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Magazin «umwelt» 3/2010 - Nanotechnologie - BAFU - admin.ch

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umwelt<br />

Natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

3/<strong>2010</strong><br />

Alle Chancen nutzen, ohne die Risiken auszublenden > Zwerge mit riesigem<br />

Potenzial > Morgenröte für die Solarenergie > Nanote<strong>ch</strong>nik zur Wasseraufbereitung<br />

> Den Risiken auf der Spur > Nanomedizin unter der Lupe


Inhalt<br />

> Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

03 Editorial von <strong>BAFU</strong>-Direktor Bruno Oberle<br />

04 Zwerge mit riesigem Potenzial<br />

A<strong>ch</strong>t Steckbriefe von Nanomaterialien<br />

08 Pionierarbeit der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Tour d’Horizon mit Georg Karlaganis<br />

12 Morgenröte für die Solarenergie<br />

Nanostoffe verbessern die Energieeffizienz<br />

18 Nanoporen für sauberes Trinkwasser<br />

Filterte<strong>ch</strong>nik mit hoher Wirkungskraft<br />

21 No<strong>ch</strong> viele Fragezei<strong>ch</strong>en<br />

Ungeklärte Umweltrisiken<br />

24 Nanopartikel dringen ins Gehirn ein<br />

Risiken für die Gesundheit<br />

27 Arbeitssi<strong>ch</strong>erheit ist das A und O<br />

S<strong>ch</strong>utzmassnahmen für Bes<strong>ch</strong>äftigte<br />

31 Beda<strong>ch</strong>ter Umgang mit der Unsi<strong>ch</strong>erheit<br />

Störfallvorsorge und Entsorgung<br />

34 Erfahrungsaustaus<strong>ch</strong> über die Grenzen<br />

Das internationale Engagement der S<strong>ch</strong>weiz<br />

36 Medizin auf den Punkt gebra<strong>ch</strong>t<br />

Die Nanomedizin aus ethis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t<br />

> Zum Titelbild<br />

2<br />

Die aus einem feinen Kunststofffaden gefertigten<br />

Nanofasern werden häufig in Verbundmaterialien mit<br />

antistatis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften und integriertem UV-<br />

S<strong>ch</strong>utz eingesetzt. Rund 33 000-fa<strong>ch</strong>e Vergrösserung<br />

unter einem Rasterelektronenmikroskop.<br />

Bild: Keystone / Science Photo Library<br />

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umwelt, Swissprinters St. Gallen AG<br />

Tel. +41(0)58 787 58 68<br />

Fax +41(0)58 787 58 15<br />

umweltabo@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<br />

> Weitere Themen<br />

42 Militärs<strong>ch</strong>iessplätze ma<strong>ch</strong>en zu viel Lärm<br />

Neue Grenzwerte s<strong>ch</strong>affen Abhilfe.<br />

44 Gekrönte Bestleistungen für die Umwelt<br />

Umweltpreise im Überblick<br />

48 Zeitige Warnungen sparen Millionen<br />

Alarmierung bei Naturgefahren<br />

51 Gewässers<strong>ch</strong>utz trotz Nutzungsdruck<br />

Neues Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm zur na<strong>ch</strong>haltigen<br />

Wassernutzung<br />

54 Trompeten, Sternleber und bunte Birnen<br />

Monitoring bedrohter Moosarten<br />

> Rubriken<br />

39 International<br />

40 Vor Ort Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten aus den Kantonen<br />

57 Bildung<br />

58 Re<strong>ch</strong>t / Publikationen<br />

60 Tipps<br />

61 Impressum<br />

62 Intern<br />

63 Porträt<br />

> Gut zu wissen<br />

Alle Artikel dieses Heftes – ausser den Rubriken –<br />

sind au<strong>ch</strong> im Internet verfügbar:<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3<br />

Die meisten Beiträge enthalten weiterführende Links<br />

und Literaturangaben.<br />

Das <strong>BAFU</strong> im Internet: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong><br />

> Vors<strong>ch</strong>au<br />

Die nä<strong>ch</strong>ste Ausgabe ers<strong>ch</strong>eint Ende November <strong>2010</strong><br />

und befasst si<strong>ch</strong> mit der «Umweltbildung». Eine<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft, die si<strong>ch</strong> zunehmend auf na<strong>ch</strong>haltiges<br />

Ressourcenmanagement ausri<strong>ch</strong>tet, brau<strong>ch</strong>t gut qualifizierte<br />

Berufsleute – und Umweltbildung leistet dazu<br />

einen wesentli<strong>ch</strong>en Beitrag.<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong>


Alle Chancen nutzen,<br />

ohne die Risiken auszublenden<br />

Die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> bietet der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Wirts<strong>ch</strong>aft und Gesells<strong>ch</strong>aft vielfältige Chancen, die<br />

im Interesse des Landes au<strong>ch</strong> genutzt werden sollen.<br />

Was Fa<strong>ch</strong>leute an hiesigen Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen sowie<br />

in zahlrei<strong>ch</strong>en Unternehmen in dieser Miniaturwelt<br />

an te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Innovationen entwickeln, darf uns<br />

vor allem au<strong>ch</strong> im Umweltberei<strong>ch</strong> hoffnungsfroh<br />

stimmen. Sie erfors<strong>ch</strong>en und produzieren zum Beispiel<br />

kostengünstige Solarzellen mit einem höheren<br />

Wirkungsgrad, effizientere Batterien, ho<strong>ch</strong>wirksame<br />

Filter zur Wasseraufbereitung, lei<strong>ch</strong>tere Werk ­<br />

stof fe oder Produkte mit einer längeren Lebensdauer.<br />

Damit eröffnet uns die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> vielseitige<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten, um die Energie­ und Ressourceneffizienz<br />

zu verbessern und die Umwelt von problematis<strong>ch</strong>en<br />

Substanzen zu entlasten.<br />

Neben den unbestrittenen Chancen birgt die gezielte<br />

Herstellung von Nanomaterialien und deren<br />

Manipulation allerdings au<strong>ch</strong> Risiken, die heute no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t abs<strong>ch</strong>liessend bekannt sind. Es ist deshalb oft<br />

no<strong>ch</strong> zu früh, um staatli<strong>ch</strong>e Regulierungen einzuführen.<br />

Der Bund fordert aber, dass si<strong>ch</strong> sämtli<strong>ch</strong>e<br />

beteiligten Akteure bewusst mit den mögli<strong>ch</strong>en Ge­<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

fahren auseinandersetzen. Unser Ziel ist eine vorsorgli<strong>ch</strong>e<br />

Risikokultur, um alle erdenkli<strong>ch</strong>en Risiken<br />

für Gesundheit und Umwelt so weit als mögli<strong>ch</strong> zu<br />

reduzieren. Eine konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips<br />

– wie es das s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Umwelts<strong>ch</strong>utzgesetz<br />

verlangt – in Kombination mit der betriebli<strong>ch</strong>en<br />

Eigenverantwortung bietet dabei Gewähr,<br />

dass man allfällige Gefahren re<strong>ch</strong>tzeitig erkennt. Auf<br />

diese Weise lassen si<strong>ch</strong> unerwüns<strong>ch</strong>te Folges<strong>ch</strong>äden<br />

und Fehlinvestitionen vermeiden.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz handelt im Berei<strong>ch</strong> der Risikofors<strong>ch</strong>ung,<br />

der Gefahrenbeurteilung und des Risikomanagements<br />

ni<strong>ch</strong>t im Alleingang. Sie koordiniert ihre<br />

Aktivitäten mit denen der internationalen Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

– sei es auf Ebene der Vereinten Nationen<br />

oder innerhalb der Organisation für wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Erkenntnisse,<br />

Forts<strong>ch</strong>ritte und vorsorgli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />

sollen dabei au<strong>ch</strong> den Entwicklungsund<br />

S<strong>ch</strong>wellenländern zugute kommen.<br />

Bruno Oberle, Direktor <strong>BAFU</strong><br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-01<br />

Im Umgang mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

fordert der Bund<br />

eine vorsorgli<strong>ch</strong>e Risikokultur,<br />

um alle erdenkli<strong>ch</strong>en<br />

Gefahren für Gesundheit und<br />

Umwelt so weit als mögli<strong>ch</strong><br />

zu reduzieren.<br />

Bild: Mediendienst Suva<br />

3


DIE WELT DER NANOTEILCHEN<br />

Zwerge mit riesigem Potenzial<br />

Wel<strong>ch</strong>e Nanomaterialien werden heute am meisten eingesetzt, was sind ihre spezifis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften,<br />

und wo kommen sie zur Anwendung? Die a<strong>ch</strong>t Steckbriefe vermitteln einen ersten Überblick.<br />

Nanosilber<br />

4<br />

Bild: Empa<br />

Die antibakterielle Wirkung von Silber<br />

ist bereits seit Jahrtausenden bekannt.<br />

Heute werden die keimtötenden Eigens<strong>ch</strong>aften<br />

des Edelmetalls au<strong>ch</strong> in Form<br />

von Nanopartikeln immer öfter genutzt.<br />

So findet si<strong>ch</strong> Nanosilber etwa in medizinis<strong>ch</strong>en<br />

Produkten wie Wundauflagen<br />

und Verbänden, wo es Krankheitskeime<br />

eliminieren soll. Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen von<br />

Oberflä<strong>ch</strong>en mit dem Nanomaterial sollen<br />

dafür sorgen, dass au<strong>ch</strong> Computertastaturen,<br />

Türgriffe oder Anstri<strong>ch</strong>e<br />

keimfrei bleiben. Zudem wird Nanosilber<br />

Hygieneartikeln wie Spezialseifen<br />

und Was<strong>ch</strong>mitteln beigemis<strong>ch</strong>t oder<br />

in Textilien verarbeitet, damit zum<br />

Beispiel vers<strong>ch</strong>witzte Socken keinen<br />

unangenehmen Geru<strong>ch</strong> verbreiten, den<br />

s<strong>ch</strong>weissabbauende Bakterien verursa<strong>ch</strong>en.<br />

Beim Was<strong>ch</strong>en sol<strong>ch</strong>er Kleider<br />

gelangt allerdings ein Teil der Nanopartikel<br />

via Kanalisation ungewollt<br />

au<strong>ch</strong> in Kläranlagen und Gewässer, wo<br />

die keimtötende Wirkung prinzipiell<br />

unerwüns<strong>ch</strong>t ist.<br />

Russpartikel<br />

Bild: Dexwet Te<strong>ch</strong>nology Vertriebs GmbH<br />

Russpartikel gehören zu den ältesten<br />

vom Mens<strong>ch</strong>en hergestellten Nanomaterialien.<br />

Der unter kontrollierten Bedingungen<br />

industriell produzierte Russ<br />

findet vor allem als Additiv in Gummiprodukten<br />

wie Autoreifen Verwendung.<br />

Zudem dient er als s<strong>ch</strong>warzes Pigment<br />

für Farben und Lacke, als Antistatikzusatz<br />

in Kunststoffen sowie als Elektrodenmaterial.<br />

Daneben entwei<strong>ch</strong>en grosse Mengen<br />

an Russnanopartikeln jedo<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> unkontrolliert<br />

in die Umgebungsluft – so<br />

etwa bei der unvollständigen Verbrennung<br />

von Brenn­ und Treibstoffen in<br />

Feuerungen, Fahrzeugmotoren und Mas<strong>ch</strong>inen.<br />

Die zerklüfteten Teil<strong>ch</strong>en bestehen<br />

aus elementarem Kohlenstoff mit<br />

angelagerten organis<strong>ch</strong>en Substanzen<br />

und Metallverbindungen. Für Mens<strong>ch</strong>en<br />

und Tiere sind vor allem feine und ultrafeine<br />

Russpartikel gefährli<strong>ch</strong>, die via<br />

Atemluft in Lunge und Blutkreislauf<br />

gelangen. Sie können <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>e Entzündungen<br />

wie Asthma begünstigen, zu<br />

Herz­Kreislauf­Bes<strong>ch</strong>werden führen und<br />

je na<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er Zusammensetzung<br />

au<strong>ch</strong> krebserregend sein.<br />

Buckminster-Fullerene<br />

Bild: Empa<br />

Wie bei CNT (siehe Seite 7) handelt es<br />

si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> beim Buckminster­Fulleren<br />

(C60) um ein reines Kohlenstoffmolekül,<br />

dessen kugelförmige Struktur<br />

aus 60 C­Atomen besteht und wie ein<br />

Fussball aussieht. Aufgrund hoher<br />

Produk tionskosten, einer bes<strong>ch</strong>ränkten<br />

Verfügbarkeit und der weitgehend<br />

unbekannten Gesundheitsrisiken gibt<br />

es no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t viele Anwendungen dieser<br />

Nanopartikel. Gegenstand der Fors<strong>ch</strong>ung<br />

sind jedo<strong>ch</strong> vielfältige Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

wie der Einsatz als Halbleiter,<br />

Supraleiter, Kataly sator, S<strong>ch</strong>miermittel,<br />

Krebsmedikament, Radikalfänger in<br />

Kosmetika oder die Herstellung von<br />

künstli<strong>ch</strong>en Diamanten und Ultralei<strong>ch</strong>tkunststoffen.<br />

Untersu<strong>ch</strong>t werden<br />

au<strong>ch</strong> Metallofullerene mit einges<strong>ch</strong>lossenen<br />

Metallverbindungen im kugelförmigen<br />

Gefle<strong>ch</strong>t der Kohlenstoff­<br />

atome. Davon verspri<strong>ch</strong>t man si<strong>ch</strong> einzigartige<br />

elektronis<strong>ch</strong>e Eigens<strong>ch</strong>aften,<br />

wel<strong>ch</strong>e zum Beispiel die Produk tion<br />

von kleinsten Datenspei<strong>ch</strong>ern ermögli<strong>ch</strong>en<br />

könnten.<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Zinkoxid<br />

Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Wie Titandioxid ist au<strong>ch</strong> die am zweithäufigsten<br />

verwendete metallis<strong>ch</strong>e Nanosubstanz Zinkoxid<br />

(ZnO) ein direkter Halbleiter. Die Vorteile einer<br />

dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tigen, leitenden ZnO­Nanos<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t mit<br />

einer sehr hohen Transparenz im si<strong>ch</strong>tbaren<br />

Wellenlängenberei<strong>ch</strong> des Li<strong>ch</strong>ts ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> etwa<br />

die Elektronikindustrie für die Herstellung von<br />

blauen Leu<strong>ch</strong>tdioden (LED), Flüssigkristall­Bilds<strong>ch</strong>irmen<br />

oder Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t­Solarzellen zunutze.<br />

Indem extrem dünne Zinkoxidbeläge das eintreffende<br />

Sonnenli<strong>ch</strong>t reflektieren und streuen, ge­<br />

Bild: Empa<br />

langt deutli<strong>ch</strong> mehr Li<strong>ch</strong>t in die Siliziums<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

der Solarzellen, was deren Wirkungsgrad<br />

steigert. Weil ZnO­Nanopartikel die aggressive<br />

UV­Strahlung der Sonne effizient absorbieren,<br />

werden sie – zum Beispiel in Lacken – au<strong>ch</strong> als<br />

langzeitstabiler S<strong>ch</strong>utz von Oberflä<strong>ch</strong>en eingesetzt.<br />

Sonnencremes mit beigemis<strong>ch</strong>tem Zinkoxid<br />

ermögli<strong>ch</strong>en hohe Li<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>utzfaktoren, da sol<strong>ch</strong>e<br />

Nanopartikel die Sonnenstrahlen wie kleine Spiegel<br />

reflektieren, ohne dabei in gesunde Hautzellen<br />

einzudringen.<br />

5


Liposome<br />

6<br />

Bild: Keystone<br />

Liposome sind kugelförmige Anordnungen<br />

von fettähnli<strong>ch</strong>en Substanzen mit<br />

oberflä<strong>ch</strong>enaktiven Molekülen, die von<br />

einer oder mehreren Doppels<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

gebildet werden. In ihrem Kern können<br />

sie wasser­ oder fettlösli<strong>ch</strong>e Verbindungen<br />

wie empfindli<strong>ch</strong>e Proteine einkapseln.<br />

In der Medizin wird versu<strong>ch</strong>t,<br />

Liposome in Nanogrösse gezielt für den<br />

Transport von darin einges<strong>ch</strong>lossenen<br />

Medikamenten zu nutzen, die an bestimmten<br />

Stellen im Körper ihre Heilwirkung<br />

entfalten sollen. Wenn zum<br />

Beispiel bioaktive Substanzen wie Chemotherapeutika<br />

zur Krebsbehandlung<br />

nur die Tumorzellen angreifen, vermindert<br />

dies unter anderem unerwüns<strong>ch</strong>te<br />

Nebenwirkungen. Zudem ist die Liposomkapsel<br />

eine Art Tarnung gegenüber<br />

dem Immunsystem, was die Zeitdauer<br />

für eine Anrei<strong>ch</strong>erung der Wirkstoffe<br />

von Medikamenten in der Zielregion erhebli<strong>ch</strong><br />

verlängert. Die Dur<strong>ch</strong>lässigkeit<br />

lässt si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> einen äusseren Reiz –<br />

wie etwa ein elektromagnetis<strong>ch</strong>es Feld<br />

– steuern. Liposome gelangen zudem<br />

als Träger für Vitamine, Mineralien,<br />

Proteine oder Ges<strong>ch</strong>mackstoffe au<strong>ch</strong> in<br />

funktionellen Lebensmitteln sowie in<br />

Kosmetika zur Anwendung.<br />

Aluminiumoxid<br />

Bild: A. Krell, Fraunhofer IKTS Dresden<br />

Als Beimis<strong>ch</strong>ung in Lacken und Farben<br />

verbessern vers<strong>ch</strong>iedene Aluminiumoxide<br />

wie Böhmit die Kratz­ und Abriebfestigkeit<br />

von behandelten Oberflä<strong>ch</strong>en.<br />

Bei Partikeln in Mikrometergrösse werden<br />

dadur<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> Glanz und Transparenz<br />

der Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung deutli<strong>ch</strong><br />

vermindert; zudem geht deren Flexibilität<br />

verloren. Nanopartikel aus Aluminiumoxiden<br />

weisen diese Na<strong>ch</strong>teile<br />

ni<strong>ch</strong>t auf, erhöhen die Kratzfestigkeit<br />

aber trotzdem, was sie vor allem für<br />

Holz­, Möbel­, Industrie­ und Automobilklarlacke<br />

interessant ma<strong>ch</strong>t. Au<strong>ch</strong> bei<br />

Druckpapier verbessern sie den Glanz<br />

und steigern die Farbbrillanz, während<br />

Aluminiumoxide in der Kopierte<strong>ch</strong>nik<br />

die elektrostatis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften von<br />

Tonerpulver optimieren. Im Berei<strong>ch</strong><br />

der Lebensmittelverpackungen werden<br />

sie als dünne Innenbes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung eingesetzt,<br />

um beispielsweise die Sperreigens<strong>ch</strong>aften<br />

von PET­Bierflas<strong>ch</strong>en oder<br />

Verbundfolien gegenüber Gasen und<br />

Aromastoffen zu erhöhen, wodur<strong>ch</strong> die<br />

Produkte länger haltbar bleiben. Weitere<br />

Vorteile sind eine bessere S<strong>ch</strong>lagfestigkeit<br />

und Hitzeresistenz.<br />

Titandioxid<br />

Bild: BASF<br />

Mit einer weltweiten Jahresproduktion<br />

von mehreren tausend Tonnen ist Titandioxid<br />

(TiO 2) das mit Abstand am häufigsten<br />

eingesetzte metallis<strong>ch</strong>e Nanomaterial.<br />

Dieses au<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong>erweise in<br />

Böden vorkommende Metalloxid wird<br />

insbesondere verwendet, um die Poren<br />

von rauen Oberflä<strong>ch</strong>en zu glätten, damit<br />

zum Beispiel weniger S<strong>ch</strong>mutzstoffe<br />

in die behandelten Materialien<br />

eindringen. Interessant sind sol<strong>ch</strong>e Anwendungen<br />

vor allem für Gebäude mit<br />

hohen hygienis<strong>ch</strong>en Standards wie Spitäler,<br />

Labors oder Lebensmittelbetriebe.<br />

Glei<strong>ch</strong>zeitig haben TiO 2­Nanopartikel<br />

fotokatalytis<strong>ch</strong>e Eigens<strong>ch</strong>aften, was ihre<br />

Nutzung in Farben, Lacken oder Verputzen<br />

für selbstreinigende Fassaden erklärt.<br />

Dabei werden S<strong>ch</strong>mutz, Gerü<strong>ch</strong>e<br />

und Bakterien unter Li<strong>ch</strong>teinwirkung<br />

abgebaut. In Kosmetika wie Sonnencremes<br />

dienen die Partikel dazu, die<br />

s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Ultraviolettstrahlung des Sonnenli<strong>ch</strong>ts<br />

von der Haut fernzuhalten. Zudem<br />

nutzt man TiO 2 unter anderem bei<br />

der Produktion von Farbstoffsolarzellen,<br />

für das Wa<strong>ch</strong>stum künstli<strong>ch</strong>er Kno<strong>ch</strong>en<br />

sowie als Bestandteil von Katalysatoren<br />

zur Entstickung von Rau<strong>ch</strong>gasen.<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-02<br />

Zusammengestellt von Beat Jordi<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Nanoröhren aus Kohlenstoff (CNT)<br />

Nanoröhr<strong>ch</strong>en aus Kohlenstoff bestehen aus<br />

einer wabenförmigen, grafitartigen Struktur, die<br />

mehrere S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten umfassen kann. Sie errei<strong>ch</strong>en<br />

Längen von einigen Millimetern, sind sehr elastis<strong>ch</strong>,<br />

extrem strapazierfähig und bis zu 50­mal so<br />

zugfest wie Stahl, sodass sie zum Beispiel in Kombination<br />

mit herkömmli<strong>ch</strong>en Kunststoffen deren me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>e<br />

Eigens<strong>ch</strong>aften verbessern. Mit CNT werden<br />

etwa lei<strong>ch</strong>te, aber stabilere Velorahmen oder<br />

Hockey­ und Tenniss<strong>ch</strong>läger gefertigt. Sie eignen<br />

si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> zur Herstellung von sehr dunklen Oberflä<strong>ch</strong>en,<br />

was CNT für Sonnenkollektoren mit einer<br />

Bild: Keystone<br />

hohen Li<strong>ch</strong>tabsorption oder zur Abs<strong>ch</strong>irmung<br />

von Funkwellen in einem breiten Frequenzberei<strong>ch</strong><br />

attraktiv ma<strong>ch</strong>t. Je na<strong>ch</strong> Röhr<strong>ch</strong>enstruktur<br />

fungieren sie als Isolator, Halbleiter oder als<br />

metallis<strong>ch</strong>er Leiter. Diese Funktionen mö<strong>ch</strong>te die<br />

Elektronikindustrie künftig verstärkt nutzen, um<br />

neuartige Transistoren, Spei<strong>ch</strong>er, Dioden oder Displays<br />

zu produzieren. Bereits weit verbreitet sind<br />

CNT als Beimis<strong>ch</strong>ung zur Leistungssteigerung von<br />

Lithium­Batterien. Zudem werden sie als Spitzen<br />

für leistungsfähigere Rastertunnelmikroskope<br />

mit deutli<strong>ch</strong> verbesserter Auflösung eingesetzt.<br />

7


NANOTECHNOLOGIE IM ÜBERBLICK<br />

«Die S<strong>ch</strong>weiz hat<br />

Pionierarbeit geleistet»<br />

Im Umgang mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> gebe es in der S<strong>ch</strong>weiz eine gute Balance zwis<strong>ch</strong>en mutigem Vorangehen und<br />

vorsi<strong>ch</strong>tiger Risikoabs<strong>ch</strong>ätzung, sagt der Chemiker Georg Karlaganis im Interview mit umwelt. Der langjährige<br />

<strong>BAFU</strong>-Abteilungs<strong>ch</strong>ef und heutige UNO-Mitarbeiter äussert si<strong>ch</strong> zur te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>en Revolution des 21. Jahrhunderts.<br />

umwelt : Herr Karlaganis, wann sind Sie letztmals mit<br />

einem Nanoprodukt in Berührung gekommen?<br />

Georg Karlaganis: I<strong>ch</strong> habe zu Hause eine spezielle<br />

Krawatte, an der dank <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

jegli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>mutz abperlt. Damit kann i<strong>ch</strong><br />

verglei<strong>ch</strong>sweise unbes<strong>ch</strong>wert Spaghetti oder<br />

Salat mit italienis<strong>ch</strong>er Sauce essen. Do<strong>ch</strong> Spass<br />

bei seite – das eigentli<strong>ch</strong>e Problem ist, dass i<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t weiss, wann i<strong>ch</strong> es mit sol<strong>ch</strong>en Produkten<br />

zu tun habe. Gemäss S<strong>ch</strong>ätzungen verarbeiten<br />

oder verwenden in der S<strong>ch</strong>weiz rund 600 Firmen<br />

Nanomaterialien. Da aber weder eine Melde­<br />

no<strong>ch</strong> eine Deklarationspfli<strong>ch</strong>t besteht, wissen<br />

Behörden sowie Konsumentinnen und Konsumenten<br />

kaum, um wel<strong>ch</strong>e Firmen und Produkte<br />

es si<strong>ch</strong> handelt.<br />

Ma<strong>ch</strong>t Ihnen das Sorgen?<br />

Wenn ein Auto Nanopartikel enthält, ma<strong>ch</strong>t mir<br />

das keine grossen Sorgen, denn die Teil<strong>ch</strong>en sind<br />

im Material gehärtet und ni<strong>ch</strong>t abreibbar. Handelt<br />

es si<strong>ch</strong> ausserdem um das Auto eines deuts<strong>ch</strong>en<br />

Herstellers, für<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t um die<br />

Gesundheit der an der Produktion beteiligten<br />

Bes<strong>ch</strong>äftigten. Anders sieht es bei einem Getränk<br />

aus, dessen Verpackung mit Nanoteil<strong>ch</strong>en bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet<br />

ist. Angesi<strong>ch</strong>ts der heute bestehenden<br />

Wissenslücken würde i<strong>ch</strong> es wohl eher ni<strong>ch</strong>t<br />

trinken, weil die mögli<strong>ch</strong>en Gesundheitsrisiken<br />

no<strong>ch</strong> zu wenig erfors<strong>ch</strong>t sind.<br />

Die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> wird als «te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e<br />

Revolution des 21. Jahrhunderts» bezei<strong>ch</strong>net und ist<br />

mit hohen Erwartungen verknüpft. Lassen Sie uns<br />

zuerst die Grundlagen klären. Wie muss man si<strong>ch</strong> die<br />

Grössenordnung von Nanoteil<strong>ch</strong>en vorstellen?<br />

Dazu gibt es einen ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en Verglei<strong>ch</strong>: Das<br />

8<br />

Verhältnis eines Apfels zur Erde ist glei<strong>ch</strong> wie<br />

dasjenige zwis<strong>ch</strong>en einem Nanoteil<strong>ch</strong>en und<br />

dem Apfel.<br />

Was ist der Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en natürli<strong>ch</strong>en und<br />

synthetis<strong>ch</strong>en Nanopartikeln?<br />

Nanoteil<strong>ch</strong>en kommen natürli<strong>ch</strong>erweise in Böden<br />

und Sedimenten von Seen vor. Spri<strong>ch</strong>t man<br />

von <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>, geht es vorab um synthetis<strong>ch</strong><br />

hergestellte Nanopartikel. Bei Luftverunreinigungen<br />

– etwa dur<strong>ch</strong> Abgase aus Dieselmotoren<br />

– entwei<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> Teil<strong>ch</strong>en in dieser<br />

