zum<br />

Spielball blosser ökono­<br />

mischer Interessen<br />

werden können.<br />

kompromisslos für die Sache der Menschheit<br />

einsetzen. Man soll mit der Zeit ein Bewusstsein<br />

davon bekommen, dass es in Schaffhausen diese<br />

Vorhut für das Menschheitsziel gibt. Wie andere<br />

Zeitungen einen gewissen Stempel tragen, so soll<br />

unser Stempel (so dieses Ziel gehalten wird) der<br />

Stempel des Menschheitlichen sein. Und zwar<br />

nicht in einem sentimentalen Sinne! Ich will<br />

keinen blossen Idealismus, keine faule Transzendenz,<br />

nicht nur Ideale etc. sondern spirituelle<br />

Substanz ...»<br />

Nach dem unerwarteten, frühen Tod von<br />

Carl Oechslin durch zwei Herzinfarkte in seinem<br />

55. Lebensjahr veranlasste sein Nachfolger<br />

als Geschäftsführer, Chefredaktor und Verleger,<br />

Dr. Max Rapold, im Einverständnis mit den Erben,<br />

die Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft,<br />

die heutige Meier + Cie AG. Gleichzeitig<br />

wurde mit massgeblicher Beteiligung von Frau<br />

Marianne Oechslin die Gründung der Carl­Oechslin­Stiftung<br />

ermöglicht, welche sich zum Stiftungszweck<br />

setzte, die «finanzielle und geistige<br />

Unabhängigkeit der ‹Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong>›<br />

zu sichern sowie die Mitverantwortung für das<br />

weitere wirtschaftliche Gedeihen des genannten<br />

Unternehmens, die Förderung der Arbeitsmöglichkeiten<br />

im Unternehmen und die Förderung von<br />

Bestrebungen zur geistigen Fundierung und zur<br />

Konkretisierung einer humanen Wirtschaftspraxis<br />

im Sinne des verstorbenen Dr. Carl Oechs lin,<br />

insbesondere auf den Gebieten der sozialwissenschaftlichen<br />

Grundlagenforschung, der Erziehung<br />

und der Bildung und der Gesellschafts gestaltung»<br />

zu gewährleisten.<br />

Gemeinsam mit dem Jubiläumsbuch der<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>», welches im Spätherbst<br />

dieses Jahres erscheinen wird, soll zu Carl<br />

Oechs lin eine Broschüre herausgegeben werden,<br />

in welcher zentrale Aussagen zu seinen Anliegen<br />

dargestellt und kommentiert werden.<br />

Christa Seiler, Kulturschaffende, Bern; Nachlassbearbeitung Carl Oechslin;<br />

Thomas Oechslin, Schulleiter Musikschule Biel;<br />

Alfred Meister, Präsident Carl-Oechslin-Stiftung<br />

Wacher Blick aufs Wesentliche<br />

vON martin sChweizer<br />

Max U. Rapold hat sich, nicht nur als Verleger<br />

und Chefredaktor, immer wieder beherzt, ja leidenschaftlich<br />

und couragiert für kleine und mittlere<br />

Unternehmen, vor allem aber für dezentrale<br />

Strukturen und für die Neutralität des Kleinstaats<br />

Schweiz eingesetzt. Bekannt, gesamtschweizerisch,<br />

ist seine betont EU­kritische Haltung, die<br />

er allerdings wiederholt und auch in den «Zeitfragen»<br />

der SN vom 3. Februar 2005 präzisierte:<br />

«Ich sage nur, und zwar aus Liebe zur Schweiz:<br />

Wir dürfen nicht in die EU eintreten, wie sie heute<br />

strukturiert ist. Irgendwann aber ist Europa vielleicht<br />

einmal so föderalistisch, so demokratisch<br />

organisiert wie die Eidgenossenschaft, dann sieht<br />

die Sache wieder ganz anders aus.»<br />

Er konnte, zumal an Redaktionssitzungen, gelegentlich<br />

laut, manchmal sogar barsch, ja fuchsteufelswild<br />

werden, was ihm aber umgehend leidtat.<br />

<strong>Die</strong> Versöhnung folgte dem Krach meist auf<br />

dem Fuss, denn eigentlich wollte Max U. Rapold<br />

die Redaktion immer «dialogisch, nicht autoritär<br />

führen». Viele Redaktoren waren und sind ihm<br />

dafür in Dankbarkeit verbunden, mehr noch: Sie<br />

halten es für ein Privileg, mit ihm eine kürzere<br />

oder längere Wegstrecke zurückgelegt zu haben.<br />

<strong>Die</strong> «Suche nach Überwindung der Ratlosigkeit»<br />

sei ein «ständiger Auftrag», sagte Max U. Rapold<br />

in seinem letzten Interview. «Frühere Generationen»,<br />

so M. R., «dachten viel gründlicher über<br />

den Sinn des Lebens und des Todes nach als wir.»<br />

So, ruhelos und stets auf der Suche, kannten wir<br />

ihn. <strong>Die</strong> stille, der Romantik zugeneigte Seite seiner<br />

Person, jene der Musik und der Poesie, geht dabei<br />

fast etwas vergessen. Aber sie war und ist da, etwa<br />

bei Eichendorff. Oder bei jenem Dichter, mit dem<br />

er bis an sein Lebensende verbunden war, mit<br />

Novalis und auch diesen Zeilen: Wär hier nichts<br />

mehr zu finden, wär Feld und Staude leer, so flögen,<br />

gleich den Winden, wir übers dunkle Meer.


Platzhirsch gratuliert Platzhirsch<br />

www.fn-libro.ch<br />

Freiburger <strong>Nachrichten</strong> AG<br />

www.freiburger-nachrichten.ch<br />

A1271678


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Zeitung 9<br />

Bild Rolf Wessendorf<br />

Für die sechs grossformatigen Zwischenbilder dieser Beilage (hier das erste aus dem<br />

Haus zum Rüden) haben wir den Schaffhauser Fotografen Rolf Wessendorf gebeten, sein<br />

Archiv für uns zu öffnen. Wessendorf – inzwischen in einer Art Ruhestand – hat sich vor<br />

allem als Porträtfotograf einen Namen weit über unsere Region hinaus geschaffen. Sein Buch<br />

«Werktag. 104 Schaffhauser Berufsleute vor der Kamera» erschien im Meier Buchverlag.


10 Zeitung Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

<strong>Die</strong> Köpfe hinter der Zeitung<br />

Bilder Alfons Beer<br />

<strong>Die</strong> «schaffhauser nachrichten» können nur deshalb jeden Wochentag pünktlich erscheinen, weil rund 150 Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter ihr Bestes geben. Unsere Bildergalerie zeigt, wer hinter den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» steht.<br />

Abdallat, Abdalla<br />

Spedition ZdS AG<br />

Beer, Alfons<br />

Hausdienst<br />

Bossi, Daniela<br />

Spedition ZdS AG<br />

Bücken, Michael<br />

leitung Hausdienst<br />

Diaz, Ana Belen<br />

leitung Aboservice<br />

Ackeret, Karin<br />

Korrektorat ZPP<br />

Biollay, Alain<br />

Schazo AG<br />

Brüllmann, Gisela<br />

Korrektorat ZPP<br />

Bürgin, Madleina<br />

lehrling Kauffrau<br />

Dünki, felix<br />

Anzeigenproduktion ZPP<br />

Aellig, Ariane<br />

redaktion Sekretariat<br />

Birrer, raphaela<br />

redaktion Ausland<br />

Brüllmann, ruth<br />

Aboservice<br />

Capobianco, Marco<br />

Aussendienst regionaler Werbemarkt<br />

fanni, Petra<br />

Spedition ZdS AG<br />

Aksoy, fisun<br />

Finanzen<br />

Blanck, robin<br />

redaktion leitung Zentrum<br />

Brütsch, stefan<br />

lehrling Mediamatik<br />

Cardone, lucia<br />

Spedition ZdS AG<br />

fritschi, edith<br />

redaktion region<br />

Aragai, Peter<br />

Aussendienst regionaler Werbemarkt<br />

Blatter, Birgit<br />

Korrektorat ZPP<br />

Brütsch, Ursula<br />

Finanzen<br />

Cau, Michelina<br />

Spedition ZdS AG<br />

fritschi, rita<br />

Aboservice<br />

Baumann, Angela<br />

disposition Werbemarkt<br />

Bolli, roland<br />

Technischer leiter ZdS AG<br />

Bucher, Daniel<br />

lehrling Mediamatik<br />

Cecconi, Yvonne<br />

Korrektorat ZPP<br />

fürst van der Quast, Marianne<br />

Bildbearbeitung ZPP


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Zeitung 11<br />

Gasser, Mark<br />

Redaktion Region<br />

Haberthür, Daniel<br />

Leitung ZPP / Geschäftsführer ZDS AG<br />

Hoffmann, Selwyn<br />

Redaktion Fotograf<br />

Hutzmann, Geraldine<br />

Layout Redaktion / Texterfassung ZPP<br />

Kaufmann, Heinz<br />

Rotationsdruck ZDS AG<br />

Künast, Anja<br />

Beilagen-Produktion / Grafik ZPP<br />

Geisseler, Zeno<br />

Redaktion Region<br />

Hänggi, Hans-Peter<br />

Schazo AG<br />

Hotz, Karl<br />

Redaktion<br />

Jahrmarkt, Heiko<br />

Rotationsdruck ZDS AG<br />

Keller, Ramona<br />

Lehrling Mediamatik<br />

Küng, Paul<br />

Spedition ZDS AG<br />

Golinski, Luzia<br />

Spedition ZDS AG<br />

Härdi, Claudia<br />

Redaktion Region<br />

Huber, Brigitta<br />

Empfang<br />

Jaskó, Carola<br />

Anzeigenproduktion ZPP<br />

Keller, Vreny<br />

Leitung Empfang<br />

Kunz, Hans<br />

Leitung Verkaufsinnendienst<br />

Graf, Cornelia<br />

Disposition Werbemarkt<br />

Harzenmoser, Renée<br />

Redaktion Sekretariat<br />

Huber, Liselotte<br />

Leitung Texterfassung ZPP<br />

Jost, Edith<br />

Korrektorat ZPP<br />

Kleck, Doris<br />

Redaktion Blattmacherin<br />

Künzi, Erwin<br />

Redaktion Region / Medien<br />

Gugerli, Lucia<br />

Lehrling Kauffrau<br />

Harzenmoser, Thomas<br />

Leitung Layout Redaktion ZPP<br />

Hudec, Jan<br />

Redaktion Region<br />

Jung, Alex<br />

IT-Support<br />

Knappich, Ingo<br />

Aussendienst regionaler Werbemarkt<br />

Kurath, Margrit<br />

Meier Buchverlag / Empfang<br />

Gysin, Susanne<br />

Leitung Anzeigenproduktion ZPP<br />

Hess, Heinz<br />

Rotationsdruck ZDS AG<br />

Hunziker, Pascal<br />

Leitung Lesermarkt<br />

Jung, Daniel<br />

Redaktion Volontär Region<br />

Koch, Daniel<br />

Redaktion Sport<br />

Landolt, Christine<br />

Anzeigenproduktion ZPP


12 Zeitung Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der<br />

Landolt, Marlies<br />

Disposition Werbemarkt<br />

Liebenberg, Mark<br />

Redaktion «express»<br />

Mayer, Christoph<br />

Leitung Finanzen<br />

Anzeigen<br />

A1271733<br />

ERFRISCHEND<br />

ANDERE GESCHENKE …<br />

schreibkultur seit 1906<br />

Landtwing, Sabrina<br />

Finanzen<br />

Linder, Lukas<br />

Redaktion «express»<br />

Mee, Anthony<br />

Teamleitung Rotationsdruck ZDS AG<br />

Schaffhausen | SteinamRhein|www.feurer.ch<br />

Lendi, Christa<br />

Empfang<br />

Locatelli, Sandro<br />

Leitung regionaler Werbemarkt<br />

Meier, Maurus<br />

Texterfassung ZPP<br />

A1272344<br />

Lenherr, Philipp<br />

Redaktion regionale Wirtschaft<br />

Lowiner, Michael<br />

Marketing Lesermarkt<br />

Meier, Sacha<br />

Leitung Werbemarkt<br />

Leu, Edith<br />

Finanzen<br />

Marchi, Cornelia<br />

Innendienst Werbemarkt<br />

Michas, Alexander<br />

Lehrling Kaufmann<br />

Anzeigen 12<br />

Leu, Urs<br />

Redaktion Region<br />

Matter, Lisanne<br />

Marketing Werbemarkt<br />

Michel, Joël<br />

Lehrling Kaufmann<br />

A1270328


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Zeitung 13<br />

Mustapic, Vladimir<br />

Rotationsdruck ZDS AG<br />

Peter, Laura<br />

Spedition ZDS AG<br />

Riser, Jörg<br />

Redaktion Region<br />

Schiesser, Mark<br />

Redaktion «Steiner Anzeiger»<br />

Schwyn, Pascal<br />

Redaktion Sport<br />

Strohm, Alexandra<br />

Leitung Verlag<br />

Neininger, Marie-Christine<br />

Leitung Meier Buchverlag<br />

Plieninger, Nicole<br />

Anzeigenproduktion ZPP<br />

Ritter, Heidi<br />

Anzeigenproduktion ZPP<br />

Schlatter, Judith<br />

Disposition Werbemarkt<br />

Stamm, Christian<br />

Leitung Schazo AG<br />

Studer, Helene<br />

Backoffice Werbemarkt<br />

Neininger, Norbert<br />

Chefredaktor / Verleger<br />

Preisig, Jacqueline<br />

Leitung Korrektorat ZPP<br />

Rütimann, Sabrina<br />

Sekretariat UL<br />

Schnider, Peter<br />

Anzeigenproduktion ZPP<br />

Stauffer, Karin<br />

Spedition ZDS AG<br />

Tecleab, Abraham<br />

Spedition ZDS AG<br />

Nicolaus, <strong>Die</strong>ter<br />

Bildbearbeitung ZPP<br />

Raguz, Vicko<br />

Rotationsdruck ZDS AG<br />

Rutz, Eveline<br />

Redaktion In-/Ausland<br />

Schwaninger, Daniela<br />

Sekretariat UL<br />

Steffen, Daniela<br />

Korrektorat ZPP<br />

Toth, Karola<br />

Texterfassung ZPP<br />

Nodari, Annetta<br />

Personalabteilung<br />

Rapold, Daniel<br />

Leitung Personalabteilung<br />

Ryser, Hans-Caspar<br />

Redaktion Region<br />

Schweizer, Martin<br />

Redaktion Region<br />

Steinemann, Hans Christoph<br />

Redaktion Sport<br />

Traber, François<br />

Leitung IT-Support<br />

Nowacki, Philipp<br />

Lehrling Kaufmann<br />

Riesen, Thomas<br />

Redaktion Region<br />

Schällebaum, Zvezdana<br />

Grafic Service ZPP / Verlag<br />

Schweizer, Ulrich<br />

Redaktion Beilagen<br />

Stoll, Sandro<br />

Stv. Chefredaktor<br />

Turpain, Sébastien<br />

Texterfassung ZPP


14 Textanschluss<br />

14 Zeitung Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Wichtige<br />

<strong>Nachrichten</strong><br />

des Jahres 1861<br />

1. JANUAR<br />

Josef Martin Knüsel<br />

wird Schweizer Bundespräsident.<br />

17. MÄRZ<br />

Viktor Emanuel II.<br />

proklamiert das Königreich Italien.<br />

12. APRIL<br />

Mit dem Angriff auf Fort Sumter<br />

beginnt der Amerikanische Bürgerkrieg.<br />

10. MAI<br />

Der Brand von Glarus, bei dem<br />

5 Menschen sterben und 2257 Personen<br />

obdachlos werden, beginnt.<br />

17. JULI<br />

Mexiko erklärt den Staatsbankrott<br />

und stellt die Bezahlung<br />

der Auslandschulden für zwei Jahre ein.<br />

22. SEPTEMBER<br />

Der Pony-Express wird durch eine<br />

transkontinentale Telegrafenleitung ersetzt.<br />

26. OKTOBER<br />

Johann Philipp Reis<br />

führt das von ihm erfundene Telefon<br />

dem Frankfurter Physikalischen Verein vor.<br />

25. DEZEMBER<br />

<strong>Die</strong> erste Ausgabe des<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> Intelligenzblatts» erscheint.<br />

<strong>Die</strong> NZZ, das «St.Galler Tagblatt»<br />

und die «Neue Luzerner Zeitung» gratulieren<br />

den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» herzlich<br />

zum 150-Jahr-Jubiläum!<br />

A1271746<br />

van den Heuvel, Robert<br />

Bildbearbeitung ZPP<br />

Wabel, Stefan<br />

Leitung Projekte<br />

Wepfer, Monika<br />

Innendienst Werbemarkt<br />

Zehnder, Deborah<br />

Finanzen<br />

Impressum<br />

Vassallo, Rocco<br />

Rotationsdruck ZDS AG<br />

Wagner, René<br />

Verkaufsleitung ZDS AG / Leitung Lehrlinge<br />

Wicki, Hans<br />

Redaktion Wirtschaft<br />

Zeller, Markus<br />

Layout Redaktion ZPP<br />

Vogel, Gerhard<br />

Layout Redaktion ZPP<br />

Weber, Marcel<br />

Schazo AG<br />

Zatti, Daniel<br />

Lehrling Kaufmann<br />

Zoller, Eva<br />

Korrektorat ZPP<br />

Schazo AG = Schaffhauser Zustellorganisation AG / ZDS AG = Zeitungsdruck Schaffhausen AG / ZPP = Zeitungsproduktionspool<br />

SEIT 150 JAHREN im Herzen der Region<br />

Eine Beilage der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

SAMSTAG, 28. MAI 2011<br />

Meier + Cie AG Schaffhausen,<br />

Verlag der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

Redaktion <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>», Doris Kleck, Karl Hotz<br />

Gastautoren Peter Briner, Matthias Dubach, Eduard Joos, Adrian Knoepfli, Alfred Meister,<br />

Ernst Neukomm, Thomas Oechslin, Manfred Papst, Felix Schwank, Christa Seiler, Markus Stegmann<br />

Bilder Michael Kessler, Alfons Beer, Rolf Wessendorf, B. + E. Bührer<br />

Gestaltung und technische Herstellung<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>», Zvezdana Schällebaum, Anja Künast<br />

Verlag <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» Leitung Alexandra Strohm<br />

Anzeigenverkauf Leitung Sacha Meier<br />

Druck ZDS Zeitungsdruck Schaffhausen AG Leitung Daniel Haberthür


15 Zeitung Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Am 17. Dezember 1861 erschien eine Probenummer<br />

des <strong>«Schaffhauser</strong> Intelligenzblattes»,<br />

das seit dem Namenwechsel 1940<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» heisst. Pate standen<br />

vier Regierungsräte, fünf Oberrichter, zehn Kantonsräte<br />

und je ein Stände- und Nationalrat, alle<br />

alphabetisch statt hierarchisch aufgelistet, damals<br />

ein gesellschaftliches Novum. <strong>Die</strong> politische Position<br />

des neuen Blattes wurde mit «entschieden<br />

freisinnig» angegeben, was als ein Bekenntnis zum<br />

Bundesstaat von 1848, zum technisch-indus triellen<br />

Aufschwung und zum Wirtschaftsliberalismus zu<br />

verstehen ist. In Schaffhausen bedeutete «freisinnig»<br />

damals gleichzeitig eine Kampfansage an die<br />

liberal-konservativen Protestanten (Katholiken<br />

gab es praktisch noch keine), an den in Traditionen<br />

verharrenden, vermögenden Stadtadel und an<br />

den lethargischen Trott einer indifferenten Landbevölkerung.<br />

<strong>Die</strong> ersten Redaktoren – alles Erzdemokraten<br />

<strong>Die</strong> Anfänge des «Intelligenzblattes», nur eine<br />

der zahlreichen Schaffhauser Zeitungsgründungen<br />

jener Jahre, waren chaotisch. Der erste (zugezogene)<br />

Redaktor Rudolf Bodmer (1832–1897)<br />

hatte nach 82 Nummern genug, der unruhige<br />

Geist hatte sich rasch mit der Schaffhauser Prominenz<br />

verkracht. 1862 bis 1874 folgte ihm der entschiedene<br />

Demokrat Johannes Uehlinger (1823–<br />

1884), der am «Klettgauer» in Neunkirch seine<br />

journalistischen Sporen abverdient hatte. Seine<br />

konsequente Haltung war auch nicht immer<br />

beliebt, aber Uehlinger kannte wenigstens die<br />

Schaffhauser Verhältnisse. 1862 wurde er zum<br />

Polizeisekretär (Departementssekretär) gewählt<br />

und als Redaktor darum vorübergehend von Fürsprech<br />

Theodor Bächtold (1840–1913) vertreten,<br />

der später in geistiger Umnachtung versank.<br />

Uehlingers Ablösung erfolgte 1874 durch den<br />

Schleitheimer Heinrich Erzinger (1824–1884). 1876<br />

zum Staatsschreiber gewählt, wurde Erzinger<br />

1879 wegen einer angeblichen Unterschlagungsaffäre<br />

von Staat und Zeitungsverlag entlassen. Ihn<br />

ersetzte Wilhelm Rahm (1842–1916), der später in<br />

Russland lebte, um dann 20 Jahre im Handels-<br />

departement in Bern zu amten. Von 1883 bis zu<br />

seinem Tod leitete Paul Uehlinger (1852–1888) die<br />

«Intelligenzblatt»-Redaktion, er war Sohn von<br />

Johannes Uehlinger, überdies Schwiegersohn des<br />

Verlagsleiters, auch er ein energischer Demokrat.<br />

<strong>Die</strong> Gründung der «Meierei»<br />

Rudolf Bodmer druckte das «Intelligenzblatt»<br />

anfänglich im Haus zur Glocke am Herrenacker<br />

13, wo sich heute die Migros-Klubschule befindet.<br />

Von dort wechselte die Druckerei ins Haus zum<br />

Rebschoss an die Neustadt 60 und noch im Jahr<br />

1862 ins Gelbe Haus an die Stadthausgasse 21. Bis<br />

1910 blieben Verlag und Druckerei an der Stadthausgasse<br />

21. Erst 1910 wurde die Kaufleutestube<br />

(Vordergasse 58) bezogen, wo sich der Verlag noch<br />

heute befindet. <strong>Die</strong> Druckerei allerdings wurde<br />

nach 80 Jahren 1990 ins Druckzentrum Herblingertal<br />

ausgelagert.<br />

Als der Drucker Andreas Bercher 1871 starb,<br />

übernahm interimsweise Johannes Uehlinger den<br />

Verlag, während der Kompagnon von Bercher,<br />

Heinrich Meier-Spaar (1840–1894), den Druck allein<br />

besorgte. Als Meier-Spaar auf 1. März 1873<br />

nebst der Druckerei auch den Verlag des «Intelligenzblattes»<br />

übernahm, begründete er damit die<br />

«Meierei», wie man die Verlegerdynastie, in deren<br />

Händen das «Intelligenzblatt» bis 1971 verblieb,<br />

liebevoll nannte. Auf Meier-Spaar folgte 1886 sein<br />

Sohn Heinrich Meier-Kummer (1865–1945), seiner<br />

beachtlichen Körperfülle wegen als «Rundum»<br />

stadtbekannt, 1919 dessen eher stiller Sohn Dr.<br />

iur. Arnold Meier (1892–1957). 1957 übernahm dessen<br />

Schwiegersohn Dr. iur. Carl Oechslin (1916–<br />

1971) den Verlag.<br />

<strong>Die</strong> liberal-konservative Ära Freuler<br />

Als nach Paul Uehlingers Tod 1888 Hermann<br />

Freuler (1841–1903) die Redaktion des «Intelligenzblattes»<br />

übernahm, war damit ein politischer Richtungswechsel<br />

der bisher streng freisinnig-demokratischen<br />

Zeitung verbunden. Der neue Redaktor<br />

Freuler war dem bisher gehuldigten Fortschrittsglauben<br />

keineswegs verfallen, er misstraute jeder<br />

Erweiterung der Volksrechte und stemmte sich<br />

als Redaktor und Politiker der demokratischen<br />

150 Jahre im Überblick<br />

Bewegung mit scharfer Feder und Zunge entgegen.<br />

In liberal-konservativen Stil hatte Freuler bereits<br />

von 1866 bis 1868 die damals neu gegründete regierungsnahe<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> Zeitung II» redigiert,<br />

allerdings ohne wirtschaft lichen Erfolg. Freuler<br />

gehörte einer traditions bewussten Stadtschaffhauser<br />

Zunftfamilie an, sein Grossvater Johann<br />

Conrad Freuler (1769–1850), ein vermögender Hutmacher<br />

und Zunftmeister, hatte ihm ein beträchtliches<br />

Vermögen hinter lassen; sein Vater, Kunstmaler<br />

und Stadtrat Bernhard Freuler (1796–1858),<br />

den beachtlichen Landsitz Rammersbühl. 1858<br />

von eduard jo0s<br />

das «schaffhauser Intelligenzblatt», das sich 1940 in <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» umbenannte,<br />

profitierte in seiner langen Geschichte immer wieder von ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten, die seinen Stil prägten.<br />

Das <strong>«Schaffhauser</strong> Intelligenzblatt» erklärte den künftigen Lesern in einer Probenummer seine Ziele. Bild Stadtarchiv<br />

hatte Hermann Freuler als Gymnasiast die Kantonsschulverbindung<br />

Scaphusia gegründet, als<br />

24-jähriger Jurist erstritt er 1865 die Zulassung<br />

von Advokaten vor Schaffhauser Gerichten (bisher<br />

konnten Angeklagte sich nur Fürsprecher aus den<br />

Richtern erwählen). 1868 bis 1874 hatte Freuler als<br />

Staats anwalt gewirkt, und als Ständerat vertrat er<br />

1875 bis 1881 Schaffhausen in Bern. Als Krönung<br />

seiner Tätigkeit im Bundesparlament erreichte er<br />

1879 die Wiedereinführung der Todesstrafe.<br />

Man kann sich heute kaum noch vorstellen,<br />

wie im «Intelligenzblatt» die journalistischen Fet-<br />

zen flogen, wenn sich in Stadt und Kanton die<br />

Fortschrittsgläubigen – nach Freulers Meinung<br />

naiv oder blind oder beides – zu einer neuen<br />

Errungenschaft bekannten und ihr zum politischen<br />

Durchbruch verhelfen wollten. In Hermann<br />

Freuler und seinem «Intelligenzblatt» fanden die<br />

Gegner ein kämpferisches Sprachrohr, das das<br />

historisch Gewachsene gegen fast alle Neuerungen<br />

verteidigte.<br />

1889 bekämpfte Freuler erfolgreich ein neues<br />

Kirchengesetz, 1893 gelang es ihm, die Gründung<br />

eines städtischen Elektrizitätswerks zu Fall zu


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Zeitung 16<br />

bringen. 1899 versuchte er, dieses Mal allerdings<br />

erfolglos, die Gas- und Wasserwerke aus der städtischen<br />

Verwaltung herauszulösen. Nicht nur vor<br />

Abstimmungen und Wahlen kämpfte Freuler, er<br />

geisselte Volksentscheide mitunter auch nach der<br />

Wahlschlacht. O-Ton Freuler zur Neuwahl eines<br />

Regierungsrates am Fastnachtssonntag 1895: Carl<br />

Sigerist-Schelling «wird sein Amt dem Wahltag<br />

entsprechend wohl am Aschermittwoch antreten.<br />

Der erste Jahrgang seiner ‹Schaffhauser Volkszeitung›<br />

soll mit dem kommenden 1. April beginnen.<br />

Nomina sunt omina. Für die Stärkung der Regierung<br />

bedeutet dieser neue Zuwachs etwas weniger<br />

als eine Null. <strong>Die</strong> Wahlparole an diesem Fastnachtssonntag<br />

scheint bei zirka 4000 Stimmberechtigten<br />

gelautet zu haben: ‹Es lebe der Kanton<br />

Breitenau›.» <strong>Die</strong> scharfen Worte Freulers waren<br />

eine Verhöhnung sowohl der Stimmbürger als<br />

auch des Gewählten. Indes: Der dem Amt offensichtlich<br />

nicht gewachsene Carl Sigerist-<br />

Schelling musste bereits nach sechs<br />

Monaten seine Demission als Regierungsrat<br />

einreichen. <strong>Die</strong> «Neue Zürcher<br />

Zeitung» vermerkte zum überraschenden<br />

Rücktritt trocken: «<strong>Die</strong> schaffhauserische<br />

Hanswurstiade ist ausgespielt.» Freuler<br />

scheint mit seinem scharfsinnigen Wahlkommentar<br />

also doch nicht so weit neben<br />

der Wahrheit gelegen zu haben.<br />

Hermann Freuler behielt die «Intelligenzblatt»-Redaktion<br />

bis 1899, dann trat er<br />

sie an Dr. Oswald Heer (1868–1948) ab. Als<br />

Heer Ende 1902 nach Hallau übersiedelte<br />

und dort 1906 bis 1918 die Redaktion der<br />

«Klettgauer Zeitung» besorgte, übernahm<br />

Freuler die Schriftleitung des «Intelligenzblattes»<br />

wieder und führte sie bis zum 11. Juni<br />

1903, als ein Schlaganfall dem 62-jährigen, unbeugsamen<br />

Politiker ein schmerzloses Ende<br />

bereitete.<br />

<strong>Die</strong> gediegenen Jahre<br />

Hermann Freuler war weder als Politiker<br />

noch als Redaktor zu ersetzen. Erst 1908 gelang<br />

es dem Verleger, mit Dr. Walter Wettstein (1880–<br />

1918) wieder eine Persönlichkeit ans «Intelligenzblatt»<br />

zu verpflichten, die der Zeitung ein eigenes<br />

Gepräge gab, allerdings nicht in der Haudegenart<br />

eines Freuler, sondern in der echten Verpflichtung,<br />

die Leserschaft sachlich zu informieren und<br />

zu Bildung und Kultur beizutragen.<br />

Wettstein, zuvor seit 1906 Geschichtslehrer<br />

an der Kantonsschule, hatte als Schaffhauser Korrespondent<br />

der «Neuen Zürcher Zeitung» gewirkt.<br />

Sowohl seine überlegenen Kommentare zum<br />

politisch-kulturellen Geschehen wie auch seine<br />

gediegene Sprache befähigten ihn, dem allseits<br />

politisch verbandelten Redaktor des <strong>«Schaffhauser</strong><br />

Tagblattes», Dr. Eugen Müller (1858–1928),<br />

das Wasser zu reichen. Wettstein war erst 28-jährig,<br />

als er Redaktor wurde. <strong>Die</strong> frische Sichtweise<br />

eines wissbegierigen und mitteilungsfreudigen<br />

Zugezogenen belebte die journalistische Kultur<br />

der Munotstadt. <strong>Die</strong> Stimmbürger honorierten<br />

Wettsteins Leistung, indem sie ihn 1912 in den<br />

Grossen Stadtrat, 1916 auch in den Kantonsrat<br />

wählten. Seine journalistische und politische Karriere<br />

brach jäh ab, als er als Opfer der grossen<br />

Grippewelle am 15. Oktober 1918 starb. Ad interim<br />

übernahm Hilfsredaktor Johannes Winzeler<br />

(1880–1966) die Redaktion. Als sich Ende Jahr die<br />

Bauernpartei von der FDP abspaltete und mit dem<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> Bauern» eine eigene Zeitung herausgab,<br />

wechselte Winzeler an die Bauernzeitung<br />

und wurde gleichzeitig erster Bauernsekretär des<br />

Kantons Schaffhausen.<br />

Theoretisch teilten sich ab 1919 der Verleger<br />

Dr. Arnold Meier und der neu berufene Redaktor<br />

Dr. Eduard Gubler (1876–1961) in die Schriftleitung<br />

des «Intelligenzblattes». Von Meier liest<br />

man allerdings kaum etwas, während der von den<br />

Schaffhauser Stände- und Nationalräten empfohlene<br />

ausgebildete Politologe Gubler die Schaffhauser<br />

Zeitungslandschaft neu aufmischte. Wie<br />

Wettstein lebte sich Gubler sehr rasch in die Verhältnisse<br />

ein, nahm rege am Schaffhauser Gesellschaftsleben<br />

teil und wurde 1924 Grossstadtrat,<br />

Kantonsrat und Oberrichter. Dennoch hielt es der<br />

an mehr Beweglichkeit gewöhnte Vollblutjournalist<br />

nicht lange ennet dem Rhein aus, bereits 1927<br />

demissionierte er und zog als Bundesgerichtsberichterstatter<br />

nach Lausanne.<br />

Gegen Kommunisten und Frontisten<br />

Als neuen Chefredaktor berief Arnold Meier<br />

den soeben promovierten jungen Juristen Dr. Ernst<br />

Uhlmann (1902–1981), einen Stadtschaffhauser,<br />

Absolvent der Schaffhauser Kantonsschule, Scaphusianer<br />

und Offizier. Am 1. November 1927 prangerte<br />

Uhlmann in einem programmatischen Leitartikel<br />

den zersetzenden Marxismus und Defätismus<br />

an und versprach, mit dem «Intelligenzblatt»<br />

Ordnung, Disziplin und das Vertrauen in den demokratischen<br />

Staat zu stärken. Uhlmann rüttelte<br />

die bürgerlichen Kräfte zum Kampf gegen die<br />

Kommunistische Partei auf, für die Walther Bringolf<br />

1925 in den Nationalrat gewählt worden war.<br />

Man muss sich bei Uhlmanns markigen Worten<br />

vergegenwärtigen, dass die Schaffhauser KP damals<br />

ein erklärter Teil der Kommunistischen<br />

Internationalen (Komintern) war, die sich der<br />

Ideologie der Russischen Revolution und der «Diktatur<br />

des Proletariates» verschrieben hatte.<br />

In Europa, der Schweiz und in Schaffhausen<br />

befanden sich das Bürgertum, die Demokratie,<br />

der Parlamentarismus und der liberale Staat in<br />

einer Krise, die sich 1929 durch die Weltwirtschaftskrise<br />

noch potenzierte. Für die politisch<br />

orientierungslosen Zeitgenossen gab die klare<br />

Sprache Uhlmanns die Richtung vor, die rasch<br />

von der Schaffhauser FDP und anderen bürgerlichen<br />

Parteien übernommen wurde.<br />

Eine Zerreissprobe unter den Bürgerlichen<br />

stand aber erst noch bevor. 1933 schlossen sich<br />

sieben junge Freisinnige, teilweise Studienkollegen<br />

von Uhlmann, zur<br />

Neuen Front zusammen,<br />

zogen einen Trennstrich zur FDP und<br />

stellten sich der FDP und Ernst Uhlmann entgegen.<br />

<strong>Die</strong> Neue Front, die sich inhaltlicher und<br />

propagandistischer Elemente von Nazi-Deutschland<br />

bediente, schien vielen eine neue politische<br />

Heimat zu sein. Das stramme Auftreten, die Parteiuniform,<br />

die Umzüge, die Wahlveranstaltungen,<br />

die Rede- und Strassenschlachten, die angriffigen<br />

Zeitungsartikel im frontistischen «Grenzboten»,<br />

die Unnachgiebigkeit gegen alles, was politisch<br />

links und in der Mitte war, das alles verfing für<br />

einige Monate. Als 1934 der angebliche Röhm-<br />

Putsch in Deutschland den kaum verschleierten<br />

Staats- und Parteiterror der NSDAP offenbarte,<br />

wandten sich die Vernünftigen allerdings wieder<br />

von den Fronten ab, es gelang Redaktor Ernst<br />

Uhlmann und dem FDP-Parteipräsidenten Hans<br />

Käser, die Bürgerlichen wieder in der FDP zu<br />

sammeln.<br />

Das «Intelligenzblatt», Bollwerk gegen die<br />

kommunistische «Arbeiterzeitung» und den frontistischen<br />

«Grenzboten», ging gestärkt aus dem<br />

Kampf hervor. Zwar wurde Walther Bringolf noch<br />

als Kommunist 1932 zum Schaffhauser Stadtpräsidenten<br />

gewählt, aber es bahnten sich bereits<br />

eine Mässigung und sein Einschwenken 1935 auf<br />

die Linie der Sozialdemokratie an.<br />

In diesen bewegten Jahren nahm Ernst<br />

Schellenberg beim «Intelligenzblatt» seine Arbeit<br />

auf, 1925 als Hilfsredaktor, 1927 als zeichnender<br />

Redaktor. Der vollendete Stilist Schellenberg<br />

füllte vorerst die von Uhlmann weniger gepflegten<br />

kulturellen und gesellschaftlichen<br />

Nischen aus, war aber durchaus in der Lage,<br />

die Zeitung allein zu führen, als Ernst Uhlmann,<br />

der in seiner militärischen Karriere bis<br />

zum Korpskommandanten aufstieg, immer<br />

länger abwesend war. Vor allem in der Zeit<br />

des Krieges von 1939 bis 1945 war das Herauskommen<br />

des «Intelligenzblattes», das<br />

1940 seinen Namen in <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

änderte, immer wieder durch die<br />

Abwesenheit von Mitarbeitern im Aktivdienst<br />

gefährdet.<br />

<strong>Die</strong> Viererbande: Bächtold, Dutli,<br />

Waldvogel, Bollinger<br />

Wenig Spuren hat Dr. <strong>Die</strong>trich Barth<br />

hinterlassen, der von 1947 bis Ende 1952<br />

Redaktionsmitglied der SN war. Ganz<br />

anders wurde es mit dem 1948 erfolgten<br />

Eintritt des jungen Historikers Dr. Kurt<br />

Bächtold (1918–2009), dem 1952 Heinz<br />

Dutli (1928–1995) und Erwin Waldvogel<br />

(1920–1988) und 1956 Dr. Heinz Bollinger<br />

(1923–1988) folgten. Unter der<br />

formellen Chefredaktion von Dr. Carl<br />

Oechs lin (Uhlmann wurde auf 1954<br />

Berufsmilitär und schied aus der Redaktion<br />

aus, Arnold Meier starb 1957)<br />

wirkte die «Viererbande», wie man<br />

später das Kleeblatt scherzhaft nannte, ziemlich<br />

einträglich nebeneinander.<br />

Kurt Bächtold war der Politiker und Historiker,<br />

bald einmal Grossstadtrat, Stadtschulrat, ab<br />

1961 Ständerat und von 1973 bis 1979 im Europarat,<br />

Heinz Dutli war der Feuilletonist, überaus<br />

gewandter Stilist, journalistischer Überspitzung<br />

im Anprangern mitunter nicht abgeneigt, im<br />

Ganzen aber versöhnlich, Heinz Bollinger eher<br />

den gesellschaftlichen Fragen zugewandt, manchmal<br />

im Rauch seiner Kielzigarren in philosophische<br />

Grübeleien abdriftend, Erwin Waldvogel<br />

dagegen der überaus feinfühlige Musik- und<br />

Kunstkritiker, der sich als Grossstadtrat, als Kantons-<br />

und Nationalrat der Politik hingab, ohne<br />

ganz für die Ränkeschmiedeleien geboren zu sein:<br />

Es waren vier begnadete Redaktoren am Werk, die<br />

rund zwei Jahrzehnte zusammen die gesamte journalistische<br />

Kultur von Schaffhausen abdeckten.<br />

1968 wechselte Kurt Bächtold von der Redaktions-<br />

stube in die Schaffhauser Stadtbibliothek, 1974<br />

schied Heinz Dutli aus der Redaktion aus, 1977<br />

verliessen kurz nacheinander Erwin Waldvogel<br />

und Heinz Bollinger die SN-Redaktion.<br />

Der zweite Bund: <strong>Die</strong> Region im Fokus<br />

Inzwischen hatte sich ein bedeutsamer Strukturwandel<br />

ergeben. Seit Jahresbeginn 1970 wurden<br />

die SN in zwei Bünden ausgeliefert, wobei der<br />

zweite, der Regionalteil, ein immer grösseres Gewicht<br />

bekam. Der Regionalteil stand anfänglich<br />

unter der Leitung von Heinz Bollinger. Unterstützt<br />

wurde er von Martin Schweizer, der 1977<br />

Bollingers Nachfolge antrat. Carl Oechslin starb<br />

völlig überraschend 1971, und Dr. Max U. Rapold<br />

(1925–2006) übernahm die Chefredaktion. Rapold<br />

prägte die sich stark ausweitende Redaktion in<br />

einem wertkonservativen Sinn.<br />

Breitgefächertes Redaktionsteam<br />

Ab 1977 traten fast gleichzeitig Walter Joos<br />

und Norbert Neininger in die SN-Redaktion ein.<br />

Joos wurde zu einer zentralen Figur der Schaffhauser<br />

Medienszene und wirkte bis 2010, Neininger<br />

trat 1994 die Nachfolge Rapolds als Chef redaktor<br />

an. Im breit gefächerten Redaktionsteam<br />

verdienten eine ganze Anzahl später berühmter<br />

Journalisten ihre ersten Sporen ab. Im Jahr 2000<br />

teilten sich rund 30 SN-Redaktoren in die tägliche<br />

Arbeit, bei dieser Grössenordnung ist es bis ins<br />

Jubiläumsjahr geblieben. <strong>Die</strong> SN sind damit von<br />

einem ursprünglich freisinnig-demokratischen<br />

Kampfblatt zu einem journalistischen Grossunternehmen<br />

geworden, das sich als führende Regionalzeitung<br />

redlich bemüht, die ganze Meinungsvielfalt<br />

auch über die Kantonsgrenzen hinaus getreu<br />

abzubilden.<br />

Namen und Daten Persönlichkeiten und Fakten in 150 Jahren <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

Verantwortliche Redaktoren<br />

1861 – 1862 Rudolf Bodmer, Zeitungsgründer<br />

1862 – 1874 Johannes Uehlinger, Lehrer<br />

1864 – 1865 Theodor Bächtold, Jurist<br />

1874 – 1879 Heinrich Erzinger, Lehrer<br />

1879 – 1883 Wilhelm Rahm, Jurist<br />

1883 – 1888 Dr. iur. Paul Uehlinger<br />

1888 – 1899 Hermann Freuler, Advokat<br />

1899 – 1902 Dr. phil. Oswald Heer<br />

1902 – 1903 Hermann Freuler, Advokat<br />

1903 – 1906 J. R. Frey<br />

1906 – 1907 Karl Heinrich Maurer<br />

1908 – 1918 Dr. phil. Walter Wettstein<br />

1918 – 1918 Johannes Winzeler, Historiker<br />

1919 – 1927 Dr. iur Arnold Meier (formell)<br />

1919 – 1927 Dr. rer. pol. Eduard Gubler<br />

1927 – 1946 Ernst Schellenberg<br />

1927 – 1953 Dr. iur. Ernst Uhlmann,<br />

Chefredaktor<br />

1947 – 1950 Dr. phil. <strong>Die</strong>trich Barth<br />

1948 – 1968 Dr. phil. Kurt Bächtold<br />

1952 – 1974 Heinz Dutli<br />

1952 – 1977 Erwin Waldvogel<br />

1954 – 1971 Dr. iur. Carl Oechslin, Chefredaktor<br />

1956 – 1977 Dr. phil. Heinz Bollinger,<br />

ab 1970 Chef Region<br />

1963 – 1968 Oskar Frey<br />

1970 – Martin Schweizer,<br />

ab 1977 Chef Region<br />

1971 – 1994 Dr. iur. Max U. Rapold, Chefredaktor<br />

1977 – Norbert Neininger,<br />

ab 1994 Chefredaktor<br />

1991 – Sandro Stoll,<br />

ab 2002 Stv. Chefredaktor<br />

2000 – Robin Blanck,<br />

ab 2007 Mitglied der Chefredaktion<br />

2006 – Doris Kleck,<br />

ab 2008 Mitglied der Chefredaktion<br />

Redaktionsleitung: Norbert Neininger (CR),<br />

Sandro Stoll (Stv. CR), Robin Blanck (Leitung<br />

Zentrum), Doris Kleck (Leitung überregionaler<br />

Teil/Sport). Senior Editors: Karl Hotz (Stv. CR<br />

bis 2002), Erwin Künzi, Urs Leu.<br />

Politische Positionierung<br />

1862 – 1874 radikal-demokratisch<br />

1874 – 1883 liberal-konservativ<br />

1883 – 1888 radikal-demokratisch<br />

1888 – 1903 liberal-konservativ<br />

1904 – 1952 Organ der Freisinnigdemokratischen<br />

Partei<br />

1952 – bürgerlich/unabhängig/liberal<br />

Druck und Verlag (D+V)<br />

1861 – 1862 D+V: Rudolf Bodmer zur Glocke<br />

(Herrenacker 13)<br />

1862 D+V: August Rösch zum Rebschoss<br />

(Neustadt 60)<br />

1862 D+V Johann Heinrich Oechslin<br />

zum Rebschoss (Neustadt 60)<br />

1862 – 1864 D+V: Ludwig Murbach &<br />

Johann Heinrich Oechslin<br />

1862 – 1910 D+V: Gelbes Haus<br />

(Stadthausgasse 21)<br />

1864 – 1871 D+V: Andreas Bercher &<br />

Heinrich Meier-Spaar<br />

1872 – 1873 D: Heinrich Meier-Spaar,<br />

V: Johannes Uehlinger,<br />

1873 – 1883 D+V: Heinrich Meier-Spaar<br />

1883 – 1885 D+V: Conrad und Gottlieb Meyer<br />

1886 – 1945 D+V: Heinrich Meier-Kummer<br />

(1865–1945)<br />

1910 – 1990 D+V: Kaufleutestube<br />

(Vordergasse 58)<br />

1940 Namensänderung zu<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

«<strong>Die</strong> Stellung Schaffhausens,<br />

soweit es in der Presse liegt,<br />

zu wahren und zu kräftigen, wird<br />

vor Allem das redliche<br />

Bestreben dieses Blattes sein.»<br />

Aus der Probenummer des<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> Intelligenzblattes»<br />

vom 17. Dezember 1861<br />

1945 – 1971 D+V: Carl Oechslin-Meier<br />

1981 Umstellung vom Bleisatz<br />

zum Lichtsatz<br />

1985 Eröffnung neuer Kunden-<br />

Empfangsraum<br />

1990 – D: Druckereizentrum im<br />

Herblingertal, V: Vordergasse 58<br />

1992 – Druckereizentrum, neu AG, druckt<br />

auch «schaffhauser az» und<br />

(vorübergehend) Winterthurer AZ,<br />

Ostschweizer AZ und<br />

das «Volksrecht»<br />

2010 – Druckereizentrum druckt auch<br />

«Andelfinger Zeitung»<br />

Gründungen, Fusionen und Verkäufe<br />

1862 Vereinigung mit<br />

«Schweizerischem Courier»<br />

1864 Vereinigung mit<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> Zeitung II»<br />

1869 Gründung der «Klettgauer Zeitung»<br />

und Druck bis 15. Dezember,<br />

dann in Hallau<br />

1965 Gründung «Wochen-Express» als<br />

Beilage zu sieben Regionalzeitungen<br />

1966 Übernahme des «Steiner Anzeigers»,<br />

erst als Beilage, 1967 integriert in<br />

Region<br />

1973 – 2005 zusätzliche Offsetdruckerei in<br />

Feuerthalen, ab 2003 MeierWaser<br />

1987 Übernahme der<br />

Nüssli Druck AG, Stein am Rhein<br />

1995 SN auf Internet (www.shn.ch)<br />

2010 – 2012 alle SI/SN-Jahrgänge vollständig<br />

digitalisiert für Volltextsuche<br />

im Internet<br />

2011 Übernahme der<br />

«Klettgauer Zeitung» (Hallau)


Wirtschaft<br />

Beilage zum 150-jährigen Bestehen der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» Samstag, 28. Mai 2011<br />

«Bis vor nicht allzu langer Zeit hätte man<br />

leicht Einverständnis darüber erzielen können,<br />

dass die geistig-moralische Sphäre der<br />

menschlichen Existenz keinesfalls angemessen<br />

mathematisiert werden kann, was nicht<br />

zuletzt die quantitativ höchst unbefriedigenden<br />

voraussagen der Wahlforscher wie der<br />

Wirtschaftsweisen, der Politologen<br />

wie der Astrologen unbarmherzig bezeugen.»<br />

Jochen Brüning<br />

Viele Dinge nehmen wir erst wahr, wenn sie<br />

fehlen – was uns an Karl Valentins hinterlistige<br />

Frage erinnert, warum man eigentlich<br />

sehen könne, dass jemand nicht da sei. Erst<br />

wenn das Navigationsgerät ausfällt, der Bancomat<br />

kein Geld mehr ausspuckt oder die Internetverbindung<br />

abbricht, merken wir, dass Mechanismen<br />

am Werke sind, deren wir uns nicht bewusst<br />

sind und die sich unserem Zugriff entziehen.<br />

Kein Teil unserer modernen Welt funktioniert<br />

heute ohne die im Unter- oder Hintergrund ablau-<br />

Vom Gewicht der Seele<br />

fenden komplexen und sich weitgehend selbst<br />

steuernden Systeme: Weder der Flug- noch der<br />

Strassen-, noch der Eisenbahnverkehr, weder Fabriken<br />

noch Kraftwerke stehen uns zur Verfügung,<br />

wenn Rechner oder Netze ausfallen. Programme –<br />

also vorgegebene Abläufe und Verknüpfungen –<br />

steuern die Wasserversorgung, Produktion und<br />

Zuteilung der Energie oder andere lebenswichtige<br />

Strukturen, kurz: Wir sind in einem hohen<br />

Masse auf die Zuverlässigkeit und die Verfügbarkeit<br />

von selbst steuernden Regelsystemen angewiesen.<br />

Geheimnisvolle rationale Welt<br />

Wie undurchschaubar die heutige rechnergestützte<br />

Welt ist, wurde zur Jahrtausendwende<br />

offenbar: Erinnern wir uns daran, dass bereits ein<br />

Wechsel der Jahreszahl von 1999 auf 2000 eine<br />

Verunsicherung unter den Fachleuten auslöste,<br />

über die der Laie staunte. Dass der Bundesrat<br />

eine Expertengruppe einsetzte, welche die befürchteten<br />

Katastrophen<br />

vermeiden sollte, war der<br />

Gipfel der Panik. <strong>Die</strong><br />

Angst vor dem «Millennium<br />

Bug» machte allen<br />

bewusst, wie geheimnisvoll<br />

die für so rational<br />

gehaltene Welt geworden<br />

war.<br />

Aber natürlich kam es<br />

ganz anders als befürchtet<br />

– oder wie «Der Spiegel»<br />

später schrieb: «Kein<br />

von Norbert NeiNiNger<br />

Atomkraftwerk explodierte, kein Fehlalarm leitete<br />

den Atomkrieg ein, keine Zapfsäule versagte,<br />

kein Telekommunikationsnetz fiel aus, und auch<br />

Aliens sah man nur in Form euphorisch kreischender<br />

Menschen unter deutlichem Drogeneinfluss<br />

auf Massenpartys tanzen.» Und so waren<br />

weniger die vernetzten Computer die wahre Gefahr,<br />

es war die Angst vor ihnen.<br />

Kein Zweifel: Unser aller Leben ist durch die<br />

Mathematisierung und Computerisierung in den<br />

letzten 25 Jahren anders geworden. Mit zunehmenden<br />

Rechnerkapazitäten – und diese explodieren<br />

geradezu – wird es möglich, auch hochkomplexe<br />

Phänomene (wie das Wetter) einigermassen<br />

zuverlässig zu berechnen. In viele bisher der<br />

menschlichen Intuition vorbehaltene Bereiche<br />

sind die Maschinen vorgedrungen. Bereits behaupten<br />

Wissenschaftler, dass letztlich alles, auch<br />

die Gefühle oder der Charakter, durch die Gene<br />

definiert und damit berechenbar sei. Und der-<br />

zeit wird uns gar der freie Wille von einem guten<br />

Teil der Neurobiologen abgesprochen:<br />

Auch was wir<br />

jeweils entscheiden, sei<br />

aufgrund unserer physischen<br />

Konstellation bereits<br />

angelegt.<br />

Virtuelles Preisschild<br />

Als Symbol für die Zählbarkeit<br />

der Welt könnte<br />

das Excel-Sheet stehen, ein<br />

Rechenblatt, dessen Zellen<br />

beliebig verknüpfbar sind<br />

und das milliardenfach verwendet wird. Je mehr<br />

Zahlen und je komplexer die Formeln, desto<br />

undurchschaubarer und geheimnisvoller ist das<br />

Blatt … <strong>Die</strong> Naturwissenschaftler und Techniker<br />

sehen die Welt als riesiges Rechenblatt, dessen<br />

Daten und Verknüpfungen nahezu unendlich<br />

gross und (noch) weitgehend unbekannt sind,<br />

das aber bei genügendem Aufwand, genügender<br />

Intelligenz und Zeit durchschaut und verstanden<br />

werden kann.<br />

Was wir tun, ist in uns angelegt, auch der<br />

Wunsch nach dem Zählen und Messen – was man<br />

nicht zählen und messen kann, kann man nicht<br />

steuern und nicht managen. Auch die «geistig-<br />

moralische Sphäre», sagt der eingangs zitierte<br />

Mathematiker Jochen Brüning voraus, werde sich<br />

der Mathematisierung nicht entziehen. Dem kann<br />

(beispielsweise) angesichts der Digitalisierung<br />

aller Bücher in der Google-Bibliothek und der<br />

Verfolgung und Speicherung unseres Verhaltens<br />

keiner widersprechen; mit der Entschlüsselung<br />

unserer Gene lassen sich darüber hinaus Voraussagen<br />

über künftige Krankheiten machen. Und<br />

bereits tragen die Menschen ein virtuelles Preisschild,<br />

auf dem ausgerechnet ist, wie viel sie der<br />

Gesellschaft nützen und wie viel sie kosten.<br />

Mit der Mathematisierung und Vermessung<br />

der Welt wird unser Leben Stück um Stück entmystifiziert,<br />

Transparenz ist ein Gebot der Stunde.<br />

Unser Wissen nimmt schnell zu und hat alle Bereiche<br />

erfasst, nur: <strong>Die</strong> wesentlichen Fragen, sie<br />

bleiben unbeantwortet, was wirklich zählt, kann<br />

man nicht zählen. Oder anders, bildhaft, gefragt:<br />

Wie viel wiegt sie denn nun, die Seele?


« Gemeinsam über<br />

Kurs.»<br />

275 Jahre auf<br />

<strong>Die</strong> Schaffhauser Kantonalbank<br />

gratuliert zum Jubiläum.<br />

Mit dem Sponsoring des KB-Schiffes engagiert sich die Schaffhauser Kantonalbank auch diesen Sommer für die beliebte<br />

Abendschifffahrt nach Stein am Rhein. Geniessen Sie eine der schönsten Flussfahrten Europas: vom 29. Juli bis zum<br />

9. September 2011, jeweils am Freitagabend.<br />

CHF 5.– für Kunden: Vorverkauf ab sofort in allen Filialen solange Vorrat. CHF 15.– für alle anderen Passagiere am Tag der Extrafahrt an der Schiffskasse. Gratis: Kinder bis 12 Jahre.<br />

Unser Engagement für die Region.<br />

shkb.ch/fuerdieregion<br />

A1272021


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Wirtschaft 19<br />

An der langen Leine geführt<br />

Der Schaffhauser Wirtschaftsraum ist geprägt<br />

von einer Reihe von Unternehmen,<br />

die weit über die Kantonsgrenzen hinaus<br />

sich einen Namen zu schaffen wussten. Ihr Schicksal<br />

ist allerdings auch unterschiedlich. Während<br />

etwa Georg Fischer zum internationalen Grosskonzern<br />

wurde, verschwand die SIG von der Bildfläche<br />

bis auf den Namen, der an ihren Produktionsstandort<br />

erinnert. Einen dritten Weg erlebte<br />

die Cilag AG, welche im März 1936 von Bernhard<br />

Joos als Chemisches industrielles Laboratorium<br />

(A.-G.) gegründet wurde. Dabei war die Region<br />

eigentlich chemisches Niemandsland; sie war beherrscht<br />

von Eisen- und Stahlwerken sowie Kammgarnspinnereien.<br />

Und doch lassen sich, folgt man<br />

dem Jubiläumsbuch der Cilag von 2006, schon<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts erste chemische Kleinbetriebe<br />

ausmachen, die jedoch gegen die schon<br />

damals starke Basler Chemie nicht ankamen.<br />

Joos, 1899 als Spross eines alten Schaffhauser<br />

Geschlechts geboren, erwarb an der Universität<br />

Zürich 1925 den Doktortitel mit der Dissertation<br />

«Untersuchungen über Lichenin und andere Polysaccharide».<br />

Nun hätte er eine Stelle bei der aufstrebenden<br />

Ciba in Basel antreten können. Doch<br />

dass er dort nicht bereits nach der ersten Prüfung<br />

eine Anstellung erhielt, sondern sich einer zweiten<br />

unterziehen musste, fand er so deplatziert,<br />

dass er das Angebot sausen liess. Sein verärgerter<br />

Vater soll ihn mit einem väterlichen Handgeld<br />

von 10 000 Franken nach Amerika verabschiedet<br />

haben, schreibt er in seinen Erinnerungen. Dort<br />

fand er eine Anstellung in einem Chemieuntenehmen,<br />

das Produkte aus Pyridin herstellte und damit<br />

im Bereich der Asepsis erfolgreich war. 1935,<br />

die Weltwirtschaftskrise hatte ihren Höhepunkt<br />

überschritten, kam Joos zurück nach Schaffhausen,<br />

experimentierte auf dem väterlichen Landgut<br />

Grafenbuck weiter mit Pyridin und entwickelte<br />

1936 eine Erfindung, die ihm attraktiv genug<br />

schien, damit seine eigene Firma zu gründen.<br />

Kampf um den Grundstoff Pyridin<br />

Begonnen hat Joos mit einem Angestellten,<br />

einer Sekretärin und einem Grundkapital von<br />

5000 Franken. Der Umsatz erreichte im ersten<br />

Jahr 13 000 Franken und stieg in den nächsten<br />

Jahren kräftig. Auch die Beschäftigtenzahl legte<br />

zu, auf rund 160 Ende 1945. Denn der Zweite Weltkrieg<br />

liess die Nachfrage bei Fiebersenkungs- und<br />

Desinfektionsmitteln und damit die Erträge anschwellen,<br />

doch brachte er gleichzeitig ein Nachschubproblem:<br />

Der Grundstoff Pyridin, aus Steinkohleteer<br />

bei der Verkoksung gewonnen, musste<br />

vorab aus Deutschland und teuer importiert werden,<br />

was zu ständigem Finanzmangel führte, der<br />

durch mehrere Kapitalerhöhungen aufgefangen<br />

wurde. Um der Nachfrage etwa nach dem Medikament<br />

Haptocil zu genügen, das gegen Lungenentzündung<br />

wirkte, baute Cilag ständig – ohne<br />

Rücksicht auf geordnete Produktionsabläufe. So<br />

entstanden auf dem Firmenareal Grafenbuck bis<br />

1946 sukzessive 26 Gebäude, denen der Stadtrat<br />

«aus einer Zwangslage und nicht mit Begeisterung»<br />

zustimmte, wie aus den Protokollen hervorgeht.<br />

Dem vermittelnden Eingreifen von Stadtpräsiden<br />

Walther Bringolf war zu verdanken, dass es<br />

nicht zum offenen Streit zwischen der Cilag und<br />

dem Quartierverein kam, welcher sich erfolglos<br />

über die steigenden Immissionen beklagte. Der<br />

Stadtrat stand dabei immer wieder vor dem Dilemma,<br />

als Umweltverderber angeprangert zu<br />

von hans wicki<br />

Das Pharmaunternehmen cilag ist halb so alt wie die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>». Seit 1959 Tochter des US-Konzerns<br />

Johnson & Johnson, hat das Schaffhauser Unternehmen eine wechselvolle Geschichte hinter sich, reich an Tiefschlägen und Erfolgen.<br />

cilag Guter Arbeitgeber, angenehmer Gesprächspartner<br />

Der Name Cilag lässt bei Befragten vorwiegend<br />

gute Erinnerungen hochkommen. Hans Werner<br />

Schmid etwa, 1974 Cilag-Chef und 1980 J-&-J-<br />

Vizepräsident geworden, nutzte die lange noch<br />

vorhandenen Freiheiten, um Ideen zu realisieren,<br />

die er zusammen mit der Konzernspitze<br />

entwickeln konnte. <strong>Die</strong> Übernahme war für ihn<br />

insofern sinnvoll, als die Cilag in einem Gebiet<br />

tätig war, für das sie allein zu klein war.<br />

Mike Baronian, 1990 bis 1998 an der Cilag-<br />

Spitze, schlug anfangs Misstrauen entgegen.<br />

Denn man vermutete, J & J habe ihn geschickt,<br />

um Schaffhausen zu schliessen. Als er dann<br />

aber ein Modernisierungsprogramm im Umfang<br />

von etwa 800 Millionen Franken lancierte, wandelten<br />

sich die Stimmung und die Firma in ein<br />

Hochtechnologiezentrum. Unter seiner Ägide<br />

wurde die Cilag zu einem der wichtigsten Pharmahersteller<br />

von J & J. Geholfen habe ihm die<br />

damals noch stärkere Dezentralisierung. Es<br />

bedurfte jedoch immenser Diskussionen mit der<br />

J-&-J-Spitze und der Fähigkeit, sich firmenintern<br />

gegen andere Standorte durchzusetzen.<br />

Nachfolger David. B. Bancroft bekam die<br />

sich wandelnde Wirtschaft hart zu spüren. Er<br />

sah sich stärker an Weisungen aus New Brunswick<br />

gebunden. Weil zudem nach dem Jahr 2000<br />

der Druck der Zulassungsbehörden für Medi-<br />

Seit mehr als 70 Jahren wird in der Cilag zum Wohle der Kranken geforscht und produziert. Bilder Cilag<br />

kamente massiv stieg und ausserdem einige<br />

Patente ausliefen, musste er in Schaffhausen<br />

zwischen 2007 und 2009 Stellen abbauen. Pete<br />

Federico, seit Herbst Cilag-Chef, geht davon aus,<br />

dass er mit neuen Produkten neue Stellen schaffen<br />

kann.<br />

Lob erfahren Cilag und J & J vonseiten der<br />

Politik wegen der Gesprächskultur. Marcel Wenger,<br />

Stadtpräsident zur Zeit, als die Cilag kräftig<br />

ausbaute, schätzte es, dass die Behörden nicht<br />

vor Tatsachen gestellt und damit unter Druck gesetzt<br />

wurden. So fiel es ihm auch leichter, als es<br />

um einen Gebietsanspruch ging, sich auf die Seite<br />

dessen zu schlagen, der hochwertige Arbeitsplätze<br />

schaffen wollte. Positiv fiel ihm auf, dass<br />

die Arbeitskräfte, die von J & J kamen, sich bemühten,<br />

lokal Wurzeln zu schlagen, gestützt<br />

von der Konzernphilosophie, dass nur international<br />

erfolgreich ist, wer dies auch lokal ist.<br />

Bedeutsam für den jetzigen Stadtpräsidenten<br />

Thomas Feurer ist, dass die Cilag, grösster<br />

privater Schaffhauser Arbeitgeber, ähnlich gelagerte<br />

Firmen angezogen hat. Darum ist die<br />

Stadt auch bereit, der Firma gute Bedingungen<br />

zu bieten, damit sie sich im internationalen<br />

Wettbewerb zu behaupten vermag. Schaffhausen<br />

sei daran interessiert, dass Cilag hier Produktionsstätte<br />

bleibe.<br />

werden oder bei einem Expansionsstopp Steuereinnahmen<br />

und Arbeitsplätze zu gefährden. 1949<br />

kam es zu einem einschneidenden Vorgang: <strong>Die</strong><br />

Kapitalgeber entzogen Fir-<br />

mengründer Bernhard Joos<br />

das Vertrauen; dieser wieder<br />

um nannte gegenüber<br />

den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

in einem Interview<br />

im Juni 1986, also<br />

zum 50. Geburtstag des<br />

Unternehmens, als Gründe<br />

für das plötzliche Ausscheiden<br />

«unerfreuliche interne<br />

Verhältnisse im Verwaltungsrat».<br />

US-Investoren gesucht<br />

Doch auch unter neuer<br />

Führung kam die Cilag in den<br />

Fünfzigerjahren nicht auf den<br />

grünen Zweig, weil nicht nur<br />

die Führung uneins war, wie<br />

der technische Direktor Carl<br />

Richter in seinen Erinnerungen<br />

darlegt, sondern sich mittlerweile ein<br />

Schuldenberg aufgehäuft hatte und<br />

zudem die Forschungsabteilung die<br />

Produktpipeline nicht mit zugkräftigen<br />

Präparaten zu füllen verstand.<br />

Es dauerte bis 1957, dass unter Kurt Habicht<br />

die Cilag wieder schwarze Zahlen schrieb und die<br />

Forschungsabteilung unter neuer Führung wieder<br />

Brauchbares lieferte. Zugleich lief seit rund<br />

drei Jahren die Suche nach einem US-Investor,<br />

wobei die ersten Anläufe im Sande verliefen.<br />

Ende 1958 bahnte sich der Kontakt zu Johnson<br />

& Johnson in New Brunswick an, und am 28. September<br />

1959 genehmigte der Cilag-Verwaltungsrat<br />

die Aktienübertragung. Es dauerte bis zum<br />

9. Oktober, bis in den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

eine dürre Mitteilung von gerade 21 Zeilen publiziert<br />

wurde unter dem Titel «<strong>Die</strong> Aktienmehrheit<br />

der Cilag in amerikanischen Händen». <strong>Die</strong> Generalversammlung<br />

vom 11. Dezember mit dem für<br />

die Firma historischen Vorgang war der Zeitung<br />

keine Zeile mehr wert. Dabei fehlten allerdings<br />

noch 145 Stammaktien; sie befanden sich im Besitz<br />

von Kleinaktionären, die der Auffassung waren,<br />

J & J müsse ein Mehrfaches des bisherigen Angebotes<br />

zahlen. Gemäss Angaben des Jubiläumsbandes<br />

war die Höhe der Kaufsumme nicht zu<br />

ermitteln. Doch der Konzern war bestrebt, alle<br />

Titel einzusammeln, denn dies enthob ihn von der<br />

Verpflichtung, Geschäftszahlen publizieren zu<br />

müssen. Erst 1963 waren dann alle<br />

Cilag-Aktien in der Hand von J & J.<br />

Warum eigentlich das Zusammengehen<br />

mit J & J? Der US-Konzern,<br />

selber Ende des 19. Jahrhunderts in<br />

New Brunswick, 50 Kilometer nördlich<br />

von New York, entstanden, hatte<br />

mit der Herstellung eines chirurgischen<br />

Heftpflasters begonnen. Mittlerweile<br />

hat er sich zu einem Unternehmen<br />

entwickelt, das letztes<br />

Jahr mit rund 114 000 Beschäftigten<br />

einen Umsatz von 61,3 Milliarden<br />

Dollar und einen Reingewinn von<br />

13,3 Milliarden erzielte.<br />

<strong>Die</strong> Cilag, nun Tochter<br />

eines Grosskonzerns,<br />

musste sich der<br />

dort geltenden Philosophie<br />

anpassen. Das<br />

bedeutete, sich der<br />

Konkurrenz auch innerhalb<br />

des Unternehmens<br />

zu stellen. Und<br />

da es gelang, besser und<br />

schneller zu produzieren,<br />

wurde die Herstellung einer Reihe von Produkten<br />

nach Schaffhausen vergeben. So erlebte die Cilag<br />

in den Neunzigerjahren ein stürmisches Wachstum,<br />

das sich in einem massiven baulichen Ausbau<br />

manifestierte.<br />

Cilag wurde zum begehrten Standort für die<br />

Laborentwicklung und die Produktion von Medikamenten,<br />

musste dagegen bei der Forschung<br />

stark zurückschrauben, weil hier andere Unternehmenstöchter<br />

die Nase vorn hatten. Ein Meilenstein<br />

vor der Jahrtausendwende war die Errichtung<br />

des Gebäudes für Sterilabfüllungen. Der<br />

Umsatz schoss empor, die Zahl der Beschäftigten<br />

stieg. Doch um 2007 musste sie wegen des Kostendrucks<br />

im Gesundheitswesens wieder stark reduziert<br />

werden. Denn es waren wichtige Patente<br />

ausgelaufen, und die Forscher bei J & J hatten die<br />

Produktpipeline nicht auffüllen können. Cilag ist<br />

im Konzern ein zwar wichtiger Produktionsstandort<br />

geworden und bietet derzeit rund 1000 Arbeitsplätze,<br />

vorwiegend für Hochqualifizierte. Doch<br />

New Brunswick gibt vor, und für Schaffhausen ist<br />

der Spielraum kleiner als auch schon.


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Wirtschaft 21<br />

Wie man eine Marke pflegt oder gar neu<br />

erfindet, lässt sich anhand der Schweizer<br />

Uhrenindustrie gut studieren. Hier<br />

gibt es alles: Alteingesessene Brands wie Rolex<br />

oder Patek Philippe, spektakuläre Neugründungen<br />

wie Richard Mille sowie zahlreiche Versuche,<br />

in der Versenkung verschwundene Marken zu<br />

neuem Leben zu erwecken. Ulysse Nardin und<br />

Hublot gehören dazu und – natürlich – H. Moser &<br />

Cie aus Neuhausen.<br />

«Drei Dinge waren es», die mich an das Revival<br />

von H. Moser & Cie glauben liessen», sagt Jürgen<br />

Lange, CEO von Moser: «Eine bemerkenswerte<br />

Firmengeschichte, die bis ins Jahr 1826 zurück -<br />

reicht. <strong>Die</strong> uhrmacherischen Finessen und Spezialitäten,<br />

die sich in vielen alten Moser-Uhren<br />

finden. Und die Verfügbarkeit von antiken Moser-<br />

Uhren im weltweiten antiquarischen Handel. Das<br />

gab mir Gewähr dafür, dass es immer noch Leute<br />

gibt, die die Marke kennen und schätzen.»<br />

Tradition spielt eine zentrale Rolle<br />

Wenn sich – wie bei mechanischen Uhren –<br />

der Preis eines Produkts nicht allein durch seine<br />

Funktionalität rechtfertigen lässt, müssen emotionale<br />

Gründe zum Kaufentscheid führen. Nur<br />

wer das Herz des Käufers oder der Käuferin gewinnt,<br />

erzielt hohe Margen. Für den Verkäufer<br />

heisst das: Er muss alles tun, um sein Markenbild<br />

zu pflegen, nur wenn es ihm gelingt, sein Image<br />

immer wieder neu mit Emotionen zu füllen, bleibt<br />

er im Geschäft.<br />

Luxusmarken zeichnen sich durch wiederkehrende<br />

Merkmale aus: Sie haben eine Geschichte,<br />

die Unternehmensgründer und Namensgeber<br />

sind prägende Elemente der Markenpersönlichkeit<br />

– man denke an Coco Chanel, Louis Vuitton,<br />

Willy Bogner oder Enzo Ferrari –, und neben dem<br />

Markennamen unterstützen auch Markensymbole<br />

den speziellen Mythos der Produkte.<br />

Das alles ist auch bei Moser so: «Eine ruhmreiche<br />

Historie allein», sagt Jürgen Lange, «reicht<br />

allerdings nicht, es braucht einen Bezug zur<br />

Neuzeit.» <strong>Die</strong>sen Bezug repräsentiert bei Moser<br />

Roger Nicholas Balsiger, Urenkel des Schaffhauser<br />

Industriepioniers.<br />

Tradition wird auch in der Werkstatt gepflegt:<br />

«Was einzigartig ist und technisch immer noch<br />

Sinn macht, haben wir übernommen», erklärt Jürgen<br />

Lange, «zum Beispiel das Moser-spezifische<br />

Merkmal, dass das Kleinbodenrad und das Sekundenrad<br />

unter derselben Räderwerksbrücke zu<br />

finden sind; oder die flachpolierten, nicht gebläuten<br />

Schrauben, mit denen wir die Goldchatons auf<br />

der Brücke fixieren; die Anker und Ankerräder in<br />

Massivgoldausführungen, die bei Moser historisch<br />

belegt sind, sowie der spezielle Schliff, der<br />

ebenfalls zur DNA der moserschen Konstruktion<br />

und Gestaltung gehört.» Und natürlich hat Lange<br />

auch das Moser-Symbol gerettet: <strong>Die</strong> berühmte,<br />

ins Werk eingravierte Punze, die seit 185 Jahren<br />

für die Qualität der<br />

Uhren bürgt.<br />

Was es alles braucht,<br />

um eine Marke zu reanimieren,<br />

wusste Jürgen<br />

Lange schon. Er hat es bei A. Lange &<br />

Söhne miterlebt, damals, als er noch technischer<br />

Direktor der IWC war. IWC-Chef<br />

Günter Blümlein baute die ostdeutsche<br />

Traditionsmarke Anfang der Neunzigerjahre<br />

mit finanzieller Hilfe des damaligen<br />

IWC-Mutterkonzerns VDO neu auf. Auch er<br />

besann sich auf die historischen Wurzeln der<br />

Firma und holte mit Walter Lange einen Vertreter<br />

der Familie ins Boot. Vorstandsvorsitzender von<br />

VDO war zu dieser Zeit Albert Keck – heute ist<br />

Keck Aktionär der Moser Group.<br />

Marken definieren eine Haltung zur Welt<br />

Der funktionale Nutzen einer Luxusuhr ist<br />

relativ gering, sie leistet in der Regel nicht viel<br />

mehr als ein billiger Plastikwecker. Und wenn sie<br />

das – wie zum Beispiel im Fall komplizierter astronomischer<br />

Funktionen – dennoch einmal tut,<br />

benützt kaum jemand die zusätzlichen Spezialitäten.<br />

Dafür leistet eine Luxusuhr unschätzbare<br />

<strong>Die</strong>nste, wenn es darum geht, Status zu demonstrieren.<br />

Und, was oft noch wichtiger ist, sie macht<br />

Wertvorstellungen des Trägers sichtbar – seine<br />

Liebe zu schönen Formen beispielsweise, seinen<br />

Mehr sein, als ist<br />

feinen Sinn für hochwertige Materialien und perfekte<br />

Verarbeitung oder sein Faible fürs Aussergewöhnliche.<br />

Marken definieren eine persönliche<br />

Haltung zur Welt, sie positionieren Individuen.<br />

Luxusmarken sind europäische Marken<br />

«Kunden suchen eine emotionale Beziehung<br />

zum Produkt und zur Firma», sagt Jürgen Lange.<br />

«<strong>Die</strong>se Bindung stärken wir, indem wir uns treu<br />

bleiben, indem wir nichts erzählen, was wir nicht<br />

halten können, und indem wir nicht nur in Bezug<br />

auf die Historie, sondern auch hinsichtlich der<br />

Technik nachvollziehbar und nachprüfbar bleiben<br />

– was in unseren Uhren ist, muss Sinn machen,<br />

indem beispielsweise die Bedienbarkeit oder Ablesbarkeit<br />

einer ewigen Kalenderuhr verbessert<br />

wird.»<br />

Luxusmarken sind meist europäische Marken.<br />

Das hat mit der Geschichte Europas zu tun: <strong>Die</strong><br />

Königs- und Adelshäuser schufen früh eine Kul-<br />

tur für raffinierten Luxus – besonders in den<br />

katho lischen Ländern, wo man seit jeher eine<br />

Schwäche für Prunk und die öffentliche Zurschaustellung<br />

von künstlerischem Reichtum<br />

hatte. Amerikanischer Luxus will mit Komfort<br />

und Grösse gewinnen, europäischer Luxus ist<br />

ausgerichtet auf Finesse im Detail und die Geschichte<br />

der Marke.<br />

Raffinesse und Traditionsbewusstsein bedeuten<br />

für Moser Verzicht auf moderne Materialien<br />

wie beispielsweise Silicium. «Wenn wir schon mit<br />

von Sandro Stoll<br />

Eine Ware kann gut sein, doch erst ihr Name und ihr Nimbus machen sie wertvoll.<br />

Kein Wunder, sind Marken die wichtigsten Produkte der heutigen Geschäftswelt.<br />

Eine Uhr kann mehr, als bloss die Zeit anzeigen – Blick in die Manufaktur von H. Moser & Cie in Neuhausen. Bild Michael Kessler<br />

einem Anachronismus, der mechanischen Uhr,<br />

ein Geschäft machen wollen, müssen wir auch da<br />

authentisch sein», sagt Lange, «also bauen wir<br />

eine elegante Uhr mit klassischen Methoden.»<br />

Dazu gehört zum Beispiel, dass Moser an der traditionellen<br />

Schwingfrequenz von 18 000 Halbschwingungen<br />

pro Stunde festhält. «<strong>Die</strong> Tendenz,<br />

auf 28 800 Schwingungen oder sogar noch höher<br />

Der funktionale nutzen<br />

einer Luxusuhr ist relativ gering,<br />

dafür macht sie<br />

die Wertvorstellungen<br />

des Trägers sichtbar.<br />

zu gehen, halte ich für einen Unsinn», sagt Lange,<br />

«so genau wie eine Quarzuhr läuft sie dann doch<br />

nicht, am Ende ist nur der Verschleiss der mechanischen<br />

Bauteile höher.»<br />

Blosse Nostalgie verführt keinen Käufer<br />

<strong>Die</strong> Globalisierung und Digitalisierung fördern<br />

die Sehnsucht nach dem Vertrauten, Verständlichen<br />

und mit Händen Greifbaren. «Vintage» ist<br />

gross in Mode, aber blosse Nostalgie verführt<br />

noch keinen Käufer. «Marken müssen sich legitimieren,<br />

und die Industrie muss den Weg zurück<br />

an die Werkbank finden», erklärt Nik Stucky,<br />

Markenexperte bei Interbrand («Bilanz», Heft<br />

15/2010).<br />

<strong>Die</strong> Präzision, mit der die Teile in der Uhrenindustrie<br />

hergestellt werden, leistet inzwischen<br />

auch die Medizinal- oder Autoindustrie. Aber die<br />

Art und Weise, wie die Teile finissiert werden,<br />

unterscheidet sich enorm. «Je ausgefeilter das<br />

handwerkliche Geschick einer Firma ist, desto<br />

unterschiedlicher sind die von ihr gefertigten<br />

Teile», sagt Jürgen Lange, «und das macht es eben<br />

letztendlich aus.» <strong>Die</strong> Uhren, die in solch aufwendiger,<br />

ja fast besessener Detailarbeit hergestellt<br />

würden, seien auf der einen Seite unglaublich<br />

teuer, meint Lange, «aber auf der anderen Seite<br />

sind sie auch unglaublich preiswert, wenn man<br />

bedenkt, was man dafür bekommt: weltweit einzigartiges<br />

Kunsthandwerk, das es in dieser Exzel-<br />

lenz in dreissig Jahren vielleicht gar nicht mehr<br />

gibt.» Darum werden bei Moser in Zusammenarbeit<br />

mit den besten Zulieferanten auch alte<br />

Handwerkstechniken neu belebt, zum Beispiel bei<br />

der Herstellung der Fumé-Zifferblätter.<br />

Auch der Secret Agent ist im Einsatz<br />

In der Luxusgüterindustrie genügt es nicht,<br />

raffinierte Produkte herzustellen, auch hier<br />

braucht es talentierte Verkäufer. In der Uhrenbranche<br />

greift man dafür gerne auf sogenannte<br />

Markenbotschafter zurück: Maurice Lacroix setzt<br />

auf den britischen Golfstar Justin Rose, Wikipedia-Gründer<br />

Jimmy Wales oder Ex-Rockstar und<br />

Weltretter Bob Geldof. Omega schmückt sich mit<br />

Schauspieler George Clooney, Supermodel Cindy<br />

Crawford und weiss Secret Agent James Bond in<br />

seinen <strong>Die</strong>nsten. Auch die IWC hat einen ganzen<br />

Stab von «friends of the brand», angefangen bei<br />

Jean Reno, Kevin Spacey und Cate Blanchett.<br />

Moser verzichtet bisher auf Markenbotschafter.<br />

«Weil es uns zu teuer ist und weil Botschafter ausfallen<br />

können» – wie beispielsweise Golfstar und<br />

TAG-Heuer-Repräsentant Tiger Woods, nachdem<br />

seine Frau hinter seine Affären kam und seinen<br />

Cadillac wutentbrannt und öffentlichkeitswirksam<br />

mit einem Golfschläger demolierte.<br />

Harter Kern konjunkturresistenter Kunden<br />

Trotz solch unerfreulicher Ausrutscher ist der<br />

Luxusgütermarkt ein vergleichsweise robuster<br />

Markt. Das hat damit zu tun, dass Luxusmarken<br />

in wirtschaftlich prosperierenden Zeiten neue<br />

Kunden gewinnen – und in der Rezession kaum<br />

gross an Boden verlieren. Aufgrund der starken<br />

Markenbindung und der Tatsache, dass Luxus<br />

meist sowieso mit dem fürs tägliche Leben nicht<br />

benötigten «Spielgeld» finanziert wird, verfügen<br />

gut etablierte Luxusmarken über einen harten<br />

Kern loyaler, konjunkturresistenter Käufer. Stärkere<br />

Schwankungen gibt es nur dort, wo auch der<br />

Mittelstand am Luxuskuchen knabbert, also zum<br />

Beispiel in der Modebranche.<br />

Um die Schweizer Uhrenindustrie muss man<br />

sich also keine Sorgen machen. «Solange es uns<br />

gelingt, die typisch schweizerischen Traditionstechnologien<br />

im Land zu erhalten», sagt Jürgen<br />

Lange, «bleiben unsere Uhren, was sie sind – einzigartig<br />

und begehrt.»<br />

Literatur Alexander Meschnig: «Markenmacht». Europäische Verlagsanstalt, 2002.


Was, wenn das<br />

Schaffhauser<br />

Intelligenzblatt<br />

vor 150 Jahren<br />

nicht gegründet<br />

worden wäre?<br />

Was, wenn es das Schaffhauser<br />

Intelligenzblatt, die Schaffhauser<br />

<strong>Nachrichten</strong>, nicht geben würde?<br />

Wären dann die Schaffhauser nicht<br />

so belesen? Hätte dann der Kanton<br />

Schaffhausen gemäss Pisa-Studie<br />

nicht die besten Schüler des Landes?<br />

Dranbleiben.<br />

Wir gratulieren den Schaffhauser<br />

<strong>Nachrichten</strong> zu allem, was sie in<br />

150 Jahren erreicht haben.


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Wirtschaft 23<br />

Früher war die Produktion von Waren relativ<br />

einfach organisiert. Wer etwas herstellte,<br />

fertigte die dazu benötigten Einzelteile<br />

selber und baute sie zusammen. In einer nächsten<br />

Stufe begann man, Einzelteile zuzukaufen – entweder<br />

indem man sie bei einem Hersteller bestellte,<br />

der sich darauf spezialisiert hatte, Einzelteile<br />

zu bauen, oder dann indem man sie bei einer<br />

Drittfirma herstellen liess. Aber eines blieb sich<br />

gleich: Der Produzent hatte in aller Regel ein<br />

Lager, in dem die benötigten Einzelteile gestapelt<br />

wurden. Neigte sich dieses Lager dem Ende zu, so<br />

bestellte man Nachschub.<br />

Auch für die Endkunden war die Sache relativ<br />

einfach: Eine Ware, die man brauchte, bestellte<br />

man beim Hersteller. Hatte man Glück, so war die<br />

fertige Ware am Lager, hatte man Pech, musste<br />

sie erst hergestellt werden. Letzteres konnte zwei<br />

Gründe haben. Entweder fehlte der Artikel im<br />

Lager wirklich, oder der Hersteller kam – im ungünstigsten<br />

Fall – mit dem Produzieren nicht<br />

nach, weil die Kunden so viel bestellten. Was auch<br />

immer der Grund war: Lieferfristen von Wochen,<br />

Monaten oder gar Jahren waren keine Seltenheit.<br />

Lager und Warten kosten<br />

Irgendwann waren die Kunden dieser Warterei<br />

überdrüssig und bevorzugten Hersteller, die<br />

sofort liefern konnten. Also baute dieser die Lager<br />

von Fertigwaren auf, um jederzeit liefern zu können.<br />

Oder der Kunde tat seinerseits das Gleiche,<br />

um jederzeit genügend Einzelteile zu haben. Das<br />

hatte einen grossen Nachteil: Lagerhaltung ist<br />

teuer, denn die darin gestapelte Ware ist in aller<br />

Regel bereits bezahlt. Betriebswirtschaftlich ausgedrückt:<br />

Ein Lager bindet Kapital. Verständlich<br />

ausgedrückt: Ein Lager kostet.<br />

Es waren vor allem die Japaner, die eine billigere<br />

Lösung erfanden: Der Zulieferer sollte die<br />

benötigten Teile genau dann liefern, wenn der<br />

Hersteller sie brauchte. Also genau zur richtigen<br />

Zeit oder «Just in time» im heute üblich gewordenen<br />

Wirtschaftsenglisch. Pech für den Lieferanten:<br />

Nun musste er ein Lager halten und die Kosten<br />

tragen. Klar, dass er einen Ausweg suchte. Der<br />

Besteller sollte ihm möglichst früh sagen, wann<br />

er mutmasslich wie viele Teile brauchte, damit<br />

der Lieferant seine Produktion entsprechend abstimmen<br />

und die Lagerhaltung möglichst minimieren<br />

konnte.<br />

Heute ist «Just in sequence», wie diese Produktionsweise<br />

nun genannt wird, weitverbreitet.<br />

Ein Spezialist dafür in unserer Region ist die<br />

Giesserei von Georg Fischer Automotive in Singen,<br />

die Teile für die Autoindustrie herstellt. Wir<br />

erkundigten uns dort, was «Just in sequence» in<br />

der Praxis bedeutet.<br />

Menge, Qualität und Zeitpunkt<br />

«Just in sequence» sei eigentlich nichts anderes<br />

als eine Vereinbarung zwischen dem Lieferanten<br />

und dem Kunden: «Wir verpflichten uns, die<br />

gewünschte Menge in der zuvor bestimmten Qualität<br />

und zum gewünschten Zeitpunkt bereitzustellen<br />

oder zu liefern», erklärt Michael Edbauer,<br />

Leiter Qualitätsmanagement und Logistik sowie<br />

Mitglied der Geschäftsleitung der Georg Fischer<br />

Automobilguss GmbH in Singen.<br />

Konkret sehe das so aus, dass die Lastwagen<br />

der Kunden die fertigen Teile zu einem definierten<br />

Zeitfenster abholten: «Das kann zum Beispiel<br />

heissen, dass bei uns eine Lieferung zwischen<br />

14 und 16 Uhr abholbereit an der Rampe stehen<br />

muss.» «Tagesabrufe» sei der Fachbegriff für derartige<br />

Lieferungen. Dabei könne es sich um Rohteile<br />

oder um bearbeitete Teile handeln. Letztere<br />

Just in sequence<br />

seien beispielsweise geschliffen und lackiert –<br />

«die Kompetenzen zur Bearbeitung derartiger<br />

Teile haben wir in den letzten Jahren aufgebaut.<br />

Dass wir Teile liefern können, die fixfertig zum<br />

Einbauen bereit sind, ist zu einem grossen Wettbewerbsvorteil<br />

geworden», so Edbauer.<br />

Das ganze System könne nur funktionieren,<br />

wenn zwischen Lieferant und Kunde eine enge<br />

Absprache bestehe: «Tägliche Kontakte sind eher<br />

die Regel als die Ausnahme.» Das sei vor allem<br />

auch deshalb unumgänglich, weil die gelieferten<br />

Teile oft schon nach zwei Tagen in der Produktion<br />

verwendet würden. «Wenn wir also nicht liefern,<br />

steht im Extremfall ein Produktionswerk nach<br />

wenigen Tagen still», erläutert Michael Edbauer<br />

die engen Fristen, die in diesem Geschäft heute<br />

üblich sind.<br />

Genauso eng ist aber auch die Planung bei<br />

Georg Fischer selber. «Wir produzieren die Teile,<br />

ungefähr eine Woche, allerhöchstens anderthalb<br />

Wochen bevor sie abgeholt oder von uns geliefert<br />

werden», gibt Edbauer Einblick in die Produktionsplanung.<br />

Je nach Losgrösse werde dabei die<br />

Serie für ein einzelnes Teil in Singen ein bis zwei<br />

Tage lang gegossen und nötigenfalls nachbearbeitet.<br />

Dass diese Produktionsweise bei rund<br />

350 verschiedenen Teilen, die Georg Fischer von<br />

Singen aus zurzeit an die Automobilindustrie<br />

liefert, ein gigantisches Zusammensetzspiel ist,<br />

leuchtet auch einem Laien ein.<br />

Arbeit in 15 Schichten<br />

Um dieses Zusammensetzspiel zu bewältigen,<br />

braucht es einen ausgeklügelten Produktionsplan<br />

für einen geregelten Ablauf. <strong>Die</strong>ser wird in der<br />

Regel am Donnerstag für die kommende Woche<br />

erstellt, so Edbauer. «Im Moment arbeiten wir in<br />

15 Schichten. <strong>Die</strong> Wochenenden können wir so für<br />

allfällige Wartungs­ oder Reparaturarbeiten nutzen.»<br />

Damit liege zurzeit die Auslastung nicht<br />

ganz bei der möglichen Maximalkapazität, aber<br />

schon recht nahe an der theoretischen Vollauslastung.<br />

Gegenüber 2010 werde dieses Jahr die Produktion<br />

fast verdoppelt, erklärt Michael Edbauer.<br />

von karl hotz<br />

liefern genau dann, wenn der kunde das Material braucht – das ist heute in vielen Branchen die Regel.<br />

Was dieses «Just in sequence» in der Praxis bedeutet, zeigen wir am Beispiel der Georg Fischer Automotive in Singen.<br />

«Wir verpflichten uns,<br />

die gewünschte Menge in der<br />

zuvor bestimmten<br />

Qualität und zum<br />

gewünschten Zeitpunkt bereit­<br />

zustellen oder zu liefern»<br />

Präzisionsguss für die Automobilindustrie. Bilder GF<br />

«Wir sind mit<br />

dem Jahr 2011 ganz zufrieden»,<br />

fährt er fort. «Man könnte zwar<br />

meinen, eine hundertprozentige Auslastung sei<br />

wünschbar, doch das stimmt nur bedingt.» Was<br />

den Laien im ersten Moment etwas verblüfft,<br />

hat eine einfache Erklärung: Michael Edbauer<br />

verweist auf die Jahre 2007 und 2008, als die Auslastung<br />

praktisch immer am theoretischen Maximum<br />

lag: «Da durfte überhaupt nichts schiefgehen,<br />

denn die kleinste Störung hatte sofort<br />

Auswirkungen auf die gesamte Produktion. Wir<br />

waren fast immer am Improvisieren, und Zeit für<br />

Wartungsarbeiten gab es auch fast keine mehr.<br />

Wir waren über Monate fast immer im roten Bereich.»<br />

Inzwischen habe man die Lehren aus den<br />

damaligen Zuständen gezogen und wäre für eine<br />

neue Höchstauslastung von der Ablaufplanung<br />

her besser gewappnet, ist Michael Edbauer überzeugt,<br />

der darum beim jetzigen Produktionsniveau<br />

durchaus noch Steigerungsmöglichkeiten<br />

sieht.<br />

Von heute auf morgen von 100 auf 0<br />

<strong>Die</strong> Krise in den Jahren 2008 und 2009, als die<br />

Schuldenblase platzte und im Gefolge die gesamte<br />

Wirtschaft lahmte, zeigte allerdings auch die<br />

Kehrseite von «Just in sequence». «Innerhalb von<br />

zwei Wochen sank Anfang Oktober 2008 die Auslastung<br />

von 100 auf praktisch 0», erinnert sich<br />

Edbauer. Zwei Wochen deshalb, weil innerhalb<br />

dieser Zeitspanne alle einmal georderten Teile in<br />

der Automobilproduktion eingebaut sind und<br />

dann keine neuen Bestellungen nachfolgen, wenn<br />

kein Bedarf mehr besteht.<br />

«Wir konnten die Krise allerdings praktisch<br />

ohne Stellenabbau meistern. Weil die Produktion<br />

vorher derart hoch war, hatten alle Beschäftigten<br />

«Wir können etwa eine<br />

Scheibe leichter machen,<br />

indem wir sie in Form eines<br />

Speichenrades mit weniger<br />

Material produzieren.<br />

oder wir können vorschläge<br />

machen, wie statt dreier Teile<br />

ein einziges Teil verwendet<br />

werden kann, wenn das<br />

produktionstechnisch möglich ist»<br />

viel Überzeit geleistet, und Ferien konnten auch<br />

kaum eingezogen werden», so Edbauer. Also konnten<br />

zuerst einmal alle diese zuvor angehäuften<br />

Stunden kompensiert werden. Einzig bei den<br />

Leiharbeitern, die zum Brechen der Produktionsspitzen<br />

eingesetzt werden, musste abgebaut<br />

werden. «Just in sequence» habe daher, einmal<br />

abgesehen von den erwähnten Überstunden oder<br />

Einschränkun­<br />

gen bei den<br />

Ferien,<br />

bisher<br />

kaum Aus­<br />

wirkungen auf<br />

die Beschäftigtenzahl<br />

gehabt: «Es ist nicht so, dass<br />

wir je nach Auslastung sofort<br />

Arbeitsplätze ab­ oder aufbauen.<br />

Das wäre auch unserem guten Personal gegenüber<br />

nicht fair.»<br />

Wichtiges Zentrallabor<br />

Natürlich geht die Entwicklung im Automobilbau<br />

stets weiter. Im Moment seien leichtere Teile<br />

gefragt, um dank des eingesparten Gewichts den<br />

Benzinverbrauch senken zu können. So stelle sich<br />

beispielsweise immer wieder die Frage, ob und<br />

welche Teile statt aus Eisen aus Aluminium oder<br />

Magnesium hergestellt werden könnten. «Hier<br />

sind wir mit unseren Kunden stets im Gespräch»,<br />

so Edbauer. Aber es gebe natürlich auch andere<br />

Möglichkeiten: «So können wir etwa eine Scheibe<br />

leichter machen, indem wir sie in Form eines Speichenrades<br />

mit weniger Material produzieren.<br />

Oder wir können Vorschläge machen, wie statt<br />

dreier Teile ein einziges Teil verwendet werden<br />

kann, wenn das produktionstechnisch möglich<br />

ist», gibt Edbauer zwei Beispiele.<br />

Bei all diesen Vorschlägen und den dafür notwendigen<br />

Entwicklungsarbeiten sei das Zentrallabor<br />

von GF Automotive in Schaffhausen sehr<br />

wichtig. «Das haben auch unsere Kunden erkannt.<br />

Sie reden sehr früh mit uns, wenn ihre Entwickler<br />

den Einbau neuer Teile planen, damit wir unsererseits<br />

abklären können, was mit welchen Materialien<br />

überhaupt möglich ist.»


24 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Bestellung mit Code FWCA1104 an: Verlag Finanz und Wirtschaft AG, Abo-Service/ALM, Postfach, 8021 Zürich<br />

Telefon 044 404 65 55, Fax 044 404 69 24, E-Mail abo-zeitungen@fuw.ch<br />

Angebot gültig bis 30. Juni 2011 und nur für Neuabonnenten. Preise sind in der Schweiz gültig, Preisliste Ausland auf Anfrage.<br />

«‹<strong>Die</strong> Arbeiterzeitung›» hat es wohl bitter nötig,<br />

denn es ist begrei�ich, dass es schliesslich auch dem<br />

Einsichtslosesten zu dumm wird, den Bringolfschen<br />

Zauber zu lesen.»<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> Intelligenzblatt», heute «SN»,<br />

über die «az» am 14. 3.1928<br />

«Vielleicht merken doch einige ihrer Leser,<br />

dass sie immer den alten stinkenden Kohl serviert<br />

erhalten, von dem auch Menschen mit redlichem<br />

Gemüt und gutem Magen Aufstossen bekommen.»<br />

«Arbeiterzeitung», heute «schaffhauser az»,<br />

über die «SN» am 17. 3.1928<br />

<strong>Die</strong> «Finanz und Wirtschaft» wünscht<br />

den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

das Beste zum150-jährigen Bestehen<br />

<strong>Die</strong> führende Anlegerzeitung der Schweiz offeriert den SN-Lesern als Jubiläumsgeschenk<br />

150 Fr. Rabatt auf das Jahresabo der «Finanz und Wirtschaft»<br />

Bestellen Sie jetzt mit dem Code FWCA1104 die Printausgabe der «Finanz und Wirtschaft» für ein Jahr für 169 Fr. statt 319 Fr.<br />

Nein, wir waren in der Vergangenheit nicht sehr<br />

nett miteinander. Politisch sind wir meistens<br />

immer noch anderer Meinung, aber man kann<br />

sich auch stilvoll streiten.<br />

Darum wünschen wir<br />

unserer langjährigen<br />

Lieblingskonkurrentin<br />

alles Gute zum<br />

Geburtstag und ein<br />

langes Leben.<br />

Der SÜDKURIER<br />

gratuliert zum<br />

Geburtstag<br />

Der SÜDKURIER gratuliert den Schaffhauser<br />

<strong>Nachrichten</strong> herzlich zum 150. Geburtstag<br />

und wünscht weiterhin viel Erfolg.<br />

A1265998<br />

www.suedkurier.de<br />

A1270330<br />

A1270803


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Wirtschaft 25<br />

Bild Rolf Wessendorf<br />

Im Rückblick hat wohl wenig so viel dazu beigetragen, unseren Lebensstil zu verändern,<br />

wie die Mobilität. Wir können fast überall hinreisen, wo wir wollen. Der Strassenverkehr –<br />

dazu gehört in Schaffhausen natürlich auch der A4-Tunnel – macht jeden in einem Ausmass<br />

beweglich, von dem unsere Vorfahren nicht einmal träumen konnten.


26 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Wir gratulieren zum 150-Jahr-<br />

Jubiläum und feiern mit.<br />

V e r m ö g e n s v e r w a l t u n g S c h a f f h a u s e n A G<br />

Frauengasse 20<br />

Postfach<br />

8203 Schaffhausen<br />

Tel. 052 633 04 30<br />

Fax 052 633 04 31<br />

info@bbs-sh.ch<br />

Wir gratulieren zum 150-jährigen Bestehen<br />

und wünschen Ihnen Glück und viel Erfolg<br />

für die nächsten 150 Jahre<br />

A1271556<br />

150 Jahre<br />

Regional<br />

Unabhängig<br />

Erfolgreich<br />

Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum.<br />

Mehr Möglichkeiten.<br />

<strong>Die</strong> älteste Bank der Schweiz<br />

gratuliert der ältesten Zeitung<br />

in Schaffhausen zum 150-Jahr-<br />

Jubiläum.<br />

A1265516<br />

A1270527<br />

www.ersparniskasse.ch<br />

A1272163


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Wirtschaft 27<br />

Holding- statt Industriekanton<br />

Als 1991 die Immobilienblase platzte, wurden<br />

die Strukturschwächen der Schweizer<br />

Wirtschaft, im Wind von Deregulierung<br />

und Globalisierung, schonungslos offengelegt. In<br />

Schaffhausen kamen als erschwerendes Handicap<br />

die starke Industrielastigkeit und die sehr einseitig<br />

auf die Metall­ und Maschinenindustrie ausgerichtete<br />

Branchenstruktur hinzu. Schaffhausen<br />

verlor in den folgenden Jahren von allen Schweizer<br />

Kantonen prozentual am meisten Arbeitsplätze.<br />

Eine neue und seither anhaltende Entwicklung<br />

ist, dass auch Firmen, denen es gut geht,<br />

Personal abbauen.<br />

<strong>Die</strong> Strukturkrise schlägt zu<br />

1991 wurden die Schaffhauser Wolle (Schoeller<br />

Albers) und die Coffex geschlossen, von den<br />

drei GF­Stahlgiessereien, einst der Stolz Schaffhausens,<br />

blieb nichts mehr übrig. <strong>Die</strong> CMC, die<br />

1992 in den ABB­Konzern integriert wurde, erlebte<br />

anschliessend eine drastische Abmagerungskur,<br />

bei welcher bis 1998 von 1050 nur noch<br />

280 Arbeitsplätze übrig blieben. 1999 verschwand<br />

mit der Leichtmetallgiesserei auch die letzte GF­<br />

Giesserei, die sich inzwischen im Besitz der Alu<br />

Menziken befand. Auch Knorr, die im Jahr 2000<br />

mit Bestfoods bei der Unilever landete, redimensionierte<br />

massiv. Praktisch die einzige Stütze der<br />

Beschäftigung war in diesen Jahren die ständig<br />

expandierende Pharmaproduzentin Cilag, eine<br />

Tochter des US­Konzerns Johnson & Johnson.<br />

Insgesamt resultierte von 1991 bis 1995 ein Minus<br />

von 10,5 Prozent der Arbeitsplätze, womit der<br />

Zuwachs der vorangegangenen fünf Jahre, als<br />

sich Schaffhausen endlich von der Erdölkrise<br />

der 1970er­Jahre erholt hatte, wieder zunichte<br />

gemacht war.<br />

Das Trauerspiel SIG<br />

Ein wahrer Ausverkauf fand bei der SIG statt,<br />

die sich ganz aufs Verpackungsmaschinengeschäft<br />

konzentrierte. Der noch verbliebene Rollmaterialbereich<br />

ging an Fiat (später an Alstom), das Waffengeschäft<br />

an deutsche Investoren. Bald erfasste<br />

die Fokussierungswut aber auch die Verpackung<br />

von Trockengütern, die man als nicht mehr strategiekonform<br />

bezeichnete. Fortan hatte man als<br />

Kerngeschäft nur noch das Getränkesegment im<br />

Visier. Der Verkauf der Sigpack (Trockengüter)<br />

erfolgte 2004, nach längerer Suche, mit der Käuferin<br />

Bosch als perfekte Lösung. Der Standort<br />

Beringen hat sich seither gut entwickelt.<br />

Am Ende wurde der Fall SIG zum Trauerspiel.<br />

Nach einem heftigen Übernahmekampf, in welchem<br />

zeitweise auch Tito Tettamanti mitmischte<br />

und die konzeptlose SIG­Führung nur noch ihre<br />

Schäfchen ins Trockene bringen wollte, schluckte<br />

2007 die neuseeländische Rank­Gruppe das Unternehmen.<br />

2008 wurde die PET­Sparte (SIG Beverages)<br />

an die deutsche Salzgitter verkauft. Als<br />

Rest der SIG verblieb die SIG Combibloc, die 2010<br />

mit Getränkekartons und den zugehörigen Füllmaschinen<br />

einen Umsatz von 1,36 Mrd. Euro erzielte,<br />

der von 4650 Mitarbeitenden in 40 Ländern,<br />

davon gut 260 in Neuhausen, erarbeitet wurde.<br />

Alusuisse: In alle Winde verkauft<br />

Bald nicht mehr viel übrig bleiben wird in<br />

Neuhausen auch vom einst stolzen Standort der<br />

Alusuisse, an welchen bald nur noch der Name<br />

der Bushaltestelle erinnert. Im Schicksal des<br />

traditionsreichen Forschungszentrums des Konzerns<br />

spiegelt sich die Globalisierung auch dieser<br />

Branche. Nachdem die Alusuisse beim kanadischen<br />

Alcan­Konzern gelandet war, wurde der<br />

Neuhauser Standort 2003 – nach der Übernahme<br />

von Pechiney durch Alcan – nochmals gestärkt.<br />

Man bekam mit dem französischen Pechiney­<br />

Standort Voreppe zwar eine Konkurrenz, aber<br />

Neuhausen wurde ausgebaut.<br />

Dann setzte die Auszehrung schrittweise ein.<br />

2006 schloss Novelis, durch die Abspaltung der<br />

Walzwerke entstanden, ihr Forschungs­ und Entwicklungszentrum.<br />

Im März dieses Jahres gab<br />

der Verpackungskonzern Amcor, der von Rio<br />

Tinto – seit 2007 Besitzerin von Alcan – unter anderem<br />

die Standorte Kreuzlingen, Rorschach und<br />

einen Teil von Singen gekauft hatte, den Auszug<br />

seiner Verpackungsforschung bekannt. Und im<br />

April erreichte die restlichen Beschäftigten die<br />

Hiobsbotschaft, dass auch Schweiter, die von<br />

Rio Tinto den Bereich Composites übernahm, die<br />

Verbundwerkstoffforschung zu den Werken verlagere.<br />

Zurück bleiben reduzierte Forschungsaktivitäten,<br />

die ans Management verkauft werden,<br />

und die 3ATM als Verwaltungsgesellschaft,<br />

die sich auch um den Technologiepark RhyTech<br />

Materials World kümmern wird.<br />

Neue Hoffnung dank KMU<br />

Der Abbau bei den Grossfirmen ist zwar betrüblich<br />

und für die Betroffenen hart, aber durch<br />

ihn ist die Struktur der Schaffhauser Wirtschaft<br />

gleichzeitig vielfältiger und damit wohl auch robuster<br />

geworden. Schaffhausen verfügt über zahlreiche<br />

kleine und mittlere Unternehmen (KMU),<br />

die vereinzelt auch aus Abspaltungen der Konzerne<br />

entstanden. Eine Schaffhauser Besonderheit<br />

ist dabei der Formenbau. Hier bildete sich im<br />

Lauf der Jahre ein ganzer Cluster von Firmen, die<br />

unter anderem für Zukunftsbranchen wie die<br />

Medizinaltechnik tätig sind. <strong>Die</strong> Medizinal­ und<br />

Dentalindustrie gehört auch zu den Abnehmern<br />

der Metoxit in Thayngen, von der sich die Alusuisse<br />

1986 trennte. Sie ist mit ihren Hightech­<br />

Keramik erzeugnissen nicht das einzige Beispiel<br />

von AdriAn Knoepfli<br />

die Schaffhauser Wirtschaft hat in den letzten 20 Jahren ein neues Gesicht erhalten. Aus der einstigen Hochburg der<br />

Metall- und Maschinenindustrie ist ein diversifizierter Wirtschaftsraum mit vielen internationalen Holdings entstanden.<br />

An den einst stolzen Standort der<br />

Alusuisse in neuhausen am<br />

Rheinfall erinnert wohl bald nur<br />

noch der name der Bushaltestelle.<br />

Das SIG-Areal ist eine Mischung von Neu- und Altbauten und im Moment brach liegenden Flächen. Bild Michael Kessler<br />

<strong>Die</strong> Wirtschaftsförderung hat ganz<br />

andere Firmen und Arbeitsplätze<br />

nach Schaffhausen gebracht als die<br />

zuvor abgebauten.<br />

dafür, dass Firmen, die innerhalb von grossen<br />

Konzernen ein Mauerblümchendasein fristen,<br />

sich nach ihrer «Befreiung» glänzend entfalten.<br />

Eine erfreuliche Entwicklung erlebte auch die<br />

Bircher Reglomat in Beringen, um die herum<br />

Giorgio Behr durch Zukäufe die Behr Bircher Cellpack<br />

BBC Group mit 1200 Arbeitsplätzen aufgebaut<br />

hat. <strong>Die</strong> Brauerei Falken konnte sich in<br />

der von einer starken Konzentration geprägten<br />

Schweizer Bierlandschaft als unabhängige Brauerei<br />

behaupten. <strong>Die</strong> IWC, 1991 bei Mannesmann<br />

und 2000 schliesslich beim südafrikanischen Richemont­Konzern<br />

gelandet, hat in den letzten Jahren<br />

gewaltig ausgebaut, und die ABB­Tochter CMC<br />

erzielte 2010 mit 260 Beschäftigten ein Rekordergebnis.<br />

Erfolgreiche Wirtschaftsförderung<br />

<strong>Die</strong> in der Krise geborene Schaffhauser Wirtschaftsförderung<br />

hat eine beachtliche Bilanz vorzuweisen.<br />

Seit ihrem Start 1997 kamen rund 350<br />

Firmen nach Schaffhausen, die mehr als 2500 – im<br />

Durchschnitt also gut 7 – neue Arbeitsplätze geschaffen<br />

haben. Mit mehr als 30 angesiedelten Firmen<br />

war 2010 das bisherige Rekordjahr. Aus Sicht<br />

der Beschäftigung ist dazu anzumerken, dass die<br />

Fördermassnahmen ganz andere Firmen nach<br />

Schaffhausen gebracht haben und damit auch<br />

ganz andere Arbeitsplätze als die zuvor abgebauten,<br />

von Ausnahmen wie Marquardt, der Elektrowerkzeugschalter<br />

herstellt, einmal abgesehen. Der<br />

Boom der International School zeugt vom Wandel<br />

in der Zusammensetzung der «Werktätigen». <strong>Die</strong><br />

Schaffhauser Erfolge sind auch im Rahmen des<br />

allgemeinen Zuges internationaler Konzerne in<br />

die Schweiz zu sehen, die offensichtlich mit den<br />

attraktivsten Rahmenbedingungen lockt.<br />

Trotz des starken Strukturwandels arbeiteten<br />

im Kanton Schaffhausen gemäss Betriebszählung<br />

2008 noch immer 36 Prozent der Beschäftigten in<br />

Industrie und Gewerbe, wenn man nur die Verteilung<br />

auf Industrie/Gewerbe und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

betrachtet und die Landwirtschaft ausblendet.<br />

Gesamtschweizerisch waren es 26 Prozent. <strong>Die</strong><br />

sogenannte Tertiarisierung ist in Schaffhausen<br />

also weniger weit fortgeschritten. Während die<br />

meisten Branchen beschäftigungsmässig seit der<br />

Jahrtausendwende stagnieren, ist auch in Schaffhausen<br />

das Gesundheits­ und Sozialwesen der am<br />

stärksten wachsende Sektor. Zulegen konnten ferner<br />

Erziehung und Unterricht sowie die Chemie.<br />

Gesamthaft wurden die nahezu 40 000 Beschäftigten,<br />

die der Kanton (ohne Landwirtschaft) vor der<br />

Strukturkrise aufgewiesen hatte, trotz deutlicher<br />

Erholung auch 2008 nicht wieder erreicht, und die<br />

Auswirkungen der Finanzkrise standen da noch<br />

bevor. 2010 war, gemäss Statistik der Industrievereinigung,<br />

der Kanton mit 2670 Beschäftigten der<br />

grösste Arbeitgeber. Dahinter folgten die Stadt<br />

Schaffhausen (1066), die Cilag (1009), die GF­Gesellschaften<br />

(860), Unilever Schweiz (687), die IWC<br />

(623), die Sigpack­Gesellschaften/Bosch (593), die<br />

SIG­Gesellschaften (264) und die Unilever Supply<br />

Chain Company (220).<br />

Stühle und Brillengläser<br />

Stein am Rhein kennen die meisten Leute ausschliesslich<br />

als Touristendestination. 19 Restaurants,<br />

435 Hotelbetten und 233 Beschäftigte<br />

dokumentieren diese Bedeutung. Stein am<br />

Rhein weist aber auch eine vielfältige Industrielandschaft<br />

auf. Hier werden Stühle (<strong>Die</strong>tiker),<br />

Komponenten (Phoenix Mecano) und<br />

Brillengläser (Knecht & Müller) hergestellt,<br />

Formen gebaut (Fostag) und Flüssigsilikon<br />

verarbeitet (Silcotech). Für sein ausgesprochen<br />

nachhaltiges Wirtschaften hat sich Knecht &<br />

Müller schon verschiedene Auszeichnungen<br />

geholt. Bei <strong>Die</strong>tiker wurde kürzlich, durch die<br />

beiden Töchter des verstor benen Eigentümers<br />

Urs Felber, die Nachfolge gesichert, während<br />

die Silcotech seit einigen Wochen zum schwedischen<br />

Trelleborg­ Konzern gehört. Urs Felber<br />

war ein wichtiger Impulsgeber und Pionier<br />

in der Schweizer Design­ und Möbelszene. Insgesamt<br />

arbeiteten 2008 in Stein am Rhein<br />

39 Prozent der Beschäftigten in Industrie<br />

und Gewerbe. Das waren nur 2 Prozentpunkte<br />

weniger als 1985. (ak)


2812Wirtschaft Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

<strong>Die</strong> Firma Hidrostal, die ihren Hauptsitz<br />

heute in Neunkirch hat, kann von Anfang<br />

an als «globalisiertes» Unternehmen<br />

bezeichnet werden. 1953 gründete<br />

Martin Stähle die Hidrostal SA in der<br />

peruanischen Hauptstadt Lima, wo er<br />

längere Zeit lebte. In Neunkirch hat<br />

Hidrostal erst 14 Jahre später Fuss<br />

gefasst. In den Anfangszeiten erfolgte<br />

dort die Montage der im<br />

Werk in Peru produzierten Pumpenbestandteile.<br />

Heute verfügt<br />

Hidrostal nebst Neunkirch und<br />

Lima über Niederlassungen<br />

i Nyul (Un garn) und Qing-<br />

dao (China). Hinzu kommen<br />

zahlreiche Vertriebsniederlassungen<br />

in Deutschland,<br />

Dänemark, Grossbritannien<br />

und weiteren Ländern. <strong>Die</strong><br />

Firma ist nach wie vor im<br />

Besitz der Familie Stähle<br />

und beschäftigt insgesamt<br />

rund 650 Mitarbeitende<br />

– 135 davon in Neunkirch.<br />

Innovative<br />

Spezialpumpen<br />

Ihr Geld verdient<br />

die Firma schon<br />

seit ihrer Gründung<br />

mit der Herstellung,<br />

der Produktion und<br />

dem Verkauf von Pumpen.<br />

Dabei handelt es sich<br />

nicht um herkömmliche<br />

Pumpen für alle möglichen Zwecke.<br />

Stattdessen hat sich die Firma<br />

auf Tauchmotor- und Lagerstuhl-<br />

Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Wirtschaft 29<br />

Globalisierte Familienbetriebe:<br />

Schaffhauser KMU entdecken die Welt<br />

Wurzeln in Peru Schaffhauser Blockflöten in aller Welt<br />

Kleinste Teile aus Hallau<br />

Vielen Schweizern und Schweizerinnen ist sie ein<br />

Begriff. Vor allem wer seine Schulzeit schon seit<br />

einigen Jahrzehnten hinter sich hat, dürfte mit ihr<br />

Bekanntschaft geschlossen haben – ob er sie mochte<br />

oder auch nicht –, denn Flötenspielen war früher in<br />

etlichen Schweizer Schulen Pflicht. <strong>Die</strong> Rede ist von<br />

der Küng-Blockflöte, die bis heute in vielen Schulen<br />

anzutreffen ist. Hinter dem Wandel vom kleinen<br />

Musikhaus in den 1930er-Jahren zum interna tional<br />

erfolgreich tätigen Unternehmen im 21. Jahrhundert<br />

steckt eine bewegte Geschichte.<br />

Seit ihrer Gründung im Jahr 1933 befindet sich<br />

die Firma an der Grabenstrasse in Schaffhausen.<br />

Geleitet wird das Unternehmen heute von den<br />

Brüdern Andreas und Thomas Küng. Ihr Vater und<br />

Firmengründer Franz Küng war gebürtiger Schaffhauser<br />

und absolvierte in den 1920er-Jahren in der<br />

Munotstadt eine Lehre als Klavierbauer.<br />

In den ersten Jahren nach der Firmengründung<br />

spielten die Flöten noch keine Rolle, stattdessen<br />

verdiente Franz Küng sein Geld als Klavierstimmer<br />

und -reparateur. Erst ab 1938 unternahm er aufgrund<br />

von Anfragen erste Versuche mit Block flöten.<br />

Ein Grund für die Nachfrage dürfte der Umstand gewesen<br />

sein, dass aus Deutschland keine Blockflöten<br />

mehr bezogen werden konnten.<br />

In den 40er-Jahren gewannen die Blockflöten<br />

immer mehr an Bedeutung, während das Stimmen<br />

und Reparieren von Klavieren in den Hintergrund<br />

geriet und aufgegeben wurde. Gegen Ende der 40er-<br />

Jahre wurden die ersten Schulflöten gebaut, bereits<br />

1951 gewann Franz Küng die ersten Preise für seine<br />

Alt- und Bassblockföten. Schon zu dieser Zeit war<br />

die Firma stark exportorientiert, vor allem nach<br />

Deutschland und den USA konnten viele Block-<br />

flöten verkauft werden. Franz Küng, ganz Patron,<br />

erledigte die wichtigsten Aufgaben alle selbst und<br />

arbeitete über Jahre hinweg 16 bis 18 Stunden pro<br />

Tag, obwohl mittlerweile fast 20 Personen beschäftigt<br />

wurden. 1983 starb er im Alter von 77 Jahren –<br />

praktisch in der Firma, wie in der Firmenchronik<br />

anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums zu lesen ist.<br />

<strong>Die</strong> Söhne Andreas und Thomas Küng arbeiteten<br />

schon länger im Betrieb, übernahmen die Führung<br />

und krempelten so einiges um. «Es gab neue, verbesserte<br />

Modelle, wir gingen auf Kundenwünsche<br />

ein und gaben der Firma ein neues Erscheinungs-<br />

Exklusive Ringe<br />

bild», sagt Andreas Küng. <strong>Die</strong> letzten zehn Jahre<br />

sei die Firma sehr erfolgreich gewesen. Seit dem<br />

Spitzenjahr 2008 ist laut Andreas Küng aus verschiedenen<br />

Gründen jedoch ein leichter Rückgang<br />

feststellbar. Von Neuentwicklungen hält das das<br />

Unternehmen aber nicht ab.<br />

Europa, Asien und USA<br />

Der Exportanteil der Firma liegt derzeit bei rund<br />

60 Prozent. Exportiert wird sowohl in europäische<br />

und asiatische Länder wie auch in die USA. Innerhalb<br />

Europas ist der deutsche Markt besonders<br />

wichtig. «In Deutschland gab es in den letzten Jahren<br />

einen Boom der Blockflötenchöre», sagt Andreas<br />

Küng. In solchen Chören spielen teilweise über 50<br />

Personen – und alle brauchen natürlich eine Flöte.<br />

In asiatischen Ländern wie Japan, Südkorea<br />

und Taiwan wiederum haben viele Schulen Blockflötenorchester.<br />

Obwohl dort häufig Plastikflöten<br />

eingesetzt werden, sind auch die Holzflöten aus<br />

Schaffhausen gefragt, vor allem im Bass-, Grossbass-<br />

und Kontrabass-Bereich, wie Andreas Küng<br />

sagt. Auch die USA sind ein wichtiger Absatzmarkt.<br />

<strong>Die</strong> Nachfrage dort ist laut Andreas Küng allerdings<br />

wegen des sinkenden Dollarkurses gegenüber dem<br />

Franken etwas eingebrochen. «Noch kommen Bestellungen<br />

aus den USA – aber die Situation ist<br />

etwas ungewiss.»<br />

Das trifft auch auf die Zukunft der Blockflöte zu.<br />

<strong>Die</strong> verkauften Stückzahlen sind seit Jahren leicht<br />

rückläufig. «Das beunruhigt uns natürlich», sagt<br />

Andreas Küng. Mit einer verstärkten Zusammenarbeit<br />

mit Schulen und Lehrern stemmt sich die<br />

Firma dem Trend entgegen. Gleichzeitig wird an<br />

neuen Flötenmodellen gearbeitet, die schon bald<br />

einsatzbereit sind. An den Schaffhauser Blockflötentagen<br />

im September werden diese vorgestellt.<br />

<strong>Die</strong> drittälteste Möbelmanufaktur Europas Geschliffen in Stein am Rhein<br />

<strong>Die</strong> Geschichte von <strong>Die</strong>tiker Switzerland<br />

begann 1878 in einer alten Wassermühle<br />

in Stein am Rhein, in der die<br />

deutschen Gebrüder Schläfle und der<br />

Schweizer Julius Auer eine Möbelfabrik<br />

einrichteten.<br />

Seither hat <strong>Die</strong>tiker Switzerland, wie<br />

das Unternehmen heute heisst, zahlreiche<br />

Design-Klassiker geschaffen. Da<br />

wäre etwa der Ban dixen-Stuhl aus den<br />

60er-Jahren, der auch heute noch als<br />

Neuauflage existiert. <strong>Die</strong> Produkte des<br />

drittältesten Möbelherstellers Europas<br />

mit rund 200 Mitarbeitenden sind heute<br />

vorwiegend in Konferenzsälen, im Gesundheitsbereich<br />

und in der Gastronomie<br />

anzutreffen.<br />

Umbruchphase<br />

Seit 2001 befindet sich die Firma in<br />

den Händen der Familie Felber. Vorher<br />

war die Firma während Jahrzehnten<br />

im Besitz der Migros. «Als mein Vater<br />

Urs Felber die Firma 2001 übernahm,<br />

war sie in einer Umbruchphase», sagt<br />

Jacqueline <strong>Die</strong>tiker, Kreativdirektorin<br />

bei <strong>Die</strong>tiker Switzerland. Ihrem Vater<br />

sei es gelungen, dem Unternehmen mit<br />

einer neuen Vision neues Leben einzuhauchen.<br />

pumpen mit einem Schrauben zentri<br />

fugalrad spezialisiert. «Unsere<br />

Nische ist die kommunale Abwassertechnik»,<br />

sagt CEO Grant<br />

Bradford. Das Schraubenzentrifugalrad<br />

von Hidrostal kann<br />

dort seine Vorteile voll entfalten,<br />

was für einen hohen Wirkungsgrad<br />

der Pumpe sorgt<br />

und sie zuverlässig und langlebig<br />

macht. Um mit solchen<br />

Innovationen aufwarten zu<br />

können, betreibt Hidrostal<br />

sogar eine eigene<br />

Forschungs- und<br />

Entwicklungsab-<br />

teilung.<br />

Das Schraubenzentrifugalrad,<br />

das auch heute<br />

noch eine wichtige<br />

Rolle spielt,<br />

wurde bereits 1960<br />

von Firmengründer<br />

Martin Stähle<br />

erfunden. <strong>Die</strong>ser<br />

starb 2008, ein Jahr<br />

nach dem 40-Jahr-<br />

Jubiläum der Firma<br />

in Neunkirch. Verwal-<br />

tungsrat und Geschäftsleitung<br />

wurden anschliessend<br />

neu formiert.<br />

Vom kleinen Schweizer<br />

Markt alleine könnte<br />

die Firma kaum leben. Der<br />

Exportanteil beträgt 95 Prozent<br />

– davon wiederum werden<br />

rund 45 Prozent in den Euroraum<br />

exportiert.<br />

Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 2010 hat<br />

Jacqueline Felber die Führung der Firma zusammen<br />

mit ihrer Schwester Nathalie übernommen.<br />

Exportanteil soll steigen<br />

Der Exportanteil von <strong>Die</strong>tiker Switzerland<br />

beträgt etwas mehr als einen<br />

Drittel. Nebst Deutschland sind die skandinavischen<br />

Länder, die Benelux-<br />

Staaten und Grossbritannien wichtige<br />

Märkte. «Wir sehen noch grosses<br />

Potenzial für uns im Export,<br />

und die weitere Entwicklung unserer<br />

Marke in den europäischen Ländern<br />

soll uns zu einem international<br />

führenden Anbieter von Möbeln machen»,<br />

sagt Jacqueline Felber.<br />

Konkurrenz von Ikea und anderen,<br />

ähnlichen Anbietern braucht <strong>Die</strong>tiker<br />

Switzerland nicht zu befürchten,<br />

weil die Firmen in komplett anderen<br />

Marktsegmenten tätig sind. <strong>Die</strong> relativ<br />

hohen Kosten der Produktion in<br />

der Schweiz würden laut Felber mehr<br />

als wettgemacht, indem man besser<br />

auf die wichtigsten Kundenbedürfnisse eingehen<br />

könne: Qualität, schnelle Lieferung, Flexibilität<br />

und guter Service.<br />

«Que je suis heureux», wie glücklich ich doch bin, hat<br />

Furrer-Jacot-Firmengründer Jean-Jacques Arbenz im<br />

Jahr 1858 unter die Transferbilanz geschrieben, als er<br />

von Genf nach Schaffhausen zurückkehrte und einen<br />

Teil des Elternhauses übernehmen konnte, um darin<br />

zukünftig Schmuckkollektionen herzustellen. Bereits<br />

in den 1880er-Jahren beschäftigte das Unternehmen<br />

18 Personen. 1943 verkaufte der Sohn von Arbenz das<br />

Geschäft an den Mitarbeiter Fritz Furrer, der wiederum<br />

im selben Jahr Lucienne Jacot heiratete – der<br />

Markenname Furrer-Jacot war geboren.<br />

Noch unter der Leitung von Fritz Furrer stieg der<br />

Exportanteil der Firma stark an. Heute verkauft Furrer-Jacot<br />

noch rund einen Drittel seiner Produkte in<br />

der Schweiz. <strong>Die</strong> wichtigsten internationalen Absatzmärkte<br />

sind laut Verwaltungsratspräsident Japan,<br />

die USA und Grossbritannien. Das Fundament für die<br />

Erfolge in Japan und Grossbritannien wurde von Niklaus<br />

Bieri gelegt, der das Unternehmen von Ende der<br />

1980er-Jahre bis zur Übernahme der Mehrheit durch<br />

Walter Häusermann im Jahr 2010 leitete.<br />

von PhiliPP lenherr<br />

<strong>Die</strong> heutige Spezialisierung auf hochwertige Ringe,<br />

Trau-, Schmuck- und Verlobungsringe, erfolgte in den<br />

1970er- und 80er-Jahren. Bis dahin war Furrer- Jacot<br />

die meiste Zeit eine komplette Schmuckmanufaktur.<br />

«Als Folge des Währungsschocks in den 70er- und<br />

frühen 80er-Jahren musste sich Furrer- Jacot darauf<br />

konzentrieren, Produkte anzubieten, die durch einen<br />

Mix aus industrieller Vorproduktion und hoch qualifizierter<br />

Fertigung der ausländischen Konkurrenz<br />

Paroli bieten konnten. «Das waren die Ringe», sagt Walter<br />

Häusermann. In den nächsten Jahren soll jedoch<br />

wieder versucht werden, das Angebot auszuweiten.<br />

Mit dem Standort Schaffhausen scheint Furrer-<br />

Jacot unzertrennlich verbunden. «<strong>Die</strong> Produktion von<br />

hochwertigen Gütern baut auf zweierlei», sagt Walter<br />

Häusermann, «einerseits auf die hoch qualifizierten<br />

Arbeitskräfte und andererseits auf die Weitergabe des<br />

im Unternehmen vorhandenen Know-hows. Standortwechsel<br />

sind dafür ungünstig.» <strong>Die</strong> über 150-jährige<br />

Erfolgsgeschichte von Furrer-Jacot in Schaffhausen<br />

dürfte also weitergehen.<br />

Rund 250 000 Brillengläser stellen die 55 Mitarbeitenden<br />

der Firma Knecht & Müller AG in<br />

Stein am Rhein pro Jahr her. Während die Produkte<br />

auf dem Schweizer Markt sehr gefragt<br />

sind, verfügt die Firma (noch) über keinen bedeutenden<br />

Exportanteil. <strong>Die</strong>s könnte sich aber<br />

ändern, wie Geschäftsführer Peter Müller sagt.<br />

«Wir möchten im Export mehr unternehmen,<br />

vor allem mit hochwertigen Produkten in europäischen<br />

Ländern.»<br />

Hoya-Agent seit 1980<br />

Eine immens wichtige Rolle für Knecht &<br />

Müller spielt hingegen eine internationale Partnerschaft.<br />

Bereits seit über 30 Jahren arbeitet<br />

die Firma mit Hoya zusammen, einem japanischen<br />

Hersteller von Spezialgläsern. Knecht &<br />

Müller vertritt Hoya exklusiv in der Schweiz.<br />

Erst kürzlich investierte die Firma einmal mehr<br />

in diese Zusammenarbeit. Im Jahr 2010 wurde<br />

eine Entspiegelungsanlage angeschafft, um eine<br />

spezielle Beschichtung der Hoya-Gläser in Stein<br />

am Rhein selbst herstellen zu können. Rund<br />

90 Prozent des Umsatzes der Firma werden über<br />

die Zusammenarbeit mit Hoya generiert.<br />

<strong>Die</strong> Anfänge der Firmengeschichte reichen<br />

in das Jahr 1913 zurück. Damals erwarb Hermann<br />

Knecht aus der Konkursmasse einer<br />

Uhrenschalenfabrik die Räumlichkeiten an der<br />

Was hat die neue Insulinpumpe von Roche<br />

mit einer Nähmaschine von Bernina gemeinsam?<br />

In beiden Produkten stecken Teile der<br />

Firma Stamm AG aus Hallau. Das Unternehmen<br />

mit 50 Mitarbeitenden ist spezialisiert auf<br />

die Produktion von technisch anspruchsvollen<br />

Klein- und Mikroteilen aus Kunststoff. <strong>Die</strong><br />

Firma bietet «Spitzenleistungen im modernen<br />

Fünfkampf der Kunststofftechnik», wie es<br />

Geschäftsführer und Inhaber Andreas Stamm<br />

formuliert: Von der Entwicklung und Kon -<br />

s truktion über den Formenbau und die Produktion<br />

bis hin zur Prüf- und Messtechnik<br />

sowie Logistik bietet Stamm AG die gesamte<br />

Prozesskette der Spritzgiesstechnik an.<br />

Gegründet wurde das Unternehmen 1947<br />

in Hallau von Heinrich Stamm. Seit 1991 führt<br />

sein Sohn Andreas Stamm den Betrieb. 1996<br />

erfolgte die strategische Neuausrichtung auf<br />

die Herstellung technischer Klein- und Mikroteile.<br />

Ein Entscheid, der sich als richtig herausgestellt<br />

hat.<br />

Exportanteil gestiegen<br />

Ihren Weg in die weite Welt hinaus fanden<br />

die Produkte der Stamm AG vor allem in den<br />

letzten zehn Jahren. «Bis dahin hatte der<br />

Export für uns nur eine untergeordnete Rolle<br />

gespielt. In den letzten Jahren<br />

haben wir diesen gezielt<br />

ausgebaut und werden das<br />

weiterhin tun», sagt Andreas<br />

Stamm. Mittlerweile<br />

beträgt der Export rund<br />

einen Fünftel des Umsatzes.<br />

Wichtigster Exportmarkt ist<br />

Deutschland, gefolgt von<br />

weiteren europäischen Ländern<br />

und Asien. Um im Wettbewerb<br />

bestehen zu können,<br />

Mühlenstrasse in Stein am Rhein und gründete<br />

ein Jahr später die Hermann-Knecht-Optik.<br />

1922 übergab er die Firma in die Hände seines<br />

Sohnes Arnold Knecht, der sich hauptsächlich<br />

mit Brillenoptik und dem Handel von optischen<br />

Instrumenten befasste. Unter seiner Führung<br />

wurde die Firma zu einer der<br />

bedeutendsten Optikfirmen des<br />

Landes. Für internationale<br />

Kontakte in den USA,<br />

England und Frankreich<br />

sorgte sein<br />

Sohn Gerhard<br />

Knecht Ende<br />

des Zweiten<br />

Weltkrieges.<br />

Ein<br />

grosser<br />

Entwicklungsschritt<br />

ge-<br />

schah 1956, als<br />

das Unternehmen als erstes<br />

der Schweiz eine Hoch -<br />

vakuumanlage für Farb - rr<br />

bedampfungen anschaffte.<br />

<strong>Die</strong>ser technologische Vorsprung<br />

bescherte der Firma einen wichtigen<br />

Wachstumsschub. Als Meilenstein aus der jün-<br />

sind laufend neue Anstrengungen nötig. «Wir<br />

fragen uns kontinuerlich, mit welchen Produkten<br />

wir eine Existenzberechtigung in Mitteleuropa<br />

haben», sagt Andreas Stamm. Bei<br />

diesen Produkten müsse man zu den Klassenbesten<br />

gehören, und es reiche nicht aus, nur in<br />

Teilgebieten Spitze zu sein. Stattdessen müsse<br />

das gesamte Prozessnetzwerk von Qualität,<br />

Kosten, Liefertreue, Entwicklung, <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

und Dokumentationen auf Spitzenleistung<br />

getrimmt sein.<br />

In Zukunft soll das kontinuierliche Wachstum<br />

der letzten Jahre fortgesetzt werden. Der<br />

Frankenstärke, die das Unternehmen im Export<br />

zu spüren bekommt, will Stamm mit technischen<br />

Raffinessen, Effizienz, Kundenfokussierung<br />

– und wenn nötig auch mit kleineren<br />

Gewinnmargen – Paroli bieten. Eine Verlegung<br />

des Standorts ist deshalb kein Thema. «Dazu<br />

fehlt uns die wirtschaftliche Notwendigkeit,<br />

zumal der Wechselkurs nicht der wesentliche<br />

Erfolgsfaktor unserer<br />

Firma ist», so<br />

Andreas Stamm.<br />

geren Zeit gilt das<br />

Anbieten von Gleitsichtgläsern,<br />

sogenannten<br />

«Massanzügen für<br />

die Augen», ab 2005.<br />

Nachhaltigkeit<br />

1993, als Nachhaltigkeit und Umweltschutz<br />

bei vielen Firmen noch keinen so grossen<br />

Stellenwert wie heute hatten, hat die Knecht<br />

& Müller AG entschieden, zukünftig in diesen<br />

Bereich zu investieren. «Es war ein Bauchentscheid»,<br />

sagt Peter Müller heute dazu, «ein<br />

Bauchentscheid, der sich heute auch ökonomisch<br />

auszahlt. Wir wollten schon damals Sorge<br />

tragen zu unseren Ressourcen.» Mittlerweile<br />

führt das Engagement auch immer häufiger zu<br />

positiven Reaktionen der Kundschaft.


30 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Vom «Intelligenzblatt» zu den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» –<br />

zum 150-Jahr-Jubiläum gratuliert die Gemeinde Neunkirch<br />

und wünscht sich weiterhin eine ausgewogene<br />

und faire Berichterstattung aus dem Klettgau.<br />

A1270373<br />

Gemeinde Neunkirch –<br />

wo sich Geschichte und Zukunft treffen.<br />

Strukturreform?<br />

NEIN!<br />

Für eine miliztaugliche und attraktive<br />

berufliche Vorsorge – gegen eine massive<br />

Verteuerung der 2. Säule.<br />

Hohes Niveau, tiefe Kosten:<br />

<strong>Die</strong> gesamtheitliche Pensionskassen-Verwaltung der PREVAS AG.<br />

www.prevas.ch · prevas@prevas.ch<br />

PEYER ALDER KEISER LÄMMLI<br />

Rechtsanwälte, Schaffhausen<br />

gratulieren den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» zum<br />

150-Jahr-Jubiläum. Mögen ihnen weitere 150 Jahre<br />

als Intelligenzblatt beschieden sein.<br />

TREUHAND SUISSE<br />

A1272520<br />

A1271744<br />

A1270362


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Wirtschaft 31<br />

Manager international tätiger Unternehmen<br />

agieren heute innerhalb veränderter<br />

Rahmenbedingungen; in den vergangenen<br />

Jahrzehnten hat insbesondere die Globalisierung<br />

den Kontext privatwirtschaftlichen Handelns<br />

transformiert. Auch die Manager der in Schaffhausen<br />

ansässigen Georg Fischer AG (GF) bewegen<br />

sich heute mehr denn je auf internationalem<br />

Parkett. Der Konzern unterhält weltweit gut 130<br />

Niederlassungen, darunter rund 50 Produktionsstätten<br />

– und schafft damit den Spagat zwischen<br />

lokaler Verankerung und internationaler Ausrichtung.<br />

«Ein Manager muss heute global denken»,<br />

sagt CEO Yves Serra, denn die Märkte würden<br />

heute über die vormals dominanten Wirtschaftsräume<br />

Europa und USA hinausreichen und hätten<br />

sich in aufstrebende Schwellenländer wie China<br />

oder Indien verlagert. «Vor 25 Jahren war der<br />

chinesische Markt noch unbedeutend für GF;<br />

heute ist er einer der wichtigsten», erläutert<br />

Serra. Daher ist für die Manager des Unternehmens<br />

der Kontakt mit anderen Kulturkreisen intensiver,<br />

die internationale Vernetzung bedeutender<br />

geworden. <strong>Die</strong> Arbeit in interkulturellen<br />

In der Welt zu Hause<br />

Teams erfordere Anpassungsfähigkeit, so Serra.<br />

Der 57­jährige Franzose ist mit dieser Situation<br />

vertraut: Nachdem er in verschiedenen Funktionen<br />

in Asien, Afrika, Europa und den USA gearbeitet<br />

hatte, kam er 1998 – nach sieben Jahren<br />

für GF in Japan – in die Schweiz.<br />

Und dennoch: Das berufliche Umfeld habe sich<br />

zwar gewandelt; die Kernaufgaben eines Managers<br />

seien indes grundsätzlich gleich geblieben,<br />

sagt Martin Huber, Verwaltungsratspräsident von<br />

GF. Der 70­jährige Schaffhauser war in mehreren<br />

leitenden Positionen bei GF tätig, bevor er als<br />

einer der Vorgänger von Yves Serra vor knapp<br />

20 Jahren CEO wurde. «Nach wie vor muss ein<br />

Manager seine Mitarbeitenden führen und<br />

fördern, sie motivieren und entsprechend<br />

ihren Fähigkeiten einsetzen.» Dass sich das<br />

nicht mehr auf Schweizer Mitarbeiter beschränke,<br />

sondern immer mehr Angestellte<br />

anderer Kulturen umfasse, sei dagegen ein<br />

neues Phänomen. «Wer kein Interesse am<br />

Umgang mit anderen Kulturen und Sprachen<br />

hat, dem dürfte seine Aufgabe als<br />

Manager heute daher schwerer fallen als<br />

früher», glaubt Huber.<br />

Verständnis für andere Kulturen<br />

Um in diesem internationalen Kontext<br />

als Manager erfolgreich zu sein,<br />

sind heute entsprechende Erfahrungen<br />

gefragt: «Auslandsemester während des<br />

Studiums sowie mehrjährige berufliche Einsätze<br />

in anderen Ländern fördern den Respekt<br />

und das Verständnis für die Eigenheiten<br />

verschiedener Kulturen», sagt Serra. Zudem<br />

seien Mehrsprachigkeit und Erfahrungen in<br />

verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens<br />

von entscheidendem Vorteil.<br />

So würden es ihm etwa seine Arbeits­<br />

und Lebenserfahrungen im asiatischen<br />

Raum erleichtern, Verhaltensweisen<br />

chinesischer Manager einordnen<br />

zu können und adäquat darauf<br />

zu reagieren: Chinesische<br />

Manager seien beispielsweise<br />

sehr ehrgeizig und möchten rasch Ziele erreichen.<br />

<strong>Die</strong> Vorsicht, welche die Arbeitsweise der Schweizer<br />

präge, bereite ihnen teilweise Mühe. <strong>Die</strong> für<br />

eine erfolgreiche Positionierung des Unternehmens<br />

ideale Mischung liege aber eben gerade zwischen<br />

dem vorpreschenden Tempo der Chinesen<br />

und der zurückhaltenden Pragmatik der Schweizer.<br />

«Daher sollten die Unterschiede nicht als<br />

Hürde, sondern als Chance gesehen werden», so<br />

Serra. Und fast täglich lerne er in dieser Hinsicht<br />

dazu, denn häufiges Reisen in verschiedene Kontinente<br />

sei fester Bestandteil seines Jobprofils.<br />

Internationales Managerseminar zur Strategieumsetzung<br />

des Konzerns in Lausanne, Einweihung<br />

einer neuen Firma in Italien, Besuch mehrerer<br />

Niederlassungen in China, Reise nach Japan<br />

zur mentalen Unterstützung lokaler Mitarbeiter<br />

nach dem Erdbeben: Ein kurzer Blick in Yves<br />

Serras Terminkalender zeigt denn auch, dass er<br />

nur etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit im Büro verbringt.<br />

«Mir ist es wichtig, vor Ort zu sein, um den<br />

Puls der Firma zu spüren und Präsenz zu zeigen»,<br />

erklärt er. Auch Huber plädiert für die Pflege der<br />

internationalen Vernetzung: «Ein Manager darf<br />

die Welt nicht nur vom Schreibtisch aus betrachten,<br />

sondern muss sich im Ausland austauschen.»<br />

Das habe sich im Vergleich zu früher, als Geschäftsreisen<br />

eine nette, wenn auch eher seltene<br />

Abwechslung gewesen seien, geändert.<br />

Global tätig, lokal verwurzelt<br />

<strong>Die</strong> Globalisierung hat auch zu einem härteren<br />

Wettbewerb der Talente auf dem zunehmend<br />

von raphaela birrer<br />

<strong>Die</strong> Globalisierung hat die Arbeits- und Produktionsbedingungen verändert. Dabei hat sich auch das Berufsbild des Managers gewandelt;<br />

internationale Erfahrungen und Flexibilität sind heute wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere.<br />

Bild Michael Kessler<br />

Yves Serra<br />

Yves Serra wurde 1953 im französischen<br />

Perpignan geboren. An der École Centrale de<br />

Paris studierte er zunächst Ingenieurwissenschaften.<br />

Danach schloss er an der US­amerikanischen<br />

University of Wisconsin­Madison<br />

als Bauingenieur ab. Seine berufliche Laufbahn<br />

startete er 1977 als stellvertretender<br />

Handelsbeauftragter der französischen Botschaft<br />

in Manila. Anschliessend war er als<br />

Kundendiensttechniker bei Alstom SA in Paris<br />

und Südafrika sowie als Exportleiter Asien bei<br />

Sulzer Frankreich tätig, bevor er die EU­Executive­Ausbildung<br />

in Tokio absolvierte. Später<br />

war er ebenfalls in Japan CEO der Sulzer<br />

Konzerngesellschaft Hirayama Manufacturing<br />

Corp. 1992 wechselte er zu GF; zunächst führte<br />

er Charmilles Technologies Japan in Tokio<br />

und war Leiter der Region Asien bei Agie<br />

Charmilles. 1998 kam er als Geschäftsführer<br />

der Charmilles Technologies SA nach Genf.<br />

2003 übernahm er GF Piping Systems in Schaffhausen.<br />

Seit 2008 ist er CEO des Konzerns<br />

Georg Fischer. Zudem amtet er als Mitglied<br />

des Vorstandsausschusses von Swissmem<br />

(Schweizerische Maschinen­, Elektro­ und<br />

Metallindustrie). Serra ist verheiratet und lebt<br />

mit Frau und Tochter in Uhwiesen.<br />

«Auslandsemester während<br />

des Studiums sowie mehrjährige<br />

berufliche Einsätze in anderen<br />

Ländern fördern das verständnis<br />

für verschiedene Kulturen»<br />

internationalen Arbeitsmarkt geführt. Insbesondere<br />

die Bereitschaft, sich für längere Auslandeinsätze<br />

vom gewohnten Umfeld zu trennen, sei<br />

heute eine notwendige Voraussetzung für eine<br />

Stelle im Management – nicht zuletzt auch, um<br />

sich gegen eine grösser werdende Anzahl von<br />

Mitbewerbern aus China oder Indien zu behaupten,<br />

sagt Serra. Der moderne Manager<br />

zeichnet sich also durch grosse Flexibilität<br />

aus – in beruflicher und persönlicher Hinsicht.<br />

Er ist in der ganzen Welt tätig.<br />

Paris, Wisconsin, Manila, Johannesburg,<br />

Tokio, Genf, Schaffhausen: Yves<br />

Serra hat bereits an zahlreichen Orten gelebt.<br />

Doch wo fühlt er «Heimat»? «Ich<br />

wohne seit 13 Jahren in der Schweiz; hier<br />

fühle ich mich wohl, hier ist für mich jetzt Heimat,<br />

nachdem es zuvor während 13 Jahren<br />

Japan war.» Und während international<br />

tätige Konzerne zwar Kadermitarbeiter<br />

im Ausland rekrutieren,<br />

liegt es letztlich an den Managern<br />

selbst, sich rasch am neuen Ort<br />

einzuleben. «Das kann dir die<br />

Firma nicht abnehmen», sagt<br />

Serra. Sich in einem fremden<br />

Umfeld zu behaupten, sei ein<br />

wichtiger Bestandteil der Auslanderfahrung,<br />

sagt auch Huber,<br />

der wegen eines beruflichen<br />

Engagements mit seiner r<br />

Familie in den USA gelebt<br />

hat. In dieser Hinsicht sei<br />

die Unternehmenskultur entscheidend, denn auch<br />

sie mache aus, ob man sich aufgehoben fühle.<br />

«Gerade Manager, die mit Frau und Kindern<br />

den Wohnort wechseln, sollten dies als bereichernde<br />

Erfahrung für die ganze Familie sehen»,<br />

so Huber.<br />

Für eine möglichst rasche Integration sei auch<br />

die Wahl des Wohnorts entscheidend, sagt Serra:<br />

«Ich habe bei Jobwechseln immer Wert darauf gelegt,<br />

auch vor Ort zu wohnen. Es ist wichtig, eine<br />

Sensibilität für die jeweiligen lokalen Eigenheiten<br />

zu entwickeln.» So müsse man beispielsweise die<br />

traditionsreiche Geschichte von GF kennen, um<br />

den Stellenwert des Unternehmens für die Region<br />

zu verstehen. Auch Huber findet die lokale Verankerung<br />

eines Managers zentral: «Ich habe immer<br />

dort gelebt, wo ich gearbeitet habe. Manager sollten<br />

Repräsentanten am Standort des Unternehmens<br />

sein und nicht nur geschäftlich in Erscheinung<br />

treten, sondern auch sozial eingebunden<br />

sein», sagt er. Denn an ein grosses Unternehmen<br />

würden nicht nur Ansprüche seitens der Mitarbeiter<br />

und Geschäftspartner gestellt, sondern<br />

auch seitens der Öffentlichkeit. Kulturelles, soziales<br />

oder politisches Engagement eines Managers<br />

könne etwa die Mitarbeit im Gemeinderat oder in<br />

der Schulbehörde umfassen. Huber selbst ist zwar<br />

«Manager sollten<br />

Repräsentanten am Standort<br />

des Unternehmens sein<br />

und nicht nur geschäftlich<br />

in Erscheinung treten, sondern<br />

auch sozial eingebunden sein»<br />

in Schaffhausen aufgewachsen, gut vernetzt in<br />

der Region und insofern seit jeher lokal verwurzelt,<br />

für seine Funktion sei dies aber nicht massgeblich:<br />

«Manager können unabhängig davon,<br />

woher sie kommen und wie lange sie bleiben, ihr<br />

Unternehmen repräsentieren und sich als Teil der<br />

lokalen Gesellschaft engagieren. Dass ich nach<br />

meinen Tätigkeiten in Greifensee und den USA<br />

wieder hierher zurückkam, hatte primär mit<br />

dem konkreten Jobangebot bei GF und kaum mit<br />

meiner Schaffhauser Herkunft zu tun.»<br />

Vorteil der Kleinräumigkeit<br />

Auch wenn also die Manager von GF heute in<br />

grösseren Einheiten denken und sich global vernetzen<br />

müssen, bleibt doch die lokale Verwurze­<br />

Martin huber<br />

Bild Michael Kessler<br />

Martin Huber wurde 1941 in Schaffhausen<br />

geboren, wo er auch aufwuchs. Er absolvierte<br />

die ETH Zürich und schloss als Elektroingenieur<br />

ab. Zudem studierte er an der Universität<br />

Zürich Jurisprudenz und erwarb die Zulassung<br />

als Rechtsanwalt. Seinen beruflichen<br />

Werdegang begann Huber 1966 als wissenschaftlicher<br />

Assistent an der ETH. Anschliessend<br />

war er als Gerichtsschreiber am Kantonsgericht<br />

Schaffhausen sowie ab 1972 bei<br />

Mettler Instrumente AG in Greifensee tätig –<br />

ab 1976 als Mitglied der Geschäftsleitung. 1981<br />

wechselte er zu GF; für den Konzern war er bis<br />

1983 als Leiter einer Konzerngesellschaft und<br />

als Projektleiter in den USA tätig. Danach<br />

führte er als Mitglied der Konzernleitung neun<br />

Jahre die Unternehmensgruppe Rohrleitungssysteme.<br />

Von 1992 bis 2002 war er CEO und<br />

Delegierter des Verwaltungsrates von GF; seit<br />

2003 ist er Verwaltungsratspräsident. Zudem<br />

ist er Vorstandsmitglied von Economiesuisse<br />

(Verband der Schweizer Unternehmen). Huber<br />

ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder.<br />

Er lebt mit seiner Frau in Schaffhausen<br />

und engagiert sich in der Leitung des Vorstadt<br />

Variétés. Zudem ist er einer der Gründer des<br />

Schaffhauser Museums im Zeughaus und präsidiert<br />

dessen Stiftungsrat.<br />

lung zentral – auch für internationale Führungskräfte<br />

wie Yves Serra. «Das Herz von GF schlägt<br />

nach wie vor in Schaffhausen», sagt er.<br />

Nicht nur die Partizipation am gesellschaftlichen<br />

Leben, auch ein guter Draht zu lokalen<br />

Behörden sei für einen Manager eines für die<br />

Region bedeutenden Unternehmens unerlässlich,<br />

so Serra. <strong>Die</strong> Kleinräumigkeit Schaffhausens<br />

biete in dieser Hinsicht Vorteile im Vergleich zu<br />

grösseren Wirtschaftsregionen: «Der Zugang zur<br />

Regierung ist unbürokratisch; die Wege sind kurz.<br />

Auf diese Weise lässt sich lösungsorientiert<br />

arbeiten», sagt er. Ein reger Austausch mit den<br />

Behörden sei in Schaffhausen schon immer wichtig<br />

gewesen, erläutert Huber. Damit ein Unternehmen<br />

ansässig bleibe, müssten nämlich die<br />

Standortrahmenbedingungen stimmen. Und die<br />

hätten sich in Schaffhausen durchaus positiv<br />

entwickelt: Heute nehme er bei Politikern mehr<br />

denn je ein ausgeprägtes Bewusstsein dafür wahr,<br />

wie wichtig die regionale Wirtschaft für den<br />

Standort sei.