Grössenordnung, aber mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

hat dies ni<strong>ch</strong>ts zu tun.<br />

Wie werden Nanopartikel hergestellt?<br />

Ausgangsmaterialien sind zum Beispiel Zink­<br />

oder Titanoxid in Pulverform. Diese werden von<br />

Grossfirmen aus der <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Industrie in<br />

einem aufwendigen Highte<strong>ch</strong>verfahren verkleinert<br />

oder in einer Flamme dur<strong>ch</strong> Einspritzen<br />

entspre<strong>ch</strong>ender Lösungen hergestellt. Zur weiteren<br />

Verarbeitung gelangen sie dann au<strong>ch</strong> an kleine<br />

und mittlere Unternehmen (KMU).<br />

Gemessen an ihrem Volumen verfügen Nanopartikel<br />

über eine grosse Oberflä<strong>ch</strong>e, was sie sehr reaktiv<br />

ma<strong>ch</strong>t und die physikalis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften der<br />

Ausgangsstoffe verändert. Was bedeutet das konkret?<br />

Das glei<strong>ch</strong>e Material kann je na<strong>ch</strong> Teil<strong>ch</strong>engrösse<br />

zum Beispiel eine andere Farbe haben.<br />

Nanopartikel können au<strong>ch</strong> bei variierenden<br />

Li<strong>ch</strong>tverhältnissen andere Farben annehmen.<br />

Wird sol<strong>ch</strong>es Material für Autolackierungen verwendet,<br />

we<strong>ch</strong>selt der Wagen also je na<strong>ch</strong> Wetter<br />

und Li<strong>ch</strong>t seine Farbe. Ein interessantes Beispiel<br />

ist Eisen: Wird es in grösseren, festen Stücken<br />

Georg Karlaganis vor einem<br />

Tomographie-Elektronenmikroskop<br />

im Institut für<br />

Anatomie der Universität<br />

Bern. Er studierte an der<br />

ETH Züri<strong>ch</strong> Chemie und<br />

doktorierte am Institut<br />

für Molekularbiologie und<br />

Biophysik. Na<strong>ch</strong> einem<br />

Aufenthalt als Gastfors<strong>ch</strong>er<br />

am Departement für<br />

physiologis<strong>ch</strong>e Chemie<br />

des Karolinska Instituts<br />

in Stockholm habilitierte<br />

er 1985 in Bern im Fa<strong>ch</strong><br />

«Chemis<strong>ch</strong>e Analytik in der<br />

klinis<strong>ch</strong>en Pharmakologie».<br />

Von 1987 bis zu seiner<br />

Pensionierung Ende 2009<br />

war er Chef der <strong>BAFU</strong>-<br />

Abteilung Stoffe, Boden,<br />

Biote<strong>ch</strong>nologie. Seither<br />

arbeitet der heute 65-Jährige<br />

für das Ausbildungs-<br />

und Fors<strong>ch</strong>ungsinstitut<br />

UNITAR der UNO in Genf.<br />

Georg Karlaganis ist verheiratet<br />

und Vater von drei<br />

erwa<strong>ch</strong>senen Kindern.<br />

Bild: Stefan Bohrer<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

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10<br />

gelagert, gibt es bezügli<strong>ch</strong> Entflammbarkeit keine<br />

Probleme. Ist das glei<strong>ch</strong>e Material hingegen<br />

pulverisiert, sieht es anders aus. Nanoeisen reagiert<br />

derart heftig auf den Sauerstoff der Luft,<br />

dass man es nur in einer Gasumgebung – etwa<br />

unter Stickstoff oder Edelgas – lagern kann. Interessant<br />

sind au<strong>ch</strong> Beispiele aus dem Berei<strong>ch</strong><br />

der Nano biote<strong>ch</strong>nologie: Werden diese Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />

mit spezifis<strong>ch</strong>en Eiweissen bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet,<br />

verändern si<strong>ch</strong> ihre Eigens<strong>ch</strong>aften no<strong>ch</strong> weiter.<br />

Ausgestattet mit Antikörpern können sie in der<br />

Medizin zum Einsatz kommen, indem die Partikel<br />

gezielt an Krankheitserreger andocken.<br />

Setzt die Medizin grosse Hoffnungen darauf?<br />

Es gibt diesbezügli<strong>ch</strong> ein beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es Potenzial,<br />

aber no<strong>ch</strong> keine angewandten Therapien.<br />

Hingegen laufen Fors<strong>ch</strong>ungsprojekte – so etwa<br />

zur Tumorbekämpfung oder für bessere Diagnosen<br />

dank bildgebender Verfahren wie der Kernresonanzspektroskopie,<br />

mit denen man Organe<br />

oder einzelne Körperteile besser si<strong>ch</strong>tbar ma<strong>ch</strong>en<br />

kann. Bis entspre<strong>ch</strong>ende Medikamente zur<br />

Krebsbehandlung marktreif sind, dauert es aber<br />

si<strong>ch</strong>er no<strong>ch</strong> 10 Jahre.<br />

In wel<strong>ch</strong>en Gebieten sind die Anwendungen am<br />

weitesten fortges<strong>ch</strong>ritten?<br />

Sogenannte Carbon Nanotubes (CNT) – also<br />

kleinste Kohlenstoffröhr<strong>ch</strong>en – ma<strong>ch</strong>en Materia­<br />

lien lei<strong>ch</strong>ter und glei<strong>ch</strong>zeitig belastbarer. Bei Velos<br />

oder Tenniss<strong>ch</strong>lägern werden diese s<strong>ch</strong>on gebrau<strong>ch</strong>t.<br />

Mit einer geeigneten Nanobes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung<br />

lässt si<strong>ch</strong> die Metalloberflä<strong>ch</strong>e von Autos härter<br />

und kratzfester ma<strong>ch</strong>en. Im Bausektor wird der<br />

Farbe für den Anstri<strong>ch</strong> von Gebäuden zum Teil<br />

Nanosilber beigemis<strong>ch</strong>t. Dadur<strong>ch</strong> entsteht eine<br />

antimikrobielle S<strong>ch</strong>utzs<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t, die verhindern<br />

soll, dass si<strong>ch</strong> Algen, Pilze, Moose und Fle<strong>ch</strong>ten<br />

an feu<strong>ch</strong>ten Wänden festsetzen. Ein ähnli<strong>ch</strong>es<br />

Prinzip kommt au<strong>ch</strong> bei Textilien zur Anwendung:<br />

Hier töten eingearbeitete Nanosilberpartikel<br />

Mikroorganismen ab, sodass vers<strong>ch</strong>witzte<br />

Socken oder T­Shirts weniger rie<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong><br />

im Berei<strong>ch</strong> des Korrosionss<strong>ch</strong>utzes gelangt die<br />

<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> bereits zum Einsatz.<br />

Kleinste Lücken in Oberflä<strong>ch</strong>en werden also mit Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />

so behandelt, dass si<strong>ch</strong> zum Beispiel S<strong>ch</strong>mutz<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr dauerhaft festsetzen kann.<br />

Ja, dieser Effekt ist au<strong>ch</strong> für Hausbesitzer praktis<strong>ch</strong>,<br />

die ihre Liegens<strong>ch</strong>aft mit einer Nanos<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />

versehen, damit sie etwa Graffitis lei<strong>ch</strong>t<br />

mit Wasser abwas<strong>ch</strong>en können. Dieses Prinzip<br />

kann au<strong>ch</strong> in Spitälern für eine grössere Hygiene<br />

sorgen. Es ermögli<strong>ch</strong>t zudem Skibrillen und<br />

Badezimmerspiegel, die si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr bes<strong>ch</strong>lagen,<br />

oder Jacken, an denen der Regen perfekt<br />

abperlt.<br />

Und warum s<strong>ch</strong>ützt Nanosonnencreme besser gegen<br />

Ultraviolettstrahlung?<br />

Das den Sonnencremes beigemis<strong>ch</strong>te Titandioxid<br />

absorbiert und streut UV­Strahlen. Im Gegensatz<br />

zu makroskopis<strong>ch</strong>en Teil<strong>ch</strong>en ers<strong>ch</strong>einen die<br />

Nanopartikel transparent und bilden so auf der<br />

Haut keinen weissen Film.<br />

Au<strong>ch</strong> in der Umweltte<strong>ch</strong>nologie s<strong>ch</strong>einen Nanomaterialien<br />

einiges bewegen zu können.<br />

Ja, zum Beispiel lässt si<strong>ch</strong> mit Silikat­Aerogel in<br />

Nanogrösse die Wärmeisolation von Gebäuden<br />

verbessern. Batterien und Solarzellen werden<br />

ebenfalls effizienter. Zudem kann man lei<strong>ch</strong>tere<br />

Windräder bauen, die dadur<strong>ch</strong> mehr Strom liefern.<br />

Grosse Hoffnungen sind mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

au<strong>ch</strong> in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit<br />

verbunden – so etwa bei<br />

der Abwasserreinigung und Trinkwasseraufbe­<br />

«I<strong>ch</strong> bin interessiert an einem Auto, das ni<strong>ch</strong>t zerkratzt werden kann, oder an<br />

einem künstli<strong>ch</strong>en Hüftgelenk, das man ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on na<strong>ch</strong> 10 Jahren ersetzen<br />

muss. Bei Lebensmitteln bin i<strong>ch</strong> hingegen vorsi<strong>ch</strong>tiger.» Georg Karlaganis<br />

reitung. Gerade in afrikanis<strong>ch</strong>en Ländern ist das<br />

Interesse diesbezügli<strong>ch</strong> sehr gross.<br />

Die Anwendungsberei<strong>ch</strong>e sind also sehr vielfältig.<br />

Die National Science Foundation der USA s<strong>ch</strong>ätzt das<br />

globale Marktpotenzial bis 2015 auf 1 Billion US-Dollar.<br />

Ist das eine realistis<strong>ch</strong>e Prognose?<br />

Das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Interesse an der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

ist si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> enorm. Das trifft au<strong>ch</strong> auf<br />

Banken zu, die in junge Firmen mit entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Produkten investieren. Wie viele davon überleben<br />

werden, lässt si<strong>ch</strong> kaum sagen, denn das<br />

tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Werts<strong>ch</strong>öpfungspotenzial ist grundsätzli<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>wierig zu beurteilen. Die ausgespro<strong>ch</strong>en<br />

heterogenen Anwendungsberei<strong>ch</strong>e sind<br />

dabei das Hauptproblem. Beim europäis<strong>ch</strong>en Patentamt<br />

gibt es keine Nanoabteilung, in der si<strong>ch</strong><br />

alle entspre<strong>ch</strong>enden Patente finden – diese sind<br />

vielmehr auf vers<strong>ch</strong>iedenste Gebiete verteilt.<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Besteht ni<strong>ch</strong>t die Gefahr einer tendenziellen Verna<strong>ch</strong>lässigung<br />

der Gesundheits- und Umweltrisiken<br />

angesi<strong>ch</strong>ts der grossen wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Mögli<strong>ch</strong>keiten?<br />

Natürli<strong>ch</strong> gibt es eine sol<strong>ch</strong>e Gefahr. Andererseits<br />

ist die Industrie aufgrund s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter Erfahrungen<br />

mit neuen Te<strong>ch</strong>nologien – wie etwa der<br />

Gente<strong>ch</strong>nik – in der jüngeren Vergangenheit sensibilisiert.<br />

So ist zum Beispiel der amerikanis<strong>ch</strong>e<br />

Agrarkonzern Monsanto mit seinen gente<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong><br />

veränderten Pflanzen insbesondere in Europa<br />

auf grösste Skepsis gestossen. Die «NZZ» hat<br />

unlängst die Stimmung in der Bevölkerung gut<br />

auf den Punkt gebra<strong>ch</strong>t: «Nano ja – aber ni<strong>ch</strong>t zu<br />

nah». Dies gilt au<strong>ch</strong> für mi<strong>ch</strong>: I<strong>ch</strong> bin interessiert<br />

an einem Auto, das ni<strong>ch</strong>t zerkratzt werden kann,<br />

oder an einem künstli<strong>ch</strong>en Hüftgelenk, das man<br />

ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on na<strong>ch</strong> 10 Jahren ersetzen muss. Bei<br />

Lebensmitteln bin i<strong>ch</strong> hingegen vorsi<strong>ch</strong>tiger.<br />

Für Konsumentinnen und Kunden ist es derzeit jedo<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>wierig, vorsi<strong>ch</strong>tig zu sein, weil sie ja mangels<br />

Deklarationspfli<strong>ch</strong>t gar ni<strong>ch</strong>t wissen können, was sie<br />

zu si<strong>ch</strong> nehmen.<br />

Das stimmt – allerdings weiss i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong>, dass die<br />

grösste Gefahr eines Eintritts von Nanopartikeln<br />

in den Körper bei der Lunge besteht. Die Membran<br />

zwis<strong>ch</strong>en dem Luft­ und dem Blutkompartiment<br />

ist sehr dünn. Dadur<strong>ch</strong> können Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />

ins Blut und damit in den ganzen Körper<br />

gelangen. Die Haut hingegen s<strong>ch</strong>ützt den Körper<br />

ziemli<strong>ch</strong> gut. Über die Auswirkungen im Darmtrakt<br />

na<strong>ch</strong> einer Nahrungsaufnahme ist derzeit<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t viel bekannt. Hohe Aufmerksamkeit<br />

gebührt au<strong>ch</strong> den Bes<strong>ch</strong>äftigten, die etwa in<br />

KMU Nanomaterialien verarbeiten. Oft sind sie<br />

entweder unzurei<strong>ch</strong>end ausgebildet oder wissen<br />

gar ni<strong>ch</strong>t, dass sie mit Nanopartikeln hantieren.<br />

I<strong>ch</strong> erinnere mi<strong>ch</strong> an eine Produktionshalle in<br />

Asien, in der Nanomaterial wie Mehl am Boden<br />

lag – und die Angestellten waren barfuss.<br />

Was wird getan, damit si<strong>ch</strong> der Wissensstand zur<br />

Erarbeitung wirkungsvoller Präventionsmassnahmen<br />

ras<strong>ch</strong> verbessert?<br />

Der Bundesrat hat das Nationale Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm<br />

NFP 64 zu «Chancen und Risiken von<br />

Nano materialien» ausges<strong>ch</strong>rieben. Damit sollen<br />

in den nä<strong>ch</strong>sten 5 Jahren wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Grundlagen für Empfehlungen und geeignete<br />

Massnahmen bei Herstellung, Gebrau<strong>ch</strong> und<br />

Entsorgung von Nanomaterialien ges<strong>ch</strong>affen<br />

werden. Dafür stehen 12 Millionen Franken zur<br />

Verfügung.<br />

Rei<strong>ch</strong>t das aus?<br />

Es ist ja ni<strong>ch</strong>t so, dass wir uns derzeit in einem<br />

re<strong>ch</strong>tsfreien Raum bewegen. Die Sorgfalts­<br />

Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

pfli<strong>ch</strong>t der Hersteller gilt au<strong>ch</strong> im Nanoberei<strong>ch</strong>.<br />

Zudem darf man dur<strong>ch</strong>aus auf den gesunden<br />

Mens<strong>ch</strong>enverstand bauen: Wer ein mit Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />

verstärktes Fahrrad besitzt, sollte es vor<br />

der Entsorgung si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t zersägen. Zudem<br />

hat der Bundesrat 2008 einen entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Aktionsplan vorgelegt, in dem das weitere Vorgehen<br />

genau skizziert wird. Um die Bevölkerung<br />

zu sensibilisieren, ist eine breite öffentli<strong>ch</strong>e Debatte<br />

geplant. Im internationalen Kontext muss<br />

eine Definition der Grösse von Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />

erarbeitet werden, damit die Behörden dana<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> Grenzwerte und Regulierungen festlegen<br />

können. Au<strong>ch</strong> hat die S<strong>ch</strong>weiz einen Vorsorgeraster<br />

entwickelt, mit dem si<strong>ch</strong> Gefahren für<br />

die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit und die Umwelt<br />

aufgrund des aktuellen Wissensstandes relativ<br />

einfa<strong>ch</strong> abs<strong>ch</strong>ätzen lassen. Darüber hinaus gilt<br />

das Prinzip der Selbstkontrolle für Unternehmen<br />

s<strong>ch</strong>on heute. Wer zum Beispiel eine Was<strong>ch</strong>mas<strong>ch</strong>ine<br />

aus Japan importieren will, die der Wäs<strong>ch</strong>e<br />

Nanosilber beimis<strong>ch</strong>t, ist dazu verpfli<strong>ch</strong>tet,<br />

die Auswirkungen auf die Umwelt selber zu kontrollieren.<br />

Grössere Firmen halten si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> daran,<br />

da sie über die nötigen Spezialisten verfügen.<br />

Wie sehen Sie einer Zukunft mit <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

entgegen?<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz hat mit ihrem umfassenden Aktionsplan<br />

internationale Pionierarbeit geleistet.<br />

Diesen Vorsprung müssen wir halten. Wir<br />

haben hierzulande eine gute Balance zwis<strong>ch</strong>en<br />

mu tigem Vorangehen und vorsi<strong>ch</strong>tiger Risikoabs<strong>ch</strong>ätzung.<br />

Daran festzuhalten, wird allen Beteiligten<br />

au<strong>ch</strong> in Zukunft grosse Anstrengungen<br />

abver langen.<br />

Interview: Peter Bader<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-03<br />

KONTAKT<br />

Andreas Weber<br />

Chef der Sektion<br />

Industrie<strong>ch</strong>emikalien<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 322 68 59<br />

andreas.weber@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

11


CHANCEN FÜR DIE UMWELT: EFFIZIENTE ENERGIESYSTEME<br />

Morgenröte für die Sol<br />

Dank der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> können effizientere Solarzellen produziert werden, die bei geringerem Materialaufwand<br />

eine höhere Energieausbeute ermögli<strong>ch</strong>en. Glei<strong>ch</strong> zwei Institute der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />

Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Lausanne (EPFL) gehören zu den weltweit führenden Fors<strong>ch</strong>ungszentren auf diesem Gebiet.<br />

12<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


energie<br />

Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Die Innenwände des Instituts für Mikrote<strong>ch</strong>nologie<br />

(IMT) in Neuenburg sind mit Solarpanels<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Farbe und Grösse verkleidet.<br />

Sie sind auf festen oder bewegli<strong>ch</strong>en Halterungen<br />

montiert und bestehen aus diversen Materialien.<br />

Einige S<strong>ch</strong>aukästen präsentieren die<br />

Energiesysteme, mit denen si<strong>ch</strong> das hier untergebra<strong>ch</strong>te<br />

Photovoltaics and Thin Film Electronics<br />

Laboratory (PV LAB) bes<strong>ch</strong>äftigt. Konsequenterweise<br />

ist au<strong>ch</strong> das Da<strong>ch</strong> des Gebäudes<br />

mit Siliziumzellen bedeckt, die das Fors<strong>ch</strong>ungszentrum<br />

mit Strom versorgen.<br />

Das der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />

Lausanne (EPFL) angegliederte PV LAB<br />

betreibt Grundlagenfors<strong>ch</strong>ung und entwickelt<br />

zudem konkret umsetzbare Te<strong>ch</strong>nologien im<br />

Berei<strong>ch</strong> der Photovoltaik. «Es ist unser Ziel,<br />

eine erneuerbare Alternative zu den wenig befriedigenden<br />

traditionellen Energiequellen<br />

anzubieten», erklärt dessen Direktor Chris­<br />

tophe Ballif. «Wir wollen eine kostengünstige<br />

und qualitativ ho<strong>ch</strong>stehende Stromerzeugung<br />

aus Sonnenenergie ermögli<strong>ch</strong>en, den Aufwand<br />

für die graue Energie zur Herstellung der<br />

Ausgangsmate rialien reduzieren und mögli<strong>ch</strong>st<br />

wenig giftige Werkstoffe einsetzen.»<br />

Erhöhter Wirkungsgrad der Siliziumzellen. Die Umwandlung<br />

des praktis<strong>ch</strong> unbes<strong>ch</strong>ränkt verfügbaren<br />

Sonnenli<strong>ch</strong>ts in elektris<strong>ch</strong>e Energie ist an<br />

si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on eine gute Sa<strong>ch</strong>e. No<strong>ch</strong> besser sieht<br />

die Ökobilanz des Solarstroms aus, wenn es gelingt,<br />

den erforderli<strong>ch</strong>en Materialverbrau<strong>ch</strong> zu<br />

vermindern, die Energieeffizienz zu erhöhen<br />

und dadur<strong>ch</strong> den Marktpreis für Photovoltaikanlagen<br />

zu senken. Dazu kann die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

mit ihren vielfältigen Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

einen wi<strong>ch</strong>tigen Beitrag leisten. In Neuenburg<br />

hat man si<strong>ch</strong> auf siliziumbasierte Anwendungen<br />

und transparente Leiteroxide spezialisiert.<br />

Amorphes Silizium, dessen Atome vollkommen<br />

unregelmässig angeordnet sind, erlaubt die Herstellung<br />

biegsamer Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t­Solarzellen.<br />

Bereits unter Christophe Ballifs Vorgänger<br />

Professor Arvind Shah hat das PV LAB ausserdem<br />

entdeckt, dass si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> mikro­ oder nanokristallines<br />

Silizium für die Photovoltaik eignet.<br />

Es besteht aus kleinsten Kristallen mit einem<br />

Dur<strong>ch</strong>messer von weniger als einem Millionstel<br />

Meter. Dur<strong>ch</strong> eine Kombination von amorphen<br />

und mikrokristallinen Siliziumzellen lässt si<strong>ch</strong><br />

das nutzbare Li<strong>ch</strong>tspektrum erweitern, was<br />

einen höheren Wirkungsgrad ermögli<strong>ch</strong>t. Während<br />

amorphes Silizium das blaue und grüne<br />

Sonnenli<strong>ch</strong>t absorbiert, nimmt mikrokristallines<br />

Silizium die rote und infrarote Strahlung<br />

auf. Basierend auf dieser Te<strong>ch</strong>nik stellt die<br />

Firma Oerlikon Solar seit 2007 Produktions­<br />

Professor Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel<br />

von der EPFL Lausanne<br />

mit einem Modul der von<br />

ihm entwickelten Farbstoffsolarzelle.<br />

Das Prinzip<br />

der Energiegewinnung ist<br />

der pflanzli<strong>ch</strong>en Fotosynthese<br />

na<strong>ch</strong>empfunden.<br />

Für diese Entwicklung hat<br />

der Fors<strong>ch</strong>er <strong>2010</strong> den mit<br />

800 000 Euro dotierten<br />

Millennium Te<strong>ch</strong>nology<br />

Prize erhalten.<br />

13


anlagen für die Fertigung sol<strong>ch</strong>er Mikromorph­<br />

Solarmodule her.<br />

Das PV LAB arbeitet inzwis<strong>ch</strong>en an einer Weiterentwicklung<br />

von Solarzellen, die amorphes<br />

und monokristallines Silizium kombinieren<br />

und damit einen deutli<strong>ch</strong> höheren Wirkungsgrad<br />

von rund 20 Prozent und mehr errei<strong>ch</strong>en.<br />

Obwohl ihre Herstellung etwas teurer zu stehen<br />

kommt, hofft das IMT, seine Te<strong>ch</strong>nologie<br />

gemeinsam mit dem deuts<strong>ch</strong>en Unternehmen<br />

Roth & Rau vermarkten zu können. Dieser weltweit<br />

bekannte Anbieter von Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungsanlagen<br />

und kompletten Produktionslinien für<br />

Solarzellen hat in Neuenburg 2008 ein Te<strong>ch</strong>nologiezentrum<br />

eröffnet.<br />

Tests unter extremen Bedingungen. «Die Herausforderung<br />

besteht darin, Materialien mit einer Präzision<br />

im Nanometerberei<strong>ch</strong> herzustellen, die<br />

si<strong>ch</strong> in der praktis<strong>ch</strong>en Anwendung für Flä<strong>ch</strong>en<br />

von mehreren Quadratmetern eignen», erläutert<br />

Christophe Ballif. In seinem Labor arbeiten zahlrei<strong>ch</strong>e<br />

Bes<strong>ch</strong>äftigte an futuristis<strong>ch</strong> anmutenden<br />

Mas<strong>ch</strong>inen. Damit ist es mögli<strong>ch</strong>, Werkstoffe in<br />

dünnsten S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten aufzutragen, Photovoltaikzellen<br />

herzustellen und diese sogar zu verkapseln.<br />

Im Vordergrund stehen dabei die Optimierung<br />

des energetis<strong>ch</strong>en Wirkungsgrades und der<br />

Materialien, die Verbesserung sämtli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten,<br />

das Beherrs<strong>ch</strong>en der S<strong>ch</strong>nittstellen sowie die<br />

Entwicklung neuer Strukturen und Verfahren.<br />

Dazu stellt das PV LAB jeweils Proben von wenigen<br />

Quadratzentimetern her, deren Zuverlässigkeit<br />

ans<strong>ch</strong>liessend in einem Simulator von<br />

Grund auf geprüft wird. «Damit die Solarzellen<br />

au<strong>ch</strong> unter extremen Bedingungen einwandfrei<br />

funktionieren, unterziehen wir sie einer Reihe<br />

von sehr strengen Tests», sagt Christophe Ballif.<br />

«S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> müssen die Hersteller eine Garantie<br />

für die Lebensdauer der Module von 25 Jahren si<strong>ch</strong>erstellen<br />

können.»<br />

Vielfältige Anwendungen in der Praxis. Die in Neuenburg<br />

entwickelten Solarzellen sind für die Montage<br />

auf Dä<strong>ch</strong>ern, an Fassaden, in Kraftwerken<br />

und Solarparks bestimmt – sei es auf freiem Feld<br />

oder in der Wüste. Weitere Anwendungsberei<strong>ch</strong>e<br />

der Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tmodule sind der Einsatz in Uhren,<br />

LCD­Fla<strong>ch</strong>bilds<strong>ch</strong>irmen, optis<strong>ch</strong>en Fasern,<br />

Strahlungssensoren sowie in Spezialdetektoren<br />

14<br />

für Elektronen und Röntgenstrahlen. Im Interesse<br />

einer ras<strong>ch</strong>en Verbreitung der innovativen<br />

Te<strong>ch</strong>nologien ist das Labor Partners<strong>ch</strong>aften mit<br />

mehreren Industriefirmen und Start­up­Unternehmen<br />

wie Oerlikon Solar, Flexcell in Yverdon<br />

(VD) oder Roth & Rau Switzerland eingegangen.<br />

Ausserdem beteiligt es si<strong>ch</strong> an der Entwicklung<br />

und Auswahl der Solarpanels für das Lei<strong>ch</strong>tflugzeug<br />

Solar Impulse von Bertrand Piccard.<br />

«Wir erhoffen uns von der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

wi<strong>ch</strong>tige Impulse für eine na<strong>ch</strong>haltige Energieversorgung»,<br />

sagt Hans Hosba<strong>ch</strong>, der beim <strong>BAFU</strong><br />

die Abteilung Abfall, Stoffe, Biote<strong>ch</strong>nologie leitet.<br />

«In südli<strong>ch</strong>en Ländern mit langer Sonnens<strong>ch</strong>eindauer<br />

ist die Produktion von Solarstrom<br />

zum Teil heute s<strong>ch</strong>on konkurrenzfähig. Je besser<br />

der Wirkungsgrad der Solarzellen und je weniger<br />

Material dafür eingesetzt wird, umso ras<strong>ch</strong>er<br />

kann die Solarenergie au<strong>ch</strong> bei uns das Preisniveau<br />

der Stromproduktion aus ni<strong>ch</strong>t erneuerbaren<br />

Quellen errei<strong>ch</strong>en.» Dasselbe gilt für die<br />

Entwicklung lei<strong>ch</strong>ter, aber robuster Werkstoffe<br />

für Windturbinen. Gravierende Umweltprobleme<br />

wie die weltweite Luftvers<strong>ch</strong>mutzung dur<strong>ch</strong><br />

kohlebetriebene und ölthermis<strong>ch</strong>e Kraftwerke,<br />

die Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen<br />

oder die Entsorgung radioaktiver Abfälle<br />

aus Atomkraftwerken liessen si<strong>ch</strong> damit zumindest<br />

teilweise ents<strong>ch</strong>ärfen.<br />

Na<strong>ch</strong>ahmung der Fotosynthese. Grosse Hoffnungen<br />

ruhen in dieser Beziehung au<strong>ch</strong> auf Mi<strong>ch</strong>ael<br />