3216Wirtschaft Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Vergangenheit hat Zukunft<br />

Mit dem Hebelift hat Josef Palotas den<br />

maroonbraunen Jaguar XK140, Baujahr<br />

1955, zwei Meter hoch gehoben. Jetzt<br />

stellt er sich unter das Fahrzeug, befestigt die<br />

magnetische Montagelampe am Benzintank und<br />

beginnt, das Stahlseil der Handbremse zu verankern.<br />

Rund 30 Stunden, schätzt er, wird er noch<br />

brauchen. <strong>Die</strong> Stossdämpfer muss er montieren,<br />

dann werden die Bremsen justiert, die Lenkung<br />

ausgerichtet und die Drehstäbe der Federung<br />

sorgfältig gespannt. Gut 1000 Arbeitsstunden stecken<br />

in dem Fahrzeug, das vor zwei Jahren in komplett<br />

verwahrlostem Zustand angeliefert wurde.<br />

Nächste Woche wird es der Kunde abholen, ein<br />

Unternehmer aus Basel.<br />

Mit Bentley, Rolls-Royce und Aston Martin<br />

kennt sich Josef Palotas aus, über die Landesgrenzen<br />

hinaus bekannt ist er aber für seine Jaguar-<br />

Restaurationen. Arbeit hat er für die nächsten<br />

paar Jahre genug, an der Mühlentalstrasse 274<br />

stehen die Kunden Schlange. Aber ganz schnörkellos<br />

ist auch Palotas’ Karriere nicht verlaufen.<br />

Mein erstes Auto habe ich mit 18 gekauft,<br />

einen Mazda 626. <strong>Die</strong> gehen ja normal nicht kaputt,<br />

trotzdem habe ich schon damals ein bisschen<br />

herumgebastelt – zuerst am Autoradio. Drei Jahre<br />

später habe ich den Mazda verkauft, ich wollte<br />

einen Wagen, der mir auch von der Optik her gefällt.<br />

Da fand ich diesen schwarzen Jaguar XJS<br />

V12. Ich wusste, das ist nicht vernünftig, aber ich<br />

habe mir gesagt, wenn ich nicht viel herumfahre,<br />

fällt es wohl nicht so ins Gewicht. Das Auto kostete<br />

10 000 Franken und war zwölf Jahre alt, aber es<br />

sah wunderschön aus, war gepflegt und stellte<br />

etwas dar. Da habe ich mich dann ein wenig hineingearbeitet,<br />

das Servicehandbuch studiert, das<br />

ganze Drumherum. <strong>Die</strong> Zusammenhänge faszinierten<br />

mich, ich wollte mehr darüber wissen.<br />

Im Juni 1966 wird Josef Palotas in Schaffhausen<br />

geboren. Technik interessiert ihn schon in der<br />

Schule, und als es darum geht, eine Lehrstelle zu<br />

suchen, bewirbt er sich als Elektroniker bei der<br />

Stühlinger AG in Stein am Rhein. Drei Jahre<br />

arbeitet er nach der Ausbildung auf dem Beruf,<br />

aber richtig zufrieden ist er nicht.<br />

Was mich an der Elektronik störte: Es war<br />

alles zu klein, zu kompakt. Und es war die Zeit, wo<br />

die Preise fielen und vieles zum Wegwerfartikel<br />

wurde. Ich sah keine Perspektive: Meine Arbeit<br />

entwickelte sich Richtung Modultechnik, man<br />

wechselte ganze Blöcke aus, das Tüfteln ging verloren.<br />

Da dachte ich mir: Komm, mach noch eine<br />

Ausbildung, je länger du wartest, umso grösser<br />

wird die Gefahr, dass du dich zufriedengibst.<br />

Automechaniker sollte es diesmal sein. Am<br />

Albisriederplatz in Zürich findet Palotas eine Lehrstelle.<br />

Zwei Jahre ist er dort, dann schliesst die<br />

Garage. Im «House of Jaguar», bei Robert Akermann<br />

in Rümlang, kann er die Ausbildung fertig<br />

machen. Akermann ist spezialisiert auf ältere<br />

Jaguars, Palotas ist 26 und weiss jetzt, was er will.<br />

Nach dem Abschluss kündet er und kehrt als Verkäufer<br />

halbtags in den Elektronikbereich zurück.<br />

Daneben beginnt er, alte Jaguars herzurichten.<br />

<strong>Die</strong> ersten Fahrzeuge habe ich im Bekanntenkreis<br />

verkauft, meist gut zehnjährige Modelle aus<br />

den XJ-Reihen. Ich kaufte sie als<br />

Occasionen und brachte sie wieder<br />

in Schuss. Vorführbereit kosteten sie<br />

zwischen 10 000 und 20 000 Franken.<br />

Da gab ich dann meistens noch eine Garantie<br />

drauf. Gearbeitet habe ich schon<br />

damals im Mühlental, nur weiter vorne,<br />

bei der Schreinerei Günter. Es war mehr ein<br />

Schopf als eine Garage, aber man brachte<br />

vier Autos rein, und es war eine Werkstatt<br />

eingerichtet. Nach zwei, drei Jahren hatte<br />

sich das mit den Occasionen etabliert, und<br />

ich merkte, es wird immer mehr. Da dachte<br />

ich, jetzt mache ich es voll.<br />

Das Telefon läutet. Palotas klemmt es<br />

mit der linken Schulter ans Ohr und arbeitet<br />

unter dem maroonbraunen XK140 weiter. Ein<br />

Kunde fragt, wie weit sein Wagen sei. Zehn Stunden<br />

brauche der Maler noch, erklärt Palotas, dann<br />

komme das Fahrzeug zurück zur Endmontage.<br />

Ende Monat könne er es holen. Mit dem Kunden<br />

ist «Joschi» per Du, wie mit den meisten anderen<br />

auch. Auch «Ralf» wartet schon zweieinhalb Jahre<br />

auf sein voll restauriertes Auto.<br />

Bei den neueren Fahrzeugen hat man viel<br />

mehr elektronische Fehler, da kam mir meine Ausbildung<br />

als Elektroniker zugut. Aber das Flair, die<br />

Lust und die Leidenschaft zogen mich immer zu<br />

den älteren Wagen hin, bloss war das am Anfang<br />

eine unerreichbare Sparte. Erst mit der Zeit tauchten<br />

bei mir auch die sportlicheren Modelle aus<br />

den 50er- und 60er-Jahren auf. <strong>Die</strong> lagen dann<br />

zwischen 30 000 und 80 000 Franken. <strong>Die</strong>se Autos<br />

waren nicht so kompliziert wie die neueren, dafür<br />

vom Mechanischen her reizvoll. Und natürlich<br />

wurden jetzt grössere Karosserie- und Lackierarbeiten<br />

ein Thema, und auch für die Sattler- und<br />

Polsterarbeiten musste ich mir Experten suchen.<br />

Da begann ich mir langsam ein Netz aufzubauen.<br />

Inzwischen sind sie an der Mühlenstrasse 274<br />

zu dritt. Drehen, schleifen, fräsen, polieren, das<br />

wird hier alles selber erledigt. Ziel der Restaurationen<br />

ist ein möglichst authentisches Fahrzeug.<br />

Darum werden sämtliche Teile dort, wo es möglich<br />

ist, in mühseliger Handarbeit wieder aufgearbeitet.<br />

Lässt sich irgendetwas nicht mehr reparieren,<br />

versucht man es mit einem identischen<br />

Originalteil zu ersetzen – darum wird hier keine<br />

einzige alte Schraube weggeworfen. Regelmässig<br />

kauft Palotas auch schrottreife Motoren und Getriebe.<br />

<strong>Die</strong> zerlegt er und<br />

benützt sie als Ersatzteil-<br />

von Sandro Stoll<br />

der Fortschritt ist digital, so die landläufige Meinung. Josef Palotas ging den entgegengesetzten Weg:<br />

Er war Elektroniker und wurde Mechaniker. Eine Erfolgsgeschichte.<br />

<strong>Die</strong> Garage von Josef Palotas an der Mühlentalstrasse 274 ist ein Paradies für Liebhaber schöner, alter Autos – hier ein Jaguar E-Type. Bilder Michael Kessler<br />

lager. Auch sämtliche Karosseriearbeiten werden<br />

seit drei Jahren vor Ort durchgeführt, nur die Maler-<br />

und einen Teil der Sattlerarbeiten gibt Palotas<br />

auswärts – an Fachleute in der Region oder Interieur-Spezialisten<br />

in England.<br />

Bei den alten Fahrzeugen ist vieles logisch, anderes<br />

hat Tradition. Manche Heimwerker oder<br />

Garagisten bauen die Autos bloss so zusammen,<br />

dass sie funktionieren. Oder sie verwenden die<br />

falschen Bauteile, zum Beispiel im Armaturenbrett.<br />

Ich bemerke sofort, ob da noch der originale<br />

Tacho drinsteckt oder ob der Wagen im Laufe der<br />

Jahrzehnte mal einen anderen bekam. Meist sehe<br />

ich auch, ob die richtigen Schrauben dran sind<br />

oder nicht. So etwas wertet ein Endprodukt natürlich<br />

auf oder eben ab. Manche Dinge kann man<br />

aus den alten Ersatzteil- und Werkstatthandbüchern<br />

lernen, aber am wichtigsten ist das<br />

Archiv, das man im Kopf gespeichert hat. Mein<br />

Vorteil ist, dass schon sehr viele Fahrzeuge durch<br />

meine Hände gegangen sind. Mich kann man eine<br />

Menge fragen. <strong>Die</strong> Kehrseite davon ist: Ich bekomme<br />

laufend Anrufe von Leuten, die ein Ersatzteil<br />

suchen oder mit ihrer Arbeit anstehen.<br />

250 Kunden hat Palotas in seiner Kartei –<br />

Unternehmer, Juristen, Architekten, Gastronomen,<br />

Schauspieler, Piloten und zahlreiche Ärzte.<br />

Der grösste Teil meiner Kunden sind erfolgreiche<br />

Geschäftsleute. Sie haben hohe Ansprüche<br />

und beachten jedes Detail. Das kommt mir entgegen:<br />

Wenn etwas nicht in Ordnung ist, muss<br />

man meist nicht lange diskutieren. <strong>Die</strong> Leute hängen<br />

an ihren Autos – was dem Auto guttut, lässt<br />

der Kunde machen.<br />

Viele von Palotas’ Kunden besitzen mehr als<br />

ein Fahrzeug, einige haben über zehn. Besonders<br />

interessiert seien die Chirurgen, sagt «Joschi»,<br />

manchmal dürfen sie ihm bei der Reparatur ihres<br />

Fahrzeugs assistieren.<br />

Am liebsten baue ich Motoren zusammen, das<br />

ist eine schöne Arbeit, man nimmt grosse, schwere<br />

Teile in die Hand und muss trotzdem exakt sein.<br />

Auch die elektrische Verdrahtung mache ich gerne.<br />

Das kann ich bei den meisten Fahrzeugen bald<br />

blind. Weniger schön sind die Vorbereitungsarbeiten.<br />

Das Zerlegen, Putzen, Entrosten und Nachbearbeiten<br />

der Gewinde. Hin und wieder treffe ich<br />

auch auf Modelle, die ich noch nicht kenne: Prototypen<br />

oder Rennfahrzeuge, an denen viele Ände-<br />

rungen vorgenommen wurden. Gerade heute Morgen<br />

hatte ich eine Anfrage, ob ich einen Rennwagen<br />

detailgetreu nach alten Dokumenten nachbauen<br />

könnte. Ich habe gesagt, ja, gern, schicken<br />

Sie mir die Unterlagen, der Auftrag könnte mich<br />

reizen.<br />

Dass Restaurationen abgebrochen werden<br />

oder scheitern, kommt ziemlich häufig vor. Bei<br />

Josef Palotas stehen mehrere Fahrzeuge, an denen<br />

sich andere versucht haben. Oft mit wenig Glück.<br />

Denn bei jeder Restauration gibt es schwer kalkulierbare<br />

Risiken: unvorhersehbare Schäden,<br />

fehlende Ersatzteile oder neu hergestellte Komponenten<br />

von mangelhafter Qualität. Und dann ist<br />

da noch der Faktor Zeit.<br />

Eine Restauration ist ein Hürdenlauf über die<br />

Marathondistanz. Auch ich musste eine Menge<br />

Lehrgeld bezahlen. Das ist dann hart: Wenn du<br />

merkst, da werde ich zehn- oder zwanzigtausend<br />

Franken aus dem eigenen Sack drauflegen. Und<br />

dann kommen noch die Leute rein und sagen, das<br />

ist aber eine schöne Arbeit, die Sie da haben.<br />

Ein letzter Kontrollgriff mit dem Schraubenschlüssel,<br />

dann drückt Josef Palotas auf den<br />

Knopf am Hebelift. Der maroonbraune Jaguar<br />

XK140 setzt auf dem Boden auf, es ist Freitagabend,<br />

Viertel nach acht. Vor zehn Minuten hat<br />

nochmals ein Kunde vorbeigeschaut. Ein Deutscher,<br />

er kam, ohne sich anzumelden. Er wusste,<br />

dass Palotas noch hier sein würde. Gestern Nacht<br />

hat er bis um Viertel nach zwei gearbeitet.<br />

Ich schaue nie auf die Uhr, aber man kann es<br />

leicht ausrechnen: 12 bis 16 Stunden arbeite ich<br />

pro Tag, mal 5, mal 6 oder 7. Klar, dass manche<br />

Beziehung unter der Arbeit gelitten hat, im Laufe<br />

der Jahre ist mir mehr als eine Freundin davongelaufen.<br />

Früher dachte ich, ich muss jemanden<br />

finden, der mich da rausreisst. Aber so geht es<br />

nicht: Zuerst muss ich es schaffen, weniger zu<br />

arbeiten. Mein Geschäft ist aus Begeisterung,<br />

Spinnerei, der Freude am Schönen und dem<br />

Wunsch nach Unabhängigkeit entstanden – aber<br />

ohne den Willen hätte es nicht geklappt. Schade<br />

ist, dass viele mich falsch einschätzen und sagen,<br />

der will es doch gar nicht anders. Das ist nicht<br />

korrekt, es brauchte diesen Aufwand. Es wäre<br />

schön gewesen, wenn es einfacher gegangen wäre,<br />

ich hätte ich es gerne angenommen.<br />

Palotas auf dem Internet www.fine-and-sport-cars.ch


Politik<br />

Beilage zum 150-jährigen Bestehen der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» Samstag, 28. Mai 2011<br />

Ab und zu bekomme ich E-Mails von Barack<br />

Obama. Oder seiner Frau Michelle. Sie<br />

schreibt mir beispielsweise, um mich dar an<br />

zu erinnern, dass ihr Gatte bald Geburtstag feiert.<br />

Praktischerweise enthält die E-Mail dann auch<br />

noch einen Link für eine digitale Geburtstagskarte<br />

an Barack. Michelle schreibt übrigens auch,<br />

wenn in den USA die Sommerferien beginnen.<br />

Auch dann gibt es einen Link zu E-Cards – ich<br />

kann sie meinen Freunden schicken, mit den<br />

besten präsidialen Wünschen für schöne, wohlverdiente<br />

Ferien. Wenn Barack Obama selbst<br />

schreibt, kann es durchaus politisch werden. Ich<br />

erhalte beispielsweise eine Anleitung, wie ich<br />

seine Gesundheitsreform mit Leserbriefen unterstützen<br />

kann. Idiotensicher. Ich gehe auf die Internetseite,<br />

suche mir einen Wohnsitz in den USA<br />

aus, erhalte die elektronische Anschrift der örtlichen<br />

Zeitung, und der Text des Briefes ist auch<br />

schon vorgefasst. Schöne neue Welt.<br />

Barack Obama gilt als Meister des Web 2.0.<br />

Mit seiner Kampagne für die Präsidentschaftswahlen<br />

2008 hat er vorab im Internet neue Massstäbe<br />

gesetzt. Kein anderer Kandidat nutzte die<br />

Möglichkeiten von Facebook, You Tube, Twitter<br />

oder mySpace derart konsequent wie Obama.<br />

Auch wenn sich aus der Anzahl Freunde auf Facebook<br />

nicht direkt Wahlchancen ableiten lassen, so<br />

stehen sie doch für eine gewisse Mobilisierungskraft.<br />

Facebook-Gruppen stärken das Gemeinschaftsgefühl,<br />

verstärken Überzeugungen, veranlassen,<br />

im eigenen Umfeld für einen Kandidaten<br />

zu werben – und im besten Fall eine Kampagne<br />

finanziell zu unterstützen. Und vor allem suggerieren<br />

Social-Media-Aktivitäten eines: Nähe. Das<br />

Beispiel Obama zeigt, die Entwicklung der Kom-<br />

Der Hort des Analogen<br />

munikationstechnologien bleibt nicht ohne Einfluss<br />

auf die Politik. Und doch sei die These gewagt,<br />

dass die Politik derjenige Gesellschafts bereich<br />

ist, der in seinen Grundfesten am wenigsten von<br />

den technologischen Entwicklungen betroffen ist.<br />

In der Wirtschaft ändern sich ganze Prozesse –<br />

die Produktionsmethode Just in time funktioniert<br />

nur dank entsprechenden Kommunikations- und<br />

IT-Technologien –, Produkte verschwinden – man<br />

denke an das Speichermedium Diskette –, und<br />

Firmen überleben nur, wenn sie mit den technologischen<br />

Entwicklungen Schritt halten.<br />

In der Politik dagegen ist nur schon die Neugründung<br />

einer Partei ein Grossereignis. Denn<br />

das Wesen der Politik hat sich kaum verändert:<br />

Es geht um Menschen und ihre Fähigkeiten,<br />

Pro bleme zu lösen, es geht um Menschen und<br />

Macht. Politik ist Knochenarbeit: Von der Idee<br />

zum Vorstoss zur Gesetzesvorlage, über die Vernehmlassung<br />

zur verbesserten Vorlage, von der<br />

Kommission in den Rat und vielleicht vors Volk.<br />

Wesentlich ist also nicht, dass Obamas Assistenten<br />

irgendwelche E-Mails an irgendwelche<br />

«Friends» oder «Followers» versenden, sondern<br />

dass ihr Präsident in politischen Prozessen Mehrheiten<br />

für seine Ideen gewinnt.<br />

Insofern unterscheiden<br />

sich Washington, Bern<br />

und Schaffhausen kaum<br />

voneinander.<br />

Auffällig ist dennoch,<br />

dass neue Technologien bei<br />

der Mobilisierung in Abstimmungs-<br />

und Wahlkampagnen<br />

in den USA eine andere<br />

Rolle spielen als hier-<br />

von Doris KlecK<br />

zulande. Fast jeder Schweizer Politiker unterhält<br />

zwar eine Internetseite, nur schon deren Pflege –<br />

Stichwort Aktualität – wird aber ganz unterschiedlich<br />

gehandhabt. Man kennt zwar Internetseiten,<br />

die über Politik in formieren, und auch<br />

einige Politblogs, doch die Social Medias, die auf<br />

Interaktionen basieren, spielen eine untergeordnete<br />

Rolle. Und dies obschon in der Schweiz jede<br />

dritte Person ein Facebook-Profil hat.<br />

Ausnahmen bestätigen die Regel. Das gilt für<br />

Smartvote, die Online-Wahlhilfe, wo Wähler ihr<br />

eigenes Profil mit denjenigen der Kandidaten abgleichen<br />

können. Doch den Erfolg hat Smartvote<br />

vor allem der grossen Resonanz in den Printmedien<br />

zu verdanken. Ein anderes Beispiel ist die<br />

Facebook-Aktion «bye bye billag», Innerhalb von<br />

vier Monaten unterschrieben mehr als 140 000<br />

Menschen eine Online-Petition, welche die Senkung<br />

der Radio- und Fernsehgebühren fordert.<br />

Was schliesslich aus der Petition wird, entscheidet<br />

aber die Politik – und dies ganz analog.<br />

Es ist dennoch kein Zufall, dass gerade die<br />

Billag Gegenstand einer erfolgreichen Online-Peti-<br />

tion wurde. Erstens zahlt niemand gerne, und<br />

zweitens findet jedermann im Programm vom<br />

Schweizer Fernsehen eine<br />

Sendung, die ihn aufregt.<br />

Das Internet wiederum ist<br />

der perfekte Ort für solche<br />

Gemütsbekundungen. Ausdruck<br />

dafür ist der omnipräsente<br />

Facebook-«Like»-<br />

Button, mit dem man zu<br />

verstehen gibt, ob einem etwas<br />

gefällt oder nicht. Der<br />

«Like»-Button so quasi als<br />

Währung, denn im Internet reüssiert, wer am<br />

meisten Aufmerksamkeit erlangt. <strong>Die</strong> Billag-<br />

Petition passt in dieses Schema der raschen<br />

Missmutsbekundung ohne Konsequenz und ohne<br />

konstruktiven Dialog, den die Politik zwingend<br />

erfordert.<br />

Optimisten sehen das Internet als Mittel zur<br />

Demokratisierung: Überhören Politiker die Anliegen<br />

der Bürger, entwickeln diese im Internet<br />

eine kommunikative Macht – das Internet als<br />

Störfaktor im positiven Sinne. Pessimisten hingegen<br />

stellen fest, dass das Internet der Empörungsbewirtschaftung<br />

weiteren Vorschub leistet<br />

und zur Entpolitisierung der Politik beiträgt.<br />

Übertreiben tun beide. Grundsätzlich gilt für die<br />

Schweiz: Der Einfluss von Social Medias auf die<br />

Politik wird überschätzt. Denn in der Schweiz gibt<br />

es genügend Offline-Möglichkeiten – um im Jargon<br />

zu bleiben –, um auf die Politik einzuwirken.<br />

Der viel beschworene Kontakt zwischen Bürger<br />

und Politiker, den die Social Medias intensivieren<br />

sollen, ist wohl nirgends so einfach herzustellen<br />

wie hierzulande. Der analogen Ausdrucksmöglichkeiten<br />

gibt es ganz viele: Wir stimmen ab, organisieren<br />

Referenden, lancieren Initiativen. Im<br />

Gegensatz zu den USA sind zudem die Parteistrukturen<br />

sehr ausgeprägt. Davon konnte Obama<br />

nur träumen. Er musste um Sympathisanten buhlen.<br />

<strong>Die</strong> neuen Medienkanäle halfen ihm dabei,<br />

Nähe zu den Wählern zu simulieren. Sicher ist<br />

aber, dass Obama bei den nächsten Wahlen vor<br />

allem an seinen Taten gemessen wird. Wie oft<br />

fand er Mehrheiten für seine Ideen, und waren es<br />

die richtigen Antworten auf die drängendsten<br />

Fragen? Ganz normale Politik eben – Geburtstagskarten<br />

hin oder her.


34 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Ständige Risikobereitschaft<br />

oder stets bereit für Risiko?<br />

Damit Ihr Unternehmen auf der positiven Seite bleibt: Nutzen Sie das Wissen unserer branchenerfahrenen Experten<br />

im Umgang mit versicherbaren und nicht versicherbaren Risiken in Ihrem Unternehmen. www.kessler.ch<br />

Hap�y<br />

Bi�hday<br />

SN!<br />

Wir gratulieren den „Schaffhauser<strong>Nachrichten</strong>“ herzlich zu ihrem 150-Jahre-Jubiläum<br />

und freuen uns auf weiterhin spannende<br />

Berichterstattung aus der Region Schaffhausen.<br />

Raiffeisenbank Schaffhausen<br />

Telefon 052 687 44 00<br />

www.raiffeisen.ch/schaffhausen<br />

Kessler. Mit Sicherheit voraus.<br />

A1270412<br />

Gemeinde<br />

Wilchingen<br />

Herzliche Gratulation<br />

zum<br />

150-jährigen Bestehen<br />

Herzliche Gratulation zum Jubiläum ! meine Bank.<br />

In der Region, für die Region.<br />

www.meinebank.ch<br />

A1270325<br />

A1270377<br />

A1271741


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Politik 35<br />

In der «Arena» des Schweizer Fernsehens wird<br />

heute um Sekunden und Minuten gekämpft,<br />

damit man den Zuschauern auch ja auffällt<br />

und in Erinnerung bleibt. Im Nationalrat wird die<br />

Redezeit strikt beschränkt, und auch im Ständerat<br />

sind allzu lange Voten verpönt, obwohl bei den<br />

Kantonsvertretern noch viel freiere Sitten herrschen<br />

als in der grossen Kammer.<br />

Wenn man versucht, anhand der Abstimmungskämpfe<br />

im <strong>«Schaffhauser</strong> Intelligenzblatt», das<br />

sich ab 1940 <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» nannte,<br />

eine Entwicklung der politischen Kämpfe nachzuzeichnen,<br />

merkt man unter anderem, dass diese<br />

Minireden einst die Ausnahme waren. So stiessen<br />

wir beispielsweise auf eine dreistündige Rede des<br />

Schaffhausers Hermann Freuler im Ständerat, als<br />

er sich 1879 für die Wiedereinführung der Todesstrafe<br />

einsetzte. Ein anderes Beispiel ist eine Versammlung<br />

der Neuen Helvetischen Gesellschaft:<br />

<strong>Die</strong> Beratung der sogenannten «Fronten-Initiative»<br />

wurde 1935 mit einem Pro- und einem Contra-<br />

referat von je einer Stunden eingeleitet! Auch normale<br />

Parteiversammlungen dauerten der langen<br />

Referate wegen oft bis über Mitternacht hinaus.<br />

Eduard Gubler, der damalige Redaktor des <strong>«Schaffhauser</strong><br />

Intelligenzblattes», etwa wandte sich 1925<br />

in einer einstündigen Rede vor den kantonalen<br />

FDP-Delegierten gegen die AHV-Initiative der<br />

Linken. Schon 1912 beim Kampf um das Kranken-<br />

und Unfallversicherungsgesetz hatten sich sowohl<br />

die Schaffhauser FDP-Delegierten wie auch<br />

die Mitglieder des Schaffhauser Gewerbeverbandes<br />

je eine zweistündige Rede anhören müssen.<br />

Volksversammlungen zur Meinungsbildung<br />

Ganz anders als heute, wo das Fernsehen oft<br />

im Zentrum der Meinungsbildung steht, erfolgte<br />

früher auch die Orientierung der Stimmbürger.<br />

Zeitungen – das «Intelligenzblatt» inklusive – hatten<br />

eine sehr beschränkte Reichweite. <strong>Die</strong> eigentliche<br />

Orientierung erfolgte häufig an Volksversammlungen,<br />

an denen sehr viele Leute teilnahmen.<br />

So berichtet etwa das «Intelligenzblatt» am<br />

11. November 1925 über eine Veranstaltung in<br />

Olten, an der nicht weniger als 3000 Teilnehmer<br />

hören wollten, was Bundesrat Edmund Schulthess<br />

über die AHV zu sagen hatte. Auch an einer<br />

Tagung der Jungliberalen über eine Initiative zur<br />

Verfassungsrevision wurden 1935 3000 Teilnehmer<br />

gezählt.<br />

In der Frühzeit des <strong>«Schaffhauser</strong> Intelligenzblattes»<br />

wird, je nach Standpunkt der Redaktion<br />

in einer Sachfrage, immer wieder lobend darauf<br />

hingewiesen, dass sich die eidgenössischen Parlamentarier<br />

bereit erklärt hätten, in allen Bezirkshauptorten<br />

des Kantons aufzutreten und zu informieren.<br />

Oder bei verlorenen Urnengängen wird<br />

moniert, die «Herren Volksvertreter» hätten sich<br />

eben zu wenig ins Zeug gelegt.<br />

Volksversammlungen dienten aber nicht nur<br />

der Meinungsbildung, sondern auch der Demonstration<br />

der Stärke, um zu zeigen, wie viele Leute<br />

hinter einem Anliegen stehen. Eine besondere<br />

Rolle spielte dabei die Mobilisation bei der sogenannten<br />

«Rheinau-Initiative», mit der in den Fünfzigerjahren<br />

Schaffhauser den Höherstau des<br />

Rheins verhindern wollten. Bis zu 10 000 Personen<br />

marschierten zum Zeichen des Protests in Rhein au<br />

auf.<br />

Immer wieder vermochten besonders charismatische<br />

Politiker Volksversammlungen für ihre<br />

Zwecke einzusetzen. So platzten beispielsweise<br />

die Säle – unter anderem auch im «Kronenhof» in<br />

Schaffhausen mit rund 500 Zuhörern – aus allen<br />

Nähten, wenn 1970 James Schwarzenbach für<br />

die nach ihm benannte Initiative gegen zu viele<br />

Ausländer warb. Auch die Auftritte Christoph<br />

Blochers im Kampf gegen den EWR sind inzwi-<br />

Konkordanz und Kampf<br />

schen schon fast legendär. Auch er lockte 1992 800<br />

Leute ins «Casino». Aber auch Bundesrat Kaspar<br />

Villiger, damals noch Chef des EMD, war sich nicht<br />

zu schade, von Saal zu Saal zu ziehen, um gegen<br />

die Initiative für einen Flugzeugkauf aufzutreten<br />

– mit Erfolg übrigens: Das Volksbegehren wurde<br />

abgelehnt.<br />

Viele anonyme Stellungnahmen<br />

Erstaunlich ist aus heutiger Sicht, wie lange<br />

im «Intelligenzblatt» und später in den <strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>» Artikel ohne Autor oder<br />

Kürzel erschienen. War das zu Beginn, als es nur<br />

einen Redaktor gab, noch verständlich, war das<br />

beispielsweise schon 1872 nicht mehr so, als über<br />

die Totalrevision der Bundesverfassung abgestimmt<br />

wurde. Da erschien, wie wir heute sagen<br />

würden, eine Zuschrift, unterschrieben mit «Einige<br />

Revisionsfreunde aus dem Klettgau». Oder noch<br />

bei der bereits erwähnten Rheinau- Initiative wurden<br />

Lesebriefe mit Kürzeln oder gar mit «***»<br />

unterzeichnet.<br />

Überhaupt ist auffallend, dass ganze Leserbriefseiten<br />

zu Abstimmungen sehr spät auftauchen.<br />

Eigentlich machte die Rheinau-Initiative<br />

den Anfang, und erst gegen Ende der Sechzigerjahre<br />

erschienen regelmässig und in steigender<br />

Anzahl Zuschriften von Lesern zu Abstimmungen.<br />

Im 19. Jahrhundert war dafür ein anderes Mittel<br />

beliebt, um zu demonstrieren, ob eine Abstimmungsvorlage<br />

auf Zustimmung oder Ablehnung<br />

stiess: Es wurden in grosser Anzahl Parolen von<br />

Kantonal- oder Ortsparteien, aber auch von Verbänden<br />

publiziert. Zehn Parolen an einem einzi-<br />

von karl hotz<br />

heute spricht man von den Grünliberalen, der Polarisierung in der Politik und dem Kampf um die Mitte. In den letzten 150 Jahren wurde<br />

auch nicht immer mit Samthandschuhen gekämpft, wie ein Blick in frühere Ausgaben der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» zeigt.<br />

Eine Tagung der neuen Helve­<br />

tischen Gesellschaft über die<br />

«Fronten­Initiative» wurde mit<br />

je einem einstündigen Pro­ und<br />

Contrareferat eingeleitet.<br />

James Schwarzenbach, hier am 1. August 1971 auf dem Sempacher Schlachtfeld, war einer der Politiker, die Massen anlockten. Bild Key<br />

Bundesrat Kaspar villiger war sich<br />

nicht zu schade, von Saal zu Saal<br />

zu ziehen, um gegen die Initiative<br />

für einen Flugzeugkauf anzutreten<br />

– mit Erfolg übrigens.<br />

gen Tag waren keine Ausnahme, wobei in aller<br />

Regel Parolen häufiger aufgenommen wurden,<br />

die der Redaktionsmeinung entsprachen.<br />

Ebenfalls sehr spät tauchten Abstimmungsinserate<br />

auf. Wir haben in unserem Jubiläumsbuch*<br />

nicht sämtliche Volksabstimmung seit 1866 berücksichtigt<br />

(früher gab es gar keine), doch auf<br />

das erste Inserat sind wir erst 1893 bei der Abstimmung<br />

über das Schächtverbot gestossen: <strong>Die</strong><br />

Gegner warnten in einer ganzseitigen Anzeige<br />

die Bauern davor, dass fromme Juden bei einer<br />

Annahme der Initiative ihr Fleisch in Zukunft<br />

im Ausland kaufen würden – ein Argument, das<br />

im Kanton Schaffhausen keinerlei Resonanz hatte:<br />

Das Volks begehren kam auf einen Ja-Anteil von<br />

84 Prozent. <strong>Die</strong> erste Abstimmung, bei der Inserate<br />

in grösserer Zahl zu registrieren waren,<br />

fand 1920 statt, als das Volk mit gut 56 Prozent Ja<br />

dem Beitritt zum Völkerbund zustimmte. Bei der<br />

Abstimmung mit wahrscheinlich am meisten<br />

Inseraten ging es um ein zumindest verwandtes<br />

Thema: Es war der Entscheid über den Beitritt<br />

zum EWR, den Volk und Stände 1992 knapp ablehnten.<br />

* Das Buch zum Jubiläum der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» erscheint im Herbst.<br />

Stilfragen «Kuttenkriecher» und «Banditensprache»<br />

Gerne wird heute über schlechten Stil in Abstimmungskämpfen<br />

gejammert. Unsere Vorfahren<br />

kannten da viel weniger Hemmungen und<br />

griffen, vor allem im 19. Jahrhundert, immer wieder<br />

zum Zweihänder. Besondere Zielscheiben<br />

waren dabei oft die Katholisch-Konservativen,<br />

die im Sonderbundskrieg gegen den modernen<br />

Bundesstaat gekämpft hatten und diesen bis<br />

1891 mit allen Mitteln bekämpften.<br />

«Blödsinnige Kuttenkriecherei» wird im<br />

«Intelligenzblatt» beispielsweise 1872 den Gegnern<br />

der neuen Verfassung vorgeworfen. Zehn<br />

Jahre später, als es in der sogenannten Schulvogt-Abstimmung<br />

um die Einführung eines eidgenössischen<br />

Schulsekretärs ging, wird die<br />

«Banditensprache gewisser frommer Organe»<br />

heftig kritisiert. <strong>Die</strong> Gegner der Vorlage werden<br />

als «schwarze Nihilisten» bezeichnet.<br />

Hermann Freuler, Redaktor von 1888 bis<br />

1899, legte sich immer wieder mit Bundesräten<br />

an, denn er lehnte viele eidgenössische Vorlagen<br />

ab. Als beispielsweise 1899 erstmals über<br />

ein Krankenversicherungsgesetz abgestimmt<br />

wurde, sprach er von «Bundesdiktator Forrer»,<br />

der das Gesetz durchdrücken wolle. Schon 1891,<br />

als der erste Anlauf zur Verstaatlichung der<br />

Eisenbahnen genommen wurde, hatte Freuler<br />

gerügt: «<strong>Die</strong>se hässliche Komödie von Seiten<br />

der Börsianer mit der Vorführung von Bundesrat<br />

Welti als Dramaturg sollte aufhören», und<br />

einige Tage später nachgedoppelt: «Herr Bundesrat<br />

Welti geht also wirklich auf Reisen für<br />

sein Judengeschäft.»<br />

Als dann später die Sozialdemokraten immer<br />

stärker wurden und den bürgerlichen Staat<br />

attackierten, wurden natürlich auch sie aufs<br />

Korn genommen. Ein «fremdländischer Haufen<br />

in Aussersihl» sei das, kritisierte Freuler, weil<br />

in der SP viele Deutsche engagiert waren. <strong>Die</strong><br />

Kritik nahm zu, nachdem mit der «Arbeiterzeitung»<br />

in Schaffhausen auch noch ein sozialdemokratisches<br />

Organ erschien. «Gebell der<br />

roten Presse», merkte das «Intelligenzblatt» 1924<br />

an, als die SP mit einer Kriegsgewinnsteuer eine<br />

AHV finanzieren wollte. Aber andere Zeitungen<br />

waren auch nicht zimperlich. «30 000 Dummköpfe<br />

sind immer zu finden, die bereit sind, ein<br />

Referendum zu unterzeichnen», wetterte der<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> Bauer» 1952, als das Referendum<br />

gegen das Landwirtschaftsgesetz zustande gekommen<br />

war – und musste sich prompt eine<br />

Rüge der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» gefallen<br />

lassen, derartige Beschimpfungen seien undemokratisch.<br />

(khz)


36 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

© UBS 2011. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Wir gratulieren den Scha�auser <strong>Nachrichten</strong><br />

Zum Jubiläumsfest<br />

«150 Jahre ‹Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong>›»<br />

übermittelt die Gemeinde Gächlingen<br />

alle guten Wünsche.<br />

Wir alle hoffen, dass die SN noch lange eigenständig weiter<br />

bestehen dürfen, und freuen uns<br />

auf weiterhin sachliche und ausgewogene Informationen.<br />

Gemeinderat und Einwohnergemeinde Gächlingen<br />

Herzliche Gratulation zum stolzen Jubiläum!<br />

Wir freuen uns auf weitere 150 Jahre Wirtschaftsberichterstattung<br />

in den <strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>».<br />

Jeden Tag eine SN,<br />

alle 10 Minuten ein Bus.<br />

Wir gratulieren.<br />

A1270372<br />

A1272663<br />

A1272736<br />

zum 150 Jahr-Jubiläum.<br />

UBS AG, Schwertstrasse 2, 8200 Schaffhausen<br />

Wir werden nicht ruhen<br />

<strong>Die</strong> einzige Tageszeitung<br />

im Oberwallis<br />

gratuliert zum<br />

150-Jahr-Jubiläum<br />

Schweizer Meister in der Verbreitung (mehr als 80% Reichweite)<br />

Tel. 027 948 30 40 | inserate@walliserbote.ch | www.1815.ch<br />

NEU: Overlock 1110D<br />

– Gratis Abfallbehälter<br />

– Einfädelsystem für Untergreifer<br />

– Schwenkbare Nähfüsse<br />

– Zubehör im Greiferdeckel<br />

Nähen, Schneiden und Versäubern in<br />

einem Arbeitsgang. Mit der BERNINA<br />

Overlock 1110D lassen sich Nähte<br />

an Kleidung oder Wohnaccessoires<br />

besonders schön und gekonnt<br />

verarbeiten.<br />

Jetzt bei uns probenähen!<br />

Bernina 1110D Fr. 1255.–<br />

Nähmaschinen ab Fr. Fr. 333.–<br />

Overlocker ab Fr. 750.–<br />

www.bernina.ch<br />

Park Treuhand AG AG<br />

Park Consulting AG<br />

Promenadenstrasse 19, 8201 Schaffhausen www.parktreuhand.ch<br />

150 Jahre Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

A1271408<br />

A1271549<br />

Wir gratulieren ganz herzlich und wünschen der SN<br />

auch für die Zukunft viel Erfolg .<br />

A1271936


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Politik 37<br />

Politik und Medien im Wandel<br />

In meinem Leben haben Politik und eine parallel<br />

dazu laufende Medientätigkeit stets eine<br />

dominierende Rolle gespielt für mich als Journalist<br />

und später als Mitverantwortlichen für die<br />

Informationspolitik im Regierungsrat.<br />

Vom Bächlein zum Informationsfluss<br />

In diesen Bereichen, der behördlichen Information<br />

und den Medien, hat in den letzten Jahren<br />

eine starke Entwicklung stattgefunden. Vieles ist<br />

anders geworden. Aufseiten der Kantons- und der<br />

Stadtbehörden ist ein dünnes Bächlein aus den<br />

50er-Jahren zu einem intensiven Informationsfluss<br />

ausgebaut worden.<br />

Für die Behörden ist das Zusammenleben mit<br />

den Medienleuten deswegen nicht einfacher geworden.<br />

Manche Journalisten spielen bei ihrer<br />

Arbeit heute öfter und lieber auf den Mann statt<br />

auf den Ball. Auch durch die eingetretene und<br />

stets fortschreitende Medienkonzentration wird<br />

die Abhängigkeit der Behörden von der noch einzigen<br />

Tageszeitung immer grösser. Einige kleine<br />

Zeitungen, die manchmal eigenständige Meinungen<br />

vertraten, sind eingegangen. <strong>Die</strong> «Arbeiterzeitung»,<br />

die am ehesten den grossen <strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>» widersprechen konnte, erscheint<br />

leider nur noch als Wochenzeitung.<br />

«Wer kontrolliert nun unseren grössten Kontrolleur?»,<br />

fragte sich kürzlich ein besorgter Regierungsrat.<br />

Mit Recht? In unserem Kanton hat im<br />

Medienbereich in den letzten Jahren tatsächlich<br />

eine sehr eindrückliche Konzentration stattgefunden.<br />

Nach der Gründung von Radio und Fernsehen<br />

durch die einzige Tageszeitung in unserem<br />

Kanton kann die Meier + Cie AG, das Verlagshaus<br />

der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>», der Bevölkerung<br />

nicht nur am umfangreichsten, sondern auch am<br />

schnellsten Informationen aller Art vermitteln.<br />

Staatspolitische Verantwortung<br />

Das bedeutet für den heute jubilierenden Verlag<br />

eine weitere grosse Chance, seinen Einfluss<br />

in der Politik, im wirtschaftlichen Sektor und im<br />

gesellschaftlichen Bereich zu verstärken. Andrerseits<br />

übernehmen die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

damit eine grössere staatspolitische Verantwortung.<br />

Auch stellt sich ihren dadurch eine grössere<br />

Herausforderung in mehreren Belangen für ein<br />

weiteres betrieblich erfolgreiches Wirken. Zum<br />

guten Gelingen dieser nicht einfachen Aufgaben<br />

erwartet die Leserschaft eine faire und ausgewogene<br />

Berichterstattung.<br />

Ausnahmsweise konnte dazu sogar die «Neue<br />

Zürcher Zeitung» einmal als Vorbild gelten. NZZ-<br />

Redaktor Max Frenkel hatte einmal von seiner<br />

Zeitung den Auftrag erhalten abzuklären, ob<br />

die damals frisch gewählte Bundesrätin Ruth<br />

Dreifuss NZZ-Leserin sei. Er erkundigte sich danach<br />

beim damaligen VPOD-Chef, SP-Nationalrat<br />

Walter Renschler. «Ja natürlich, was glaubst du<br />

denn?», war die Antwort. «<strong>Die</strong> NZZ ist die einzige<br />

Zeitung, welche unsere Standpunkte auch so wiedergibt,<br />

wie wir sie meinen.»<br />

Herzlicher Glückwunsch<br />

Zum Abschluss noch ein Glückwunsch: Im Dezember<br />

1986 habe ich als Regierungspräsident in<br />

der damaligen SN-Jubiläumszeitung in meinem<br />

Glückwunschartikel geschrieben: «Zu meiner<br />

Gratulation gesellt sich die Hoffnung – ein Vorgriff<br />

in die Zukunft sozusagen: Viel wäre erreicht,<br />

wenn in 25 Jahren, am 150. Geburtstag der ‹Schaffhauser<br />

<strong>Nachrichten</strong>›, im Jahre 2011, es heissen<br />

würde: Von Jubiläum zu Jubiläum war es, nehmt<br />

alles in allem, eine gute Zeit.» Dass es in 25 Jahren,<br />

also 2036, wieder so sei, ist mein aufrichtiger<br />

Wunsch.<br />

Ernst Neukomm<br />

von Alt RegieRungsRAt eRnst neukomm und Alt stAdtpRäsident felix schwAnk<br />

wie war das denn früher? Das wollten wir von zwei bekannten Schaffhauser Politikern wissen, die in ihrer langen Karriere<br />

den rasanten Wandel der Politik und ihres Verhältnisses zu den Medien miterlebt haben.<br />

«Aufseiten der Kantons- und<br />

der Stadtbehörden ist ein dünnes<br />

Bächlein aus den 50er-Jahren<br />

zu einem intensiven Informations-<br />

fluss ausgebaut worden»<br />

Ernst Neukomm (ganz links) und Felix Schwank (ganz rechts) bei der A4-Geländebegehung mit Bundesrat Hans-Peter Tschudi (3. von rechts). Bild B. + E. Bührer<br />

Medien und Politik – gestern, heute und<br />

vorgestern: So gesehen, wurde ich vorgestern,<br />

genau 1960, in den Stadtrat gewählt.<br />

<strong>Die</strong>ser stand unter dem Kommando von<br />

Walther Bringolf. Das ist fast wörtlich zu nehmen.<br />

Ich erlebte es im ersten halben Jahr, dass Stadtrat<br />

Erb seinem Genossen Bringolf ab und zu widersprach.<br />

Erb starb im Sommer 1961. Sein Nachfolger<br />

war Werner Zaugg. Er wurde vom kritischen<br />

Kollegen schliesslich zum guten Freund und liess<br />

mich dann einmal wissen, dass natürlich Bringolf<br />

über die Nachfolge Erbs entschieden habe. Mich<br />

fröstelt beim blossen Gedanken, es könnte in der<br />

Ära Bringolf ein Mediensprecher aufgetreten sein.<br />

Meldete der Kantonschemiker – zu Recht –, das<br />

Rheinwasser sei nicht über alle Zweifel erhaben,<br />

reagierte Bringolf unwirsch. <strong>Die</strong>ses Geschreibe<br />

müsse man abstellen, dieser Herr Doktor verunsichere<br />

das Volk.<br />

Dann gab es jene Episode im Stadtrat. Man<br />

feierte, wenn ich mich nicht irre, den Aufstieg<br />

des FCS. Bringolf war verhindert, und als schon<br />

reichlich Wein geflossen war, hielt Stadtrat Fritz<br />

Gasser eine Rede und versprach dem FC eine<br />

Beleuchtungsanlage auf der Breite. Mich dünkte,<br />

mein Kollege gehe etwas forsch ins Zeug. Und<br />

siehe da, an der folgenden Stadtratssitzung wurde<br />

Bringolf deutlich: Er habe gehört, sagte er … Ich<br />

schaute auf meinen Kollegen Gasser, und der<br />

Präsident meinte mit einiger Schärfe, wenn dem<br />

FC eine Beleuchtungsanlage versprochen werde,<br />

dann vom Stadtpräsidenten. Fritz Gasser nahm es<br />

gelassen. Schliesslich hatte unsere freisinnige<br />

Partei bei Gassers und meiner Wahl erklärt, man<br />

erwarte, dass man dem allmächtigen Bringolf<br />

gelegentlich an den Karren fahre.<br />

Stadtschreiber Hans Müller meinte, der Vater<br />

(gemeint war Bringolf) habe sich doch recht gewandelt.<br />

Früher wäre es nie passiert, dass eine<br />

Stadtratssitzung unter anderer Führung als Bringolfs<br />

Leitung stattgefunden hätte. Ich war in der<br />

Zwischenzeit Vizepräsident des Stadtrats geworden<br />

und leitete die Sitzungen, wenn der Grand<br />

Chef beispielsweise in der Nationalratssession<br />

war. <strong>Die</strong> Presse erfuhr in jener Zeit das, was bei<br />

der Präsentation der Vorlage ausgeführt wurde.<br />

Fragen der Journalisten beantwortete der Stadtpräsident.<br />

Das Gestern im Verhältnis Presse/Politik, das<br />

war meine Zeit als Stadtpräsident (1968–1988). Sie<br />

war gekennzeichnet durch das Schrumpfen im<br />

Blätterwald. Es blieben die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

und die AZ, ergänzt und zum Teil bekämpft<br />

durch die Gratisblätter («WochenExpress»,<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> Bock»). <strong>Die</strong> 68er-Bewegung wirbelte<br />

Staub auf, ballte Fäuste, zog nach links. <strong>Die</strong><br />

Forderungen nach alternativer Kultur liessen sich<br />

da und dort einbinden. Im Politischen überschäumte<br />

der Topf in der sogenannten Nebenamts-Initiative,<br />

die 1980 neben nur noch zwei vollamtlichen<br />

Stadträten drei im Nebenamt wirken<br />

liess. Leider versandeten die zum Ziel gesetzten<br />

Sparbemühungen in der Unfähigkeit des sogenannten<br />

Rats der Weisen. <strong>Die</strong> Stadt hatte mit<br />

Dr. Hermann Wanner (alt Regierungs- und Nationalrat)<br />

und Stadtrat Dr. Hans Bachmann, Finanzvorstand<br />

der Stadt Winterthur, zwei ausgewiesene<br />

Fachleute zu den Weisen delegiert. <strong>Die</strong> Rücksprachen<br />

mit unseren Vertretern waren mehr als<br />

ernüchternd. Für unsere «Weisen» sei die öffentliche<br />

Verwaltung ein Buch mit sieben Siegeln.<br />

Auch das Gutachten Hayek versandete. Ich hatte<br />

die Kantonsregierung gebeten, mit dem Experten<br />

über Polizeifragen reden zu dürfen. Als Hayek –<br />

wie er mir später eröffnete – der Regierung den<br />

gleichen Wunsch unterbreitete, habe diese erklärt,<br />

das sei nicht nötig. Mit meinen Bemühungen, das<br />

Verhältnis zur Regierung zu verbessern, brachte<br />

ich es nur zu einem leidlich guten Verhältnis. Man<br />

war freundlich zueinander, aber in der Politik<br />

mangelte es am effizienten Zusammenspannen.<br />

Zu den Medien waren die Beziehungen eng,<br />

namentlich zu den Tageszeitungen. Das war unabdingbar,<br />

wenn man in den turbulenten Zeiten<br />

bestehen wollte. Heinz Bollinger war dabei, den<br />

Regionalteil der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» auszubauen.<br />

Martin Schweizer, der in dieser Zeit zur<br />

Redaktion stiess, übernahm später diesen Part.<br />

Mit Erwin Waldvogel liefen die Kontakte über<br />

Kultur (Bachfeste) und Politik. Mit Nationalrat<br />

Kurt Schüle liessen sich praktisch alle Türen in<br />

Bern öffnen. Max Rapold war oft der Retter in der<br />

Not. Er schlug mir eine Gruppe fürs Brainstorming<br />

vor. Ich sagte nie Nein, vor allem aber nicht<br />

Ja, weil ich unabhängig bleiben wollte. Bei der AZ<br />

hatte ich einen guten Draht zu Hugo Leu. Das Verhältnis<br />

zum «Bock» blieb gespannt.<br />

Der Kontakt zur deutschen Nachbarschaft<br />

lief über den sogenannten Schaffhauser Kreis.<br />

Dem deutschen Teil der Gruppe stand der Stutt-<br />

garter Oberbürgermeister Manfred Rommel vor,<br />

dem schweizerischen der Schaffhauser Stadtpräsident.<br />

Auf diesem direkten Weg liefen auch<br />

die Kontakte zur Regierung von Baden-Württemberg.<br />

Pressekonferenzen griffen häufig vom Kulturellen<br />

ins Politische über (Zürcher Schauspielhaus/Löfflerzeit).<br />

Alternative Kultur: Sie kulminierte<br />

schliesslich im Angebot der Kammgarn.<br />

<strong>Die</strong> Kontakte Medien/Politik erfuhren nach<br />

meiner Amtszeit eine Steigerung ins Rasante. Anfänglich<br />

hielt ich über die Hallen für Neue Kunst<br />

und die Musikschule noch einige Kontakte, vermisste<br />

aber die Möglichkeit zum Machtwort, wenn<br />

ich fand, eine Sache laufe aus dem Ruder. Ein<br />

Gehörleiden brachte mich rasch auf Distanz zum<br />

öffentlichen Geschehen. Da ich weder mit Handy<br />

noch mit Computer mitspielen konnte, verdünnte<br />

sich der Strom der Information rasch. Der Anteil<br />

dessen, was man Boulevard nennt, stieg an. Ist<br />

das Gemeinwohl daran, den Kürzeren zu ziehen?<br />

Neigt die Politik den Sonderinteressen zu? Zu<br />

meiner Zeit als Stadtpräsident begann sich Radio<br />

Munot zu melden. Man konnte drei Minuten zu<br />

«denn was man schwarz<br />

auf weiss besitzt, kann man<br />

getrost nach Hause tragen»<br />

einer Sache reden. Das war knapp. Heute reden<br />

sie am Fernsehen fast täglich, unsere lokalen Politiker.<br />

Dass sie gerne ins Plaudern kommen, auf<br />

Allgemeinplätze ausweichen … Mir sind die<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» lieber. Es wird sie für<br />

Gesellschaft und Politik auch in Zukunft brauchen:<br />

«Denn was man schwarz auf weiss besitzt,<br />

kann man getrost nach Hause tragen.» Weniger<br />

Boulevard, mehr Substanz – das wäre mein<br />

Wunsch. Substanz? Man vergleiche einmal die<br />

Ratsberichte meiner Zeit mit jenen von heute.<br />

<strong>Die</strong> Politiker würde ich eher zu ihren Dossiers<br />

schicken als vor Kamera und Mikrofon. Das persönliche<br />

Erarbeiten einer Vorlage bringt mehr als<br />

das Herumstöbern bei Beratern, deren Wortschwall<br />

klarlegt, dass guter Rat teuer ist.<br />

Felix Schwank


386Politik Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Sie sind beide aus dem Grossen Stadtrat<br />

zurückgetreten. Vermissen Sie Ihr Amt?<br />

Esther Bänziger: Ich war ja unglaublich lange<br />

dabei, ich gehörte mehr als 17 Jahre dem Grossen<br />

Stadtrat an. Nein, ich vermisse es wirklich nicht.<br />

Ich habe meine Arbeit im Rat gerne gemacht und<br />

habe es auch extrem spannend gefunden, aber<br />

diese Zeit ist einmal vorbei, und ich bin froh, dass<br />

ich mich nur noch auf den Beruf konzentrieren<br />

kann. Denn wenn man sich richtig engagiert, ist<br />

der Zeitaufwand für dieses politische Amt sehr<br />

gross.<br />

Bei Ihnen war es ja eine etwas kürzere Zeit …<br />

Käslin: Kurz, aber dafür heftig. Ich vermisse es<br />

auch nicht. Ich war schon immer ein sehr politischer<br />

Mensch, und das bin ich heute noch. Sowohl<br />

in Kanada wie auch jetzt in Kolumbien setze ich<br />

mich sehr stark mit der Politik auseinander. Von<br />

daher fehlt mir die Politik nicht. Ich habe ein<br />

Problem mit Leuten, die von etwas zurücktreten,<br />

aber trotzdem noch so halb dabei sein wollen.<br />

Man muss einen sauberen Strich ziehen. Ich habe<br />

das nicht bereut. Und ich habe auch gemerkt, dass<br />

es mir viel leichter gefallen ist, als ich erwartet<br />

hatte. Für mich war es vielleicht auch durch die<br />

geografische Distanz einfacher, einen Schlusspunkt<br />

zu setzen.<br />

Bänziger: Das ist bei mir anders. Weil ich hier<br />

lebe und arbeite, bin ich natürlich weiterhin sehr<br />

an der hiesigen Politik interessiert. Ausserdem bin<br />

ich ja auch noch im Vorstand der städtischen SP.<br />

Wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken:<br />

Wie sah es da mit Zwängen aus? Mussten Sie<br />

als Parteimitglieder auch Dinge unterstützen,<br />

die Sie nicht befürwortet haben?<br />

Bänziger: Ich musste das nie, und ich hätte das<br />

auch nie gemacht. Logisch ist, dass man miteinander<br />

die politischen Fragen diskutiert, und dabei<br />

gab es selbstverständlich auch Meinungsverschiedenheiten,<br />

aber eine strenge Doktrin hat es<br />

Nicht nur über die Energiezukunft haben Esther Bänziger und Fabian Käslin auf dem Stauwehr der Städtischen Werke diskutiert. Bild Michael Kessler<br />

Schaffhausen im Fokus<br />

bei uns nie gegeben. <strong>Die</strong> SP hat so ein breites<br />

Spektrum, da hat vieles Platz.<br />

<strong>Die</strong> FDP hat ja auch ein breites Spektrum …<br />

Käslin: <strong>Die</strong> deckt eigentlich alles ab (lacht).<br />

Nein, Zwänge habe ich nie erlebt. Meinungsverschiedenheiten<br />

sind bei uns offen ausgetragen<br />

worden, das gehört dazu. Bei einem nationalen<br />

Thema fällt es einem leichter, sich ins Parteiglied<br />

zurückzustellen und zu sagen: «Gut, in dieser<br />

Sache engagieren wir uns halt einfach nicht, aber<br />

wir laufen mit.» Je regionaler es wird, desto<br />

schwieriger ist es, eine Meinung zu vertreten,<br />

hinter der man nicht völlig steht. Und das habe ich<br />

auch nie gemacht. Bei der FDP gibt es einige, die<br />

das machen. Ich glaube aber, dass das kontraproduktiv<br />

ist. Wenn alle Parteien wirklich nur<br />

mit einer Stimme sprechen wollten, würde es<br />

ja reichen, je einen Vertreter ins Parlament zu<br />

schicken. Das wäre wenig sinnvoll.<br />

Wie sieht es denn mit Druck von aussen aus?<br />

Wird in Schaffhausen auch lobbyiert?<br />

Bänziger: Bei uns sicher nicht. Das ist für mich<br />

unvorstellbar. Dass Leute auf einen zukommen<br />

mit einem Anliegen, das gibt es schon. Aber dass<br />

Druck ausgeübt wird, das nicht. Bei den kantonalen<br />

Parteien mag das etwas anders sein, zumindest<br />

habe ich das schon von einzelnen Vertretern<br />

aus der SVP gehört.<br />

Käslin: Ich habe nie Lobbyismus gespürt. Ich<br />

habe auch selten Einladungen für verschiedene<br />

Anlässe angenommen. Schaffhausen ist einfach<br />

zu klein für Lobbyismus. Wir haben natürlich immer<br />

Gespräche geführt, zum Beispiel mit dem<br />

Gewerbeverband. Aber wir als Jungfreisinnige<br />

haben nie Geld bekommen aus diesen Gefässen.<br />

Und wir haben uns auch nie beeindrucken lassen.<br />

Unsere Meinung ist nicht immer nur gut angekommen,<br />

auch beim Gewerbe.<br />

Aber solche Zückerli wie die erwähnten<br />

Einladungen bekommt man schon ab und zu?<br />

von Jan HudEc<br />

Käslin: Das passiert automatisch. Am Anfang<br />

war das bei mir nie der Fall, aber sobald man<br />

einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, bekommt<br />

man solche Einladungen. Aber das war für mich<br />

nie interessant. Ich bin nicht in die Politik gegangen,<br />

um ein Abendessen spendiert zu bekommen<br />

oder an vielen Apéros teilzunehmen. Ich bin in die<br />

Politik gegangen, um die Philosophie des Liberalismus<br />

zu vertreten. Wir haben uns bei den Jungfreisinnigen<br />

zudem immer zu 100 Prozent über<br />

Spenden finanziert. Und das waren immer kleine<br />

Einzelbeiträge, darüber konnte niemand Druck<br />

ausüben. Wenn in Schaffhausen lobbyiert wird,<br />

dann wohl direkt bei der Exekutive.<br />

Bänziger: Wir haben natürlich Verbindungen<br />

zu den Gewerkschaften und zu Umweltverbänden,<br />

aber solche Einladungen bekommen wir schon<br />

gar nicht. Wir sind ja traditionellerweise nicht im<br />

Finanzsektor ansässig. Wir haben dafür ordentliche<br />

Mitgliederbeiträge und ausserdem einen<br />

Ausgleichsbeitrag, der sich nach dem Einkommen<br />

richtet, der schenkt ein. Sonst hätten wir<br />

aber schlicht kein Geld.<br />

Käslin: Druck kenne ich nur von der Strasse.<br />

Vor allem, wenn man sich etwas profiliert, kommen<br />

Leute auf einen zu. Relativ früh in meiner<br />

Zeit als Grossstadtrat hat mir im «Orient» einmal<br />

jemand ein Glas Whiskey über den Kopf geschüttet<br />

wegen etwas, was ich gegenüber der Zeitung<br />

gesagt hatte.<br />

Bänziger: Das ist aber widerlich.<br />

Käslin: Solche Dinge sind schon vorgefallen.<br />

Auch Postkarten und Briefe habe ich erhalten, in<br />

denen billige Drohungen drinstanden. Aber das<br />

würde ich nicht als Druck bezeichnen. Man muss<br />

sich halt bewusst sein: Wenn man den Kopf hinausstreckt,<br />

dann windet es auch.<br />

Was sind denn Ihrer Meinung nach die wichtigsten<br />

politischen Themen, die in den letzten Jahren<br />

in der Stadt verhandelt wurden?<br />

Bänziger: Sicher das Thema Schule, wobei diesbezüglich<br />

auch vieles kantonal geregelt werden<br />

muss. Ausserdem müsste sich im Bereich der Kin­<br />

derbetreuung viel tun. Auch die Frage, wie man<br />

das Rheinufer vorwärtsbringt, ist noch nicht gelöst.<br />

Das Sportinfrastruktur ist natürlich ebenfalls<br />

ein Dauerthema. Darin eingeschlossen die Frage,<br />

was auf der Breite alles möglich würde, wenn das<br />

Fussballstadion weg wäre. Von den Bürgerlichen<br />

war als Hauptthema die Steuersenkung gesetzt.<br />

Ich finde, das ist definitiv kein Hauptthema. Sicher<br />

muss man auf die Steuern ein Augenmerk haben.<br />

Aber wenn man sieht, wie teuer die Wohnungen<br />

anderswo sind, dann kann ich locker etwas mehr<br />

Steuern bezahlen. Wir haben eine schöne Stadt,<br />

und das kostet auch etwas.<br />

Käslin: Für mich war es immer die Finanzpolitik,<br />

die Steuerpolitik, die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Kantons und der Gemeinden, speziell von<br />

Schaffhausen. Wenn wir unser Defizit anschauen,<br />

dann sieht man, dass Handlungsbedarf besteht.<br />

Im Interesse der nachfolgenden Generationen<br />

müssen wir darauf schauen, dass wir den Finger<br />

draufhalten und dass die Stadt und auch der<br />

Kanton nicht mehr so massiv über ihre Verhältnisse<br />

leben.<br />

Zwei zentrale Themen waren also die Schulstruktur<br />

und die Steuern. Waren das die richtigen<br />

Themen, oder verbrauchten wir dafür zu viel<br />

Energie?<br />

Bänziger: In der Schule muss ganz klar etwas<br />

gehen, die Strukturen entsprechen einfach nicht<br />

mehr der heutigen Zeit. <strong>Die</strong> Komplexität der Familienverhältnisse<br />

hat sich geändert. Auch wenn<br />

einiges auf kantonaler Ebene läuft, hat die Stadt<br />

zum Beispiel die ganze Infrastruktur in der Hand.<br />

So müssten unter anderem Plätze für die Tagesbetreuung<br />

geschaffen werden. <strong>Die</strong> Diskussion um<br />

die Steuern scheint mir dagegen übertrieben zu<br />

sein. Natürlich muss das Parlament ein Auge darauf<br />

haben, wofür die Stadt ihr Geld ausgibt, aber<br />

dass das das Hauptproblem ist und wir in einer<br />

Steuerhölle leben, trifft einfach nicht zu. Für diese<br />

Frage haben wir viel zu viel Energie verbraucht.<br />

Käslin: Zu viel Energie für ein Thema aufwenden<br />

kann man in einer Demokratie nicht. Wenn


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Politik 39<br />

ein Thema gesetzt ist, dann deshalb, weil es die<br />

Bevölkerung auch als Thema anerkennt. Bildung<br />

oder Energie oder Steuern …<br />

Gewisse Vorstösse scheinen aber auch<br />

aus den privaten Hobbys von Grossstadträten<br />

zu kommen …<br />

Käslin: Aber in der öffentlichen Diskussion<br />

merkt man dann bald, ob es ein wirkliches Thema<br />

ist. Bildung ist sicher immer ein Thema. Der<br />

Druck auf die Lehrer ist gestiegen. Aber man<br />

muss deswegen nicht alles neu erfinden. Das<br />

Steuerthema ist wichtig, weil sich darüber vieles<br />

definiert. <strong>Die</strong> Mittelentziehung ist das beste Mittel,<br />

um die Exekutive in den Schranken zu halten.<br />

Es ist nicht so, dass die Steuerpolitik allein<br />

ent scheidend wäre, und ich ziehe auch nicht<br />

irgendwohin wegen eines tiefen Steuerfusses.<br />

Aber es ist ein Schlüsselfaktor, weil dieses Rädchen<br />

alle ringsum mitbewegt. Und wenn Sie sagen,<br />

das Parlament kontrolliere die Ausgaben, dann<br />

trifft das nicht zu. Dazu muss man sich nur die<br />

vergangenen Jahre anschauen. Der Stadtrat hat<br />

jeweils beantragt, mehr Geld auszugeben, und der<br />

Grosse Stadtrat hat dann beschlossen, noch mehr<br />

Geld auszugeben, als der Stadtrat beantragt hat.<br />

Der Kontrollmechanismus ist immer vom Volk<br />

gekommen.<br />

Bänziger: Das finde jetzt ich ein populistisches<br />

Thema. <strong>Die</strong> Steuern zahlt in der Regel niemand<br />

gerne. In Thayngen sieht man aber, was jetzt passiert.<br />

Man kann das Schwimmbad nicht mehr<br />

heizen und muss Gebühren erheben, und das trifft<br />

nachher alle.<br />

Käslin: Wir subventionieren aber sehr viele Betriebe<br />

im Bereich der Kultur, zum Beispiel das<br />

Theater …<br />

Bänziger: Das ist überall so, nicht nur in Schaffhausen.<br />

Käslin: Ja, aber das ist überall falsch. Gerade<br />

ein Theater ist eine Institution für die Besserverdienenden.<br />

Es ist nicht der Schreinermeister, der<br />

ins Theater geht oder ins Opernhaus in Zürich.<br />

Und die besser verdienende Schicht, die diese Angebote<br />

nutzt, ist auch imstande, sie zu bezahlen.<br />

Bänziger: Es sollten eben nicht bloss die Besserverdiener<br />

angesprochen werden, sondern alle.<br />

Käslin: Aber die werden davon ja nicht angesprochen.<br />

Bänziger: Ich vermisse bei Ihnen einfach den<br />

Optimismus. Natürlich gibt es Probleme, und ich<br />

setze mich mit diesen ebenfalls auseinander, aber<br />

dass man keine positive Vision hat und nicht<br />

auch mal etwas gut findet, kann ich nicht verstehen.<br />

Ich lebe seit bald 60 Jahren in Schaffhausen,<br />

und die Stadt hat sich sehr positiv entwickelt,<br />

gerade der kulturelle Bereich. Früher gab es das<br />

Theater und das Museum und viel mehr nicht. In<br />

diesem Bereich ist doch so viel passiert. In der<br />

Kleintheaterszene, in der Musikszene und, und,<br />

und. Das ist doch super, und das schätzen die<br />

Leute auch.<br />

Käslin: Das hat uns aber auch sehr viel Geld gekostet.<br />

Bänziger: Aber das ist doch auch okay. Für was<br />

wollen Sie das Geld denn sonst brauchen? Einfach<br />

um ein grösseres Auto zu kaufen oder eine noch<br />

grössere Villa? Worum geht es denn?<br />

Käslin: Geld, das der Privatbürger ausgibt, ist<br />

tatsächlich viel besser investiert, als wenn es von<br />

einer Regierung ausgegeben wird. Denn dann<br />

wird das gekauft und in das investiert, wofür auch<br />

wirklich eine Nachfrage besteht. Und nicht das,<br />

wofür man eine künstliche Nachfrage schafft. Wie<br />

zum Beispiel die Hallen für Neue Kunst.<br />

Bänziger: Das ist doch keine künstliche Nachfrage.<br />

Käslin: Dann schauen Sie sich doch einmal die<br />

Öffnungszeiten an. Das ist nichts für die breite<br />

Bevölkerung.<br />

Bänziger: Aber man kann doch auch Führungen<br />

machen. Und ausserdem sind die Hallen weltbekannt.<br />

Käslin: Ja, bei der Oberschicht sind sie weltbekannt.<br />

<strong>Die</strong> könnten sich den Besuch sowieso<br />

leisten. Das sind falsche Subventionen, mit denen<br />

eine Klientelwirtschaft betrieben wird, vor allem<br />

für eine Klientel, die das Geld hätte. Es ist viel<br />

besser, wenn der Strassenarbeiter ein paar Franken<br />

mehr im Portemonnaie hat, für den Urlaub<br />

oder um mit seiner Frau essen zu gehen.<br />

Bänziger: Es sollten alle Leute an der Kultur<br />

teilhaben können. Ausserdem ist es beim Sport<br />

genau dasselbe. <strong>Die</strong> einen schauen sich vielleicht<br />

lieber einen Fussballmatch an, das ist doch auch<br />

in Ordnung. Aber das brauchen wir doch alles.<br />

Von den Steuersenkungen spüren die Normalverdienenden<br />

wenig.<br />

Käslin: Gerade Fussball ist ein gutes Beispiel.<br />

Es kann ja nicht sein, dass am Schluss der Staat<br />

alles subventionieren und auch noch ein Stadion<br />

hinstellen und sogar noch den Spielbetrieb des<br />

FCS übernehmen muss. Das ist keine staatliche<br />

Aufgabe.<br />

Bänziger: Der Staat hat doch eine Aufgabe für<br />

die Allgemeinheit. Das gehört doch alles dazu.<br />

Und gerade die Kultur musste schon immer unter­<br />

stützt werden. Sowie der Sport auch. Das ist einfach<br />

so.<br />

Käslin: Schauen Sie doch mal nach Amerika:<br />

<strong>Die</strong> besten Museen der Welt stehen in den USA,<br />

und das obwohl die USA keine Kultursubventionen<br />

kennt. Das ist alles privat finanziert.<br />

Bänziger: Bei uns wird ja auch viel privat<br />

bezahlt, gerade bei den Hallen.<br />

Käslin: Aber nicht genug.<br />

Das Debattieren haben Sie offenbar nicht<br />

verlernt. Lassen wir doch den Blick in die<br />

Zukunft schweifen: Auf welche Themen müssen<br />

wir in der Stadt künftig den Fokus richten?<br />

Käslin: Weiterhin auf die Steuerpolitik. Wir<br />

müssen wettbewerbsfähiger werden, auch im<br />

Interesse der kommenden Generation, die sonst<br />

fortzieht und wegbleibt. Im Bereich der Verkehrspolitik<br />

müssen wir deutlich besser werden, da<br />

haben wir viel Nachholbedarf. Und auch im Bildungsbereich<br />

ist ein steter Wandel nötig.<br />

Bänziger: Sicher auf den öffentlichen Verkehr.<br />

Das mit dem Halbstundentakt hat zu lange gedauert.<br />

Wir müssen aber auch unserer Infrastruktur<br />

Sorge tragen. Und die Energiefrage wird uns stark<br />

Fabian Käslin<br />

«<strong>Die</strong> Arbeitsplätze, die<br />

die Wirtschaftsförderung nach<br />

Schaffhausen holt,<br />

sind eigentlich die falschen.<br />

Es sind meistens Holding firmen,<br />

die auswärtige Juristen<br />

oder Ökonomen beschäftigen.<br />

Wir sollten besser Betriebe<br />

zu uns holen, die hier<br />

ihren Sitz haben und auch<br />

hier ausbilden»<br />

beschäftigen. Auch werden wir verdichtet bauen<br />

müssen. <strong>Die</strong> Zeit des Einfamilienhäuschens ist<br />

vielleicht vorbei. Es kommt viel auf uns zu in den<br />

nächsten Jahren und Jahrzehnten.<br />

In der Energiefrage werden wir wohl auch Wege<br />

finden müssen?<br />

Bänziger: Es muss sich in den Köpfen von vielen<br />

Leuten etwas tun. Ich spreche hier auch den<br />

Heimat­ und den Landschaftsschutz an, da wird<br />

man umdenken müssen. Man muss bereit sein,<br />

über seinen Schatten zu springen. <strong>Die</strong> Frage nach<br />

dem Höherstau des Rheins zum Beispiel wird<br />

sich stellen oder ob man Windräder will oder<br />

Solar zellen auf den Dächern. Vielleicht findet<br />

man das im ersten Moment nicht so schön anzusehen,<br />

aber man gewöhnt sich womöglich ja auch<br />

daran.<br />

Käslin: Ich bin froh, wenn Sie jetzt sagen,<br />

dass sich auch die Naturschützer hinterfragen<br />

müssen.<br />

Bänziger: Auf jeden Fall, aber das gilt für alle.<br />

Wie kommt man denn zum Umdenken?<br />

Bänziger: Es braucht Anreize. Das sieht man in<br />

Deutschland, wo es eine gute Einspeisevergütung<br />

gibt. In Deutschland hat sich diesbezüglich enorm<br />

viel getan.<br />

Käslin: Es gibt ja auch einen Markt für grünen<br />

Strom. Und es ist sicher richtig, wenn die Verbraucher<br />

entscheiden können, was sie wollen, und<br />

vielleicht auch bereit sind, mehr auszugeben für<br />

Ökostrom. Aber wenn es der Staat subventionieren<br />

soll, ist das der falsche Weg.<br />

Bänziger: Aber Anreize zu schaffen, wäre sicher<br />

richtig. Wir dürfen nur nicht sagen, wir sind eh zu<br />

klein und können nichts machen. <strong>Die</strong>se neuen<br />

Technologien bringen ja auch Arbeitsplätze. Ausserdem<br />

müssen wir uns auch wieder etwas mehr<br />

bescheiden.<br />

Käslin: Damit habe ich kein Problem, solange<br />

es eine individuelle Entscheidung ist.<br />

Wie sieht es aus mit dem demografischen<br />

Problem? Schaffhausen hat eine starke Überalterung.<br />

Wie bekommen wir das in den Griff?<br />

Käslin: Überalterung ist vor allem ein Problem<br />

von mangelnden Arbeitsplätzen. Denn schliesslich<br />

gehen die Leute dahin, wo sie Arbeit finden.<br />

Leider ist unsere Verkehrsinfrastruktur schlecht.<br />

Es ist mühsam, nach Zürich zu pendeln. Wir sind<br />

eine Wohnstadt, das ist unser Problem. Wir bieten<br />

zu wenig Arbeitsplätze mit Anziehungskraft.<br />

Bänziger: Was es ausserdem noch braucht, sind<br />

mehr Ausbildungsplätze. Denn es fängt bei den<br />

Jungen an. Wenn sie die Ausbildungen nicht hier<br />

machen können, dann ziehen sie weg, für ein Studium<br />

zum Beispiel, und bleiben dann gleich dort.<br />

Immerhin werden Arbeitsplätze geschaffen, die<br />

Wirtschaftsförderung ist ja recht aktiv. Ausserdem<br />

müssen wir attraktiv bleiben für Familien.<br />

Käslin: <strong>Die</strong> Arbeitsplätze, die die Wirtschaftsförderung<br />

nach Schaffhausen holt, sind eigentlich<br />

die falschen. Es sind meistens Holdingfirmen, die<br />

vier bis fünf Juristen oder Ökonomen beschäftigen,<br />

die auch noch von auswärts kommen. <strong>Die</strong><br />

leben hier für zehn Jahre, in Stetten, wo es steuergünstig<br />

ist, und dann werden sie versetzt. Es sind<br />

sicher gut bezahlte Arbeitsplätze, die Steuersubstrat<br />

bringen, aber es sind keine Arbeitsplätze für<br />

Lehrabgänger. Und es handelt sich auch nicht um<br />

Firmen, die Lehrstellen anbieten. Darum sollten<br />

wir lieber Betriebe zu uns holen, die hier ihren<br />

Sitz haben und auch hier ausbilden. Und sobald<br />

Firmen kommen, kommt auch das Wachstum.<br />

Wo sind die Grenzen des Wachstums?<br />

Droht uns nicht die Zersiedelung? Laufen wir<br />

nicht Gefahr, dass es bei uns irgendwann<br />

aussieht wie in der Zürcher Agglomeration?<br />

Bänziger: Man wird es sicher steuern müssen.<br />

Fahren Sie einmal durch Stetten … Das Wachstum<br />

ist sicher nicht endlos.<br />

Käslin: Ich glaube, das dreht irgendwann von<br />

selbst. In einem zersiedelten Gebiet zu leben, ist<br />

ja nicht besonders attraktiv. Ich würde es dann<br />

vorziehen, in einer Stadtwohnung zu leben. Hier<br />

muss auch ein Umdenken stattfinden. Aber das<br />

braucht etwas Zeit. Als Gemeinde können wir das<br />

schlecht steuern.<br />

Was halten Sie von verstärkter Zusammenarbeit?<br />

Wie wäre es mit einer Fusion mit Neuhausen?<br />

Bänziger: Ich bin mir sicher, dass das kommt.<br />

Das würde absolut Sinn machen.<br />

Käslin: Aus finanzieller Sicht wäre es sinnvoll.<br />

Aber man müsste dann auch bereit sein, bei der<br />

Verwaltung ein paar Abstriche zu machen und<br />

Synergien zu nutzen. Eine Gemeindefusion muss<br />

aber immer von unten kommen.<br />

Bänziger: Ich denke, diese Einsicht wird schon<br />

irgendwann kommen. Man darf es aber sicher<br />

nicht von oben herab diktieren.<br />

Käslin: <strong>Die</strong> Leute merken auch langsam, dass<br />

man seine Identität bei einer Fusion nicht aufgibt.<br />

Dass man Neuhauser bleiben würde, auch wenn<br />

die Verwaltung in Schaffhausen sässe.<br />

Sie haben vorher einmal das Rheinufer erwähnt.<br />

Wie soll es in 20 Jahren aussehen?<br />

Bänziger: Ich hoffe, dass wir es schaffen, wieder<br />

an den Rhein zu kommen. Vielleicht werden wir<br />

die Strasse dann unten durch führen müssen.<br />

Es braucht aber sicher Zeit, bis wir hier eine<br />

Verbesserung erreichen. Denn die Sache wird<br />

teuer. Aber ich finde es richtig, wenn man dranbleibt.<br />

Käslin: Es ist auf jeden Fall viel zu teuer, um<br />

sofort etwas zu machen. Man muss das Rheinufer<br />

Stück für Stück verbessern. Es wird keine fixfertige<br />

Lösung geben.<br />

Bänziger: Man hat es ja beim Güterhof gesehen.<br />

Plötzlich gibt es eine Verbesserung, weil jemand<br />

den Mut hat, etwas zu tun. Das hatte eine Ausstrahlung<br />

auf andere, es hat eine Sogwirkung<br />

gegeben.<br />

Käslin: Aber eine Rheinuferstrategie, wie sie<br />

dem Stadtrat vorschwebt, mit einem genauen<br />

Zeitplan, wann man wo sein will, das wird wahrscheinlich<br />

nicht funktionieren. Einfach weil es aus<br />

finanziellen Gründen nicht machbar sein wird.<br />

Wie sieht Schaffhausen in 25 Jahren aus?<br />

Bänziger: Ich hoffe, es gibt eine gute Stimmung.<br />

Dass wir genug Arbeitsplätze und eine gute Infrastruktur<br />

haben, sodass es allen wohl ist.<br />

Esther Bänziger<br />

«Es muss sich in den Köpfen<br />

von vielen Leuten etwas tun.<br />

Ich spreche hier auch den<br />

Heimat- und den Landschafts-<br />

schutz an, da wird man<br />

umdenken müssen.<br />

<strong>Die</strong> Frage nach dem Höherstau<br />

des Rheins zum Beispiel<br />

wird sich stellen oder ob<br />

man Windräder will oder<br />

Solarzellen auf den Dächern»<br />

Käslin: Man wird schneller in Zürich sein, aber<br />

es wird keine riesigen Veränderungen geben.<br />

Eher punktuelle Verbesserungen.<br />

Wir haben jetzt über viele kritische Punkte<br />

gesprochen. Aber was gefällt Ihnen an<br />

Schaffhausen?<br />

Bänziger: Das kulturelle Angebot in einer intakten<br />

Landschaft.<br />

Käslin: Das Heimelige. Das Gesamtpaket. Mit<br />

Munot, dem Rhein und der Altstadt.<br />

Zu den Namen<br />

Esther Bänziger: <strong>Die</strong> 1951 in Schaffhausen geborene<br />

Esther Bänziger gehörte während gut<br />

17 Jahren dem Grossen Stadtrat an. 1988<br />

wurde sie für die SP ins Stadtparlament gewählt.<br />

<strong>Die</strong> Lehrerin präsidierte unter anderem<br />

die Geschäftsprüfungskommission des Grossen<br />

Stadtrates. Auch nach ihrem Rücktritt aus<br />

dem Parlament Anfang 2006 ist sie weiterhin<br />

im Vorstand der städtischen SP vertreten.<br />

Fabian Käslin: 2008 wurde Fabian Käslin in den<br />

Grossen Stadtrat gewählt, dem er während<br />

zweier Jahre angehörte. Der heute 24­Jährige<br />

präsidierte die Schaffhauser Jungfreisinnigen<br />

und setzte sich besonders für Steuersenkungen<br />

ein. Anfang 2011 trat er aus dem Parlament<br />

zurück, weil ihn bei einem Sprachaufenthalt<br />

Amors Pfeil getroffen hatte. Mit seiner<br />

Verlobten lebt er zurzeit in Kolumbien.


WIR ROTIEREN FÜR SIE<br />

…und für die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>», denen wir<br />

zu ihrem 150-Jahr-Jubiläum ganz herzlich gratulieren.<br />

Für eine erfolgreiche Zukunft sprechen wir nicht nur<br />

gute Wünsche aus, sondern werden uns im Bereich<br />

des Rotationsdrucks auch weiterhin mit Mensch und<br />

Maschine dafür starkmachen.<br />

Z D<br />

S<br />

ZEITUNGSDRUCK<br />

SCHAFFHAUSEN AG<br />

Ebnatstrasse 170<br />

8207 Schaffhausen<br />

Telefon 052 633 34 35<br />

Telefax 052 633 34 04<br />

www.zds.ch<br />

verkauf@zds.ch


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Politik 41<br />

Bild Rolf Wessendorf<br />

Der Schaffhauser Stadtrat – hier noch in der Zusammensetzung Vero Heller, Kurt Schönberger,<br />

Marcel Wenger, Thomas Feurer und Urs Hunziker sowie Stadtschreiber Karl Schlatter im<br />

Hintergrund – tagt noch in altehrwürdigen Räumen. Seine Aufgaben haben sich allerdings<br />

in den letzten 150 Jahren tiefgreifend gewandelt.


SCHA<br />

ZO AG<br />

SCHAFFHAUSER<br />

ZUSTELLORGANISATION<br />

Wir gratulieren!<br />

Wir und 350 Kolleginnen und Kollegen sind von Montag bis Sonntag fürSieunterwegs!<br />

<strong>Die</strong> Scha�auser Zustellorganis�on gratuliert den Scha�auser<br />

<strong>Nachrichten</strong> recht herzlich zum 150. Jubiläum.<br />

Für die Zukun� wünschen wir dem ganzen Team weiterhin alles<br />

Gute und viele hervorragende und spannende Geschichten.<br />

A1271401


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Politik 43<br />

Der grosse Zielkonflikt<br />

von karl hotz<br />

Schaffhausen will wachsen, denn die Zeit der Neunzigerjahre mit Stagnation oder gar Schrumpfen ist noch<br />

in schlechter Erinnerung. Dabei stellt sich die Frage, wo und wie wir überhaupt noch wachsen können.<br />

Wenn wir versuchen, uns zu erinnern,<br />

wie es denn bei uns vor 25 Jahren aussah,<br />

müssen wir uns schon anstrengen<br />

– zumindest dann, wenn wir uns die Details vor<br />

Augen halten wollen. Da wälzte sich der Nord­<br />

Süd­Verkehr noch durch die Bachstrasse, denn<br />

der A4­Tunnel war erst gerade im Bau. Und am<br />

Obertor standen vor den Lichtsignalen noch lange<br />

Autoschlangen, denn Kreisel wurden in Schaffhausen<br />

damals noch nicht gebaut. Dafür konnten<br />

wir noch auf dem Herrenacker parkieren, denn<br />

der schon damals längst geplante Bau des Parkhauses<br />

würde noch mehr als ein Jahrzehnt auf<br />

sich warten lassen. Und wie genau sah das Landhaus<br />

aus, das damals noch dort stand, wo jetzt<br />

hinter dem Bahnhof der grosse Büro­ und Wohnbau<br />

steht?<br />

Auch gewisse Zonen auf der Landschaft haben<br />

sich rasant verändert. Wer weiss denn noch, wie<br />

viele Wohnhäuser vor 25 Jahren in Stetten standen?<br />

Und der heute bald vollständig überbaute<br />

Hang zwischen den alten Arbeiterhäusern in der<br />

Enge und Beringen war damals fast völlig grün.<br />

Auf der anderen Seite gibt es auch die kleinen<br />

Dörfer in Randlagen, wo wir – wahrscheinlich nur<br />

subjektiv – das Gefühl haben, es habe sich dort<br />

überhaupt nichts verändert: Bargen, Beggingen,<br />

Buch oder Trasadingen sind Beispiele dafür.<br />

Wir wollen wachsen<br />

Erstaunlich an diesen und vielen anderen Veränderungen<br />

in unserem Kanton ist eines: Der<br />

Wandel fand statt, obwohl die Einwohnerzahlen<br />

von Stadt und Kanton sich zumindest in den ersten<br />

20 dieser 25 Jahre kaum verändert haben. Erst<br />

in den letzten Jahren setzte wieder ein zaghaftes<br />

Wachstum ein. Das ganz im Gegensatz zu unseren<br />

Nachbarkantonen: Sowohl in Zürich wie auch<br />

im Thurgau sind die Einwohnerzahlen gestiegen.<br />

Was das bedeutet, sieht jeder, der durch die Landschaft<br />

fährt. Gewisse Regionen im Kanton Zürich<br />

– etwa das Glattal, das Zürcher Oberland und das<br />

Säuliamt – haben sich als Folge dieses Wachstums<br />

noch viel stärker verändert als selbst die wachstumsträchtigsten<br />

Orte in unserem Kanton.<br />

In fast allen politischen Kreisen in Schaffhausen<br />

ist man sich darüber einig, dass der Kanton<br />

weiter wachsen soll – man fürchtet, sonst gegenüber<br />

den prosperierenden Nachbarkantonen ins<br />

Hintertreffen zu geraten und nicht zuletzt in<br />

steuerlicher Hinsicht unattraktiv zu werden. Mit<br />

der Wirtschafts­ und der Wohnbauförderung –<br />

vor 25 Jahren dachte man noch nicht im Traum an<br />

derartige Institu tionen – wird erfolgreich versucht,<br />

Gegensteuer zu geben. Das Gleiche gilt im Ver­<br />

Wachsen ist der Lauf der Dinge: Gras,<br />

Bäume und Kinder wachsen. Der Wohlstand,<br />

das Bruttoinlandsprodukt und<br />

auch Dörfer und Städte. Wachstum ist überall.<br />

Manche sagen: Jetzt ist genug. Nicht Schaffhausen<br />

zubetonieren! Stopp der Zersiedelung und des<br />

Wachstums!<br />

Nur: Unser Wachstum ist hausgemacht. Jeder<br />

Schaffhauser braucht rund 40 m 2 Wohnfläche. Das<br />

ist beinahe doppelt so viel wie vor einer Generation.<br />

Ähnlich steigen der Energieverbrauch, die<br />

Mobilität. Alle wollen Wachstum, mehr Wohlstand<br />

und mehr Raum – aber die Folgen des Wachstums<br />

tragen, das nicht! Trotzdem schränkt sich niemand<br />

ein. Nicht einmal Wachstumskritiker.<br />

Deshalb ist Umdenken gefragt. Verdichtetes<br />

Bauen. Bauen in die Höhe. Bauen auf Freiflächen<br />

innerhalb von bebautem Gebiet. Attraktive Hochhäuser:<br />

Auf Bahnarealen, alten Industriegeländen<br />

und bisherigen Tabu­Gebieten. Siehe www.citywestchur.ch.<br />

Was Chur kann, kann auch Schaffhausen.<br />

Denn Hochhäuser verhindern heisst Förderung<br />

des Agglo­Breis.<br />

Wachstum heisst qualitative Erneuerung.<br />

Heisst Innovation bei Wohnformen und Energieverbrauch.<br />

Den Wohlstand will keiner hergeben.<br />

Darum: Wachstum in Zentren verhindert Zersiedelung,<br />

erhält die Natur und sichert die vorhandene<br />

Infrastruktur.<br />

Übrigens: Auch Einsichten können wachsen!<br />

Thomas Holenstein<br />

Wirtschaftsförderer<br />

Stadt und Land (beispielsweise Buch, Bild oben) wachsen. Bilder Ulrich Schweizer/Antonios Palaskas<br />

kehrsbereich. <strong>Die</strong> A4 ist nach langen Bemühungen<br />

zumindest im nördlichen Teil des Weinlandes<br />

vierspurig geworden. <strong>Die</strong> S­Bahn nach Zürich<br />

wird auch endlich spruchreif, nachdem in den<br />

Achtzigerjahren Regierung und Grosser Rat sich<br />

noch einig waren, man wolle keinen engen Anschluss<br />

an den Zürcher Verkehrsverbund. Noch<br />

in diesem Sommer sollen zudem am Galgenbuck,<br />

dessen Untertunnelung während Jahrzehnten<br />

nur in den Träumen der Verkehrsplaner herumgegeistert<br />

war, die Bagger auf fahren.<br />

Nur zu einem kleinen Teil liegt das Schaffhauser<br />

Blauburgunderland auf städtischem<br />

Boden oder an einem Fluss: die Weinberge<br />

von Stein am Rhein, die Reben am Heerenberg,<br />

am Munot und am Stokarberg in der Stadt Schaffhausen.<br />

Der Grossteil der Rebberge liegt auf dem<br />

Land, im Klettgau, und nicht – nicht mehr – am<br />

Rhein. Das Schaffhauser Blauburgunderland als<br />

Ganzes ist jedoch immer im Fluss: Immer wieder<br />

erneuert es sich und macht positiv auf sich aufmerksam.<br />

Was hier fliesst, ist Wein. Guter Wein,<br />

in der letzten Zeit von Jahr zu Jahr besserer Wein<br />

– nicht Wasser.<br />

Das Blauburgunderland ist am Lernen, das<br />

Gemeinsame zu suchen und innovativ die Zukunft<br />

zu gestalten, Gäste zu begeistern, indem wir<br />

unsere Geschichten erzählen. Das Miteinander<br />

haben wir gelernt: Im Vinorama am Herrenacker<br />

in der Stadt finden sich alle Schaffhauser Weine,<br />

in der Vinothek von Hallau, auf dem Land, die<br />

Hallauer. Ich freue mich über die vielen Ideen, die<br />

auf dem Land am Gären und in der Umsetzung<br />

sind – von der Trotte in Osterfingen über die<br />

Weinwelt Wilchingen bis zum Schlafen im Fass.<br />

Meine Hoffnung für eine gute Zukunft unserer<br />

Region wächst. Bleiben wir dran, miteinander.<br />

Rücken wir zusammen. Das gilt auch für das Miteinander<br />

von Stadt und Land. Ich freue mich, wenn<br />

wir in diesem Sinne im Fluss bleiben, und stosse<br />

mit einem guten Schaffhauser Wein darauf an.<br />

Erich Gysel<br />

Präsident Branchenverband Schaffhauser Wein<br />

<strong>Die</strong> erwähnten Beispiele aus dem Kanton Zürich<br />

zeigen aber, dass Wachstum nicht ohne Folgen<br />

bleibt. Was das für den Kanton Schaffhausen bedeuten<br />

könnte, weiss niemand genau.<br />

Zwiespältige Haltung zur Veränderung<br />

<strong>Die</strong> Einstellung zu den sehr moderaten Wachstumsplänen<br />

der Regierung – niemand spricht von<br />

Tausenden neuer Einwohner – ist deshalb sehr<br />

zwiespältig. Einerseits beklagen sich Landgemeinden<br />

immer wieder, die Förderungsmassnahmen<br />

Mit den «Leuchttürmen» Rheinfall, Schaffhausen,<br />

Stein am Rhein und Blauburgunderland<br />

hat das Schaffhauserland alle<br />

Voraussetzungen und Möglichkeiten, eine äusserst<br />

attraktive Tourismus­Region zu sein. Es gilt,<br />

diese Möglichkeiten zu nutzen, die Chance zu<br />

packen und unsere Geschichten vor allem ausserhalb<br />

von Schaffhausen zu erzählen. Davon profitieren<br />

unsere Gäste und die Bewohner.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nstleistungen und Angebote des gemeinsamen<br />

Unternehmens Schaffhauserland<br />

Tourismus/Schaffhauser Blauburgunderland werden<br />

rege genutzt. Dass Menschen Geschichten erleben<br />

möchten, bestätigt auch die immer grösser<br />

werdende Nachfrage nach dem vielfältigen Angebot<br />

von Führungen und Weinerlebnissen verschiedenster<br />

Art, sei es in der Stadt, auf dem Land<br />

oder auf dem Fluss, an Bord eines Rheinschiffs.<br />

Wir verfügen über eine intakte Natur­ und Flusslandschaft,<br />

das soll auch in Zukunft so bleiben!<br />

Damit der Erfolg auch zukünftig nicht ausbleibt<br />

und die Region wirtschaftlich profitiert,<br />

müssen neue und innovative Ideen umgesetzt und<br />

verwirklicht werden. Es braucht den Willen dazu<br />

und den Mut innovativer Unternehmer, Investitionen<br />

zu tätigen – auch in Bauten. Dabei sollen<br />

aber nicht hässliche Klötze aufgestellt werden,<br />

sondern für unsere Landschaft verträgliche und<br />

eingepasste Gebäude. Geben wir unserer Zukunft<br />

eine Chance – wir glauben fest an sie!<br />

Beat Hedinger<br />

Direktor Schaffhauserland Tourismus<br />

bevorteilten den «Speckgürtel» Thayngen–Schaffhausen–Beringen,<br />

anderseits sind es immer<br />

wieder gerade ihre Einwohner, die den Bemühungen<br />

skeptisch gegenüberstehen, in ihren Dorfkernen<br />

verdichtetes Bauen zuzulassen. Wenn<br />

man befürchtet, die ohnehin schrumpfenden<br />

Grünflächen könnten noch mehr zurückgehen,<br />

und dann mit sehr viel Skepsis reagiert, wenn die<br />

Regierung darüber nachdenkt, die Schaffung<br />

neuer Bauzonen von genügender Erschliessung<br />

mit dem öffentlichen Verkehr abhängig zu machen,<br />

ist das nur ein anderes Beispiel für die ambivalenten<br />

Gefühle, mit denen man dem Wachstum<br />

gegenübersteht.<br />

Wir haben am Anfang dieses Artikels einen<br />

kurzen Rückblick auf markante Veränderungen<br />

der letzten 25 Jahre gehalten. Macht man das<br />

Umgekehrte und versucht sich vorzustellen, wie<br />

es in 25 Jahren aussieht, wird die Sache sehr kompliziert.<br />

Werden im Klettgau als Folge der guten<br />

Verkehrserschliessung mit der S­Bahn und dem<br />

Galgenbucktunnel noch viel mehr Grünflächen<br />

verschwunden sein? Oder werden in den Dorfkernen<br />

als Folge des verdichteten Bauens überall<br />

4­ und 5­stöckige Wohnblocks stehen, wie sie im<br />

Moment im Westen des Zentrums von Beringen<br />

entstehen? Wird in der Stadt die heute grüne vordere<br />

Breite zu einem Zentrum urbanen Wohnens<br />

geworden sein (was immer auch das genau bedeuten<br />

mag)? Ist der Untere Klettgau durch einen<br />

weiteren Strassentunnel direkt an Eglisau/Rafz<br />

angeschlossen und damit zu einem Vorort von<br />

Zürich geworden?<br />

<strong>Die</strong> Fragen sind müssig. Vieles von dem, was<br />

heute in der Landschaft steht, hat man sich vor<br />

25 Jahren auch nicht so vorgestellt. Aber wie<br />

immer auch die Veränderungen sein werden:<br />

Der Zielkonflikt zwischen dem Wunsch, zu wachsen<br />

– wir alle tragen mit unseren Ansprüchen<br />

nach mehr und besserem Wohnraum, besseren<br />

Verkehrsanschlüssen und so weiter übrigens<br />

dazu bei –, und dem Bedürfnis, in unserem glücklicherweise<br />

noch sehr grünen Kanton natürliche<br />

Lebensräume zu erhalten, wird zunehmen. Wie<br />

ebenfalls eingangs erwähnt, besteht dieser Zwiespalt<br />

auch, wenn der Kanton nicht wächst, wie die<br />

Vergangenheit bewiesen hat.<br />

Wir haben darum vier Persönlichkeiten aus<br />

dem Kanton, die sich von Amtes wegen mit der<br />

Zukunft und der Entwicklung unserer Region befassen,<br />

um vier kurze Ausblicke gebeten – nicht<br />

gerade für 25 Jahre, denn so weit kann niemand<br />

voraussehen, aber zumindest was die grossen<br />

Entwicklungslinien und ­schwerpunkte betrifft.<br />

Ihre Stellungnahmen finden Sie unten.<br />

Wie soll sich der Kanton Schaffhausen<br />

weiterentwickeln? Ist etwa das strategische<br />

Ziel der Regierung richtig, dass<br />

bis zum Jahr 2020 die Einwohnerzahl von heute<br />

76 000 auf 80 000 ansteigen soll? <strong>Die</strong> Frage nach der<br />

Grenze des Wachstums ist nicht nur global und<br />

schweizweit, sondern auch hier bei uns zentral. Mit<br />

einer klugen und auf Nachhaltigkeit ausgerichteten<br />

Politik schaffen wir es, der Nachfrage nach<br />

attraktivem Wirtschafts­ und Wohnraum einerseits<br />

und dem Bedürfnis der Menschen nach einer<br />

intakten Kultur­ und Naturlandschaft andererseits<br />

Rechnung zu tragen. So gibt es auch bei uns geeignete<br />

Standorte, um in die Höhe zu bauen. In den<br />

unteren Etagen künftiger Schaffhauser Tower<br />

gibt es elegante Büros, und in den luftigen Höhen<br />

richten wir trendige Wohnungen ein. Verdichtetes<br />

Bauen himmelwärts gewissermassen.<br />

Übrigens wird dabei weder die Länge noch die<br />

Breite unseres multifunktionalen Rheins beeinträchtigt.<br />

Etwas höher allerdings dürfte unser<br />

freundlicher Fluss schon gestaut werden. Denn<br />

damit könnte er uns noch mehr von seiner wertvollen<br />

Energie spenden. Wetten, dass es den<br />

Fischen und Vögeln egal ist. Und wetten, dass<br />

Schaffhauser Glück und Wohlstand heute und in<br />

Zukunft eher generiert werden, indem wir unser<br />

paradiesisches Potenzial fantasievoll nutzen, und<br />

nicht, indem wir uns mit Mutlosigkeit selbst ins<br />

Abseits manövrieren.<br />

Ernst Landolt<br />

Regierungsrat


4412Politik Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

50-mal «Typisch wir!»<br />

50 Gemeinden zählt die Region Schaffhausen samt den angrenzenden Gebieten der Kantone Zürich und Thurgau.<br />

Vieles haben diese Gemeinden gemeinsam – und doch ist jede anders. Ob klein, ob gross: <strong>Die</strong> Gemeinden sind zu Recht stolz auf ihre<br />

Eigenheiten, denn nicht umsonst werden diese Gemeinwesen als Keimzelle des schweizerischen Föderalismus betrachtet.<br />

Wir haben die 50 Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten deshalb gebeten, unter dem Stichwort «Typisch wir!» das Spezielle<br />

an ihrer Gemeinde zu schildern. Herausgekommen ist ein Bilderbogen – so bunt wie die Region nördlich und südlich des Rheins.<br />

erich Graf<br />

1<br />

Bargen<br />

<strong>Die</strong> Gemeinde Bargen überzeugt<br />

als Kleinstgemeinde mit<br />

viel Sonne und familiärem Zusammenhalt<br />

im Dorf. In den nächsten Tagen ist<br />

insbesondere das Naturschutzgebiet Tannbühl<br />

mit Hunderten von Orchideen einen Besuch wert.<br />

mike schneider<br />

2<br />

Beggingen<br />

Den Bewohnern des idyllischen<br />

Dorfs im Randental wird<br />

Eigensinn nachgesagt. Wir sind<br />

jedoch aufgeschlossen und gastfreundlich. Das<br />

Dorf pulsiert und lebt, vergleichbar mit kaum<br />

einer anderen Gemeinde dieser Grösse.<br />

hansruedi schuler<br />

3<br />

Beringen<br />

Beringen als einer der Entwicklungsschwerpunkte<br />

der<br />

Region steht Veränderungen<br />

positiv gegenüber und ist offen für ein qualitatives<br />

Wachstum. Trotzdem vergessen wir auch unsere<br />

Wurzeln nicht und pflegen unsere Traditionen.<br />

rudolf tappolet<br />

4<br />

Buch<br />

<strong>Die</strong> Gemeinde Buch wünscht<br />

zum Jubiläum alles Gute. Wir<br />

hoffen, dass die Zeitung auch<br />

in Zukunft möglichst viele gute und, wenn es sein<br />

muss, auch andere <strong>Nachrichten</strong> unserer Bevölkerung<br />

vermitteln wird.<br />

hanspeter kern<br />

5<br />

Buchberg<br />

Typisch: <strong>Die</strong> Lage über einer<br />

der schönsten Rheinlandschaften,<br />

die beliebte Hochzeitskirche<br />

Buchberg-Rüdlingen, von wo aus man ins Weinland<br />

und in den Hegau blickt, die alten Linden, das<br />

neue Gattersagimuseum und der süffige Wein.<br />

heinz brütsch<br />

6<br />

Büttenhardt<br />

Klein, aber oho: Büttenhardt<br />

ist die höchstgelegene Gemeinde.<br />

Darum hat man einen<br />

Rundblick von den Berner bis zu den bayrischen<br />

Alpen. Fazit: Wer die Welt sehen will, kommt nach<br />

Büttenhardt.<br />

pentti aelliG<br />

7<br />

Dörflingen<br />

Typisch für die einzige Reiat-<br />

Gemeinde mit Rheinanstoss<br />

sind die Uferlandschaft der<br />

Laag sowie Wanderwege mit herrlicher Alpensicht.<br />

Typisch sind auch der sparsame und weitsichtige<br />

Umgang mit den Finanzen und einer der<br />

tiefsten Steuerfüsse des Kantons.<br />

kurt salvisberG<br />

8<br />

hans schwaninGer<br />

9<br />

werner pfistner<br />

10<br />

stefan straub<br />

11<br />

fredy kaufmann<br />

12<br />

erwin bührer<br />

13<br />

erich tanner<br />

14<br />

Gächlingen<br />

Wir liegen idyllisch mitten im<br />

Klettgau. <strong>Die</strong> Landwirtschaft<br />

und der Rebbau – mit dem bekannten<br />

«Gächlinger Räcketorn» – sind nach wie<br />

vor wichtig. Ein Neubaugebiet soll helfen, die Einwohnerzahl<br />

von knapp 800 zu steigern.<br />

Guntmadingen<br />

<strong>Die</strong> kleinste Gemeinde hat<br />

trotzdem eine Vielzahl einzigartiger<br />

Besonderheiten, wie<br />

das schweizweit einzige Pflugmuseum, einen Erzweg<br />

mit Karrengeleisen von nationaler Bedeutung<br />

und insbesondere die zahlreichen Pferde.<br />

Hallau<br />

Der grosse Rebberg und die<br />

weit herum sichtbare Bergkirche<br />

St. Moritz sind Anziehungspunkte.<br />

Zur Umgebung gehört der Hallauer<br />

Berg mit dem einmaligen Ausblick über den Klettgau<br />

bis zum Randen und zum Schwarzwald!<br />

Hemishofen<br />

<strong>Die</strong> Perle am Rhein: Hemishofen<br />

alias Hammingeshoven<br />

feiert am 27./28. August 2011<br />

sein 900-Jahr-Jubiläum. Eingebettet im Grünen<br />

zwischen Wolkenstein, Rebberg und Rhein, hier<br />

soll’s Alt und Jung wohl sein.<br />

Löhningen<br />

Natürlich im Klettgau! Wir<br />

1350 Einwohner leben am Südfuss<br />

des Randen, geniessen die<br />

Nähe zur Natur, das schöne Ortsbild, die alte Spitaltrotte,<br />

den tiefen Steuerfuss und feiern am<br />

Trottenfest mit unserem Riesling-Silvaner.<br />

Lohn<br />

Als attraktive Wohngemeinde<br />

bietet Lohn eine gute Infrastruktur,<br />

will das Schulangebot<br />

im Dorf erhalten, wenn nötig in Zusammenarbeit<br />

mit Nachbargemeinden, und die Steuerattraktivität<br />

beibehalten bzw. ausbauen.<br />

Merishausen<br />

Ob man von Norden oder von<br />

Süden her nach Merishausen<br />

fährt, man sieht, dass im Dorf<br />

etwas geht, es wird etwas bewegt, es wird gebaut,<br />

sowohl am Dorfrand als auch im Dorfkern. <strong>Die</strong><br />

Nähe zur Stadt Schaffhausen ist ein wichtiger<br />

Standortvorteil.<br />

stephan rawyler<br />

15<br />

Neuhausen a. Rhf.<br />

<strong>Die</strong> wirtschaftliche Basis hat<br />

sich dank neuer Firmen verbreitert,<br />

die viele interessante<br />

Arbeitsplätze anbieten. Wir verfügen über familienfreundliche<br />

und ruhige Wohngebiete. Prägend<br />

ist der Rheinfall als einmaliges Naturereignis.<br />

franz ebnöther<br />

16<br />

Neunkirch<br />

Neunkirch: Wo sich Geschichte<br />

und Zukunft treffen. Eines der<br />

ältesten Landstädtchen der<br />

Schweiz mitten im Herzen des Klettgaus. <strong>Die</strong> hohe<br />

Wohn- und Lebensqualität mit moderner Infrastruktur<br />

wird von Jung und Alt geschätzt.<br />

hansueli Graf<br />

Oberhallau<br />

Wir stehen zusammen und<br />

sind füreinander da. «Pro Bergrennen<br />

Oberhallau», «Dorfladen<br />

Genossenschaft Oberhallau» und der «Verein<br />

mitenand» sind gute Beispiele dafür. Oberhallau<br />

ist einzigartig.<br />

26<br />

10<br />

17<br />

27<br />

17<br />

21<br />

8<br />

16<br />

22<br />

2<br />

12<br />

38<br />

eveline köniG moser<br />

18<br />

Ramsen<br />

<strong>Die</strong> Stichworte Kindergarten,<br />

Schule, Sportanlage, Schwimmbad,<br />

Altersheim, Einkaufsmöglichkeiten,<br />

Bank, Post, aktives Vereinsleben, Bauland<br />

zu erschwinglichen Preisen, die älteste Eiche<br />

im Kanton sagen schon fast alles.<br />

katharina leuteneGGer<br />

19<br />

Rüdlingen<br />

Ein schönes Ortsbild in einer<br />

einmaligen natürlichen Flusslandschaft.<br />

Eine kleine Gemeinde,<br />

die sich ihrer Qualitäten bewusst ist und<br />

darum umso bewusster mitdenkt bei den heutigen<br />

Herausforderungen.<br />

thomas feurer<br />

Schaffhausen<br />

Schaffhausen brilliert mit seiner<br />

fantastischen Altstadt direkt<br />

am Rhein. Weltoffen und<br />

sorgfältig entwickeln wir<br />

unsere Kultur und Naturlandschaft weiter. Dabei<br />

sind Nachhaltigkeit und Lebensqualität unsere<br />

Markenzeichen.<br />

9<br />

5<br />

19<br />

3<br />

1<br />

14<br />

20<br />

20<br />

15 32<br />

39<br />

30<br />

6<br />

34<br />

35<br />

24<br />

31<br />

29<br />

13<br />

28<br />

33<br />

Büsingen<br />

40<br />

48<br />

25<br />

7<br />

37<br />

45<br />

41<br />

Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Politik 45<br />

hans rudolf stamm<br />

21<br />

matthias peter<br />

22<br />

Siblingen<br />

Siblingen – das Randendorf.<br />

Entspannte Ruhe und gleichzeitig<br />

die Nähe zur Stadt, familienfreundlich,<br />

bewahrend, aber offen für Neues,<br />

gehaltvolle Weine – kurz: ein Dorf für ein genussvolles<br />

Leben.<br />

franz hostettmann<br />

23<br />

Stein am Rhein<br />

Rhein, Altstadt und im Rücken<br />

der Klingenberg mit der Burg,<br />

alles gepaart mit viel Kultur.<br />

Ein viel besuchter Ort mit hoher Lebensqualität<br />

und viel Schönem, was Herz und Seele erfreut –<br />

über den Alltag hinaus.<br />

susanne wunderli-koch<br />

24<br />

Stetten<br />

Stetten – eine moderne, junge,<br />

attraktive und steuergünstige<br />

Wohngemeinde in unmittelbarer<br />

Stadtnähe und herrlicher Höhenlage in<br />

einem intakten und schönen Erholungsgebiet und<br />

mit dem Schloss Herblingen als Markenzeichen.<br />

bernhard müller<br />

25<br />

Schleitheim<br />

Viel Sonne, wenig Nebel; Dorfbach<br />

mit Blumenschmuck oder<br />

Winterdekoration; verkehrsarm<br />

und trotzdem gut erschlossen, intakte Landschaft,<br />

Schlaatemer Rickli, vielseitige Sportanlagen,<br />

gute Infrastruktur, vorzügliche Wohnlage.<br />

Thayngen<br />

Thayngen mit den Ortsteilen<br />

Altdorf, Barzheim, Bibern, Hofen<br />

und Opfertshofen hat 5000<br />

Einwohner und rund 2000 Arbeitsplätze. <strong>Die</strong> Vielseitigkeit<br />

in den Bereichen Wohnen, Arbeiten,<br />

Schulen und Verkehrsanbindungen ist ein Trumpf.<br />

alois hauser<br />

Trasadingen<br />

Trasadingen, das typische<br />

Wein- und Grenzdorf, kennen<br />

viele nur vom Durchfahren.<br />

Der alte Dorfkern liegt neben der Hauptstrasse<br />

südlich des Rebhanges. Ein Abstecher von der<br />

Hauptstrasse lohnt sich. Schauen Sie mal vorbei.<br />

44<br />

43<br />

4<br />

42<br />

36<br />

26<br />

18<br />

50<br />

11<br />

23<br />

46<br />

hans rudolf meier<br />

ueli frauenfelder<br />

28<br />

Andelfingen<br />

<strong>Die</strong> Andelfinger sind stolze<br />

Bewohner eines ehemaligen<br />

Mühlendorfes und Besitzer<br />

eines markanten Schlosses. Ausbildungszentrum,<br />

Sporthalle, Schwimmbad gehören zu Andelfingen<br />

wie die grosse Kirche mit ihrem hohen Turm.<br />

verena strasser<br />

29<br />

Benken<br />

«Gang äwäg – ich bi vo Bänke»<br />

– das ist ein alter Marktspruch,<br />

der verwendet wurde, um auf<br />

dem Markt in Schaffhausen die besten Plätze zu<br />

ergattern. «Gang äwäg – ich bi vo Bänke» wirkte<br />

sehr gut – und hat sich darum erhalten.<br />

daniel meister<br />

30<br />

Dachsen<br />

Dachsen, wo die schönen Mädchen<br />

an den Bäumen wachsen,<br />

bietet seiner Bevölkerung<br />

dank der reizvollen Umgebung des Zürcher Weinlandes,<br />

der zeitgemässen Infrastruktur und dem<br />

breiten Kulturangebot eine hohe Lebensqualität.<br />

JürG Grau<br />

31<br />

Wilchingen<br />

In einer überschaubaren Dorfgemeinschaft<br />

zu leben und<br />

gleichwohl an den Infrastrukturen<br />

eines Regionalzentrums (Gewerbegebiet<br />

und Verkehrsknoten Unterneuhaus) teilzuhaben,<br />

gibt uns Wilchingern gute Zukunftsperspektiven.<br />

Feuerthalen<br />

Feuerthalen (mit Langwiesen)<br />

ist die nördlichste Gemeinde<br />

des Kantons Zürich. Seit über<br />

600 Jahren feiern wir in der Woche des 13. Januar<br />

den Hilari. Wir sind heute bevölkerungsmässig<br />

die grösste Gemeinde im Bezirk Andelfingen.<br />

47<br />

27<br />

andrÉ müller<br />

32<br />

Flurlingen<br />

Unsere kleine, aber feine, ruhige<br />

und intakte Gemeinde<br />

zählt zu den Hilari-Gemeinden<br />

mit ihrem speziellen Brauchtum, unter anderem<br />

mit der traditionellen Hilari-Budgetgemeindeversammlung<br />

Mitte Januar.<br />

49<br />

peter may<br />

33<br />

stephan dovÉ<br />

34<br />

barbara näGeli<br />

35<br />

martin farner<br />

36<br />

martin Günthardt<br />

37<br />

JürG siGrist<br />

38<br />

Gerhard Gsponer<br />

39<br />

thomas Gmür<br />

40<br />

Jolanda derrer<br />

41<br />

Kleinandelfingen<br />

Wir haben den steilsten Rebberg<br />

des Kanton Zürichs, den<br />

Schiterberg. Zusammen mit<br />

Andelfingen sind wir ein Siedlungsschwerpunkt<br />

im Zürcher Weinland mit verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten,<br />

mit Industrie und Gewerbe.<br />

Laufen-Uhwiesen<br />

Laufen-Uhwiesen beim bekannten<br />

Rheinfall besticht nicht nur<br />

mit den schönen Ortsteilen<br />

Laufen und Nohl, sondern auch mit den Rebbergen<br />

und der bevorzugten Wohnlage am Südhang<br />

des Kohlfirstes von Uhwiesen.<br />

Marthalen<br />

<strong>Die</strong> Gemeinde Marthalen mit<br />

Ellikon am Rhein liegt im Zentrum<br />

des Weinlandes und zählt<br />

rund 1950 Einwohner. <strong>Die</strong> guten Verkehrsanbindungen<br />

und das leistungsstarke Gewerbe zeichnen<br />

die Gemeinde als Wohn- und Arbeitsort aus.<br />

Oberstammheim<br />

Prächtige Riegelhäuser, sonnige<br />

Rebhänge, ausgedehnte<br />

Wälder, ergiebige Quellen,<br />

fruchtbare Böden, Spargel- und Tabakfelder, Wander-<br />

und Radwege, idyllische Seebadi, lauschige<br />

Gartenwirtschaften: Oberstammheim hat’s!<br />

Ossingen<br />

Ossingen ist die kleinste Energiestadt<br />

inmitten des Zürcher<br />

Weinlands. Aktiv und attraktiv<br />

für Jung und Alt, Gross und Klein, heute und<br />

erst recht morgen. Und alles andere zu unserer<br />

Gemeinde auf: www.ossingen.ch<br />

Rafz<br />

Rafz hat auch mit dem rasanten<br />

Wachstum seine Charaktereigenschaften<br />

bewahrt. <strong>Die</strong><br />

Veränderung fordert ein bewusstes und verständnisvolles<br />

Anpacken von Massnahmen, damit die<br />

intakte Gesellschaft beibehalten werden kann.<br />

Rheinau<br />

Nie waren wir ein typisches<br />

Weinländer Dorf. Immer dominiert<br />

durch übergeordnete<br />

Interessen – früher das Kloster, heute die kantonalen<br />

Institutionen –, wurden wir frühzeitig eine<br />

<strong>Die</strong>nstleistungsgemeinde in einer besonders reizvollen<br />

Landschaft.<br />

Trüllikon<br />

Trüllikon, Rudolfingen und<br />

Wildensbuch stehen für guten<br />

Wein, den schönen Aussichtsturm,<br />

den Gleitschirm-Startplatz Hamenberg,<br />

gute Restaurants, viel Feld und Wald, aber auch<br />

für zu viel Durchgangsverkehr in Trüllikon.<br />

Truttikon<br />

Unanständige 18 Jahre sind die<br />

SN älter als die junge Gemeinde<br />

Truttikon: Wir gratulieren der<br />

Zeitung herzlich zum Jubiläum! Typisch Truttikon?<br />

<strong>Die</strong> schönste Fernsicht in die Alpen und die<br />

edelsten Tropfen des Weinlands.<br />

martin schwaGer<br />

42<br />

kaspar reutimann<br />

43<br />

Unterstammheim<br />

Unterstammheim ist geprägt<br />

von Fachwerkbauten, der weiten<br />

Ebene mit markanten Hopfenstangen<br />

und den Rebbergen. <strong>Die</strong> Gemeinde<br />

bietet viel Wohnqualität und ist mit der S29 und<br />

zwei Postautolinien gut an den ÖV angebunden.<br />

Waltalingen<br />

Wer in Waltalingen wohnt, befindet<br />

sich im Grünen. <strong>Die</strong> Gemeinde<br />

mit den Schlössern<br />

Schwandegg und Girsberg bildet ein einziges<br />

Naherholungsgebiet mit Seen, Flüssen. Wäldern<br />

und Wiesen in nächster Umgebung.<br />

peter mathys<br />

44<br />

Basadingen<br />

1250 Jahre jung. Frisch belebt<br />

durch unser grosses Jubiläum<br />

bilden Basadingen und Schlattingen<br />

eine starke Gemeinschaft. Wir bieten ein<br />

naturnahes Leben in einer intakten Umgebung<br />

mit einer offenen und herzlichen Bevölkerung.<br />

walter sommer<br />

45<br />

<strong>Die</strong>ssenhofen<br />

… zum Thurgau gehörend, an<br />

Deutschland grenzend, nach<br />

Schaffhausen ausgerichtet. Das<br />

ist die «kompatible» Region <strong>Die</strong>ssenhofen am<br />

Rhein, dem Strom zu Europa, die ihre Eigenständigkeit<br />

mit Stolz, Liebe und Achtung trägt.<br />

claus ullmann<br />

46<br />

Eschenz<br />

Eschenz bietet mehr: <strong>Die</strong> idyllische<br />

Lage lädt zum Verweilen<br />

ein. Attraktiv am Übergang<br />

des Untersees zum Rhein gelegen, mit vielfältiger<br />

Natur und Landschaft und einer sehr guten Infrastruktur<br />

ist Eschenz eine ideale Wohngemeinde.<br />

anita dähler<br />

47<br />

Mammern<br />

Das idyllische Dorf am Untersee<br />

mit 600 Einwohnern, vereint<br />

in 20 Vereinen. Aktiv und<br />

engagiert. Reich an Natur, Kultur und Kulinarik,<br />

mit renommierter Klinik. Interessant und gastfreundlich.<br />

Ein Paradies für Sport und Erholung.<br />

kurt enGel<br />

48<br />

Schlatt<br />

Schlatt ist die westlichste und<br />

nördlichste Thurgauer Gemeinde:<br />

eine idyllische Gegend<br />

mit schöner Wohnlage und Natur pur. Innovatives<br />

Gewerbe und intakte Infrastruktur ergeben eine<br />

prosperierende Gemeinde. Schlatt ist das irdische<br />

Paradies mit einem Engel als Gemeindeammann.<br />

thomas baumGartner<br />

49<br />

Steckborn<br />

Am Untersee liegen viele<br />

schöne Gemeinden. Aber nur<br />

Steckborn hat ein Sommernachts-,<br />

ein Oktoberfest und ein<br />

Oldtimer-Bergrennen. Schauen Sie doch mal rein,<br />

und lernen Sie uns von der besten Seite kennen!<br />

harry müller<br />

50<br />

Wagenhausen<br />

Eindrücklich an Wagenhausen<br />

ist die Propstei am Rhein. Das<br />

Kloster Allerheiligen errichtete<br />

hier 1083 ein kleines Kloster. In unmittelbarer<br />

Nähe dazu liegt das älteste Trottengebäude des<br />

Kantons Thurgau, erbaut im Jahre 1548.


46 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

«Wir sind Schaffhausen»<br />

Alibi Boutique, Allianz Suisse Versicherungen, Altra Schaffhausen, AMAG Automobile, Amavita Apotheke, American Drugstore, Amsler <strong>Die</strong>ter Fotograf/Video,<br />

Arto Fashion, AWE Schaffhausen, Axa Winterthur Versicherungen, Axent Streetfashion, AZ Verlag, Bahnhof Apotheke, Bambi Spielwaren, Bank Coop, Basler<br />

Versicherungen, Benz Sport, Betz Wohn-/Bürodesign, Bogo Gemüse/Früchte, Bolz Mode, Boutique Apfelbaum, Brauerei Falken, Burg Inkasso, Büttiker Mathys<br />

Schausteller, Cafe Vordergasse, Cicconi Getränke, Chocolatier Müller, Clientis BS Bank, Compucollege, Coop Food, Coop City, Copy Center, Credit Suisse, Casino<br />

Schaffhausen, Data Quest, Decker Radio/TV, <strong>Die</strong> Mobiliar Versicherungen, <strong>Die</strong> Schweizerische Post, Dosenbach Schuhe, Dreher Maler, Dux Fashion Team,<br />

Dux Textilien, Eclipse Film, Licht FORMAT, Cuba Club, Ermatinger Zuckerbäckerei, Ersparniskasse, Ex Libris, Faccani Schuhe, Feurer Papeterie, Fielmann Brillen,<br />

Fix & Fein Catering, Foto Hunziker, Foto Lehmann, Franz Carl Weber, Fust AG, Galerie Mera, Gerry Weber Shop, Girasole Geschenke, Gretener Blumen,<br />

Handelsschule KVS, Hannibal Uhren/Schmuck, Herrenacker Parkhaus, Herren Globus, Herren Metzgerei, Heydecker Rechtsanwalt, Hotel Bahnhof, Hotel Sorell<br />

Rüden, Humm’s Reise-Confiserie, Import Parfumerie, Impuls Drogerie, Iseli + Albrecht, Isis Boutique, IWC Uhren, Kaufmännischer Verband, Kawo Hauswartungen,<br />

Kim Shop Spielwaren, Klaiber Baugeschäft, Kleidi Boutique, Kreatividee, KSS Sport-/Freizeitzentrum, Kuoni Reisen, Kuster Keramik, Oechslin Boutique, Lanter<br />

Goldschmid, Le Bamboo Geschenke, Le Depot Interio, Leder Locher, Lieblings Geschenke, Machart Papeterie, Mandelbaum Blumen, Magnolia Mode, Manor,<br />

Massimo Mode, Mc Optik, Mc Paperland, Meier Verlag/Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong>, Metro Boutique, Migros, Migros Bank, Pfister Möbel, MTF Schaffhausen,<br />

Müller Beck/Café, Müller Sanitär, Musikschule Altstadt, Musikschule MKS, Nile Trading Boutique, Oasana Massagen, Oekotrans Velokurier, Optik Knecht,<br />

Orlandi Uhren/Schmuck, Orovivo Schmuck, Park Casino, Park Treuhand, Pasito Schuhe, Pasta Pizza Daniele, PKZ Herrenmode, Zahnpraxis am Fronwagplatz,<br />

Radio Munot, Raiffeisenbank, Reber Confiserie, Reformhaus Tanne, Rent a Box, Restaurant Bahnhofbuffet, Restaurant Bambus, Restaurant Eckhaus, Restaurant<br />

Falken, Restaurant Santa Lucia, Restaurant zum alten Schützenhaus, Restaurant Tappas Bar Don Quijote, Richli Optik, Ritter Apotheke, RMR Reisen, Rohr<br />

Confiserie, Roost Augenoptik, Rössliriiti für Alli, Ruckstuhl Coiffure, Salon Anna, Sauter Radio/TV, Schaffhauserland Tourismus, Schaffhauser Bock, Schaffhauser<br />

Fernsehen, Schaffhauser Kantonalbank, Scheffmacher Maler, Schuhbecks Gewürze, Sobag Online, Spiel + Hobby, Sprachkurse Altstadt, Stamm’s Oenothek,<br />

Städtische Werke, Steidinger + Schwyn Stempel/Gravuren, Steiger Menswear, Swisscom Shop, Tauben Apotheke, Thalia Bücher, The Body Shop, The Cutting<br />

Room Hairstyling, Hairstyling, Tüscher Lebensmittel, UBS, Uhl Schmuck, Unterstadt Apotheke, Video World, Visilab Brillen, Viva Natura Bio Comestibles/Naturkosmetik,<br />

Volksapotheke Schaffhausen, Walder Schuhe, Wamo Reisen, Wegelin Privatbankiers, Weinhandlung<br />

Felsenkeller, Weltbild plus, Wirth Metzgerei, Wirtschaft zur<br />

Beckenburg, Becken burg, Zahner Chiropraktiker, Zambon & Harder Schausteller, Zurin Inneneinrichtung, Zigarren/Kiosk Dürr<br />

Eine Initiative von Pro City und den Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

<strong>Die</strong> Gemeinde Stetten<br />

gratuliert den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

zu ihrem Jubiläum herzlich.<br />

A1270380<br />

... wir gratulieren!<br />

<strong>Die</strong> schöne Wohn- und Freizeitgemeinde<br />

Schleitheim gratuliert den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» zum<br />

150-jährigen Bestehen.<br />

Behörden und Vereine hoffen<br />

weiterhin auf eine vielseitige und<br />

objektive Berichterstattung aus<br />

unserer Region.<br />

www.schleitheim.ch<br />

A1270374<br />

grafik: awe-schaffhausen.ch<br />

A1271731<br />

A1270310


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Politik 47<br />

Eine gewisse Würze liegt schon im von der<br />

Redaktion vorgegebenen Titel: «Interessenvertretung<br />

eines Kleinkantons». Kleinkanton?<br />

Kleines Paradies? Small mag ja beautiful<br />

sein, aber müssen wir das immer selber sagen?<br />

<strong>Die</strong> 26 Stände, die zusammen die Eidgenossenschaft<br />

bilden, sind alle eigenständig und sind stolz<br />

darauf. Es gibt auf der Welt wohl nur die Schweiz<br />

und die USA, wo die Gliedstaaten gegenüber dem<br />

Bundesstaat so viel Autonomie haben und wo ein<br />

gleichrangiges Zweikammersystem föderale und<br />

nationale Interessen einigermassen angemessen<br />

austariert.<br />

<strong>Die</strong> Bedeutung der einzelnen Kantone liegt<br />

natürlich zum Teil in den Augen des Betrachters,<br />

und da gibt es Klischees. <strong>Die</strong> Berge Graubündens,<br />

die Täler des Wallis, die Höhenzüge des Juras,<br />

die Banken in Zürich, die Pharmaindustrie von<br />

Basel. Aber diese Kantone sind selbstverständlich<br />

viel mehr als das. Und so sollte sich auch Schaffhausen<br />

nicht über Klischees identifizieren. Munotglöggli<br />

und Bölledünne sind zwar sympathisch.<br />

Für einen Einfluss auf schweizerischer Ebene<br />

können sie aber nicht herhalten.<br />

Ein interessanter Standort<br />

Mein Interesse war und ist es deshalb, den<br />

Kanton Schaffhausen in Bern (und im Ausland)<br />

als das zu positionieren, was er heute ist: ein<br />

moderner Kanton mit aufgeschlossenen Leuten,<br />

mit modernen Hightech­Arbeitsplätzen im Industriesektor,<br />

ein von den Rahmenbedingungen<br />

her inter essanter Standort für internationale<br />

Headquarters mit wunderschönen Städten mit<br />

viel Kultur, der grössten Weinregion der Deutschschweiz,<br />

einer leistungsfähigen Landwirtschaft<br />

und dem Naherholungsgebiet von Rhein und Randen.<br />

Schon fast ein «grosses» Paradies!<br />

<strong>Die</strong> Regierung hat früh grossen Einfluss<br />

Und diesen schönen Kanton vertreten nach<br />

aussen nicht nur die Politiker, sondern auch Wirtschaftsführer<br />

und ­förderer, Touristiker, Vertreter<br />

unserer Kulturinstitute, Gastronomen und viele<br />

mehr. Für die politische Interessenwahrung des<br />

Standes Schaffhausen ist einerseits der Regierungsrat<br />

und sind anderseits die eidgenössischen<br />

Parlamentarier zuständig. Als Mitglied des Regierungsrats<br />

hat man über seine Fachdirektorenkonferenz<br />

und die Konferenz der Kantonsregierungen<br />

noch früher als die Parlamentarier Zugang<br />

zu Gesetzesentwürfen des Bundes in der Entstehungsphase.<br />

Ebenso werden in diesen Konferenzen die<br />

horizontalen, kantonsübergreifenden Anliegen<br />

beraten und Entscheide gefällt. <strong>Die</strong>s kann unter<br />

anderem Bildungsfragen, die Kultur, das Gesund­<br />

heitswesen betreffen und all die Verbundaufgaben,<br />

wo die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen<br />

gemeinsam wahrgenommen werden. Der<br />

Schaffhauser Regierungsrat informiert uns Parlamentarier<br />

an den gemeinsamen vorsessionalen<br />

Treffen über seine diesbezüglichen Positionen.<br />

Seine Stellungnahmen zu Vernehmlassungen des<br />

Bundesrates oder einzelner Departemente erhalten<br />

wir ebenso. Damit kennen wir die Wünsche<br />

der Schaffhauser Exekutive.<br />

Dem Gewissen und den Wählern verpflichtet<br />

Als Parlamentarier sind wir unserem Gewissen<br />

und den Wählern verpflichtet. Instruktionsempfänger<br />

sind wir nicht – auch nicht einer Partei.<br />

Hingegen ist es selbstverständlich, uns für<br />

spezifische Interessen unseres Kantons mit aller<br />

Kraft und Fantasie einzusetzen. Das geschieht<br />

nicht nur über parlamentarische Vorstösse. Gele­<br />

Primär Standesvertreter<br />

gentlich ist es wirksamer und schneller, wenn<br />

man dies im Direktgespräch mit Bundesräten<br />

oder den Amtsdirektoren oder sogar auf tieferer<br />

hierarchischer Ebene angeht.<br />

Prototypen von Schaffhauser Interessen sind<br />

zweifelsfrei die Verkehrsanliegen wie der Halbstundentakt<br />

und die Hochgeschwindigkeitsverbindung<br />

der Bahn, der Ausbau der Weinlandstrasse,<br />

Flughafenfragen und der Galgenbucktunnel. Für<br />

die Arbeitsvergabe ans lokale Gewerbe bei diesem<br />

Tunnelprojekt ist es beispielsweise zielführend,<br />

einen guten Kontakt mit der ausführenden Ämterebene<br />

zu pflegen. In diese Kategorie der Interessenwahrung<br />

fallen auch die Forderung nach einem<br />

transparenten Verfahren und der Widerstand<br />

gegen die Tiefenlager in unserer Gegend im Rahmen<br />

des Gesetzes.<br />

Für die Ansiedlung neuer Firmen war der<br />

Bonny­Beschluss für Schaffhausen entscheidend.<br />

Er wurde inzwischen aufgehoben, da er in den<br />

Augen anderer Kantone diskriminierend war.<br />

Immerhin konnte in einer gemeinsamen Anstrengung<br />

der Schaffhauser Regierung und von uns<br />

Parlamentariern eine Übergangsregelung erwirkt<br />

werden, was auf rein parlamentarischer Ebene<br />

aus Konkurrenzgründen nicht zu haben gewesen<br />

wäre.<br />

Steuerlandschaft muss überdacht werden<br />

Für die Wirtschaftsansiedlung und den Verbleib<br />

wichtiger Firmen und Headquarters haben<br />

internationale Steuerfragen heute eine neue<br />

Dimension erreicht. <strong>Die</strong> Schweiz muss gewisse<br />

Steuerpraktiken auf Druck der OECD und der<br />

EU überdenken. Neben Freihandelsabkommen<br />

mit den für unsere Schaffhauser Wirtschaft wichtigen<br />

Märkten haben wir auch Doppelbesteuerungsabkommen<br />

mit den relevanten Ländern<br />

abgeschlossen, und mit der Unterstützung der Reform<br />

des Internationalen Währungsfonds müssen<br />

von ständerat peter briner<br />

die interessenwahrung der Gliedstaaten ist nirgends so gut ausgebaut wie in der Schweiz und den USA.<br />

<strong>Die</strong> Einflussmöglichkeiten und wie sie wahrgenommen werden aus Sicht eines ehemaligen Regierungs- und heutigen Ständerates.<br />

«Der Regierungsrat informiert<br />

uns Parlamentarier über seine<br />

Positionen. Seine vernehm-<br />

lassungen erhalten wir ebenso.<br />

Damit kennen wir die Wünsche<br />

der Schaffhauser Exekutive»<br />

Seit 1999 wirkt Peter Briner für den Kanton Schaffhausen im Ständerat. Zuvor war er Regierungsrat. Bild Key<br />

wir eine mögliche Destabilisierung der Finanzmärkte<br />

verhindern. Auch das letztlich zugunsten<br />

unserer Unternehmen und Arbeitsplätze.<br />

Für den Verbleib einiger grosser internationaler<br />

Firmensitze und Steuerzahler in Schaffhausen<br />

gilt es, im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen<br />

zugeschnittene Lösungen zu finden.<br />

Daran wird gearbeitet. Im Bereich der Bilateralen,<br />

Schengen und Personenfreizügigkeit, haben<br />

wir mit anderen Grenzkantonen die bisherige<br />

gute Erfahrung zwischen Polizei und Grenzwache<br />

einbringen können und auch im wichtigen Export­<br />

Import­Warenverkehr an der Grenze die sogenannte<br />

24­Stunden­Regel wie im EU­Binnenverkehr<br />

unbürokratisch unterstützt.<br />

Ein Kerngeschäft der Interessenvertretung<br />

gegenüber dem Bund ist natürlich der Finanzausgleich<br />

NFA. <strong>Die</strong> Idee, neben dem bisherigen<br />

Lastenausgleich für Berggebiete, heute das topografische<br />

Ausgleichsgefäss, neu auch einen soziodemografischen<br />

Ausgleich zu schaffen, kam in<br />

einer kleinen Arbeitsgruppe auf. Ich kann mich<br />

nicht mehr erinnern, ob ich bei der Geburt dieses<br />

«Im Bereich der Bilateralen<br />

und Schengen haben wir,<br />

zusammen mit anderen Grenz-<br />

kantonen, die bisherige gute<br />

Erfahrung einbringen können»<br />

Konzeptes noch als Finanzdirektor oder schon als<br />

Ständerat Pate gestanden bin. Auf jeden Fall war<br />

ich überzeugt, dass die Lasten urbaner Kernstädte<br />

mit ihren heutigen Herausforderungen einer spe­<br />

zifischen Berücksichtigung bedürfen. Davon kann<br />

Schaffhausen heute profitieren. Schliesslich sei<br />

auch noch der Weg übers Bundesbudget erwähnt,<br />

«Am erfolgreichsten sind wir,<br />

wenn wir von beiden Seiten, von<br />

der Regierung und von uns<br />

Parlamentariern, die kantonalen<br />

Interessen gemeinsam vertreten»<br />

wo man als Schaffhauser Vertreter bei den Verbundaufgaben<br />

wie dem öffentlichen Verkehr, der<br />

Denkmalpflege, Kulturanliegen und so weiter kantonale<br />

Interessen wahrnehmen kann.<br />

Gute persönliche Beziehungen<br />

Am erfolgreichsten sind wir, wenn wir von beiden<br />

Seiten, vom Regierungsrat über die Verwaltung,<br />

von uns Parlamentariern über die beiden<br />

Kammern, und mit persönlichen Beziehungen die<br />

kantonalen Interessen vertreten. Das funktioniert<br />

bei uns gut! Vom Instrument der Standesinitiative<br />

sollte hingegen nur in ganz spezifischen Ausnahmefällen<br />

Gebrauch gemacht werden.<br />

<strong>Die</strong> Hauptaufgabe des Bundesparlamentes ist<br />

natürlich eine saubere, kohärente Politik und<br />

Gesetzgebung für die Bedürfnisse des ganzen<br />

Landes. Der Ständerat hat zudem die vornehme<br />

Aufgabe des föderalen Interessenausgleichs zwischen<br />

Bund und Kantonen. Der nationale Zusammenhalt,<br />

die Überwindung von Rösti­, Stadt­Land­<br />

und anderen Gräben, steht im Vordergrund.<br />

Deshalb sind wir nicht primär Partei­, sondern<br />

Standesvertreter – für Schaffhausen!


48 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Im Namen der Bevölkerung<br />

der Gemeinde Feuerthalen<br />

gratuliert der<br />

Gemeinderat den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>»<br />

zum Jubiläum.<br />

A1270316<br />

<strong>Die</strong> Gemeinde Ramsen gratuliert den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» zu<br />

ihrem 150-Jahr-Jubiläum und bedankt<br />

sich für die gute Zusammenarbeit.<br />

Wer in Ramsen wohnt<br />

– profitiert von einer ruhigen Wohngemeinde<br />

– kann eine sehr gute Infrastruktur<br />

(Schule, Schwimmbad, Einkaufsmöglichkeiten) benutzen<br />

– verfügt über sehr gute öffentliche Verkehrsanbindungen<br />

Ramsen, die Gemeinde im Hegau mit attraktiven Baulandreserven.<br />

(www.ramsen.ch)<br />

Gemeinde Flurlingen<br />

<strong>Die</strong> Gemeinde Flurlingen gratuliert den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» zu ihrem grossen<br />

Jubiläum und bedankt sich für die stets gute<br />

Zusammenarbeit und die faire Berichterstattung.<br />

<strong>Die</strong> Gemeinde Siblingen gratuliert den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

herzlich zu ihrem 150-Jahr-Jubiläum.<br />

A1270381<br />

A1270320<br />

Wir freuen uns weiterhin auf eine interessante<br />

und spannende Berichterstattung<br />

und dass der Kanton Schaffhausen noch<br />

lange auf eine eigene Zeitung zählen<br />

kann.<br />

Gemeinderat Siblingen A1271555<br />

Der Stadtrat und die Einwohnerinnen<br />

und Einwohner der<br />

Stadt Stein am Rhein gratulieren zum<br />

150-Jahr-Jubiläum<br />

und danken für die angenehme<br />

Zusammenarbeit und die regelmässigen<br />

Berichterstattungen über unsere Stadt.<br />

Merishausen<br />

gratuliert<br />

zum<br />

150-Jahr-Jubiläum!<br />

Merishausen steht in stetigem Wandel. Ob man<br />

von Norden oder von Süden her nach Merishausen<br />

fährt, sieht man, dass im Dorf etwas<br />

geht, es wird etwas bewegt, es wird gebaut,<br />

sowohl am Dorfrand als auch im Dorfkern. Laut<br />

Statistik über die Bevölkerungsentwicklung im<br />

Kanton Schaffhausen hält Merishausen einen<br />

Podestplatz. Am 12. April 2011 konnten wir den<br />

800sten Einwohner begrüssen.<br />

<strong>Die</strong> Nähe zur Stadt Schaffhausen ist ein wichtiger<br />

Standortvorteil. Auch verfügt Merishausen<br />

über eine gute Infrastruktur. Wir haben eine<br />

gute Schule, welche wir wie die Feuerwehr und<br />

die Kirche zusammen mit Bargen finanzieren.<br />

Merishausen verfügt über eine Turnhalle, über<br />

eine Sportanlage sowie über ein Schwimmbad,<br />

über 100 km Wald- und Feldstrassen, auf<br />

denen täglich WalkerInnen unterwegs sind, um<br />

sich in unserer herrlichen Natur fit zu halten.<br />

Der Gemeinderat Merishausen ist nach wie vor<br />

für die Selbständigkeit und ist gewillt, die Gemeinde<br />

aus eigener Kraft zu stärken und vorwärtszubringen.<br />

Weitere Zusammenarbeiten<br />

mit den umliegenden Gemeinden werden geprüft,<br />

um so eine Verbesserung zu ermöglichen.<br />

A1270363<br />

Stadt Stein am Rhein<br />

A1270364<br />

<strong>Die</strong><br />

Gemeinde Hemishofen<br />

gratuliert den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>»<br />

herzlich zum Jubiläum!<br />

Auch «Hammingeshoven»<br />

hat Grund zum Feiern!<br />

www.hemishofen900.ch<br />

A1270370


Gesellschaft<br />

Beilage zum 150-jährigen Bestehen der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» Samstag, 28. Mai 2011<br />

Handys verändern die Welt<br />

In Rom wird Karol Wojtyla zum Papst gewählt,<br />

in Basel gründet Moritz Suter die Crossair,<br />

und in Schaffhausen wird die IWC nach<br />

Deutschland verkauft: 1978 war in verschiedener<br />

Hinsicht ein spezielles Jahr. Den Beamten der<br />

PTT in Bern sollte dieses Jahr aber aus einem<br />

anderen Grund in Erinnerung bleiben. Damals, vor<br />

33 Jahren, begann ein neues Kommunikationszeitalter<br />

in der Schweiz. Das erste Mobiltelefon-<br />

Netz wurde aufgeschaltet. Wobei «mobil» relativ<br />

war. Ein Natel-A-Telefon wog 16,5 Kilogramm (so<br />

viel wie 120 iPhones heute). Häufig war es fest in<br />

einem Auto installiert. Von daher auch der Name<br />

«Natel»: Nationales Autotelefon. Der Einstieg in<br />

diese Welt war teuer. <strong>Die</strong> Endgeräte kosteten<br />

20 000 Franken (dies entspricht rund 40 000 Franken<br />

heute; dem Gegenwert von 52 iPhones). Für<br />

die gleiche Summe konnte man sich damals auch<br />

einen nagelneuen 250er-Mercedes mit Sechszylindermotor<br />

in die Garage stellen.<br />

Exklusiv war die Natel-A-Telefonie aber auch<br />

aus technischen Gründen. Das Netz war auf höchstens<br />

5000 Nutzer ausgelegt, aber nur 32 konnten<br />

gleichzeitig telefonieren. Weil die Kapazität so beschränkt<br />

war, durfte ein Anruf nicht länger als<br />

drei Minuten dauern, danach wurde die Leitung<br />

unterbrochen. Trotz der hohen Preise und der<br />

technischen Einschränkungen hatten sich bis<br />

Ende 1978 1133 Kunden für ein Natel A entschieden.<br />

1983, der Kundenstamm war inzwischen auf<br />

über 7200 angewachsen, führte die PTT das Natel-<br />

B-Netz ein und 1987 Natel C (alle Zahlen gemäss<br />

Bakom-Statistik). Nun wurden die Geräte zum<br />

ersten Mal wirklich «handy»: ein Natel-C-Telefon<br />

war zwar immer noch so gross wie ein Ziegelstein<br />

und etwa 1,5 Kilo schwer, konnte jetzt aber immerhin<br />

in einer Hand gehalten werden. Noch 6000<br />

Franken kostete so ein Telefon. Gleichzeitig verkauften<br />

findige Händler Natel-C-Attrappen. Dafür<br />

waren «nur» etwa 200 Franken zu berappen. Trotz<br />

der aus heutiger Sicht immer noch sehr hohen<br />

Kosten erlebte das C-Netz einen Boom: von Anfang<br />

1988 bis Ende 1990 verdoppelte sich die Zahl<br />

der Mobilanschlüsse jedes Jahr nahezu. Ende 1991<br />

gab es bereits rund 182 000 Kunden.<br />

1993 kam der Generationenwechsel auf das<br />

digitale Natel-D-Netz. <strong>Die</strong> Schweiz hatte sich dem<br />

GSM-Standard angeschlossen, was es möglich<br />

machte, das Natel (zu horrenden Tarifen) auch<br />

im Nachbarland zu betreiben und SMS zu verschicken.<br />

<strong>Die</strong> Grundzüge für den GSM-Standard<br />

waren bereits 1982 festgelegt worden, doch erst<br />

1991 wurde der erste kommerzielle Anruf auf<br />

einem GSM-Netz getätigt: Am 1. Juli rief<br />

der Gouverneur der Finnischen Nationalbank<br />

den Stadtpräsidenten<br />

von Helsinki an, um sich nach<br />

den Heringpreisen zu erkundigen.<br />

<strong>Die</strong> sinkenden Preise,<br />

die verbesserten Geräte und<br />

der Ausbau des Netzes lockten<br />

Kunden an. 1996 zählte die<br />

Swisscom 662 000 Abonnenten,<br />

davon telefonierten immerhin<br />

noch etwa 300 000 auf dem C-Netz.<br />

Gleichzeitig lancierte der Monopolist<br />

das erste Prepaid-Angebot für Mobiltele-<br />

von Zeno Geisseler<br />

fone. Mit dem Markteintritt von Diax (Ende 1998)<br />

und Orange (1999) kam es zum Wettbewerb: <strong>Die</strong><br />

Preise für Geräte und Verbindungen sanken. Ende<br />

1999 hatte fast jeder zweite Schweizer ein Handy.<br />

Das C-Netz war aber praktisch bedeutungslos<br />

geworden. Es wurde im gleichen Jahr abgeschaltet.<br />

Bis zum Schluss hatten rund 12 000 Analog-<br />

Telefonierer ihrem Natel C die Treue gehalten.<br />

Im Jahr 2000 überstieg die Anzahl der Mobilanschlüsse<br />

(4,64 Millionen) erstmals die der<br />

Festnetzanschlüsse (4,1 Millionen), doch damit<br />

war das Ende des Wachstums noch keineswegs<br />

erreicht. Ende 2009 gab es bereits 9,3 Millionen<br />

Mobilanschlüsse. Eine erstaunliche Zahl für ein<br />

Land, das rund sieben Millionen Einwohner zählt.<br />

Tatsächlich telefoniert wurde im ersten Jahrzehnt<br />

des neuen Jahrtausends allerdings immer<br />

noch vor allem auf dem Festnetz. Erst per Ende<br />

2008 überstieg die Zahl der mobilen<br />

Verbindungen erstmals die der<br />

Festnetz anrufe. Bei der Dauer der<br />

Verbindungen lag die Mobiltelefonie<br />

sogar noch per Ende 2009 hinter dem<br />

Festnetz zurück.<br />

<strong>Die</strong> eindrücklichste Entwicklung<br />

der Mobiltelefonie fand aber nicht<br />

in der Schweiz statt, sondern<br />

an einem völlig uner warteten<br />

Ort: in den Entwicklungsländern.<br />

Wie der «Guardian» berichtet,<br />

stieg in Afrika die<br />

Zahl der Abonnenten zwischen<br />

2003 und 2008 von 54 Millionen<br />

auf fast 350 Millionen. Selbst in<br />

einem bitterarmen, rechtsfreien, vom Bürgerkrieg<br />

geplagten Land wie Somalia kamen laut<br />

einer Reuters-Meldung im Jahr 2009 auf hundert<br />

Einwohner 18 Mobiltelefone. In einigen Ländern<br />

Afrikas sind Mobilfunkbetreiber inzwischen die<br />

besten Steuerzahler.<br />

Wie in der westlichen Welt sind Mobiltelefone<br />

auch in Afrika viel mehr als nur Geräte, um<br />

jemanden anzurufen. Mit den Handys können<br />

beispielsweise Geldbeträge überwiesen werden.<br />

Laut einem Bericht der UNO kostete es in Südafrika<br />

früher rund 20 bis 50 Franken, Geld per<br />

Kurier an einen Angehörigen zu senden. Über<br />

das Mobiltelefon kostet die Transaktion noch<br />

50 Rappen. Mit dem gleichen <strong>Die</strong>nst können Löhne<br />

überwiesen und Rechnungen bezahlt werden.<br />

Das Mobiltelefon ist praktisch zur mobilen Bank<br />

geworden.<br />

In Ghana und Nigeria wiederum können die<br />

Menschen laut dem «Economist» mit dem Mobiltelefon<br />

prüfen, ob Medikamente echt sind. Wie<br />

bei einem Rubbellos kratzen sie auf der Medikamentenschachtel<br />

eine Nummer frei. <strong>Die</strong>se<br />

senden sie per SMS an einen Computer, der die<br />

Nummer überprüft. In Uganda und Mali können<br />

Bauern über SMS Marktpreise überprüfen und<br />

ihre Ernte verkaufen. Was 1993 noch dem Gouverneur<br />

der Finnischen Nationalbank vorbehalten<br />

war, ist heute für die Ärmsten der Welt möglich<br />

geworden.<br />

In der Schweiz ist vom einstigen Nationalen<br />

Autotelefon nur der Name geblieben: für die Eidgenossen<br />

ist ein Mobiltelefon auch heute noch<br />

schlicht ein Natel.