Grätzel, dem Erfinder der na<strong>ch</strong> ihm benannten<br />

Farbstoffsolarzelle. Das Fors<strong>ch</strong>erteam des von<br />

ihm geleiteten Laboratoire de photonique et<br />

interfaces (LPI) an der EPFL in Lausanne befasst<br />

si<strong>ch</strong> mit der direkten Gewinnung von Wasserstoff<br />

aus Wasser, arbeitet an der Entwicklung<br />

von leistungsfähigen Lithium­Batterien und<br />

erfors<strong>ch</strong>t Solarzellen. Deren Besonderheit liegt<br />

darin, dass sie die Energie der Sonnenstrahlen<br />

mithilfe eines natürli<strong>ch</strong>en Farbstoffs in Elektrizität<br />

umwandeln.<br />

«Indem wir die Natur – oder genauer gesagt<br />

den Prozess der Fotosynthese von grünen Pflanzen<br />

– na<strong>ch</strong>ahmen, ist uns die Entwicklung einer<br />

Solarzelle mit einer effizienten Li<strong>ch</strong>tabsorption<br />

gelungen», erklärt Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel deren Funktionsweise.<br />

Das Li<strong>ch</strong>t wird von einer speziellen<br />

Moleküls<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t aufgefangen, die auf einem dün­<br />

Farbstoffsolarzellen<br />

produzieren au<strong>ch</strong> bei<br />

s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Li<strong>ch</strong>tverhältnissen<br />

– wie etwa in<br />

Innenräumen – elektris<strong>ch</strong>en<br />

Strom. Um deren Effizienz<br />

weiter zu verbessern,<br />

entwickeln Fa<strong>ch</strong>leute der<br />

EPFL Lausanne in ihrem<br />

Labor Solarzellen aus<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Farbstoffen.<br />

Die Stromausbeute<br />

wird mit einem kleinen<br />

Ventilator getestet. Re<strong>ch</strong>ts<br />

oben bereitet ein Fors<strong>ch</strong>er<br />

Pasten mit nanokristallinen<br />

Partikeln aus Titandioxid<br />

für den Siebdruck vor.<br />

«Die Herausforderung besteht darin, Materialien mit einer Präzision im<br />

Nanometerberei<strong>ch</strong> herzustellen, die si<strong>ch</strong> in der praktis<strong>ch</strong>en Anwendung für<br />

Flä<strong>ch</strong>en von mehreren Quadratmetern eignen.» Christophe Ballif<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

15


nen und sehr rauen Oxidfilm aus halbleitenden<br />

Nanokristallen aufgebra<strong>ch</strong>t ist. Dadur<strong>ch</strong> lässt<br />

si<strong>ch</strong> ein maximaler Anteil des si<strong>ch</strong>tbaren Li<strong>ch</strong>ts<br />

in Elektrizität umwandeln. Dank tiefen Herstellungskosten,<br />

einem breiten Anwendungsgebiet<br />

und ihrer Umweltverträgli<strong>ch</strong>keit haben si<strong>ch</strong><br />

diese Zellen als vielverspre<strong>ch</strong>ende Lösung für die<br />

Produktion von Solarstrom im grossen Massstab<br />

etabliert. Das erste Patent für diese Art von Solarzellen<br />

ist bereits 1988 ausgestellt worden.<br />

Te<strong>ch</strong>nologie mit grossen Wa<strong>ch</strong>stums<strong>ch</strong>ancen. Seit<br />

den Anfängen der Farbstoffzelle hat die Wissens<strong>ch</strong>aft<br />

zahlrei<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritte erzielt. «Gegenwärtig<br />

arbeiten wir an neuen Nanostrukturen und<br />

Farbstoffen mit einem enormen Potenzial zur<br />

Vereinfa<strong>ch</strong>ung und Produktivitätssteigerung»,<br />

erklärt Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel mit si<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Begeisterung.<br />

So lassen si<strong>ch</strong> beispielsweise Nanopartikel<br />

in sphäris<strong>ch</strong> geformten Agglomeraten anordnen,<br />

die das Li<strong>ch</strong>t besser weiterleiten. Dank<br />

der Ansammlungen von Kleinstteil<strong>ch</strong>en, die in<br />

mehreren S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten eine kugelähnli<strong>ch</strong>e Form<br />

bilden, kann man somit au<strong>ch</strong> mehr Elektrizität<br />

erzeugen. Das LPI stellt ni<strong>ch</strong>t nur Farbstoffsolarzellen<br />

her, sondern testet vor allem au<strong>ch</strong> ihren<br />

Wirkungsgrad und die spektrale Empfindli<strong>ch</strong>­<br />

16<br />

keit – das heisst den Anteil des von den Zellen<br />

nutzbaren Li<strong>ch</strong>tspektrums.<br />

Eine Analyse der südkoreanis<strong>ch</strong>en Marktfors<strong>ch</strong>ungsfirma<br />

Displaybank geht davon aus,<br />

dass die weltweite Industrieproduktion sol<strong>ch</strong>er<br />

Zellen zur Stromerzeugung von 5 Megawatt im<br />

Jahr 2009 bis 2013 auf 246 Megawatt ansteigen<br />

könnte. Die vielfältigen Einsatzmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

umfassen Solarpanels für Dä<strong>ch</strong>er und Fassaden,<br />

stromproduzierende Fensters<strong>ch</strong>eiben, Strassenbeleu<strong>ch</strong>tungen,<br />

die Elektrizitätsversorgung von<br />

tragbaren elektronis<strong>ch</strong>en Geräten wie MP3­Player,<br />

Rucksäcke, Zelte, Wasserreinigungsgeräte, Radios,<br />

Kühls<strong>ch</strong>ränke, Lampen und Elektrofahrzeuge bis<br />

hin zu energieautarken Biotoiletten. Allerdings<br />

setzt der Wirkungsgrad der Farbstoffsolarzellen<br />

den Anwendungen no<strong>ch</strong> Grenzen. Er übertrifft<br />

zwar denjenigen von Zellen aus amorphem Silizium,<br />

fällt jedo<strong>ch</strong> im Verglei<strong>ch</strong> mit monokristallinen<br />

Siliziumzellen deutli<strong>ch</strong> ab. «Aber sowohl die<br />

Materialien als au<strong>ch</strong> Farbstoffe und Nanostrukturen<br />

bergen no<strong>ch</strong> ein bedeutendes Verbesserungspotenzial»,<br />

versi<strong>ch</strong>ert Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel.<br />

Bereits sind zahlrei<strong>ch</strong>e biegsame Erzeugnisse<br />

für die Stromversorgung von tragbaren Elektronikgeräten<br />

auf dem Markt, die auf Farbstoffsolarzellen<br />

basieren. Ein Beispiel sind die Produkte<br />

Das Labor für Photovoltaik<br />

in Neuenburg hat si<strong>ch</strong> auf<br />

die Steigerung des<br />

Wirkungsgrades von<br />

Solarzellen aus Silizium<br />

spezialisiert und entwickelt<br />

mit Hilfe der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

biegsame Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tsolarmodule.<br />

Der<br />

von einem Ingenieur<br />

bediente Abs<strong>ch</strong>eidungsreaktor<br />

(oben und Seite 17<br />

unten links) im Reinraum<br />

des Labors dient der<br />

Gewinnung von ho<strong>ch</strong>wertigem<br />

Silizium zur Produk-<br />

tion der Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tzellen.<br />

Seite 17 re<strong>ch</strong>ts wird eine<br />

Messung der Leistungsfähigkeit<br />

mit dem<br />

grossen Sonnensimulator<br />

vorbereitet.<br />

Alle Bilder: Stefan Bohrer<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Nanopartikel lassen si<strong>ch</strong> in sphäris<strong>ch</strong> geformten Agglomeraten anordnen,<br />

die das Li<strong>ch</strong>t besser weiterleiten.<br />

KONTAKTE<br />

Prof. Christophe Ballif<br />

Photovoltaics and Thin Film<br />

Electronics Laboratory (PV LAB)<br />

Institut de microte<strong>ch</strong>nique<br />

(IMT), Neuenburg<br />

032 718 32 09<br />

<strong>ch</strong>ristophe.ballif@epfl.<strong>ch</strong><br />

Prof. Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel<br />

Laboratoire de photonique<br />

et interfaces (LPI)<br />

Institut des sciences et<br />

ingénierie <strong>ch</strong>imiques<br />

EPFL, Lausanne<br />

021 693 31 12<br />

mi<strong>ch</strong>ael.graetzel@epfl.<strong>ch</strong><br />

Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

der englis<strong>ch</strong>en Firma G24 Innovations, wel<strong>ch</strong>e<br />

die patentierten Erfindungen der EPFL als Lizenznehmer<br />

nutzt. «Sol<strong>ch</strong>e Anwendungen<br />

eignen si<strong>ch</strong> ideal für gewisse Regionen der<br />

Erde wie Afrika oder Indien, wo kein Elektrizitätsnetz,<br />

aber mehr als genug Sonnenli<strong>ch</strong>t<br />

vorhanden ist», erklärt ein Spre<strong>ch</strong>er des Unternehmens.<br />

Au<strong>ch</strong> im Bausektor tut si<strong>ch</strong> einiges.<br />

Die Firmen Solaronix in Aubonne (VD) und<br />

Greatcell in Lutry (VD) beispielsweise vertreiben<br />

stromerzeugende Fensters<strong>ch</strong>eiben und<br />

Fassadenelemente. «Diese Unternehmen s<strong>ch</strong>affen<br />

Arbeitsplätze in der Region und tun glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

etwas für die Umwelt», freut si<strong>ch</strong> Mi<strong>ch</strong>ael<br />

Grätzel. «Offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> bringt unsere Arbeit<br />

der Mens<strong>ch</strong>heit einen Nutzen, indem sie neue<br />

Wege für die Stromversorgung eröffnet.»<br />

PEC House und NanoPEC. Zusammen mit dem<br />

Energy Center (CEN) der EPFL arbeitet das LPI<br />

au<strong>ch</strong> an der Entwicklung einer fotoelektro<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en<br />

Solarzelle (PEC), die in der Lage<br />

ist, an der Oberflä<strong>ch</strong>e der Elektroden Wasser<br />

in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Das<br />

Projekt namens PEC House soll dieses Verfahren<br />

dur<strong>ch</strong> die Entwicklung leistungsfähigerer<br />

und beständiger, korrosionsresistenter Mate­<br />

rialien optimieren und glei<strong>ch</strong>zeitig eine kostengünstige<br />

Produktion ermögli<strong>ch</strong>en. Es wird<br />

vom Bundesamt für Energie gefördert und<br />

von der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Materialprüfungs­<br />

und Fors<strong>ch</strong>ungsanstalt (Empa) mit Know­how<br />

unterstützt. Vor Kurzem hat PEC House eine<br />

Partners<strong>ch</strong>aft mit Toyota abges<strong>ch</strong>lossen.<br />

Ausserdem leiten das CEN und das LPI im<br />

Rahmen des 7. Europäis<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ungsrahmenprogramms<br />

(FP7) ein Projekt mit dem<br />

Titel NanoPEC. Es zielt auf die Entwicklung<br />

einer neuen Generation von Systemen zur<br />

Umwandlung von Sonnenenergie ab, die<br />

Wassermoleküle effizient in Wasserstoff und<br />

Sauerstoff zerlegen. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> birgt mit Sonnenenergie<br />

erzeugter Wasserstoff ein grosses<br />

Potenzial als na<strong>ch</strong>haltiger Treibstoff, der in<br />

Brennstoffzellen für die Wärme­ oder Stromproduktion<br />

zum Einsatz gelangt. NanoPEC<br />

wird in erster Linie na<strong>ch</strong> neuen Halbleitern<br />

fors<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> für die Photoelektrolyse<br />

von Wasser eignen und innovative Ansätze für<br />

deren Nanostrukturierung entwickeln. Die<br />

Fors<strong>ch</strong>ungsarbeiten haben im Januar 2009<br />

begonnen und sollen drei Jahre dauern.<br />

Cornélia Mühlberger de Preux<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-04<br />

17


CHANCEN FÜR DIE UMWELT: WASSERAUFBEREITUNG<br />

Nanote<strong>ch</strong>nik für<br />

sauberes Trinkwasser<br />

Bei der Aufbereitung von Trinkwasser mit Membranfiltern hat si<strong>ch</strong> die Nanote<strong>ch</strong>nik s<strong>ch</strong>on seit<br />

einiger Zeit etabliert, und ihr Potenzial ist riesig. Davon gehen au<strong>ch</strong> keine Umweltrisiken aus,<br />

solange sie nur mit Nanoporen und ni<strong>ch</strong>t mit Nanopartikeln operiert.<br />

Mehr als 6000 Kubikmeter Trinkwasser verbrau<strong>ch</strong>t<br />

Zermatt (VS) tägli<strong>ch</strong>, wenn über Neujahr<br />

alle Hotels und Ferienwohnungen ausgebu<strong>ch</strong>t<br />

sind – das ist doppelt so viel wie in den<br />

verbrau<strong>ch</strong>särmsten Zeiten der Nebensaison. Das<br />

Wasser aus 85 Quellfassungen rei<strong>ch</strong>t dann ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr. Auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> zusätzli<strong>ch</strong>em Wasser<br />

besann man si<strong>ch</strong> auf die 2280 Meter über Meer<br />

gelegenen Gand­Quellen im Vorfeld des Findel­<br />

18<br />

glets<strong>ch</strong>ers. Ihr Wasser ist hygienis<strong>ch</strong> einwandfrei,<br />

enthält allerdings zu viel Sulfat, was dem<br />

Wasser einen unvorteilhaften Ges<strong>ch</strong>mack gibt.<br />

Zudem lässt der hohe Kalkanteil Boiler, Was<strong>ch</strong>mas<strong>ch</strong>inen<br />

und Warmwasserleitungen verkalken.<br />

Do<strong>ch</strong> seit 2006 liefern au<strong>ch</strong> die Gand­Quellen<br />

einwandfreies Trinkwasser mit Kalk­ und Sulfatgehalten<br />

innerhalb der geltenden Qualitätslimi­<br />

Nanofiltrationsanlage<br />

der Wasserversorgung in<br />

Zermatt (VS): In den Röhren<br />

wird das Quellwasser<br />

dur<strong>ch</strong> kleinste Poren der<br />

Membranen gepresst, siehe<br />

Seite 19.<br />

Bild: Reinhard Perren, WV Zermatt<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


ten. Die damals neu in Betrieb genommene Filtrationsanlage<br />

«Wi<strong>ch</strong>je» funktioniert na<strong>ch</strong> dem<br />

Prinzip der Umkehrosmose und speist stündli<strong>ch</strong><br />

72 Kubikmeter Trinkwasser ins Netz.<br />

Membrante<strong>ch</strong>nik im Nanoberei<strong>ch</strong>. Bei der Umkehrosmose<br />

wird das Wasser dur<strong>ch</strong> die Poren einer<br />

Membran gepresst, deren Dur<strong>ch</strong>messer kleiner<br />

ist als ein Nanometer (nm), sodass im konkreten<br />

Fall au<strong>ch</strong> Calcium­ und Sulfationen ausgefiltert<br />

werden. Als Nanofiltration gelten Trennverfahren<br />

mit einem Porendur<strong>ch</strong>messer der Membrane<br />

von 1 bis 2 nm. Messen die Poren 2 bis 60 nm,<br />

spri<strong>ch</strong>t man von Ultrafiltration (siehe Tabelle).<br />

Die Unters<strong>ch</strong>eidungen sind insofern verwirrend,<br />

als es in allen Fällen um Verfahren der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

geht, die si<strong>ch</strong> definitionsgemäss mit<br />

Strukturen unter 100 nm befasst.<br />

MÖGLICHKEITEN DER MEMBRANFILTRATION<br />

Trennverfahren Porengrösse Trennleistung<br />

(Nanometer = nm)<br />

Mikrofiltration > 60 nm Partikel<br />

Ultrafiltration 2 – 60 nm Bakterien, Viren<br />

Nanofiltration 1– 2 nm Viren, Calcium,<br />

Moleküle<br />

Umkehrosmose < 1 nm Moleküle, Ionen<br />

«Die Nanote<strong>ch</strong>nik existierte in der Wasserwirts<strong>ch</strong>aft<br />

s<strong>ch</strong>on lange, bevor dieser Begriff geprägt<br />

wurde», sagt denn au<strong>ch</strong> Wouter Pronk, Leiter der<br />

Gruppe Membrante<strong>ch</strong>nologie beim Wasserfors<strong>ch</strong>ungs­Institut<br />

des ETH­Berei<strong>ch</strong>s (Eawag). Die<br />

modernste, aber längst ni<strong>ch</strong>t die einzige Ultrafiltrationsanlage<br />

zur Wasseraufbereitung in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz befindet si<strong>ch</strong> in Männedorf (ZH). Seit<br />

2005 versorgt sie 26 000 Personen in drei Seegemeinden<br />

mit einwandfreiem Trinkwasser aus<br />

dem Züri<strong>ch</strong>see. Hier bleiben Partikel und Keime<br />

restlos im Filter hängen.<br />

Ein Fünftel des von der S<strong>ch</strong>weizer Bevölkerung<br />

genutzten Wassers wird aus Seen gefördert.<br />

Im Verglei<strong>ch</strong> zu herkömmli<strong>ch</strong>en Reinigungsverfahren<br />

ermögli<strong>ch</strong>t die Membrante<strong>ch</strong>nik eine kostengünstige<br />

Wasseraufbereitung mit weniger Chemikalien,<br />

Energieverbrau<strong>ch</strong> und Flä<strong>ch</strong>enbedarf.<br />

Au<strong>ch</strong> das ebenfalls ni<strong>ch</strong>t ganz keimfreie Wasser<br />

aus Karstquellen lässt si<strong>ch</strong> mithilfe der Membrante<strong>ch</strong>nik<br />

zu einer bekömmli<strong>ch</strong>en Tranksame<br />

aufbereiten. «Grundwasser aus Lockergesteinen,<br />

die hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in den grossen Flusstälern der<br />

Alpen und des Mittellandes von Bedeutung sind,<br />

kann dagegen in der Regel ohne Aufbereitung als<br />

Trinkwasser abgegeben werden», sagt Benjamin<br />

Meylan von der Sektion Grundwassers<strong>ch</strong>utz beim<br />

<strong>BAFU</strong>. «Hier übernimmt der Untergrund die Reinigung<br />

des Wassers, wenn die geltenden Gewässers<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />

eingehalten werden.»<br />

Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Reinwasser Sammelkanal<br />

Oben: Mikroskopis<strong>ch</strong>es Bild einer<br />

Membrane zur Trinkwasseraufbereitung<br />

aus dem Kunststoff<br />

Polyvinylidenfluorid.<br />

Das für die Aufnahme verwendete<br />

Rasterelektronenmikroskop<br />

ermögli<strong>ch</strong>t bis zu millionenfa<strong>ch</strong>e<br />

Vergrösserungen.<br />

Bild: Brian Sinnet, Eawag<br />

Mitte: Die Illustration zeigt das<br />

Innenleben eines röhrenförmigen<br />

Trinkwasserfilters mit den aufgerollten<br />

Membrans<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten (siehe<br />

au<strong>ch</strong> Bild auf Seite 18).<br />

Unten: Die Wirkung der Aufbereitung<br />

verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en die beiden<br />

Aufnahmen aus einem Wasserwerk<br />

in Conthey (VS), wo das oft stark<br />

getrübte Quellwasser aus zwei<br />

Karstquellen mittels einer Ultrafiltrationsanlage<br />

gereinigt wird.<br />

Bilder: Membratec SA / Ruth S<strong>ch</strong>ürmann<br />

Rohwasser<br />

19


Chancen für Entwicklungsländer. Riesig ist das Anwendungspotenzial<br />

der Membrante<strong>ch</strong>nik aber<br />

vor allem in den Entwicklungsländern, wo heute<br />

rund 1,5 Milliarden Mens<strong>ch</strong>en keinen Zugang zu<br />

sauberem Wasser haben. Vielerorts fliesst belastetes<br />

Abwasser in Gewässer, die flussabwärts als<br />

Trinkwasserressource dienen. Für sol<strong>ch</strong>e Fälle<br />

entwickelt und erprobt die Eawag zurzeit kostengünstige<br />

Membranverfahren, die einfa<strong>ch</strong> zu<br />

handhaben sind. Bereits verfügbar ist der von<br />

einer S<strong>ch</strong>weizer Firma entwickelte «LifeStraw<br />

Family», ein Gerät für Haushalte mit eingebauten<br />

Ultrafiltrationsmembranen, die alle pathogenen<br />

Keime eliminieren.<br />

Die Mögli<strong>ch</strong>keiten der Wasseraufbereitung mit<br />

<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>n sind so vielfältig wie die an sie<br />

gestellten Anforderungen: Ob Trübstoffe, Bakterien,<br />

Viren, organis<strong>ch</strong>e Verbindungen, Pestizide,<br />

S<strong>ch</strong>wermetalle, Radionuklide, Nitrat, Phosphat,<br />

Calcium oder Sulfat – alles, was im Trinkwasser<br />

unerwüns<strong>ch</strong>t ist, lässt si<strong>ch</strong> mit bestimmten Verfahren<br />

daraus entfernen.<br />

Mikroverunreinigungen und Salze entfernen. Damit<br />

ergeben si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Chancen, ein leidiges Problem<br />

im Gewässers<strong>ch</strong>utz anzupacken: Mikroverunreinigungen<br />

wie Medikamentenrückstände oder<br />

weitere Substanzen mit hormonähnli<strong>ch</strong>er Wirkung,<br />

wel<strong>ch</strong>e die Fortpflanzung von Fis<strong>ch</strong>en und<br />

anderen Wassertieren beeinträ<strong>ch</strong>tigen, werden in<br />

den bestehenden Kläranlagen nur unzurei<strong>ch</strong>end<br />

zurückgehalten. Mit der Membrante<strong>ch</strong>nik liessen<br />

sie si<strong>ch</strong> aber zumindest teilweise ausfiltern. Als<br />

Methode der Wahl biete si<strong>ch</strong> diese vor allem für<br />

Punktquellen wie Spitäler oder Pflegeheime an,<br />

wo derartige Substanzen in hohen Gehalten im<br />

Abwasser auftreten, meint Wouter Pronk.<br />

Ein weites Feld ist zudem die Meerwasserentsalzung.<br />

Fa<strong>ch</strong>leute s<strong>ch</strong>ätzen, dass der Weltmarkt<br />

für sol<strong>ch</strong>e Anlagen bis 2020 von derzeit 3 auf<br />

70 Milliarden US­Dollar pro Jahr anwa<strong>ch</strong>sen wird.<br />

Mittels Umkehrosmose funktioniert die Entsalzung<br />

mit viel geringerem Energiebedarf als bei<br />

herkömmli<strong>ch</strong>en Verfahren. Direkte Umweltrisiken<br />

gehen von der Membrante<strong>ch</strong>nik na<strong>ch</strong> heutigem<br />

Wissensstand ni<strong>ch</strong>t aus – zumindest da, wo<br />

sie auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> mit Poren und ni<strong>ch</strong>t mit Teil<strong>ch</strong>en<br />

im Nanoberei<strong>ch</strong> operiert.<br />

Indessen gibt es au<strong>ch</strong> für Nanopartikel Anwendungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

im Wasserberei<strong>ch</strong>. Dank<br />

ihrer grossen spezifis<strong>ch</strong>en Oberflä<strong>ch</strong>e eignen si<strong>ch</strong><br />

diese als Adsorptionsmaterial, das organis<strong>ch</strong>e,<br />

20<br />

aber au<strong>ch</strong> anorganis<strong>ch</strong>e Stoffe wie Nitrat effizient<br />

aus dem Wasser entfernen kann. So haben Fors<strong>ch</strong>er<br />

zum Beispiel ein auf Kohlenstoffnanoröhr<strong>ch</strong>en<br />

basierendes Adsorptionsmittel entwickelt,<br />

das Arsen eliminiert. Nanomaterialien eignen<br />

si<strong>ch</strong> überdies als Katalysatoren in der Wasseraufbereitung.<br />

Nanoeisen zur Grundwassersanierung. Zudem können<br />

bestimmte Nanopartikel <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong> mit S<strong>ch</strong>adstoffen<br />

reagieren und diese dadur<strong>ch</strong> zerstören.<br />

Dies ges<strong>ch</strong>ieht, wenn dur<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>lorierte Kohlenwasserstoffe<br />

vers<strong>ch</strong>mutztes Grundwasser mit Nanoeisen<br />

saniert wird. Bei der <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Reaktion<br />

«Die Nanote<strong>ch</strong>nik existierte in der Wasserwirts<strong>ch</strong>aft s<strong>ch</strong>on lange, bevor dieser<br />

Begriff geprägt wurde.» Wouter Pronk, Eawag<br />

mit dem Eisen werden die S<strong>ch</strong>adstoffe zu harmlosen<br />

Substanzen abgebaut. Bisher wurden dazu<br />

normale Eisenspäne verwendet, die in Form einer<br />

dur<strong>ch</strong>lässigen Wand in den Untergrund eingebra<strong>ch</strong>t<br />

werden, damit das Grundwasser sie dur<strong>ch</strong>strömen<br />

kann. Von Eisenpartikeln in Nanogrösse,<br />

die dur<strong>ch</strong> Bohrlö<strong>ch</strong>er ins Grundwasser gepumpt<br />

werden, erwartet man eine höhere Reaktivität<br />

und einen geringeren Aufwand. Damit sie ni<strong>ch</strong>t<br />

an Oberflä<strong>ch</strong>en adsorbieren, werden die Partikel<br />

mit organis<strong>ch</strong>en Stoffen bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet. So bleiben<br />

sie mobil und verteilen si<strong>ch</strong> besser im Grundwasser.<br />

Erste Pilotversu<strong>ch</strong>e haben gezeigt, dass diese<br />

Methode au<strong>ch</strong> unter Praxisbedingungen Erfolg<br />

verspri<strong>ch</strong>t.<br />

Anders als bei den Membranen steckt die Nanote<strong>ch</strong>nik<br />

beim Einsatz von Partikeln im Wasserberei<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> in den Kinders<strong>ch</strong>uhen. Sie verheisst<br />

vieles, do<strong>ch</strong> ist no<strong>ch</strong> wenig über die Risiken bekannt,<br />

wenn Nanopartikel zu irgendeinem Zeitpunkt<br />

in die Umwelt gelangen. Es werde si<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> zeigen müssen, wie umweltverträgli<strong>ch</strong> die<br />

Nanomaterialien zur Wasseraufbereitung seien,<br />

heisst es in der 2009 publizierten Studie «Wasserversorgung<br />

2025», wel<strong>ch</strong>e die Eawag im Auftrag<br />

des <strong>BAFU</strong> verfasst hat.<br />

Zudem kommt die Sanierung von Altlasten<br />

mit Nanoeisen verhältnismässig teuer zu stehen.<br />

«Voraussetzung für den Erfolg sol<strong>ch</strong>er In­<br />

situ­Verfahren ist überdies eine mögli<strong>ch</strong>st gute<br />

Erkundung des Untergrundes», erklärt Bernhard<br />

Hammer, Chef der Sektion Altlasten beim <strong>BAFU</strong>.<br />

«Andernfalls dürfte es s<strong>ch</strong>wierig sein, die Reaktionsmittel<br />

genau dorthin zu bringen, wo si<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> die zu eliminierenden S<strong>ch</strong>adstoffe befinden.»<br />

Hansjakob Baumgartner<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-05<br />