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Gesellschaft 51<br />

Wird ein Kind nicht bloss einige Tage,<br />

sondern mehrere Wochen zu früh geboren,<br />

beginnt ein Kampf ums Überleben.<br />

Seine unreife Lunge muss unterstützt und die<br />

Ernährung über eine Magensonde zugeführt<br />

werden. Hinzu kommen je nachdem weitere Entwicklungsrückstände,<br />

die es zu behandeln gilt.<br />

In der Schweiz werden Frühgeborene ab der<br />

25. Schwangerschaftswoche intensivmedizinisch<br />

betreut. «Das ist keine fixe Grenze», sagt Thomas<br />

Roos, Leitender Arzt der Frauenklinik am Kantonsspital<br />

Schaffhausen. Der individuelle Zustand<br />

eines Frühgeborenen spiele eine entscheidende<br />

Rolle, wenn es darum gehe, medizinische Massnahmen<br />

zu beschliessen. Man müsse immer sorgfältig<br />

abwägen, welche Lebensqualität erreicht<br />

werden könne – und zu welchem Preis.<br />

Vor 25 Jahren lag die Grenze, ab der bei Frühgeborenen<br />

Intensivmedizin eingesetzt wurde, bei<br />

der 27. Schwangerschaftswoche. Damals überlebten<br />

10 Prozent der Neugeborenen in diesem Alter,<br />

heute sind es in der gleichen Gruppe 85 Prozent.<br />

«Nicht nur die Überlebensrate hat zugenommen,<br />

auch die Überlebensqualität hat sich positiv entwickelt»,<br />

sagt Roos. Schwere Entwicklungs störungen<br />

kommen weniger häufig vor; Hirnblutungen<br />

und Schäden an der Lunge haben abgenommen.<br />

«Infektionskrankheiten enden nicht mehr tödlich»,<br />

sagt zudem Johannes Sigrist, Leitender Arzt<br />

Pädiatrie und Neonatologie. Trotz des beachtlichen<br />

medizinischen Fortschritts sind Frühgeburten<br />

mit Risiken verbunden. Typische Folgen<br />

können Taubheit oder Bewegungsstörungen, aber<br />

auch Sprachprobleme, Hyperaktivität sowie reduzierte<br />

schulische Leistungen sein.<br />

Am Kantonsspital Schaffhausen werden Neugeborene<br />

ab der 32. Schwangerschaftswoche betreut,<br />

sofern sie ohne künstliche Beatmung auskommen.<br />

Ist dies nicht der Fall, werden sie in der<br />

Regel ins Kinderspital Zürich verlegt, wo eine auf<br />

kleinste Frühgeborene spezialisierte Intensivstation<br />

vorhanden ist. «<strong>Die</strong> Frühgeborenen, die wir<br />

behandeln, haben grosse Klippen im Bereich der<br />

Lebensunfähigkeit bereits überwunden», sagt Sigrist,<br />

«sie sind im Prinzip lebensfähig.»<br />

«Gemeinsam einen Weg finden»<br />

Um mögliche körperliche Defizite eines Kindes<br />

früh zu erfassen, werden schwangere Frauen<br />

eng begleitet. «Problemschwangerschaften werden<br />

genau beobachtet und in wöchentlichen Rapporten<br />

diskutiert, damit wir wissen, was uns<br />

erwartet, wenn ein solches Kind auf die Welt<br />

kommt», sagt Sigrist. Dank diesem Vorgehen<br />

könne sein Team die medizinische Versorgung<br />

eines Neugeborenen nahtlos übernehmen. «Was<br />

für ein Kind sinnvoll ist oder nicht, ist kein Entscheid<br />

von Minuten, sondern von Tagen», sagt<br />

Sigrist weiter. In einem ersten Schritt werde immer<br />

für das Leben entschieden. Das heisst, auch<br />

Kinder, die schwere Fehlbildungen haben, werden<br />

vorerst mit allen Möglichkeiten der Intensivmedizin<br />

behandelt. «In den Grenzbereichen muss man<br />

zwischen zumutbarem Leiden und würdigem<br />

Leben abwägen», sagt Sigrist. Ärzte, Pflegende<br />

und Eltern führen entsprechend intensive Gespräche.<br />

In besonders schwierigen Fällen wird<br />

zudem ein Mitglied der Ethikkommission hinzugezogen.<br />

«Ziel ist es, gemeinsam einen Weg zu<br />

finden», sagt Sigrist. <strong>Die</strong> Ärzte orientieren sich<br />

dabei an den Richtlinien der Ethikkommission<br />

der Schweizerischen Akademie der medizinischen<br />

Wissenschaften (SAMW) sowie an Vorgaben der<br />

Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie<br />

«zur Betreuung von Frühgeborenen an der Grenze<br />

der Lebensfähigkeit».<br />

«Man darf die Eltern nicht im Regen stehen<br />

lassen», sagt Roos. Man müsse ihnen genügend<br />

Zwischen Leben und Tod<br />

medizinisches Wissen vermitteln und Zeit geben,<br />

um die Situation zu erfassen. «Sie dürfen sich<br />

in ihrem Entscheid, welche medizinischen Massnahmen<br />

im Interesse ihres Kindes sind, nicht<br />

allein gelassen fühlen.» Kommt man zum Schluss,<br />

auf weitere lebenserhaltende Massnahmen zu<br />

verzichten, wird das betroffene Kind palliativ<br />

versorgt. Es erhält Medikamente, welche seine<br />

Schmerzen lindern. Gleich geht man bei extrem<br />

früh Geborenen vor, bei denen von Beginn weg<br />

feststeht, dass sie nicht überleben werden.<br />

Mutmasslicher Wille ist entscheidend<br />

Ethisch schwierige Fragen stellen sich auch<br />

dann, wenn sich Erwachsene an der Grenze zum<br />

Tod befinden. «Massgebend ist, was der Patient<br />

will», sagt Martin Grimm, Bildungsverantwortlicher<br />

Intensivpflege. Aufgabe der Fachleute sei es,<br />

den Betroffenen in die Lage zu versetzen, dass<br />

er über seine medizinische Betreuung selbstbestimmt<br />

befinden könne. Ob eine Therapie gemacht<br />

werde oder nicht, habe in erster Linie damit zu<br />

tun, ob sie medizinisch angezeigt sei und vom Betroffenen<br />

tatsächlich gewünscht werde. Das Alter<br />

eines Patienten oder die Kosten dürften dabei<br />

keine Rolle spielen. «<strong>Die</strong> Chancen, bestimmte medizinische<br />

Leistungen zu erhalten, sind für alle<br />

gleich», betont Grimm.<br />

Kann sich jemand nicht mehr artikulieren,<br />

zählt sein mutmasslicher Wille. Um diesen herauszufinden,<br />

erkundigen sich Ärzte und Pflegende<br />

bei Angehörigen und Freunden nach den Wertvorstellungen<br />

des Betroffenen. «Zentral ist nicht<br />

der Verwandtschaftsgrad, sondern die Lebensnähe»,<br />

sagt Grimm. Was ein Konkubinatspartner<br />

oder Freunde über den Patienten erzählten, könne<br />

genauso wertvoll sein, wie Aussagen der nächsten<br />

Verwandten. Eine Entscheidungshilfe kann zudem<br />

einen Patientenverfügung darstellen. «Sie<br />

muss aber situationsgerecht abgefasst und greifbar<br />

sein», gibt Grimm zu bedenken. Wenn jemand<br />

etwa den Wunsch festhalte, «nicht an Schläuche<br />

gehängt zu werden», sorge dies nicht für Klar heit,<br />

sondern für Verwirrung. «Nur schon eine Infusion<br />

erfolgt über einen Schlauch», sagt Grimm. Grundsätzlich<br />

wünscht er sich allerdings, dass mehr<br />

Menschen schriftlich festhalten, welche medizinischen<br />

Therapien sie möchten, wenn sie nicht<br />

mehr ansprechbar sind.<br />

<strong>Die</strong> persönlichen Wertvorstellungen der Ärzte<br />

und des Pflegepersonals treten bei ethisch schwie­<br />

von eveline rutz<br />

Dank dem Fortschritt der intensivmedizin überleben heute Menschen, die noch vor 25 Jahren gestorben wären.<br />

Das stellt Ärzte, Pflegepersonal und Angehörige zuweilen vor ethisch schwierige Fragen.<br />

«In den Grenzbereichen muss man<br />

zwischen zumutbarem Leiden<br />

und würdigem Leben abwägen.<br />

Das ist kein Entscheid von<br />

Minuten, sondern von Tagen»<br />

Schwieriger Start ins Leben: Ein Frühgeborenes wird in einem Inkubator intensivmedizinisch versorgt. Bilder Michael Kessler<br />

rigen Entscheiden in den Hintergrund.<br />

«Sie lassen sich nicht wegdiskutieren,<br />

wir orientieren uns jedoch an Grundsätzen,<br />

die alle mittragen können»,<br />

sagt Grimm. «Ideologien haben keinen<br />

Platz», bestätigt Sigrist. Natürlich<br />

seien kulturelle oder religiöse<br />

Vorstellungen der Patienten zu berücksichtigen.<br />

Da sei Toleranz gefragt.<br />

«Wenn es aber existenziell wird,<br />

wenn es wirklich um Leben oder Tod<br />

geht, gibt es kaum kulturelle Unterschiede»,<br />

so Sigrist.<br />

Schweiz setzt Grenze eher hoch an<br />

Im Vergleich zu anderen Staaten setzt die<br />

Schweiz die Grenze, ab der die Intensivmedizin<br />

bei Neugeborenen zum Einsatz kommt, eher<br />

spät an. «Man geht sehr behutsam vor», bestätigt<br />

Geburtsmediziner Roos, der seit sechs Jahren<br />

in Schaffhausen arbeitet und davor in Göteborg<br />

praktiziert hatte. In Schweden werden Kinder<br />

bereits ab der 22. Schwangerschaftswoche<br />

intensivmedizinisch versorgt. Ob die Grenze auch<br />

in der Schweiz gesenkt werden soll, wird zurzeit<br />

diskutiert; die Richtlinien der Schweizerischen<br />

Gesellschaft für Neonatologie werden<br />

überarbeitet. Diskutiert wird insbesondere<br />

die Frage, ob die Grenze der<br />

25. Schwangerschaftswoche gesenkt<br />

werden soll. «Wir analysieren, welche<br />

Erfahrungen andere Länder<br />

damit gemacht haben», sagt Roos,<br />

der an der Überarbeitung selbst<br />

mitwirkt. Aber auch eigene schweizerische<br />

Erfahrungen sowie der<br />

medizinische Fortschritt würden<br />

einbezogen.<br />

«Unter der 25. Schwangerschaftswoche<br />

kommt man in Grenzbereiche<br />

hinein», sagt Roos. Für Laien sei nur<br />

schwer vorstellbar, wie zerbrechlich derart<br />

früh geborene Babys tatsächlich<br />

seien. «Es kann nicht allein darum gehen,<br />

früh geborene Kinder möglichst am<br />

Leben zu halten», sagt Sigrist. Entscheidend<br />

für die medizinische Therapie sei<br />

die Lebensqualität, die man einem<br />

Kind ermöglichen könne. «Man muss<br />

sich immer fragen, ob verantwortbar<br />

ist, was man einem Kind an Leiden<br />

zumutet.»<br />

ethik im Spital «In Schaffhausen noch unterrepräsentiert»<br />

Ethische Fragen sind im heutigen Spitalleben<br />

fast alltäglich. In der Ausbildung der Ärztinnen<br />

und Ärzte sowie des Pflegepersonals hat das<br />

Thema in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen;<br />

es ist in den Lehrplänen festgeschrieben<br />

worden. An der Universität Zürich ist 2005<br />

ein Lehrstuhl für Biomedizinische Ethik geschaffen<br />

worden. Wer Humanmedizin studiert,<br />

muss in seinem Aufbaustudium entsprechende<br />

Pflichtveranstaltungen besuchen.<br />

«Das Bewusstsein, dass man seine Entscheide<br />

ethisch abstützen sollte, wenn man es<br />

mit Menschen zu tun hat, ist vorhanden», stellt<br />

Intensivpfleger Martin Grimm fest. Der Bildungsverantwortliche<br />

vermittelt jungen Pflegefachleuten<br />

am Kantonsspital Schaffhausen<br />

ethisches Grundwissen und Argumentieren. Im<br />

praktischen Teil bringt er zudem konkrete Fälle<br />

zur Sprache. Das Wissensgebiet sei allerdings<br />

noch jung, sagt er. Am Kantonsspital sei es noch<br />

unterrepräsentiert; es sei institutionell zu wenig<br />

verankert. So fehle etwa ein Ethikforum, in dem<br />

man sich regelmässig interdisziplinär austausche.<br />

«Da sind andere Spitäler schon weiter»,<br />

sagt Grimm.<br />

«Ethik ist zu einem zentralen Thema geworden»,<br />

sagt der Kinderarzt Johannes Sigrist, der<br />

seit 24 Jahren in Schaffhausen tätig ist. Unter<br />

Fachärzten würden regelmässig Supervisionen<br />

durchgeführt und einzelne Fälle besprochen.<br />

Der Austausch mit anderen Spitälern sei intensiv.<br />

Als Oberarzt gebe er seine Erfahrungen<br />

zudem an jüngere Kollegen weiter. Ethische<br />

Fragen werden am Kantonsspital Schaffhausen<br />

zudem an Weiterbildungen der Ärzteschaft thematisiert.<br />

(eru)


524Gesellschaft Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Frau Sulzer Worlitschek, welches Bild haben<br />

Sie von Ihrer Mutter, wenn Sie an Ihre Kindheit<br />

denken?<br />

Sabine Sulzer Worlitschek: Ich habe sie als engagiert<br />

und souverän erlebt. Meine Mutter war zwar<br />

präsent, sie hat uns aber vieles selbst machen und<br />

erkunden lassen. Sie hat uns zur Selbständig-<br />

keit erzogen. Der Vater war wenig präsent. Seine<br />

Arbeit hat ihn sehr stark beschäftigt. Er hatte<br />

sicher eine weniger prägende Rolle.<br />

Frau Sulzer, welches Rollenverständnis hatten<br />

Sie in Ihren jungen Jahren von sich als Frau und<br />

Mutter?<br />

Annegreth Sulzer: Ich hatte mir immer gewünscht,<br />

neben der Familie auch etwas zu arbeiten.<br />

<strong>Die</strong> Situation mit vier kleinen Kindern und<br />

einem Mann, der ein eigenes Geschäft betreibt,<br />

war dann jedoch so, dass das nicht ging. <strong>Die</strong> Kinder<br />

in eine Krippe oder in einen Hort zu geben,<br />

war damals noch kein Thema. Mein Mann und ich<br />

entschieden uns für die traditionelle Rollen aufteilung.<br />

Ich habe allerdings gleich zu Beginn klargestellt,<br />

dass ich in diesem Fall auch bestimme,<br />

was in der Familie läuft. Es hiess bei uns nie:<br />

«Das entscheiden wir dann, wenn Papi nach Hause<br />

kommt.»<br />

Sulzer Worlitschek: Das war so. Familienfragen<br />

gehörten in den Zuständigkeitsbereich meiner<br />

Mutter.<br />

Sulzer: Natürlich haben Heinz und ich viel<br />

diskutiert über die Kinder und unsere Situation,<br />

doch es war klar: Ich hatte die Verantwortung für<br />

Mutter und Tochter über Rollenteilung und gesellschaftliche Erwartungen: Annegreth Sulzer (r.) und Sabine Sulzer Worlitschek (l.) mit Levi. Bilder Michael Kessler<br />

Mutter sein, früher und heute<br />

die Familie und er fürs Geschäft. Das war nicht<br />

das, was ich mir ursprünglich gewünscht hatte.<br />

Doch ich habe mich in dieser Rolle schliesslich<br />

wohlgefühlt – wenn auch erst nach einer gewissen<br />

Zeit.<br />

Was haben Sie vermisst?<br />

Sulzer: Durch die vier Kinder war ich insgesamt<br />

sehr eingeschränkt. Vorher bin ich gerne<br />

gereist, habe viel Sport getrieben, ich war eine begeisterte<br />

Segel- und Motorfliegerin. Das habe ich<br />

aufgegeben.<br />

Entsprach dies der gesellschaftlichen Erwartung?<br />

Sulzer: Absolut. Mein Umfeld hat mir signalisiert,<br />

dass ich nun ausschliesslich für die Familie<br />

da zu sein hatte. Ich wollte Kinder, also habe ich<br />

mich in diese Rolle geschickt. Ich musste aber<br />

einen Weg finden, um von der Familie nicht ganz<br />

«aufgefressen» zu werden. Nur zu putzen und zu<br />

kochen, befriedigte mich nicht. Also habe ich zu<br />

nähen begonnen. Da konnte ich jeweils ein Resultat<br />

sehen.<br />

Heute hat eine Frau viel mehr Möglichkeiten. Sie<br />

kann Kinder haben und gleichzeitig berufstätig<br />

sein oder sich für eines von beidem entscheiden.<br />

Sulzer Worlitschek: Heute sind verschiedene<br />

Modelle möglich, das stimmt. Manche fragen<br />

mich, warum ich nicht ganz zu Hause bleibe. Anderen<br />

ist klar, dass ich meinen Beruf nicht aufgeben<br />

möchte. Eine generelle gesellschaftliche<br />

von eveline Rutz<br />

Erwartung gibt es nicht mehr. Entscheidend ist<br />

eher das Umfeld. Man muss immer wieder überdenken,<br />

wie man sich organisieren will, und dies<br />

selbstbewusst vertreten. Paare diskutieren heute<br />

sicher mehr; ihre Rollen sind nicht mehr so klar<br />

vorgegeben.<br />

Sulzer: Mein Mann und ich haben zum Beispiel<br />

nie darüber diskutiert, ob wir überhaupt Kinder<br />

möchten. Das war praktisch klar, eine Familie<br />

gehörte einfach dazu.<br />

Sulzer Worlitschek: Heute überlegt man sich<br />

schon, ob, und wenn ja, wie viele Kinder man<br />

möchte. Bei uns wollten beide Kinder und im<br />

Beruf bleiben, das war ausgeglichen. Ich könnte<br />

mir nicht vorstellen, nur zu Hause zu sein.<br />

Sulzer: Ihr habt ja praktisch die gleiche Ausbildung<br />

gemacht.<br />

Sulzer Worlitschek: Genau. Und die Mutter<br />

meines Mannes hat auch immer gearbeitet. Auch<br />

von dieser Seite wird also mitgetragen, dass ich<br />

arbeite.<br />

Wer bleibt bei Ihnen zu Hause, wenn eines Ihrer<br />

Kinder krank ist?<br />

Sulzer Worlitschek: Auch wenn die Familienarbeit<br />

bei uns grundsätzlich sehr ausgeglichen<br />

ist, die Hauptverantwortung liegt immer noch bei<br />

mir. Wenn ein Kind krank ist, organisiere ich die<br />

Betreuung. Ich kümmere mich auch um anstehende<br />

Arztbesuche oder um kleine Sachen wie<br />

zum Beispiel einen Ferienkurs für den grossen<br />

Sohn. Mein Mann ist zwar stark involviert – er ist<br />

einen halben Tag pro Woche für die Kinder da –,<br />

aber die Führung liegt bei mir.<br />

Sulzer: Dafür ist er der Koch. Er kann deutlich<br />

besser kochen als du, das darf man schon sagen.<br />

Sulzer Worlitschek: Natürlich. Wenn beide da<br />

sind, kocht immer er.<br />

Wieso können Sie sich nicht vorstellen, ganz auf<br />

Ihren Beruf zu verzichten?<br />

Sulzer Worlitschek: Mir würde die Decke auf den<br />

Kopf fallen. So gerne ich meine Kinder habe, ich<br />

brauche auch die Bestätigung, die ich im Berufsleben<br />

erhalte. Ich brauche auch andere Gesprächsthemen<br />

als «Kann es schon laufen?» oder «Welche<br />

Wörter spricht er schon?».<br />

Sulzer: Das kann ich gut nachfühlen. Du hast<br />

viel in deine Ausbildung investiert. Das möchte<br />

man nicht einfach so aufgeben.<br />

Sulzer Worlitschek: Ich denke zudem, dass sich<br />

die Krippen verbessert haben; sie haben einen anderen<br />

Stellenwert erhalten. <strong>Die</strong> Kinder werden<br />

vielseitig gefördert, sie gehen gerne in die Krippe.<br />

Ich fühle mich nicht als Rabenmutter, auch wenn<br />

ich beruflich mal eine Woche weg bin – wie kürzlich<br />

in Indien. Ich bin und bleibe die Mutter meiner<br />

Kinder.<br />

Frau Sulzer, wenn Sie den Familien- und Berufsalltag<br />

Ihrer Tochter beobachten, gibt es dann<br />

Dinge, die Sie auch gerne so gemacht hätten?<br />

Sulzer: Ich würde heute mein Leben aktiver planen.<br />

<strong>Die</strong> Frauen meiner Generation haben meist<br />

keine bewusste Planung gemacht. Wir haben gewartet,<br />

bis etwas an einen herangetragen wurde.<br />

Auch in der Politik: Ich hätte nie bewusst auf ein


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Gesellschaft 53<br />

Ziel hingearbeitet. Mein Wiedereinstieg kam dann<br />

auch schleichend. Ich hatte natürlich auch das<br />

Privileg, dass ich nicht arbeiten musste. Daher<br />

konnte ich mich ehrenamtlich engagieren.<br />

Das heisst, Sie haben sich auch nicht von sich aus<br />

darum bemüht, Parteipräsidentin der FDP Stadt<br />

Schaffhausen zu werden?<br />

Sulzer: Nein. Das Amt wurde an mich herangetragen.<br />

Ich musste dann auch einige Entscheide<br />

mittragen, die mir absolut nicht entsprachen.<br />

Doch im Allgemeinen war ich sehr gerne politisch<br />

aktiv. Ich habe gerne organisiert und etwas gestaltet.<br />

Das war vor allem im Schulrat möglich. <strong>Die</strong><br />

Legislative hat mir weniger zugesagt. Dort konnte<br />

man sich engagieren und Überzeugungsarbeit<br />

leisten und unterlag im schlechtesten Fall mit nur<br />

einer Stimme.<br />

Als Frau waren Sie damals in der Politik ja noch<br />

deutlich in der Minderheit. Wie haben Sie das<br />

erlebt?<br />

Sulzer: Ich hatte nie Probleme damit, vor vielen<br />

Leuten meine Meinung zu vertreten. Ich war als<br />

jüngstes von sieben Kindern aufgewachsen. Ich<br />

hatte gelernt, mich durchzusetzen. Als Parteipräsidentin<br />

habe ich immer wieder Frauen gesucht,<br />

die sich politisch engagieren. Ich erhielt leider oft<br />

die Antwort: «Mitarbeiten würde ich schon, aber<br />

nicht in der Öffentlichkeit.» Das war bei vielen<br />

Frauen eine grosse Hürde. Sie wollten sich nicht<br />

Annegreth Sulzer<br />

«Ich würde mein Leben heute<br />

aktiver planen. <strong>Die</strong> Frauen<br />

meiner Generation haben<br />

meist keine bewusste Planung<br />

gemacht. Wir haben gewartet,<br />

bis etwas an einen heran-<br />

getragen wurde. Auch in der Politik:<br />

Ich hätte nie bewusst auf ein<br />

Ziel hingearbeitet»<br />

exponieren. Manchmal war es in der Politik auch<br />

ein Vorteil, eine Frau zu sein. Das Bewusstsein,<br />

dass man für Ämter auch Frauen aufstellen sollte,<br />

wuchs. Gerade in den bürgerlichen Parteien waren<br />

Frauen eine Zeit lang umworben.<br />

Wofür haben Sie als Politikerin gekämpft, was<br />

heute selbstverständlich ist?<br />

Sulzer: Ich habe mich nicht unbedingt für typische<br />

Frauenanliegen eingesetzt. Ich fand immer,<br />

die Gleichberechtigung der Frauen sollte selbstverständlich<br />

sein. Ich habe meine Töchter entsprechend<br />

erzogen und gefördert. Und ich finde<br />

es gut, dass sie ihre Berufe weiter ausüben können.<br />

Aber ich denke, Frauen müssen auch bereit sein,<br />

sich einzusetzen und sich zu engagieren.<br />

Sulzer Worlitschek: Das sehe ich auch so.<br />

Sulzer: Als du mit dem Studium fertig warst,<br />

hast du dich bei einem Unternehmen blind beworben,<br />

das dich interessiert hat. Das hätte ich<br />

mich nie getraut. Ich hätte nie offen eingestanden:<br />

«Das will ich.»<br />

Frau Sulzer Worlitschek, sind Sie im Bewusstsein<br />

aufgewachsen, die gleichen Rechte und<br />

Möglichkeiten zu haben wie Ihre männlichen<br />

Schulkollegen?<br />

Sulzer Worlitschek: Grundsätzlich schon. Dass<br />

ich das Naturwissenschaftliche Gymnasium gemacht<br />

und schliesslich Ingenieurwissenschaften<br />

studiert habe, hat allerdings viel mit dem Mathelehrer<br />

zu tun, der mich entsprechend gefördert<br />

hat. Ohne ihn wäre ich heute vielleicht Handarbeitslehrerin,<br />

was damals mein Berufswunsch<br />

war. Das Selbstverständnis, in technischen Dingen<br />

gut zu sein, war bei mir noch nicht so stark<br />

ausgeprägt. Ein Lehrer, der mich diesbezüglich<br />

ermutigte, war entscheidend.<br />

Sulzer: Im Studium kam es doch vor, dass du<br />

von männlichen Kollegen gefragt wurdest, warum<br />

die Ingenieurin werden möchtest.<br />

Sulzer Worlitschek: Das vielleicht weniger. Was<br />

ich erlebt habe, war, dass gewisse Kollegen Mühe<br />

hatten, wenn ich besser war als sie. Ich war zwar<br />

gut, bin aber nicht mit der Haltung aufgetreten:<br />

«Ich kann das sowieso.» Ich war nicht so stark von<br />

mir selbst überzeugt. Männer treten da sicher<br />

anders auf.<br />

Wie gut lassen sich Beruf und Familie heute<br />

vereinbaren?<br />

Sulzer Worlitschek: Ich finde, wenn man es will,<br />

dann geht es. Es ist natürlich immer eine Turnübung.<br />

Ich habe den Vorteil, dass ich einen flexiblen<br />

Job habe, bei dem Präsenzzeiten nicht so<br />

wichtig sind. Es braucht zudem einen Mann,<br />

der einen Teil der Familienarbeit übernimmt.<br />

Sonst ist es sehr schwierig. Ich denke, das ist die<br />

grösste Hürde. Viele Männer haben etwa Hemmungen,<br />

in einer Sitzung zu sagen: «Ich muss<br />

nun die Kinder abholen.» Das braucht viel Selbstvertrauen.<br />

Sulzer: Ich habe das Gefühl, es ist gesellschaftlich<br />

noch weniger akzeptiert, wenn Männer Teilzeit<br />

arbeiten und sich stärker um ihre Kinder<br />

kümmern möchten.<br />

Sulzer Worlitschek: Das stimmt. Da besteht noch<br />

viel Nachholbedarf.<br />

Sie arbeiten bei Sulzer, in einem von Männern<br />

dominierten Unternehmen. Haben Sie Kollegen,<br />

die sich an der Kinderbetreuung beteiligen,<br />

oder leben diese eher das traditionelle Familienmodell?<br />

Sulzer Worlitschek: Sie leben eher das traditionelle<br />

Familienmodell. Teilzeit arbeiten vor allem<br />

die Frauen. Bereits eine Selbstverständlichkeit<br />

geworden ist, dass auch Männer die Kinder in die<br />

Krippe bringen. Wie stark sie sich engagieren, ist<br />

jedoch sehr unterschiedlich. Pauschal lässt sich<br />

dies nicht sagen.<br />

Welche Reaktionen erleben Sie, wenn Sie sagen:<br />

«Ich muss nun meine Kinder abholen?»<br />

Sulzer Worlitschek: Es ist einfach so. Ich habe<br />

nicht das Gefühl, dass das ein Problem ist. Wenn<br />

man selbstbewusst genug auftritt, gibt es auch<br />

keine negativen Reaktionen.<br />

Sie haben gesagt, dass es gesellschaftlich noch<br />

zu wenig akzeptiert sei, dass Männer Teilzeit<br />

arbeiten. Wäre es nicht an den Männern,<br />

die im Berufsleben ja immer noch die Mehrheit<br />

der entscheidenden Positionen besetzen,<br />

dies zu ändern?<br />

Sulzer Worlitschek: Ich sehe es nicht nur als<br />

Aufgabe der Männer an, die gesellschaftliche Akzeptanz<br />

dafür zu schaffen. Beide Geschlechter<br />

müssen umdenken. Es braucht sicher noch einige<br />

Zeit, bis eine kritische Grösse von Männern, die<br />

ihr Pensum reduzieren, erreicht ist. Das würde<br />

den Durchbruch bringen.<br />

Sulzer: Wichtig wäre, dass auch Kaderstellen<br />

mit reduzierten Pensen ausgeübt werden können.<br />

Bis jetzt konnte man vor allem in den unteren<br />

Hierarchiestufen Teilzeit arbeiten. Auf den höheren<br />

Ebenen ist es einfach noch zu wenig akzeptiert.<br />

Kaderfrauen müssen sich oft entscheiden,<br />

ob sie Karriere machen oder eine Familie haben<br />

möchten.<br />

Sulzer Worlitschek: Ich mache die Erfahrung,<br />

dass ich für Weiterbildungen stärker kämpfen<br />

muss als meine Kollegen. Es wird weniger wahrgenommen,<br />

dass ich zwar Familie habe, aber<br />

dennoch weiterkommen möchte. Ich muss mich<br />

deutlicher bemerkbar machen.<br />

Was halten Sie von Frauenquoten<br />

für Führungsfunktionen?<br />

Sulzer: Früher war ich absolut dagegen. Heute<br />

sehe ich, dass Frauenquoten etwa in Norwegen<br />

eine positive Wirkung hatten. Ich habe Bedenken,<br />

dass Frauen Stellen nur wegen der Quote erhal­<br />

Sabine Sulzer Worlitschek<br />

«Mich stört es, wenn man immer<br />

nur von der Rolle der Frau spricht.<br />

Es geht auch um den Mann.<br />

Und es geht um Rechte und<br />

Pflichten in der Familie – egal wie<br />

man sich aufteilt. Ohne einen Mann,<br />

der hinter mir steht, hätte ich<br />

kleinere Chancen, einen<br />

interessanten Beruf auszuüben»<br />

ten. Aber ich denke, das Potenzial von Frauen<br />

sollte man besser ausschöpfen – sei das in der<br />

Politik, in der Wirtschaft oder im gesellschaftlichen<br />

Leben. Wenn man sieht, wie gut Frauen<br />

heute ausgebildet sind, ist es schon bedenklich,<br />

wie wenig sie in Spitzenfunktionen vertreten sind.<br />

Dabei stellt man fest, dass gemischte Gremien<br />

besser funktionieren als reine Männer­ oder<br />

Frauengremien. Ich sehe heute durchaus auch<br />

positive Effekte von Quoten.<br />

Sulzer Worlitschek: Ich bin für Frauenquoten.<br />

Gäbe es darüber eine Abstimmung, ich würde<br />

sofort Ja stimmen. Als ich an der ETH Zürich<br />

meine Doktorarbeit schrieb, war unser Team<br />

ziemlich ausgeglichen. Wir waren etwa 40 Prozent<br />

Frauen, und das hatte sich bewährt. In der Privatwirtschaft<br />

stelle ich nun fest, dass in Kaderfunktionen<br />

noch etwas wenig Frauen sind. Es braucht<br />

eine gute Mischung. Im Vordergrund sollte allerdings<br />

die Frage stehen, welche Qualifikationen<br />

eine Person mitbringt. Ich denke, es ist immer<br />

noch so, dass sich Frauen gewisse Funktionen<br />

nicht zutrauen. Quoten könnten dem etwas entgegensetzen.<br />

Sie könnten die Frauen darin unterstützen,<br />

sich mehr zuzutrauen. Zahlenmässig sind<br />

heute ja mehr Frauen akademisch ausgebildet<br />

als Männer.<br />

Sulzer: Es gibt aber auch gut ausgebildete<br />

Frauen, die sich entscheiden, ganz zu Hause zu<br />

bleiben. Natürlich ist es auch sehr fordernd, Vollzeitmutter<br />

zu sein, wenn man mehrere Kinder<br />

hat. Eine gute Ausbildung kommt einem auch da<br />

zugute. Wenn man mehrere Jahre ausschliesslich<br />

für seine Familie da ist, wird der Wiedereinstieg<br />

ins Berufsleben allerdings schwierig. Und meistens<br />

ist man ja nach etwa 15 Familienjahren noch<br />

jung genug, um wieder eine ausfüllende Tätig­<br />

keit zu suchen. Frauen müssen sich heute mehr<br />

überlegen, was sie wollen und was sie bereit sind,<br />

dafür einzusetzen.<br />

Sulzer Worlitschek: Im Berufsleben muss man<br />

sich behaupten. Man muss auch Kritik einstecken<br />

können.<br />

Hat der Entscheid einer Frau, nur Hausfrau<br />

und Mutter zu sein, nicht auch damit zu tun,<br />

welche Erfahrungen sie im Berufsleben macht?<br />

Sulzer: Natürlich. Es sind ja auch nicht alle<br />

Frauen gleich. Bei einigen hat der Beruf einen geringeren<br />

Stellenwert.<br />

Sulzer Worlitschek: Wer als Mutter berufstätig<br />

sein will, braucht die Unterstützung des Mannes.<br />

Sonst geht es nicht. Das Schöne ist doch, dass man<br />

sich heute für ein Modell entscheiden kann. Berufstätige<br />

Frauen müssen allerdings auch bereit<br />

sein, dem Mann Verantwortung abzugeben. Sie<br />

können sich nicht mehr um alles und jedes kümmern.<br />

Sie müssen Kontrolle abgeben. Das fällt<br />

nicht allen gleich leicht.<br />

In der Schweiz lohnen sich zwei Karrieren in<br />

einer Familie häufig nicht. Werden hier steuerlich<br />

falsche Anreize geboten?<br />

Sulzer Worlitschek: Ja. Bei uns ist es nicht gerade<br />

eine Nullrechnung. Doch wir haben hohe Betreuungskosten,<br />

die man sich auch leisten können<br />

muss. Hätten wir drei Kinder, wäre es günstiger,<br />

ich würde zu Hause bleiben. Vom Finanziellen her<br />

gibt es wenig Anreiz zu arbeiten.<br />

Müsste es einer Gesellschaft nicht auch etwas<br />

wert sein, dass gut ausgebildete Frauen der<br />

Wirtschaft nicht verloren gehen?<br />

Sulzer Worlitschek: Das finde ich, ja. Wenn man<br />

zusammenzählt, was die Betreuung kostet, bleibt<br />

vom zweiten Lohn nicht viel übrig. Es müsste<br />

finanziell attraktiver sein.<br />

Lassen Sie uns ein Fazit ziehen: Sind Frauen<br />

heute gleichberechtigt?<br />

Sulzer Worlitschek: Sie haben mehr Wahlmöglichkeiten.<br />

Mich stört es allerdings, wenn man<br />

immer nur von der Rolle der Frau spricht. Es geht<br />

auch um den Mann. Man sollte immer beide<br />

einbeziehen. Es geht um Rechte und Pflichten in<br />

der Familie – egal wie man sich aufteilt. Ohne<br />

einen Mann, der hinter mir steht, hätte ich kleinere<br />

Chancen, einen interessanten Beruf auszuüben.<br />

Sulzer: Im Grunde genommen muss jede Familie<br />

ihr eigenes Modell finden. Das ist eine individuelle<br />

Sache. Man kann die Stellung der Frau<br />

nicht verallgemeinern. Man hat mehr Möglichkeiten,<br />

aber man muss diese auch sehen und sie<br />

nutzen. Wenn ich zurückblicke, muss ich sagen,<br />

dass auch wir schon privilegiert waren, wenn ich<br />

mit meiner Mutter vergleiche. Ich hatte in meiner<br />

Rolle als Mutter eine sehr schöne Zeit.<br />

Sulzer Worlitschek: Man hat mehr Wahlmöglichkeiten,<br />

hat aber immer auch Kritiker. Das<br />

war früher anders. Wenn man das traditionelle<br />

Lebensmodell verfolgt hat, das gesellschaftlich<br />

akzeptiert war, wurde man nicht kritisiert. Nur:<br />

Man hätte es vielleicht gerne anders gehabt.<br />

Sulzer: Heute muss man sich so oder so rechtfertigen.<br />

Eine Frau, die nur Hausfrau ist, wird<br />

auch oft kritisiert ...<br />

Sulzer Worlitschek: ... und eine Frau, die arbeitet,<br />

muss sich rechtfertigen, dass sie nicht die ganze<br />

Zeit bei den Kindern ist.<br />

<strong>Die</strong> neuen Freiheiten bringen also auch<br />

Schwierigkeiten mit sich?<br />

Sulzer Worlitschek: Es ist nicht einfacher und<br />

nicht schwieriger geworden – es ist komplexer geworden.<br />

Zu den Namen<br />

Annegreth Sulzer war Lehrerin, bis sie 1968 heiratete<br />

und 1969 sowie 1971 jeweils Zwillinge<br />

bekam. Sie widmete sich in der Folge ganz<br />

ihrer Familie und dem Haushalt, während ihr<br />

Mann das eigene Sanitärgeschäft aufbaute<br />

und leitete. Im Jahr 1983 stieg Annegreth<br />

Sulzer in die Politik ein. Sie amtete neun Jahre<br />

lang als Schulrätin. Von 1991 bis 1997 stand sie<br />

zudem der FDP Stadt Schaffhausen als Präsidentin<br />

vor. Sie war Mitglied des Kantonsrats<br />

sowie des Grossstadtrats. Von 1992 bis 2003<br />

präsidierte sie die Winterhilfe Schaffhausen<br />

und wirkte im gesamtschweizerischen Vorstand<br />

mit. Annegreth Sulzer ist 69­jährig und<br />

lebt mit ihrem Mann in Schaffhausen. Sie ist<br />

Grossmutter von neun Enkeln. (eru)<br />

Sabine Sulzer Worlitschek ist promovierte Ingenieurin<br />

ETH und arbeitet 70 Prozent als<br />

Innovationsmanagerin beim Industriekonzern<br />

Sulzer. Sie ist im Bereich Pumpen tätig. Mit<br />

ihrem Mann und den Kindern Flurin (5) und<br />

Levi (3) lebt die 39­Jährige in Winterthur. Ihr<br />

Mann ist ebenfalls promovierter Ingenieur.<br />

Seit Flurin im Kindergarten ist, übernimmt<br />

ein Au­pair­Mädchen die Kinderbetreuung.<br />

Zuvor waren die beiden Brüder an drei Tagen<br />

pro Woche in einer Krippe. (eru)


54 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

LONGINES 1832 ❙ TISSOT 1853 ❙ FURRER-JACOT 1858 ❙ SN 1861 ❙ BREITLING 1884 ❙ EBEL 1911 ❙ LOUIS ERARD 1931 ❙ CORUM 1955 ❙ RADO 1957<br />

MAURICE LACROIX 1961 ❙ POLAR 1977 ❙ SWATCH 1983 ❙ THOMAS SABO 1984 ❙ ORLANDI 1988 ❙ VICTORINOX 1989 ❙ CHAMILIA 2001<br />

GEBALLTE 1250 JAHRE KOMPETENZ!<br />

<strong>Die</strong> Enklave<br />

Büsingen<br />

gratuliert und bedankt sich<br />

für die jahrzehntelange<br />

informative Berichterstattung.<br />

Ihr Volvo-Vertreter in der Region Schaffhausen<br />

GARAGE NORDSTERN AG<br />

Güterstrasse 10 • 8245 Feuerthalen • Telefon 052 647 66 47 • Fax 052 647 66 48 • www.nordstern.ch<br />

A1269194<br />

Das Ortsmarketing Neuhausen<br />

gratuliert den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

zum 150-Jahr-Jubiläum.<br />

150 JAHRE! DAS NORDSTERN-TEAM<br />

GRATULIERTHERZLICH!<br />

A1271382<br />

A1271781


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Gesellschaft 55<br />

Benito González kam 1971 als 17-Jähriger<br />

von Spanien in die Schweiz. Er fuhr mit<br />

dem Zug über Zürich nach Schaffhausen,<br />

wo er sich noch in der Schalterhalle einer ärztlichen<br />

Untersuchung unterziehen musste. Danach<br />

erhielt er einen Stempel auf seinen Arbeitsvertrag<br />

und wurde gleich am Bahnhof von seinem<br />

Arbeitgeber abgeholt. Er arbeitete in Schaffhausen<br />

zuerst für die Firma Seiterle. Dort belieferte<br />

er unter anderem Altstadtwohnungen mit schweren<br />

Säcken voller Kohle, die damals noch zum<br />

Heizen verwendet wurde. «Das klingt vielleicht<br />

etwas komisch, aber im Gegensatz zu vielen Kollegen<br />

machte ihm das Tragen der schweren Säcke<br />

Spass», sagt sein Sohn Marcos González, der heute<br />

zusammen mit seinem Onkel die Umzugsfirma<br />

Gebrüder Gonzalez AG leitet.<br />

Schieferstein<br />

<strong>Die</strong> Familie González stammt aus dem kleinen<br />

Dorf San Vicente in Galicien, im Nordwesten<br />

Spaniens. Als Benito González das Dorf verliess,<br />

lebten die Bewohner noch hauptsächlich von der<br />

Landwirtschaft. Inzwischen ist der Abbau von<br />

Schieferstein zu einem wichtigen Wirtschaftszweig<br />

geworden. Er wird nun von einem grossen<br />

Unternehmen mit viel Erfolg betrieben, doch hat<br />

die Schiefersteinindustrie die Idylle des kleinen<br />

Dorfes auch nachhaltig zerstört.<br />

Bereits sechs Jahre vor Benito war 1965 dessen<br />

älterer Bruder Antonio González zum ersten<br />

Mal in die Schweiz eingereist. Er arbeitete anfangs<br />

im Restaurant Fischerzunft, wo er Genauigkeit<br />

und Disziplin lernte. Später wechselte er zur<br />

Tanner Bauunternehmung AG, die unter anderem<br />

auch Umzüge durchführte. Dort leitete er bald das<br />

Zügelteam. Einige Jahre später wechselte auch<br />

Benito González in die Umzugsabteilung der<br />

Firma Tanner, wo die beiden Brüder schliesslich<br />

zusammenarbeiteten.<br />

Hunger<br />

Keiner der Brüder hatte ursprünglich vorgehabt,<br />

langfristig in die Schweiz auszuwandern.<br />

«Sie hatten vor, für drei Monate oder ein halbes<br />

Jahr herzukommen, um etwas Geld zu verdienen<br />

– nicht für 40 Jahre», sagt Marcos González. Wie<br />

viele andere Gastarbeiter wollten sie in kurzer<br />

Zeit vergleichsweise viel Geld verdienen und<br />

dann wieder zurück in ihre Heimat. Benito González<br />

blieb aber vor seinem ersten Heimatbesuch<br />

gleich ganze drei Jahre in der Schweiz.<br />

Der Zeitpunkt, selber zu Unternehmern zu<br />

werden, kam für die beiden Brüder im Jahre 1984,<br />

nachdem die Tanner AG Konkurs erklärt hatte.<br />

<strong>Die</strong> beiden Umzugsprofis, die sich einen guten<br />

Ruf erarbeitet hatten, entschieden<br />

sich, eigenständig mit dem<br />

Umzugsgeschäft fortzufahren.<br />

So wurde 1984 die Gebrüder<br />

Gonzalez als Kollektivgesellschaft<br />

gegründet. <strong>Die</strong> beiden<br />

Gründer begannen mit zwei<br />

Mitarbeitern, zwei Lastwagen<br />

und einem kleineren Möbelauto.<br />

<strong>Die</strong> ersten zwei Jahre<br />

der Firma waren wirtschaftlich<br />

nicht einfach, doch allmählich<br />

sprach sich die<br />

gute Qualität, welche der<br />

Betrieb bot, herum,<br />

und die Zahl<br />

der Auf-<br />

Eine Erfolgsgeschichte<br />

träge steigerte sich. Von Anfang an waren beide<br />

Brüder sparsam und erfolgsorientiert. «Wer Hunger<br />

hat, der leistet viel», sagt Marcos González.<br />

Familienunternehmung<br />

Im Jahr 2006 trat der damals 29-jährige Marcos<br />

González dem Unternehmen bei, um es in<br />

zweiter Generation weiterzuführen. Gleichzeitig<br />

wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.<br />

Immer noch hält aber die Familie González<br />

alle Anteile. Im letzten Mai wurde an der<br />

Tal strasse im Grubenquartier eine neu erbaute<br />

Zentrale mit Raum für Büros, ein modernes Möbellager<br />

und den angewachsenen Fuhrpark eingeweiht.<br />

Trotz ihrer hohen Funktionalität macht der<br />

Neubau den Erfolg des Unternehmens auch nach<br />

aussen hin sichtbar.<br />

Secondo<br />

Marcos González wurde in der Schweiz<br />

geboren. Da aber beide Eltern aus Spanien<br />

stammen, lebte er stets in beiden<br />

Kulturen und Sprachen. Im Gegensatz<br />

zum Secondo Marcos González<br />

haben die beiden Firmengründer,<br />

Einwanderer der ersten Generation,<br />

das Schweizerdeutsche nie perfekt<br />

erlernt. Ihre Integration verlief stets<br />

über ihre Leistung am Arbeitsplatz.<br />

«Sie haben von Anfang an so viel wie<br />

möglich gearbeitet», sagt Marcos González.<br />

Er besitzt derzeit noch einen Ausländerausweis,<br />

ist aber mit einer Schweizerin<br />

verheiratet und wird voraussichtlich<br />

in zwei Jahren den<br />

Schweizer Pass<br />

erhalten –<br />

und annehmen.<br />

«Mein<br />

Vater<br />

war mir<br />

stets ein<br />

klares Vorbild»,<br />

sagt<br />

Marcos González,<br />

«vor<br />

allem sein<br />

leiden-<br />

von Daniel Jung<br />

<strong>Die</strong> Zuwanderung hat die letzten Jahrzehnte stark geprägt – als zentrales politisches Thema und als alltägliche Erfahrung im geschäftlichen<br />

und privaten Umfeld. <strong>Die</strong> Geschichte der Umzugsfirma Gebrüder Gonzalez AG ist ein Beispiel für äusserst erfolgreiche Integration.<br />

Im Mai 2010 hat das Umzugsunternehmen an der Talstrasse eine moderne Zentrale eingeweiht. Bild Michael Kessler<br />

schaftliches Unternehmertum.» Marcos González<br />

war bei der Gründung der Gebrüder Gonzalez<br />

sieben Jahre alt und hat beobachtet, wie viel sein<br />

Vater in den Aufbau des Geschäfts investierte.<br />

Davon inspiriert, gründete der Sohn bereits als<br />

16-Jähriger mit dem Schaffhauser Kollegen Ingo<br />

Grünig eine Firma für Handzetteldruck, deren<br />

Schweizer Geschäft heute zur NZZ-Gruppe gehört.<br />

International beaufsichtigen González und<br />

sein Geschäftspartner die florierende Firma Maxiprint<br />

aber immer noch selbst. «Ich wollte mir selber<br />

etwas aufbauen», sagt González, «und nicht<br />

einfach der Papisohn sein.»<br />

Mit gesenkten Augen<br />

Schon im Jahr 1970 stimmten die Schweizer<br />

Wahlberechtigten über die von James Schwarzenbach<br />

angeführte erste Überfremdungs-Initiative<br />

ab. Sie verlangte eine Beschränkung der ausländischen<br />

Wohnbevölkerung auf 10 Prozent. Spätestens<br />

ab diesem Punkt war die Einwanderung in<br />

der Schweiz immer ein heisses politisches Eisen<br />

«Wir hatten zwischendurch schon<br />

auch immer wieder Schweizer<br />

eingestellt, aber entweder<br />

waren sie überqualifiziert, oder<br />

sie wollten nicht langfristig bleiben»<br />

gewesen. «Als mein Vater Anfang der Siebzigerjahre<br />

erstmals in die Schweiz kam, musste man als<br />

Italiener, Portugiese oder Spanier in der Öffentlichkeit<br />

noch vorsichtig sein», sagt Marcos González.<br />

Sein Vater habe sich stets Mühe gegeben,<br />

Konflikte zu vermeiden, und sei daher oft mit gesenkten<br />

Augen durch die Stadt gelaufen.<br />

Mitte der Achtzigerjahre habe sich in der<br />

Schweiz dann aber etwas verändert. «Es gab plötzlich<br />

eine gewisse Offenheit gegenüber dem Ausland<br />

und eine grössere Akzeptanz für Einwanderer»,<br />

sagt Marcos González. Obwohl es natürlich<br />

immer noch Schwierigkeiten gebe, sei das Leben<br />

der Einwanderer von da an einfacher geworden.<br />

«Trotzdem ist die Angst vor dem Fremden wohl<br />

einfach eine menschliche Konstante», vermutet<br />

González. <strong>Die</strong> politischen Auseinandersetzungen<br />

um das Ausländerthema seien ja auch nicht auf<br />

die Schweiz beschränkt. «Über die gleichen The-<br />

men wird auch in Italien und anderen Ländern<br />

gestritten», sagt er.<br />

Bünzli<br />

Vor einigen Jahren zog Benito González wieder<br />

nach Spanien zurück. Aus gesundheitlichen<br />

Gründen liess er sich frühpensionieren und erfüllte<br />

sich gleichzeitig den lange gehegten Traum,<br />

wieder im Heimatland zu leben. Auch sein Bruder<br />

wird nach der Pensionierung wieder nach Spanien<br />

ziehen, wie viele andere Spanier, die ihr Arbeitsleben<br />

in der Schweiz verbracht haben. Doch<br />

Benito González ist in der Schweiz zu tief verwurzelt,<br />

um ihr ganz den Rücken zu kehren. «Meine<br />

Eltern haben eine Ferienwohnung in Schaffhausen,<br />

und sie verbringen den Sommer hier, wenn es in<br />

Spanien allzu heiss ist», erklärt Marcos González.<br />

In Spanien sei dem Vater aber auch bewusst geworden,<br />

wie stark er sich doch an die Schweizer Mentalität<br />

gewöhnt habe: «Er entdeckte den Bünzli in<br />

sich und hat Mühe mit Dingen wie Verspätungen,<br />

welche die Spanier ganz locker nehmen.»<br />

Neue Zuwanderer<br />

In der Firma Gebrüder Gonzalez AG arbeiten<br />

heute 13 feste Mitarbeiter. Marcos González betont,<br />

dass die Firma nur selten Teilzeitkräfte<br />

einsetzt, sondern dass die Umzüge von geschulten<br />

und erfahrenen Profis durchgeführt werden.<br />

Unter den 13 Mitarbeitern befindet sich nur ein<br />

einziger mit schweizerischem Hintergrund, und<br />

der ist in leitender Funktion in der Administration<br />

tätig. «Wir hatten zwischendurch schon auch immer<br />

wieder Schweizer eingestellt», erklärt González,<br />

«aber entweder waren sie überqualifiziert,<br />

oder sie wollten nicht langfristig bleiben.» Vielen<br />

Schweizern sei es schnell zu viel geworden, wenn<br />

eine Umzugsmannschaft an einem Tag zwei komplette<br />

Umzüge durchführte. «Aber das ist unser<br />

Job», sagt González.<br />

Umzugsarbeit beinhaltet immer noch harte<br />

körperliche Arbeit. «Wir setzen zwar viel moderne<br />

Technik ein, aber es gibt immer noch keine<br />

Roboter, die Möbel zuverlässig und schnell durch<br />

Treppenhäuser befördern», sagt González. So<br />

sind auch die heutigen Mitarbeiter wiederum<br />

hauptsächlich Einwanderer: Albaner, Portugiesen,<br />

Italiener, Spanier oder Türken. Es gelinge den<br />

Einwanderern besser, den harten Job mit Würde<br />

zu machen. Dabei zahle die Firma aber sehr gute<br />

Löhne. «Das war meinem Vater immer ein grosses<br />

Anliegen», sagt González. «Wir müssen als Firma<br />

nicht mehr wachsen, aber wir haben unseren<br />

guten Ruf zu erhalten.»


56 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Das Sondermodell Polo Team.<br />

Mehr Ausstattung, mehr Innovation, mehr Luxus, mehr Komfort, mehr Sicherheit.<br />

Entdecken Sie die umfangreiche Serienausstattung im Polo Team wie das Radio-Navigationssystem RNS 310, die Klimaanlage “Climatronic”,<br />

das Winterpaket und viele weitere Extras. Und das zu einem Preis von 23’600 Franken * .ÜberzeugenSiesichjetztbeieinerProbefahrtbeiuns.<br />

Zusätzlich zu diesem Preisvorteil schenken wir Ihnen Sonderausstattungen im Wert von 1’500 Franken nach Ihrer Wahl. **<br />

* Polo Team 1.2 l, 70 PS, 5-Gang manuell, regulärer Fahrzeugpreis: Fr. 24’600.– inkl. Team-Paket. Preis Sondermodell: Fr. 23’600.–. Kundenvorteil: Fr. 1’000.–. Unverbindliche Preisempfehlung (inkl. 8% MwSt). ** Beim Kauf folgender Volkswagen Modelle können Sie<br />

(ob Privat- oder Flottenkunde) bis zum 30.6.2011 gratis Sonderausstattungen auswählen. Beim Fox im Wert von Fr. 1’000.–, beim Polo und CrossPolo im Wert von Fr. 1’500.–, bei allen Golf Modellen, beim Jetta, dem Scirocco, dem Eos, dem Tiguan, dem Touran, der Passat<br />

Limousine, dem Passat Variant und dem Passat CC im Wert von Fr. 2’000.–, beim Sharan im Wert von Fr. 2’500.–, beim Touareg und dem Phaeton im Wert von Fr. 5’000.– (sämtliche Beträge inkl. Mehrwertsteuer).<br />

AMAG RETAIL Schaffhausen<br />

Spitalstrasse 27, 8201 Schaffhausen, Tel. 052 630 55 55, www.schaffhausen.amag.ch<br />

A1271706<br />

Unser Vertriebspartner in der Region:<br />

Wesag Auto AG, 8197 Rafz<br />

Preisvorteil bis<br />

Fr. 1’000.– *<br />

'�6 16+89��/6/2 ./2<br />

#-�+00�+97/6 +-�6�-�8/2<br />

�9� ��+�6��9,���9�<br />

92. ;P27-�/2 ;/�8/6��2<br />

:�/� 603�1<br />

Das Schaffhauser Fernsehen gratuliert den SN<br />

herzlich zum 150. Geburtstag.<br />

www.shf.ch<br />

A1271575<br />

A1272030


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Gesellschaft 57<br />

Bild Rolf Wessendorf<br />

Viele Städte sind entstanden, weil sie an günstigen Plätzen für den Handel standen.<br />

Es gibt wenig, was auch heute noch so zu einem Stadtbild gehört, wie ein lebendiger Markt.<br />

Er ist, nicht nur für Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt, ein Anziehungspunkt geblieben<br />

wie eh und je – mindestens so sehr als Treffpunkt wie als Einkaufsgelegenheit.


58 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Ist es nicht erstaunlich,<br />

dass jeden Tag<br />

genau so viel passiert,<br />

wie in die<br />

Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

passt und wir<br />

von den Städtischen Werke<br />

genau so viel Energie liefern,<br />

wie die Herstellung<br />

der Zeitung benötigt?<br />

Wir freuen uns darauf,<br />

den Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

auch in Zukunft<br />

ein guter Lieferant für Energie<br />

und hie und da<br />

für eine (möglichst positive)<br />

Schlagzeile zu sein.<br />

Liebe SN, wir wünschen Euch<br />

zum runden Geburtstag<br />

auch in Zukunft<br />

viel Intelligenz im Blatt!<br />

Herzlich, Ihre<br />

A1268602<br />

Immer 30 Polstergruppen<br />

viele Gesundheitsmatratzen usw.<br />

Kompetente Fachberatung<br />

1935–2010<br />

beeindruckend<br />

KUHN<br />

DRUCK<br />

... mehr als drucken!<br />

www.shlz.ch<br />

Seit 142 Jahren lokal!<br />

<strong>Die</strong> Schaffhauser Landzeitung gratuliert der SN zum 150sten!<br />

Wir sind und bleiben im Grünen! im App-Store<br />

stamm+co. AG, Grafisches Unternehmen Hofwiesen 6<br />

8226 Schleitheim<br />

Exklusive Modelle<br />

Grosse<br />

Auswahl<br />

aus<br />

Designer-Linie<br />

Kindler Möbel auf 3 Etagen<br />

Inh. H. Knuchel, Schaffhauserstr. 238, 8222 Beringen-Engebrunnen, Tel. 052 685 19 58<br />

Mo 14–18.30 Uhr, Di–Fr 9.30–12 Uhr, 14–18.30 Uhr, Sa 9.30–16 Uhr<br />

Gratis-Lieferung • Gratis-Entsorgung • Gratis-Lieferung • Gratis-Entsorgung • Gratis-Lieferung<br />

seit über 75 Jahren sind wir<br />

Herzliche Gratulation<br />

zum Jubiläum «150 Jahre<br />

Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong>»<br />

Kuhn-Druck AG · Grafischer Betrieb<br />

8212 Neuhausen am Rheinfall<br />

www.kuhndruck.ch<br />

A1271068<br />

A1271547<br />

A1270626<br />

www.stammco.ch Verlag Schaffhauser Landzeitung<br />

www.shlandzeitung.ch info@shlandzeitung.ch<br />

A1270455


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Gesellschaft 59<br />

Wenn es in den vergangenen Jahren im<br />

Schulwesen des Kantons eine Kon stante<br />

gab, dann war es die Inkonstanz. In den<br />

verschiedensten Bereichen gab es Änderungen:<br />

Kinder, Lehrerschaft und Eltern, aber auch die<br />

Schulbehörden sahen sich mit Reformen aller Art<br />

konfrontiert. <strong>Die</strong> Gründe dafür lagen nicht primär<br />

im Kanton, sondern im allgemeinen gesellschaftlichen<br />

Wandel. <strong>Die</strong> Welt änderte sich in einem<br />

immer schnelleren Tempo, und die Schule versuchte<br />

zu folgen, und das nicht immer erfolgreich.<br />

Da gab es die PISA­Tests, und plötzlich sahen sich<br />

die Schaffhauser Schulkinder im Vergleich mit<br />

ihren finnischen Altersgenossinnen und ­genossen<br />

und mussten feststellen, dass dieser (vorerst)<br />

nicht zu ihren Gunsten ausfiel. Da waren die<br />

Stimmen aus der Wirtschaft, die Kinder müssten,<br />

um im globalen Wettbewerb bestehen zu können,<br />

möglichst früh Englisch lernen. Da gab es, nachdem<br />

in den Neunzigerjahren das alte Jugoslawien<br />

in einem blutigen Bürgerkrieg untergegangen<br />

war, vor allem in städtischen Gemeinden viele<br />

Kinder, die Deutsch weder sprachen noch verstanden<br />

und einen anderen kulturellen Hintergrund<br />

hatten. Da waren immer mehr Eltern, deren Ansprüche<br />

an die Schule umgekehrt proportional<br />

zur eigenen Bereitschaft, ihre Kinder zu erziehen,<br />

zunahmen. <strong>Die</strong> Schule versuchte, sich den neuen<br />

Gegeben heiten anzupassen, und sie tat das zuerst<br />

an der Front, das heisst in den einzelnen Gemein­<br />

den. Dort fragte man sich zum Beispiel, was mit<br />

den Kindern geschehen sollte, die sich nicht mehr<br />

oder weniger problemlos in den Schulalltag einfügten.<br />

Es waren zu viele, um sie einfach in die<br />

Sonderklassen abzuschieben, vor allem auch<br />

dar um nicht, weil der Kanton Schaffhausen mit<br />

seinem Anteil an Sonderschülerinnen und<br />

­schülern schweizweit bereits eine führende Stellung<br />

innehatte. Also wurde versucht, diese Kinder<br />

in die Regelklassen einzugliedern, und zwar im<br />

Rahmen der Integrativen Schulungsform (ISF).<br />

Stein am Rhein etwa begann damit um die Jahrtausendwende,<br />

und als das Volk im September<br />

2005 über einen Kredit für die ISF abstimmen<br />

musste, war diese bereits so gut verankert, dass<br />

eine Mehrheit Ja sagte. Gleichzeitig erfolgte auch<br />

die Zustimmung für die Kredite für teilautonom<br />

geleitete Schulen (TAGS) auf der Primar­ und der<br />

Oberstufe. <strong>Die</strong>se waren eingeführt worden mit<br />

dem Ziel, die Lehrkräfte von der stark zunehmenden<br />

Administration zu entlasten und sie wo immer<br />

möglich und nötig zu unterstützen.<br />

Unbehagen kristallisierte sich in Initiative<br />

Nicht nur in Stein am Rhein, sondern auch in<br />

anderen Gemeinden des Kantons waren ISF und<br />

geleitete Schulen ein Thema. Gleichzeitig stieg<br />

aber nicht zuletzt auch bei der Lehrerschaft das<br />

Unbehagen gegenüber den zusätzlichen Forderungen,<br />

die an die Schule gestellt wurden. An<br />

der Einführung des Frühenglischen in der Primarschule<br />

kristallisierte sich dieses Unbehagen,<br />

und zwar in der Volksinitiative «Nur eine Fremdsprache<br />

in der Primarschule», die vorwiegend aus<br />

Lehrerkreisen gestartet worden war. Nach einem<br />

heftigen Abstimmungskampf lehnte sie das Volk<br />

im Februar 2006 knapp ab, 23 Gemeinden stimmten<br />

ihr aber zu.<br />

<strong>Die</strong> Schule im Wandel<br />

Schon lange vorher war der Ruf erschallt, dem<br />

durch die verschiedenen Reformen entstandenen<br />

Flickenteppich im Erziehungswesen sei ein für<br />

alle verbindliches Einheitsgewand gegenüberzustellen,<br />

und zwar in Form eines neuen Schulgesetzes.<br />

Bereits Anfang des Jahrtausends waren<br />

dazu die ersten Vorbereitungsarbeiten in Angriff<br />

ge nommen worden, und das Teilprojekt Bildung<br />

im Rahmen des Reformprojekts «sh.auf» verriet,<br />

in welche Richtung die Reise gehen sollte. Entsprechend<br />

sah der Entwurf für das neue Schulgesetz<br />

aus, der im November 2005 veröffentlicht<br />

wurde: Der Kanton sollte in sechs Schulkreise<br />

aufgeteilt werden, jeweils geleitet von einem<br />

Schulrat und einem Schulleiter. Seinen finanziellen<br />

Beitrag wollte der Kanton neu über eine<br />

Schülerpauschale leisten. Dazu kamen weitere<br />

Neuerungen wie etwa zwei Jahre obligatorischer<br />

Kindergarten.<br />

«<strong>Die</strong> grössten Umwälzungen im Schulwesen<br />

seit 100 Jahren», wie in dieser Zeitung zu lesen<br />

war, gerieten schon in der Vernehmlassung in die<br />

Kritik, die sich später fortsetzte. <strong>Die</strong> Kommission<br />

des Kantonsrats, die das Schulgesetz vorzuberaten<br />

hatte, brauchte dafür ein gutes Jahr und stand<br />

mehrmals kurz vor dem Scheitern. Streitpunkte<br />

waren die Schulkreise, aber auch etwa die Streichung<br />

der Ortszulage für die Lehrkräfte. <strong>Die</strong> Beratungen<br />

im Kantonsrat brachten auch keine<br />

Verbesserungen, das Parlament verlor sich vor<br />

allem in Organisationsfragen, so etwa in jener,<br />

ob die Schulräte eines Schulverbandes vom Volk<br />

gewählt oder aus den Schulreferenten der jeweiligen<br />

Gemeinden bestehen sollten. Zudem war es<br />

gelungen, die Lehrkräfte, denen die Ortszulage<br />

definitiv gestrichen worden war, wie den unteren<br />

von erwin künzi<br />

Der wandel in der Gesellschaft wirkte sich in den vergangenen Jahren auch auf die Schule aus, was im Kanton Schaffhausen<br />

auf der politischen Ebene zu einigen heiss umkämpften Volksabstimmungen führte.<br />

«Da waren die Stimmen<br />

aus der Wirtschaft, die Kinder<br />

müssten, um im globalen<br />

Wettbewerb bestehen zu können,<br />

möglichst früh Englisch lernen.<br />

Da waren immer mehr Eltern,<br />

deren Ansprüche an die Schule<br />

umgekehrt proportional zur<br />

eigenen Bereitschaft, ihre Kinder<br />

zu erziehen, zunahmen»<br />

<strong>Die</strong> Schule in der guten alten Zeit, die so gut auch nicht immer war, ist längst Vergangenheit – die Ansprüche sind gewachsen. Bild Key<br />

«<strong>Die</strong> grössten Umwälzungen<br />

im Schulwesen seit 100 Jahren»,<br />

wie in dieser Zeitung zu lesen<br />

war, gerieten schon in der<br />

vernehm lassung in die Kritik,<br />

die sich später fortsetzte.<br />

Kantonsteil, dem eine eigene Oberstufe verunmöglicht<br />

worden war, nachhaltig zu verärgern.<br />

Zudem waren vielen, so auch der Redaktion dieser<br />

Zeitung, die neue Organisationsform und die<br />

damit verbundene Schulbürokratie nicht geheuer,<br />

und als der 8. Februar 2009, der Abstimmungstag,<br />

heranrückte, kam es, wie es kommen musste: <strong>Die</strong><br />

vielen Hunde waren des Hasen Tod, oder anders<br />

gesagt: <strong>Die</strong> Gegner, die aus verschiedenen Gründen<br />

das Schulgesetz ablehnten, waren so zahlreich,<br />

dass eine Mehrheit von über 70 Prozent des<br />

Stimmvolkes nichts von dem neuen Gesetz wissen<br />

wollte.<br />

<strong>Die</strong> Regierung versuchte, den Scherbenhaufen<br />

aufzuräumen; die Folgen des Neins bekamen auch<br />

verschiedene Gemeinden zu spüren, die gehofft<br />

hatten, ihre Schulversuche auf der Grundlage des<br />

Schulgesetzes in ein Definitivum überführen zu<br />

können. Heute ist allen klar, die im Bildungswesen<br />

aktiv sind, dass Handlungsbedarf besteht. Dem<br />

Wandel in der Schule soll jetzt nicht mit einem<br />

grossen, sondern mit vielen kleinen gesetzlichen<br />

Schritten Rechnung getragen werden. So hat die<br />

Regierung eine Vorlage zur flächendeckenden<br />

Einführung von geleiteten Schulen in den Kantonsrat<br />

gebracht, wo zurzeit eine Kommission<br />

darüber brütet.<br />

Einfacher dürften Entscheide im Bildungswesen<br />

auch in Zukunft nicht werden, ist dieses doch<br />

neuerdings ins Visier der Parteipolitik geraten<br />

(siehe auch Artikel über die HarmoS­Abstimmung).<br />

Trotzdem muss sich die Gesellschaft darüber<br />

klar werden, wie sie mit dem Wandel im<br />

Schulwesen umgehen will.<br />

Der kampf um die Schule <strong>Die</strong> HarmoS-Abstimmung<br />

<strong>Die</strong> verschiedenen Auffassungen, was Schule ist<br />

und sein soll, prallten im Kanton Schaffhausen<br />

exemplarisch im Abstimmungskampf um den<br />

Austritt aus dem HarmoS­Konkordat aufeinander.<br />

<strong>Die</strong>sem Konkordat, das im Schulwesen<br />

gesamtschweizerisch gewisse Eckwerte, etwa<br />

zur Dauer des Kindergartens, vorgeben will,<br />

war der Kanton Schaffhausen bereits 2007 als<br />

erster beigetreten. <strong>Die</strong> Ziele des Konkordats –<br />

die Mobilität innerhalb der Schweiz in Sachen<br />

Schule zu erleichtern – waren dabei so überzeugend,<br />

dass der Entscheid des Kantonsrats pro<br />

HarmoS einstimmig ausfiel.<br />

Der Beitritt zu HarmoS war also beschlossene<br />

Sache, als eine Privatperson ankündigte,<br />

sie wolle eine Initiative zum Austritt aus HarmoS<br />

starten. Lange Zeit geschah nichts, bis sich die<br />

kantonale SVP der Sache annahm und ihr Schub<br />

verlieh. Sie tat dies auf Anweisung der schweizerischen<br />

Parteizentrale, die mit der Ablehnung<br />

von HarmoS ein Exempel statuieren und im<br />

Kampf um die Schule ein Zeichen setzen wollte:<br />

<strong>Die</strong> traditionelle, bewährte Schule im Sinne der<br />

SVP sollte vor der HarmoS­Schule der linken<br />

Bürokraten geschützt werden. Dabei sollte der<br />

Kanton Schaffhausen eine wichtige Rolle spielen:<br />

Sollte es gelingen, einen Kanton, der den<br />

Beitritt zu HarmoS bereits beschlossen hatte,<br />

wieder zum Austritt zu bewegen, war die Chance<br />

gut, HarmoS gesamtschweizerisch zu Fall zu<br />

bringen.<br />

Entsprechend wurde der Abstimmungskampf<br />

im Vorfeld des 28. November 2010, des<br />

Abstimmungstags, geführt. Schon früh fluteten<br />

die HarmoS­Gegner die Leserbriefspalten, die<br />

Befürworter brauchten eine gewisse Anlaufzeit,<br />

bis sie erwachten und reagierten. Dabei<br />

wurde rasch klar, dass es einmal mehr um eine<br />

Stellvertreterabstimmung ging, also nicht um<br />

gewisse Eckwerte der Harmonisierung, sondern<br />

darum, wie die Schule zu gestalten sei. So brachten<br />

die Gegner unter anderem die integrierte<br />

Schulform und geleitete Schulen ins Spiel,<br />

obwohl diese mit HarmoS nichts zu tun hatten.<br />

In den Tagen und Wochen vor dem Entscheid<br />

wurde um jede Stimme gekämpft. Und da es<br />

sich für die SVP um einen nationalen Testlauf<br />

handelte, tauchten auch schweizerische SVP­<br />

Parteigrössen wie Ulrich Schlüer in Schaffhausen<br />

auf und verteilten auf dem Fronwagplatz<br />

Flugblätter. Entsprechend knapp fiel am 28. November<br />

das Resultat aus: Mit 15 170 zu 14 174<br />

Stimmen lehnte das Schaffhauser Stimmvolk<br />

den Austritt aus HarmoS ab. (ek)


60 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Im Sommer<br />

zur Kühlung<br />

ein Bad?<br />

Ob Wellness, Designbad oder eine<br />

Umgestaltung Ihres Bades, bei uns<br />

sind Sie an der richtigen Adresse.<br />

Wir beraten Sie gerne.<br />

Auf Ihren Wunsch übernehmen wir auch<br />

die gesamte Koordination des<br />

Umbaus mit den anderen Handwerkern.<br />

Gottfried Schlatter GmbH<br />

Sanitäre Installationen / Heizungsanlagen<br />

www.goepf.ch, 8231 Hemmental, Tel. 052 685 40 88<br />

Zum Jubiläum<br />

150 Jahre Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

(gegründet 1861)<br />

A1261067<br />

gratulieren wir unserer Klientin Meier + Cie AG<br />

und freuen uns auch über künftige, interessante <strong>Nachrichten</strong> aus Schaffhausen<br />

ORTAG, Organisations-, Revisions- und Treuhand AG<br />

(gegründet 1946)<br />

Birmensdorferstrasse 123, Postfach 8722, CH-8036 Zürich/Switzerland<br />

Telefon +41 (0)44 457 22 22, Fax +41 (0)44 457 22 21<br />

ortagtreuhand@ortag.ch<br />

A1271742<br />

Wir gratulieren den Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

zum 150-Jahr-Jubiläum! SSI SCHÄFER, Ihr Komplettanbieter für<br />

Lager- und Logistiksysteme.<br />

SSI SCHÄFER AG · 8213 Neunkirch<br />

www.ssi-schaefer.ch<br />

A1271598<br />

A1267780


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Gesellschaft 61<br />

Immer auf Sendung<br />

von Robin blanck<br />

<strong>Die</strong> permanente Erreichbarkeit hat mit den Mobiltelefonen Einzug in unser Leben gehalten: Vorab die junge Generation nutzt<br />

diese Kanäle intensiv, wie der gesammelte SMS-Verkehr der 17-jährigen Schaffhauserin Lucia Gugerli beweist. Protokoll eines Wochenendes.<br />

09.04.2011 02:06<br />

Hey lucy. Bi inre halb stund in<br />

schaffhuse bitte seg mir,<br />

dass no unterwegs bisch.<br />

09.04.2011 14:40<br />

ne, mir sind bim amsi, hend<br />

grad omelette gesse und etz<br />

gnüssemo dsunne<br />

09.04.2011 16:19<br />

Du bella, wenn du zrugg<br />

bisch vo zh tätsch de buebe<br />

no nassfuetter gä? troche<br />

hends gnueg. knuddel mama<br />

09.04.2011 19:18<br />

halb 10ni lindli summerlust..<br />

09.04.2011 19:20<br />

jo hesch du e analogi? Ich<br />

frög no de fäbsel<br />

jooo! du au?? xxx<br />

09.04.2011 19:22<br />

09.04.2011 19:26<br />

nee war seit Donnerstag<br />

nicht mehr zu hause und<br />

immer unterwegs muss mich<br />

echt mal hinlegen. aber<br />

sonstmal wieder gerne<br />

frag simoon! Haha ;) ich freu<br />

mich auf heute/morgen<br />

09.04.2011 02:37 an Truki<br />

jo im tabaco chum!!<br />

09.04.2011 14:38 an Truki<br />

Sind ihr z Züri hüt mittag?<br />

09.04.2011 18:51 an Stefi<br />

Schnecke, wenn wo?<br />

09.04.2011 19:19 an Miriam<br />

Ehm föck mir münd no<br />

irgendwie e kamera uftribe<br />

für morn, mini digital spiegelreflex<br />

isch kaputt! usser du<br />

willsch alli analog mache?<br />

09.04.2011 19:21 an Miriam<br />

han e geili analogi spiegelreflex,<br />

chönted en s/w film<br />

ietue findi e schöner für akt.<br />

nocher no im tap?<br />

09.04.2011 19:24 an Miriam<br />

Jep, bi etz no im zug vu züri,<br />

d ste wott ersch am halb 10i<br />

abmache, gosch vorher irgend­<br />

wo here? bisschn trinken?<br />

coolio<br />

09.04.2011 21:23<br />

he mir isch da egal seisch en<br />

gruess de audrey..<br />

09.04.2011 23:04<br />

Hey lucy. Bisch hüt obed no in<br />

sh unterwegs? Bitte seg jo<br />

10.04.2011 01:05<br />

10.04.2011 10:26<br />

hey bella, wie isch gsi bi dere<br />

stylistin? Wa hesch so alles<br />

gmacht? du weg dim geburi,<br />

de chris schafft hald am mi<br />

obig bis am 6si, da langet<br />

nümm zum uf sh zcho..<br />

isches okey wen du eifach<br />

mol wider uf zh chunsch so<br />

über ostere oder so wer no<br />

cool! Dicke knuddel<br />

10.04.2011 13:40<br />

Woow tönt ja mega cool!<br />

musch üs denn no gnauers<br />

verzelle.. d mami hett mol<br />

erwähnt das du gern e neui<br />

kamera wilsch uf de geburi,<br />

mir würed susch eifach öppis<br />

draa härä stüüre, oder hesch<br />

en andere wunsch? knuddel<br />

10.04.2011 15:46<br />

okk, lieg grad no nackt im vincent<br />

bett aber sett lange mit<br />

de zit. hahah warst du im tab?<br />

hab dich nirgends gesehen<br />

10.04.2011 16:38<br />

nim a du hegsch bi de ele<br />

pfuset? chume öppe am 6i<br />

hei tät dänn znacht mache..<br />

bis spöter mama<br />

09.04.2011 19:30 an Stefi<br />

houu wa machsch vorher mir<br />

isch sicher langwilig bis denn<br />

09.04.2011 21:01 an Stefi<br />

he büsi wersch fest bös weni<br />

trotzdem in ZH in usgang<br />

gengti? het so bock uf die<br />

wasserpistole party!<br />

scheisse maaaann<br />

10.04.2011 1:01 an Truki<br />

nee in Züri bim felix mitem<br />

lukas undem nici am scrabble<br />

spiele und wii trinke<br />

10.04.2011 1:53 an Mom<br />

Hani gmacht, und sind denn<br />

glich wieder nach züri in<br />

Usgang. kuss<br />

10.04.2011 11:54 an Elena<br />

Ciao bella! mega cool, schaff<br />

etz glaub längerfristig für<br />

ihres label, so vintage online<br />

verchauf! he isch kei problem<br />

wegem bday, chum eu gern<br />

go bsueche. kussss<br />

10.04.2011 13:45 an Elena<br />

Jep weiss selber nanid<br />

gnäuers aber wird glaub<br />

cool! ja da isch super wegm<br />

gschenk, merci! kuss<br />

10.04.2011 15:44 an Miriam<br />

Chum so am 5i zu mir ok?<br />

10.04.2011 15:50 an Miriam<br />

Ja he mach der ken stress<br />

haha, bi no in ZH und mus<br />

an HB cho aber alles spinnt<br />

wegem 6i lüte!<br />

Lucia<br />

Kollege Truki<br />

Mutter «Mom»<br />

10.04.2011 17:05<br />

I go to the esso an then i<br />

walk through the promenade<br />

into your house. xxx<br />

10.04.2011 17:08<br />

Etz hani grad de verschwitzti<br />

ken gse hahahah.<br />

10.04.2011 19:01<br />

Hey Lucy, und gester no en<br />

schöne obed gha? Chunsch<br />

no chli id fluba?<br />

10.04.2011 19:24<br />

scrabblen auf leichtem rotweinschaum<br />

bei dir, durch<br />

reizüberflutung hervorgerufenes<br />

bilderraten in der oralen­diarrhö­duft­disko<br />

bei<br />

mir. Das nenn ich ein gelungenes<br />

Wochenende!<br />

10.04.2011 21:03<br />

hahaha 5 chinder gsend mich<br />

nackt. yuhhee<br />

10.04.2011 21:07<br />

Bösi aber richtigi Lucia. Bin<br />

stolz auf dich.<br />

10.04.2011 21:08<br />

Hat jemand meinen guten<br />

einfluss gesehen? Bräuchte<br />

ihn dringendst wieder..<br />

10.04.2011 19:24 an Stefi<br />

du bisch mini heldin<br />

10.04.2011 21:05 an Miriam<br />

ha em simon gad irgendwie<br />

klar gmacht das da glaub nüt<br />

wird.. de arm.<br />

10.04.2011 21:12 an Miriam<br />

Wahrscheinlich hast du ihn<br />

gestern mit deinem höschen<br />

zusammen abgelegt..<br />

Freundin Stefi<br />

Freundin Miriam<br />

Schwester Elena


62 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

150 Jahre Intelligenzblatt<br />

für Schaffhauser<br />

130 Jahre Intelligenzblatt<br />

für Kinder<br />

Herzlichen Glückwunsch den Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

zum 150-Jahr-Jubiläum und weiterhin viel Erfolg!<br />

www.post.ch<br />

Franz Carl Weber gratuliert den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» zum<br />

150. Geburtstag. Wir wissen,<br />

Tradition und intelligenter Lesestoff<br />

zahlen sich aus. Schliesslich<br />

feiern auch wir: Vor 130 Jahren<br />

wurde Franz Carl Weber gegründet<br />

und seither erscheinen die beliebten<br />

Kataloge mit «dem Besten,<br />

Neusten und Schönsten».Was<br />

immer der Spielwarenhandel<br />

anzubieten hatte: In den Franz Carl<br />

Weber Katalogen war stets das<br />

aktuelle Angebot aufgeführt.<br />

Frohes Jubiläum allerseits!<br />

Herzlich Willkommen bei<br />

Franz Carl Weber<br />

Fronwagplatz 13, 8200 Schaffhausen,<br />

www.fcw.ch<br />

Der Tradition eine Zukunft geben.<br />

A1271246


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Gesellschaft 63<br />

Das digitale Kinderzimmer<br />

Es sieht ziemlich nach Flower-Power aus, das<br />

Logo der Hot-Wheels-Spielzeugautos. <strong>Die</strong><br />

geschwungene Flamme mit dem gelben<br />

Schriftzug hätte auch einem VW Bulli am Woodstock-Festival<br />

gut angestanden. Zufall ist das<br />

nicht, die «heissen Räder» (so hiessen die Autos<br />

im Massstab 1:64 in Deutschland anfänglich<br />

tatsächlich) kamen im Flower-Power-Jahr 1968<br />

auf den Markt. Und sie eroberten die Welt: Über<br />

drei Milliarden Stück sollen bis heute verkauft<br />

worden sein, sagt Herstellerin Mattel, jeder Knabe<br />

zwischen drei und zehn Jahren besitze im Schnitt<br />

50 Fahrzeuge. Das teuerste Stück wurde im Jahr<br />

2000 für 72 000 Dollar an einen Sammler verkauft:<br />

natürlich ein VW-Bus mit Surfbrettern, komplett<br />

mit Blumen-Aufklebern, produziert im Jahr 1969.<br />

Im Herbst dieses Jahres will Mattel nun ein<br />

ganz spezielles neues Modell auf den Markt bringen,<br />

den Hot-Wheels-Video-Racer. Mit dem Blümchen-Bus<br />

von 1969 hat dieses Auto nichts mehr<br />

gemein, nicht nur, weil es eher aussieht wie das<br />

BatMobil. Das Besondere am neuesten Miniflitzer<br />

ist eine eingebaute Videokamera. Wo bei anderen<br />

Autos der Kühlergrill sitzt, hat der Video Racer<br />

eine Linse. Fahrten bis zu zwölf Minuten Länge<br />

können aufgenommen werden. <strong>Die</strong> tollkühnen<br />

Abenteuer kann der kleine Filmemacher dank<br />

dem LCD-Screen auf der Unterseite des Autos auf<br />

dem Schulhof herumzeigen. Was aufgezeichnet<br />

wird, kann über ein USB-Kabel auf den Computer<br />

geladen und mit der mitgelieferten Software geschnitten<br />

werden. Im Set enthalten sein wird auch<br />

eine Halterung, damit das Auto am Skateboard-<br />

oder Fahrradhelm befestigt werden kann.<br />

Für Mattel ist die Kombination eines traditionellen<br />

Spielzeugs mit einer Videokamera nicht<br />

neu: Schon seit einiger Zeit gibt es eine Video-<br />

Barbie. Beim Video-Girl, so der offizielle Name,<br />

sitzt die Linse auf der Brust der Puppe, geschickt<br />

kaschiert als Teil der Halskette. Auf dem Rücken<br />

ist der LCD-Screen angebracht, gleich darunter<br />

sitzt ein USB-Anschluss, die Batterien sind in den<br />

Oberschenkeln versteckt.<br />

Viel Technik für wenig Geld<br />

Noch nie war das Kinderzimmer so digital wie<br />

heute. Und noch nie gab es so viel Technik für so<br />

wenig Geld. Eine Ausrüstung, die früher Zehntausende<br />

von Franken kostete, wie eine winzig<br />

kleine Videokamera und ein Farbbildschirm, ist<br />

inzwischen so günstig geworden, dass sie in Spielzeugautos<br />

oder Puppen eingebaut werden kann.<br />

Der Video Racer soll für ganze 60 Dollar auf den<br />

Markt kommen, Video-Barbie stakst bereits für<br />

52,99 Dollar in Mädchenzimmer.<br />

Wo eine technische Innovation Einzug ins<br />

Spielzimmer hält, liegt die Moralkeule nie weit<br />

entfernt. <strong>Die</strong>ses Elektronikzeugs sei ungesund<br />

(Plastikausdünstungen! Elektrosmog!) und umweltschädlich<br />

(Elektroschrott!), wird oft argumen-<br />

tiert. Ironie des heutigen Rechtssystems: <strong>Die</strong> Herstellerin<br />

des Video Racer wird wohl an vorderster<br />

Front vor ihrem eigenen Produkt warnen: Das<br />

Teil wird wahrscheinlich von einer hundertseitigen,<br />

kleingedruckten Schrift aus der Feder eines<br />

sammelklagengestählten Rechtsanwalts begleitet<br />

werden («Das ist kein medizinisches Instrument.<br />

Nicht schlucken. Nicht für Darmspiegelungen geeignet.<br />

Kein richtiges Auto. Nicht auf Autobahnen<br />

verwenden»).<br />

Vor allem aber werden Kritiker solcher Spielzeuge<br />

ins Feld führen, digitale Produkte zerstörten<br />

die kindliche Fantasie. <strong>Die</strong>ser Vorwurf ist so<br />

alt wie die Digitalisierung selbst – oder, präziser,<br />

wie die Elektrisierung. «X brät das kindliche<br />

Hirn» gilt, je nach Generation, für das Radio, das<br />

Fernsehen, Pac Man, den Commodore C-64, die<br />

Sega Megadrive, die Sony Playstation, den Nintendo<br />

Gameboy, das Internet, den iPod und das<br />

iPad – Beweise dafür gibt es aber kaum.<br />

Tatsächlich sind digitale Spielzeuge nicht per<br />

se gut oder schlecht. Viele sind einfach Adaptionen<br />

von bekannten und bewährten alten Spielen.<br />

Für das iPad zum Beispiel gibt es die guten alten<br />

Memory-Spiele, auf dem iPhone kann man eine<br />

Puppe anziehen oder Puzzles zusammenstellen.<br />

Schlimm daran ist nichts. Für die Umwelt ist es<br />

wohl sogar besser, hunderttausend Puzzles digital<br />

zu vertreiben, als die gleiche Anzahl aus Holz<br />

oder Karton an die Kunden zu bringen. Das Gleiche<br />

gilt für MP3-Spieler wie den iPod. Musik muss<br />

nicht mehr physisch auf einer CD vertrieben werden,<br />

sondern kann über das Internet heruntergeladen<br />

werden. <strong>Die</strong> Inhalte aber sind nicht anders<br />

als vor 40 Jahren auch. Ob man den Kleinen<br />

«d Schlieremer Chind – mir gönd in Zoo» von der<br />

Langspielplatte oder digitalisiert vorspielt, ist<br />

ihnen vollkommen egal. Für das iPad wiederum<br />

kann man die aktuellen Folgen von «Käptn Blaubär»<br />

oder der «Sendung mit der Maus» herunterladen,<br />

völlig kostenlos.<br />

Bei den obligatorischen Kindersitzen fürs Auto<br />

gibt es inzwischen Modelle, die in der Kopfstütze<br />

Lautsprecher eingebaut haben, man braucht den<br />

iPod oder das iPad nur noch anzuschliessen. Wer<br />

schon mal auf einer fünfstündigen Autofahrt<br />

dreissig Mal den Chasperli hören musste und<br />

beim nächsten «Tri tra trallala» am liebsten in<br />

einen Baum gedonnert wäre, weiss, dass eine<br />

Erfindung wie ein Kindersitz mit Lautsprechern<br />

sogar sehr gut ist für die seelische und körperliche<br />

Gesundheit der ganzen Familie.<br />

«Geschenk für Pädophile»<br />

Spielzeuge wie das Video-Girl schüren aber<br />

noch andere Ängste. «Barbie mit Videokamera:<br />

Geschenk für Pädophile», titelte die britische<br />

«Sun» im letzten November. Kinderschutzexperten<br />

befürchteten, die Filme, welche auch auf das<br />

Internet gestellt werden können, würden von<br />

Pädophilen heruntergeladen werden. Im Dezember<br />

warnte sogar das FBI vor den Gefahren der<br />

Barbiepuppe. Das Video-Girl könne dazu benutzt<br />

werden, um Kinderpornografie aufzunehmen.<br />

<strong>Die</strong> Boulevardschlagzeilen mögen, wie alle<br />

von Zeno Geisseler<br />

Viele eltern möchten die elektronischen Spielzeuge am liebsten komplett aus dem Leben ihrer Sprösslinge tilgen.<br />

Allerdings sind sie besser als ihr Ruf. Auch wenn sogar das FBI vor ihnen warnt.<br />

noch nie war das Kinderzimmer<br />

so digital wie heute. Und noch nie<br />

gab es so viel Technik für so wenig<br />

Geld. Eine Ausrüstung, die früher<br />

Zehntausende von Franken kostete,<br />

kann heute in Billigspielzeug<br />

eingebaut werden.<br />

Schau mir in die Linse, Kleines: Barbie hat neuerdings eine Videokamera in der Brust. Bild internet<br />

Boulevardschlagzeilen, übertrieben sein, die Warnung<br />

der US-Bundesbehörden mag lächerlich<br />

erscheinen. Denn wer unbedingt fremde Kinder,<br />

sagen wir, im Schwimmbad, in der Badewanne<br />

oder unter der Dusche sehen will, hat allein auf<br />

der populären Video-Website «Youtube» schon<br />

jetzt die Auswahl aus Zehntausenden von Filmen.<br />

Kaum einer davon dürfte mit der Brustkamera<br />

einer Plastikpuppe gedreht worden sein. Schliesslich<br />

kann man auch mit jeder anderen Ausrüstung<br />

seine Sprösslinge aufnehmen und die Filme ins<br />

Netz stellen. <strong>Die</strong> «Sun»-Schlagzeile hätte von daher<br />

genauso gut lauten können: «Gedankenlose Mutter<br />

mit Videokamera: Geschenk für Pädophile».<br />

Und warum sollte ein Kinderschänder seine abscheuliche<br />

Tat mit einer Spielzeugkamera aufnehmen,<br />

die vergleichsweise<br />

schlechte Bilder liefert,<br />

wenn er dies genauso<br />

gut mit einem wenigen<br />

Hundert Franken<br />

teuren halbprofessionellen<br />

Equipment in<br />

HD-Qualität tun<br />

könnte?<br />

Trotzdem<br />

enthalten die<br />

Warnungen<br />

einen richtigen<br />

Punkt. Bei der<br />

elterlichen Kamera<br />

behält ein Erwachsener<br />

die Kontrolle, die<br />

Software von Video-Barbie<br />

aber ist darauf ausgelegt,<br />

dass ein Mädchen<br />

seine Filme ohne Hilfe von<br />

Mama oder Papa ins Netz<br />

stellen kann. Das FBI wiederum<br />

sagte auf Nachfrage,<br />

dass es einzig<br />

darum gegangen sei,<br />

seine Beamten darauf<br />

aufmerksam<br />

zu machen, dass es<br />

auch in Puppen eingebaute<br />

Videokameras gebe.<br />

Was wirklich zählt<br />

Letzten Endes ist es einerlei, ob ein Spielzeug<br />

elektronisch ist, aus FSC-Holz in einer geschütz-<br />

ten Werkstatt geschnitzt wurde oder aus einer<br />

Plastikfabrik in China stammt. Viel wichtiger ist<br />

es, den Kindern Spielzeuge zu geben, die altersgerecht<br />

sind. Viel wichtiger ist es, nicht mit dem<br />

Kauf eines Spielzeugs etwas zu kompensieren,<br />

etwa die Tatsache, dass viele Eltern zu wenig Zeit<br />

mit ihren Kindern verbringen. Viel wichtiger ist<br />

es, die Spielzeuge auch mal Spielzeuge sein zu<br />

lassen und in den Wald zu gehen, zu den Kühen<br />

oder auf den Fussballplatz.<br />

Dann kann man die Warnungen von FBI<br />

und Boulevardzeitung getrost vergessen. <strong>Die</strong>se<br />

kommen so sicher wie das Amen in der Kirche,<br />

wenn der «Hot Wheels<br />

Video Racer» auf<br />

den Markt kommt.


A1269187


Kultur<br />

Beilage zum 150-jährigen Bestehen der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» Samstag, 28. Mai 2011<br />

<strong>Die</strong> Welt der Dauerklicker<br />

<strong>Die</strong> Revolution hiess Oskar. Und fand vor<br />

über 15 Jahren statt. Oskar ist längst Geschichte,<br />

sozusagen ein Methusalem unter<br />

den Digitalkameras. Oskar (so hab ich ihn getauft)<br />

war eine Nikon, ergänzt um elektronische<br />

Teile und machte zwar Farbbilder, hatte aber eine<br />

solch geringe Datenmenge, dass Besitzer moderner<br />

Handys nur lächeln können. Jedes von ihnen<br />

kann heutzutage viel mehr als Oskar, von dem in<br />

einem komplizierten Vorgang die Bilder abgeladen<br />

und gesichert wurden. Das dauerte so lange,<br />

dass der Fotograf in der Dunkelkammer schneller<br />

war. Bereits 1987 haben Fujifilm, Konica, Sony und<br />

Chinon die ersten Digitalkameras auf den Markt<br />

gebracht, 1990 hielt die Digitalkamera im kommerziellen<br />

Bereich Einzug. Bei den SN passierte<br />

das mit Oskar. Sündhaft teuer, wahnsinnig schwer<br />

und eher leistungsschwach. Aber Oskar war ein<br />

Pionier. Einer, daran erinnere ich mich, der bei<br />

der Berufsgattung der Fotografen zunächst wenig<br />

Freunde hatte.<br />

Warten auf den Augenblick<br />

Heute besitzen auch Fotografen einen «modernen<br />

Oskar» – mit mehreren Megapixeln – und<br />

sitzen nach getaner Fotografier-Arbeit am Computer;<br />

statt eines Films wird vom Chip abgeladen,<br />

die Bilder sind farbig statt schwarz-weiss, und wo<br />

früher mit Entwickler, Stoppbad und Fixiersalz<br />

hantiert und Fehler abgewedelt wurden, gibt es<br />

den Fotoshop, um ein unpassendes Detail zu entfernen.<br />

Digital ist die Welt; analoge Bilder sind<br />

eine Rarität geworden. Ob wohl Henri Cartier-<br />

Bresson digital fotografieren würde? Er, der stets<br />

auf den richtigen Augenblick wartete, zur richtigen<br />

Zeit an der richtigen Stelle war und ausharrte,<br />

bis das Licht stimmte, die Proportionen<br />

und der Hintergrund. Und heim kam mit Bildern<br />

voller Magie, mit Bildern, die zu Ikonen geworden<br />

sind, die sich einbrennen ins Gedächtnis. Hätte er,<br />

der einst auf dem Dach über Paris stand und<br />

sagte, «la lumière ne va pas», und dann hinabstieg<br />

– hätte er sich eingereiht in die Flut der Dauerklicker?<br />

Jamais. Er hat zum Bleistift gegriffen<br />

und gezeichnet. Vielleicht weil er geahnt hat,<br />

dass der Fotografie, die im 20. Jahrhundert dank<br />

ihm, André Kertesz, Robert Doisneau, August<br />

Sander, Elliott Erwitt, Ansel Adams, Robert Lebeck,<br />

Diane Arbus, René Burri, Helmut Newton,<br />

Alfred Stieglitz, Robert Frank, Barbara Klemm<br />

und anderen Grossen zur eigenen Kunstform<br />

wurde, nun durch die digitale Beliebigkeit die<br />

Entwertung droht.<br />

Handy, Kleinkamera oder Computer: Bilder<br />

entstehen allerorten. Ausgefeilte Technik macht<br />

es möglich. Von Brennweiten<br />

und Blenden braucht man<br />

nichts zu verstehen; dank<br />

technischer Finessen gibt<br />

es auch in der Dunkelheit<br />

ein halbwegs brauchbares<br />

Bild. Elliott Erwitt, einer<br />

der Grossen, sagt: «Heutzutage<br />

ist jeder ein Fotograf,<br />

oder zumindest hat jeder,<br />

der ein Handy besitzt, heute<br />

auch eine Kamera. Es wäre<br />

schön, wenn alle mehr über<br />

von edith fritschi<br />

das Visuelle, über Form und das, was ein Bild<br />

ausmacht, wüssten.» Es ist zu befürchten, dass<br />

es beim Konjunktiv bleibt. Denn überall wird,<br />

sei es auf Reisen, an Konzerten, im Theater, auf<br />

der Strasse, zu Hause und oder sonstwo, draufgehalten<br />

und gedrückt, als habe es ihn nie gegeben,<br />

den richtigen Augenblick, auf den ein Fotograf<br />

warten muss, weil Fotografieren vor allem<br />

eines erfordert: Geduld, das Sehen wieder neu<br />

lernen. Es ist fast wie Zen und die Kunst, ein Bild<br />

zu machen …<br />

<strong>Die</strong> Handyklicker dagegen mögen Tempo, und<br />

das Motiv ist zweitrangig; wird austauschbar und<br />

später sowieso gelöscht. Erst einmal im Computer<br />

abgeladen, sind die schnellen Bilder dort gut<br />

aufgehobene Massenware. Wegwerfartikel? Vielleicht<br />

wird davon ein Fotoalbum hergestellt – bei<br />

einem günstigen Lebensmittel-Anbieter. Every -<br />

thing goes. «<strong>Die</strong> digitale Fotografie<br />

hat mich einerseits von vielen<br />

Zwängen der klassischen Foto-<br />

grafie befreit», sagt Steve<br />

Bloom, «doch andererseits<br />

ermutigt sie auch zu einer<br />

undisziplinierten Vorgehensweise.»<br />

Unterwegs, auf Reisen,<br />

wenn man Leute beobachtet,<br />

fällt auf: Sie sehen die Landschaft<br />

nicht mehr unmittelbar,<br />

haben stets den Filter<br />

Kamera dazwischen. Sie<br />

drücken den Auslöser und<br />

frieren alles ein. <strong>Die</strong> direkte<br />

Erinnerung geht verloren. «Das Problem besteht<br />

nicht darin, dass Menschen sich anhand von Fotos<br />

erinnern, sondern dass sie sich nur an die Fotos<br />

erinnern», sagt Susan Sontag in ihrem «Essay<br />

über die Fotografie», 1979.<br />

«Es braucht uns bald nicht mehr», sagen die<br />

passionierten Fotografen, die Künstler mit der<br />

Kamera, die ihre Motive suchen, das Bild gestalten<br />

und die Welt einer analytischen Ordnung<br />

unterwerfen. Sie irren. Gestaltete Bilder, die<br />

atmen, sind kein Luxus. Denn sie lenken den Blick<br />

auf vermeintlich Nebensächliches und können<br />

selbst einer starren Szenerie noch einen Funken<br />

Spontaneität abgewinnen. Und: Ein starkes Bild<br />

ist fast immer das Ergebnis einer intensiven<br />

Kommunikation.<br />

Träume in die schwarz-weisse Zeit<br />

Nichts gegen Digitalkameras. Sie sind eine<br />

wunderbare Errungenschaft der Moderne, und<br />

man kann damit, wie mit den analogen Vorgängern,<br />

magische Momente festhalten. Aber allein<br />

technische Finessen garantieren noch kein gutes<br />

Bild. Oder keines, das es nicht schon 1000-mal<br />

gibt. <strong>Die</strong> Welt ist mit den neuen Möglichkeiten<br />

farbiger und aufgeregter geworden. Da mag man<br />

es keinem verdenken, wenn er sich in eine<br />

schwarz-weisse Zeit hinein- und hinüberträumt,<br />

wo ein Bild durch die Reduktion in Graustufen<br />

poetischer und dichter wird als die exakte Wiedergabe<br />

der farbigen Realität. Mitunter aber muss<br />

man lange suchen, bis man zur Poesie gelangt.<br />

Man finde ein Bild nie, sagt Elliot Erwitt: «They<br />

come and bite you.»


66 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

A1269598<br />

Damals wie heute.<br />

Strom für Ihre Ideen.<br />

Inserat aus dem Jahr 1930<br />

Vor 150 Jahren war der Eisenbahnbau ein<br />

Thema im Intelligenzblatt – Das Geschäft<br />

hat sich zwar gewandelt, aber auf uns zu<br />

bauen ist nach wie vor richtig.<br />

<strong>Die</strong> SIG ID gratuliert den<br />

Schaffhauser-<strong>Nachrichten</strong><br />

herzlich zum 150. Geburtstag.<br />

Qualität seit 1853<br />

SIG Immobilien und <strong>Die</strong>nste - CH-8212 Neuhausen am Rheinfall<br />

Telefon +41 52 674 70 00 - Fax +41 52 674 65 45 - www.sig-id.ch<br />

A1268887<br />

A1264863


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Kultur 67<br />

Umstrittenes Erbe einer Epoche<br />

Architekten machen Front gegen die gläsernen<br />

Fassaden. In der Ära stahldurchwobener<br />

Raster rufen sie eine neue Stein­<br />

Zeit aus. Ihre Bauten erinnern an mittelalterliche<br />

Burgen, an Kerker und Kasernen. Aber die Urheber<br />

der Bauwerke aus Backstein und Beton verstehen<br />

sich als Sachwalter einer neuen Freiheit,<br />

als Wegbereiter einer zukunftssicheren Moderne»,<br />

schrieb «Der Spiegel» 1967 in einem Artikel über<br />

die Baubewegung Brutalismus.<br />

Bebildert wurde der «Spiegel»­Artikel mit<br />

einer grossen Fotografie, die die wuchtige Wohnmaschine<br />

Corbusiers, die «Unité d’Habitation»,<br />

die er in den 50er­Jahren in Marseille entworfen<br />

und gebaut hat, zeigt. Ein massiver Betonblock<br />

auf Stelzen. 138 Meter lang, 25 Meter breit und<br />

56 Meter hoch. 337 Wohnungen. 18 Geschosse.<br />

Stosskanten, Maserungen und Astlöcher der Holzverschalungen,<br />

in die der Beton gegossen worden<br />

war, wurden unverputzt und unbeschönigt sichtbar<br />

gelassen.<br />

Eine völlig neue Architektur<br />

<strong>Die</strong> «Unité d’Habitation» sei eine adäquate<br />

Behausung für den neuen Menschen, der in modernen<br />

Fabriken mit einheitlichen Overalls bekleidet<br />

arbeitet und in technisch hoch entwickelten<br />

Untergrundbahnen nach Hause fährt, fand Corbusier,<br />

der in seiner Architekturlehre die reine<br />

Funktionalität der Maschine zum Vorbild für die<br />

Gebäudegestaltung erklärte. Ideen, die Kontroversen<br />

auslösten und teilweise bis heute umstritten<br />

sind. Le Corbusier sah die Aufgabe des Architekten<br />

im Erstellen von zweckmässigen, funktionalen<br />

und wirtschaftlichen Entwürfen. Das bedeutete<br />

den Einsatz von Eisenbeton, Stahl und Fertigteilen,<br />

um eine völlig neue, vormals nicht mögliche<br />

Architektur zu realisieren. Le Corbusier hat<br />

damit auch den rohen Baustoff Beton, den «beton<br />

brut», und seine typischen Verarbeitungsweisen<br />

zum Stilelement ernannt.<br />

Auch die Bauten des vor allem für seine Kirchen<br />

und Schulanlagen bekannten Schaffhauser<br />

Architekten Walter Maria Förderer sind in Beton<br />

gegossen. Und auch er liess den Beton konsequent<br />

in seiner rauen Form. Förderer ist einer der<br />

Schweizer Hauptvertreter des Brutalismus. Seine<br />

Bauten gehören zum sogenannten brutalistischplastischen<br />

Stil. <strong>Die</strong>ser hat seine Vorbilder, wenn<br />

denn für Förderer Vorbilder in Frage kamen, sowohl<br />

im Spätwerk von Le Corbusier als auch im<br />

englischen New Brutalism. Letzterer war eine Bewegung<br />

in Kunst und Architektur, die hauptsächlich<br />

von den englischen Architekten Alison und<br />

Peter Smithson in Anspruch genommen und mit<br />

Inhalten gefüllt wurde. Der brutalistisch­plastische<br />

Stil, der Förderer zugeschrieben wird, tritt ab den<br />

späten 50er­Jahren parallel zu den anderen Stilrichtungen<br />

auf. Charakteristisch für diesen Stil<br />

sind die Neigung zu schwer lastenden Formen und<br />

ebenso die Verwendung von roh belassenen Materialien<br />

– mit Vorliebe Sichtbeton oder Sichtbackstein.<br />

Doch im Gegensatz zu Corbusiers Auffassun­<br />

gen gehen Förderers Bauten über das Formgefühl<br />

der reinen Zweckform von Technik und Industrie<br />

hinaus. Er lotete in seiner Architektur die Grenzen<br />

zwischen Skulptur und Architektur aus.<br />

Ein Gesamtkunstwerk räumlicher Erfahrung<br />

Nicht Brutalismus im Sinne der Betonarchitektur<br />

Corbusiers, sondern die freie plastische<br />

Auffassung von Architektur, in der es letztlich<br />

stets um die Raumerfahrung und um das Raumerlebnis<br />

geht, war das, was Förderer verfolgte. Er<br />

setzte seine Auffassung von Architektur als individueller,<br />

künstlerischer Schöpfung gegen die<br />

streng funktionalistische Position im zeitgenössischen<br />

Architekturgeschehen ab und gab damit<br />

entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung der<br />

Architektur in der Schweiz. Ein Gesamtkunstwerk<br />

von hoher Zwecklosigkeit mit Folgen von offenen<br />

und geschlossenen räumlichen Erfindungen, wie<br />

Förderer es formulierte, war sein Ziel. Räumliche<br />

Erfindungen mit Hohem und Niedrigem, Leichtem<br />

und Schwerem, Weitem und Engem, mit Licht<br />

und Dunkel, mit Glattem und Rauem und mit anderen<br />

wahrnehmbaren Gestaltungswerten. «Das<br />

Gesamtkunstwerk oder das Gebilde von hoher<br />

Zwecklosigkeit habe ich bis heute nicht verwirklichen<br />

können, aber alles, was ich seit 1963 gebaut<br />

oder veranschaulicht habe, ist als Teilstück dazu<br />

zu verstehen», schreibt Förderer 1982 in einem<br />

Brief an einen Bekannten.<br />

Ein umstrittener Baustil<br />

An Formulierungen des Unbehagens hat es in<br />

der Blütezeit dieses Baustils nie gefehlt. Kritik an<br />

solchen sogenannten Bunkerbauten, die einen<br />

bombensicheren Unterschlupf zu gewähren scheinen,<br />

äusserten nicht nur unkundige Passanten.<br />

Umstritten war der Brutalismus auch in der Fachwelt.<br />

Unvariable, nicht anpassungsfähige Kolosse,<br />

die eine Mischung aus Tristesse und Aggression<br />

erzeugten, hiess es. So geniesst die rohe, unkaschierte,<br />

betongraue Architektur der 50er­, 60er­<br />

und der frühen 70er­Jahre auch heute nicht den<br />

besten Ruf. Sie gilt landläufig eher als hässliches,<br />

verzichtbares Erbe einer ästhetisch fragwürdigen<br />

Bauepoche, und Förderers Bauten bleiben markant,<br />

dominant und provokativ. Trotzdem gehören<br />

sie zu den wegweisenden Leistungen der Architektur<br />

des 20. Jahrhunderts.<br />

Verdienen Bauten aus dieser Epoche Denkmalschutz?<br />

Der Schweizer Heimatschutz zumindest<br />

will bei der Bevölkerung die Sensibilität für<br />

die Bauten der 50er­, 60er­ und frühen 70er­Jahre<br />

steigern. Eine Aufgabe mit Konfliktpotenzial. Auch<br />

die Denkmalpflege beschäftigt sich zunehmend<br />

mit der Architektur der Nachkriegsmoderne. Ihre<br />

Aufgabe ist es, sich für den Schutz bedeutender<br />

Bauten der verschiedenen Epochen einzusetzen,<br />

auch der jüngsten. Das hat verschiedene Gründe.<br />

Der vordringlichste ist die Gefährdung dieser<br />

von claudia härdi<br />

die graue architektur des Brutalismus, ein Geisteskind der 50er-, 60er- und der frühen 70er-Jahre, hat auch heute nicht den besten Ruf.<br />

Über den Zeitgeist und die Ästhetik einer fragwürdigen Epoche.<br />

nicht Brutalismus im Sinne<br />

der Betonarchitektur Corbusiers,<br />

sondern die freie plastische<br />

Auffassung von Architektur<br />

war das, was Förderer verfolgte.<br />

Förderers Betonbauten, hier das «Park am Rheinfall», bleiben markant, dominant und provokativ. Bild Michael Kessler<br />

Bauten durch Verdichtungsmassnahmen, Nutzungsänderungen,<br />

wärmetechnische Sanierungen<br />

und die Kurzlebigkeit mancher – damals neuer –<br />

Baustoffe. Auch Förderers von kubischen Elemen­<br />

<strong>Die</strong> rohe, unkaschierte, betongraue<br />

Architektur gilt landläufig eher<br />

als hässliches, verzichtbares Erbe<br />

einer fragwürdigen Epoche.<br />

ten beherrschte Bauten kommen allmählich in die<br />

Jahre. Als vor rund zehn Jahren die Renovation<br />

der Realschule Aesch BL), die in den 60er­Jahren<br />

von Förderer, Rolf Georg Otto und Hans Zwimpfer<br />

erbaut worden war, anstand, musste vorerst einmal<br />

die architektonische Bedeutung der Anlage<br />

abgeklärt werden. In Anbetracht der Bedeutung<br />

der Gesamtanlage für die westeuropäische Archi­<br />

tekturgeschichte wurde die Anlage unter Denkmalschutz<br />

gestellt und sanft saniert.<br />

Dass ein internationaler Name Garant dafür<br />

ist, dass ein Gebäude erhalten bleibt, oder dass<br />

gar ein Gebäude, das als schützenswert deklariert<br />

wurde, vor einem Abbruch sicher ist, zeigen verschiedene<br />

Beispiel in den USA. So stand lange der<br />

Abriss zweier Hauptwerke, der Cleveland Trust<br />

Tower, Ohio, und die Zentralbibliothek in Gross<br />

Point, Michigan, des Bauhaus­Architekten Marcel<br />

Breuers zur Debatte. Auch das Cyclorama Building<br />

in Gettysburg in Pennsylvania von Richard<br />

Neutra, eines der wenigen öffentlichen Gebäude,<br />

die er realisiert hat, und eines seiner besten,<br />

wollte man abreissen. Demoliert sind mittlerweile<br />

mehrere Gebäude des amerikanischen Architekten<br />

Paul Rudolph, zum Beispiel die Riverview<br />

High School in Sarasota County in Florida. <strong>Die</strong>s<br />

obwohl der Bau als schützenswert aufgelistet<br />

wurde. Manche ungeliebten Monumente dieser<br />

Epoche lösen sich von selbst auf. So zum Beispiel<br />

das Wohnhochhaus Ronan Point in London, das<br />

eines Tages zusammenkrachte.<br />

Förderer Jede Zeit schafft sich ihre Architektur<br />

Walter Maria Förderer (1928–2006) verkörpert<br />

den typischen Bildhauer­Architekten. Der in<br />

1928 in Laufen­Uhwiesen geborene Architekt ist<br />

einer der Schweizer Hauptvertreter des Brutalismus.<br />

Förderer studierte in Basel Bildhauerei.<br />

Nach einem Volontariat bei Hermann Baur gründete<br />

er 1956 ein Architekturbüro mit Rolf Georg<br />

Otto, und von 1958 bis 1964 arbeitete er zusammen<br />

mit Otto und Hans Zwimpfer. 1965 wurde er<br />

als Professor für künstlerisches Gestalten an die<br />

Staatliche Akademie der bildenden Künste in<br />

Karlsruhe gerufen. <strong>Die</strong>ser Tätigkeit ging er bis<br />

1993 nach. 1986 bis 1997 hatte er zudem eine Honorarprofessur<br />

für Entwurf an der Universität<br />

Stuttgart inne. «Ich habe meine Erfolge als Archi­<br />

tekt gehabt, und ich konnte in der Schweiz bauen<br />

wie kaum einer», sagte Förderer einmal in einem<br />

Interview. Dennoch kehrte er in den späten 70er­<br />

Jahren zur Plastik zurück und widmete sich ausschliesslich<br />

der Bildhauerei. Zu seinem Werk<br />

zählen unter anderem die Kirche St. Konrad in<br />

Schaffhausen (1969–71), die Kirchenzentren Heiligkreuz<br />

in Chur (1966–69) und Saint­Nicolas in<br />

Hérémence (1967–71). Er baute die Hochschule<br />

St. Gallen (1959–63, mit Otto und Zwimpfer) und<br />

die Gräfler­Schulanlage (1971–74). Zu den älteren<br />

Werken gehören die Schaffhauser Kantonsschule<br />

(neuer Trakt, 1962–66), die Schaffhauser<br />

Kantonalbank (1962–66) und das Parkrestaurant<br />

am Rheinfall (1961–63), alle drei mit Zwimpfer.


<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» sowie allen Leserinnen<br />

ten Rutsch ins neue Jahr und ein erfolgreiches 2011<br />

farbigen Momenten.<br />

68 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Herzliche Gratulation zu diesem fantastischen Jubiläum.<br />

Besten Dank für die<br />

jahrzehntelange Partnerschaft!<br />

AMRA Farben AG Buechstrasse 11 CH-8645 Jona<br />

AMRA Farben AG<br />

Phone 055 224 37 37 Fax 055 224 3742 E-Mail info@amra.ch<br />

Buechstrasse 11, CH-8645 Jona<br />

Phone 055 224 37 37<br />

E-Mail: info@amra.ch<br />

Viel Erfolg und Glück in der Zukunft<br />

wünscht das ganze AMRA-Team.<br />

Städte mit 30% weniger Energieverbrauch?<br />

Als führender Produzent von energieeffizienten Lösungen hilft ABB, grosse Energieeinsparungen zu erzielen,<br />

ohne dabei die Leistung zu verringern. Unser Lichtmanagementsystem kann bis zu 50% Strom einsparen<br />

und unsere Gebäudeautomation bis zu 60%. Während alle von hohen Energiepreisen, Stromknappheit und<br />

Klimawandel sprechen, tut ABB etwas dagegen. Und zwar hier und heute. www.abb.ch/betterworld<br />

Sicher.<br />

Wir gratulieren zum<br />

150-Jahr-Jubiläum.<br />

Herzliche Gratulation zum Jubiläum!<br />

«150 Jahre Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong>»<br />

Ihr Partner für Anzeigenmanagement<br />

unio ag | ch-4613 rickenbach | www.unio.com<br />

A1271563<br />

A1270630<br />

A1271208<br />

A1267953


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Kultur<br />

69<br />

Längst hat die Digitalisierung fast alle Lebensbereiche<br />

erfasst: vom Fernseher bis<br />

zum Auto, vom Natel bis zur Kaffeemaschine.<br />

Kaum ein Gerät kommt mehr ohne digitale<br />

Technik aus. Ganz zu schweigen von Internet,<br />

Computerspielen und sozialen Netzwerken, die<br />

sich innerhalb weniger Jahre in unseren Alltag<br />

geschlichen haben und für viele als tägliche<br />

Rituale kaum mehr wegzudenken sind.<br />

Neugierig und experimentierfreudig hat die<br />

bildende Kunst die neuen Technologien schon<br />

früh auf ihre künstlerischen Möglichkeiten hin<br />

untersucht. Spätestens seit den Achtzigerjahren<br />

entstanden vor allem durch die rasante Entwicklung<br />

des Computers neue künstlerische Formen,<br />

die höchst unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen.<br />

<strong>Die</strong> Begrifflichkeit hat sich bis heute allerdings<br />

noch nicht trennscharf ausgebildet. Mit<br />

«Neue Medien» oder «digitale Kunst» wird generalisierend<br />

ein breites Spektrum künstlerischer<br />

Arbeiten bezeichnet, das von computergenerierten<br />

Videofilmen (beispielsweise Yves Netzhammer)<br />

über interaktive Netzkunst (z. B. cym) und<br />

digital veränderte Fotografien (z. B. Thomas Ruff)<br />

bis hin zu elektronischen Klangwelten reicht (z. B.<br />

Christina Kubisch). Ausserdem werden klassische<br />

Techniken wie Malerei, Zeichnung und<br />

Skulptur in digitaler Form weitergeführt. Beispiele<br />

dafür sind Bilder von Julian Opie, Zeichnungen<br />

von Tobias Madison oder Skulpturen von<br />

Karin Sander.<br />

Vom Betrachter zum User<br />

Bei der Netzkunst steht vor allem die interaktive<br />

Nutzung im Vordergrund und damit eine<br />

grundsätzlich veränderte Rolle des Publikums:<br />

Es wandelte sich vom passiven Betrachter eines<br />

Bildes zum aktiven User und wird somit zum (Mit­)<br />

Gestalter prinzipiell unabgeschlossener künstlerischer<br />

Prozesse. Das bedeutet nichts weniger als<br />

einen digitalen, interaktiven Paradigmenwechsel,<br />

der mittlerweile sogar bis auf politische Ebenen<br />

durchschlägt und dabei auch Gesellschaften ausserhalb<br />

des westlichen Kulturkreises erfasst. <strong>Die</strong><br />

arabische Revolution wäre ohne Blogs und Blogger<br />

nicht möglich gewesen.<br />

Unter den zahlreichen künstlerischen Nutzungen<br />

digitaler Techniken sei schliesslich noch die<br />

transdisziplinäre Sparte des Game­Design erwähnt:<br />

In den letzten Jahren hat sich an der<br />

Schnittstelle zwischen Kunst und Design die Gestaltung<br />

von Computerspielen als neue Herausforderung<br />

jenseits des «klassischen», da zweckfreien<br />

Kunstverständnisses entwickelt. Inzwischen<br />

kann man dieses Fach an bestimmten Hochschulen<br />

für Kunst und Design studieren, und Pro<br />

Helvetia fördert die junge Disziplin mit<br />

einem breit angelegten Unterstützungsprogramm.<br />

So facettenreich sich die<br />

digitalen künstlerischen Ausdrucksformen<br />

mittlerweile auch<br />

zeigen, es ist immerhin erwähnenswert,<br />

dass die<br />

traditionellen<br />

Das zerbrechliche Blut<br />

Disziplinen Malerei, Zeichnung oder Skulptur<br />

keineswegs verschwunden sind, im Gegenteil:<br />

In den Jahren nach 2000 treten die klassischen<br />

Gattungen in zum Teil bewusster Abgrenzung zu<br />

den Neuen Medien plötzlich wieder verstärkt in<br />

Erscheinung. Viele Künstlerinnen und Künstler<br />

suchen die unmittelbare und haptische Nähe zu<br />

Papier, Farbe und Leinwand, um der Virtualität<br />

des Bildschirms zu entfliehen. Wie immer in der<br />

jüngeren Geschichte der<br />

Kunst erleben wir eine rasche<br />

Folge von Pendelbewegungen<br />

bestimmter<br />

Strömungen und Techniken,<br />

vor allem aber eine<br />

blühende Gleichzeitigkeit<br />

des Verschiedenen.<br />

Zum Beispiel Yves Netzhammer<br />

Einer der interessantesten<br />

und international bedeutendsten<br />

Künstler seiner Generation im<br />

Zusammenhang mit digitalen<br />

Techniken ist der in Schaffhausen<br />

aufgewachsene Künstler<br />

Yves Netzhammer (geboren<br />

1970 in Affoltern am Albis,<br />

lebt in Zürich). Bereits mit<br />

seiner ersten Museumseinzelausstellung<br />

im Museum<br />

zu Allerheiligen<br />

Schaffhausen 1999 erreichte<br />

Yves Netzhammer<br />

mit einer unverwechselbaren<br />

visuellen Sprache<br />

ein breites Publikum innerhalb<br />

und ausserhalb der<br />

Kunstszene.<br />

Wir haben damals überhaupt<br />

nicht damit gerechnet<br />

– weder Yves Netzhammer<br />

noch ich als Kurator der Ausstellung<br />

–, dass das Publikum von<br />

von markus stegmann<br />

erscheinungsformen digitaler kunst am Beispiel der Arbeit von Yves Netzhammer aus Sicht des<br />

Kurators der Kunstabteilung im Museum zu Allerheiligen, der zusammen mit Netzhammer dessen erste Ausstellung realisierte.<br />

Netzhammer gestaltet zwar mit digitaler Technik, aber das Resultat stellt nicht die eingesetzten Mittel in den Mittelpunkt, sondern das Bild. Bild zvg<br />

netzhammer setzt digitale Technik<br />

lediglich als Mittel zum Zweck ein,<br />

sodass nicht die Technik<br />

im Zentrum steht.<br />

der völlig neuen Ästhetik derart fasziniert, ja<br />

geradezu gefesselt sein würde. Im Gegenteil, wir<br />

befürchteten breite Ablehnung. In den kommenden<br />

Jahren schlossen sich in rascher Folge zahlreiche<br />

Ausstellungen im In­ und Ausland an, bevor<br />

Yves Netzhammer als bisherigen Höhepunkt<br />

seiner Laufbahn 2007 an der Biennale in Venedig<br />

die Schweiz vertrat und im selben Jahr an der<br />

documenta in Kassel teilnahm, der international<br />

wichtigsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst.<br />

Nach seinen viel beachteten Einzelausstellungen<br />

jüngst im Kunstmuseum Bern und im Minsheng<br />

Art Museum in Schanghai ist Yves Netzhammer<br />

noch bis zum 24. Juli 2011 mit aktuellen Werken<br />

in einer Einzelpräsentation im Kunstmuseum<br />

Luzern zu sehen.<br />

Bemerkenswert an seiner Arbeit ist zunächst,<br />

dass er die digitalen Techniken lediglich als Mittel<br />

zum Zweck einsetzt, sodass nicht die Technik im<br />

Zentrum steht, sondern die suggestiven Wirkungen<br />

seiner höchst eigenständigen visuellen Sprache.<br />

Das klingt banal, ist aber insofern bemerkenswert,<br />

als viele Kunstschaffende im Bereich<br />

Neue Medien der Versuchung unterliegen, vorzuführen,<br />

was die technischen Programme an<br />

visuellen Effekten alles hergeben. Daher tritt bei<br />

vielen Arbeiten die künstlerische Wirkung hinter<br />

die technischen Effekte zurück, deren visuelle<br />

Kraft allerdings rasch verpufft. Yves Netzhammer<br />

hat früh erkannt, dass ihm ein digitales 3­D­Zeichnungsprogramm<br />

für Architekten zwar die erwünschten<br />

visuellen Erscheinungsformen ermöglicht,<br />

ihn jedoch nicht aus der Verantwortung als<br />

Künstler entlässt. Entscheidend ist somit nicht,<br />

welche technischen Möglichkeiten das Programm<br />

beherrscht, sondern im Gegenteil die Erfindungskraft<br />

des Künstlers.<br />

Zeichnen mit der Maus<br />

Yves Netzhammer zeichnet mit der Maus am<br />

Bildschirm seine Figuren, Objekte und Tiere und<br />

animiert sie zu kurzen, räumlichen Filmsequenzen<br />

von 20 oder 30 Sekunden. Im Kunstmuseum<br />

Bern war in seinen computergenerierten Videoarbeiten<br />

«<strong>Die</strong> Möbel der Proportionen» und «Adressen<br />

unmöglicher Orte» schön zu beobachten,<br />

wie sich aus zahlreichen dieser kurzen Sequenzen<br />

eine inhaltlich zusammenhängende Videoprojektion<br />

mit einer Laufzeit von jeweils rund<br />

30 Minuten ergibt. Das Computerprogramm ermöglicht<br />

Yves Netzhammer, seine Figuren und<br />

Szenen auf beinahe beliebige Art räumlich zu entwickeln<br />

und ihnen eine modellartige Präsenz und<br />

eine erstaunliche Kühle zu verleihen, die manch­<br />

mal an die artifiziell wirkende Sterilität von Spitälern<br />

oder Forschungslabors erinnert. In enger<br />

Zusammenarbeit mit dem Künstler entwickelt<br />

Bernd Schurer den begleitenden Sound, der die<br />

emotionalen Wirkungen der fliessenden Bilder<br />

unterstützt.<br />

<strong>Die</strong> Faszination der Videoprojektionen von<br />

Yves Netzhammer entsteht durch die beispielslose<br />

Bildfindungskraft des Künstlers: Seine relativ<br />

abstrakten, modellartigen Figuren, Tiere und<br />

Objekte, die auf jede Individualität verzichten, bewegen<br />

und verwandeln sich höchst überraschend<br />

und unvorhersehbar von Sequenz zu Sequenz.<br />

Wie im Traum mäandern, stolpern und stürzen<br />

sie durch einen surrealen, magischen Kosmos, der<br />

trotz seiner Unendlichkeit fatalerweise kein Entrinnen<br />

erlaubt. Ihre Verletzlichkeit und Fragilität<br />

kristallisiert sich als zentrales Thema heraus. Es<br />

ist immer wieder erstaunlich und berührend, zu<br />

sehen, wie aus den glatten, entmaterialisierten<br />

Körpern plötzlich Blut austritt, dass die Figuren<br />

infolge ihrer körperlichen wie seelischen Verwundungen<br />

einbrechen und zu Boden sinken. <strong>Die</strong><br />

Verknüpfung der einzelnen Szenen folgt einer<br />

komplexen Dramaturgie, die uns zu den grossen<br />

Fragen menschlicher Existenz leitet: Woher kommen<br />

wir, wohin gehen wir, wie stehen wir zur<br />

Welt, zu unseren Kindern und Tieren?<br />

So gross die Fragen, so alltäglich der Ort ihrer<br />

Entstehung: Yves Netzhammer sitzt stundenlang<br />

in einem Zimmer seiner Wohnung zeichnend am<br />

Bildschirm und lässt seine Computer nächtelang<br />

die Figuren rendern, erweckt sie also mittels des<br />

3­D­Programms zum Leben. Ein einsames künstlerisches<br />

Tun ohne klassische Atelierromantik,<br />

ohne genialische Attitüde, aber mit einem enormen<br />

Potenzial, den brüchigen Kanten und fragwürdigen<br />

Schnittstellen unserer scheinbar so<br />

aufgeklärten Epoche den Spiegel vorzuhalten.<br />

Am Beispiel der Arbeit von Yves Netzhammer<br />

wird deutlich, dass die Digitalisierung der Kunst<br />

ungeahnte Möglichkeiten eines überraschenden,<br />

zeitgemässen künstlerischen Ausdrucks eröffnet.<br />

Allerdings und glücklicherweise ersetzt die Technik<br />

nicht die Erfindungskraft und Experimentierfreude<br />

der Künstlerinnen und Künstler. <strong>Die</strong> Technik<br />

allein macht keine Kunst, aber sie ermöglicht<br />

einen erstaunlichen künstlerischen Wandel und<br />

mit diesem Wandel eine veränderte Sicht auf eine<br />

sich permanent verändernde Wirklichkeit. <strong>Die</strong><br />

Neuen Medien schreiben die Kunst fort wie zuvor<br />

andere wichtige künstlerische Strömungen und<br />

Disziplinen, wenngleich in einer für uns zunächst<br />

(noch) ungewohnten Form.


70 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

FRISCHMACHEN<br />

Ihr Baumalerei-Spezialist für Renovationen,<br />

Umbauten und Sanierungen.<br />

Tel. 052 644 04 40, Fax 052 644 04 41<br />

www.scheffmacher.com scheffmacher<br />

www.maag-spenglerei.ch<br />

8200 Schaffhausen<br />

Tel. 052 624 38 40<br />

150 JAHRE<br />

A1270113<br />

• Flachbedachungen<br />

• Blitzschutzarbeiten<br />

• Reparatur-Arbeiten<br />

Wir gratulieren dem Schaffhauser Intelligenzblatt herzlich zum grossen Jubiläum und<br />

danken für die positive Zusammenarbeit während 17 Jahren.<br />

Anbau oder moderner Neubau.<br />

Sie erhalten bei uns Beratung<br />

und das Haus das Sie sich wünschen<br />

A1270920<br />

BARNER BARNER AG 8207 SCHAFFHAUSEN 052 632 03 03 www.barner-haus.ch<br />

A1271609<br />

A1270315<br />

ARCHE BAU BATTEL<br />

Bauunternehmen<br />

Mühlentalstrasse 243<br />

8200 Schaffhausen<br />

Tel./Fax 052 625 34 66<br />

www.archebau.ch<br />

info@archebau.ch<br />

● Umbau + Neubau<br />

● Sanierungen<br />

● Verputzarbeiten<br />

150 Jahre<br />

Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

Herzlichen Glückwünsch zu<br />

diesem stolzen<br />

Firmenjubiläum.<br />

Als Kunde und Leser des<br />

„Schaffhauser Intelligenzblattes“<br />

schätzen wir die<br />

gute Zusammenarbeit seit<br />

vielen Jahren.<br />

Empfehlen Sie uns weiter.<br />

Wir tun es auch.<br />

Arnold Schmid Recycling AG<br />

Industriestrasse 16<br />

8207 Schaffhausen<br />

Tel. 052 644 07 77<br />

seit 1876 …<br />

A1271243<br />

… nicht ganz so alt,<br />

aber trotzdem<br />

135 Jahre.<br />

Mir gratuliered<br />

em «Intelligenzblatt»<br />

und wünsched<br />

für d Zuekunft<br />

alles Gueti!<br />

Wir gratulieren<br />

den SN zu ihrem<br />

Jubiläum!<br />

A1270597<br />

A1270309<br />

Hoch soll sie leben!<br />

150<br />

Wir gratulieren den „Schaffhauser<br />

<strong>Nachrichten</strong>“ zum Firmenjubiläum,<br />

wünschen alles Gute und weiterhin<br />

viel Erfolg.<br />

Schmid +Bührer AG<br />

Mühlentalstrasse 258<br />

8200 Schaffhausen<br />

Telefon +41 (0)52 624 25 24<br />

www.sbstapler.ch<br />

A1271934


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Kultur 71<br />

Viel mehr als Bim Bam Bum<br />

Wenn man genau hinhört, merkt man es,<br />

sagen die Alten in der Stadt: Klingt<br />

das Munotglöcklein abends um 21 Uhr<br />

dumpf und unstet, ist der Munotwächter missmutig.<br />

Ist der Klang hell, ist der Munotwächter<br />

zufrieden. Natürlich könnte eine Maschine das<br />

Läuten kostengünstiger erledigen, doch diese Idee<br />

wurde auch von den schärfsten Spar­Politikern<br />

nie lanciert, und sie käme auch keinem in den<br />

Sinn: Das Geläute von Hand gehört zur Stadt wie<br />

der Rhein. Auch wenn das Munotglöggli heute<br />

nicht mehr an das Schliessen der Stadttore gemahnt,<br />

ist das Läuten eine Tradition, die dank<br />

dem gleichnamigen Lied über das Objekt im Turm<br />

des Munots hinausgeht. Traditionen sind Gepflogenheiten<br />

und Verhaltensweisen, die über Generationen<br />

hinweg weitergegeben werden und das<br />

auch, wenn sich kein unmittelbarer Zweck mehr<br />

mit einer Handlung verbinden lässt. Es geht um<br />

mehr, es geht auch um Emotion.<br />

Das zeigte sich auch im Dezember 2010, als die<br />

Rechte für das «Munotglöcklein» von Ferdinand<br />

Buomberger versteigert wurden: Damals drängten<br />

sich so viele Schaulustige im Gantlokal an der<br />

Münstergasse, dass die Versteigerung vor das<br />

Münster verlegt werden musste. Das Lied, den<br />

Schaffhauserinnen und Schaffhausern innigst ans<br />

Herz gewachsen, ging an einen Musiker aus Beringen,<br />

der der alten Melodie zu neuem Glanz<br />

verhelfen will. Teilweise für Kopfschütteln sorgte<br />

nach der Versteigerung, dass der Vertreter des<br />

Munotvereins bei rund 6000 Franken aufgehört<br />

hatte, um die Rechte mitzubieten: Das illustriert<br />

aufs Beste, dass der Munotverein in der Stadt als<br />

ein wichtiger Hüter der Traditionen betrachtet<br />

wird. «Wir sind sehr auf Traditionen bedacht»,<br />

sagt denn auch Urs Saxer, derzeit Vereinspräsident<br />

und damit «Munotvater».<br />

Man nehme nur die jeweils im Sommer stattfindenden<br />

Munotbälle: Das Tanzen der Munot­<br />

Française mit Rundlauf auf der Zinne ist nach<br />

wie vor ein fester Bestandteil der Ballsaison. <strong>Die</strong><br />

Schrittabfolgen der Munot­Française sind unverändert.<br />

Und entgegen dem Zeitgeist herrschen<br />

auch vergleichsweise rigide Kleidervorschriften:<br />

Seit 1998 ist die Krawattenpflicht zwar aufgehoben,<br />

doch wer in Wanderhosen und T­Shirt erscheint,<br />

wird weggewiesen – was bei auswärtigen<br />

Gästen durchaus einmal für Enttäuschung sorgen<br />

kann.<br />

Einstieg übers Munot-Kinderfest<br />

Traditionen entstehen, aber man kann dies<br />

auch fördern: Gemäss Saxer hat es Anläufe auch<br />

im Munotverein gegeben, etwa Disco­Abende oder<br />

auch Lesungen. Manches – wie der Munot silvester,<br />

bei dem man mit dem Stadtpräsidenten anstossen<br />

kann – bleibt, anderes nicht. Weitere Ideen sind<br />

vorhanden, derzeit wird eine Gesprächsrunde<br />

unter dem Arbeitstitel «Talk im Turm» im Vorstand<br />

diskutiert. Traditionen sind nicht angeboren,<br />

man erlernt sie, und das geschieht am nachhaltigsten<br />

im Kindesalter: Das ermöglicht das<br />

Munot­Kinderfest, das jeweils im August mit drei<br />

Böllerschüssen zur Mittagszeit angekündigt wird.<br />

«An diesem Anlass halten wir fest, auch wenn wir<br />

dabei stets drauflegen», sagt Saxer. Mit dem Kinderfest<br />

verbinden viele Schaffhauserinnen und<br />

Schaffhauser Erinnerungen. Und das zahlt sich<br />

aus: Hatte der Munotverein in den 80er­Jahren<br />

noch rund 3500 Mitglieder, liegt der Bestand heute<br />

um rund 1000 höher.<br />

Traditionen definieren die Identität, das gilt<br />

nicht nur für Regionen, sondern auch für kleinere<br />

Gruppen, wie etwa die Zünfte: Weniger im Lichte<br />

der Öffentlichkeit, aber doch seit Jahr hunderten<br />

haben auch die Schaffhauser Zünfte weiterexistiert<br />

und ihre Traditionen gepflegt. «<strong>Die</strong> schönen<br />

Altstadthäuser entstammen der Zeit der Zunftherrschaft,<br />

als die Einwohner der Stadt sich solche<br />

Bauten leisten konnten», sagt Zunft obmann<br />

Bernhard Seiler, «wir Zünfter sind heute noch<br />

stolz auf dieses Erbe.» Zwar spricht man sich<br />

heute unter den Zünftern nicht mehr per Sie an,<br />

dennoch haben sich zahlreiche Bräuche erhalten:<br />

das alljährliche Zunftbott, eine Art Generalversammlung,<br />

die Ausflüge mit Angehörigen und die<br />

Besuche bei Zünftern in anderen Städten. Geblieben<br />

ist bis heute die weitgehende Exklusivität und<br />

dass Frauen nicht aufgenommen werden: «In verschiedenen<br />

Zünften wurde das diskutiert», winkt<br />

Seiler ab. Gerade 2011 ist ein Jahr, in dem die<br />

Zünfte wieder stärker Präsenz markieren, denn<br />

es wird das 600­Jahr­Jubiläum der Einführung der<br />

Zunftverfassung in der Stadt begangen. Und in<br />

diesem Jubiläumsjahr will man anknüpfen an<br />

frühere Zeiten und verloren gegangene Traditionen<br />

wiederbeleben. Deshalb marschierten am<br />

6. Januar 2011 die Schaffhauser Zünfter am Abend<br />

zusammen mit 700 Schulkindern durch die Altstadt<br />

– 189 Jahre nach dem letzten Umzug dieser<br />

Art. Ob der Anlass wieder regelmässig stattfindet,<br />

ist noch offen.<br />

Traditionen sind auch wichtig für die Kultur,<br />

die oft von den Vereinen gepflegt wurde und wird:<br />

Ihren Ursprung hat ein Grossteil der Vereine in<br />

der Zeit nach dem Ende der Regeneration 1831,<br />

damals wurden die plötzlich erlaubten Schützen­,<br />

Turn­ und vor allem Gesangsvereine gegründet.<br />

Gerade Letztere, so schreibt Kurt Bächtold in der<br />

«Neuen Kantonsgeschichte», hatten den nachhaltigsten<br />

Einfluss. So können denn viele Musikgesellschaften<br />

und Chöre auf eine lange Tradition<br />

zurück blicken, einer davon ist der Schaffhauser<br />

Oratorienchor, der nächstes Jahr sein 100. Karfreitagskonzert<br />

geben wird: Seinen Ursprung hat<br />

der Anlass in der Gründung des Männerchors<br />

Schaffhausen im Jahr 1826. Knapp 50 Jahre später<br />

ertönte das erste Karfreitagskonzert im St. Johann,<br />

zu dem auch Unterstützung von Sängerinnen<br />

in Anspruch genommen wurde. 1910 entstand<br />

der Frauenchor Schaffhausen, seit 1911 wurde das<br />

gemeinsame Karfreitagskonzert zur Tradition,<br />

die – mit wenigen Ausnahmen – bis heute durchgehalten<br />

wurde. An Sängerinnen, sagt Jacqueline<br />

Preisig, die über 20 Jahre im Vorstand des Oratorienchors<br />

sass, sei kein Mangel, «viel schwieriger<br />

ist es, Männerstimmen zu finden».<br />

<strong>Die</strong> Weitergabe von Traditionen, so heisst es<br />

im Lexikon, geschieht innerhalb einer Gruppe<br />

oder zwischen Generationen. <strong>Die</strong> Nachwuchsfrage<br />

in den Vereinen ist denn auch entscheidend. Das<br />

zeigt sich auch bei der Trachtenvereinigung: Tatsächlich<br />

erlebten die Trachten in den 90er­Jahren<br />

einen Boom, wie sich Marianne Bühlmann, Leiterin<br />

der Trachtenkommission bei der Kantonalen<br />

Trachtenvereinigung, erinnert, «heute werden die<br />

Trachten zwar noch getragen, aber es werden weniger<br />

neue hergestellt». Hinzu komme, dass sich<br />

immer weniger junge Leute in der Trachtenbewegung<br />

– etwa den Volkstanzgruppen – engagierten.<br />

An den Herbstsonntagen trifft man die in Hand­<br />

von robin blanck<br />

Traditionen verbinden Menschen über Generationen hinweg. Sie sind Teil der Kultur und schaffen Identität. Traditionen bieten<br />

Kontinuität – aber nur so lange, wie die nachrückenden Generationen diese übernehmen und pflegen.<br />

Typisch schweizerisch: Manche Traditionen erleben in den letzten Jahren eine Renaissance, das gilt auch für die Volksmusik. Bild Key<br />

arbeit gefertigten Gewänder zwar noch häufig an,<br />

sogar Regierungsrätin Rosemarie Widmer Gysel<br />

war etwa 2010 am Hallauer Herbstsonntag und<br />

2009 am Zürcher Sechseläuten in einer Schaffhauser<br />

Tracht unterwegs. Und wie geht es weiter?<br />

«Wichtig wäre es, die Kinder von Anfang an einzubeziehen»,<br />

sagt Bühlmann. Nachgefragt seien<br />

Trachten heute vorab bei jungen Jodlerinnen, und<br />

vielleicht könnte die Volksmusik das Interesse an<br />

den Kleidern von ehemals zumindest erhalten:<br />

Ein Beispiel wäre die junge Wilchingerin Lisa<br />

Stoll, die mit Alphorn und in der Schaffhauser<br />

Tracht bereits vor einem Millionenpublikum am<br />

Fernsehen aufgetreten ist. Beste Werbung für Traditionen<br />

hat die Volksmusik auch im Rahmen des<br />

Nordostschweizerischen Jodlerfestes gemacht,<br />

das Anfang Juli 2010 in der Stadt und in Neuhau­<br />

«<strong>Die</strong> Menschen wollen wieder<br />

etwas Ruhigeres, etwas,<br />

das sie kennen und wo sie wissen,<br />

wie es läuft»<br />

sen ausgetragen wurde und rege Beachtung fand:<br />

In der ganzen Stadt waren Jodler, Alphornbläser<br />

und Trachtengruppen unterwegs, es wurde friedlich<br />

gesungen, musiziert, Fahnen geschwungen.<br />

<strong>Die</strong> sonstigen Begleiterscheinungen solcher Anlässe<br />

blieben aus: Es gab weder Schlägereien noch<br />

Lärmklagen. Das ist angekommen, wie auch der<br />

Publikumsaufmarsch am Umzug bewiesen hat.<br />

Aber nicht nur das Trachtenwesen, auch andere<br />

Traditionen sind auf der Landschaft noch<br />

lebendig. Ein Beispiel ist da die Knabengesellschaft<br />

Beringen: <strong>Die</strong> Vereinigung ist seit dem<br />

Ende des 19. Jahrhunderts belegt, die Ursprünge<br />

dürften weiter zurückreichen. Wer in Beringen<br />

wohnhaft, über 16 Jahre alt und – wichtig – ledig<br />

ist, kann heute noch beitreten und darf an den<br />

Vereinsanlässen mit Frack, Zylinder, grosser<br />

Fliege und Stock mittun. Noch immer ziehen die<br />

Knaben – teilweise mit 60 Lenzen – am Donnerstag<br />

vor dem 1. August durch das Dorf und sammeln<br />

mit der Parole «Holz oder Moscht!» das<br />

Material für das Höhenfeuer. Das Waldfest und<br />

weitere Anlässe gehören zum Jahresprogramm.<br />

«Wir sind noch aktiv, aber die Zahl der Vereins­<br />

anlässe wurde reduziert», sagt Präsident Michael<br />

Fink. Mit den Schnitzelbänken an der Chilbi habe<br />

er inzwischen aufgehört, «weil das nicht mehr<br />

so zeitgemäss ist», sagt Fink. Als Wahrer der Beringer<br />

Traditionen will die Knaben gesellschaft<br />

das Dorfleben denn auch künftig bereichern. Aber:<br />

Schon einige Jahre gab es keine Neueintritte<br />

mehr. «Früher gab es auf dem Dorf nur das Engagement<br />

in einem Verein, inzwischen können die<br />

Jungen aus einer Vielzahl von Möglichkeiten auswählen.»<br />

Ein Problem, das viele Vereine kennen.<br />

Vielfalt als Überforderung<br />

Genau diese Vielfalt, so glaubt Ernst Schläpfer,<br />

Schwingerkönig von 1980 und 1983, heute noch<br />

Obmann des Schwinger verbands, lässt die Traditionen<br />

wieder wichtiger werden. «Während man<br />

in der Stadt eine Zeit lang das Exotische bevorzugt<br />

hat, wurden in der länd lichen Bevölkerung<br />

die Traditionen immer gepflegt», sagt er. In den<br />

Städten habe man die Trachten, die Schwinger<br />

und die Jodler einfach kaum mehr zur Kenntnis<br />

genommen. «In der Stadt konntest du an jedem<br />

Fest Falafel essen, aber um Gottes willen keine<br />

Rösti», sagt Schläpfer und lässt seine Unterarme<br />

dabei erneut mit Geräusch auf die Tischplatte in<br />

seinem Büro fallen. Wenn Traditionen oft mit<br />

Rückwärtsgewandtheit und politischem Rechtssein<br />

in Verbindung gebracht werden, so ist dieser<br />

Verdacht bei Dr. Ernst Schläpfer, langjähriges<br />

Mitglied und Kantonsrat der Sozialdemokratischen<br />

Partei, nicht angebracht. Der Wandel, sagt<br />

Schläpfer, begann in den 90er­Jahren, als das<br />

Inter esse der Städter am Traditionellen langsam<br />

zurückkehrte. Tatsächlich sind heute Musikprojekte<br />

zwischen Rappern und den Alderbueben in<br />

den Hitparaden, das Eidgenössische Schwingfest<br />

in Frauenfeld lockt wahre Menschenmassen an:<br />

Schwingen ist im Aufwind. Das hat gemäss Schläpfer<br />

mit dem Schwing­Sport selbst zu tun, dann<br />

mit der stärkeren Präsenz in den Medien. Dann<br />

kommt auch der Nachwuchs: «Nebst vielleicht<br />

dem Fussball ist Schwingen eine der wenigen<br />

Sportarten, die konstant mehr Zulauf haben», sagt<br />

Schläpfer. Wichtig: Es wurde wenig verändert.<br />

«Schwingen ist noch immer ein Fest, das Zeit<br />

braucht», sagt er. Das bedeutet: Ausscheren aus<br />

dem dauernden Wandel, dem beschleunigten Leben.<br />

Tradition als Refugium. Schläpfer sagt: «<strong>Die</strong><br />

Menschen wollen wieder etwas Ruhi geres, etwas,<br />

das sie kennen und wo sie wissen, wie es läuft.»


72 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Ein Stück mehr Lebensqualität – HARTMANN hilft heilen<br />

Erfolgreiche und innovative Produkte und <strong>Die</strong>nstleistungen prägen die<br />

Geschichte der IVF HARTMANN AG seit 140 Jahren.<br />

Im Vordergrund stehen die Interessen der Patienten<br />

und der Marktpartner in Spital, Arztpraxis,<br />

Pflegedienst und Detailhandel.<br />

Sie alle profitieren von zukunftsorientierten und<br />

wirtschaftlichen Systemlösungen.<br />

<strong>Die</strong> IVF HARTMANN AG ist in der Region Schaffhausen verwurzelt.<br />

<strong>Die</strong> Zugehörigkeit zur international tätigen HARTMANN-Gruppe erschliesst<br />

dem Unternehmen zusätzliche Synergien und neue Chancen<br />

IVF HARTMANN AG, CH-8212 Neuhausen - www.ivf.hartmann.info<br />

WEIL SPITZEN-<br />

TECHNOLOGIE AUS<br />

WISSEN UND<br />

ERFINDERGEIST<br />

ENTSTEHT.<br />

Marquardt zählt über 5.000 Mitarbeiter an 12 Standorten in neun Ländern. Für internationale<br />

Premiumhersteller der Automobil-, Haushalts- und Consumer-Industrie entwickeln und<br />

produzieren wir elektromechanische, mechatronische und elektronische Schalter und Schaltsysteme.<br />

<strong>Die</strong>s tun wir auch an unserem Standort in Schaffhausen. Der Name Marquardt<br />

steht weltweit für SpitzentechnologieundInnovationskraft.Wirsindseitüber 85 Jahren ein<br />

unabhängiges Familienunternehmen geblieben und wollen dies auch bewahren.<br />

für innovative Marktleistungen.<br />

A1271245<br />

<strong>Die</strong> besten Glückwünsche<br />

zum 150. Jubiläum.<br />

Marquardt Verwaltungs-GmbH · Ernst-Müller-Strasse 7 · CH-8201 Schaffhausen · marquardt@marquardt.ch<br />

A1271410<br />

A1270323<br />

Wir machen<br />

Bus und Bahn<br />

attraktiver<br />

Lösungen für den öffentlichen Verkehr<br />

www.trapezeits.com<br />

Edle Worte brauchen edlen Druck.<br />

Herzlichen Glückwunsch zum 150-jährigen<br />

Jubiläum der Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong>.<br />

Wir gratulieren den<br />

Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

zum 150-jährigen Bestehen.<br />

Je vielfältiger die Medienwelt, desto wichtiger das<br />

gedruckte Wort. Aktuelle, informative und unterhaltsame<br />

Zeitungen und Zeitschriften entsprechen einem<br />

Bedürfnis kommunikativer Menschen. Erst recht im<br />

virtuellen Zeitalter. Wir wünschen den Schaffhauser<br />

<strong>Nachrichten</strong> weiterhin eine erfolgreiche Zukunft. Mit<br />

Publikationen, die bei Lesern und Inserenten ankommen,<br />

weil sie geistvolles Lesevergnügen bereiten.<br />

A1270922<br />

Ferag AG<br />

Zürichstrasse 74<br />

CH-8340 Hinwil<br />

Telefon +41 44 938 60 00<br />

Fax +41 44 938 60 60<br />

info@ferag.com<br />

www.ferag.com


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Kultur 73<br />

Bild Rolf Wessendorf<br />

Einer Stadt ohne Kultur fehlt etwas. Aber gerade unsere Region zeigt exemplarisch, dass kul tu­<br />

relles Schaffen nicht an die Stadt gebunden ist. Viele Künstler – wie hier Seppel Gnädinger –<br />

brauchen für ihre Arbeit die Ruhe und Langsamkeit, die man auf dem Lande eher findet als in<br />

einer Stadt – auch wenn sich in Schaffhausen die Hektik glücklicherweise in Grenzen hält.