KONTAKTE<br />

Benjamin Meylan (links)<br />

Sektion Grundwassers<strong>ch</strong>utz<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 322 92 56<br />

benjamin.meylan@bafu.<br />

<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

Wouter Pronk<br />

Verfahrenste<strong>ch</strong>nik<br />

Eawag<br />

044 823 53 81<br />

wouter.pronk@eawag.<strong>ch</strong><br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


RISIKEN FÜR DIE UMWELT<br />

No<strong>ch</strong> viele Fragezei<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>on heute sind weltweit über 800 Nanoprodukte auf dem Markt. Während und na<strong>ch</strong> ihrem Gebrau<strong>ch</strong> können sie<br />

Nanopartikel an die Umwelt abgeben, wel<strong>ch</strong>e zumeist in Gewässer gelangen. S<strong>ch</strong>weizer Institute erfors<strong>ch</strong>en deshalb,<br />

ob si<strong>ch</strong> die Verbindungen in Pflanzen und Tieren anrei<strong>ch</strong>ern und was sie dort auslösen.<br />

Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Was bewirken Nanoverbindungen in der Umwelt,<br />

wenn etwa Nanosilberteil<strong>ch</strong>en aus Wandersocken<br />

mit ihrer antimikrobiellen Wirkung<br />

beim Was<strong>ch</strong>en im Abwasser landen? Und was<br />

ges<strong>ch</strong>ieht, wenn der s<strong>ch</strong>mutzabweisende Fassadenanstri<strong>ch</strong><br />

aus Titandioxid allmähli<strong>ch</strong> verwittert?<br />

Im Auftrag des <strong>BAFU</strong> ist Bernd Nowack<br />

von der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Materialprüfungs­ und<br />

Fors<strong>ch</strong>ungsanstalt (Empa) sol<strong>ch</strong>en Fragen na<strong>ch</strong>gegangen.<br />

Die Fa<strong>ch</strong>leute seines Teams modellierten<br />

für fünf Nanopartikel die Stoffflüsse und<br />

bere<strong>ch</strong>neten, wel<strong>ch</strong>e Konzentrationen in Luft,<br />

Wasser, Klärs<strong>ch</strong>lamm, Sedimenten und Böden<br />

verbleiben.<br />

Nanoteil<strong>ch</strong>en im Klärs<strong>ch</strong>lamm oder im<br />

brennbaren Abfall sind weniger bedenkli<strong>ch</strong>, weil<br />

diese Rückstände hierzulande verbrannt und allfällige<br />

Nanopartikel dadur<strong>ch</strong> zerstört oder im<br />

Rau<strong>ch</strong>gasfilter zurückgehalten werden. Heikler<br />

sind Nanoverbindungen, die in Oberflä<strong>ch</strong>engewässer<br />

gelangen. Die Empa­Studie ergab zwar,<br />

dass Silber und Zinkoxid im Wasser relativ ras<strong>ch</strong><br />

mit anderen Stoffen reagieren und dann ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr als Nanopartikel wirken. Dagegen dürfte<br />

si<strong>ch</strong> Nanotitandioxid im Sediment anrei<strong>ch</strong>ern.<br />

«Zu diesem Stoff brau<strong>ch</strong>en wir eine vertiefte Risikostudie.<br />

Denn wie si<strong>ch</strong> die Verbindung in der<br />

Umwelt tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> verhält, hat no<strong>ch</strong> niemand<br />

erfors<strong>ch</strong>t», sagt Bernd Nowack. Ein Teilaspekt<br />

– nämli<strong>ch</strong> die Art der Freisetzung von Nanopartikeln<br />

– soll im europaweiten Projekt «Nanohouse»<br />

untersu<strong>ch</strong>t werden.<br />

Ohnehin sind no<strong>ch</strong> viele Fragen zu ausgewas<strong>ch</strong>enen<br />

Nanopartikeln offen: So wird bei der<br />

industriellen Anwendung die Oberflä<strong>ch</strong>e der<br />

äusserst reaktiven Moleküle bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet, um ein<br />

Verklumpen zu verhindern. Do<strong>ch</strong> was im Abwasser<br />

mit dieser S<strong>ch</strong>utzs<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t passiert, ist unklar.<br />

Um ihr Aufkommen ni<strong>ch</strong>t nur theoretis<strong>ch</strong><br />

anhand von Stoffflüssen zu bere<strong>ch</strong>nen, sondern<br />

au<strong>ch</strong> in der Biosphäre zu messen, genügt die<br />

heutige Analytik ni<strong>ch</strong>t. «In der Natur haben wir<br />

keine Laborbedingungen», gibt Bernd Nowack zu<br />

bedenken.<br />

Unklare Langzeitfolgen. Den S<strong>ch</strong>ritt vom ausges<strong>ch</strong>wemmten<br />

Partikel ins Lebewesen untersu<strong>ch</strong>t<br />

Kristin S<strong>ch</strong>irmer, Leiterin des Berei<strong>ch</strong>s Umwelttoxikologie<br />

am Wasserfors<strong>ch</strong>ungs­Institut Eawag.<br />

«Nanopartikel können au<strong>ch</strong> dann in Zellen<br />

aufgenommen werden, wenn sie in verklumpter<br />

Form in einem Medium vorliegen», fasst sie<br />

eine erste Erkenntnis zusammen. Bisher war<br />

man der Ansi<strong>ch</strong>t, sol<strong>ch</strong>e Partikelanhäufungen<br />

verblieben im Wasser und seien somit eher<br />

unbedenkli<strong>ch</strong>. Kristin S<strong>ch</strong>irmer ging au<strong>ch</strong> der<br />

Frage na<strong>ch</strong>, was mit Partikeln in Zellen von<br />

Mens<strong>ch</strong>en oder von Wirbeltieren wie Fis<strong>ch</strong>en<br />

weiter ges<strong>ch</strong>ieht. «Im Zellkern selbst konnten<br />

wir sie no<strong>ch</strong> nie na<strong>ch</strong>weisen», lautet die vorsi<strong>ch</strong>tige<br />

und vorläufige Bilanz. Es könne aber<br />

sein, dass es nur wenige der winzigen Teil<strong>ch</strong>en<br />

bis in den Zellkern s<strong>ch</strong>afften, die man bisher<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t erfassen konnte. Würden hier Nanopartikel<br />

entdeckt, wäre dies ein s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter Befund:<br />

Aufgrund ihrer grossen Oberflä<strong>ch</strong>e und<br />

je na<strong>ch</strong> Bes<strong>ch</strong>affenheit produzieren die Partikel<br />

zum Beispiel reaktive Moleküle. Diese Radikale<br />

könnten dur<strong>ch</strong> die Nähe zur DNA als Trägerin<br />

der Erbinforma tionen das Erbgut s<strong>ch</strong>ädigen<br />

und im s<strong>ch</strong>limmsten Fall zu Krebs führen.<br />

«Do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> als unreaktiv geltende Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />

und sol<strong>ch</strong>e, die si<strong>ch</strong> ausserhalb des Zellkerns<br />

ansiedeln, müssen ni<strong>ch</strong>t harmlos sein»,<br />

sagt der Chemiker Ernst Furrer von der Sektion<br />

Industrie<strong>ch</strong>emikalien beim <strong>BAFU</strong>. «So stellt si<strong>ch</strong><br />

etwa die Frage, ob sie besonders lange im Organismus<br />

verbleiben und zu <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en Entzündungen<br />

führen können.» Wie Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />

der Eawag zeigen, gelangen die Partikel ins<br />

sogenannte Lysosom, wo Enzyme Abfallstoffe<br />

abbauen. Es ist denkbar, dass die Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />

21


– mit unklaren Langzeitfolgen für die Zelle – in<br />

dieser «Müllhalde» verbleiben. Mögli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>eint<br />

aber au<strong>ch</strong>, dass sie nahe an die Zelloberflä<strong>ch</strong>e ges<strong>ch</strong>wemmt,<br />

ausges<strong>ch</strong>ieden und so aus dem Organismus<br />

entfernt werden.<br />

Gefahr der Akkumulation. Ein zweiter Fors<strong>ch</strong>ungss<strong>ch</strong>werpunkt<br />

der Eawag­Umwelttoxikologie betrifft<br />

den Einfluss von Silbernanopartikeln auf<br />

Algen. Bekannt ist, dass Silberionen, die si<strong>ch</strong><br />

von Nanoteil<strong>ch</strong>en ablösen können, die Fotosynthese<br />

der Algen hemmen. Wie Versu<strong>ch</strong>e zeigen,<br />

stören aber au<strong>ch</strong> die Nanoteil<strong>ch</strong>en selbst die<br />

pflanz li<strong>ch</strong>e Energiezufuhr. «Nanopartikel wirken<br />

dabei toxis<strong>ch</strong>er als reine Silberionen», bilanziert<br />

Kristin S<strong>ch</strong>irmer. Eine mögli<strong>ch</strong>e Erklärung sei,<br />

dass sie von den Algen aufgenommen werden,<br />

dort ein Silberdepot bilden und dann kontinuierli<strong>ch</strong><br />

giftige Ionen abgeben.<br />

Nanopartikel tau<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t in Stossbelastungen<br />

auf, sondern werden einigermassen glei<strong>ch</strong>mässig<br />

ins Abwasser eingetragen. Für Pflanzen<br />

und Tiere steigt damit das Risiko einer Anrei<strong>ch</strong>erung.<br />

Denkbar ist dies etwa für unpolare, also<br />

fettlösli<strong>ch</strong>e Nanopartikel, die si<strong>ch</strong> in tieris<strong>ch</strong>em<br />

Fett akkumulieren könnten. Allerdings gibt es<br />

dazu no<strong>ch</strong> keine Untersu<strong>ch</strong>ungen. Au<strong>ch</strong> wenn<br />

si<strong>ch</strong> Nanoverbindungen in Berei<strong>ch</strong>en der Zelle<br />

wie den Lysosomen ansammeln und weder ausges<strong>ch</strong>ieden<br />

no<strong>ch</strong> abgebaut werden, kommt es zu<br />

einer Anrei<strong>ch</strong>erung. Anhand von Algen und von<br />

Wasserflöhen als deren Fressfeinde untersu<strong>ch</strong>t<br />

die Eawag derzeit, ob diese beiden Formen der<br />

Akkumulation zu einer Konzentration von Nanopartikeln<br />

in der Nahrungskette führen.<br />

Zusammenarbeit auf OECD-Ebene. Bisher haben die<br />

Umwelttoxikologen der Eawag mit Silber­, Gold­<br />

und Wolframkarbid­Kobalt­Nanopartikeln gearbeitet;<br />

neuerdings kommen nun no<strong>ch</strong> Cerium­<br />

Partikel dazu. Diese Verbindungen spielen zum<br />

Beispiel in der Textilindustrie, im Werkzeugbau<br />

und bei der Entwicklung von Katalysatoren eine<br />

wi<strong>ch</strong>tige Rolle. Do<strong>ch</strong> die Wissens<strong>ch</strong>aft läuft mit<br />

der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Entwicklung um die Wette.<br />

«Ob wir für die Umweltrisikobewertung wirkli<strong>ch</strong><br />

die wi<strong>ch</strong>tigsten Stoffe untersu<strong>ch</strong>en, lässt si<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t mit Bestimmtheit sagen, da wir nur einen<br />

Teil des Nanomarktes kennen», räumt Kristin<br />

S<strong>ch</strong>irmer ein. Sie fände es sinnvoll, wenn Hersteller<br />

s<strong>ch</strong>on bei der Nanoentwicklung gemeinsam<br />

mit Fors<strong>ch</strong>ungsinstituten die Risikoproblema­<br />

22<br />

tik klärten. «Aber so weit sind wir leider no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t.» Ziel der Eawag­Untersu<strong>ch</strong>ungen ist die<br />

Ableitung von allgemeinen Regeln über Nanostrukturen<br />

und ihre Umweltrisiken.<br />

Alle neuen Nanoverbindungen lassen si<strong>ch</strong><br />

unmögli<strong>ch</strong> einer vollständigen Risikobewertung<br />

unterziehen. In einem Projekt der Organisation<br />

für wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Zusammenarbeit und<br />

Entwicklung (OECD) beteiligt si<strong>ch</strong> die Eawag<br />

deshalb an umwelttoxikologis<strong>ch</strong>en Tests der<br />

wi<strong>ch</strong>tigsten heute genutzten Nanopartikel. Diese<br />

dienen der Festlegung einheitli<strong>ch</strong>er Testmethoden<br />

für Nanomaterialien.<br />

Ziel der Eawag-Untersu<strong>ch</strong>ungen ist die Ableitung von allgemeinen Regeln<br />

über Nanostrukturen und ihre Umweltrisiken.<br />

Vorderhand fehlen spezifis<strong>ch</strong>e Vors<strong>ch</strong>riften –<br />

es gelten die im s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Umwelts<strong>ch</strong>utzgesetz<br />

festges<strong>ch</strong>riebene Sorgfaltspfli<strong>ch</strong>t, die<br />

Selbstkontrolle vor dem Inverkehrbringen von<br />

Nanomaterialien sowie die Vorgaben im Si<strong>ch</strong>erheitsdatenblatt.<br />

Der Industrie will die Fors<strong>ch</strong>ung<br />

zudem Hinweise geben, wie sie Nanoprodukte<br />

si<strong>ch</strong>erer gestalten kann und auf wel<strong>ch</strong>e Stoffe<br />

sie besser verzi<strong>ch</strong>tet. «Eine solide Verankerung<br />

der Partikel in einer Stoffmatrix kann etwa dazu<br />

beitragen, die Auswas<strong>ch</strong>ung der Partikel zu minimieren»,<br />

stellt Kristin S<strong>ch</strong>irmer fest.<br />

Rasante te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e Entwicklung. Wie fliessen<br />

nun die Erkenntnisse in Gesetze und Verordnungen<br />

ein? Im Auftrag des <strong>BAFU</strong> hat die Empa<br />

weltweit erstmals Bere<strong>ch</strong>nungen dazu gema<strong>ch</strong>t,<br />

in wel<strong>ch</strong>en Konzentrationen Nanopartikel in<br />

der Umwelt ein Problem darstellen könnten. Basis<br />

bilden ökotoxikologis<strong>ch</strong>e Studien, wobei der<br />

tiefste als unbedenkli<strong>ch</strong> geltende Wert um den<br />

Si<strong>ch</strong>erheitsfaktor 1000 heruntergestuft wurde.<br />

Bernd Nowack von der Empa begründet diese<br />

Vorsi<strong>ch</strong>t unter anderem mit Datenlücken bei den<br />

physikalis<strong>ch</strong> neu strukturierten Stoffen. Je mehr<br />

Nanoverbindungen in Umlauf kommen, desto<br />

wi<strong>ch</strong>tiger wird die Fors<strong>ch</strong>ung. Vor allem aber<br />

wollen die S<strong>ch</strong>weizer Fors<strong>ch</strong>ungsanstalten der<br />

einzigartigen Dynamik der neuen Te<strong>ch</strong>nologie<br />

Re<strong>ch</strong>nung tragen, betont der Fa<strong>ch</strong>mann: «Es ist<br />

unsere Aufgabe, das bisher Geleistete kontinuierli<strong>ch</strong><br />

zu überprüfen und mit Erkenntnissen aus<br />

dem Ausland abzuglei<strong>ch</strong>en.»<br />

Pieter Poldervaart<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-06<br />

KONTAKTE<br />

Mi<strong>ch</strong>ael S<strong>ch</strong>ärer (links)<br />

Sektion Oberflä<strong>ch</strong>engewässer-Qualität,<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 324 79 43<br />

mi<strong>ch</strong>ael.s<strong>ch</strong>aerer@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

Ernst Furrer<br />

Sektion Industrie<strong>ch</strong>emikalien<br />

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031 325 38 10<br />

ernst.furrer@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Nanopartikel gelangen vor allem dur<strong>ch</strong> diffuse Einträge in die Umwelt – insbesondere<br />

in Oberflä<strong>ch</strong>engewässer. Wie sie si<strong>ch</strong> langfristig auf Wasserlebewesen wie<br />

Fis<strong>ch</strong>e auswirken, ist heute no<strong>ch</strong> weitgehend unbekannt. Darstellung der Thematik<br />

aus Si<strong>ch</strong>t des Zür<strong>ch</strong>er Illustrators Lorenz Meier.<br />

23


RISIKEN FÜR DIE GESUNDHEIT<br />

Nanopartikel dringen<br />

au<strong>ch</strong> ins Gehirn vor<br />

Synthetis<strong>ch</strong>e Nanopartikel können Gewebe und Zellen dur<strong>ch</strong>dringen und si<strong>ch</strong> im ganzen Körper<br />

ausbreiten – sogar im Gehirn. Professor Peter Gehr von der Universität Bern – ein international<br />

renommierter Gewebespezialist – ist erstaunt darüber, dass man die mögli<strong>ch</strong>en Gesundheitsrisiken<br />

ausserhalb der Wissens<strong>ch</strong>aft und Verwaltung kaum zur Kenntnis nimmt.<br />

24<br />

Bild: Stefan Bohrer<br />

Peter Gehr ist Professor für Histologie – die Lehre von<br />

den Geweben – und Anatomie an der Universität Bern. Er<br />

hat si<strong>ch</strong> als Fors<strong>ch</strong>er international einen Namen gema<strong>ch</strong>t,<br />

so unter anderem mit seinen Arbeiten zum Verhalten von<br />

Nanopartikeln in der Lunge und zur Interaktion mit Zellen.<br />

Peter Gehr leitet das Nationale Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm<br />

NFP 64 zu «Chancen und Risiken von Nanomaterialien»<br />

des S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Nationalfonds. Die Arbeiten dazu<br />

werden im Dezember <strong>2010</strong> anlaufen.<br />

umwelt: Ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weizer Bevölkerung<br />

Sorgen um die gesundheitli<strong>ch</strong>en Auswirkungen von<br />

Nanopartikeln?<br />

Peter Gehr: Nein, denn entweder haben die Leute<br />

gar keine Ahnung, worum es dabei geht, oder sie<br />

sehen kein Problem darin. Die mögli<strong>ch</strong>en Gefahren<br />

sind au<strong>ch</strong> in der Politik kaum ein Thema.<br />

Weshalb diese Unbekümmertheit?<br />

Die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> und mit entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Verfahren hergestellte Nanopartikel faszinieren<br />

und haben au<strong>ch</strong> bereits positive Anwendungen<br />

wie zum Beispiel neue Werkstoffe hervorgebra<strong>ch</strong>t.<br />

So lassen si<strong>ch</strong> etwa mit Nanoröhr<strong>ch</strong>en<br />

aus Kohlenstoff sehr robuste und extrem lei<strong>ch</strong>te<br />

Materialien herstellen. Damit wiegt ein Velorahmen<br />

einige Kilo weniger.<br />

Andererseits gibt es au<strong>ch</strong> alarmierende Meldungen, so<br />

etwa über <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Arbeiterinnen, die wegen hoher<br />

Konzentrationen von Nanopartikeln am Arbeitsplatz an<br />

s<strong>ch</strong>weren Lungenbes<strong>ch</strong>werden leiden sollen.<br />

Inzwis<strong>ch</strong>en hat si<strong>ch</strong> gezeigt, dass die entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Studie s<strong>ch</strong>werwiegende Mängel aufweist.<br />

Als die Medien das Thema im Dezember 2009<br />

aufgriffen, da<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> allerdings, nun würde die<br />

Stimmung kippen. I<strong>ch</strong> ging davon aus, dass wir<br />

Nanofors<strong>ch</strong>er uns re<strong>ch</strong>tfertigen müssen, weil<br />

si<strong>ch</strong> die Leute ernsthafte Sorgen ma<strong>ch</strong>en. Do<strong>ch</strong><br />

die Zeitungsartikel lösten keine grössere Debatte<br />

aus, und das Thema war innert Tagen versandet.<br />

Die Leute reagieren im Moment einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

auf die allenfalls bedenkli<strong>ch</strong>en Seiten der künstli<strong>ch</strong>en<br />

Nanopartikel.<br />

Halten Sie denn als Fors<strong>ch</strong>er zu stark mit Ihren<br />

Bedenken zurück?<br />

Nein, im Gegenteil. I<strong>ch</strong> erkläre überall, wo die<br />

Gefahr liegt – in Gesprä<strong>ch</strong>en mit Politikerinnen<br />

und Politikern, bei öffentli<strong>ch</strong>en Vorträgen und<br />

an Podiumsdiskussionen: Wenn Nanopartikel<br />

ni<strong>ch</strong>t fest in irgendeinem Material eingebunden<br />

sind, besteht ein Risiko, dass wir sie einatmen.<br />

Dann können sie über die Lunge ins Blut gelangen<br />

und si<strong>ch</strong> im ganzen Organismus verteilen.<br />

No<strong>ch</strong> wissen wir ni<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e Folgen das für<br />

die Gesundheit hat. Aber allein die Tatsa<strong>ch</strong>e,<br />

dass Partikel in unseren Körper eindringen, ist<br />

problematis<strong>ch</strong>. Ausserhalb der Wissens<strong>ch</strong>aft und<br />

Verwaltung wird dies jedo<strong>ch</strong> offenbar kaum zur<br />

Kenntnis genommen.<br />

Laien sind wohl au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Beurteilung der Chancen und Risiken dieser Te<strong>ch</strong>nologie<br />

verunsi<strong>ch</strong>ert.<br />

Seit gut einem Jahr bin au<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> enorm verunsi<strong>ch</strong>ert.<br />

In Tierversu<strong>ch</strong>en lässt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>weisen,<br />

dass Nanopartikel Gewebe und Zellen<br />

dur<strong>ch</strong>dringen und si<strong>ch</strong> via Blut im ganzen<br />

Körper ausbreiten können – sogar im Hirn. Allerdings<br />

wissen wir no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, wie dies genau<br />

ges<strong>ch</strong>ieht. Unter Fors<strong>ch</strong>ern wird seit Kurzem<br />

darüber gespro<strong>ch</strong>en, dass Nanopartikel, die mit<br />

unserem Organismus in Kontakt kommen, von<br />

einer Proteins<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t überzogen werden. Das<br />

ges<strong>ch</strong>ieht spätestens dann, wenn sie auf den<br />

oberflä<strong>ch</strong>enaktiven Film gelangen, der die ganze<br />

innere Lungenoberflä<strong>ch</strong>e überzieht. Über dieses<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Nanopartikel können Gewebe und Zellen dur<strong>ch</strong>dringen und si<strong>ch</strong> via Blut im ganzen<br />

Körper ausbreiten. Die mit dem Rasterlasermikroskop am Institut für Anatomie<br />

der Universität Bern realisierte Grossaufnahme von roten Blutzellen zeigt grüne<br />

Nanopartikel, wel<strong>ch</strong>e in diese Zellen eingedrungen sind.<br />

Bild: Barbara Rothen-Rutishauser, Institut für Anatomie, Universität Bern<br />

25


sogenannte Coating der Partikel wissen wir no<strong>ch</strong><br />

sehr wenig. So ist unklar, wie es genau vor si<strong>ch</strong><br />

geht, ob der Proteinmantel beim Eindringen in<br />

die Zellen verändert wird und wel<strong>ch</strong>e Bedeutung<br />

dies für das Funktionieren der Zellen hat. Hier<br />

liegt für mi<strong>ch</strong> die grösste Unsi<strong>ch</strong>erheit bezügli<strong>ch</strong><br />

der gesundheitli<strong>ch</strong>en Risiken beim Umgang mit<br />

Nanopartikeln.<br />

Was sagen Sie zu Studien, die nahelegen, Nanoröhr<strong>ch</strong>en<br />

aus Kohlenstoff seien so gefährli<strong>ch</strong> wie Asbest?<br />

Von Asbestfasern ist bekannt, dass sie an der äusseren<br />

Lungenoberflä<strong>ch</strong>e zu krebsartigen Verände­<br />

rungen führen können. Es gab nun Tierversu<strong>ch</strong>e<br />

mit synthetis<strong>ch</strong>en Kohlenstoffröhr<strong>ch</strong>en, die von<br />

ihren Dimensionen her ähnli<strong>ch</strong> strukturiert sind.<br />

Bei Experimenten in der Bau<strong>ch</strong>höhle von Mäusen<br />

kam es dur<strong>ch</strong> die eingeführten Partikel tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

zu ges<strong>ch</strong>wulstartigen Vergrösserungen, die<br />

als Krebsvorläufer gelten. Hingegen bewirkten<br />

Kohlenstoffröhr<strong>ch</strong>en, deren Form und Grösse<br />

ni<strong>ch</strong>t mit Asbestfasern zu verglei<strong>ch</strong>en sind, keine<br />

sol<strong>ch</strong>en Veränderungen.<br />

Ist dieses Ergebnis beruhigend oder besteht Anlass<br />

zur Sorge?<br />

I<strong>ch</strong> habe gegenüber Nanoröhr<strong>ch</strong>en aus Kohlenstoff<br />

grundsätzli<strong>ch</strong>e Bedenken – und zwar unabhängig<br />

von ihrer Form. Die Vorstellung, nano­<br />

oder mikrometergrosse Röhr<strong>ch</strong>en einatmen zu<br />

müssen, ma<strong>ch</strong>t mir Angst. Von sol<strong>ch</strong>en Szenarien<br />

sind wir übrigens gar ni<strong>ch</strong>t so weit entfernt. An einem<br />

<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>­Kongress in Japan hat man<br />

kürzli<strong>ch</strong> Pneus vorgestellt, denen Nanoröhr<strong>ch</strong>en<br />

aus Kohlenstoff eine erhöhte Widerstandsfähigkeit<br />

verleihen sollen. Angenommen, alle Autos wären<br />

mit sol<strong>ch</strong>en Reifen unterwegs, hätten wir tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

ein Problem. Der Gummi und die darin einges<strong>ch</strong>lossenen<br />

Nanopartikel werden abgerieben,<br />

verwittern und die Kohlenstoffröhr<strong>ch</strong>en gelangen<br />

in die Luft. So unrealistis<strong>ch</strong> ist diese Vorstellung<br />

ni<strong>ch</strong>t.<br />

Bereits heute ist unsere Atemluft ja mit Feinstaub<br />

belastet. Wirken si<strong>ch</strong> diese Partikel anders auf unsere<br />

Gesundheit aus als industriell hergestellte Nanopartikel?<br />

Nein, denn das Hauptproblem beim Eindringen<br />

von festen Partikeln in unseren Organismus ist<br />

ihre Grösse. Sie ist viel wi<strong>ch</strong>tiger als die Form<br />

oder Art des Materials, aus dem sie hergestellt<br />

sind, wie wir an unserem Institut na<strong>ch</strong>weisen<br />

konnten. Sogenannte PM10­Partikel, die viele Na­<br />

26<br />

noteil<strong>ch</strong>en enthalten, unterliegen beim Einatmen<br />

alle demselben physikalis<strong>ch</strong>en Me<strong>ch</strong>anismus. Sie<br />

werden benetzt und dann in die Tiefe gegen das<br />

Lungengewebe vers<strong>ch</strong>oben.<br />

Ist Feinstaub diesbezügli<strong>ch</strong> also glei<strong>ch</strong> gefährli<strong>ch</strong> wie<br />

künstli<strong>ch</strong>e Nanopartikel?<br />

Das ist praktis<strong>ch</strong> dasselbe!<br />

Wie problematis<strong>ch</strong> ist der Na<strong>ch</strong>weis von Nanopartikeln<br />

im Gehirn?<br />

Wir konnten in meinem Labor mithilfe von modernsten<br />

Mikroskopen zeigen, dass Nanopartikel<br />

«I<strong>ch</strong> habe gegenüber Nanoröhr<strong>ch</strong>en aus Kohlenstoff grundsätzli<strong>ch</strong>e Bedenken –<br />

und zwar unabhängig von ihrer Form.» Peter Gehr, Universität Bern<br />

in der Lunge die Luft­Blut­S<strong>ch</strong>ranke überwinden.<br />

Analog dazu können sie über die Blut­Hirn­<br />

S<strong>ch</strong>ranke au<strong>ch</strong> ins Gehirngewebe gelangen, wie<br />

Fors<strong>ch</strong>erkollegen in Tierversu<strong>ch</strong>en anhand von<br />

radioaktiven Substanzen na<strong>ch</strong>gewiesen haben. Es<br />

handelt si<strong>ch</strong> dabei zwar um vers<strong>ch</strong>windend kleine<br />

Mengen, aber das sind do<strong>ch</strong> Abertausende von<br />

Nanopartikeln, die auf diesem Weg ins Gehirn<br />

vordringen.<br />

Könnte dies zu S<strong>ch</strong>ädigungen führen?<br />

I<strong>ch</strong> kenne die Arbeit einer Kollegin, die in Mexiko<br />

City aufgewa<strong>ch</strong>sen ist und dann in den führenden<br />

Zentren für Umweltfors<strong>ch</strong>ung in den USA<br />

gearbeitet hat. Sie hat Gehirne von Mens<strong>ch</strong>en untersu<strong>ch</strong>t,<br />

die an Alzheimer gestorben sind. Diese<br />

vergli<strong>ch</strong> sie mit dem Hirngewebe eines jungen<br />

Mannes, der sein Leben lang an einer di<strong>ch</strong>t befahrenen<br />

Strasse in Mexiko City gewohnt hatte und<br />

dann bei einem Unfall ums Leben kam. I<strong>ch</strong> werde<br />

die verblüffenden Parallelen dieser Hirnaufnahmen<br />

nie mehr vergessen. In beiden Fällen zeigten<br />

si<strong>ch</strong> dieselben entzündli<strong>ch</strong>en Veränderungen des<br />

Hirns – sogenannte Beta­Amyloid­Platten –, die<br />

als Vorstufe von Alzheimer gelten. Sehr zugespitzt<br />

könnte man daraus folgern, die Luftvers<strong>ch</strong>mutzung<br />

führe zu Alzheimer.<br />

Steht das fest?<br />

Nein, für den Moment sind das Hypothesen. Aber<br />

es stellen si<strong>ch</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Fors<strong>ch</strong>er<br />

die Frage, ob die Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung ni<strong>ch</strong>t<br />

eine Ursa<strong>ch</strong>e von Alzheimer sein könnte. Wäre<br />

dies der Fall, dann mit grösster Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit<br />

dur<strong>ch</strong> die Inhalation von Partikeln, die ins<br />

Blut gelangt sind und die Blut­Hirn­S<strong>ch</strong>ranke<br />

überwunden haben.<br />

Interview: Kaspar Meuli<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-07<br />

KONTAKT<br />

Peter Straehl<br />

Sektion Luftqualität<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 322 99 84<br />

peter.straehl@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

SCHUTZMASSNAHMEN AM ARBEITSPLATZ<br />

Arbeitssi<strong>ch</strong>erheit<br />

ist das A und O<br />

Die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> lockt Unternehmen mit einem riesigen Marktpotenzial. Do<strong>ch</strong> die Fertigung<br />

und Verarbeitung der extrem kleinteiligen Nanomaterialien ist heikel. Bei der Firma Bühler<br />

Partec in Uzwil (SG), die seit 2007 Nanopartikel produziert, hat die Arbeitssi<strong>ch</strong>erheit deshalb<br />

hö<strong>ch</strong>ste Priorität.<br />

Die von Hans­Henning Homann in einem kleinen<br />

Fläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>wenkte Flüssigkeit sieht<br />

aus wie gerührte Hefe. «So liefern wir unsere<br />

Fertigprodukte den Kunden aus», sagt der Leiter<br />

der Nanoproduktion beim Te<strong>ch</strong>nologiekonzern<br />

Bühler Partec in Uzwil (SG). Do<strong>ch</strong> die zähflüssige<br />

Dispersion wäre zum Backen denkbar<br />

ungeeignet. Es handelt si<strong>ch</strong> um Oxilink, eine<br />

Eigenentwicklung der Firma. «Hier drin s<strong>ch</strong>weben<br />

die kleinsten Teil<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong><br />

mahlen lassen.» Sie sind 10 000­mal kleiner<br />

als das Ausgangsprodukt – die wenige Tausendstel<br />

Meter dicken Körn<strong>ch</strong>en des mehlähnli<strong>ch</strong>en<br />

Pulvers Zinkoxid.<br />

Das Material bietet einen hervorragenden<br />

S<strong>ch</strong>utz vor UV­Strahlung und lässt si<strong>ch</strong> vielseitig<br />

einsetzen, wenn es mögli<strong>ch</strong>st feinkörnig<br />

zur Verfügung steht. Dazu dürfen die Teil<strong>ch</strong>en<br />

ni<strong>ch</strong>t grösser sein als einige Milliardstel Meter<br />

oder eben Nanometer. Dann sind sie unsi<strong>ch</strong>tbar<br />

und können etwa Sonnens<strong>ch</strong>utzmitteln, Farblacken<br />

oder au<strong>ch</strong> Kunststofffolien für die Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />

beigemis<strong>ch</strong>t werden, ohne dass man<br />

etwas davon sieht. Der Effekt ist verblüffend. In<br />

destilliertem Wasser mit Nanoteil<strong>ch</strong>en bleibt ein<br />

Laserstrahl si<strong>ch</strong>tbar, weil die kleinen Teile dessen<br />

Li<strong>ch</strong>t reflektieren. Das ma<strong>ch</strong>t die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

für eine breite Palette von Anwendungen<br />

attraktiv.<br />

No<strong>ch</strong> wenig si<strong>ch</strong>ere Erkenntnisse. Do<strong>ch</strong> die Winzigkeit<br />

der Teil<strong>ch</strong>en ist glei<strong>ch</strong>zeitig au<strong>ch</strong> ihre Crux.<br />

Wie wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ungen zeigen,<br />

können in der Luft s<strong>ch</strong>webende Nanopartikel<br />

über die Atemwege bis in die feinsten Verästelungen<br />

der Lunge vordringen und von dort au<strong>ch</strong><br />

in den Blutkreislauf gelangen. Vor allem am Arbeitsplatz<br />

sind S<strong>ch</strong>utzmassnahmen deshalb unerlässli<strong>ch</strong>.<br />

Do<strong>ch</strong> die rasante te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e Ent­<br />

wicklung der vergangenen Jahre bedeutet für die<br />

Gesundheits­ und Umweltbehörden eine grosse<br />

Herausforderung. Bislang gibt es keine eins<strong>ch</strong>lägigen<br />

Bestimmungen zur Si<strong>ch</strong>erheit an Arbeitsplätzen,<br />

wo mit Nanoteil<strong>ch</strong>en gearbeitet wird.<br />

Ein Hauptgrund dafür ist, dass au<strong>ch</strong> die entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Risikofors<strong>ch</strong>ung no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t über<br />

gesi<strong>ch</strong>erte Erkenntnisse verfügt. Erst kürzli<strong>ch</strong><br />

konnte eine Studie immerhin die Befür<strong>ch</strong>tung<br />

widerlegen, Nanopartikel würden über die Haut<br />

aufgenommen und dann bis ins Hirn transportiert.<br />

Für Hans­Henning Homann ist der Stand<br />

des Wissens das Mass aller Dinge in der Fertigung.<br />

«No<strong>ch</strong> vor drei Jahren, als wir hier die Produktion<br />

gestartet haben, lag die Zahl der Veröffentli<strong>ch</strong>ungen<br />

bei 300 – heute sind es über 600.<br />

Dies zeigt das grosse Interesse an gesi<strong>ch</strong>erten<br />

Erkenntnissen.»<br />

Produktion na<strong>ch</strong> Rezept. Für den Bühler­Konzern<br />

mit einem Jahresumsatz von 1,7 Milliarden<br />

Franken hat die Bühler Partec – bei jährli<strong>ch</strong>en<br />

Einnahmen von 1 Million Franken – vorläufig<br />

no<strong>ch</strong> eine geringe Bedeutung. Aber das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Potenzial ist riesig, und die Konkurrenz<br />

bleibt vorerst übers<strong>ch</strong>aubar. Dies sei au<strong>ch</strong><br />

der Grund gewesen, die bisherige Firmenphilosophie<br />

zu ergänzen und selbst ein Produkt zu<br />

vermarkten, wo do<strong>ch</strong> sonst auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> Anlagen<br />

gebaut, aber ni<strong>ch</strong>t selber betrieben würden,<br />

erklärt Pressespre<strong>ch</strong>erin Corina Atzli.<br />

Das te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Prinzip ist dasselbe wie beim<br />

Mahlen von Kakaobohnen oder Getreidekörnern.<br />

Es ist kaum zu glauben: Die Nanoteil<strong>ch</strong>en sind<br />

das Ergebnis eines stundenlangen Zerreibens in<br />

einer mit ultraharten Kugeln gespickten Rührwerksmühle.<br />

«Feiner geht es ni<strong>ch</strong>t mehr», sagt<br />

Homann. «Wir sind nahe an den Atomen.» Der<br />

Herstellungsprozess dieser zähflüssigen Disper­<br />

27


Der Te<strong>ch</strong>nologiekonzern Bühler Partec in<br />

Uzwil (SG) mahlt handelsübli<strong>ch</strong>e Rohstoffe<br />

wie Zinkoxid zu Nanopulver, das<br />

als Ausgangsstoff für die Herstellung von<br />

Nanodispersionen verwendet wird. Zu<br />

ihrem S<strong>ch</strong>utz tragen die Bes<strong>ch</strong>äftigten für<br />

einzelne Arbeitss<strong>ch</strong>ritte eine Staubmaske<br />

sowie S<strong>ch</strong>utzbrille und Überkleid.<br />

Alle Bilder: Stefan Bohrer<br />

28<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Hands<strong>ch</strong>uhe s<strong>ch</strong>ützen die Bes<strong>ch</strong>äftigten bei Bühler Partec vor der stark aus-<br />

trocknenden Wirkung der zu mahlenden Pulver. Die in ges<strong>ch</strong>lossenen<br />

Systemen gefertigten Nanoprodukte werden grundsätzli<strong>ch</strong> nur als Dispersionen<br />

(links) und ni<strong>ch</strong>t in Pulverform vertrieben. Für die Probenahme an<br />

der Rührwerkskugelmühle genügen Hands<strong>ch</strong>uhe, S<strong>ch</strong>utzbrille, Überkleid<br />

und Si<strong>ch</strong>erheitss<strong>ch</strong>uhe als Arbeitss<strong>ch</strong>utz.<br />

29


sion wird auf einem mehrseitigen Dokument<br />

Arbeitss<strong>ch</strong>ritt für Arbeitss<strong>ch</strong>ritt ausführli<strong>ch</strong> erläutert.<br />

Dem Me<strong>ch</strong>aniker Hansueli Näf, einem<br />

von zwei Mitarbeitern in der Produktion, bleibt<br />

dabei wenig Spielraum. Die Mengen sind ebenso<br />

minutiös einzuhalten wie die Zeiten. Rund ein<br />

Tag vergeht, bis aus dem in Säcken angelieferten<br />

Rohmaterial die beigefarbene Dispersion entsteht.<br />

Sie ist wesentli<strong>ch</strong> unproblematis<strong>ch</strong>er in<br />

der Handhabung als ein Pulver. Und die Kunden<br />

können die Flüssigkeit einfa<strong>ch</strong> in der benötigten<br />

Menge ihrem Produkt beimis<strong>ch</strong>en. Bei einer<br />

Produktionskapazität von rund 300 Kilo pro Tag<br />

errei<strong>ch</strong>t der Jahresausstoss etwa 100 Tonnen.<br />

Verglei<strong>ch</strong>bar mit einem Chemiebetrieb. Die Arbeitssi<strong>ch</strong>erheit<br />

ist für Hans­Henning Homann bei jedem<br />

Handgriff das A und O. Dies beginnt s<strong>ch</strong>on<br />

bei der Einri<strong>ch</strong>tung. Mit ihrem weissen Anstri<strong>ch</strong><br />

und den Oberli<strong>ch</strong>tern strahlt die Produktionshalle<br />

Nü<strong>ch</strong>ternheit aus. Unbeaufsi<strong>ch</strong>tigt gelangen<br />

weder Mens<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> Material hinein oder<br />

hinaus. Wer hier indes extreme S<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />

erwartet, sieht si<strong>ch</strong> getäus<strong>ch</strong>t. «Im Wesentli<strong>ch</strong>en<br />

gelten ähnli<strong>ch</strong>e Regeln wie in einem<br />

Chemiebetrieb», sagt Homann, der jahrelang für<br />

ein grosses Basler Chemieunternehmen gearbeitet<br />

hat. Die Bes<strong>ch</strong>äftigten tragen Spezials<strong>ch</strong>uhe,<br />

Arbeitsjacken, S<strong>ch</strong>utzbrillen und – wenn sie mit<br />

Nanomaterialien in Berührung kommen könnten<br />

– au<strong>ch</strong> Latex­Hands<strong>ch</strong>uhe. Am heikelsten ist<br />

das Einfüllen des Rohmaterials in die Mühle.<br />

Dann zieht si<strong>ch</strong> Hansueli Näf einen Overall über<br />

und trägt eine Atemmaske. Ein eigens entwickeltes<br />

Prüfgerät kann dabei die Partikel belastung<br />

vor Ort messen. «Wir liegen um einen Faktor<br />

70 unter den Empfehlungen der eins<strong>ch</strong>lägigen<br />

internationalen Norm», sagt Hans­Henning<br />

Homann. Und wie wird die Umwelt ges<strong>ch</strong>ützt?<br />

«Abwässer gelangen in das hausinterne Kanalisationssystem<br />

und werden in zwei Stufen geprüft<br />

und gereinigt.» Alles, was Nanoteil<strong>ch</strong>en enthalten<br />

könne, lagere man zudem in Si<strong>ch</strong>erheitsbehältern,<br />

die als Sondermüll entsorgt würden.<br />

Zertifiziertes Risikomanagement. Grundlage dieser<br />

Massnahmen bildet das zertifizierte Risikomanagementsystem<br />

von Bühler Partec. Dabei<br />

gelangt erstmals das System «Cenarios» zur Anwendung.<br />

Es ist – in Zusammenarbeit mit der<br />

deuts<strong>ch</strong>en Dienstleistungsfirma TÜV Süd und<br />

dem Beratungsunternehmen Innovationsge­<br />

30<br />

sells<strong>ch</strong>aft St. Gallen – speziell für in der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

tätige Betriebe entwickelt worden.<br />

Zum System gehört au<strong>ch</strong> ein standardisierter<br />

Anforderungskatalog für die Zertifizierung. Als<br />

weltweit erstes Unternehmen hat Bühler Partec<br />

das eigene Risikomanagement na<strong>ch</strong> diesen Anforderungen<br />

im Jahr 2007 vom TÜV Süd prüfen<br />

und zertifizieren lassen. Inzwis<strong>ch</strong>en sind im<br />

Rhythmus von einigen Monaten mehrere Na<strong>ch</strong>prüfungen<br />

erfolgt. Heute sei dieses Verfahren so<br />

ausgereift, dass si<strong>ch</strong> eine Neuprüfung nur no<strong>ch</strong><br />

alle drei Jahre aufdränge, sagt Hans­Henning<br />

Homann. Neben der ständigen Auswertung wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />

Erkenntnisse werden laufend<br />

sämtli<strong>ch</strong>e Produkte und Prozesse kontrolliert.<br />

Für jedes Produkt erfolgt zudem eine Risikoprüfung.<br />

Urs Fitze<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-08<br />

Alles, was Nanoteil<strong>ch</strong>en enthalten kann, lagert man in Si<strong>ch</strong>erheitsbehältern,<br />

die als Sondermüll entsorgt werden.<br />

No<strong>ch</strong> kein Grenzwert<br />

für Nanopartikel<br />

Rund 1300 Bes<strong>ch</strong>äftigte in der S<strong>ch</strong>weiz arbeiten<br />

gemäss einer repräsentativen Umfrage aus dem<br />

Jahr 2007 direkt mit Anwendungen von Nanopartikeln.<br />

Betroffen sind vor allem die Bran<strong>ch</strong>en<br />

Chemie, Elektrote<strong>ch</strong>nik sowie Automobilzulieferer.<br />

Weit häufiger fallen Nanopartikel indes als Nebenprodukte<br />

an – so etwa beim S<strong>ch</strong>weissen oder bei<br />

anderen thermis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>neideverfahren. Laut der<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Unfallversi<strong>ch</strong>erungsanstalt (Suva)<br />

lässt si<strong>ch</strong> aufgrund der bisherigen Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />

aus arbeitsmedizinis<strong>ch</strong>­toxikologis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t<br />

no<strong>ch</strong> kein Grenzwert für Nanopartikel begründen.<br />

Bis 2011 sollen jedo<strong>ch</strong> Ri<strong>ch</strong>twerte vorliegen.<br />

Grundsätzli<strong>ch</strong> gelten aber au<strong>ch</strong> für Nanomaterialien<br />

die eins<strong>ch</strong>lägigen gesetzli<strong>ch</strong>en Regelungen<br />

für das Inverkehrbringen von Stoffen und Zubereitungen.<br />

So sind diese bezügli<strong>ch</strong> ihrer Eigens<strong>ch</strong>aften<br />

zu beurteilen, und die Abnehmer gefährli<strong>ch</strong>er<br />

Stoffe müssen über alle erforderli<strong>ch</strong>en Vorsi<strong>ch</strong>ts­<br />

und S<strong>ch</strong>utzmassnahmen informiert werden. Eine<br />

eigentli<strong>ch</strong>e Deklarationspfli<strong>ch</strong>t für Nanopartikel<br />

besteht gegenwärtig no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Am Arbeitsplatz<br />

ist der Arbeitgeber freili<strong>ch</strong> verpfli<strong>ch</strong>tet, alle Massnahmen<br />

zu treffen, die aufgrund der Eigens<strong>ch</strong>aften<br />

gefährli<strong>ch</strong>er Stoffe notwendig sind.<br />

KONTAKT<br />

Andreas Weber, siehe Seite 11<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


STÖRFALLVORSORGE UND ENTSORGUNG<br />

Beda<strong>ch</strong>ter Umgang<br />

mit der Unsi<strong>ch</strong>erheit<br />

Die mögli<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>en Auswirkungen von synthetis<strong>ch</strong>en Nanomaterialien auf Umwelt und Gesundheit sind<br />

erst teilweise erfors<strong>ch</strong>t. Wie gehen die Behörden mit dieser Unsi<strong>ch</strong>erheit um? Das <strong>BAFU</strong> erarbeitet unter anderem<br />

Grundlagen für die Störfallvorsorge und für eine si<strong>ch</strong>ere Entsorgung.<br />

Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Verarbeitetes Aluminium ist eigentli<strong>ch</strong> ein<br />

harmloses Metall. Do<strong>ch</strong> liegt das Element in<br />

Form von Nanopartikeln vor, so können diese<br />

beim Kontakt mit Luft eine Zündquelle bilden<br />

und einen Brand oder eine Explosion auslösen.<br />

Aufgrund dieser Eigens<strong>ch</strong>aft fallen sol<strong>ch</strong>e<br />

Nanomaterialien in die Kategorie der selbstentzündli<strong>ch</strong>en<br />

Stoffe, für die in der S<strong>ch</strong>weiz eine<br />

Mengens<strong>ch</strong>welle von 20 000 Kilogramm gilt. Alle<br />

Betriebe, wel<strong>ch</strong>e höhere Mengen lagern, unterstehen<br />

der Störfallverordnung (StFV). Diese soll<br />

Bevölkerung und Umwelt vor s<strong>ch</strong>weren S<strong>ch</strong>ädigungen<br />

dur<strong>ch</strong> ausserordentli<strong>ch</strong>e Ereignisse<br />

s<strong>ch</strong>ützen, die beim Betrieb von Anlagen entstehen<br />

können. Wenn beispielsweise eine Explosion<br />

auf einem Firmengelände im ungünstigsten Fall<br />

mehr als 10 Todesopfer ausserhalb des Betriebsareals<br />

fordern kann, muss das betroffene Unternehmen<br />

die mögli<strong>ch</strong>en Störfallrisiken im Detail<br />

ermitteln und den Behörden zur Beurteilung<br />

einrei<strong>ch</strong>en.<br />

Studie zu den Störfallrisiken. Als zuständiges Bundesamt<br />

für die Oberaufsi<strong>ch</strong>t über den Vollzug<br />

der StFV verfolgt das <strong>BAFU</strong> laufend die Entwicklungen<br />

im Berei<strong>ch</strong> der <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Risiken. «In<br />

dieser Funktion haben wir au<strong>ch</strong> prüfen lassen,<br />

ob si<strong>ch</strong> aufgrund der Brand­ und Explosionseigens<strong>ch</strong>aften<br />

von synthetis<strong>ch</strong>en Nanomaterialien<br />

neue Kriterien für die Bestimmung der<br />

Mengens<strong>ch</strong>wellen in der Störfallverordnung aufdrängen»,<br />

erläutert der Chemiker Martin Merkofer<br />

von der Sektion Störfall­ und Erdbebenvorsorge<br />

beim <strong>BAFU</strong>.<br />

Im Rahmen des vom Bundesrat verabs<strong>ch</strong>iedeten<br />

Aktionsplans hat das beauftragte Si<strong>ch</strong>erheitsinstitut<br />

eine entspre<strong>ch</strong>ende Literaturstudie<br />

erstellt. Dabei konzentrierten si<strong>ch</strong> die Abklärungen<br />

auf die bereits untersu<strong>ch</strong>ten Nanopartikel<br />

aus Aluminium und Kohlenstoff. Gemäss der<br />

Studie kann si<strong>ch</strong> die minimale Zündenergie von<br />

Stoffen im Nanomassstab von derjenigen konventioneller<br />

Metallstäube unters<strong>ch</strong>eiden. Letz tere<br />

können bei Luftkontakt ebenfalls in Flammen<br />

aufgehen, aber aufgrund der geringen Zündenergien<br />

verhalten si<strong>ch</strong> zum Beispiel Nanopartikel<br />

aus Kohlenstoff und Aluminium bezügli<strong>ch</strong> ihrer<br />

Explosionseigens<strong>ch</strong>aften ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong> anders<br />

als Stäube derselben Stoffe, die wegen ihrer<br />

Teil<strong>ch</strong>engrösse ni<strong>ch</strong>t als Nanomaterialien gelten.<br />

«Für eine abs<strong>ch</strong>liessende Beurteilung liegen<br />

zwar gegenwärtig no<strong>ch</strong> zu wenig Grundlagendaten<br />

vor, do<strong>ch</strong> die bisherigen Erkenntnisse geben<br />

uns vorderhand keinen Anlass, um für Nanomaterialien<br />

im Rahmen der Störfallverordnung<br />

spezifis<strong>ch</strong>e Regelungen bezügli<strong>ch</strong> der Brand­ und<br />

Explosionseigens<strong>ch</strong>aften zu treffen», folgert Martin<br />

Merkofer. Die grundsätzli<strong>ch</strong>en Vors<strong>ch</strong>riften<br />

der StFV gelten sowohl für brandgefährli<strong>ch</strong>e Stoffe<br />

wie au<strong>ch</strong> für oxidierbare Nanopartikel. Zudem<br />

sind bei Lagern mit selbstentzündli<strong>ch</strong>en Stoffen<br />

generell die Vorgaben aus den Brands<strong>ch</strong>utzri<strong>ch</strong>tlinien<br />

der Vereinigung Kantonaler Feuerversi<strong>ch</strong>erungen<br />

(VKF) umzusetzen.<br />

Weitere Abklärungen folgen. Aufgrund der bisherigen<br />

Abklärungen geht das <strong>BAFU</strong> davon aus, dass<br />

ein Grossteil der ungefähr 600 Betriebe, die in<br />

der S<strong>ch</strong>weiz heute mit Nanomaterialien arbeiten,<br />

keine oder nur geringe Mengen an oxidierbaren<br />

Partikeln verwenden. Mit zunehmender<br />

Verbreitung der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> werden si<strong>ch</strong><br />

die eingesetzten Partikel und deren Mengen<br />

aber ändern. «Aus heutiger Si<strong>ch</strong>t hält si<strong>ch</strong> das<br />

31


32<br />

Störfallrisiko dur<strong>ch</strong> Brände oder Explosionen<br />

zwar in Grenzen, do<strong>ch</strong> wir müssen die künftige<br />

Entwicklung genau verfolgen», sagt Martin Merkofer.<br />

Die Studie enthält keine Aussagen zu den<br />

Auswirkungen einer denkbaren Freisetzung von<br />

Nanopartikeln auf die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit<br />

oder auf die Umwelt, weil die erforderli<strong>ch</strong>en wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Grundlagen zur Toxikologie und<br />

Ökotoxikologie auf internationaler Ebene erst<br />

erarbeitet werden. Diese für die Störfallvorsorge<br />

wi<strong>ch</strong>tigen Berei<strong>ch</strong>e will das <strong>BAFU</strong> na<strong>ch</strong> Vorliegen<br />

ausrei<strong>ch</strong>ender Daten ebenfalls untersu<strong>ch</strong>en.<br />

Korrekte Entsorgung von Nanoabfällen. Potenzielle<br />

Gefahren dur<strong>ch</strong> synthetis<strong>ch</strong>e Nanomaterialien<br />

bestehen jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur am Anfang der Produktionskette,<br />

sondern au<strong>ch</strong> bei der Entsorgung<br />

sol<strong>ch</strong>er Materialien. «Hier liegt das Risiko vor<br />

allem in einer unkontrollierten Freisetzung von<br />

gesundheitss<strong>ch</strong>ädigenden oder umweltgefährdenden<br />

Partikeln dur<strong>ch</strong> einen unsa<strong>ch</strong>gemäs­<br />

sen Umgang mit Nanoabfällen», erklärt André<br />

Hauser von der <strong>BAFU</strong>­Sektion Abfallverwertung<br />

und ­behandlung. Um Produzenten, Verarbeiter<br />

und die Abfallbran<strong>ch</strong>e für diese Problematik<br />

zu sensibilisieren, hat eine vom <strong>BAFU</strong> initiierte<br />

Arbeitsgruppe eine Wegleitung zur umweltverträgli<strong>ch</strong>en<br />

und si<strong>ch</strong>eren Entsorgung von<br />

Nano abfällen erstellt. Die praxisorientierte Vollzugshilfe<br />

zeigt betroffenen Industrie­ und Gewerbebetrieben<br />

auf, wie sie Rückstände von reinen<br />

Nano partikeln sowie entspre<strong>ch</strong>end verunreinigte<br />

Gegenstände behandeln, weitergeben und entsorgen<br />

sollen.<br />

So wird etwa empfohlen, geeignete Nanoabfälle<br />

na<strong>ch</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit direkt am Entstehungsort<br />

weiterzubearbeiten, damit sie ihre Nanostruktur<br />

verlieren. Beispielsweise lassen si<strong>ch</strong><br />

metallis<strong>ch</strong>e Partikel in geeigneten Säuren auflösen,<br />

während dur<strong>ch</strong> Sinterung von Oxiden bei<br />

erhöhten Temperaturen grössere Teil<strong>ch</strong>en entstehen,<br />

die ni<strong>ch</strong>t mehr Nano<strong>ch</strong>arakter aufweisen.<br />

Mögli<strong>ch</strong>st geringe Emissionen als Ziel. Nanoabfälle<br />

mit ungebundenen Partikeln gelten gemäss der<br />

Wegleitung als Sonderabfall, wenn si<strong>ch</strong> negative<br />

Auswirkungen auf Gesundheit, Si<strong>ch</strong>erheit<br />

und Umwelt aufgrund ihrer nanospezifis<strong>ch</strong>en<br />

Eigens<strong>ch</strong>aften ni<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>liessen lassen oder<br />

sofern die mögli<strong>ch</strong>en Folgen unbekannt sind.<br />

Ein vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und<br />

vom <strong>BAFU</strong> entwickelter Vorsorgeraster hilft den<br />

Unternehmen, potenzielle Risikoquellen dur<strong>ch</strong><br />

Nanomateria lien bei der Produktion, Verarbeitung<br />

und Entsorgung re<strong>ch</strong>tzeitig zu erkennen.<br />

«Rückstände mit erhebli<strong>ch</strong>em Risikopotenzial<br />

oder unbekannter Wirkung müssen bei jedem<br />

Arbeitss<strong>ch</strong>ritt so behandelt werden, dass die Belastung<br />

der Bes<strong>ch</strong>äftigten, eine Freisetzung von<br />

Nanomaterialien in Form von Stäuben oder Aerosolen<br />

sowie weitere Emissionen in die Umwelt<br />

so gering wie mögli<strong>ch</strong> ausfallen», sagt André<br />

Hauser. Dazu sind unter anderem die von der<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Unfallversi<strong>ch</strong>erungsanstalt<br />