74 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

MCS Musik-Collegium Schaffhausen<br />

Konzertsaison 2011/12<br />

Gespielt werden Werke von: Arensky, Bach, Beethoven, Boccherini, Haydn, Hartmann, Liszt, Mendelssohn, Mozart,<br />

Saraste, Schostakowitsch, Schubert, Tschaikowski und Wagner<br />

Hervorragende Solisten und Solistinnen wie: Emanuel Pahud, Flöte, Theo Gherorgiu, Cyprien Katsaris und Jinsang Lee, alle Klavier, Roswitha Müller, Mezzosopran,<br />

und Nikolas Koeckert, Violine, sowie fünf Solo-Kontrabassisten aus fünf Ländern werden begleitet von Spitzenorchestern aus Deutschland, Italien, Russland<br />

und der Schweiz. <strong>Die</strong> Singknaben der St. Ursenkathedrale Solothurn und der Chor salto corale Schaffhausen werden das Weihnachtsoratorium singen.<br />

FELSENKELLER.SH<br />

SPORRENGASSE 11<br />

8201 SCHAFFHAUSEN<br />

TELEFON 052 625 52 57<br />

FAX 052 625 52 23<br />

WWW.FELSENKELLER.SH<br />

Herzlichen Glückwunsch<br />

zum 150-Jahre-Jubiläum<br />

Glückwunsch!<br />

«HERR KEUNER<br />

STELLTE SICH<br />

NACHDENKLICH<br />

DEN PROBLEMEN<br />

SEINER ZEIT.»*<br />

*BERTOLT BRECHT<br />

WWW.STADTTHEATER-SH.CH<br />

Wir gratulieren<br />

den Schaffhauser<br />

<strong>Nachrichten</strong><br />

zum 150-Jahr-<br />

Jubiläum<br />

Ihr Spezialist<br />

für PC + MAC<br />

Profitieren Sie<br />

von unserer<br />

22-jährigen<br />

Erfahrung!<br />

Detaillierte Informationen siehe www.musik-collegium.ch<br />

A1271277<br />

Grubenstrasse 108<br />

8200 Schaffhausen<br />

Tel.: 052 674 09 90<br />

www.pcds.ch<br />

A1270453<br />

Wir gratulieren zum<br />

150-Jahr-Jubiläum<br />

A1271294<br />

Wir sind stolz, dass wir die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

zum 150-Jahr-Jubiläum auf der<br />

Burg Hohenklingen<br />

begrüssen dürfen.<br />

…nicht die vorzügliche Küche<br />

…nicht der aufmerksame Service<br />

…nicht der feine Tropfen vom Keller<br />

…nicht die schönen Räume<br />

sondern die Gäste machen uns<br />

zu einem aussergewöhnlichen Ort<br />

Öffnungszeiten: <strong>Die</strong>nstag bis Samstag,<br />

10.00 bis 22.30<br />

Sonntag, 10.00 bis 17.00<br />

Montag geschlossen<br />

Reservation: 052 741 21 37 A1270318<br />

” 1861 – lange vor dem ersten Stummfilm!<br />

Kinepolis gratuliert den<br />

Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong> zum<br />

150jährigen Jubiläum! “<br />

A1271553<br />

A1271831


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Kultur 75<br />

Warum ist Kulturförderung eine Staatsaufgabe?<br />

Thomas Feurer: Das ist in Europa historisch<br />

und kulturell begründet. <strong>Die</strong> adligen Familien und<br />

die Klöster haben Kultur immer gefördert – nicht<br />

zuletzt, um sich und ihre Leistung von Künstlern<br />

ins richtige Licht rücken zu lassen. Später haben<br />

das die demokratischen Staaten fast nahtlos übernommen,<br />

wobei dann nicht mehr in erster Linie<br />

die Herrschenden im Zentrum standen, sondern<br />

der Staatsgedanke mitsamt seinem Bildungsanspruch,<br />

der über die Kultur dem Volk nähergebracht<br />

werden sollte. Kulturelle Monumente<br />

gab es aber auch für grosse Persönlichkeiten und<br />

Pioniere wie etwa Alfred Escher, dessen Statue<br />

vor dem Zürcher Bahnhof steht, oder den Gründer<br />

der Georg Fischer, der mit der Statue am<br />

Obertorkreisel geehrt wird.<br />

Nun gibt es aber, vor allem in den Vereinigten<br />

Staaten, ein anderes Modell, bei dem die<br />

Kulturförderung durch Private im Vordergrund<br />

steht. Warum hat sich das in Europa nicht<br />

durch gesetzt?<br />

Thomas Feurer: Das ist richtig, wobei anzumerken<br />

ist, dass diese kulturelle Tätigkeit in den<br />

USA keineswegs uneigennützig ist. Überspitzt<br />

gesagt: So, wie die zuvor erwähnten europäischen<br />

Herrscherhäuser sich mit Kultursymbolen ein<br />

Denkmal setzen wollten, taten und tun das auch<br />

viele reiche Familien in den Staaten. Zudem gibt<br />

es das auch in Europa und sogar im kleinen<br />

Schaffhausen. Viele Museen und andere Einrichtungen<br />

wurden und werden von privaten Mäzenen<br />

tatkräftig gefördert. Denken Sie etwa an das<br />

Beyeler­Museum in Basel oder die Sturzenegger­<br />

Stiftung, ohne deren grosses finanzielles Engagement<br />

unser Museum heute nicht so glänzend<br />

dastünde. Anders gesagt: Das Zusammenwirken<br />

staatlicher Institutionen und Privater hat bei uns<br />

Tradition.<br />

Schaffhausen hat die Kulturförderung sehr gut organisiert, ist Stadtpräsident Thomas Feurer überzeugt. Bild Michael Kessler<br />

Kultur wertet den Standort auf<br />

Damit ist zwar der historische Kontext erläutert,<br />

die Frage, warum der Staat die Kultur fördern<br />

soll, ist damit aber nicht beantwortet.<br />

Feurer: Schauen Sie sich um, unsere Altstadt<br />

und ihr Angebot sind Kultur pur. <strong>Die</strong>se zu pflegen<br />

und weiterzuentwickeln, ist ein so wichtiger<br />

Standortfaktor wie – um einen auf den ersten<br />

Blick vielleicht überraschenden Vergleich zu ziehen<br />

– unsere Sport­ und Freizeitanlagen oder die<br />

Naturschönheiten Rhein und Randen. Wir hören<br />

das immer wieder, wenn wir uns mit Leuten<br />

unterhalten, die einen Wohnortswechsel ins Auge<br />

fassen. Oder, um noch einmal einen Vergleich<br />

anzustellen, Kulturförderung ist genauso berechtigt<br />

wie Wirtschaftsförderung. Auch wenn die einzelnen<br />

Anlässe eine unterschiedliche Publikumsgunst<br />

geniessen, so profitiert die Region von der<br />

Vielfalt und der Qualität doch enorm.<br />

Wie bei allen anderen Förderungsmassnahmen<br />

von Stadt und Kanton gilt es aber auch bei<br />

der Kulturförderung, das richtige Mass zu finden.<br />

Wir müssen damit leben, dass wir kein Opern­<br />

oder Schauspielhaus und auch kein Kunsthaus<br />

wie Zürich haben. Trotzdem haben wir regionale,<br />

nationale und internationale Institutionen wie die<br />

Kammgarn, das Museum zu Allerheiligen oder<br />

die Hallen für Neue Kunst, die in ihren Fächern in<br />

den allerbesten Ligen mitspielen. Dazu kommen<br />

unsere renommierten Musikanlässe, innovative<br />

Theaterprojekte und so weiter.<br />

Hat sich die Kulturförderung verändert?<br />

Wenn ja, wie?<br />

Feurer: <strong>Die</strong> Förderung hat sich sogar sehr<br />

verändert. In früheren Jahren konnte der Stadtpräsident<br />

durch ein Machtwort Beiträge sprechen.<br />

Das würde heute zu Recht nicht mehr akzeptiert.<br />

Mit den jetzigen Leistungsvereinbarungen, dem<br />

städtischen Kulturkonzept von 2001, dem kantonalen<br />

Kulturförderungsgesetz und der Strategie<br />

IntervIew karl hotz<br />

zur Kulturförderung, die der Regierungsrat letztes<br />

Jahr verabschiedet hat, wurde inzwischen ein<br />

sehr guter Rahmen geschaffen.<br />

Wir können, auch im Vergleich mit anderen<br />

Städten und Regionen, stolz sein, dass wir ein so<br />

klares, anerkanntes Förderkonzept haben, und<br />

das Gleiche gilt für die hervorragende Zusammenarbeit<br />

mit dem Kanton. Wir können heute<br />

überzeugt sagen, dass Begünstigungen, wie sie<br />

auch in einem überschaubaren Raum wie Schaffhausen<br />

vorkommen könnten, praktisch ausgeschlossen<br />

sind. Das umso mehr, als Fachleute die<br />

Gesuche für die gemeinsamen Förderbeiträge begutachten<br />

und dank dem Autonomiestatut weder<br />

Stadt­ noch Regierungsrat inhaltlich auf die Auswahl<br />

Einfluss nehmen.<br />

Was heisst das konkret? Was sind die Kriterien<br />

für Beiträge?<br />

Feurer: Da ist erstens einmal zu erwähnen,<br />

dass diese Kriterien völlig transparent sind. Jedermann<br />

kann sie anfordern oder aus dem Internet<br />

herunterladen. Festgelegt ist ebenfalls, dass wir<br />

nur auf ein Gesuch hin fördern. <strong>Die</strong> Veranstalter<br />

müssen also etwas tun, bevor sie Geld erhalten.<br />

Natürlich muss am Schluss jeder Fall einzeln entschieden<br />

werden, doch die Rahmenbedingungen<br />

sind klar: Qualität, Originalität und eigene Anstrengungen<br />

sind unabdingbar. Als zuständiger<br />

Kulturreferent bin ich froh über diese Regeln<br />

und muss mich nicht für diese oder jene Zu­ oder<br />

Absage rechtfertigen. Weil alles so offen und klar<br />

ist, gibt es, um es etwas salopp auszudrücken, bei<br />

der Vergabe von Beiträgen kaum je Knatsch.<br />

Wenn man die Liste der Beiträge anschaut,<br />

fallen die vielen kleinen Zahlungen auf.<br />

Feurer: Das ist richtig. <strong>Die</strong> ganz grosse Mehrzahl<br />

sind wirklich Kleinbeträge. Aber auch diese<br />

sind wichtig. Oft sind es gerade dieser Zustupf<br />

und die damit verbundene Anerkennung, die zum<br />

Beispiel ein Projekt erst ermöglichten oder ein<br />

Talent fördern, das später eine Erfolgsgeschichte<br />

schreibt. Zudem, auch das steht in den Reglementen,<br />

ist das Aufbringen von Eigenmitteln immer<br />

zwingend.<br />

<strong>Die</strong> Kammgarn war, plakativ gesagt, einst<br />

Subkultur. Heute profitiert sie von Kantons- und<br />

Stadtbeiträgen. Warum dieser Wandel?<br />

Feurer: <strong>Die</strong> Kammgarn ist eines der besten<br />

Beispiele für eine gelungene Förderung. Nachdem<br />

ein erster Anlauf für eine Renovation an der Urne<br />

gescheitert war, ergriffen die Betreiber selbst<br />

die Initiative und organisierten und finanzierten<br />

zusammen mit Privaten, Gewerbe und Industrie<br />

den Umbau. <strong>Die</strong> Stadt beteiligte sich mit einem<br />

Beitrag und guten Mietkonditionen. Gemessen<br />

am Gesamtumsatz der Kammgarn, machen die<br />

öffentlichen Gelder mit etwas mehr als zwei<br />

Franken pro Eintritt aber einen kleinen Teil aus,<br />

und die ganze Region erhält dafür ein Angebot,<br />

das heute nicht mehr wegzudenken ist. Kleiner<br />

Aufwand, grosser Nutzen – das gilt auch für viele<br />

andere, sogenannt alternative Kulturbetriebe, wie<br />

zum Beispiel das TapTab, den «Chäller» oder das<br />

Programm des Schauwerks.<br />

Was könnte man besser machen?<br />

Feurer: Der Weg stimmt, wir fördern gute<br />

Projekte und mischen uns nicht in die kreativen<br />

Prozesse ein. Das wird auch von aussen positiv<br />

wahrgenommen. Immer wieder kommen Vertreter<br />

anderer Regionen zu uns, um zu schauen, wie<br />

wir es machen. Und dass Roland E. Hofer, der<br />

im Kanton für die Kulturförderung zuständig ist,<br />

Präsident der Konferenz der Schweizer Kulturbeauftragten<br />

ist, sagt auch einiges über die Qualität<br />

des Schaffhauser Kulturverständnisses und<br />

über unsere Institutionen aus.


76 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Wir gratulieren zum 150-Jahr-Jubiläum und danken für die vielen Stunden Lesegenuss.<br />

NTR Computer GmbH<br />

Mühlentalstrasse 260<br />

8200 Schaffhausen<br />

Telefon 052 644 00 22<br />

www.ntrcomputer.ch<br />

Ihr Partner mit persönlichem Service<br />

Besuchen Sie uns in der Kulturgaststätte Sommerlust<br />

mit ihrem herrlichen Garten und der Sommerbühne oder<br />

im quirligen Güterhof direkt an der Schifflände<br />

Schaffhauser<br />

Sonnenseiten<br />

In beiden Häusern regelmässig attraktive Veranstaltungen<br />

Sitzplätze im Freien, kulinarische Feinheiten, gemütliche Lounges,<br />

moderne Veranstaltungstechnik, Bankettsäle, WLAN<br />

A1271937<br />

Kulturgaststätte Sommerlust Rheinhaldenstr. 8 8200 Schaffhausen<br />

Telefon 0041 (0) 52 630 00 60 info@sommerlust.ch Güterhof Gastronomie am Rhein<br />

Freier Platz 10 8200 Schaffhausen Telefon 0041 (0) 52 630 40 40 info@gueterhof.ch<br />

Betriebe der prager.gastronomie ag in Schaffhausen<br />

Herzliche Gratulation zum 150-Jährigen!<br />

150-jährigen!<br />

CINEMA<br />

MEIER BUCHVERLAG<br />

SCHAFFHAUSEN<br />

Sensibel ausgewogene Proportionen charakterisieren<br />

diese modernen, zugleich harmonisch gestalteten<br />

Wohnformen. Zeitlose Klassik wird zeitgemäss anmutig<br />

und in grosszügig bemessenen, kissenweichen<br />

Sitzdimensionen interpretiert. Vielseitige, neue Kombinationsideen<br />

sowie interessante Funktionen bilden<br />

einladende Sitz- und Relaxinseln.<br />

René Bührer AG<br />

Möbel, Vorhänge, Bodenbeläge<br />

Rheinfallstrasse 7, 8212 Neuhausen<br />

info@buehrer-wohnen.ch °<br />

Telefon 052 672 16 30 Fax 052 672 16 40<br />

www.buehrer-wohnen.ch<br />

A1270331<br />

A1270839


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Kultur 77<br />

«Kunst brauche ich zum Leben»<br />

Sein erstes Bild kaufte er 1965. Urs Meili, damals<br />

Student der Zahnmedizin in Bern, kam<br />

zufällig an einer Vernissage vorbei, an der<br />

Fotokunst ausgestellt wurde. «Ich traute mich<br />

nicht hinein. Da waren lauter gemachte Leute, die<br />

Weisswein tranken.» Aber wie er so fasziniert<br />

durch das Fenster ins Innere schaute, bat ihn auf<br />

einmal der Galerist hinein. Drinnen fiel sein Blick<br />

dann auf «ein wunderschönes Porträt eines Kindes».<br />

Gekauft hat er es erst nicht, «ich dachte,<br />

dass ich es mir nicht leisten kann.» Nur kam er auf<br />

dem Weg zur Uni immer an der Galerie vorbei<br />

und konnte es nicht lassen, einen Blick hineinzuwerfen.<br />

Irgendwann entschied er sich dann doch,<br />

nach dem Preis zu fragen, und der Galerist verkaufte<br />

ihm das Bild von Anne Chevalier für<br />

250 Franken. Wo er die Fotografie heute hat, weiss<br />

er nicht mehr so genau, «irgendwo im Lager auf<br />

dem Estrich». Mit diesem Porträt aber begann<br />

eine Sammelleidenschaft, die bis heute anhält.<br />

Keine Bilder, die Geschichten erzählen<br />

«Kunst brauche ich für mein Leben», sagt Meili<br />

mit Nachdruck. «Kunst ist für mich nicht Dekoration,<br />

ich stehe mit meinen Bildern jeden Tag im<br />

Dialog.» Er sitzt an einem Tisch aus Kirschbaumholz<br />

in seinem weiträumigen Esszimmer, während<br />

er das sagt. Hinter ihm an der Wand hängt<br />

ein Bild von Christian Megert. Ein hochformatiges<br />

Bild mit sechs quadratischen Spiegeln, alle ganz<br />

leicht in eine andere Richtung geneigt, in verschiedene<br />

Abstufungen von Silberschwarz getaucht<br />

auf schwarzem Hintergrund. Op-Art nennt<br />

sich die Stilrichtung, der die meisten von Meilis<br />

Kunstwerken zuzuordnen sind. Bilder, die zunächst<br />

nur das sein wollen, als was sie sichtbar<br />

erscheinen: eine Komposition bestimmter Formen<br />

und Farben, hergestellt mit verschiedenen Materialien.<br />

«Das mag einem zu simpel erscheinen,<br />

aber dann hat man nicht genau hingeschaut.»<br />

Wenn man sich Zeit nimmt, sieht man, wie plötzlich<br />

Wellen entstehen, Farben sich verändern oder<br />

wie ein anderer Lichteinfall ein Bild völlig verwandeln<br />

kann. «Ich mag keine Bilder, die Geschichten<br />

erzählen.» <strong>Die</strong> Op-Art werde vom Betrachter her<br />

erarbeitet. Ein Thema ist nicht vorgegeben, es entsteht<br />

vielmehr erst im Betrachten. Der Betrachter<br />

wird so selbst Teil der Kunst.<br />

Seinem Stil treu bleiben<br />

Wenn man sich umschaut im Haus der Meilis,<br />

fühlt man sich ein bisschen wie in einer Ausstellung.<br />

Nur gemütlicher. Vor allem aber findet man<br />

einen roten Faden in der Sammlung, Kontinuität.<br />

«In einer Sammlung sollte man seinem Stil treu<br />

bleiben», sagt Meili. Das sei ihm ganz wichtig. Wie<br />

man den Stil bei einem Künstler spüre, sollte man<br />

auch den Stil eines Sammlers erkennen, wobei<br />

man sich natürlich, ähnlich wie der Künstler auch,<br />

weiterentwickeln könne. Klar, gebe es auch jene,<br />

die Kunst aus rein kommerziellen Gründen sammelten.<br />

Längst haben die Spekulanten den Kunstmarkt<br />

für sich entdeckt. Aber wer querbeet wertvolle<br />

Kunstwerke kaufe, habe am Schluss zwar<br />

eine Ansammlung von guten Bildern, aber keine<br />

Sammlung. Für ihn sei der kommerzielle Aspekt<br />

beim Sammeln nie wichtig gewesen. «Nicht, weil<br />

ich es nicht nötig habe, sondern weil ich es mir<br />

einfach nicht vorstellen kann, ein Bild zu verkaufen.»<br />

Das hat er denn auch nie getan. Seine Sammlung,<br />

mittlerweile auf rund 200 Werke angewachsen,<br />

stellt er zum Teil in seinem Haus aus, einige<br />

Bilder habe er auch verschenkt oder ausgeliehen,<br />

«unter anderem an meine Göttikinder».<br />

Mit Glück zum Luxushaus<br />

Dass Urs Meili genug Platz hat für die grossflächigen<br />

Werke, verdankt er einem glücklichen<br />

Zufall. Sein Haus auf dem Geissberg gehörte einst<br />

Walter Hassler, Chef und Teilhaber der Drogerie-<br />

und Apothekenkette Quidort, Bonvivant und Kunstsammler.<br />

Das Haus samt Garten liess er sich von<br />

Paul Bonatz entwerfen, dem Architekten des Stuttgarter<br />

Bahnhofs. Ein Traumhaus, in dem Hassler<br />

Kunstschätze von Weltformat hatte: Hodler, Klee,<br />

Vallotton. Als Hassler und später dessen Frau verstarben,<br />

suchte der einzige Erbe, ein in Amerika<br />

wohnhafter Physiker, nach jemandem, der das<br />

Haus übernehmen würde, und die Familie wollte,<br />

dass es jemand kaufte, der wie Hassler auch der<br />

Kunst zugetan war. Urs Meili wurde eingeladen,<br />

sich das Anwesen anzusehen, «es war fantastisch,<br />

aber mir war sofort klar, dass ich es mir nicht<br />

leisten konnte.» Doch das Finanzielle war für die<br />

wohlhabende Familie nicht so wichtig. Sie überliess<br />

Meili das Anwesen, ohne die Kunstwerke<br />

selbstverständlich, für einen sehr günstigen Preis,<br />

jedoch mit der Auflage, nichts Substanzielles an<br />

Haus und Garten zu verändern. So kam Meili<br />

unverhofft zu seinem Haus, und dieses Glück<br />

begriff er fortan als Verpflichtung, die Kunst zu<br />

fördern und Künstler zu unterstützen. «Und wer<br />

in Kunst investiert, der belebt die Kunst auch.»<br />

Vorwärtssammeln<br />

Vorbild und Mentor im Kunstsammeln war für<br />

Urs Meili Paul Pflügl. Pflügl, vielen Schaffhausern<br />

bestens bekannt als Geschäftsinhaber und Pro -<br />

City-Sekretär, der jene umstrittene Röhrenplastik<br />

von Erich Hauser auf den Fronwagplatz brachte,<br />

die schliesslich wieder entfernt werden musste,<br />

sei in den Siebzigern der wichtigste Sammler in<br />

Schaffhausen gewesen. Meili richtete damals gerade<br />

seine Zahnarztpraxis in der Altstadt ein, als<br />

er Pflügl kennenlernte. «Er hat mir gesagt, wenn<br />

ich Kunst wolle, solle ich zu ihm kommen, ich<br />

könne auswählen.» Meili liess sich nicht zweimal<br />

bitten. Wenig später lernte er dann Klaus Unger<br />

kennen, Griechisch- und Lateinlehrer an der Kanti<br />

und ebenfalls Kunstinteressierter. Zwischen den<br />

dreien entwickelte sich eine intensive Freundschaft,<br />

«35 Jahre lang sind wir jeden Montag zusammen<br />

essen gegangen und haben uns immer<br />

auch über Kunst ausgetauscht.» Gemeinsam besuchten<br />

sie Galerien und Künstler und stellten<br />

auch ihre Bilder aus, unter anderem 1982 im<br />

Museum zu Allerheiligen. «Neue Kunst aus Schaffhauser<br />

Sammlungen», hiess die Ausstellung damals.<br />

Bevor es so weit war, brachte Pflügl seinen<br />

beiden jüngeren Freunden Mitte der Siebzigerjahre<br />

erst einmal bei, worauf es bei einer guten<br />

Kunstsammlung ankommt. «Er hat mir gesagt:<br />

‹Du darfst keine Briefmarken sammeln›, also keine<br />

kleinen Bilder, sondern grossflächige, die etwas<br />

von Jan Hudec<br />

Worin liegt die Passion beim Kunstsammeln, wie erkennen Sammler Talente, und was machen sie überhaupt<br />

mit den ganzen Kunstwerken? <strong>Die</strong> SN haben den Schaffhauser Sammler Urs Meili besucht.<br />

«Man sagt nicht zu Unrecht,<br />

dass Sammeln eine Krankheit ist,<br />

die glücklich macht»<br />

Holzstifte, die aus weissem Hintergrund hervorstechen und verblüffende optische Effekte erzeugen: Urs Meili vor einem Werk von Luis Tomasello. Bild Michael Kessler<br />

darstellen. ‹Und du musst vorwärtssammeln.›<br />

Sprich, junge Künstler, wenn sie noch unbekannt<br />

sind und sich mit dir entwickeln in der Sammlung.»<br />

Alles andere sei Kommerz. Ausserdem<br />

könne man sich als junger Sammler auch kaum<br />

leisten, Klassiker zu kaufen.<br />

Ein langer Lernprozess<br />

Wer nun junge, noch unbekannte Künstler<br />

sammelt, läuft natürlich Gefahr, sich zu irren, auf<br />

den falschen zu setzen. «Klar, kann es sein, dass<br />

man ein Bild eines Künstler gekauft hat, bei dem<br />

es sich später herausstellt, dass er keine Linie,<br />

keine Entwicklung hat in seinem Werk.» Talente<br />

zu entdecken und qualitativ hoch stehende Kunst,<br />

sei aber durchaus möglich. «Wichtig dafür ist,<br />

dass man sich viele Ausstellungen anschaut, sich<br />

mit der Kunst auseinandersetzt und auch einen<br />

regen Austausch pflegt mit anderen Sammlern.»<br />

Er selbst versuche ausserdem stets, die Künstler<br />

auch persönlich kennenzulernen.<br />

Kunstsammeln ist also nichts, was man so<br />

nebenher macht, wenn man denn ein guter Samm-<br />

ler sein will. «Naturtalente gibt es nicht.» So<br />

könne man sich denn auch schwer mit 30 oder<br />

40 Jahren schon einen erfolgreichen Sammler<br />

nennen. Erst wenn die Preise dann plötzlich steigen<br />

und die Kunst, die man sammelt, die Zeit auch<br />

überdauert, «dann weiss man, dass etwas dran ist,<br />

dass man auf dem richtigen Weg war».<br />

Ein Gespür zu haben für die Kunst, das wird<br />

einem nicht in die Wiege gelegt, und doch muss<br />

die Faszination dafür wohl schon früh da sein. So<br />

war es auch bei Urs Meili. «Ich weiss noch, wie ich<br />

als Jugendlicher aus Kunstkalendern Bilder ausgeschnitten<br />

und bei mir im Zimmer aufgehängt<br />

habe.» Seine Freunde hätten «Bravo»-Stars und<br />

Autos an den Wänden gehabt, bei ihm waren es<br />

Bilder von Klee, Mondrian und Picasso. Nicht,<br />

dass er ein völlig vergeistigtes Kind gewesen sei,<br />

im Gegenteil. Er habe mit seinen Freunden immer<br />

ziemlich viel angestellt und Ärger gehabt in der<br />

Schule. Nur die Leidenschaft fürs Sammeln war<br />

bei ihm schon früh da. «Schliesslich sagt man<br />

nicht zu Unrecht, dass Sammeln eine Krankheit<br />

ist, die glücklich macht.»<br />

Sammeln leicht gemacht Ein paar Tipps für Einsteiger<br />

Kunstsammeln ist sicher ein reizvolles Hobby.<br />

Nur: Wie schafft man den Einstieg, wenn man<br />

sich in der Kunstwelt noch nicht so versiert bewegt?<br />

Als Erstes sollte man sich darüber klar<br />

werden, warum man Kunst sammeln will: um<br />

die Wohnung aufzupeppen, weil man eine Kollektion<br />

anlegen will oder weil man ein Geschäft<br />

dahinter wittert? Je nach Ziel muss man auch<br />

anders vorgehen. Auch sollte man sich fragen,<br />

welche Kunst man sammeln will und welches<br />

Budget zur Verfügung steht. Sind diese Grundfragen<br />

einmal geklärt, stehen ausgedehnte<br />

Galerie- und Messebesuche an. Auch der Griff<br />

zu Fachliteratur kann nicht schaden. Kurz: Man<br />

muss bereit sein, sich mit der Kunst intensiv<br />

auseinanderzusetzen.<br />

Es empfiehlt sich, zeitgenössische Kunst zu<br />

sammeln, Klassiker liegen für Normalverdiener<br />

ausser Reichweite. Qualität zu finden, ist nicht<br />

ganz einfach. Es hilft aber, sich die Vita des<br />

Künstlers genau anzusehen: Welche Ausbildung<br />

hat er gemacht (welche Hochschule und bei wel-<br />

chem Lehrer), ob er bereits ausgestellt hat und<br />

wo, wurde über ihn schon geschrieben, hat er<br />

Preise und Auszeichnungen erhalten, und ist er<br />

auch anderen Sammlern aufgefallen? Wichtig<br />

ist zudem, dass das Werk eines Künstlers eigenständig<br />

ist und dass man auch eine Kontinuität<br />

darin entdecken kann.<br />

Wer gerne Werke von jungen Künstlern kaufen<br />

will und darauf spekuliert, dass diese einmal<br />

Gold wert sein werden, der sollte sich bewusst<br />

sein, dass es nur den allerwenigsten Künstlern<br />

gelingt, sich im Kunstmarkt zu etablieren. Das<br />

liegt oft nicht nur am Talent, sondern vielfach<br />

an der mangelnden Bereitschaft, während Jahren<br />

finanziell untendurch zu müssen. Denn<br />

junge Künstler können von ihrer Arbeit in aller<br />

Regel mehr schlecht als recht leben. Einen Shootingstar<br />

zu entdecken, ist sicher möglich, die<br />

Chancen sind aber einigermassen gering.<br />

Eine gute Zusammenstellung von Einsteigertipps<br />

findet sich auf der Internetseite www.artvista.de.


78 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Wir gratulieren den Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

zum 150-Jahr-Jubiläum!<br />

Ihr regionaler Internetdienstleister<br />

<strong>Die</strong> Schweiz von ihrer schönsten Seite<br />

150 Jahre Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

<strong>Die</strong> A&F Computersysteme AG gratuliert zum erfolgreichen 150-Jahr-Jubiläum der Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong>.<br />

Wir wünschen für die Zukunft nur das Beste und weiterhin viel Erfolg.<br />

Wenn wir gross sind, werden wir auch eine Zeitung …<br />

regionalinfo<br />

A&F Computersysteme AG<br />

Sandgruebestrasse 4<br />

CH-6210 Sursee<br />

Telefon +41 (0)41 925 71 11<br />

Telefax +41 (0)41 925 71 22<br />

www.a-f.ch, info@a-f.ch<br />

Radio Munot gratuliert den <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» herzlich zum 150. Geburtstag.<br />

A1271404<br />

A1270311<br />

A1272031<br />

A1270322


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Kultur 79<br />

Kleine Stadt, grosse Kultur<br />

Das Wort «Schaffhausen» ruft in mir die<br />

vielfältigsten Assoziationen hervor. Da ist<br />

zum einen das malerische, etwas verschlafene<br />

Städtchen mit seinen 171 Erkern und den<br />

tüchtigen, bescheidenen Bewohnern, das <strong>Die</strong>ter<br />

Wiesmann so trefflich besungen hat. Den Apotheker<br />

mit der Gitarre kannte ich übrigens schon als<br />

Kind vom legendären «Dachbudenplausch» im<br />

Schweizer Fernsehen her. In Schwarz-Weiss noch,<br />

zumindest in unserer guten Stube in Davos.<br />

Da ist zum andern aber auch die Urgewalt des<br />

Rheinfalls, ein begeisterndes und erschütterndes<br />

Naturwunder. Und beides war mir von sonntäglichen<br />

Familienausflügen im VW-Bus früh vertraut.<br />

Ich kann mich an den steilen Abstieg vom<br />

Schloss Laufen erinnern. Und daran, wie das<br />

Känzeli, einem Schiff auf hoher See gleich, zu fahren<br />

begann, wenn man einen Punkt in der herabstürzenden<br />

Wasserflut fixierte. <strong>Die</strong> Schifffahrt<br />

zum Felsen in der Mitte des Rheinfalls war ein<br />

weiterer Höhepunkt des Tages. Dann wurde der<br />

Munot besichtigt, und am Ende gab es Glace mit<br />

Schlagrahm.<br />

Das ist Jahrzehnte her. Doch wenn wir heute<br />

Gäste aus dem Ausland haben, die etwas von der<br />

Schweiz sehen möchten, gehört eine Reise ins<br />

Schaffhauserland zum festen Programm. Bürgerliche<br />

Idylle und archaische Wildheit, wo sähe man<br />

sie näher beieinander? Unsere Agenda hat sich<br />

allerdings erweitert. Zu Rheinfall und Munot sind<br />

die Hallen für Neue Kunst in der ehemaligen<br />

Kammgarnfabrik gekommen, das Museum zu<br />

Allerheiligen sowie – wenn es sich zeitlich gerade<br />

trifft – ein Besuch des Jazzfestivals oder des Antiquariats<br />

Bibermühle.<br />

Ich will hier nicht so tun, als wäre ich ein grosser<br />

Kenner der Schaffhauser Kulturszene. Gewiss<br />

ist mir das meiste unbekannt. Ich war zum Beispiel<br />

noch nie an einem der berühmten Bachfeste<br />

– obwohl mir ihre Bedeutung natürlich bewusst<br />

ist. 1946, im kriegsversehrten Europa, setzten sie<br />

unter dem Ehrenpräsidium Albert Schweitzers<br />

ein wichtiges Zeichen der Versöhnung; später, mit<br />

Dirigenten von Rilling und Gardiner bis zu Hogwood<br />

und Herreweghe, halfen sie mit, eine neue,<br />

zeitgemässe Bachinterpretation zu etablieren.<br />

Vielleicht schaffe ich es ja 2012, wenn es um Bach<br />

und die Schweiz geht, in die Kirche St. Johann!<br />

Geniales Jazzfestival<br />

Bereits zum 22. Mal fand in den letzten Tagen<br />

das Schaffhauser Jazzfestival statt. Es ist für mich<br />

eines der wichtigsten und erfreulichsten musikalischen<br />

Ereignisse in diesem Land. Nirgendwo<br />

sonst kann man einen besseren Überblick über<br />

die hiesige Jazzszene gewinnen als in der Heimatstadt<br />

Irène Schweizers. <strong>Die</strong> Programmierung ist<br />

so umsichtig wie anspruchsvoll. Was frühere<br />

Jahrgänge betrifft, so erinnere ich mich an Auftritte<br />

des grossartigen Vienna Art Orchestra von<br />

Mathias Rüegg, das sich inzwischen leider aufgelöst<br />

hat, an Christy Dorans New Bag, Nik Bärtschs<br />

Ronin, an OM und Jean-Paul Brodbeck, Colin Vallon,<br />

Christoph Grab, Christoph Gallios Day & Taxi,<br />

wen noch alles.<br />

Von dem wunderbaren Basler Komponisten<br />

Kaspar Ewald und seinem exorbitanten Kabinett<br />

hatte ich noch nie etwas gehört, als er 2002 im Kulturzentrum<br />

Kammgarn auftrat. Auf den Saxofonisten<br />

Jan Brönnimann und sein Quartett Brink<br />

Man Ship bin ich – im Jahr 2000 war’s – erstmals in<br />

Schaffhausen aufmerksam geworden, ebenso wie<br />

zuvor schon auf Don Pfäfflis Tonus und auf Hans<br />

Feigenwinter.<br />

Das von Urs Röllin und Hausi Naef gestaltete<br />

Programm lebt von seiner Konzentration auf innovative,<br />

intelligente Musik von Bands, die ihren<br />

Schwerpunkt in der Schweiz haben. Für sie ist<br />

das Schaffhauser Festival ein wichtiges Forum.<br />

Entsprechend engagiert treten sie auf. Dass ein<br />

müder Star im Rahmen des endlosen Tourneesommers<br />

bloss ein Pflichtkonzert absolviert, hat<br />

man hier noch nie erlebt. Es gibt aber auch keinen<br />

Heimatbonus. <strong>Die</strong> Veranstalter laden nur die<br />

besten Kräfte ein; das Publikum dankt es ihnen<br />

mit der Offenheit für Unerhörtes.<br />

Zur Qualität der Musik kommt der Genius<br />

loci. Wer ans Schaffhauser Jazzfestival kommt,<br />

hat Zeit zum Essen, Trinken, Reden. <strong>Die</strong> «Jazzgespräche»<br />

im Gewölbekeller des Haberhauses<br />

bringen illustre Gäste aufs Podium und laden zur<br />

Fortsetzung der Diskussionen im lockeren Rahmen<br />

ein, oft auch mit den auftretenden Musikern<br />

selbst. Sie werden nicht wie an anderen Festivals<br />

in abgedunkelten Limousinen zum Bühneneingang<br />

gefahren, sondern bewegen sich mitten<br />

unter den Leuten.<br />

Lange vor dem «Tate Modern»<br />

Szenenwechsel. Mit dem Künstler, Kunstförderer<br />

und Ausstellungsmacher Urs Raussmüller,<br />

der 1982/83 in der ehemaligen Kammgarnspinnerei<br />

die Hallen für Neue Kunst errichtete, verbindet<br />

mich eine kleine Geschichte, die er selbst wohl<br />

gar nie bemerkt oder längst vergessen hat. Bevor<br />

Urs und Christel Raussmüller sich in Schaffhausen<br />

etablierten, probierten sie ihr revolutionäres<br />

von manfred papst<br />

das Jazzfestival, die Hallen für Neue Kunst, das Museum zu Allerheiligen, die einzigartige Sammlung in der Bibermühle und<br />

vieles mehr – die Schaffhauser Kultur, gesehen mit den Augen des Ressortleiters Kultur der «NZZ am Sonntag».<br />

Eine Kulturinstitution, die Eingeweihten zwar bestens bekannt ist, die aber dennoch viele nicht kennen, ist<br />

die Bibermühle mit ihren von Heribert Tenschert betreuten Bücherschätzen. Bilder B.+E. Bührer<br />

Konzept 1978–81 in Zürich aus, in der Halle für<br />

internationale neue Kunst («InK»), und just dort<br />

hatte ein entzückendes junges Mädchen, in das<br />

ich sehr verliebt war und mit dem ich inzwischen<br />

30 Jahre verheiratet bin, einen Studentenjob als<br />

Kustodin. Sie bewachte Werke von Carl Andre,<br />

Robert Ryman, Joseph Beuys, und ich leistete ihr<br />

dabei gerne Gesellschaft.<br />

Ich kann nicht behaupten, dass ich die ausgestellte<br />

Gegenwartskunst damals besonders aufmerksam<br />

betrachtet hätte, aber ein bisschen<br />

etwas blieb doch hängen, und später wurde mir<br />

klar, wie sehr das Künstlerpaar die Nase im Wind<br />

gehabt hatte – besonders, was den Bereich der<br />

Minimal Art betraf. 1983, bei unserem ersten Besuch<br />

in New York, begegneten wir lauter Künst-<br />

lernamen, die wir aus dem «InK» kannten, und<br />

umgekehrt wurden die Hallen für Neue Kunst für<br />

unsere amerikanischen Freunde alsbald zur Pilgerstätte.<br />

Inzwischen ist es ja Mode geworden,<br />

Industriekomplexe in Kulturstätten zu verwandeln,<br />

aber damals war das etwas ganz Neues. <strong>Die</strong><br />

«Tate Modern» kam erst wesentlich später!<br />

Zu den Vorteilen Schaffhausens zählt nicht<br />

zuletzt, dass alles nah beieinander ist. Unmittelbar<br />

neben den Hallen für Neue Kunst liegt das<br />

Museum zu Allerheiligen. In dessen Sammlung<br />

zieht es mich stets zu Tobias Stimmers Selbstbildnis<br />

von 1563. Wir sehen auf ihm nur den Kopf<br />

des 24-jährigen Künstlers, doch den Rest der<br />

Szene können wir uns denken: Der Maler kneift<br />

ein Auge zu, mit dem anderen betrachtet er sich<br />

scharf im Spiegel. Er nimmt gerade Mass, um sich<br />

aufs Blatt zu bringen. Welch ein Einfall!<br />

Inspirierendes Museum<br />

<strong>Die</strong> Sammlungen des Museums zu Allerheiligen<br />

haben viel zu bieten, doch es gibt – neben<br />

der klug konzipierten Dauerausstellung zu 1500<br />

Jahren Geschichte von Stadt und Region – auch<br />

immer wieder Sonderausstellungen, die mich an<br />

den Rhein locken. Gern erinnere ich mich an die<br />

Schau «Mit fremden Federn», die antike Vogeldarstellungen<br />

und ihre Symbolik zeigte. Auch die<br />

«Konferenz der Tiere», die von Stimmers «Hirschjagd<br />

zu Pferd» durch ein halbes Jahrtausend<br />

bis zu Yves Netzhammers riesigem, gefangenem<br />

Vogel führte, war eine Reise wert, ebenso wie die<br />

Verwandlung von Erasmus von Rotterdams «Lob<br />

der Torheit» in einen begehbaren Essay, Léopold<br />

Rabus’ gruselige Fantasien, Rémy Markowitschs<br />

fotografische Reisen in Bücher als Dokumente der<br />

Wissensproduktion.<br />

<strong>Die</strong> Bibermühle<br />

Der schönste Ort im Kanton Schaffhausen ist<br />

für mich indes die Bibermühle bei Ramsen. Sie<br />

liegt direkt am Rhein und besteht aus der ursprünglichen<br />

Mühle samt Nebengebäuden sowie einer<br />

Fabrikantenvilla aus dem Jahr 1918. Hier residiert<br />

der Antiquar Heribert Tenschert mit seinem Mitarbeiterstab<br />

und seiner so riesigen wie kostbaren<br />

Bibliothek. Sie umfasst zahl reiche mittelalterliche<br />

Handschriften, die weltweit grösste und schönste<br />

Sammlung gedruckter Stundenbücher aus den<br />

Jahren 1490 bis 1550, unter ihnen zahlreiche Unica<br />

und Rarissima, aber auch eine einzigartige Sammlung<br />

von Werken der französischen Literatur im<br />

18. Jahrhundert, eine herrliche Kollektion botanischer<br />

Bücher, erlesenste deutsche Erstausgaben<br />

und vieles mehr, dazu – als Arbeitsinstrumente –<br />

30 000 Nachschlagewerke und über 120 000 Antiquariats-<br />

und Auktionskataloge.<br />

<strong>Die</strong> Kostbarkeit der Bibliothek ist aber nur<br />

das eine. Was die Bibermühle wirklich einmalig<br />

macht, ist ihr Besitzer. Heribert Tenschert ist<br />

ein barocker Mensch: ein umfassend gebildeter<br />

Gelehrter und gleichzeitig ein serener Bonvivant,<br />

ein gewiefter Händler und gleichzeitig ein engagierter<br />

Mäzen, der Millionen in Editions- und<br />

Forschungsprojekte steckt. «Heribert den Prächtigen»<br />

hat ihn einmal jemand genannt. Und was<br />

das Erstaunlichste ist: Tenschert entstammt nicht<br />

etwa einem reichen Haus, das ihm jedes noch so<br />

kostspielige Steckenpferd erlaubt hätte, sondern<br />

ist ein Selfmademan aus einer schlesisch-böhmischen<br />

Flüchtlingsfamilie.<br />

Geboren wurde er 1947 in der Waschküche<br />

eines bayrischen Schlosses. Schon als Student<br />

trug er rund 5000 Bücher der klassischen Moderne<br />

zusammen, verkaufte sie über einen Katalog und<br />

legte so den Grundstein zu seinem Erfolg. Bis<br />

heute ist er verliebt in die Schönheit und ins Gelingen.<br />

Im Gespräch mit ihm fliegen die Stunden<br />

dahin, und man verlässt den Locus amoenus mit<br />

dem Rilke-Satz «Statt des Besitzes lernt man den<br />

Bezug» im Kopf. Je nun! Schliesslich hat auch<br />

nicht jeder einen Mietvertrag für einen Weidlingspfahl.<br />

Am Wochenende kommt wieder Besuch. Vielleicht<br />

fahren wir nach Schaffhausen. Isos! <strong>Die</strong>ter<br />

Wiesmanns Lieder «Blos e chlini Stadt» und<br />

«Tuusigfüessler Balthasar» habe ich nicht mehr<br />

gesungen, seit die Kinder gross sind. Aber ich<br />

könnte im Gästezimmer ein Buch von Markus<br />

Werner auf den Nachttisch legen. Der ist doch<br />

auch Schaffhauser. Und ein bedeutender dazu.


80 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Das Iseli+Albrecht-Team<br />

gratuliert den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

zum 150-jährigen Bestehen.<br />

A1271933<br />

Das waren noch<br />

Zeiten!<br />

Münstergasse 22–28<br />

8200 Schaffhausen<br />

Telefon Haushalt 052 632 44 30<br />

www.iseli-albrecht.ch<br />

Automaxx AutomaxxAG AG Mühlenstrasse Mühlenstrasse96, 96, 8200 8200Scha�hausen Scha�hausen<br />

Garage Marco Altmann Junkerstrasse 94, 94, 8238 8238 Büsingen<br />

Garage Windler Frauenfelderstr. 4, 4, 8252 8252 Paradies/Schlatt<br />

Münstergasse 22<br />

8200 Schaffhausen<br />

Telefon Elektro 052 632 44 33<br />

www.iseli-albrecht.ch<br />

Kommen Sie vorbei und erleben<br />

Sie das neue MacBook Pro.<br />

Höchstleistung erreicht ein neues Niveau.<br />

Beim Kauf eines MacBook Pro mit Apple-<br />

Care* erhalten Sie eine Geschenkkarte<br />

mit CHF 150.– Guthaben.<br />

*Angebot gültig vom 16. Mai bis 11. Juni 2011 beim Kauf eines MacBook Pro (13” ab CHF<br />

1’299.–, 15” ab CHF 1’799.–, 17” ab CHF 2’399.–) zusammen mit AppleCare Protection Plan<br />

(für MacBook Pro 13”: CHF 349.– bzw. 15”/17”: CHF 479.–). <strong>Die</strong> Geschenkkarte im Wert von<br />

CHF 150.– ist in allen Data Quest Filialen einlösbar. Angebot nur solange Vorrat und nicht kumulierbar<br />

mit anderen Spezialangeboten. Max. 2 Geräte pro Person, Geschenkkarte mit diesen 150.–<br />

Geräten jedoch nicht verrechenbar. Preis- und Modelländerungen vorbehalten.<br />

Wir sind die Apple Experten in Ihrer Nähe.<br />

Garage Garage Rheingold Rheingoldstrasse 2, 8212 2, 8212 Neuhausen<br />

Garage Garage Rhyhalde GmbH GmbH Rheinauerweg 11, 8447 11, 8447 Dachsen Dachsen<br />

Wir gratulieren!<br />

<strong>Die</strong> Geschäftsleitung der Presto Presse-Vertriebs AG gratuliert den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» recht herzlich zum 150-Jahr-Jubiläum.<br />

Für die Zukunft wünschen wir dem ganzen Team alles Gute und vor allem viele weitere Jahre<br />

voller hervorragender Geschichten und Berichte aus und um Schaffhausen.<br />

Wir freuen uns, die <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» auch in den nächsten Jahren<br />

den erwartungsvollen Abonnentinnen und Abonnenten in den frühen Morgenstunden<br />

zustellen zu dürfen.<br />

Ihre Frühzustellungsorganisation<br />

Presto Presse-Vertriebs AG<br />

A1271942<br />

A1271278<br />

Erfahrung die zählt.<br />

Seit über 140 Jahre Ford<br />

in Ihrer Nähe!<br />

ford.ch<br />

A1271734


Beilage zum 150-jährigen Bestehen der <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» Samstag, 28. Mai 2011<br />

Irgendetwas ist passiert: Früher amüsierten<br />

wir uns über die Schönheitsoperationen der<br />

Stars, heute diskutieren wir über unsere Bekannten,<br />

die etwas machen liessen. Einst traf man<br />

die Schaffhauser Unternehmer abends in der Bar,<br />

heute versammelt sich die Wirtschaftselite über<br />

Mittag im Fitnesscenter. Tattoos waren mal ein<br />

Markenzeichen der Unterschicht, inzwischen<br />

entdeckt man sie bei leitenden Angestellten mit<br />

Doktorhut. Piercings beschränkten sich vor ein<br />

paar Jahren noch auf das Ohrläppchen, und es<br />

gab sogar einmal eine Zeit, da Männer sich nur<br />

das Gesicht rasierten.<br />

Ganz offensichtlich hat sich unser Verhältnis<br />

zum Körper verändert. Radikaler noch als unsere<br />

Beziehungen, umfassender als unser Alltag und<br />

schneller, als wir es uns je vorstellen konnten.<br />

Selbstverständlich gibt es rationale Erklärungen<br />

für diesen Wandel, vor allem diese: Unser<br />

Wohlstand und der Fortschritt der Medizin führen<br />

dazu, dass wir älter werden, also müssen wir<br />

unserem Körper Sorge tragen, damit er möglichst<br />

lange möglichst pannenfrei funktioniert.<br />

Einst gegen die anderen, nun gegen sich selbst<br />

<strong>Die</strong> Aussicht auf ein langes Leben erklärt aber<br />

nur einen Teil unseres modernen Körperbewusstseins.<br />

Dass der Körper zum Objekt unseres Gestaltungswillens<br />

geworden ist, hat nicht in erster<br />

Linie mit der Furcht vor drohenden Krankheiten<br />

oder Altersgebrechen zu tun. Es ist eine neue<br />

Freiheit, die wir da haben – und ein neuer Zwang.<br />

Nicht Piercings, Tattoos, Botox-Injektionen<br />

oder Brustvergrösserungen sind die aufregends-<br />

Der Körper als Projekt<br />

ten Körpergestaltungsmittel, am interessantesten<br />

ist der Sport, weil er am unverdächtigsten ist.<br />

Erinnert man sich ein paar Jahre zurück,<br />

fallen am Sport vor allem drei Dinge auf: Früher<br />

war Breitensport Mannschaftssport, heute rennt<br />

man, statt Fussball zu spielen. Einst waren Höchstleistungen<br />

einigen wenigen vorbehalten, heute<br />

nehmen Zehntausende an Marathons, irrwitzig<br />

anstrengenden Bergläufen und polysportiven<br />

Landesdurchquerungen teil. Und wenn einer vor<br />

ein paar Jahren noch joggte, bis er müde war,<br />

dokumentiert er die Trainingsfortschritte inzwischen<br />

mit Pulsuhr und PC-Programm. <strong>Die</strong> Regel<br />

heisst also: Kämpfte man früher auf dem Sportplatz<br />

gegen die anderen, kämpft man heute gegen<br />

sich selbst.<br />

Wer fett ist, ist faul<br />

Aus Sicht der Volksgesundheit mag das eine<br />

gute Entwicklung sein, fürs Individuum ist es das<br />

nicht. Der Sport ist heute die Verlängerung<br />

der wettbewerbsorientierten Arbeitswelt<br />

in den ehemals weitgehend leistungsbefreiten<br />

privaten Raum. Der Körper<br />

ist zu einem Projekt geworden, an<br />

dem gearbeitet werden muss. Wir tun<br />

das, indem wir uns Ziele setzen, einen<br />

Zeitplan entwerfen und Massnahmen<br />

realisieren – so, wie wir das am Arbeitsplatz<br />

gelernt haben.<br />

Selbstverständlich werden<br />

die Resultate unserer Anstrengungen<br />

regelmässig kontrolliert<br />

– und wenn sie mit unseren<br />

von Sandro Stoll<br />

Vorgaben nicht übereinstimmen, erhöhen wir den<br />

Druck und beginnen noch einmal von vorn. «Hol<br />

das Beste aus dir heraus», lautet das Credo.<br />

Durch den Sport werden wir zum ergebnisorientierten<br />

Manager unseres Körpers. Das<br />

schafft, anders als manche vom «Runners High»<br />

Benebelte behaupten, nicht Nähe zu uns selbst,<br />

sondern Distanz. Zudem – und das ist das Heimtückischste<br />

am «Projekt Körper» – verändert der<br />

Sport unseren Blick auf die Mitmenschen. Wer<br />

sich nicht über die Finnenbahn quält, hat bestimmt<br />

auch andere Mängel, vermuten wir, intellektuelle<br />

zum Beispiel – und vor allem charakterliche.<br />

Das merken derzeit vor allem Menschen<br />

mit Übergewicht: «Wer fett ist, ist faul», so einfach<br />

lautet die unerbittliche, durch die eigene Askese<br />

bestärkte Gleichung.<br />

Fett killt, Zucker tötet<br />

Übergewicht ist Kontrollverlust, den es zu<br />

bekämpfen gilt. Das Muster des Vorgehens<br />

ist vom weltweiten Kreuzzug gegen das<br />

Rauchen her bekannt. Zuerst beweist<br />

man, dass derjenige, der zu viel isst (und<br />

sich zu wenig bewegt), sich selber schadet<br />

– er verstopft seine Herzkranzgefässe,<br />

schwächt seine Immunabwehr, macht sich<br />

anfällig für Krebserkrankungen und ruiniert<br />

seine Knochen.<br />

Dann findet man heraus, dass er<br />

auch seine Mitmenschen ins Verderben<br />

reisst: Wer sich ungesund ernährt,<br />

zerstört die Lebensgrundlagen<br />

der Ärmsten, Dicke jagen<br />

unsere Krankenkassenprämien in die Höhe, und<br />

– eindrücklicher noch – Kinder von fettlei bigen<br />

Eltern tragen ein hohes Risiko, vom Über gewicht<br />

und von den schlechten Angewohnheiten ihrer<br />

Väter und Mütter angesteckt zu werden. Dagegen<br />

kann man etwas tun: Man erhebt Steuern, klärt<br />

die Konsumenten auf («Fett killt – Zucker tötet»)<br />

und verbannt schlechte Vorbilder aus dem öffentlichen<br />

Raum.<br />

Gesund, vernünftig, potent<br />

Der Sportler ist der Gegenentwurf zum dicken<br />

Menschen. Gesund, leistungsbereit, vernünftig,<br />

kontrolliert und potent. Aber welchen Gefallen<br />

tun wir uns, wenn wir uns den Sportler zum Vorbild<br />

nehmen?<br />

Keinen. Der zielorientiert gestaltete, durch<br />

den selbstinszenierten Wettbewerb gestählte<br />

Körper ist bei aller äusserlichen Schönheit kein<br />

geniessender Körper. <strong>Die</strong> Pulsuhr ist ein Feind der<br />

Sinnlichkeit, und die Schönheitsoperation ist in<br />

aller Regel nicht der Anfang, sondern eher das<br />

verzweifelte Ende der Lust. Verschieben wir also<br />

das nächste Training auf übermorgen, und geniessen<br />

wir es, unperfekt zu sein. Allzu viel Zeit<br />

bleibt uns dazu sowieso nicht.<br />

Das «Projekt Körper» geht nämlich weiter.<br />

Daran ist die Technik schuld, unser wachsendes<br />

medizinisches (Ge-)Wissen und der geheime<br />

Wunsch, inmitten unserer deregulierten, schwer<br />

verständlichen und sich immer schneller drehenden<br />

Welt wenigstens jemanden zu haben, über<br />

den wir die uneingeschränkte Kontrolle haben<br />

– uns selbst.


82 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

initia tiv<br />

karita tiv<br />

Wir gratulieren den<br />

Brocki<br />

tiv<br />

SCHAFFHAUSEN<br />

Mit Herz und Hand<br />

für «ä gueti Sach»<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

zum 150-Jahr-Jubiläum<br />

Heilsarmee-Brockis sind initiativ. Sie<br />

unterstützen mit dem Erlös oder durch<br />

Direkthilfe (z. B. Hilfsgütertransporte)<br />

die karitative Arbeit der Heilsarmee im<br />

In- und Ausland. Danke für jede Art der<br />

Unterstützung.<br />

Mo 14:00-18:00<br />

Di-Fr 09:00-12:00 14:00-18:00<br />

Sa 09:00-16:00<br />

Ebnatstrasse 65 - Tel. 052 625 22 23<br />

www.brocki.ch<br />

A1271704<br />

Gratisabholdienst<br />

&Räumungen<br />

0848-276 254<br />

A1271192<br />

CATCHUP! Communications / T: +41 44 256 70 87 / www.catchup.ch<br />

1272029<br />

I N T E R A C T I V E<br />

M E D I A D E S I G N<br />

Webpublishing<br />

Multimedia<br />

InterActive MediaDesign<br />

Rathausbogen 15<br />

8201 Schaffhausen<br />

A1271780<br />

E-Learning<br />

Training<br />

Tel. 052 503 50 79<br />

kontakt@interactive-mediadesign.ch<br />

www.interactive-mediadesign.com<br />

seit 1861: Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

seit 1895: Filmvorführungen<br />

seit 1925: Fernsehtechnik<br />

seit 1945: Computer<br />

seit 1969: Videorecorder<br />

seit 1989: World Wide Web<br />

seit 1999: InterActive MediaDesign<br />

A1271037


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Sport 83<br />

Seit vielen Jahren sind Sie mit anderen zusammen<br />

die grossen Sportförderer in Schaffhausen.<br />

Sie stehen Clubs unterschiedlicher Grösse vor.<br />

Gemeinsam ist Aniello Fontana, Heinz Looser und<br />

Urs Schärrer indes, dass sie viel Zeit und auch<br />

Geld in ihren Sport investieren. Was treibt sie an?<br />

Heinz Looser: Nach den vielen Jahren ist bei mir<br />

der Sport zum Alltag geworden. Ich bin nach über<br />

20 Jahren noch dabei, weil es sehr schwierig ist,<br />

jemanden zu finden, der bereit ist, dieses grosse<br />

Pensum zu übernehmen. Ich habe schon einige<br />

Male versucht, mein Amt abzugeben, aber bisher<br />

ohne Erfolg. Deshalb mache ich so lange weiter,<br />

bis ein Nachfolger da ist. <strong>Die</strong> Motivation für meine<br />

Vereinstätigkeit sind die Jungen, die beim VC<br />

Kanti 80 Prozent ausmachen. Aber auch der Erfolg<br />

treibt mich an, sei es bei den Juniorinnen oder<br />

auch an der Spitze, was sich vermarkten lässt. <strong>Die</strong><br />

grösste Motivation ist für mich, dass es eine sehr<br />

familiäre und kollegiale Sache ist. Ich arbeite mit<br />

Leuten zusammen, die schon seit Langem dabei<br />

sind. Das ist gleichzeitig auch ein Problem, denn<br />

wir sind alle miteinander älter geworden. Der VC<br />

Kanti basiert auf drei Säulen: dem Club Pallavolo,<br />

unserer Finanzierungsausschussgruppe sowie<br />

dem Gesamtverein.<br />

Urs Schärrer: Früher war es bei mir die Ambition,<br />

im Tischtennis etwas zu bewegen. Daraus<br />

hat sich im TTC Neuhausen etwas entwickelt, was<br />

im Laufe der Zeit auch grösser geworden ist.<br />

Heute treibt es mich an, etwas noch weiter zu entwickeln<br />

und weiter vorwärtszutreiben. Auch das<br />

Umfeld ist wichtig, und es macht Freude, mit Kollegen<br />

etwas zu bewegen und etwas Sinnvolles für<br />

die Jugend zu machen. Egal, in welcher Sportart.<br />

Aniello Fontana: Ich wollte den Nachweis erbringen,<br />

dass es möglich ist, einen Fussballclub<br />

wie den FC Schaffhausen nach wirtschaftlichen<br />

Grundsätzen wie ein Unternehmen zu führen. Das<br />

war meine grosse Herausforderung beim Amtsantritt<br />

vor 20 Jahren. Das Geld spielt heute im<br />

Ein Machertrio aus Schaffhausen: Urs Schärrer (Tischtennis), Aniello Fontana (Fussball) und Heinz Looser (Frauen-Volleyball). Bild Michael Kessler<br />

Macher im Schaffhauser Sport<br />

von DAnieL F. KocH und HAnS cHriStopH SteinemAnn<br />

Spitzenfussball eine weit grössere Rolle. Was<br />

die Einnahmen anbelangt, stehen wir jedoch am<br />

gleichen Ort wie damals. Meine Zeit ist im Gegensatz<br />

zu meinen Vorrednern jedoch nach 20 Jahren<br />

Amtszeit (im November 2011) bald abgelaufen.<br />

Mein Vorgänger, John Keiser, hat den FCS während<br />

22 Jahren geführt, mein Ziel ist es, die Vereinsführung<br />

in 12 bis 18 Monaten ab zugeben.<br />

Man muss heute auch deutlich mehr machen<br />

als zu Beginn meiner Amtszeit. Aber ich habe die<br />

Zeit heute nicht mehr dafür. <strong>Die</strong> 20 Jahre waren<br />

ein stetiger harter Kampf, denn es ist enorm<br />

schwierig in der kleinen Region Schaff hausen,<br />

Fussball auf zweithöchster nationaler Ebene zu<br />

spielen.<br />

Dank dem Fussball ist es mir gelungen, über<br />

die Kantonsgrenzen hinaus bekannt zu werden.<br />

Dazu beigetragen haben auch die fünf Jahre meiner<br />

Tätigkeit im Verband (als Delegationsleiter<br />

der U 21), während der ich oft in Europa unterwegs<br />

war. Das war ein aktiver Beitrag zum Schweizer<br />

Fussball. Für mich steht nun im Vordergrund,<br />

die Nachfolgeregelung so aufzugleisen, dass es<br />

mit dem FC Schaffhausen weitergeht.<br />

Jeder von Ihnen drei steht für eine spezielle<br />

Spon soringstruktur: Aniello Fontana für das<br />

Mäzenatentum, Heinz Looser für die Finanzierung<br />

vor allem über das persönliche Engagement<br />

und die Clubhilfe und Urs Schärrer für<br />

Sport im familiären Umfeld mit beschränkten<br />

Ressourcen. Wie bewerten Sie das?<br />

Schärrer: Es ist sicher ein Vorteil für uns, dass<br />

wir im Tischtennis nicht so viel Geld brauchen<br />

wie die anderen Sportarten. Unsere Ausgaben beschränken<br />

sich in erster Linie auf zwei Trainer,<br />

die nicht ganz im Vollpensum beschäftigt sind,<br />

plus die Miete der Halle. Aber es ist auch für uns<br />

schwierig, an die notwendigen Gelder heranzukommen.<br />

Es gelingt uns, diese Kosten über Sponsoren<br />

und finanzielle Hilfen zu decken. Im Tisch­<br />

tennis wären selbst internationale Engagements<br />

noch verhältnismässig günstig zu haben, doch das<br />

bringt zu wenig und ist meiner Meinung nach<br />

nicht nachhaltig genug. Es gibt jedoch auch für<br />

uns nur eine Devise: <strong>Die</strong> Einnahmen und Ausgaben<br />

müssen gleich hoch sein, sonst gibt es nur<br />

eines – die Ausgaben zurückzufahren. Mit dieser<br />

Politik sind wir bisher gut gefahren.<br />

Looser: Den VC Kanti in der Frauen­Volleyball­<br />

NLA budgetmässig auf dem 3./4. Platz zu halten,<br />

ist für uns das Höchste der Gefühle. Doch wir spüren<br />

bei Spielerinnenverpflichtungen die Randregion<br />

Schaffhausen. Das Umfeld und das Angebot<br />

rund um Bern, Zürich oder die Westschweiz sind<br />

doch weit grösser als bei uns. Wir sind zu 80 Prozent<br />

von der deutschen Grenze umgeben, wo halt<br />

gar nichts geht. Entsprechend viel kleiner ist<br />

unser Einzugsgebiet auch bezüglich Werbemöglichkeiten,<br />

verglichen mit Bern, Luzern oder Zürich.<br />

Während meiner 24 Jahre als Kanti­Präsident<br />

haben wir es geschafft, Strukturen zu schaffen,<br />

um möglichst lange in der Nationalliga A zu<br />

bleiben. Wir wollen keine Eintagsfliege sein. Voléro<br />

Zürich ist nicht zu vergleichen mit uns, es hat<br />

das Dreifache unseres Budgets. Das ginge bei uns<br />

nur mit einem Mäzen, der bereit wäre, pro Saison<br />

eine Million Franken auf den Tisch zu legen.<br />

Der VC Kanti war indes in den 20 Jahren der<br />

NLA­Zugehörigkeit immer in den schwarzen<br />

Zahlen. Der Leistungssport wurde dabei in eine<br />

GmbH ausgelagert, die hauptsächlich von unserem<br />

Sponsorclub Pallavolo und den Einnahmen<br />

dank unserer zehnköpfigen Marketinggruppe getragen<br />

wird. Der Club Pallavolo ist mit seinen<br />

rund 150 Mitgliedern unser wichtigster Sponsor.<br />

Fontana: Für mich ist der FCS kein Mäzenatentum,<br />

die AG ist zu 100 Prozent im Familienbesitz.<br />

Und ich trage auch die Verpflichtungen allen abgeschlossenen<br />

Verträgen gegenüber. Dass wir,<br />

wenn der sportliche Erfolg da ist, mit dem FCS<br />

deutlich mehr Marketinggelder akquirieren können,<br />

das haben uns die drei Jahre in der Super<br />

League klar vor Augen geführt. Dort kamen jeweils<br />

rund zwei Millionen an Geldern aus dem<br />

Marketing herein, heute in der Challenge League<br />

ist es vielleicht noch die Hälfte. Wir dürfen nicht<br />

vergessen, dass Fussball ein Markt ist, in dem<br />

weltweit gut 300 Milliarden Dollar im Jahr umgesetzt<br />

werden. Und wir haben in der Challenge<br />

League das siebthöchste Budget (2,7 Millionen<br />

Franken). Um wieder einmal in die Super League<br />

aufzusteigen, brauchten wir heute mehr als sechs<br />

Millionen Franken. Wobei die Infrastruktur zusätzlich<br />

eine ganz wesentliche Rolle spielt. Wir erhalten<br />

die Lizenz nur noch, weil die Auflagen der<br />

Liga aufgeschoben wurden. Das fehlende neue<br />

Stadion hat uns zuletzt einen grossen Streich gespielt.<br />

Uns fehlen schon seit gut drei Jahren die<br />

eingeplanten Beiträge aus der Stadionvermarktung.<br />

Aber eines ist auch klar: Ohne neues Stadion<br />

wird es keinen Spitzenfussball mehr geben in<br />

Schaffhausen.<br />

Im Fussball sind die Einzigen, die kein Geld<br />

verdienen, die Geldgeber und Aktionäre. Haben<br />

wir nach dem Abstieg in die 1. Liga (2000) vier<br />

Jahre lang schwarze Zahlen geschrieben, so<br />

kostet uns seither jede Saison rund eine Million<br />

Franken, die nicht gedeckt sind. <strong>Die</strong>se Situation<br />

müssen wir dringend überdenken. Ich sehe mein<br />

Engagement als Beitrag für die Region. Aber ein<br />

Ende ist absehbar. Ich werde nächstes Jahr pensioniert.<br />

Sollten wir am Ende dieser Saison gar<br />

absteigen, würde es noch weit schwieriger für<br />

uns, Spitzenfussball in Schaffhausen anzubieten.<br />

Daher ist es schon sehr wichtig, dass wir im<br />

Sommer unter den 16 Challenge­League­Teams<br />

sind. Sportlich erwartet uns auch so eine ganz<br />

schwierige Zukunft. Wir brauchen neue Geldgeber,<br />

weil wir in Zukunft nicht mehr so viel Geld<br />

zur Ver fügung stellen können. In der auf zehn<br />

Clubs verkleinerten Challenge League sieht die<br />

Zukunft aus meiner Sicht rosiger aus. Durch die<br />

Ver kleinerung werden nur schon mehr TV­Gelder<br />

fliessen. Nicht vergessen sollten wir unsere Nach­


84 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

VERMIETUNG VON MÖBLIERTEN WOHNUNGEN<br />

IN SCHAFFHAUSEN FÜR DIE<br />

ANSPRUCHSVOLLE KUNDSCHAFT<br />

Bahnhofstrasse 2 – 8200 Schaffhausen (Schweiz)<br />

Tel. +41 (0)52 632 42 52 – Fax +41 (0)52 632 42 53<br />

info@obertor-apartments.ch - www.obertor-apartments.ch<br />

Herblingerstrasse 44, 8207 Schaffhausen<br />

Tel. 052 643 13 60<br />

..qualität ualität aus diessenhofen..<br />

küchen innenausbau bäder türen möbel<br />

A1271844<br />

A1272233<br />

A1271035<br />

130 Jahre<br />

SchreinereiRoesch<br />

Tag der offenen Tür<br />

28. Mai 2011 ab 9 Uhr<br />

grossholzstrasse 6<br />

8253 diessenhofen<br />

t+41526571221<br />

www.roeschag.ch<br />

[Innovative<br />

Informatiklösungen<br />

Zukunftsorientierte<br />

Lehrstellen<br />

Bis hin zum<br />

Bronzeweltmeister]<br />

MTF Schaffhausen AG<br />

Tel. 052 632 33 33, www.mtf-sh.ch A1271739<br />

maendli-freizeit.ch<br />

www.stobag.com<br />

Majorenacker 4<br />

8207 SH-Herblingen<br />

Tel. 052 643 56 33<br />

Fax 052 659 60 84<br />

Wir gratulieren den Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong> zum 150-jährigen Jubiläum<br />