(Suva) zum S<strong>ch</strong>utz der Bes<strong>ch</strong>äftigten empfohlenen<br />

Massnahmen zu treffen. Sie umfassen<br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e, organisatoris<strong>ch</strong>e und personenbezogene<br />

Vorkehrungen, wie zum Beispiel das Tragen<br />

einer S<strong>ch</strong>utzkleidung mit Kapuze sowie die<br />

Ausrüstung mit Atems<strong>ch</strong>utz und ges<strong>ch</strong>lossener<br />

S<strong>ch</strong>utzbrille. Um das Risikopotenzial bei den Abnehmern<br />

zu reduzieren, sollen die Betriebe ihre<br />

zur externen Entsorgung vorgesehenen Produktionsrückstände<br />

zudem na<strong>ch</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t<br />

in Pulverform abgeben. Der Begleits<strong>ch</strong>ein für<br />

Potenzielle Gefahren dur<strong>ch</strong> synthetis<strong>ch</strong>e Nanomaterialien bestehen ni<strong>ch</strong>t nur<br />

am Anfang der Produktionskette, sondern au<strong>ch</strong> bei der Entsorgung sol<strong>ch</strong>er<br />

Materialien.<br />

KONTAKTE<br />

Martin Merkofer (links)<br />

(Störfallvorsorge)<br />

Sektion Störfall- und<br />

Erdbebenvorsorge, <strong>BAFU</strong><br />

031 325 10 93<br />

martin.merkofer@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

André Hauser (Entsorgung)<br />

Sektion Abfallverwertung und<br />

-behandlung, <strong>BAFU</strong><br />

031 323 13 35<br />

andre.hauser@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

Sonderabfälle sorgt dafür, dass die Entsorgungsunternehmen<br />

alle notwendigen Informationen<br />

erhalten.<br />

Als Sonderabfälle geltende Nanomaterialien<br />

dürfen weder im Hauskehri<strong>ch</strong>t oder Gewerbeabfall<br />

landen no<strong>ch</strong> in die Kanalisation eingeleitet<br />

oder mit anderen Sonderabfällen vermis<strong>ch</strong>t<br />

werden. Von einer Beseitigung in Kehri<strong>ch</strong>tverbrennungsanlagen<br />

(KVA) ist abzuraten, weil heute<br />

no<strong>ch</strong> zu wenig über das Verhalten von hohen<br />

Konzentrationen an ungebundenen Nanopartikeln<br />

im Feuerraum und in der Rau<strong>ch</strong>gasreinigung<br />

von KVA bekannt ist. Um sol<strong>ch</strong>e Kenntnislücken<br />

zu s<strong>ch</strong>liessen, soll ein Fors<strong>ch</strong>ungsprojekt<br />

des <strong>BAFU</strong> aufzeigen, wie man Nanoabfälle mit<br />

praktikablen Methoden ohne Risiken für Gesundheit<br />

und Umwelt entsorgen oder verwerten<br />

kann. Bis es so weit ist, s<strong>ch</strong>lägt die Vollzugshilfe<br />

vor, jeweils die bekannten Entsorgungsverfahren<br />

für Sonderabfälle – wie etwa die Ho<strong>ch</strong>temperaturverbrennung<br />

in Spezialöfen – anzuwenden.<br />

Die Wirksamkeit der aufgrund von te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />

Überlegungen geeigneten Methode ist dabei<br />

allenfalls mit vorgängigen Tests na<strong>ch</strong>zuweisen.<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-09<br />

Beat Jordi<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Produktionsabfälle wie Lösungsmittel, die bei der Reinigung der Anlagen<br />

zur Herstellung von Nanomaterialien anfallen, werden bei Bühler Partec in<br />

Metallcontainern gesammelt und na<strong>ch</strong> Bedarf von einem externen Entsorgungsunternehmen<br />

abgeholt. Die Nanoproduktion in Uzwil (SG) verfügt<br />

über ein eigenes Sammelsystem ohne Ans<strong>ch</strong>luss an den Abwasserkanal.<br />

Im Fall einer Havarie gelangen auslaufende Substanzen somit ni<strong>ch</strong>t in die<br />

Kanalisation, sondern werden ebenfalls in Container abgefüllt und fa<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>t<br />

als Sonderabfall entsorgt.<br />

Alle Bilder: Stefan Bohrer<br />

33


INTERNATIONALES ENGAGEMENT<br />

Erfahrungsaustaus<strong>ch</strong><br />

über die Grenzen<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz setzt si<strong>ch</strong> auf internationaler Ebene dafür ein, dass die mögli<strong>ch</strong>en Vorteile der<br />

<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> au<strong>ch</strong> Entwicklungs- und S<strong>ch</strong>wellenländern zugute kommen. Glei<strong>ch</strong>zeitig soll<br />

der weltweite Austaus<strong>ch</strong> von te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>em Know-how überall einen verantwortungsvollen<br />

Umgang mit den potenziellen Risiken dieser neuen Te<strong>ch</strong>nologie fördern.<br />

34<br />

«Die Erarbeitung von staatli<strong>ch</strong>en Strategien für<br />

einen verantwortungsbewussten Umgang mit<br />

synthetis<strong>ch</strong>en Nanomaterialien ist ents<strong>ch</strong>eidend<br />

für den Erfolg dieser Te<strong>ch</strong>nologie und für<br />

die Nutzung ihres Potenzials im Interesse einer<br />

na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung», stellt der Chemiker<br />

Georg Karlaganis fest. Als Chef der <strong>BAFU</strong>­Abteilung<br />

Stoffe, Boden, Biote<strong>ch</strong>nologie hat er si<strong>ch</strong><br />

während Jahren intensiv mit dieser Thematik<br />

befasst. Seit der Pensionierung beim Bund profitiert<br />

nun vor allem das Fors<strong>ch</strong>ungs­ und Ausbildungsinstitut<br />

der Vereinten Nationen (UNITAR)<br />

von seinem vielfältigen Know­how im Berei<strong>ch</strong><br />

der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>.<br />

Ein Hauptziel der UNO­Institution, die ih r e n<br />

Sitz im Internationalen Umwelthaus bei Genf<br />

hat, ist die Aus­ und Weiterbildung von Verwaltungspersonal<br />

und Regierungsstellen in Entwicklungsländern.<br />

Seit Herbst 2009 führt UNITAR in<br />

Zusammenarbeit mit der Organisation für wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(OECD) weltweit regionale Sensibilisierungs­<br />

Workshops dur<strong>ch</strong>, um Vertreterinnen und Vertreter<br />

sol<strong>ch</strong>er Staaten über die Chancen und<br />

Risiken der Nanomaterialien aufzuklären. «Das<br />

Interesse an diesen Veranstaltungen ist enorm,<br />

denn die angespro<strong>ch</strong>enen Umwelt­ und Gesundheitsbehörden<br />

kennen die Problematik oft nur<br />

vom Hörensagen», konstatiert Georg Karlaganis.<br />

Der Mangel an Wissen, fehlende Mess­ und<br />

Testverfahren sowie bestehende Lücken in der<br />

Gesetzgebung könnten zu unbea<strong>ch</strong>teten Risiken<br />

für die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit und die Umwelt<br />

führen, erklärt er Interessierten rund um den<br />

Globus. «Damit sol<strong>ch</strong>e Gefahren sinnvolle Innovationen<br />

letztli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t behindern, brau<strong>ch</strong>t es<br />

weltweit ein vorsorgli<strong>ch</strong>es Risikomanagement<br />

– ohne doppelte Standards mit klaffenden Unters<strong>ch</strong>ieden<br />

zwis<strong>ch</strong>en den behördli<strong>ch</strong>en Vorgaben<br />

von Industrie­ und Entwicklungsländern.»<br />

Engagement für die globale Chemikalienstrategie. Die<br />

S<strong>ch</strong>weiz hat eine erste Serie sol<strong>ch</strong>er Workshops<br />

zur <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> in allen UN­Regionen sowie<br />

im arabis<strong>ch</strong>en Raum massgebli<strong>ch</strong> mitfinanziert<br />

und beteiligt si<strong>ch</strong> jetzt au<strong>ch</strong> an einer zweiten<br />

Informationskampagne. «Wir mö<strong>ch</strong>ten damit<br />

unter anderem Verständnis für die Herausforderungen<br />

auf nationaler Ebene s<strong>ch</strong>affen und aufzeigen,<br />

wie si<strong>ch</strong> eine entspre<strong>ch</strong>ende Politik entwickeln<br />

lässt», erläutert Gabi Eigenmann von der<br />

Abteilung Internationales beim <strong>BAFU</strong>. In diesem<br />

Rahmen sollen ausgewählte Pilotländer au<strong>ch</strong> bei<br />

der Erarbeitung von nationalen Arbeitsprogrammen<br />

unterstützt werden. «Glei<strong>ch</strong>zeitig geht es<br />

darum, die angestrebten globalen Ziele für einen<br />

na<strong>ch</strong>haltigen Umgang mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

darzulegen.»<br />

Die entspre<strong>ch</strong>enden Aktivitäten sind Teil des<br />

s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Engagements für eine effiziente,<br />

kohärente und koordinierte Chemika lien­<br />

und Abfallpolitik auf internationaler Ebene. Damit<br />

sollen unter anderem mögli<strong>ch</strong>st einheitli<strong>ch</strong>e<br />

Voraussetzungen und re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Grundlagen für<br />

ein funktionierendes Risikomanagement von<br />

Chemikalien ges<strong>ch</strong>affen werden, um eine Verla­<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


gerung unerwüns<strong>ch</strong>ter Risiken in bena<strong>ch</strong>teiligte<br />

Gebiete zu verhindern.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz als S<strong>ch</strong>rittma<strong>ch</strong>erin. An der zweiten<br />

Internationalen Chemikalienkonferenz (ICCM 2),<br />

die im Mai 2009 in Genf stattfand, hat das <strong>BAFU</strong><br />

gemeinsam mit den USA eine Führungsrolle<br />

übernommen, um das Thema <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />

auf weltweiter Ebene einzubringen und die<br />

globale Chemikalienstrategie (SAICM) au<strong>ch</strong> in<br />

dieser Beziehung weiterzuentwickeln. Eine von<br />

der S<strong>ch</strong>weiz massgebli<strong>ch</strong> mitgestaltete und an<br />

der ICCM 2 verabs<strong>ch</strong>iedete Resolution betont die<br />

besondere Verantwortung der Industriestaaten<br />

gegenüber den Entwicklungs­ und S<strong>ch</strong>wellenländern.<br />

Letztere benötigten fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e und finanzielle<br />

Unterstützung, damit sie si<strong>ch</strong> das erforderli<strong>ch</strong>e<br />

Know­how aneignen, vom potenziellen<br />

Nutzen der Nanomaterialien profitieren und die<br />

Risiken minimieren könnten. Die Resolution unterstrei<strong>ch</strong>t<br />

dabei au<strong>ch</strong> die Verantwortung für die<br />

Si<strong>ch</strong>erheit der Bes<strong>ch</strong>äftigten und empfiehlt die<br />

Förderung der Risikofors<strong>ch</strong>ung sowie re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e,<br />

freiwillige und partners<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Massnahmen,<br />

um einen si<strong>ch</strong>eren Umgang mit der aufkommenden<br />

Te<strong>ch</strong>nologie zu begünstigen.<br />

Koordinierte Risikofors<strong>ch</strong>ung. Angesi<strong>ch</strong>ts der bestehenden<br />

Kenntnislücken und der Vielfalt an<br />

synthetis<strong>ch</strong>en Nanomaterialien drängt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

bei der Risikofors<strong>ch</strong>ung eine internationale Kooperation<br />

auf. «Die Erarbeitung von Ents<strong>ch</strong>eidungsgrundlagen<br />

für die Störfallvorsorge beim<br />

Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Umgang mit sol<strong>ch</strong>en Chemikalien würde die<br />

Ressourcen eines einzelnen Landes sprengen»,<br />

erklärt Martin Merkofer von der <strong>BAFU</strong>­Sektion<br />

Störfall­ und Erdbebenvorsorge. Die S<strong>ch</strong>weiz engagiert<br />

si<strong>ch</strong> deshalb innerhalb der OECD aktiv<br />

für eine grenzübers<strong>ch</strong>reitende Zusammenarbeit<br />

und ist mit der Leitung eines von ihr vorges<strong>ch</strong>lagenen<br />

Projekts zur gemeinsamen Untersu<strong>ch</strong>ung<br />

der Störfallrisiken betraut.<br />

Im Rahmen der Internationalen Organisation<br />

für Normung (ISO) beteiligt si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz zudem<br />

an der Entwicklung einer standardisierten<br />

Terminologie für Nanomaterialien, von entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Normen für den S<strong>ch</strong>utz am Arbeitsplatz<br />

sowie von harmonisierten Messmethoden<br />

und Testri<strong>ch</strong>tlinien.<br />

Dem gegenseitigen Erfahrungsaustaus<strong>ch</strong><br />

dient au<strong>ch</strong> ein von der S<strong>ch</strong>weiz initiiertes Netzwerk<br />

mit Umwelt­ und Gesundheitsbehörden aus<br />

den deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen Ländern Deuts<strong>ch</strong>land,<br />

Österrei<strong>ch</strong> und Lie<strong>ch</strong>tenstein. Die vier Staaten<br />

organisieren gemeinsam regelmässige Informationstreffen<br />

zu wi<strong>ch</strong>tigen Fragen rund um die<br />

<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> – so etwa zu den Themen Si<strong>ch</strong>erheitsdatenblätter,<br />

Öffentli<strong>ch</strong>keitsarbeit oder<br />

Versi<strong>ch</strong>erbarkeit mögli<strong>ch</strong>er Risiken. Dadur<strong>ch</strong><br />

erhält die S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong>en Zugang zu<br />

Informationen über wi<strong>ch</strong>tige Entwicklungen innerhalb<br />

der Europäis<strong>ch</strong>en Union.<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-10<br />

Beat Jordi<br />

Rund um den Globus<br />

beteiligt si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz<br />

an der Aufklärung von<br />

Regierungsstellen aus<br />

Entwicklungs- und<br />

S<strong>ch</strong>wellenländern über das<br />

Risikomanagement<br />

im Umgang mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>.<br />

Hier engagiert<br />

si<strong>ch</strong> der ehemalige<br />

<strong>BAFU</strong>-Abteilungs<strong>ch</strong>ef Georg<br />

Karlaganis (zweiter von<br />

re<strong>ch</strong>ts) an einem Workshop<br />

der internationalen<br />

Organisa tionen UNITAR und<br />

OECD für die afrikanis<strong>ch</strong>en<br />

Staaten in Abidjan an der<br />

Elfenbeinküste.<br />

Bild: UNITAR<br />

KONTAKT<br />

Gabi Eigenmann<br />

Sektion Globales<br />

Abteilung Internationales<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 322 93 03<br />

gabi.eigenmann@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

35


NANOMEDIZIN UND ETHIK<br />

Medizin auf<br />

den Punkt gebra<strong>ch</strong>t<br />

Alle wesentli<strong>ch</strong>en Vorgänge des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Stoffwe<strong>ch</strong>sels spielen si<strong>ch</strong> in der Nanodimension ab. Wer sie<br />

versteht und gezielt beeinflussen kann, hält den S<strong>ch</strong>lüssel zur Lösung vieler medizinis<strong>ch</strong>er Probleme in der Hand.<br />

Aus ethis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t sollten die Vor- und Na<strong>ch</strong>teile der neu entwickelten Nanosubstanzen und Verfahren allerdings<br />

umfassend abgewogen werden.<br />

36<br />

Nanote<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e Anwendungen sind häufig<br />

nur s<strong>ch</strong>wer von anderen te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Verfahren<br />

abzugrenzen. Oft bringen sie nämli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts<br />

grundsätzli<strong>ch</strong> Neues, sondern verbessern einzig<br />

herkömmli<strong>ch</strong>e Produkte. In der Medizin etwa<br />

können nanoskalige Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen helfen,<br />

dass Prothesen – wie Hüftgelenke aus Stahl oder<br />

Zahnimplantate aus Titan – vom Körper besser<br />

vertragen und weniger ras<strong>ch</strong> abgenutzt werden.<br />

Kaum in die S<strong>ch</strong>ranken zu weisen. In eine S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />

eingebundene Nanopartikel gelten als verglei<strong>ch</strong>sweise<br />

wenig riskant. Denno<strong>ch</strong> gibt es offene<br />

Fragen. So verliert etwa ein Implantat, das<br />

dauerhaft im Körper verbleibt, dur<strong>ch</strong> den Abrieb<br />

ständig Partikel. Je na<strong>ch</strong> Grösse können diese in<br />

die Blutbahn gelangen und natürli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ranken<br />

im Körper – wie zum Beispiel die Plazenta<br />

– überwinden. Fors<strong>ch</strong>er aus Louisiana (USA) entdeckten<br />

im Blut von Neugeborenen Spuren der<br />

Metalle Kobalt und Chrom, die aus dem künstli<strong>ch</strong>en<br />

Hüftgelenk der Mutter stammten.<br />

Wie neuste Untersu<strong>ch</strong>ungen der Eidgenössis<strong>ch</strong>en<br />

Materialprüfungs­ und Fors<strong>ch</strong>ungsanstalt<br />

(Empa) bestätigen, s<strong>ch</strong>irmt die Plazenta den<br />

kindli<strong>ch</strong>en Kreislauf ni<strong>ch</strong>t vollständig von Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />

ab: Im Rahmen einer Simulation beoba<strong>ch</strong>teten<br />

die Wissens<strong>ch</strong>aftler, dass 200 bis 300<br />

Nanometer kleine Partikel die Plazenta dur<strong>ch</strong>dringen<br />

können.<br />

Dass ungeborene Kinder von einer medizinis<strong>ch</strong>en<br />

Behandlung der Mutter mitbetroffen sind,<br />

ist freili<strong>ch</strong> ein Dilemma, das si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur in<br />

der Nanomedizin stellt. «Um eine ethis<strong>ch</strong>e Abklärung<br />

vornehmen zu können, muss i<strong>ch</strong> wissen,<br />

ob ein Nanomaterial überhaupt Risiken für<br />

das Kind birgt», erläutert der Ethiker Andreas<br />

Ba<strong>ch</strong>mann von der Sektion Biote<strong>ch</strong>nologie beim<br />

<strong>BAFU</strong>. Im Auftrag der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Ethikkommission<br />

für die Biote<strong>ch</strong>nologie im Ausser­<br />

humanberei<strong>ch</strong> (EKAH) hat er früher vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Guta<strong>ch</strong>ten zum Thema erstellt. «Nur weil<br />

etwas Nano heisst, muss es ja ni<strong>ch</strong>t zwangsläufig<br />

gefährli<strong>ch</strong> sein.» Im Fall einer S<strong>ch</strong>wangeren und<br />

ihres Fötus ist ausserdem der moralis<strong>ch</strong>e Status<br />

der Betroffenen mitzubedenken. «Ein Embryo<br />

hat mögli<strong>ch</strong>erweise einen anderen Stellenwert<br />

als das Neugeborene oder die Mutter.» Ans<strong>ch</strong>liessend<br />

verfährt der Ethiker na<strong>ch</strong> der übli<strong>ch</strong>en<br />

gedankli<strong>ch</strong>en Systematik: «Man muss Szenarien<br />

kennen und die Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit, mit der sie<br />

eintreten könnten – nur so lässt si<strong>ch</strong> ein S<strong>ch</strong>aden<br />

abs<strong>ch</strong>ätzen.» Falls keine entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Angaben vorliegen, fordert Andreas Ba<strong>ch</strong>mann,<br />

dem Vorsorgeprinzip zu folgen: «Solange wir das<br />

Risiko ni<strong>ch</strong>t kennen, dürfen wir Dritte keiner<br />

Gefahr aussetzen.»<br />

Zielgenaue Eingriffe. Wenn auf molekularer<br />

Ebene bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong> mit kleinsten Instrumenten<br />

operiert werden kann, steigt die Zielsi<strong>ch</strong>erheit<br />

des medizinis<strong>ch</strong>en Eingriffs. Gefors<strong>ch</strong>t wird<br />

beispielsweise an winzigen Transportbehältern,<br />

die therapeutis<strong>ch</strong>e Substanzen punktgenau dorthin<br />

bringen, wo sie ihre Wirkung entfalten sollen.<br />

Das Grundprinzip besti<strong>ch</strong>t: Ein Wirkstoff,<br />

den der Körper sonst s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t aufnimmt oder gar<br />

abbaut, no<strong>ch</strong> bevor er sein Ziel errei<strong>ch</strong>t hat, wird<br />

in Nanocontainer eingekapselt. Diese sind so winzig,<br />

dass sie von der Immunabwehr des Körpers<br />

ni<strong>ch</strong>t erkannt werden und bei Bedarf sogar die<br />

Blut­Hirn­S<strong>ch</strong>ranke zu überwinden vermögen.<br />

Die Nanote<strong>ch</strong>nik kann au<strong>ch</strong> dort zum Einsatz<br />

kommen, wo bisher Skalpell und Bestrahlung<br />

unumgängli<strong>ch</strong> waren – etwa bei der Krebsbehandlung,<br />

wo es besonders wi<strong>ch</strong>tig ist, krankes<br />

Gewebe mögli<strong>ch</strong>st vollständig zu entfernen und<br />

dabei gesunde Zellen zu s<strong>ch</strong>onen. Für S<strong>ch</strong>lagzeilen<br />

sorgte die am Berliner Universitätsklinikum<br />

Charité entwickelte Magnetflüssigkeits­<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Abgeriebene Metallpartikel aus künstli<strong>ch</strong>en Gelenken von S<strong>ch</strong>wangeren können<br />

über die Plazenta au<strong>ch</strong> ins Blut der Föten gelangen. Die potenziellen Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />

der Nanomedizin umfassen ein breites Spektrum von der frühzeitigen Krankheitsdiagnose<br />

über die gezielte Bekämpfung von Krebszellen bis hin zur Leistungssteigerung<br />

des zentralen Nervensystems – etwa dur<strong>ch</strong> Sehprothesen. Darstellung der<br />

Thematik aus Si<strong>ch</strong>t des Zür<strong>ch</strong>er Illustrators Lorenz Meier.<br />

37


38<br />

Hyperthermie. Eine Hauptrolle spielen dabei<br />

in einer Zuckerhülle eingekapselte Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />

aus Eisenoxid, die man direkt in eine Ges<strong>ch</strong>wulst<br />

injiziert. Über ein Magnetfeld werden<br />

die nanoskaligen Partikel ans<strong>ch</strong>liessend erhitzt,<br />

wobei sie weit höhere Temperaturen errei<strong>ch</strong>en<br />

als Eisenoxidteil<strong>ch</strong>en grösserer Dimensionen.<br />

Dadur<strong>ch</strong> kann die Medizin Krebszellen zielsi<strong>ch</strong>er<br />

abtöten. In klinis<strong>ch</strong>en Studien ist das<br />

neue Verfahren bisher insbesondere bei bösartigen<br />

Hirntumoren erfolgrei<strong>ch</strong> erprobt worden.<br />

Ein Anflug von Science-Fiction. Dereinst könnten<br />

si<strong>ch</strong> allerdings zielgenaue Eingriffe ins Gehirn<br />

ni<strong>ch</strong>t nur mit der Therapie von Krankheiten<br />

bes<strong>ch</strong>eiden, sondern gar auf die allgemeine<br />

Leistungssteigerung unseres zentralen Nervensystems<br />

abzielen. So spekulieren Futurologen<br />

beispielsweise über neuronale Sehprothesen,<br />

die pro Sekunde mehr Bilder verarbeiten als die<br />

natürli<strong>ch</strong>en Li<strong>ch</strong>tsinneszellen und damit die<br />

Reaktionsfähigkeit erhöhen könnten.<br />

In der Science­Fiction­Literatur ist der nanote<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong><br />

zum «Cyborg» aufgerüstete Mens<strong>ch</strong><br />

eine gängige Vorstellung. Wenn au<strong>ch</strong> bizarr,<br />

ist die Mis<strong>ch</strong>ung von Organismus und Mas<strong>ch</strong>ine<br />

ni<strong>ch</strong>t als sol<strong>ch</strong>e ethis<strong>ch</strong> bedenkli<strong>ch</strong>.<br />

«Wieso ni<strong>ch</strong>t, solange es si<strong>ch</strong> um urteilsfähige<br />

Mens<strong>ch</strong>en handelt, die ihre geistige Leistungsfähigkeit<br />

steigern wollen?», meint Andreas<br />

Ba<strong>ch</strong>mann. Individuelle Leistungsvorteile dur<strong>ch</strong><br />

neue Te<strong>ch</strong>nologien sollten jedo<strong>ch</strong> allen Personen<br />

zugängli<strong>ch</strong> sein, wel<strong>ch</strong>e dies wüns<strong>ch</strong>en<br />

– und zwar unabhängig von ihren materiellen<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten. Wenn nanote<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong> erzeugte<br />

Leistungssteigerungen nur einer finanzkräftigen<br />

Kunds<strong>ch</strong>aft zur Verfügung stehen, würde<br />

das Gebot der gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Fairness verletzt.<br />

«Selbst dann wäre ein Verbot aber ni<strong>ch</strong>t<br />

die einzig mögli<strong>ch</strong>e Konsequenz. Die legale Freigabe<br />

und ein gesi<strong>ch</strong>erter Zugang für alle könnte<br />

au<strong>ch</strong> ein Weg sein», sagt Andreas Ba<strong>ch</strong>mann.<br />

Andererseits darf daraus kein Zwang entstehen,<br />

denn die Gesells<strong>ch</strong>aft hat es zu respektieren,<br />

wenn einzelne Mens<strong>ch</strong>en in eigener Verantwortung<br />

auf bestimmte te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e Vorteile<br />

verzi<strong>ch</strong>ten wollen.<br />

Mehr wissen – aber ni<strong>ch</strong>t unbedingt mehr können.<br />

Nanote<strong>ch</strong>nik hat das Potenzial, au<strong>ch</strong> die medi­<br />

zinis<strong>ch</strong>e Diagnostik zu revolutionieren, weil<br />

Nanosensoren bereits kleinste Veränderungen<br />

im Gewebe na<strong>ch</strong>weisen könnten, no<strong>ch</strong> bevor<br />

erste Krankheitssymptome auftreten. Ein weiteres<br />

mögli<strong>ch</strong>es Einsatzgebiet für Nanosensoren<br />

ist die kontinuierli<strong>ch</strong>e medizinis<strong>ch</strong>e Überwa<strong>ch</strong>ung.<br />