Glasdachsysteme<br />

aus Aluminium<br />

– mit Verbundsicherheitsglas<br />

– für privaten und öffentlichen<br />

Bereich<br />

Modernes Design auf Mass<br />

– Sitzplätze<br />

Ihr Sonnenschutz-Spezialist für<br />

schöne Schattenseiten!<br />

Duisl duiscipit alit volore tat.To exerili<br />

s<br />

– Carports<br />

– Raucherzonen<br />

– Vordächer<br />

– Terrassendächer<br />

Ihr Gebäude ist unser Geschäft<br />

Unser Gebäudemanagement ermöglicht<br />

Ihnen massgeschneiderte Facility-Lösungen<br />

auf höchstem Niveau, auch bei technisch anspruchsvollen<br />

sowie komplexen Aufgabenstellungen<br />

und Gebäuden.<br />

A1272028<br />

HSG Zander (Schweiz) AG<br />

Ebnatstrasse 91a / Postfach<br />

8201 Schaffhausen<br />

Telefon052 631 48 48<br />

Telefax 052 631 28 69<br />

www.hsgzander.ch<br />

A1271838<br />

Teppich-Huus Breiti AG<br />

8200 Schaffhausen<br />

Wir gratulieren den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

zum runden Jubiläum und freuen uns<br />

auf die nächsten 150 Jahre.<br />

A1272183<br />

A1272128


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Sport 85<br />

wuchsabteilung, die uns auch einiges Geld kostet.<br />

Hier sind vom Verband her zweieinhalb 100-Prozent-Stellen<br />

Bedingung.<br />

Wie beurteilen Sie die Resonanz bei den Fans und<br />

den Medien? Hier die Populärsportart Fussball,<br />

da der Frauenvolleyball mit seinem Stammpublikum<br />

und dort Tischtennis vor familiärer Kulisse?<br />

Schärrer: Ich möchte nicht tauschen mit Aniello<br />

Fontana, das ist eine sehr schwierige Angelegenheit.<br />

Für uns im Tischtennis ist indessen die Resonanz<br />

zu gering, obschon es sich in letzter Zeit<br />

sicher etwas gebessert hat. Das ist insofern auch<br />

Urs Schärrer<br />

«Es macht Freude, mit Kollegen<br />

etwas zu bewegen und etwas<br />

Sinnvolles für die Jugend zu machen.<br />

Egal, in welcher Sportart»<br />

kein Problem, als kein Tischtennisspieler in der<br />

Schweiz vom Sport leben kann und auf Medienberichterstattung<br />

angewiesen wäre. In Asien ist<br />

das ganz anders, und in Deutschland ist die<br />

Bedeutung der Sportart ebenfalls viel grösser. Als<br />

Wertschätzung für besondere Leistungen sind die<br />

Berichterstattungen für uns aber schon wichtig.<br />

Und adäquat in den Medien gewürdigt zu werden,<br />

hat man ganz gerne. Unser Werbebudget ist<br />

gleich null, aber bei uns ist das Zentrum Ebnat mit<br />

100 Fans bereits voll, was auch eine gute Atmosphäre<br />

bedeutet. Für spezielle Anlässe können<br />

wir sicher Leute mobilisieren.<br />

Looser: Wir sind mit unserem NLA-Team gut<br />

präsent in den Medien. Das ist für uns ein wichtiges<br />

Instrument zur Vermarktung. Wir merken<br />

nur schon, wie schwierig das Marketing für uns<br />

im Sommer ist, wenn wir keine Spiele haben. Ob<br />

positiv oder negativ über uns berichtet wird, ist<br />

eigentlich egal, wichtig ist, im Gespräch zu sein.<br />

Insgesamt sind wir in Schaffhausen gut aufgehoben<br />

und haben unser Stammpublikum mit etwa<br />

300 Leuten. An spezielle Anlässe wie Europacup,<br />

Cup oder Play-off kommen mehr Zuschauer, aber<br />

sonst müssen wir mit 200 bis 300 Fans zufrieden<br />

sein. Das hat auch mit dem guten Sportangebot<br />

von Schaffhausen zu tun. Der EHCS macht ebenfalls<br />

einen sehr guten Job, doch wir müssen uns in<br />

Zukunft wegen des oft zeitgleichen Spielbeginns<br />

am Samstag mit ihm absprechen.<br />

Fontana: Zwischen der Super League und der<br />

Challenge League liegen Welten. Sicher freute ich<br />

mich über den Aufstieg, aber im Nachhinein gesehen,<br />

hätten wir gar nie aufsteigen sollen …, denn<br />

unser Absturz nach dem Abstieg war krass. Dank<br />

dem guten TV-Vertrag hat man in der Super<br />

League sehr viel Werbeminuten, die uns dann<br />

plötzlich fehlten. Ich war auf jeden Fall für einen<br />

TV-Vertrag in der Challenge League, der in der<br />

Deutschschweiz sicher verbesserungswürdig ist.<br />

Das Problem mit den Ligaverträgen ist zudem,<br />

dass regionale TV-Medien gar nicht über uns berichten<br />

dürfen. <strong>Die</strong> <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»,<br />

wo wir gut präsent sind, können grundsätzlich<br />

schreiben, was sie wollen, wichtig ist es mir einfach,<br />

eine gute Präsenz in den Schaffhauser<br />

Medien zu haben. Grundsätzlich bin ich zufrieden<br />

damit.<br />

Was wir nach dem Abstieg nicht mehr können,<br />

ist, die Erwartungshaltung der Leute hier zu<br />

erfüllen. Schaffhausen ist im Sport verwöhnt<br />

und will eine Mannschaft sehen, die gewinnt.<br />

Unsere Heimbilanz in dieser Saison ist jedoch<br />

schlechter geworden, das hat eine direkte Auswirkung<br />

auf die Zuschauerzahlen. Wir sind da<br />

im Mittelfeld.<br />

Welchen zeitlichen Aufwand haben Sie persönlich<br />

durch Ihr Engagement, und wie steht Ihre Familie<br />

dazu?<br />

Fontana: Zeitlich kann ich eine einfache Antwort<br />

geben: Ich bin sieben Tage in der Woche dafür<br />

im Einsatz. Wenn ich nur daran denke, was<br />

der vor Kurzem erfolgte Trainerwechsel an Zusatzaufwand<br />

mit sich gebracht hat, muss ich den<br />

Kopf schütteln. Meine Familie ist voll eingebunden<br />

und betreibt einen ebenso grossen Aufwand.<br />

So sind meine Frau und ihre Schwester für den<br />

VIP-Raum zuständig. Operativ habe ich zwar Aufgaben<br />

abgegeben, sie werden durch einen Mitarbeiterstab<br />

wie in einem KMU erledigt. Aber das<br />

bedeutet trotzdem noch einige Stunden täglich im<br />

Büro.<br />

Looser: Auch bei uns sind es sieben Tage in<br />

der Woche. Es läuft immer etwas, auch Samstag<br />

und Sonntag und an Feiertagen. Der Zeitaufwand<br />

ist enorm gross, 30 Prozent des Tages wende ich<br />

für Volleyball auf, das ist wie ein KMU-Betrieb.<br />

Das gibt 18-Stunden-Tage, die nur zu bewältigen<br />

sind, weil ich jeden Morgen um 5 Uhr aufstehe<br />

und das neben meinem Geschäft bewäl tigen kann.<br />

Auch meine Frau ist voll involviert, und unsere<br />

Töchter haben das ebenso voll miterlebt. Es<br />

kommt trotz Sekretariat vieles direkt auf den Präsidenten<br />

zu, das gleich zu erledigen ist. Man muss<br />

ein Idealist sein, um das alles zu bewältigen.<br />

Schärrer: Der Zeitaufwand ist sehr hoch. Ich<br />

will ihn jedoch nicht genau bemessen, sonst<br />

müsste ich aufhören. In der Familie haben wir die<br />

spezielle Situation, dass meine Frau ebenfalls<br />

Tischtennis spielt. Aber wir haben eine Aufgabenteilung,<br />

und sie kümmert sich vor allem um die<br />

vier kleinen Kinder und hält mir den Rücken frei<br />

für mein Engagement im Tischtennis. In den<br />

22 Jahren als Präsident konnte ich mich auf ein<br />

gutes Team verlassen. Nur weil auch andere<br />

extrem viel leisten, geht das. Organisationsgeschick<br />

und Effizienz sind gefragt. Einzig in den<br />

Ferien springe ich nur im Notfall ein.<br />

Lohnt sich der Aufwand?<br />

Schärrer: Ja. Ich bin überzeugt, dass es sich<br />

lohnt als Ganzes. Sonst würde ich wohl etwas anderes<br />

machen. Wichtig ist, dass es getragen wird<br />

von vielen. Kontinuierliche Arbeit in Partnerschaft<br />

bringt dem Club am meisten.<br />

Looser: Alle drei sind Macher. Es gibt aber<br />

neben uns noch viele andere sogenannte Macher.<br />

Eine Stadt wie Schaffhausen braucht Macher,<br />

egal, ob in Sport, Kultur oder bei Jugendorganisationen.<br />

Begabung und Herz muss man mitbringen,<br />

denn Sport verbindet wirklich, und man kann<br />

persönlich profitieren. Auch geschäftlich bringt<br />

das etwas, sicher. Der Bekanntheitsgrad steigt,<br />

und man bekommt auch Anerkennung, die einem<br />

Motivation gibt. Man bekommt immer wieder<br />

Schub für neue Aktivitäten.<br />

Aniello Fontana<br />

«Schaffhausen ist im<br />

Sport verwöhnt und will<br />

eine Mannschaft sehen,<br />

die gewinnt»<br />

Fontana: Der FCS hat dazu beigetragen, dass<br />

ich unternehmerisch nicht eingeschlafen bin. Ich<br />

habe auch finanziell einen grossen Beitrag zu leisten,<br />

dies vielleicht im Unterschied zu Urs und<br />

Heinz. Und ich bin auch müder als sie beide. Aber<br />

es erfüllt mich als Bürger dieser Stadt mit Stolz,<br />

etwas für die Region und die Jugend zu bewegen.<br />

Ich möchte an dieser Stelle auch Giorgio Behr<br />

erwähnen, der für den Sport in der Region sehr<br />

viel leistet.<br />

Wie lange wollen Sie dieses Engagement noch<br />

betreiben, und haben Sie schon daran gedacht,<br />

Ihre Nachfolge zu regeln?<br />

Fontana: Ende 2012 ist fertig für mich. <strong>Die</strong>ses<br />

Ziel ist gesetzt. Ich will sobald wie möglich jemand<br />

für die operative Leitung unseres KMU-<br />

Betriebes finden. Das ist entscheidend. Wir sind<br />

aktiv daran, einerseits dafür und andererseits<br />

fürs Stadion in drei bis sechs Monaten eine Lösung<br />

zu präsentieren. <strong>Die</strong>se beiden Sachen laufen<br />

parallel.<br />

Looser: Ich habe schon zweimal aufhören wollen<br />

und habe intensiv gesucht. Aber es war aus<br />

zeitlichen Gründen niemand bereit, den ganzen<br />

Job zu übernehmen. Daher haben wir schon über<br />

eine Teilung des Präsidiums in Verein und Manager<br />

Leistungssport nachgedacht. Klar ist, dass ich<br />

möglichst frühzeitig bekannt geben muss, wenn<br />

ich zurücktreten will. Im Moment denke ich, dass<br />

ich noch zwei Jahre weitermache.<br />

Schärrer: Tischtennis ist ein bisschen ein Familiensport,<br />

aber das hat nur bedingt mit der Familie<br />

Schärrer zu tun. Der Gedanke des Rücktritts ist<br />

schon im Kopf gewesen, ähnlich wie bei Heinz.<br />

Zuerst gilt es indes, die erste Herausforderung,<br />

den Ersatz unserer Halle im Ebnat, anzunehmen,<br />

und erst in zweiter Linie, den Präsidenten zu ersetzen.<br />

Mit einem guten Team im Rücken ist die<br />

Belastung tragbar, aber nochmals 22 Jahre werden<br />

es sicher nicht werden.<br />

Profitieren Sie auch beruflich und geschäftlich<br />

davon, dass Sie so viel Energie für den Sport<br />

aufbringen?<br />

Looser: Geschäftlich zahlt es sich bei mir sicher<br />

aus, allerdings kann ich es nicht in Franken<br />

ausdrücken. Fakt ist, dass man bekannt, gut und<br />

zuverlässig arbeitet und dadurch auch an Aufträge<br />

herankommt, die man sonst vielleicht nicht<br />

bekommen würde.<br />

Fontana: Nein. Wir haben ein Treuhandbüro,<br />

das beinhaltet auch Vermögensverwaltung. <strong>Die</strong><br />

Diskretion gebietet es da, Geschäft und Fussball<br />

müssen absolut getrennt sein bei uns. Ich kann<br />

mich an keinen einzigen Auftrag erinnern, den ich<br />

wegen des FCS erhalten habe. Aber es ist bei mir<br />

ähnlich wie bei Heinz Looser, wegen des Engagements<br />

beim FCS bin ich ausserordentlich bekannt.<br />

Für mich ist es wichtig, dass ich die finanziellen<br />

Verpflichtungen stets einlösen kann. Der<br />

1896 gegründete Club wird auf jeden Fall auch<br />

nach mir weiterleben, die AG würde im Extremfall<br />

einfach vom Verein übernommen.<br />

Schärrer: Ich bin der einzige Angestellte in<br />

dieser Runde. Sicher habe auch ich eine gewisse<br />

Bekanntheit dank dem TTC Neuhausen, was meistens<br />

von Vorteil ist. Indirekt kann man sicher davon<br />

profitieren, aber im Geschäft ist es bei mir<br />

sonst kein spezieller Vorteil oder Nach teil. Mein<br />

Arbeitgeber, die Kantonalbank, muss aber mein<br />

Engagement immer mittragen, das war und ist<br />

unter der alten und der neuen Leitung der Fall.<br />

Welche Sportinfrastruktur soll oder muss eine<br />

Stadt in der Grössenordnung von Schaffhausen<br />

bieten, um langfristig Spitzensport anzubieten?<br />

Fontana: Beim Stadion geht es nicht nur um<br />

den FC Schaffhausen. Challenge-League-Fussball<br />

in Schaffhausen ist nur möglich mit einem neuen<br />

Stadion. <strong>Die</strong> Breite wird in Zukunft nur bis zur<br />

1. Liga zugelassen sein. Für die Challenge League<br />

erhalten wir dort bald keine Lizenz mehr. Wir<br />

haben für die Breite einen Mietvertrag bis 2015<br />

und bezahlen jährlich 20 000 Franken dafür. <strong>Die</strong><br />

Stadt hat sich aber verpflichtet, ein Challenge-<br />

League-taugliches Stadion zur Verfügung zu stellen.<br />

Entweder das neue Stadion im Herblingertal<br />

kommt – oder die Stadt steht in der Pflicht. <strong>Die</strong><br />

Breite ist 1954 gebaut worden, nach dem Aufstieg<br />

in die Super League sind zwei Millionen verlocht<br />

worden. Es ist also höchste Zeit in der Stadt für<br />

etwas Neues. In Herblingen ist die Finanzierung<br />

sehr schwer zu realisieren. Es muss sich eine<br />

Bank finden, die bereit ist, 20 Millionen Franken<br />

zu refinanzieren – so viel kostet der Stadionteil<br />

allein. Aus Kostengründen plädiere ich sogar für<br />

einen Kunstrasen – ansonsten bin ich für Naturrasen<br />

–, dann könnten auch der Nachwuchs (U 16,<br />

U 15 und U 14) und die Schüler darauf spielen und<br />

trainieren in den nächsten zehn Jahren.<br />

Looser: <strong>Die</strong> Stadt Schaffhausen hat nur die<br />

Breitehalle als Zuschauerhalle. Ohne die Eigen-<br />

initiative von Giorgio Behr vor gut 15 Jahren wäre<br />

es für Handball und Volleyball sehr schwierig<br />

geworden, den NLA- und Europacup-Spielbetrieb<br />

aufrechtzuerhalten. Schaffhausen hat einfach<br />

keine andere Halle. Schade ist, dass beim Bau der<br />

Dreifachhalle Munot oder der BBZ-Halle Mühlental,<br />

die auch grösser hätte gebaut werden können,<br />

keine Zuschauerinfrastruktur geschaffen wurde.<br />

<strong>Die</strong> Stadt ist nun schon in Zugzwang bezüglich<br />

Sporthallen. Eine Sportstadt ist Schaffhausen<br />

Heinz Looser<br />

«Eine Stadt wie Schaffhausen<br />

braucht Macher, egal, ob<br />

in Sport, Kultur oder bei Jugend-<br />

organisationen»<br />

nur wegen der Vereine – Judo, Kunstturnen –, die<br />

Schweizersbildhalle und das Tischtenniszentrum<br />

sind alle aus privater Initiative entstanden. So<br />

langsam entsteht ein Sportstättenkonzept, aber<br />

wer sich die letzten 20 Jahre anschaut, der beobachtet<br />

ein Trauerspiel. Der Sport ist von der Politik<br />

verschlafen worden.<br />

Schärrer: Vor 13 Jahren haben wir uns im<br />

TTC Neuhausen erstmals mit einem Hallenprojekt<br />

beschäftigt, weil es für uns in den öffentlichen<br />

Hallen einfach nicht mehr ging. Wir waren verteilt<br />

auf viele Orte, und zudem muss unsere Halle<br />

immer verfügbar sein. So haben wir unser eigenes<br />

Projekt im Ebnat realisiert, für das wir bis 2014<br />

einen Mietvertrag haben. Wir beschäftigen uns<br />

längst mit der Zeit danach und haben etwas in<br />

Aussicht. Unsere Mittel, die wir einbringen können,<br />

sind jedoch begrenzt. Wir sind im Gespräch<br />

mit den Behörden in Schaffhausen und Neuhausen.<br />

Bis zum Sommer sollten wir mehr wissen.<br />

Sehen Sie Synergieeffekte, wenn man den<br />

grossen Sport in der Stadt gemeinsam vermarkten<br />

könnte? Ist eine solche Vision realistisch?<br />

Fontana: Unser Versuch mit der «Spielvi» ist<br />

damals ja kläglich gescheitert. Unser Club lebt<br />

von der Eigendynamik in der Sportart Fussball.<br />

Was wir gemeinsam tun müssten, ist, uns gegenseitig<br />

zu unterstützen, sei das Giorgio Behr mit<br />

seiner Halle, den TTC Neuhausen oder auch die<br />

Kanti-Volleyballerinnen. Aber unternehmerisch<br />

und sportlich muss jeder für sich selber tätig sein.<br />

Looser: Eine gemeinsame Vermarktung ist<br />

für mich nicht realistisch. Geist und Herz können<br />

am ehesten in der eigenen Sportart eingebracht<br />

werden.<br />

Schärrer: Ich teile die Meinung von Heinz Looser.<br />

Für den Teil auf behördlicher Ebene könnten<br />

wir vielleicht mehr zusammen machen. Ich habe<br />

den Eindruck, dass sich so leichter etwas erreichen<br />

liesse. Auch gemeinsame Werbung ist vielleicht<br />

etwas. Aber sonst sind die Sportarten individuell,<br />

und die Vereine haben ihre Eigendynamik.<br />

Zu den Namen<br />

Aniello Fontana: Der Immobilienunternehmer<br />

kann im November auf eine 20-jährige Präsidentschaft<br />

beim FC Schaffhausen zurückblicken.<br />

Der 63-Jährige hat dabei den Abstieg<br />

in die 1. Liga miterleben müssen und konnte<br />

den Aufstieg in die Super League mitfeiern.<br />

Auch beim Fussballverband war Fontana lange<br />

Jahre in herausragender Funktion tätig.<br />

Heinz Looser: Der Bauunternehmer aus Schaffhausen<br />

war einst Fussballer beim FCS, bis er<br />

durch Ehefrau Daniela zum Volleyball kam.<br />

Seit rund 25 Jahren ist Looser nun Präsident<br />

des VC Kanti, erlebte 1991 den NLA-Aufstieg<br />

und feierte die Cupsiege 2000 und 2008.<br />

Urs Schärrer: Der vierfache Familienvater und<br />

aktive Tischtennisspieler hat beim TTC Neuhausen<br />

den Leistungssport zur Maxime erhoben.<br />

Sowohl das Damen- wie auch das Herrenteam<br />

spielen in der Nationalliga A.


86 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

A1271387<br />

Autoerlebnis 6 Marken unter eineM Dach<br />

für alle Generationen<br />

Gräfler Garage Gasser AG · Schweizersbildstrasse 15 · 8207 Schaffhausen<br />

Telefon 052 687 22 22 · www.GarageGasser.ch<br />

spitäler schaffhausen<br />

150 Jahre unabhängig!<br />

Herzliche Gratulation<br />

und weiter so!<br />

A1271830<br />

Wir gratulieren den<br />

Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong><br />

herzlich zu ihrem<br />

150-Jahr-Jubiläum. <strong>Die</strong> Klinik Belair ist eine moderne Privatklinik und gehört zu Hirslanden, der führenden Privatklinikgruppe<br />

der Schweiz. <strong>Die</strong> moderne Infrastruktur sowie die medizinische Fachkompetenz unserer Ärzte und<br />

Mitarbeitenden bestimmen seit 40 Jahren unser Handeln und unsere Philosophie. Wir bieten unseren<br />

Patienten erstklassige medizinische Leistungen in den Fachgebieten Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie,<br />

Ophthalmologie (Augenheilkunde), allgemeine/viszerale Chirurgie, Urologie und Gynäkologie.<br />

www.hirslanden.ch/belair<br />

Hirslanden Klinik Belair, Rietstrasse 30, T 052 632 19 00<br />

A1270629<br />

'�" " $%�� "<br />

# � � %# " �"� �$<br />

�%� ��=�"� #$ �<br />

% 'C # � ' �$ "��<br />

&� � �� $ ��� ��<br />

�#�� � "$ " � " ��$ �$<br />

# � � %#<br />

''' �#�� "$ " �<br />

A1270359<br />

A1271395


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Sport 87<br />

april E<br />

Das Hochrheinturnier in der olympischen<br />

Zweikampfsportart Taekwondo<br />

gehört langsam zur Tradition im Schaffhauser<br />

Sport. Michael D’Alonzo von der<br />

aktiven Schaffhauser Kim-Taekwondo-<br />

Schule organisiert es in der Dreifachhalle<br />

Breite. Im Bild kämpft die junge<br />

Schweizer Meisterin von 2010, Tatiana<br />

Miccoli (rechts), mit grossem Einsatz.<br />

märz E<br />

Auch geboxt wird in Schaffhausen,<br />

und der Box-Club Schaffhausen<br />

(BCS) organisiert von Zeit zu Zeit<br />

einen grösseren Anlass – wie hier<br />

im März 2010 die Schweizer<br />

Meisterschaft der Junioren in der<br />

Turnhalle Emmersberg. Rund 300<br />

Zuschauer brachten dem BCS eine<br />

ordentliche Einnahme ein.<br />

mai E<br />

Korbball ist ebenfalls eine traditionelle<br />

Sportart im Kanton Schaffhausen mit<br />

lange zwei vertretern in der nLA (Tv<br />

Unterer Reiat und Tv neuhausen). Seit<br />

dem Ausscheiden der Reiater sind nur<br />

noch die nun wieder in die höchste<br />

Liga aufgestiegenen neuhauser dabei,<br />

sie organisieren jeweils eine Heimrunde<br />

beim Rosenberg-Schulhaus.<br />

� Juni<br />

<strong>Die</strong> Schaffhauser Ruderer haben ihr<br />

Bootshaus zwar am Rhein in Langwiesen,<br />

aber wie im Fall von Alex Plüss<br />

und Markus Kessler – die im Sommer<br />

2010 U-19-Weltmeister im vierer mit<br />

Steuermann wurden – fahren sie zu den<br />

Trainings oft an den herrlichen Untersee.<br />

Juli E<br />

Der Knorr-Läufercup in Thayngen von<br />

Anfang Juli (im Bild der Start zum<br />

Jugendlauf) ist aus dem regionalen<br />

Laufkalender nicht mehr wegzudenken.<br />

Im Juli 2010 stand die 33. Austragung<br />

im wunderschönen naturgebiet Weier/<br />

Morgetshofsee auf dem Programm.<br />

F Februar<br />

Auch Eiskunstlaufen gibt es in<br />

Schaffhausen, wenn auch nicht so<br />

oft für das Publikum, sondern meist<br />

im Training. Aber meistens einmal in<br />

der Wintersaison organisiert die<br />

Eislaufgemeinschaft Schaffhausen<br />

(EGS) einen Wettkampf oder wie<br />

2011 ein Schaulaufen. Anya Biondi<br />

zeigt dabei viel Hingabe bei ihrer Kür.<br />

� Januar<br />

Dass die U-11-Wasserballer des<br />

Schwimmclubs Schaffhausen (im Bild<br />

rechts Dennis Schweizer) im Winter erscheinen,<br />

ist eigentlich untypisch für<br />

die traditionelle Sommersportart. Aber<br />

es ist auch ein Zeichen dafür, dass viele<br />

Sportarten heute dank der vorhandenen<br />

Infrastruktur – Winterdach auf der<br />

KSS – ganzjährig stattfinden können.<br />

Regionalsport in<br />

zwölf Monaten<br />

von Hans CHristopH steinemann<br />

Wie vielfältig das regionale Sportgeschehen ist, soll dieser Querschnitt<br />

mit Aufnahmen des (Sport-)Fotografen Michael Kessler<br />

zeigen. Er besucht in einem Sportjahr zahlreiche grössere und<br />

kleinere Anlässe, und wir haben eine – zufällige – Auswahl seiner<br />

Aufnahmen nach Monaten zu ordnen versucht.<br />

� september<br />

<strong>Die</strong> malerische Kulisse auf der Munotzinne<br />

hat sich die Fechtgesellschaft<br />

Schaffhausen für ihren regelmässigen<br />

Anlass im September ausgesucht.<br />

Beim Munot-Fechtturnier kämpfen hier<br />

der Schaffhauser Martin Harzenmoser<br />

und Alex Reymann gegeneinander.<br />

Dezember E<br />

Auch die grosse Familie der Schaffhauser<br />

Curler (im Bild Manuel Dubs)<br />

ist überaus glücklich über ihre neue<br />

Heimat in der KSS-Curlinghalle, die<br />

zusammen mit der IWC-Arena im vergangenen<br />

november eröffnet wurde.<br />

august E<br />

Ebenfalls ein fixer Bestandteil des<br />

Schaffhauser Sportkalenders ist im<br />

August der Schaffhauser Triathlon.<br />

2011 wird er zum 28. Mal rund um<br />

das Wettkampfzentrum auf dem<br />

Büsinger Stoppelfeld mit rund 1000<br />

Triathleten ausgetragen. <strong>Die</strong><br />

Rad strecke – im Bild Urs Walter,<br />

einer der langjährigen Teilnehmer –<br />

führt über die Hügel des Reiats.<br />

F oktober<br />

Im Frühherbst wird auf der KSS in<br />

Schaffhausen wieder Eis gemacht,<br />

und Anfang oktober startet der EHC<br />

Schaffhausen dann in die 2.-Liga-<br />

Saison. Im vergangenen Winter freuten<br />

sich die Schaffhauser Eishockeyaner<br />

mächtig über die Eröffnung der neuen,<br />

schmucken IWC-Arena, in der sie von<br />

Erfolg zu Erfolg eilten und erst im<br />

Play-off-viertelfinal gebremst wurden.<br />

F november<br />

Ein sehr aktiver organisator von Grossanlässen<br />

– wie hier in der Dreifachhalle<br />

Breite, aber auch in Thayngen oder<br />

Beringen – ist Angelo Cicconi vom<br />

Rock-’n’-Roll-Club Angeli neuhausen<br />

(im Bild Evelyn Roth). <strong>Die</strong> Weltmeisterschaften<br />

oder Schweizer Meisterschaften<br />

im Rock ’n’ Roll oder Boogie-Woogie<br />

finden meist vor vollem Haus statt.


88 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Gennersbrunnerstrasse 61 8207 Schaffhausen Telefon 052 631 18 00 www.gvs-weine.ch weine@gvs.ch<br />

GVS LANDI AG<br />

WIR GRATULIEREN UNSEREM HAUPTSPONSOR<br />

ZUM 150-JAHR-JUBILÄUM<br />

Herzlichen Glückwunsch<br />

zum Jubiläum<br />

FÜR DIE TREUE UNTERSTÜTZUNG IN DEN LETZTEN JAHREN BEDANKEN WIR UNS BEI UNSEREN SPONSOREN<br />

UNSERE HAUPT- UND CO-SPONSOREN<br />

B e r i n g e n<br />

H e r b l i n g e n<br />

A1271601<br />

A1272765<br />

A1271736


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Sport 89<br />

Bild Rolf Wessendorf<br />

Vieles gibt es, das scheint sich nie zu ändern. Dazu gehört ohne Zweifel auch die<br />

Tour de Suisse, deren Tross hier das Obertor passiert. Aber Sein und Schein klaffen auch<br />

da auseinander: <strong>Die</strong> einstigen «Helden der Landstrasse» sind heute gut bezahlte Profis<br />

in Mannschaften, in denen fast alles bis zum Letzten durchorganisiert ist.


90 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

150 Jahre <strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

������-�y�am�cs.c�<br />

F����� am Fa����<br />

Wir teilen ihre Freude.<br />

BMW ef�c����dy�am�cs<br />

W���g�� em�ss�o���. M��� Fa��f����.<br />

h����� dy�am�cs<br />

Gemeinsam jung bleiben<br />

–gemeinsamaltwerden<br />

Wir gratulieren unserer Medienpartnerin<br />

Meier+Cie AG zum runden Geburtstag!<br />

Seit 1861 Schaffhauser <strong>Nachrichten</strong> 150 Jahre<br />

Seit 1827 Schaffhauser Lehrer/innen-Ausbildung 184 Jahre<br />

Wo in Schaffhausen Lehrer/innen ausgebildet werden<br />

Anmeldeschluss für das nächste Herbstsemester: 1. Juni 2011<br />

A1271545<br />

VC Kanti<br />

Der gratuliert herzlich zu diesem stolzen Jubiläum!<br />

Mit der Kraft<br />

der Menschlichkeit<br />

+ Entlastung für betreuende Angehörige – wir übernehmen Ihre Betreuungsaufgaben, damit Sie<br />

neue Kräfte tanken können + Kinderbetreuung zu Hause – für die Entlastung von Eltern + Notrufsystem<br />

– Sicherheit rund um die Uhr – für zu Hause oder für unterwegs + Rotkreuz-Fahrdienst –<br />

Freiwillige schenken Ihnen Zeit und Mobilität + Pflegehelfer SRK – Lehrgang für den Einstieg in die<br />

Pflege + Fortbildungen und Kurse – aktuelle und spannende Themen + chili-Konflikttraining –<br />

Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche + mitten unter uns – ein Integrationsangebot für<br />

Kinder + Kleider-Ecke – Schönes für kleine Budgets.<br />

www.roteskreuz-sh.ch info@roteskreuz-sh.ch Tel. 052 625 04 05 PK-Kto.82-361-9<br />

Mühlentalsträsschen 9 8200 Schaffhausen A1272091<br />

A1270361<br />

Pädagogische Hochschule Schaffhausen<br />

www.phsh.ch | 043 305 49 00<br />

Wir gratulieren zum 150-Jahr-Jubiläum Chlaffentalstrasse 108<br />

8212 Neuhausen<br />

Fon +41 52 675 52 00<br />

Fax +41 52 675 52 09<br />

e-mail info@wickli-metallbau.ch<br />

Internet . www.wickli-metallbau.ch<br />

150 Jahre<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>» –<br />

wir gratulieren!<br />

Anthoptstrasse 2<br />

CH-8222 Beringen<br />

Tel.: 052 685 30 03<br />

Fax: 052 685 30 04<br />

E-Mail: nufarep@bluewin.ch<br />

Ihr Nutzfahrzeugspezialist in der Region A1271560<br />

A1272343<br />

A1271732


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Sport 91<br />

<strong>Die</strong> Krux mit der «Sportstadt»<br />

Sportstadt» – zehn Jahre ist es her, dass der<br />

Stadtrat Schaffhausen diese Bezeichnung<br />

zulegte. Der damalige Bau- und Sportreferent<br />

Kurt Schönberger wollte der Stadt den<br />

«Spirit of Sport» einhauchen. Offiziell hat sich die<br />

Stadt inzwischen von dieser Bezeichnung verabschiedet,<br />

denn, so der aktuelle Baureferent Peter<br />

Käppler: «Man soll sich kein Label aneignen, das<br />

man nicht einhalten kann.» In den Köpfen der<br />

Schaffhauser hat sich der Begriff «Sportstadt»<br />

gleichwohl eingeprägt. In Ratsdebatten oder Leserbriefen<br />

wird gerne darauf Bezug genommen,<br />

vor allem dann, wenn Infrastrukturvorhaben für<br />

den Sport zur Debatte stehen. Alt Stadtpräsident<br />

Marcel Wenger hat den Begriff «Sportstadt» mitzuverantworten.<br />

Er bezeichnet die Einführung<br />

des Labels heute als Kardinalfehler: «<strong>Die</strong>se Bezeichnung<br />

hat den Appetit der Privaten angeregt.<br />

Bereits vorhandene Erwartungen an Leistungen<br />

der Stadt wurden noch verstärkt.»<br />

Wenn in der Stadt Schaffhausen über Sportinfrastruktur<br />

gestritten wird, dann geht es (fast)<br />

immer um die Frage, inwiefern die öffentliche<br />

Hand den Bau von Infrastruktur für den Profisport<br />

unterstützen soll. Das war beim 2008 vom<br />

Volk knapp abgelehnten Projekt für ein «Nationales<br />

Hallensportzentrum Schweizersbild» so und<br />

ist beim Projekt für ein neues Fussballstadion im<br />

Herblingertal nicht anders. Baureferent Käppler<br />

sagt dazu: «Wo der Sport kommerziell wird, hat<br />

der Staat nichts zu suchen.» Um sogleich anzufügen:<br />

«<strong>Die</strong> Grenze zwischen Spitzen- und Breitensport<br />

ist allerdings nicht haarscharf.»<br />

Will heissen: <strong>Die</strong> 1. Mannschaften<br />

der Kadetten-Handballer und des<br />

FC Schaffhausen mögen professionell<br />

sein. Nur sind ihre<br />

Nachwuchsabteilungen dem<br />

Jugend- respektive Breitensport<br />

zuzurechnen. Und die<br />

1. Mannschaften sind ein<br />

wichtiger Motivator für den<br />

Nachwuchs. Oder, wie sich<br />

VC- Kanti-Präsident Heinz Looser<br />

ausdrückt: «Ohne Jugend-<br />

und Breitensport kein Spitzensport.<br />

Ohne Spitzensport kein Jugend- und<br />

Breitensport.»<br />

Und was, wenn das Dach rinnt?<br />

Heinz Loosers Club stieg 1991 in die<br />

höchste Schweizer Liga auf. Dass der VC<br />

Kanti den Aufstieg annahm, entschied der<br />

Stadtrat: <strong>Die</strong>ser sagte dem Verein zu,<br />

dass die Volleyballerinnen ihre Spiele<br />

fortan in der Dreifachhalle Breite austragen<br />

durften. Ohne diese Zusage hätte der<br />

Verein freiwillig auf den Aufstieg verzichtet.<br />

<strong>Die</strong> Breitehalle ist die einzige städtische Turnhalle<br />

mit einer Zuschauertribüne. Für Looser hat<br />

die Stadt punkto Sportstättenbau einen grossen<br />

Nachholbedarf. Ohne die Schweizersbildhalle wäre<br />

es in Schaffhausen nicht möglich, einen Nationalliga-A-Betrieb<br />

für Volleyball und Handball aufrechtzuerhalten.<br />

<strong>Die</strong> Schweizersbildhalle – vormals Birchrüti –<br />

geht auf eine private Initiative des Kadetten-Präsidenten<br />

Giorgio Behr zurück. 1993 wurde die gemeinnützige<br />

Stiftung «Sporthalle Schaffhausen»<br />

gegründet. Ziel der Stiftung: der Bau einer Trainingshalle<br />

vorwiegend für den Jugend- und Breitensport,<br />

aber auch für Senioren und Behinderte.<br />

1,3 Millionen Franken wurden für den Bau der<br />

Halle benötigt; das Land wurde von der Stadt<br />

günstig im Baurecht abgegeben. <strong>Die</strong> Stadt bezahlte<br />

zudem 300 000 und der Kanton 200 000 Franken.<br />

Der grösste Teil der Baukosten wurde von<br />

Privaten getragen. Dazu trug auch die «Bausteinaktion»<br />

bei – mit 500 Franken pro Baustein war<br />

man dabei. Noch bevor die Schweizersbildhalle im<br />

Herbst 1996 eröffnet und die Belegungsmöglichkeiten<br />

in der Breitehalle enger wurden, änderte<br />

sich allerdings der Zweck. Was die Verantwortlichen<br />

bei der Ankündigung des Projekts und bei<br />

der Geldsuche explizit ausgeschlossen hatten,<br />

wurde schliesslich realisiert: <strong>Die</strong> Halle erhielt<br />

eine Tribüne und Restaurationsmöglichkeiten –<br />

sie wurde damit zur Wettkampfstätte<br />

<strong>Die</strong> Stadt Schaffhausen profitiert von der<br />

Schweizersbildhalle insofern, als die Kadetten<br />

und der VC Kanti die städtischen Hallen weniger<br />

belasten und diese von anderen<br />

Vereinen benutzt werden können.<br />

Deshalb bezahlt die<br />

Stadt seit 2003 jährlich<br />

60 000 Franken an Abgeltungskosten.<br />

Während die Vereine<br />

in den städtischen<br />

Hallen gratis trainieren,<br />

muss für die Benützung<br />

der Schweizersbildhalle<br />

auch für Trainingszwecke<br />

bezahlt werden. Dank diesen<br />

Beiträgen und Spenden von Privatpersonen<br />

schreibt die Stiftung seit Beginn<br />

schwarze Zahlen, wie Stiftungsrat Heinz<br />

Looser sagt. Nur, die Zahlen sind zwar<br />

schwarz, doch viel auf der Seite hat<br />

die Stiftung nicht. Auf jeden Fall<br />

zu wenig, um eine Sanierung des<br />

Daches der Halle durchzuführen.<br />

<strong>Die</strong>se sei dringend, sagt<br />

Looser – ein geprelltes Kind<br />

diesbezüglich. Ein Europacupspiel<br />

des VC Kanti musste einmal<br />

unterbrochen werden, weil es<br />

in die Halle regnete. Nach den Vorstellungen<br />

der Stiftung sollte die Stadt<br />

Schaffhausen die Dachsanierung finanzieren.<br />

«Auch dies wäre eine Art Abgeltung für<br />

den Jugend- und Breitensport», sagt dazu Heinz<br />

Looser. Der Grosse Stadtrat hat jedoch weitere<br />

Abklärungen verlangt, bevor er Geld für die Sanierung<br />

der privaten Halle spricht. eine neue<br />

Vorlage soll noch vor den Sommerferien in den<br />

Rat kommen.<br />

Eine Frage der Verhältnismässigkeit<br />

Private initiieren ein Projekt, finanzieren einen<br />

Grossteil selbst, und wenn es Probleme gibt,<br />

soll die öffentliche Hand einspringen? Man kennt<br />

dieses Schema von anderen Städten und ihren<br />

Sportstätten – jüngstes Beispiel ist die AFG-Arena<br />

in St. Gallen. Baureferent Peter Käppler sieht dies<br />

entsprechend pragmatisch: «Ich bin nicht naiv»,<br />

von Doris KlecK<br />

Wie weit soll das Engagement der öffentlichen Hand bei der Erstellung von Infrastruktur für den Spitzensport gehen?<br />

Eine Frage, die die Schaffhauser Politik in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt hat – und weiter zu reden geben wird.<br />

Ohne private Initiative geht es nicht: <strong>Die</strong> erste Schweizersbildhalle (l.) und die neue Handballhalle<br />

im Schweizersbild, die im Herbst eröffnet wird und neue Massstäbe setzt. Bild Michael Kessler<br />

sagt er und spricht von der Verhältnismässigkeit.<br />

Leiste die Stadt Beiträge an private Infrastrukturprojekte,<br />

müsse sie genau hinsehen. Im Klartext<br />

heisst das: «<strong>Die</strong> Bedürfnisse der öffentlichen Hand<br />

müssen durch private Initiative günstiger befriedigt<br />

werden, als wenn sie selbst baut.» Übertragen<br />

auf das Beispiel der Schweizersbildhalle: <strong>Die</strong> Vorteile<br />

dieser Halle für die Stadt lägen auf der Hand.<br />

In den städtischen Hallen ist zu wenig Platz für<br />

die Kadetten und den VC Kanti. Folglich sei ein<br />

Unterstützungsbeitrag gerechtfertigt.<br />

Oder übertragen auf das Fussballstadion für<br />

den FCS: In Wil baut die Stadt ein Challenge-<br />

League-Stadion für den örtlichen Club. Kostenpunkt:<br />

15 Millionen Franken. Im Vergleich dazu<br />

nehmen sich die 3 Mio. Franken, die FCS-<br />

Präsident Aniello Fontana für den<br />

FCS-Park je von Stadt und Kanton<br />

will, tatsächlich bescheiden aus.<br />

Seit bald sieben Jahren arbeitet<br />

Fontana an der Realisierung<br />

eines neuen Fussballstadions.<br />

Seit 1992 wird das Stadion<br />

Breite von der Nationalliga jeweils<br />

nur provisorisch zugelassen.<br />

An der Baufälligkeit des<br />

1954 eröffneten städtischen Stadions<br />

zweifelt denn auch niemand<br />

ernsthaft.<br />

Fontana war einst der Meinung, ein Fussballstadion<br />

lasse sich ohne Staatsbeiträge finanzieren.<br />

Davon ist er abgerückt: «Es wurde in der<br />

Schweiz kein einziges Stadion gebaut, das nicht<br />

von der öffentlichen Hand – mindestens mit Bauland<br />

– unterstützt wurde», sagt Fontana. Weil er<br />

kein Bauland gefunden hat, das ihm die Stadt für<br />

das Stadion günstig im Baurecht hätte abgeben<br />

können, hat er im Herblingertal selbst Boden erworben.<br />

Sein Wunsch wäre nun, dass ihm Stadt<br />

und Kanton das Land abkaufen und zu einem symbolischen<br />

Preis wieder abgeben würden. Oder<br />

eben, dass er einen einmaligen Beitrag von Stadt<br />

und Kanton bekäme, der in etwa dem Wert des<br />

Baulandes entspräche. Staatliche Beiträge an die<br />

Betriebskosten hingegen will Fontana nicht: «Ein<br />

Stadion für den Spitzenfussball ist primär eine<br />

private Sache.» Und schon gar nicht bei Pro b lemen<br />

dürfe sich die öffentliche Hand einbinden<br />

lassen.<br />

Alt Stadtpräsident Wenger beurteilt die Situation<br />

ähnlich. Er sieht die Abgabe von Land im Baurecht<br />

als gutes Mittel, um private Initiativen im<br />

Bereich der Sportinfrastruktur zu unterstützen:<br />

«Das öffentliche Engagement muss sich aber auf<br />

diese Initialzündung beschränken.» Noch unter<br />

seiner Ägide hatte der Stadtrat mit dem FCS 1998<br />

einen Baurechtsvertrag abgeschlossen: Der FCS<br />

«Es wurde in der Schweiz<br />

kein einziges Stadion gebaut,<br />

das nicht von der öffentlichen<br />

Hand – mindestens mit Bauland –<br />

unterstützt wurde»<br />

respektive eine neu zu gründende Genossenschaft<br />

hätte das Stadion Breite im Baurecht übernehmen<br />

und sanieren sollen. Der Grosse Stadtrat<br />

lehnte die «Privatisierungsidee» ab. Der Tenor:<br />

Eine Stadt wie Schaffhausen müsse sich ein eigenes<br />

Stadion leisten können. Man wollte kein Land<br />

an einer derart zentralen Lage für die Stadt abgeben<br />

und befürchtete eine Beeinträchtigung des<br />

Wohnquartiers Breite. Dazu kam ein Unbehagen<br />

wegen eines Disputs zwischen dem FCS und der<br />

Spielvi, die nach ihrem Aufstieg in die Challenge-<br />

League ebenfalls im Stadion Breite spielen wollte.<br />

Der Grosse Stadtrat lehnte nicht nur den Baurechtsvertrag<br />

ab, er verlangte auch dringlichst<br />

eine Sanierung oder einen Neubau des Stadions.<br />

<strong>Die</strong> Warnung des Stadtrates, «ein neues Stadion<br />

können wir uns nicht leisten», verhallte. Aus dem<br />

«Dringlichst» wurden 13 Jahre. Aniello Fontana<br />

ist optimistisch, dass er im Sommer mit dem Bau<br />

des FCS-Parks beginnen kann – noch ist die Investorenfrage<br />

aber ungeklärt.<br />

Dass die Mühlen der Politik langsam laufen,<br />

hat manchmal Vorteile. Der heutige Stadtrat ist<br />

wohl nicht unglücklich darüber, wie die Politik<br />

1998 entschied. Denn das Stadion Breite steht<br />

an bester Wohnlage. <strong>Die</strong> Umzonung in Bauland<br />

– angedacht im Rahmen der Potenzial-Attraktivierung<br />

Stadt Schaffhausen (PASS) – käme der<br />

Stadt in ihrer Wachstumsstrategie entgegen, und<br />

der Verkauf von Bauland würde der Stadtkasse<br />

erhebliche (und benötigte) Mittel bringen. 15 bis<br />

20 Mio. Franken schätzt Fontana – und wertet dies<br />

als gutes Argument, weshalb sich die öffentliche<br />

Hand beim FCS-Park engagieren soll. Der FCS-<br />

Park soll dereinst 8000 Zuschauern Platz bieten<br />

und ein Einkaufszentrum haben. Der FCS-Fachmarkt<br />

bringe 150 bis 200 Arbeitsplätze, argumentiert<br />

Fontana weiter: «Das ist Wirtschaftsförderung.»<br />

Ob sich die Stadt am FCS-Park beteiligen<br />

wird? Baureferent Peter Käppler lässt die Frage<br />

offen, darüber entscheiden schliesslich Parlament<br />

und Volk. Nur eines hält er fest: Eine Quersubventionierung<br />

des Einkaufszentrums komme<br />

nicht in Frage. Und der Nutzen des Stadions für<br />

die Stadt? «Schwierig zu sagen.» Doch viele Menschen<br />

würden Sportveranstaltungen besuchen.<br />

Es sei klar, dass die Region ein neues Stadion<br />

brauche. «Brot und Spiele», sagt Käppler, lacht<br />

und fügt noch an, dass die Lösung der Stadionfrage<br />

entscheidend für die Wohnraumentwicklung<br />

in der Stadt sei.<br />

Weiter als der FCS-Park ist das Nationale Hallen-<br />

und Trainingszentrum (NHTLZ) im Schweizersbild,<br />

der Nachfolger des an der Urne abgelehnten<br />

Naspo-Projekts. Im Herbst soll es eröffnet<br />

werden. Federführend ist wiederum Kadetten-<br />

Präsident Giorgio Behr, der rund 60 Prozent der<br />

Kosten von 20,8 Mio. Franken trägt. <strong>Die</strong> öffentliche<br />

Hand beteiligt sich mit 2,6 Mio. (Stadt und<br />

Kanton) und 2,5 Mio. (Bund). Offen ist, ob sich<br />

Stadt und Kanton auch bei den Betriebskosten<br />

beteiligen werden – für Diskussionsstoff ist auch<br />

diesbezüglich weiter gesorgt.<br />

PS: Der Ausdruck Brot und Spiele stammt vom römischen Dichter Juvenel. Er spottete<br />

über das entpolitisierte Volk, das nur nach Unterhaltung trachtete. <strong>Die</strong> Herrscher<br />

wieder um befriedigten diese Gelüste noch so gerne – um das Volk bei Laune zu halten.


92 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

<strong>«Schaffhauser</strong><br />

Lebensqualität.»<br />

Mit unserem Sponsoring-Engagement<br />

leisten wir einen wesentlichen Beitrag<br />

zur Schaffhauser Lebensqualität und<br />

damit zur Attraktivität der Region.<br />

A1271842<br />

A1271562<br />

Breitestieg 20 8200 Schaffhausen<br />

Wir gratulieren<br />

den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong><br />

<strong>Nachrichten</strong>»<br />

zum<br />

150-Jahr-<br />

Jubiläum<br />

Ihr Servicepartner<br />

im Kanton<br />

Neuwagen:<br />

• Nissan und Saab<br />

• Fremdmarken<br />

auf Anfrage<br />

Nutzfahrzeuge:<br />

• Nissan bis 3,5 t<br />

sowie<br />

Allrad-Fahrzeuge<br />

bis 3,5 t Anhängelast<br />

Occasionsfahrzeuge:<br />

Grosse Auswahl<br />

Geschenkabo bestellen und täglich Freude schenken.<br />

G<br />

A1271640<br />

Schweizersbildstrasse 64<br />

8207 Schaffhausen<br />

Tel. 052 643 45 45<br />

www.garage-facchin.ch<br />

Lesen macht Freude.<br />

Schenken auch.<br />

<strong>Die</strong><br />

Vertretung<br />

im Kanton<br />

Unsere<br />

Werkstattleistungen:<br />

• Service von Nissan<br />

und Saab<br />

• Reparaturen<br />

auch von<br />

Fremdmarken<br />

• Unfallreparaturen<br />

• Spengler- und<br />

Malerarbeiten<br />

• Neu: Nachkontrollen<br />

für MFK<br />

Ja, ich verschenke die<strong>«Schaffhauser</strong><strong>Nachrichten</strong>»: � Zweijahresabo für 668 Franken � Jahresabo für 354 Franken � Halbjahresabo für 195 Franken � Vierteljahresabo für 107 Franken<br />

Lieferadresse: (Bitte in Blockschrift ausfüllen) Rechnungsadresse:<br />

Name / Vorname Name / Vorname<br />

Strasse Strasse<br />

PLZ / Ort PLZ / Ort<br />

Telefon Fax Telefon Fax<br />

Geburtsdatum E-Mail Geburtsdatum E-Mail<br />

Zustellbeginn: � sofort oder ab Datum / Unterschrift<br />

#-�2//8+1 16+66/�7/2 /7-��087+970�P1/<br />

$+1/7+970�P1/ �3-��/�870+�68/2 /6�/26/�7/2<br />

/7/��7-�+0870+�68/2 �/�68+1/70+�68/2 $6+270/60+�68/2<br />

��+77/2� 92. #����+1/6 &/6/�276/�7/2<br />

Preise Schweiz/Stand 2011, inkl. gesetzliche MwSt., Preise für Auslandsabonnements auf Anfrage. Coupon vollständig ausfüllen und an unten stehende Adresse einsenden oder via Internet unter www.shn.ch bestellen.<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>», Aboservice, Vordergasse 58, Postfach, 8201 Schaffhausen, Telefon 052 633 33 66, Fax 052 633 34 06, E-Mail aboservice@shn.ch, www.shn.ch<br />

� +� ,/78/2 ��8 ./� #4/��+��78/2<br />

���� ,��Ÿe���¯ ���� ? � ����� ��� �� �� ���� �����eÇÇ�¯��Ÿ<br />

A1268284<br />


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Sport 93<br />

Bosman-Urteil und die Folgen<br />

Es gibt FC-Schaffhausen-Fans, die aus dem<br />

Stegreif einige Spieler aus dem Super-<br />

League-Aufstiegsjahr 2004 herunterrattern<br />

können. Herzog, Sereinig, Ogg, Leu, Neri, Rohrer,<br />

Bunjaku, Senn oder Pesenti: <strong>Die</strong>se Namen haben<br />

sich im kollektiven FCS-Gedächtnis eingeprägt.<br />

Aber befragt man hiesige Fussballinteressierte<br />

nach der FCS-Aufstellung in der letzten Meisterschaftsrunde,<br />

kratzen sich viele verlegen am<br />

Kopf. Ausser Goalgetter Bruno Valente hinterlässt<br />

derzeit kaum ein Spieler Spuren auf der<br />

Breite. Sogar bei der markanten Position des<br />

Goalies liegt die Antwort nicht für jedermann auf<br />

der Hand. Seit Sommer 2008 standen nicht weniger<br />

als acht Keeper im FCS-Kader: Tofiloski, Roth,<br />

Hollerieth, Tahiraj, Bürki, Lattmann, Alexov und<br />

Stulz – Vereinstreue ist ein Relikt geworden. Im<br />

letzten Sommer stiessen 13 Spieler neu zum FCS,<br />

14 verliessen das Stadion Breite. Im letzten Winter<br />

kamen weitere 5 Neue dazu, 3 Spieler gingen.<br />

Im Schnitt kommen 11 Neue<br />

Schaffhausen ist mit solchen Zahlen keine<br />

Ausnahme. In der Challenge League verzeichneten<br />

die 16 Vereine im letzten Sommer 177 Neuzugänge<br />

und 183 Abgänge. Jeder Club hat im<br />

Durchschnitt Mutationen in Mannschaftsstärke<br />

(11,1/11,4) abgewickelt. Für die Fans ist es schwierig,<br />

den Durchblick zu behalten. Eine Identifikation<br />

mit einem Team, das jedes halbe Jahr ein<br />

neues Gesicht bekommt, ist kaum vorhanden.<br />

Wenn zudem der Erfolg fehlt, bleiben die Zuschauer<br />

weg. In Schaffhausen sank der Zuspruch<br />

seit dem Abstieg 2007 aus der Super League sukzessive.<br />

Ursprung dieser Entwicklung ist nicht zuletzt<br />

das Bosman-Urteil, das 1995 in der Sportwelt ein<br />

Erdbeben auslöste. Der Europäische Gerichtshof<br />

gab dem auf freie Arbeitsplatzwahl klagenden<br />

Fussballer Jean-Marc Bosman Recht, worauf es in<br />

der EU keine Ablösesummen und Ausländerbeschränkungen<br />

mehr gab. Obwohl die Schweiz<br />

als Nicht-EU-Staat nicht direkt betroffen war,<br />

reagierte der Schweizerische Fussballverband<br />

(SFV) und passte seine Reglemente an.<br />

Aufstieg mit Halbprofis<br />

In Schaffhausen zeigte Bosman erst zeitverzögert<br />

seine Wirkung. Um die Jahrtausendwende,<br />

als der internationale Transfermarkt verrückt<br />

spielte, mühte sich der FCS in der 1. Liga ab, um<br />

wieder in die angestammte Nationalliga B zurückzukehren.<br />

Den Aufstieg 2002 schaffte der FCS<br />

unter Trainer Jürgen Seeberger mit einer Mannschaft,<br />

die sich von der Zusammensetzung her<br />

so wie immer in den Jahrzehnten zuvor präsentierte:<br />

Den Kern bildeten Amateure oder Halbprofis,<br />

die entweder aus der Region Schaffhausen<br />

stammten oder schon jahrelang beim FCS waren.<br />

Wie Martin Ogg, Simon Leu, Reto Colantonio und<br />

Remo Pesenti. «Der Stamm aus einheimischen<br />

Führungsspielern war unser Erfolgsrezept. So<br />

entstand ein Teamgeist», sagt Pesenti heute. Dazu<br />

kamen Leihspieler wie Fabio Coltorti oder Enzo<br />

Todisco sowie ein Ausländer wie der Brasilianer<br />

Toco. Mit diesem Mix konnten sich die Fans identifizieren.<br />

Nur zwei Jahre später, 2004, gipfelte die Arbeit<br />

von Seeberger im Aufstieg in die Super League.<br />

Ein Wendepunkt mit unabsehbaren Folgen: Der<br />

Profibetrieb wurde eingeführt, Spieler aus dem<br />

eigenen Nachwuchs verschwanden praktisch aus<br />

dem Kader der ersten Mannschaft. Schaffhausen<br />

verstärkte sich, um konkurrenzfähig zu sein, mit<br />

Profis, die mit dem schmalsten Budget der Liga<br />

bezahlbar waren. Das waren entweder Akteure,<br />

die bei anderen Super-League-Vereinen keine<br />

Chance mehr erhielten, oder günstige Spieler aus<br />

dem Ausland. Der FCS nutzte erstmals die Möglichkeiten,<br />

die das Bosman-Urteil bot. Der FCS<br />

verpflichtete zum Beispiel Markus Grasser (kam<br />

vom SC Feucht/D), Franciel Hengemühle (Eschborn/D),<br />

Darko Miladin (Dinamo Zagreb/Cro),<br />

Mounir Soufiani (Xamax), Daniel Tarone (FCZ),<br />

Mounir El Haimour (Yverdon), Elvir Melunovic<br />

(YB), Yannick Kamanan (Ostende/Dän), Mark<br />

Disler (YB), Fabinho (St. Gallen), Adrian Fernandez<br />

(Al Shaab/VAE), Florian Heidenreich (Osnabrück/D)<br />

und viele, viele mehr.<br />

<strong>Die</strong> Spielerberater verdienen mit<br />

Für diese Spieler – und deren Agenten – war<br />

Schaffhausen nichts weiter als ein Schaufenster,<br />

um sich zu präsentieren und für andere Vereine<br />

interessant zu machen. Hinter fast jedem Spieler<br />

steht heutzutage ein Manager, der seinen Spieler<br />

wie eine Ware anpreist und dann selber mitverdient,<br />

wenn ein Transfer zustande kommt. «Mit<br />

Bosman hat sich finanziell nicht viel geändert. Obwohl<br />

keine Ablöse mehr bezahlt wird, kostet ein<br />

Transfer heute gleich viel oder mehr als früher.<br />

Der Mensch ist erfinderisch», stellt FCS-Präsident<br />

Aniello Fontana mit Blick auf die üblichen Handgelder<br />

fest.<br />

Wenig verwunderlich, dass viele Spieler kaum<br />

mehr als eine Handvoll Partien in Gelb-Schwarz<br />

spielen. Viele träumen von einem Auslandengagement,<br />

egal wo und in welcher Liga. <strong>Die</strong> Vorteile<br />

für den Club: Taugt ein Spieler nichts, ist er rasch<br />

wieder weg und belastet das Budget nicht, Ersatz<br />

wird einem ohnehin sofort angeboten.<br />

<strong>Die</strong> hohe Fluktuation fiel beim FCS bis 2006<br />

nicht ins Gewicht, weil immer noch Akteure wie<br />

Remo Pesenti und Simon Leu im Team waren, die<br />

von matthias dubach<br />

indentifikationsfiguren gehen verloren, wie zum Beispiel die Entwicklung beim FC Schaffhausen zeigt. Den Weg in die Super League<br />

bereiteten nicht zuletzt Einheimische, die für den Mannschaftsgeist sorgten. Heute ist das fast ein Fremdwort.<br />

Eine Identifikation mit einem Team,<br />

das jedes halbe Jahr<br />

anders aussieht, ist bei den Fans<br />

kaum noch vorhanden.<br />

Javier Santana (links) kam vom FC Zürich, spielte elf Partien mit Schaffhausen und ging dann zum FC Tuggen in die 1. Liga – ein typischer «Söldner». Bild Daniel F. Koch<br />

Für viele Spieler ist der<br />

FC Schaffhausen nichts weiter<br />

als ein Schaufenster, um sich<br />

für andere vereine<br />

interessant zu machen.<br />

sich mit dem Verein, den Fans und der Stadt identifizierten.<br />

Pesenti: «Als wir beide 2006 aufhörten,<br />

trat niemand an unsere Stelle. Wir, und früher<br />

auch Spieler wie Ogg, hatten den Neuzugängen<br />

erklärt, was es bedeutet, für den FCS zu spielen,<br />

und wie wichtig der Verein für die Region ist. Das<br />

Team, das 2007 abstieg, war fussballerisch das<br />

beste der drei Super-League-Jahre. Aber ihm<br />

fehlte der Spirit, der uns zuvor stark gemacht<br />

hatte.»<br />

Nach dem Abstieg in die Challenge League<br />

ging die Entwicklung ungebremst weiter. Das<br />

Team entfremdete sich vom Publikum. Das lag<br />

nun aber weniger am Bosman-Urteil, sondern an<br />

der Söldnermentalität vieler Spieler. «Es ist ein<br />

grosser Fehler des Vereins, Neuzugängen nicht<br />

vorzuschreiben, dass sie in Schaffhausen wohnen<br />

müssen», unterstreicht Pesenti, der nach seinem<br />

Wechsel umzog und von Leu in die lokalen Besonderheiten<br />

eingeführt wurde. «Ein Sportler muss<br />

sich auseinandersetzen mit der Region, die er vertritt.<br />

Das kann er aber nicht, wenn er in Zürich<br />

oder Baden wohnt.»<br />

Gesucht: Typen und Cup-Kracher<br />

Obwohl der FCS 2007 in derselben Liga wie<br />

drei Jahre zuvor landete, war nichts mehr so wie<br />

früher. Mit Stamm, Müller, Ademi, Frontino und<br />

Schiendorfer standen oder stehen zwar wieder<br />

mehr Einheimische im Kader, aber der FCS gab in<br />

den letzten vier Jahren ein heterogenes Bild ab.<br />

Mit vielen ausgeliehenen Spielern, zahllosen<br />

Transfers jedes halbe Jahr und der sportlichen<br />

Perspektivlosigkeit verstärkte sich der Eindruck<br />

noch weiter.<br />

Dem Team fehlen Typen, wie sie wenige Jahre<br />

zuvor Herzog, Ogg, Leu, Pesenti, Todisco oder<br />

noch früher Joachim Engesser, Uwe Dreher und<br />

Stephan Lehmann waren. <strong>Die</strong>se Spieler waren<br />

zum Anfassen gewesen, da lag für die Fans auch<br />

mal ein gemeinsames Bier und ein Gespräch drin,<br />

das über die üblichen Floskeln hinausging. «Dass<br />

sich heute das Team nicht mehr beim Fair-Fan-<br />

Club auf der Gegengerade bedankt, ist symptomatisch»,<br />

schüttelt Pesenti den Kopf.<br />

Heute gibt es kaum noch eine Schnittmenge<br />

zwischen Team und Publikum, vielleicht auch be-<br />

dingt durch die fortgeschrittene Professionalisierung.<br />

Man wird das Gefühl nicht los, dass die<br />

mangelnde Identifikation nicht nur an äusseren<br />

Begebenheiten liegt. Sondern an den Spielern<br />

selbst, die mit Berater im Schlepptau und der<br />

Super League oder dem Ausland im Kopf schon<br />

vor der Ankunft auf der Breite im Geiste bereits<br />

wieder die Koffer packen.<br />

Damit der FCS mal wieder zum Stadtgespräch<br />

wird, braucht es wohl einen echten sportlichen<br />

Erfolg. Zum Beispiel im Cup, in dem früher Schaffhausen<br />

immer wieder für denkwürdige Momente<br />

sorgte. Doch der letzte Cup-Meilenstein liegt mit<br />

dem Halbfinal gegen Basel auch schon acht Jahre<br />

zurück. Man darf bezweifeln, dass die aktuellen<br />

FCS-Spieler von der besonderen Cup-Tradition<br />

ihres Vereins mit zwei Finalteilnahmen überhaupt<br />

Kenntnis haben.<br />

Erfolg dank ausländern<br />

In der Schweiz hatte das Bosman-Urteil natürlich<br />

auch ausserhalb des Fussballs Auswirkungen.<br />

Eine Ausnahme ist das Eishockey:<br />

Verband und die Clubs der National League A<br />

einigten sich auf die Spielregel, dass maximal<br />

fünf Ausländer eingesetzt werden dürfen. Im<br />

Handball und Volleyball verdanken die Meister<br />

Kadetten Schaffhausen und Volero Zürich ihre<br />

Titel aber zum grossen Teil starken Ausländern.<br />

<strong>Die</strong> Identifikation mit den Fans ist vorhanden,<br />

da diese Teams durch ihre Erfolge für<br />

hierzulande aussergewöhnlich hoch stehenden<br />

Sport sorgten, was für Zuschauer attraktiv<br />

ist. Da der Markt weniger erhitzt ist und<br />

nicht exorbitante Gehälter bezahlt werden, ist<br />

die Fluktuation ausserdem nicht so gross wie<br />

beim Fussball. Bei den Kadetten, die auf einen<br />

Mix von Ausländern und Schweizer Nationalspielern<br />

setzen, bleiben die meisten Spieler<br />

aus dem Ausland länger als nur ein Jahr. Der<br />

Pole Leszek Starczan spielt beispielsweise<br />

bereits acht Jahre in Schaffhausen. (md)


94 Anzeigen Eine Beilage der | Samstag, 28. Mai 2011<br />

Seinwiesenstrasse 8<br />

8222 Beringen<br />

Tel. 052 681 39 39<br />

Herzliche Gratulation<br />

zum 150-Jahr-Jubiläum<br />

Wir gratulieren den<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>»<br />

herzlich zum<br />

150-Jahr-Jubiläum und<br />

bedanken uns für<br />

die gute Zusammenarbeit.<br />

Wir erstellen Wohnträume mit Stil und energetischem Weitblick, damit auch die Energiekosten<br />

von morgen fürunsereKundenerschwinglichbleiben…<br />

House & More GmbH, 8222 Beringen Telefon 0848 03 03 80 www.house-more.ch<br />

A1271788<br />

A1271834<br />

> verschiedene gesichtsbehandlungen<br />

> permanent make-up<br />

> make-up für jedenanlass<br />

> mesoderm-facelifting ohne skalpell<br />

> kona-dauerhafte haarentfernung<br />

> wellness-massagen<br />

> medizinische fussp�ege<br />

> verschiedene schlankheitsbehandlungen<br />

> wir organisieren für siewellness-tage<br />

���<br />

�����<br />

A1271735<br />

������������������������<br />

����������� �����������<br />

���<br />

�� ���� � �����<br />

�������������<br />

��������<br />

������������<br />

�����������<br />

���� ���������<br />

������������ �����������<br />

����������<br />

������������<br />

������������������� �� ����<br />

����������������<br />

�������������������������<br />

Fulachstrasse 10 · 8200 Schaffhausen<br />

Tel. +41 52 624 91 31<br />

www.mathys-bueromoebel.ch<br />

A1272085<br />

nives cosmetic<br />

biberstrasse 10<br />

ch-8240 thayngen<br />

fon: 052 649 33 20<br />

fax: 052 649 33 66<br />

nives@nives-cosmetic.ch<br />

www.nives-cosmetic.ch<br />

A1272117<br />

���<br />

��� ��<br />

��<br />

A1271835


Samstag, 28. Mai 2011 | Eine Beilage der Sport 95<br />

Er fördert die vaterländische Gesinnung und<br />

die Pflege guter Kameradschaft» – so lautete<br />

noch 1967 ein Passus in den Statuten<br />

des Schützenvereins Neunkirch. Was leicht antiquiert<br />

anmutet, gehörte über Jahrzehnte zum<br />

Selbstverständnis der Schützen. Aber auch<br />

Schwinger, Turner und Sänger verstanden das,<br />

was wir heute als Sport oder Hobby betrachten,<br />

als vaterländisches Tun. Das ist kein Schweizer<br />

Phänomen. «Sänger, Turner, Schützen – sie sind<br />

des Reiches Stützen», dichtete der Bayer Franz<br />

von Pocci kurz nach der Gründung des Deutschen<br />

Kaiserreichs.<br />

In der Tat sind der Gesang und die genannten<br />

Sportarten ein nicht zu unterschätzendes Element<br />

auf dem Weg zum Zentralstaat, sowohl in<br />

Deutschland wie auch in der Schweiz. Ihren Ursprung<br />

hat diese Entwicklung in den Umwälzungen,<br />

die Europa im Gefolge der Revolution in<br />

Frankreich und der Napoleonischen Kriege erschütterten.<br />

Das liberale Gedankengut, das auf<br />

der Gleichberechtigung und der Entscheidungsgewalt<br />

aller Bürger beruht, wurde durch die Revolution<br />

verbreitet und liess sich nachher nie mehr<br />

völlig unterdrücken. Dass das erste Eidgenössische<br />

Schützenfest 1824 stattfand, das erste Turnfest<br />

1832 und das erste Sängerfest 1843, kommt<br />

nicht von ungefähr. Und das erste Unspunnenfest<br />

der Schwinger und Steinstosser, das 1805 stattfand,<br />

hängt sogar direkt mit den politischen Umwälzungen<br />

zusammen. Organisiert wurde es nämlich<br />

von Berner Patriziern, die mit dem Fest die<br />

Berner Oberländer besänftigen wollten, die ungehalten<br />

darüber waren, dass ihnen die politischen<br />

Rechte, die sie in den fünf Jahren der Helvetik genossen<br />

hatten, weggenommen worden waren.<br />

Etwas Zweites kam hinzu: <strong>Die</strong> Sportler und<br />

Sänger waren in Vereinen organisiert und machten<br />

so mit dem allgemeinen Stimmrecht Bekanntschaft,<br />

das alle Mitglieder gleichermassen hatten.<br />

Das war mit ein Grund, dass in den deutschen<br />

Kleinstaaten Turnen und Turnvereine verboten<br />

wurden und in den Untergrund gingen. Dass diese<br />

Vereine sich überregional zu schweizerischen beziehungsweise<br />

deutschen Verbänden zusammenschlossen,<br />

förderte zugleich den Gedanken der<br />

politischen Einheit. Dass die Patrizier anlässlich<br />

des Eidgenössischen Schützenfests von 1830 in<br />

Bern vergeblich versuchten, Reden und Umzüge<br />

zu verbieten, zeigt die Sprengkraft derartiger Veranstaltungen,<br />

welche die herrschende Aristokratie<br />

das Fürchten lehrten. Man lese bei Gottfried Keller<br />

wieder einmal das «Fähnlein der sieben Aufrechten»<br />

und dort vor allem die Passage über das<br />

Schützenfest, um eine Ahnung davon zu bekommen,<br />

was Zeitgenossen in diesen Festen sahen.<br />

Wie sehr politische Entwicklung und eidgenössische<br />

Feste zusammenhingen, kann man auch<br />

daran erkennen, dass die führenden Persönlichkeiten<br />

in Vereinen und Verbänden meist Liberale<br />

waren. Das mag auch daran liegen, dass die Anreise<br />

zu und das Mitmachen an den Festen nicht<br />

billig waren – das konnten sich längst nicht alle<br />

leisten. <strong>Die</strong> Teilnehmerzahlen waren zu Beginn<br />

denn auch nicht allzu hoch. Erst das Turnfest von<br />

1874 konnte mehr als 1000 Teilnehmer verzeichnen.<br />

Dass im gleichen Jahr im Zusammenhang<br />

mit der Militärorganisation in der neuen Bundesverfassung<br />

auch das Knabenturnen zur Wehrertüchtigung<br />

erstmals erwähnt wurde, ist ebenfalls<br />

typisch. Abgelöst wurde dieser Passus später<br />

vom Militärischen Vorunterricht, der erst in den<br />

Sport und Vaterland<br />

Siebzigerjahren von der heutigen Organisation<br />

Jugend+Sport abgelöst wurde.<br />

Wie hoch der Stellenwert von Schiessen und<br />

Turnen war, lässt sich übrigens am «Intelligenzblatt»<br />

ablesen, dem Vorläufer der heutigen<br />

<strong>«Schaffhauser</strong> <strong>Nachrichten</strong>». <strong>Die</strong> Resultate der<br />

Schweizer Schützen und Turner an den Olympi­<br />

schen Spielen der Zwanzigerjahre des letzten<br />

Jahrhunderts wurden in der Inlandberichterstattung<br />

abgedruckt – einen Sportteil im heutigen<br />

Sinne gab es damals noch gar nicht.<br />

<strong>Die</strong> Turner sagten alle Du zueinander<br />

Von den Turnern, Schützen und Schwingern<br />

wollten wir wissen, ob Heimatverbundenheit auch<br />

heute noch zelebriert wird und, wenn ja, in welcher<br />

Form. Das wichtigste Fazit ist schnell gezogen:<br />

Der Sport, zum Teil sogar der Leistungssport,<br />

steht klar im Vordergrund. Heimat oder gar Vaterland<br />

kommen, wenn überhaupt, höchstens noch in<br />

den Reden an grösseren Festen vor.<br />

von karl hotz<br />

Der moderne Bundesstaat, aber auch das Deutsche Kaiserreich wurden von den damaligen Sportverbänden gefördert und mitgetragen.<br />

Vaterländische Reden gehörten zu den grossen Festen. Heute findet man von diesen Verbindungen höchstens noch Spuren.<br />

Sportler und Sänger waren in<br />

vereinen organisiert und machten<br />

so mit dem allgemeinen Stimm-<br />

recht Bekanntschaft. Alle Mitglieder<br />

konnten abstimmen. Das war<br />

den Behörden suspekt und so<br />

wurden in deutschen Staaten<br />

Turnen und Turnvereine verboten.<br />

Schiessen und Vaterland gehörten über Jahrzehnte zusammen. Bild zvg<br />

nützlich, wohl auch für die Politik,<br />

war die Führungs schulung.<br />

Man lernte, vor eine Gruppe<br />

zu treten, sie anzuleiten<br />

und zu schulen – vergleichbar<br />

mit dem Militär.<br />

Am ehesten finden sich noch in Festschriften<br />

zu Jubiläen Spuren der einstigen Verbindung zwischen<br />

Vaterland und Sport, so schrieb etwa Jakob<br />

Biber 1985 in der Jubiläumsschrift «150 Jahre<br />

TVS», zu den Zielvorstellungen der Turner hätten<br />

von jeher Grundsätze gehört wie «Förderung des<br />

gesellschaftlichen Lebens», «Einigung der Mitglieder<br />

durch Freundschaft und vaterländische<br />

Gesinnung», «umfassende Erziehung (...), welche<br />

zur Volksgesundheit und Wohlfahrt des Einzelnen<br />

und des ganzen Volkes beiträgt». Das werde<br />

heute zwar anders umschrieben – statt «Wohlfahrt<br />

des Einzelnen» heisse es etwa «Selbstverwirklichung»<br />

–, geändert habe sich daran aber wenig.<br />

In der Praxis sei davon, so Werner Mettler und<br />

Peter Luginbühl (TV Schaffhausen), allerdings<br />

kaum mehr etwas zu spüren. In den Fünfziger­<br />

und Sechzigerjahren, als er angefangen habe, so<br />

Luginbühl, seien zwar die Marsch­ und Freiübungen<br />

des damaligen Oberturners noch militärisch<br />

zackig gewesen – «aber wir Jungen konnten schon<br />

damals damit nichts mehr anfangen». Auch die<br />

Vereinsfahne, so ergänzt Werner Mettler, habe<br />

schon damals nichts mehr mit dem Vaterland zu<br />

tun gehabt – «das hatten einfach alle Vereine». <strong>Die</strong><br />

Turn vereine seien auch nie eine politische Macht<br />

gewesen, geschweige denn hätten sich als solche<br />

verstanden. «Nützlich, wenn man so will, auch für<br />

die Politik, war am ehesten die Führungsschulung.<br />

Man lernte, vor eine Gruppe zu treten, sie<br />

anzuleiten und zu schulen – am ehesten noch<br />

vergleichbar mit der Schulung im Militär», fügt<br />

Mettler noch an.<br />

Etwas Besonderes, so Peter Luginbühl, sei in<br />

einer Zeit, in der man noch stark auf äussere Formen<br />

geachtet habe, der Umstand gewesen, dass<br />

man sich – «auch an den grössten Turnfesten mit<br />

unbekannten Leuten» – sofort geduzt habe. «Das<br />

gab schon ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

über alle Standesschranken hinweg,<br />

die in den Fünfziger­ und Sechzigerjahren sonst<br />

noch viel ausgeprägter waren als heute.»<br />

Applaus für das Nein zum EWR<br />

Auch Marco Gwerder, Medienverantwortlicher<br />

bei den Schaffhauser Schwingern, sieht keinerlei<br />

Verbindungen mehr zur Politik. «Man könnte vielleicht<br />

sagen, dass viele Schwinger aus einem<br />

Milieu kommen, das eher traditionsverbunden<br />

ist und darum politisch traditionell eher rechts<br />

steht», meint er. «Ich erinnere mich noch, dass ich<br />

1992 als Aktiver am Niklausschwinget in Zürich<br />

teilnahm. Im Laufe des Nachmittags wurde das<br />

Nein der Abstimmung zum EWR­Beitritt bekannt<br />

gegeben – da haben die meisten dann geklatscht»,<br />

erzählt Gwerder. Das sei aber in all den Jahren<br />

das einzige Mal gewesen, dass eine politische<br />

Frage an einem Fest eine Rolle gespielt habe.<br />

Tradition sei es zudem heute noch, dass an<br />

einem «Eidgenössischen» ein Bundesrat rede.<br />

«Auch an unseren Schaffhauser Kantonalfesten<br />

sind immer Politiker dabei – sei es als OK­Präsident,<br />

sei es als Ehrengäste oder einfach als interessierte<br />

Zuschauer. Aber politische Äusserungen<br />

oder gar Reden gibt es deswegen nicht.» Auch das<br />

Fachpublikum komme tendenziell wohl aus Kreisen,<br />

die eher rechts stünden, meint Gwerder. Weil<br />

die Karten für ein «Eidgenössisches» über die<br />

Clubs verteilt würden, gelte das auch heute noch<br />

– «obwohl jetzt dieser Anlass plötzlich auch für<br />

andere Kreise interessant ist».<br />

<strong>Die</strong> Schützen und das Militär<br />

Nicht überraschend findet man in der Geschichte<br />

der Schützen am meisten Querverbindungen,<br />

ist doch das Schützenwesen mit dem<br />

Wehrgedanken von jeher eng verbunden. Schon<br />

in den ersten Statuten des Eidgenössischen Verbandes<br />

hiess es in der Zweckbestimmung: «Ein<br />

Am niklausschwinget in Zürich<br />

am 6. Dezember 1992 wurde<br />

im Laufe des nachmittags das<br />

nein des volkes in der Abstimmung<br />

zum EWR-Beitritt bekannt<br />

gegeben – da haben die meisten<br />

Schwinger geklatscht.<br />

Band mehr zu ziehen um die Herzen der Eidgenossen,<br />

die Kraft des Vaterlandes durch Eintracht<br />

(...) zu mehren.»<br />

<strong>Die</strong>se Verbindung zwischen Vaterland und<br />

Schiesswesen zieht sich auch wie ein rotes Band<br />

durch die Geschichte des Schiessens im Kanton<br />

Schaffhausen. <strong>Die</strong> Statuten des Kantonalen Schützenvereins<br />

von 1929 halten in der Zweckbestimmung<br />

fest: «Förderung des Schiesswesens, insbesondere<br />

der Schiessfertigkeit der Armee» sowie<br />

«Pflege vaterländischer Gesinnung». In der Jubiläumsschrift<br />

zum 150­jährigen Bestehen des kantonalen<br />

Verbandes beispielsweise findet man die<br />

Hinweise: «Ein guter Schütze dient unserer Heimat»<br />

und «Echter und wahrer Wehrwille ist kein<br />

Pathos. Er ist selbstverständlich». Weniger selbstverständlich<br />

ist der Autor dieser Zitate: Walther<br />

Bringolf – er sah die Welt noch etwas anders als<br />

seine heutigen Politnachfahren. Ein anderes Beispiel:<br />

In der Jubiläumsschrift der Stadtschützen –<br />

sie wurden 1993 550­jährig! – ist in der Chronik<br />

vermerkt, dass sie 1935 spontan einen Beitrag zur<br />

Zeichnung der damaligen Wehranleihe des Bundes<br />

zusammenbrachten.<br />

Aber auch im Schiesswesen hat sich diese Bindung<br />

an Heimat und Vaterland verflüchtigt. Im<br />

Vordergrund steht auf allen Ebenen der Sport. <strong>Die</strong><br />

vaterländischen Reden – an den Schützenfesten<br />

bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg im Zentrum<br />

der meisten Schützenfeste – sind inzwischen weniger<br />

wichtig als die erzielten Resultate.


Schaffhausen ist voller<br />

Geschichten - auch die<br />

nächsten 150 Jahre.<br />

Alles Gute.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!