Winzige Messgeräte könnten beispielsweise<br />

die Blutwerte s<strong>ch</strong>wangerer Frauen oder<br />

den Blutzuckerspiegel von Diabetikern kontrollieren.<br />

Es wäre sogar denkbar, Nanosensoren<br />

mit einer implantierten Insulinpumpe zu<br />

verbinden, die automatis<strong>ch</strong> vermehrt Insulin<br />

auss<strong>ch</strong>üttet, sobald der Blutzuckerspiegel über<br />

einen bestimmten Wert steigt.<br />

Wo allerdings persönli<strong>ch</strong>e Daten in grossen<br />

Mengen anfallen, gerät die Privatsphäre in Gefahr.<br />

Wenn si<strong>ch</strong> der Lebensstil von Mens<strong>ch</strong>en<br />

an den Kenngrössen ihres Stoffwe<strong>ch</strong>sels ablesen<br />

lässt, werden sie erpressbar – etwa von Krankenversi<strong>ch</strong>erungen,<br />

die ihre Prämien davon abhängig<br />

ma<strong>ch</strong>en mö<strong>ch</strong>ten, dass si<strong>ch</strong> ihre Kunden<br />

gesund ernähren und ni<strong>ch</strong>t für s<strong>ch</strong>were Krankheiten<br />

prädisponiert sind. Au<strong>ch</strong> die Forts<strong>ch</strong>ritte<br />

in der Diagnostik haben zwei Seiten. Wenn<br />

Krankheiten nämli<strong>ch</strong> immer häufiger voraus­<br />

Nanote<strong>ch</strong>nik hat das Potenzial, au<strong>ch</strong> die medizinis<strong>ch</strong>e Diagnostik zu<br />

revolutionieren, weil Nanosensoren bereits kleinste Veränderungen im Gewebe<br />

na<strong>ch</strong>weisen können, no<strong>ch</strong> bevor erste Krankheitssymptome auftreten.<br />

KONTAKT<br />

Andreas Ba<strong>ch</strong>mann<br />

Sektion Biote<strong>ch</strong>nologie<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 324 25 50<br />

andreas.ba<strong>ch</strong>mann@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

gesehen werden, no<strong>ch</strong> bevor sie überhaupt ausbre<strong>ch</strong>en<br />

oder ohne dass es eine Therapie dafür<br />

gibt, dürfte dies ni<strong>ch</strong>t ohne Auswirkungen auf<br />

das Körperbild und das Lebensgefühl der Mens<strong>ch</strong>en<br />

bleiben.<br />

Jeden Fall einzeln beurteilen. Der medizinis<strong>ch</strong>e<br />

Einsatz der Nanote<strong>ch</strong>nik mag neu sein – die<br />

damit verbundenen ethis<strong>ch</strong>en Aspekte sind es<br />

ni<strong>ch</strong>t. «Es gibt keine grundsätzli<strong>ch</strong> neuen ethis<strong>ch</strong>en<br />

Fragen in diesem Berei<strong>ch</strong>», stellt Andreas<br />

Ba<strong>ch</strong>mann fest. «Vielmehr geht es darum, die<br />

bekannten ethis<strong>ch</strong>en Regeln – wie etwa die<br />

Prinzipien der Vorsorge und der Solidarität – in<br />

Bezug auf Probleme in der Nanote<strong>ch</strong>nik zu spezifizieren.<br />

Das ist dur<strong>ch</strong>aus sinnvoll, aber ni<strong>ch</strong>ts<br />

irgendwie Revolutionäres.» So spri<strong>ch</strong>t er si<strong>ch</strong><br />

denn au<strong>ch</strong> gegen eine spezielle Nanoethik aus,<br />

wie sie von gewissen Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen<br />

gefordert wird. Wi<strong>ch</strong>tig ist aus seiner<br />

Si<strong>ch</strong>t vielmehr, dass jede Anwendung gesondert<br />

und im mögli<strong>ch</strong>st vollständigen Wissen um ihre<br />

potenziellen Folgen beurteilt wird.<br />

Lucienne Rey<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-11<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>


Umweltrelevante Pläne frühzeitig prüfen<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

International<br />

Die Strategis<strong>ch</strong>e Umweltprüfung (SUP) ermittelt die Umweltauswirkungen eines Programms oder eines<br />

Plans. Im Gegensatz zur Umweltverträgli<strong>ch</strong>keitsprüfung (UVP) untersu<strong>ch</strong>t die SUP die Auswirkungen<br />

weniger detailliert, dafür aber breiter, und zeigt au<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>e Alternativen und Varianten auf.<br />

Die SUP kommt vorab bei Plänen und Programmen zum Einsatz, die den Rahmen für künftige UVPpfli<strong>ch</strong>tige<br />

Projekte setzen oder Berei<strong>ch</strong>e wie Verkehr, Energie, Landwirts<strong>ch</strong>aft oder Tourismus betreffen.<br />

Sie wurde in den letzten Jahren in allen Na<strong>ch</strong>barländern der S<strong>ch</strong>weiz und in der Europäis<strong>ch</strong>en<br />

Union gesetzli<strong>ch</strong> verankert. Im Mai 2003 wurde das «SUP­Protokoll» der Wirts<strong>ch</strong>aftskommission für<br />

Europa der Vereinten Nationen (UNECE) an der Paneuropäis<strong>ch</strong>en Umweltministerkon ferenz in Kiew<br />

(Ukraine) von 35 Staaten und der Europäis<strong>ch</strong>en Kommission unterzei<strong>ch</strong>net. Das Protokoll trat am<br />

11. Juli <strong>2010</strong> in Kraft, na<strong>ch</strong>dem es von genügend Staaten ratifiziert worden war.<br />

Die S<strong>ch</strong>weiz hat das Protokoll no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ratifiziert. Allerdings ist im Kanton Genf die SUP für<br />

ausgewählte Pläne bereits gesetzli<strong>ch</strong> verankert und wird angewendet. Auf freiwilliger Basis ist sie<br />

au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on im Kanton Waadt dur<strong>ch</strong>geführt worden. Auf Bundesebene wird im Rahmen der Bestrebungen,<br />

die Berei<strong>ch</strong>e Umwelts<strong>ch</strong>utz und Raumplanung besser zu koordinieren, eine Wirkungsbeurteilung<br />

vorges<strong>ch</strong>lagen. Sie vereint die Anliegen der Na<strong>ch</strong>haltigkeitsbeurteilung (NHB) und der<br />

SUP. Das <strong>BAFU</strong> und das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) arbeiten derzeit an einer entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Methodik für die Anwendung bei der kantonalen Ri<strong>ch</strong>tplanung.<br />

«Historis<strong>ch</strong>e Auffüllung» des Globalen Umweltfonds<br />

Der 1991 gegründete Globale Umweltfonds (GEF) ist das Finanzierungsinstrument für die wi<strong>ch</strong>tigsten<br />

internationalen Umweltabkommen. Mit dem Geld werden Umwelts<strong>ch</strong>utzprojekte in<br />

Entwicklungs­ und Transitionsländern finanziert. Getragen wird er von 181 Ländern, internationalen<br />

Institutionen, Akteuren der Zivilgesells<strong>ch</strong>aft und des Privatsektors. Bisherige Ausgaben:<br />

9 Milliarden US­Dollar. Hinzu kommen zusätzli<strong>ch</strong>e Investitionen von 36 Milliarden Dollar, die dur<strong>ch</strong><br />

Dritte ausgelöst wurden. Im Mai <strong>2010</strong> einigten si<strong>ch</strong> die Geberländer auf die fünfte und bisher<br />

hö<strong>ch</strong>ste Wiederauffüllung des Fonds seit der Gründung: Die Beiträge wurden gegenüber jenen vor<br />

4 Jahren um 52 Prozent erhöht. Für GEF­5 stehen 4,2 Milliarden Dollar für Projekte zur Verfügung.<br />

Angesi<strong>ch</strong>ts der gegenwärtigen Finanzkrise und der laufenden Budgetkürzungen in den einzelnen<br />

Ländern spri<strong>ch</strong>t <strong>BAFU</strong>­Mitarbeiter Reinhard Gasser von einer «historis<strong>ch</strong>en Wiederauffüllung und<br />

einem positiven Signal insbesondere im Hinblick auf die Vertragsstaatenkonferenzen der Konventionen<br />

für Klima und Biodiversität». Weiterhin wird der GEF den grössten Teil der Beiträge für Klima<br />

und Bio diversität verwenden. Die S<strong>ch</strong>weiz hat si<strong>ch</strong> dafür eingesetzt, dass au<strong>ch</strong> Mittel für die Herausforderungen<br />

im Berei<strong>ch</strong> umweltbelastender Chemikalien zur Verfügung stehen.<br />

Niklaus Hilty<br />

Sektion UVP und Raumordnung<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 322 68 92<br />

nikolaus.hilty@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uvp ><br />

SUP > Grundlagenpapier<br />

Reinhard Gasser<br />

Sektion Europa und Bilaterales<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 322 97 77<br />

reinhard.gasser@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

39


Vor Ort<br />

40<br />

SO<br />

Neuer Lebensraum für Stör<strong>ch</strong>e<br />

Dank grosser Anstrengungen konnten die Bestände<br />

des Weissstor<strong>ch</strong>s in der S<strong>ch</strong>weiz stabilisiert<br />

werden. Derzeit leben hierzulande rund<br />

220 Brutpaare. Die Fortpflanzungsrate der<br />

Tiere (1,65 pro Paar) ist für eine Bestandszunahme<br />

aber ungenügend. Die Lebensgrund lage<br />

der Stör<strong>ch</strong>e ist na<strong>ch</strong> wie vor gefährdet, was<br />

si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> im Aktionsplan Weissstor<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weiz<br />

des Bundes widerspiegelt: Es fehlt an nahrungsrei<strong>ch</strong>en<br />

Wiesen, Weihern oder ungestörten<br />

Nistplätzen. Zur Verbesserung der Situation<br />

sollen nun in der Nähe von Selza<strong>ch</strong> Parzellen<br />

in der landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Nutzflä<strong>ch</strong>e gezielt<br />

aufgewertet werden. Mögli<strong>ch</strong>e Massnahmen<br />

des Pilotprojekts «Stor<strong>ch</strong>enwiese»: das An säen<br />

von extensivem Grünland und Feu<strong>ch</strong>twiesen<br />

oder das Platzieren von zwei Bruthilfen in der<br />

Nähe der Parzellen. Dieses neue Projekt will<br />

die langjährigen Bemühungen der Stor<strong>ch</strong>-Wiederansiedlung<br />

im bena<strong>ch</strong>barten Altreu weiterführen.<br />

> Mark Stru<strong>ch</strong>, Amt für Wald, Jagd und Fis<strong>ch</strong>erei,<br />

Solothurn, 032 627 25 96, mark.stru<strong>ch</strong>@vd.so.<strong>ch</strong><br />

LU<br />

Weniger Hürden für Biomasse<br />

Der Kanton Luzern will den Anteil erneuerbarer<br />

Energien bis ins Jahr 2030 verdoppeln. Des-<br />

halb vereinfa<strong>ch</strong>t er die Bewilligungsverfahren<br />

für landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Biogasanlagen (bisher<br />

6 landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e und 4 gewerbli<strong>ch</strong>-industrielle).<br />

Neu soll ein Bewilligungsents<strong>ch</strong>eid für<br />

landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Biogasanlagen mit einem<br />

Co-Substrat-Anteil von bis zu 20 Prozent bereits<br />

innerhalb von 40 Arbeitstagen gefällt werden.<br />

Zudem wird das Limit von bisher 10 000<br />

auf 15 000 Tonnen Biomasse pro Jahr für eine<br />

Anlage ausserhalb der Bauzone erhöht. Der<br />

Kanton s<strong>ch</strong>ätzt das Energiepotenzial der nutzbaren<br />

Biomasse auf 1100 Terajoule, was dem<br />

Heizölbedarf von 17 000 Einfamilienhäusern<br />

entspri<strong>ch</strong>t.<br />

> Christoph Böbner, Dienststelle Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />

und Wald, Sursee, 041 925 10 01,<br />

<strong>ch</strong>ristoph.boebner@lu.<strong>ch</strong><br />

BL<br />

Wegleitung für Tiere<br />

zVg<br />

Die ehemalige Tongrube der Ziegelei Oberwil<br />

ist ein Amphibienlai<strong>ch</strong>gebiet von nationaler<br />

Bedeutung. Nun setzt der Kanton ein neues<br />

Leitsystem für Amphibien, Igel, Mauswiesel,<br />

Iltis, Feldhase oder Da<strong>ch</strong>s ein. Leitelemente<br />

aus Beton werden mit Dur<strong>ch</strong>lässen kombiniert,<br />

die unter Strassen hindur<strong>ch</strong>führen. Damit errei<strong>ch</strong>en<br />

die Tiere gefahrlos die andere Strassenseite.<br />

Bisher wurden 600 Meter Leitsystem,<br />

41 Meter Stopprinnen und 36 Meter Kleintierdur<strong>ch</strong>lässe<br />

gebaut. Im laufenden Jahr sollen<br />

300 Meter Leitsystem hinzukommen.<br />

> Robert Leu, Bau- und Umwelts<strong>ch</strong>utzdirektion,<br />

Liestal, 061 706 29 02, robert.leu@bl.<strong>ch</strong><br />

BE<br />

Erstes Hybridpostauto<br />

Die PostAuto S<strong>ch</strong>weiz AG testet in der Region<br />

Bern den weltweit ersten Hybridautobus. Diese<br />

Fahrzeuge sparen im Stadtverkehr am meisten<br />

Treibstoff. PostAuto will nun testen, wie si<strong>ch</strong><br />

das Hybridpostauto diesbezügli<strong>ch</strong> im Überlandverkehr<br />

bewährt. Man re<strong>ch</strong>net mit einer<br />

Verbrau<strong>ch</strong>sreduzierung von 15 bis 25 Prozent<br />

gegenüber herkömmli<strong>ch</strong>en Dieselbussen. Beim<br />

Hybridantrieb teilt si<strong>ch</strong> ein Dieselmotor mit<br />

einem Elektroaggregat die Arbeit. Zudem<br />

wird die Energie, die beim Bremsen entsteht,<br />

dort gespei<strong>ch</strong>ert. So fährt der Bus bei stockendem<br />

Verkehr ohne Treibstoff und Abgase.<br />

Hybridbusse sind im Verglei<strong>ch</strong> zu reinen Dieselfahrzeugen<br />

aber teurer und au<strong>ch</strong> auf das knapper<br />

werdende Erdöl angewiesen. Deshalb will<br />

PostAuto ab 2011 Wasserstoffantriebe testen.<br />

> Mariano Masserini, S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Post, Bern,<br />

058 338 36 30, mariano.masserini@post.<strong>ch</strong><br />

BE / VD<br />

Mondfühlige Bäume<br />

Es ist eine alte Bauernregel: Nadelholz, das bei<br />

abnehmendem Mond ges<strong>ch</strong>lagen wird, soll widerstandsfähiger<br />

sein. Die «Mondholz-Theorie»<br />

wurde in den vergangenen Jahren von der Wissens<strong>ch</strong>aft<br />

vornehmli<strong>ch</strong> in die esoteris<strong>ch</strong>e Ecke<br />

gestellt. Nun legt eine Studie der Berner Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />

Ar<strong>ch</strong>itektur, Holz und Bau und der<br />

ETH Lausanne (EPFL) nahe, dass an der alten<br />

Bauernregel etwas dran ist. Die Auswertung von<br />

20 000 Testproben ergab, dass die untersu<strong>ch</strong>ten<br />

Hölzer (Fi<strong>ch</strong>te und Edelkastanie) je na<strong>ch</strong> Mondphase<br />

kleine, aber statistis<strong>ch</strong> signifikante Unter-<br />

zVg<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong>


s<strong>ch</strong>iede hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Wasserverlust, Di<strong>ch</strong>te und<br />

S<strong>ch</strong>windverhalten aufweisen. Einen abs<strong>ch</strong>liessenden<br />

Beweis, dass Mondholz widerstandsfähiger<br />

ist, liefert die Studie hingegen ni<strong>ch</strong>t.<br />

> Ernst Zür<strong>ch</strong>er, Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Ar<strong>ch</strong>itektur,<br />

Holz und Bau, Biel, 032 344 02 02,<br />

ernst.zuer<strong>ch</strong>er@bfh.<strong>ch</strong><br />

umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

BS / BE / SO / ZH<br />

Fingerfood ohne Abfall<br />

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Lebensmittel-<br />

und Getränkeinnovation an der<br />

Zür<strong>ch</strong>er Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule für Angewandte Wissens<strong>ch</strong>aften<br />

(ZHAW) haben Umweltämter und<br />

Entsorgungsbetriebe aus den Kantonen Basel-<br />

Stadt, Bern, Solothurn und Züri<strong>ch</strong> einen speziellen<br />

Ideenwettbewerb lanciert: Gesu<strong>ch</strong>t waren<br />

innovative, abfallarme Fingerfood-Lösungen<br />

für Grossanlässe wie zum Beispiel Open-Air-<br />

Konzerte, die oft riesige Abfallberge hinterlassen.<br />

Das Projekt soll weitere Innovationen<br />

an stossen und etwa Cateringunternehmen für<br />

die Thematik sensibilisieren.<br />

> www.fingerfood<strong>2010</strong>.<strong>ch</strong><br />

VD<br />

Sonne für sauberes Trinkwasser<br />

Die Waadtländer Firma Swiss INSO hat eine<br />

Anlage entwickelt, die pro Tag aus Brackwasser<br />

bis zu 100 000 und aus Meerwasser bis zu<br />

50 000 Liter Trinkwasser gewinnen kann. Die<br />

«Krystall»-Anlage ist in zwei S<strong>ch</strong>iffscontainer<br />

eingebaut. Aufgrund einer Filterte<strong>ch</strong>nologie, die<br />

mit wenig Wasserdruck funktioniert, rei<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

von Solarzellen gelieferter Strom<br />

zVg<br />

aus. Die Anlage kann für Hilfsorganisationen,<br />

Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen oder Regierungen<br />

in Entwicklungsländern ebenso interessant<br />

sein wie für Hotels und für Inseln, wo die Zufuhr<br />

von Trinkwasser kostspielig ist.<br />

> Swiss INSO, Lausanne, 021 641 19 30,<br />

www.swissinso.com, contact@swissinso.com<br />

SO<br />

Die «Solar-S<strong>ch</strong>weizer-Meister»<br />

Na<strong>ch</strong> zwei Jahren gezielter Förderung von<br />

Solaranlagen mausert si<strong>ch</strong> die 250-Seelen-<br />

Gemeinde Hessigkofen immer mehr zur<br />

S<strong>ch</strong>weizer Meisterin in der Nutzung von Sonnenenergie.<br />

Insgesamt rund 580 Quadratmeter<br />

Solarpanels – also mehr als zwei Quadratmeter<br />

pro Kopf – wurden im «Solardorf» mittlerweile<br />

installiert. Dabei handelt es si<strong>ch</strong> bei rund einem<br />

Drittel um thermis<strong>ch</strong>e Sonnenkollektoren<br />

(zur Warmwassergewinnung) und bei zwei Dritteln<br />

um Photovoltaikanlagen (zur Stromerzeugung).<br />

Nun soll eine Photovoltaikanlage s<strong>ch</strong>on<br />

bald den Strombedarf für die lokale Strassenbeleu<strong>ch</strong>tung<br />

decken.<br />

> Patrik Lis<strong>ch</strong>er, Gemeinderat Hessigkofen,<br />

Ressort Umwelt, 032 661 17 38,<br />

palis<strong>ch</strong>er@bluewin.<strong>ch</strong>, www.hessigkofen.<strong>ch</strong><br />

CH<br />

Mehr Totholz, mehr Spe<strong>ch</strong>te<br />

Das neuste Landesforstinventar (LFI) weist für<br />

den Zeitraum von 1995 bis 2005 einen Anstieg<br />

des Totholzvorrats von knapp 11 auf nahezu<br />

19 Kubikmeter pro Hektare aus. Diese Ent-<br />

zVg<br />

wicklung kam gemäss einer Publikation in<br />

der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Zeits<strong>ch</strong>rift für Forstwesen<br />

mehreren Waldvögeln zugute. Die Überwa<strong>ch</strong>ung<br />

des Brutvogelbestands dur<strong>ch</strong> die<br />

S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Vogelwarte hat eine Zunahme<br />

der Populationen von S<strong>ch</strong>warzspe<strong>ch</strong>t, Buntspe<strong>ch</strong>t,<br />

Mittelspe<strong>ch</strong>t, Kleinspe<strong>ch</strong>t, Grünspe<strong>ch</strong>t<br />

und Dreizehenspe<strong>ch</strong>t sowie von Haubenmeise,<br />

Mön<strong>ch</strong>smeise und Waldbaumläufer zwis<strong>ch</strong>en<br />

1990 und 2008 ergeben. Das höhere Totholzangebot<br />

dürfte bei den meisten dieser Arten<br />

der wi<strong>ch</strong>tigste Grund für den Bestandszuwa<strong>ch</strong>s<br />

sein, da es ihnen wi<strong>ch</strong>tigen Lebensraum bietet.<br />

> Pierre Mollet, S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Vogelwarte,<br />

Sempa<strong>ch</strong>, Tel. 041 462 97 41, www.vogelwarte.<strong>ch</strong><br />

BE<br />

Reservat für bedrohte Vögel<br />

zVg<br />

Hasel- und Auerhühner werden in unseren<br />

Breitengraden immer seltener. Der Kanton<br />

Bern und die Burgergemeinde Wattenwil wollen<br />

nun im Gurnigelgebiet ein Teilreservat für<br />

Auer- und Haselhühner s<strong>ch</strong>affen. Dort sollen<br />

die bedrohten Vögel ideale Lebensbedingungen<br />

vorfinden. Auf einer Flä<strong>ch</strong>e von 62,3 Hektaren<br />

(Vergrösserung geplant) werden unter anderem<br />

alte Bäume als S<strong>ch</strong>laf- und Balzbäume stehen<br />

gelassen. Zudem wird in der Balz- und Aufzu<strong>ch</strong>tzeit<br />

(April bis Juli) auf Forstarbeiten verzi<strong>ch</strong>tet.<br />

Darüber hinaus sollen neue Li<strong>ch</strong>tungen<br />

entstehen sowie die Verjüngung gefördert und<br />

ein entspre<strong>ch</strong>endes Nahrungsangebot (Ameisenhaufen,<br />

Heidel- und Himbeersträu<strong>ch</strong>er) begünstigt<br />

werden.<br />

> Philipp Mös<strong>ch</strong>, Amt für Wald, Waldabteilung 5,<br />

Bern, 031 808 11 22, philipp.moes<strong>ch</strong>@vol.be.<strong>ch</strong><br />

41


LÄRMBEKÄMPFUNG<br />

Neue Grenzwerte für<br />

militäris<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>iessanlagen<br />

Ungefähr 20 000 Personen in der S<strong>ch</strong>weiz sind gegenwärtig einer Lärmbelastung über<br />

den neuen Grenzwerten für militäris<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>iessen ausgesetzt. S<strong>ch</strong>on bald dürfen sie<br />

auf etwas mehr Ruhe hoffen. Auf den betroffenen Waffen-, S<strong>ch</strong>iess- und Übungsplätzen<br />

werden fallweise konkrete Sanierungsmassnahmen untersu<strong>ch</strong>t.<br />

Na<strong>ch</strong> Vufflens­le­Château liegen die Haltestellen<br />

an der Eisenbahnlinie Bière–<br />

Apples–Morges (BAM) im Waadtland immer<br />

weiter auseinander. Wenn die<br />

beiden grünen Waggons na<strong>ch</strong> rund<br />

einer halben Stunde den Zielbahnhof<br />

Bière auf 700 Metern über Meer errei<strong>ch</strong>en,<br />

ist die Luft merkli<strong>ch</strong> kühler als<br />

unten in Morges. Die Türen öffnen si<strong>ch</strong><br />

auf ein friedli<strong>ch</strong>es 1500­Seelen­Dorf. Es<br />

ist ein ruhiger Montagna<strong>ch</strong>mittag im<br />

März, irgendwo bellt ein Hund, die Vögel<br />

zwits<strong>ch</strong>ern, und ein Traktor fährt<br />

vorbei. Einzig die gelben Signaltafeln<br />

mit der Aufs<strong>ch</strong>rift «Casernes» weisen darauf<br />

hin, dass si<strong>ch</strong> hier in kaum 10 Fussminuten<br />

Entfernung der na<strong>ch</strong> Thun<br />

zweitgrösste Waffenplatz des Landes befindet.<br />

Seit der Armeereform XXI und<br />

einem Truppenabbau im Jahr 2006 ist<br />

Bière Sitz des Ausbildungszentrums<br />

der S<strong>ch</strong>weizer Artillerie. Auf dem Waffenplatz<br />

finden im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt jährli<strong>ch</strong><br />

200 S<strong>ch</strong>iesstage statt, was rund<br />

10 000 S<strong>ch</strong>üssen mit grosskalibriger<br />

Munition und einer Million kleinkalibrigen<br />

Patronen entspri<strong>ch</strong>t. An diesem<br />

Tag stehen vier Panzerhaubitzen M109<br />

im Einsatz. Vom unteren Teil der Ebene<br />

zielen sie Ri<strong>ch</strong>tung Mar<strong>ch</strong>airuz­Passstrasse<br />

auf eine Reihe von Steinbrü<strong>ch</strong>en<br />

in etwa zwei Kilometern Entfernung.<br />

Die Ges<strong>ch</strong>osse sind platziert, zwei Männer<br />

in Leu<strong>ch</strong>twesten führen eine letzte<br />

Kontrolle dur<strong>ch</strong>. Die S<strong>ch</strong>üsse werden abgefeuert,<br />

und zur eigenen Überras<strong>ch</strong>ung<br />

42<br />

vibriert 50 Meter von den Panzerfahrzeugen<br />

entfernt der Brustkorb, während<br />

es den Ohren gut geht.<br />

Ein friedli<strong>ch</strong>es Dorf. Weniger als einen<br />

Kilometer nördli<strong>ch</strong> – zwis<strong>ch</strong>en der Strasse<br />

na<strong>ch</strong> Gimel und dem Wald entlang<br />

des Flüss<strong>ch</strong>ens Aubonne – begrüssen<br />

einige Pferde auf einem ehemaligen<br />

Bauernhof den Besu<strong>ch</strong>er in aller Ruhe.<br />

Die S<strong>ch</strong>üsse vom Waffenplatz stören sie<br />

in keiner Weise. Dies bestätigt au<strong>ch</strong> ihr<br />

Besitzer, der si<strong>ch</strong> weniger über die militäris<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>iessanlagen als vielmehr<br />

über die vierrädrigen Quads aufregt, die<br />

am Wo<strong>ch</strong>enende über das Gebiet herfallen.<br />

Ähnli<strong>ch</strong> reagiert au<strong>ch</strong> der Dorfmetzger<br />

auf die Frage na<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>en<br />

Immissionen dur<strong>ch</strong> den nahen Waffenplatz.<br />

«Heute haben sie do<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t<br />

ges<strong>ch</strong>ossen?», meint er zu seinem Mitarbeiter.<br />

Do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t alle Anwohnenden<br />

nehmen den S<strong>ch</strong>iesslärm so gelassen<br />

hin. Vielmehr gibt es au<strong>ch</strong> Betroffene,<br />

die si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> gestört fühlen.<br />

Das Umwelts<strong>ch</strong>utzgesetz (USG) und<br />

die Lärms<strong>ch</strong>utz­Verordnung (LSV) von<br />

1986 s<strong>ch</strong>reiben den S<strong>ch</strong>utz der Bevölkerung<br />

vor s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>en oder lästigen<br />

Lärmimmissionen vor. Für den Lärm<br />

von militäris<strong>ch</strong>en Waffen­, S<strong>ch</strong>iess­ und<br />

Übungsplätzen stützte man si<strong>ch</strong> bisher<br />

auf eine Empfehlung aus dem Jahr<br />

1994, die provisoris<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong>twerte für<br />

neue und alte Anlagen festlegt. Inzwis<strong>ch</strong>en<br />

hat die Eidgenössis<strong>ch</strong>e Kommission<br />

für Lärmbekämpfung (EKLB) die er­<br />

forderli<strong>ch</strong>en Grundlagen zur Festlegung<br />

verbindli<strong>ch</strong>er Belastungsgrenzwerte<br />

erarbeitet. Sie orientierte si<strong>ch</strong> dabei an<br />

den wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Erkenntnissen<br />

einer kürzli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>geführten Studie<br />

der Eidgenössis<strong>ch</strong>en te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />

Züri<strong>ch</strong> (ETHZ) und der Eidgenössis<strong>ch</strong>en<br />

Materialprüfungs­ und Fors<strong>ch</strong>ungsanstalt<br />

(Empa) im Umfeld der<br />

a<strong>ch</strong>t militäris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>iessplätze Bière<br />

(VD), Thun (BE), Wangen an der Aare<br />

(BE), Gehren­Erlinsba<strong>ch</strong> (AG), Krähtal­<br />

Riniken (AG), Walenstadt (SG), Herisau­<br />

Gossau (AR/SG) und Chur (GR). Die entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Änderungen der LSV sind<br />

nun per August <strong>2010</strong> in Kraft getreten.<br />

Neue Grenzwerte. Die neue Regelung zur<br />

Lärmexposition der Bevölkerung dur<strong>ch</strong><br />

militäris<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>iessanlagen erfolgte in<br />

vier S<strong>ch</strong>ritten. 2007 wurde mit einer<br />

Umfrage bei rund tausend Anwohnern<br />

in der Nähe eines Waffenplatzes der<br />

Grad der Belästigung eruiert. Glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

erhoben Fa<strong>ch</strong>leute von ETHZ und<br />

Empa anhand von Armeedaten alle im<br />

Lauf des Jahres stattfindenden S<strong>ch</strong>iessaktivitäten.<br />

Dana<strong>ch</strong> ermittelten sie für<br />

jede befragte Person das Total der daraus<br />

entstehenden akustis<strong>ch</strong>en Energie.<br />

«Die erhöhte Störwirkung dur<strong>ch</strong> Lärmimmissionen<br />

während der Na<strong>ch</strong>tstunden<br />

und übers Wo<strong>ch</strong>enende wird mit<br />

einem Malus berücksi<strong>ch</strong>tigt», erklärt<br />

Hans Bögli, Chef der Sektion Luftfahrt,<br />

Militär und Gesundheit bei der <strong>BAFU</strong>­<br />

Abteilung Lärmbekämpfung. Auf die<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Lärmbekämpfung


Dauerbes<strong>ch</strong>uss für die Ohren der Anwohnenden:<br />

Allein auf dem Waffenplatz Bière<br />

(VD) werden pro Jahr rund eine Million<br />

kleinkalibrige Patronen und 10 000 S<strong>ch</strong>üsse<br />

mit grosskalibriger Munition abgefeuert.<br />

Bild: Zentrum elektronis<strong>ch</strong>e Medien (ZEM)<br />

Lärmbekämpfung > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Festlegung von spezifis<strong>ch</strong>en Belastungsgrenzwerten<br />

für die Na<strong>ch</strong>t hat man verzi<strong>ch</strong>tet,<br />

weil der S<strong>ch</strong>iessbetrieb auf militäris<strong>ch</strong>en<br />

Anlagen in dieser Zeit kaum von<br />

Bedeutung ist.<br />

In einem weiteren S<strong>ch</strong>ritt erfolgte die<br />

Ermittlung einer Belastungs­Wirkungs­<br />

Kurve. Dazu galt es, den Zusammenhang<br />

zwis<strong>ch</strong>en Belästigungsgrad und Anzahl<br />

Dezibel (dB) zu eruieren, das heisst zwis<strong>ch</strong>en<br />

Umfrageergebnissen und den ge­<br />

«Die erhöhte Störwirkung dur<strong>ch</strong> Lärmimmissionen<br />

während der Na<strong>ch</strong>tstunden und übers Wo<strong>ch</strong>enende<br />

wird mit einem Malus berücksi<strong>ch</strong>tigt.»<br />

Hans Bögli, <strong>BAFU</strong><br />

KONTAKT<br />

Hans Bögli<br />

Chef der Sektion Luftfahrt,<br />

Militär und Gesundheit<br />

Abteilung Lärmbekämpfung, <strong>BAFU</strong><br />

031 322 92 49<br />

noise@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

messenen akustis<strong>ch</strong>en Belastungen. Und<br />

s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> legte man anhand dieser<br />

Kurve die neuen Grenzwerte für die vier<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Nutzungszonen Erholung<br />

(I), Wohnen (II), Wohnen, Gewerbe und<br />

Landwirts<strong>ch</strong>aft (III) sowie Industrie (IV)<br />

fest. Grundsätzli<strong>ch</strong> gehen die Behörden<br />

davon aus, dass der Belastungsgrenzwert<br />

für die Wohnzone II im Berei<strong>ch</strong> anzusetzen<br />

ist, wo si<strong>ch</strong> bis zu 25 Prozent der Bevölkerung<br />

stark belästigt fühlen. Im Verglei<strong>ch</strong><br />

zu dieser Limite wird der Wert für<br />

Erholungszonen I um 5 dB tiefer und für<br />

die Zonen III und IV um 5 dB – respektive<br />

um 10 dB – höher angesetzt.<br />

Folgen vor Ort. Wel<strong>ch</strong>e Auswirkungen haben<br />

die neuen Regelungen auf die gemäss<br />

S<strong>ch</strong>ätzungen rund 20 000 Personen, wel<strong>ch</strong>e<br />

militäris<strong>ch</strong>em S<strong>ch</strong>iesslärm über den<br />

Grenzwerten ausgesetzt sind? «Als Erstes<br />

sollte die Sanierung der vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Militärplätze – dur<strong>ch</strong> Betriebsoptimierun­<br />

gen oder den Bau von S<strong>ch</strong>utzwänden –<br />

den Lärm an der Quelle oder auf seinem<br />

Ausbreitungsweg vermindern helfen»,<br />

sagt Hans Bögli. «Genügt dies ni<strong>ch</strong>t, sind<br />

S<strong>ch</strong>alls<strong>ch</strong>utzfenster für die am meisten<br />

exponierten Gebäude vorzusehen.»<br />

Mit dem S<strong>ch</strong>iesssimulator verfügt<br />

der Waffenplatz Bière über einen zusätzli<strong>ch</strong>en<br />

Vorteil für die Lärmreduktion.<br />

Alexandre Beau, Kommandant des Artillerieausbildungszentrums<br />

und Oberst<br />

im Generalstab, ist stolz darauf. «Die<br />

S<strong>ch</strong>iessausbildung findet zu über 50 Prozent<br />

im Simulator statt.» Vom lei<strong>ch</strong>t erhöhten<br />

Cockpit aus lässt si<strong>ch</strong> der Einsatz<br />

von se<strong>ch</strong>s Panzerhaubitzen mit je se<strong>ch</strong>s<br />

Mann Besatzung trainieren. Sie sind wie<br />

für den Ernstfall ausgerüstet und werden<br />

von den Piloten dur<strong>ch</strong> ein dreidimensionales<br />

Gelände gesteuert. Sol<strong>ch</strong>e Übungen<br />

sind ni<strong>ch</strong>t nur geräus<strong>ch</strong>los, sondern sie<br />

reduzieren au<strong>ch</strong> Kosten, Unfallrisiken<br />

und die Luftvers<strong>ch</strong>mutzung. «Eigentli<strong>ch</strong><br />

fehlt nur der Geru<strong>ch</strong> von S<strong>ch</strong>iesspulver»,<br />

meint Alexandre Beau dazu.<br />

Anna Hohler<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-12<br />

43


UMWELTPREISE<br />

Gekrönte Bestleistungen für die Umwelt<br />

Umweltpreise rücken die Ausgezei<strong>ch</strong>neten und ihre Projekte ins öffentli<strong>ch</strong>e Rampenli<strong>ch</strong>t. Damit bringen<br />

sie Anerkennung und fördern die berufli<strong>ch</strong>e Laufbahn der Preisträger. Zudem motivieren sie andere, ebenfalls<br />

Bestleistungen für die Umwelt zu erbringen.<br />

Wer einen Umweltpreis gewinnen will,<br />

muss innovativ sein. Als Lohn für kreative<br />

Projekte im Dienst der Umwelt<br />

winken öffentli<strong>ch</strong>e Anerkennung und<br />

teilweise beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Geldsummen.<br />

Ausgezei<strong>ch</strong>net werden zum Beispiel<br />

neue te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Verfahren, die es erlauben,<br />

Produkte mit weniger Material und<br />

Energie herzustellen. Fors<strong>ch</strong>ende sind<br />

herausgefordert, neue Lösungen für<br />

Umweltprobleme zu finden. Und junge<br />

Unternehmen mit kreativen Ges<strong>ch</strong>äftsideen<br />

erhalten als Preis eine umfassende<br />

Beratung für einen erfolgrei<strong>ch</strong>en<br />

Markteintritt.<br />

Eine in den Preisauss<strong>ch</strong>reibungen<br />

ebenfalls häufig genannte Anforderung<br />

ist die Na<strong>ch</strong>haltigkeit. So erhalten zum<br />

Beispiel Firmen Anerkennung und<br />

Motivation, wenn sie bei der Unternehmensführung<br />

ökologis<strong>ch</strong>e, soziale und<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Ziele in Einklang bringen.<br />

Belohnt werden zudem Impulse für<br />

den klassis<strong>ch</strong>en Natur­ und Lands<strong>ch</strong>aftss<strong>ch</strong>utz,<br />

wobei die Auszei<strong>ch</strong>nungen hier<br />

weniger auf nationaler als vielmehr auf<br />

lokaler und regionaler Ebene erfolgen.<br />

Preis setzt Messlatte. Eine der hö<strong>ch</strong>sten<br />

Preissummen offeriert mit 50 000 Franken<br />

der «Umweltpreis der S<strong>ch</strong>weiz», bei<br />

dem seit 1997 au<strong>ch</strong> das <strong>BAFU</strong> als Sponsor<br />

mitwirkt. Na<strong>ch</strong> einem mehrjährigen<br />

Unterbru<strong>ch</strong> hat die verantwortli<strong>ch</strong>e<br />

Stiftung Pro Aqua – Pro Vita diese Auszei<strong>ch</strong>nung<br />

letztmals im Januar <strong>2010</strong><br />

wieder verliehen. «Der Preis bietet eine<br />

spezielle Gelegenheit, um jeweils eine<br />

44<br />

bestimmte Umweltthematik und konkrete<br />

Lösungen zur Ents<strong>ch</strong>ärfung von<br />

Umweltproblemen ins Li<strong>ch</strong>t zu rücken»,<br />

sagt Daniel Zür<strong>ch</strong>er, der beim <strong>BAFU</strong> für<br />

die Te<strong>ch</strong>nologieförderung zuständig ist.<br />

Dabei erfahre innovatives unternehmeris<strong>ch</strong>es<br />

Handeln eine besondere Wert­<br />

s<strong>ch</strong>ätzung. Die Wirkung halte lange an,<br />

und die Ausgezei<strong>ch</strong>neten würden au<strong>ch</strong><br />

Jahre na<strong>ch</strong> der Preisvergabe no<strong>ch</strong> darauf<br />

verweisen und von einer einmaligen<br />

Erfahrung spre<strong>ch</strong>en.<br />

Dies bestätigt Rainer Bunge, Leiter<br />

des Instituts für Umwelt­ und Verfahrenste<strong>ch</strong>nik<br />

UMTEC an der Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />

Rapperswil (SG). Sein Team erhielt die<br />

Auszei<strong>ch</strong>nung 2005 für die Entwicklung<br />

eines Abgasfilters, mit dem si<strong>ch</strong> der<br />

Stickoxidausstoss von Dieselmotoren<br />

stark senken lässt. Der für die Te<strong>ch</strong>nikbran<strong>ch</strong>e<br />

zentrale Preis bringe grosses<br />

Renommee und habe dem Team sehr<br />

geholfen, obwohl die direkte Wirkung<br />

ni<strong>ch</strong>t genau abzus<strong>ch</strong>ätzen sei. Man<br />

dürfe aber davon ausgehen, dass si<strong>ch</strong><br />

eine sol<strong>ch</strong>e Auszei<strong>ch</strong>nung bei Finanzgesu<strong>ch</strong>en<br />

positiv auf die Beurteilung<br />

auswirke. 2007 gewannen zwei UMTEC­<br />

Absolventen mit ihrer Idee für ein Unternehmen<br />

zur Vermarktung der Filter­<br />

te<strong>ch</strong>nik den Businessplan­Wettbewerb<br />

in Lie<strong>ch</strong>tenstein und konnten mit dieser<br />

Unterstützung die Spin­off­Firma Filtecta<br />

in S<strong>ch</strong>aan gründen.<br />

Als weiteren Effekt der Würdigung<br />

dur<strong>ch</strong> Dritte erwähnt Rainer Bunge die<br />

na<strong>ch</strong>haltige Stärkung des Teamgeis­<br />

In wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten trägt der Ruf<br />

einer sol<strong>ch</strong>en Auszei<strong>ch</strong>nung dazu bei, eine umweltbewusste<br />

Kunds<strong>ch</strong>aft an die Firma zu binden.<br />

tes: «Man misst si<strong>ch</strong> an dieser Leistung<br />

und fühlt si<strong>ch</strong> verantwortli<strong>ch</strong>, au<strong>ch</strong> in<br />

Zukunft spezielle Leistungen zu erbringen.»<br />

Zudem wirke die Auszei<strong>ch</strong>nung<br />

au<strong>ch</strong> für na<strong>ch</strong>folgende Ingenieure, die<br />

neue Teams bilden, als Ansporn. Die<br />

Preissumme sei zudem als eine Art<br />

«Spielgeld» sehr nützli<strong>ch</strong>, denn «damit<br />

lassen si<strong>ch</strong> Vorversu<strong>ch</strong>e zur Verifikation<br />

von Ideen finanzieren, die später<br />

mit der Industrie weiterverfolgt werden<br />

können.»<br />

Preis nützt dem Ges<strong>ch</strong>äft. Grossen Nutzen<br />

attestiert au<strong>ch</strong> Erwin Oberhänsli seinem<br />

Umweltpreis, den er 2008 von der<br />

Umwelt­Stiftung erhielt. Als Ges<strong>ch</strong>äftsleitungsmitglied<br />

der Druckerei Feldegg<br />

AG in Zollikerberg (ZH) wurde er für die<br />

Pionierleistungen dieses Unternehmens<br />

im Umwelts<strong>ch</strong>utz geehrt. Am Anfang<br />

stand einfa<strong>ch</strong> die Freude über die Anerkennung.<br />

Dann folgten Medienberi<strong>ch</strong>te<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Umweltpreise


Im Inland gibt es eine breite Palette an<br />

Umweltauszei<strong>ch</strong>nungen. Innovative Energiekonzepte<br />

werden ebenso prämiert wie die<br />

Erhaltung traditioneller Kulturlands<strong>ch</strong>aften.<br />

Bilder: AURA; <strong>BAFU</strong> / Ch. Ko<strong>ch</strong>, J. Heinemann<br />

und Einladungen für Vorträge. Mit<br />

dem Renommee dieses Preises liess<br />

si<strong>ch</strong> das Image als umwelts<strong>ch</strong>onender<br />

Betrieb festigen. «Dies s<strong>ch</strong>afft Glaubwürdigkeit<br />

und Vertrauen bei meiner<br />

Kunds<strong>ch</strong>aft und gibt ihr die Si<strong>ch</strong>erheit,<br />

dass i<strong>ch</strong> es ernst meine und ni<strong>ch</strong>t<br />

‹Greenwashing› betreibe.» In wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten trage<br />

der Ruf einer sol<strong>ch</strong>en Auszei<strong>ch</strong>nung<br />

dazu bei, eine umweltbewusste Kunds<strong>ch</strong>aft<br />

an die Firma zu binden. Das<br />

Preisgeld von 5000 Franken investierte<br />

er in ein Projekt zur Entwicklung einer<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Vermittlungsorganisation<br />

für Klimas<strong>ch</strong>utzzertifikate.<br />

2008 gewann die Chemikerin und<br />

Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>sfors<strong>ch</strong>erin Martine Poffet<br />

mit ihrer Doktorarbeit den Umweltfors<strong>ch</strong>ungspreis<br />

der Universität Fribourg.<br />

In dieser Arbeit entwickelte sie<br />

Lösungen, um die Selbstentzündung<br />

von getrocknetem Klärs<strong>ch</strong>lammgranulat<br />

in den Lagersilos zu vermeiden.<br />

Die Publizität rund um die Preisverleihung<br />

era<strong>ch</strong>tet sie als Vorteil für<br />

ihre Karriere. So konnte sie etwa ihre<br />

Kenntnisse bereits in Asien einbringen.<br />

Martine Poffet freut si<strong>ch</strong> aber vor<br />

allem über die inhaltli<strong>ch</strong>e Wirkung<br />

des Preises: Hier wurde angewandte interdisziplinäre<br />

Fors<strong>ch</strong>ung, wie sie die<br />

Umweltwissens<strong>ch</strong>aft darstellt, gewürdigt.<br />

Über den Preis liess si<strong>ch</strong> zudem<br />

thematisieren, wie bedeutsam das Recycling<br />

von Klärs<strong>ch</strong>lamm ist.<br />

Beatrix Mühlethaler<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-13<br />

Umweltpreise > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Ausgewählte Umweltpreise in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Energieeffizienz<br />

Prix Watt d’Or<br />

Die jährli<strong>ch</strong>en Auszei<strong>ch</strong>nungen in fünf<br />

Kategorien für Bestleistungen im Energieberei<strong>ch</strong><br />

sehen keine Preissumme vor.<br />

Ziele sind die öffentli<strong>ch</strong>e Anerkennung<br />

und Motivation zur Na<strong>ch</strong>ahmung in den<br />

Berei<strong>ch</strong>en Energieeffizienz und erneuerbare<br />

Energien.<br />

> Bundesamt für Energie; www.wattdor.<strong>ch</strong><br />

S<strong>ch</strong>weizer Solarpreis<br />

Begünstigte der alljährli<strong>ch</strong> in drei Kategorien<br />

erteilten Auszei<strong>ch</strong>nungen ohne<br />

Preisgeld sind Eigentümer, Planer und<br />

Ersteller von Bauten und Anlagen, die<br />

erneuerbare Energien nutzen, sowie deren<br />

Förderer. Ziel ist die Steigerung der<br />

Energieeffizienz und Produktion erneuerbarer<br />

Energien in Solar­, Holz­ und Biomasseanlagen.<br />

> Solaragentur; www.solaragentur.<strong>ch</strong><br />

Natur- und Lands<strong>ch</strong>aftss<strong>ch</strong>utz<br />

Elisabeth und Oscar Beugger-Preis<br />

Der mit 50 000 Franken dotierte und alle<br />

zwei Jahre vergebene Preis anerkennt<br />

ausserordentli<strong>ch</strong>e Bemühungen Privater<br />

und von öffentli<strong>ch</strong>en Institutionen.<br />

> E. + O. Beugger-Stiftung; www.pronatura.<strong>ch</strong><br />

Binding-Preis<br />

Jährli<strong>ch</strong> stehen 80 000 Franken für einen<br />

Hauptpreis, der an Einzelpersonen vergeben<br />

wird, und drei Anerkennungs­<br />

gaben zugunsten von Gruppen, Fa<strong>ch</strong>stellen<br />

sowie Organisationen zur Verfügung.<br />

Ausgezei<strong>ch</strong>net wird die Förderung<br />

der Auseinandersetzung mit Natur­ und<br />

Umweltproblemen in der Öffentli<strong>ch</strong>keit.<br />

> Binding Stiftung; www.binding.li<br />

Hermann Walder-Preis: Die jährli<strong>ch</strong>e Auszei<strong>ch</strong>nung<br />

in Höhe von 50 000 Franken<br />

anerkennt das harmonis<strong>ch</strong>e Zusammenwirken<br />

von Naturs<strong>ch</strong>utz, Forst­ und<br />

Landwirts<strong>ch</strong>aft. Prämiert werden Wald­<br />

eigentümer, Bauern, Gemeinden, Private<br />

und Gruppen aus der Nordwests<strong>ch</strong>weiz.<br />

> Hermann und Elisabeth Walder-Ba<strong>ch</strong>mann<br />

Stiftung; c/o Christoph Merian Stiftung;<br />

www.merianstiftung.<strong>ch</strong><br />

Prix Bio<br />

Der etwa alle zwei Jahre ausges<strong>ch</strong>riebene<br />

und mit 10 000 Franken dotierte Preis<br />

zei<strong>ch</strong>net ausserordentli<strong>ch</strong>e Leistungen<br />

von Personen für die Entwicklung der<br />

Bio­ und Naturgärten oder des biologis<strong>ch</strong>en<br />

Landbaus aus.<br />

> Bioterra; www.prixbio.<strong>ch</strong><br />

45


Umweltfors<strong>ch</strong>ung<br />

H&W Fors<strong>ch</strong>ungspreis<br />

Der mit 5000 Franken dotierte und jährli<strong>ch</strong><br />

vergebene Preis will praktis<strong>ch</strong>e, direkt<br />

umsetzbare Fors<strong>ch</strong>ung im Berei<strong>ch</strong><br />

des Natur­ und Lands<strong>ch</strong>aftss<strong>ch</strong>utzes<br />

fördern. Beurteilt werden insbesondere<br />

Diplom­ und Doktorarbeiten von jungen<br />

Fors<strong>ch</strong>enden.<br />

> Hintermann und Weber AG;<br />

www.hintermannweber.<strong>ch</strong><br />

Umweltfors<strong>ch</strong>ungspreis der Universität Bern<br />

Für die Förderung im Berei<strong>ch</strong> der Umweltwissens<strong>ch</strong>aften<br />

steht alle zwei Jahre<br />

ein Preisgeld von 15 000 Franken bereit.<br />

Angespro<strong>ch</strong>en sind speziell Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>sfors<strong>ch</strong>ende<br />

aller Disziplinen an der Universität<br />

Bern, die Umweltprobleme und<br />

deren Lösung untersu<strong>ch</strong>en.<br />

> Universität Bern; www.fors<strong>ch</strong>ung.unibe.<strong>ch</strong> ><br />

Fors<strong>ch</strong>ungspreise<br />

Umweltfors<strong>ch</strong>ungspreis der Universität<br />

Freiburg<br />

Die Auszei<strong>ch</strong>nung von 10 000 Franken<br />

wird zweijährli<strong>ch</strong> vergeben. Sie kommt<br />

Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>sfors<strong>ch</strong>enden sämtli<strong>ch</strong>er Disziplinen<br />

an der Universität Freiburg<br />

zugute, wel<strong>ch</strong>e Umweltprobleme und<br />

Lösungen dafür erfors<strong>ch</strong>en.<br />

> Universität Freiburg;<br />

www.unifr.<strong>ch</strong>/environment/de/umweltpreis<br />

46<br />

Umwelts<strong>ch</strong>utz und na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung<br />

Prix Evenir<br />

Begünstigte dieses mit jährli<strong>ch</strong> 50 000<br />

Franken dotierten Preises sind Einzelpersonen<br />

und klar definierte Personengruppen.<br />

Sie sollen im Sinn einer na<strong>ch</strong>haltigen<br />

Entwicklung Anregungen zu<br />

ökologis<strong>ch</strong> tragfähigen, sozial gere<strong>ch</strong>ten<br />

und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> effizienten Denk­<br />

und Handlungsweisen geben.<br />

> Erdölvereinigung; www.erdoel-vereinigung.<strong>ch</strong><br />

Prix NATURE<br />

Die jährli<strong>ch</strong> in vers<strong>ch</strong>iedenen Kategorien<br />

verliehene Auszei<strong>ch</strong>nung verspri<strong>ch</strong>t<br />

zwar kein Geld, aber unter anderem<br />

beratende Unterstützung und mediale<br />

Aufmerksamkeit. Als Begünstigte kommen<br />

Organisationen, Unternehmen und<br />

Personen in Frage, die aktiv zur Na<strong>ch</strong>haltigkeit<br />

beitragen und die S<strong>ch</strong>weizer<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft zu entspre<strong>ch</strong>enden Denk­<br />

und Handlungsweisen motivieren.<br />

> www.natur.<strong>ch</strong> > GALA > Prix NATURE<br />

Umweltpreis der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Für den Hauptpreis stehen alle zwei<br />

bis drei Jahre 50 000 Franken zur Verfügung.<br />

Zu sätzli<strong>ch</strong> erfolgt eine Unternehmerauszei<strong>ch</strong>nung<br />

ohne Preissumme.<br />

Unterstützung erhalten Private, Firmen,<br />

die öffentli<strong>ch</strong>e Hand und Organisa tio­<br />

nen, wel<strong>ch</strong>e innovative, ressourcens<strong>ch</strong>o­<br />

nende Te<strong>ch</strong>nologien, Verfahren und Produkte<br />

erfinden und umsetzen.<br />

> Stiftung Pro Aqua – Pro Vita;<br />

www.umweltpreis.<strong>ch</strong><br />

Umweltpreis der Albert Koe<strong>ch</strong>lin Stiftung<br />

(aks)<br />

Für die Förderung besonderer Leistungen<br />

in den Berei<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung,<br />

Vernetzung und Kommuni<br />

kation setzt die aks jährli<strong>ch</strong> eine<br />

Preissumme von 10 000 bis 40 000 Franken<br />

aus. Zugelassen sind Projekte von<br />

Personen aus den Kantonen LU, NW,<br />

OW, SZ und UR.<br />

> Albert Koe<strong>ch</strong>lin Stiftung; www.aks-stiftung.<strong>ch</strong><br />

Umweltpreis der Umwelt-Stiftung<br />

Spezielle Leistungen für den Umwelts<strong>ch</strong>utz<br />

werden in mehreren Preiskategorien<br />

mit 5000 bis 10 000 Franken pro<br />

Jahr gefördert.<br />

> Umwelt-Stiftung; www.umwelt-stiftung.<strong>ch</strong><br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Umweltpreise


Unternehmen<br />

Gebäudete<strong>ch</strong>nik-Award<br />

Mit dem Preis von jährli<strong>ch</strong> 10 000 Franken<br />

zei<strong>ch</strong>nen die Fa<strong>ch</strong>organisationen<br />

der Bran<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong>haltige Konzepte für<br />

die Gebäudete<strong>ch</strong>nik aus. Damit wollen<br />

sie das Innovationspotenzial und die<br />

Kompetenz ihres Sektors demonstrieren.<br />

Angespro<strong>ch</strong>en sind Bauherrs<strong>ch</strong>aften,<br />

Planungsteams und Lieferanten von<br />

Te<strong>ch</strong>nikkomponenten.<br />

> www.gebaeudete<strong>ch</strong>nikaward.<strong>ch</strong><br />

Green IT Innovation Award<br />

Für den jährli<strong>ch</strong> in drei Kategorien<br />

ausges<strong>ch</strong>riebenen Start­up­Award gibt<br />

es kein Preisgeld, sondern einen Beratungsguts<strong>ch</strong>ein.<br />

Die Agentur Orbit<br />

sowie Öbu – Netzwerk für na<strong>ch</strong>haltiges<br />

Wirts<strong>ch</strong>aften – und WWF wollen so die<br />

Innovation, Fors<strong>ch</strong>ung, Entwicklung<br />

und Anwendung von grünen Informationste<strong>ch</strong>nologien<br />

dur<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

ansässige Firmen und Privatpersonen<br />

fördern.<br />

> www.green-it-award.<strong>ch</strong><br />

Umweltpreise > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Na<strong>ch</strong>haltigkeitspreis ZKB<br />

Die Zür<strong>ch</strong>er Kantonalbank (ZKB) vergibt<br />

jährli<strong>ch</strong> insgesamt 150 000 Franken für<br />

vier Preise zur Förderung der Na<strong>ch</strong>haltigkeit<br />

dur<strong>ch</strong> KMU­Betriebe mit bis zu<br />

250 Angestellten. Ziele sind die höhere<br />

Anerkennung und die Motivation zur<br />

Na<strong>ch</strong>ahmung.<br />

> www.zkb.<strong>ch</strong>/na<strong>ch</strong>haltigkeitspreis<br />

PRIDE<br />

Begünstigte des mit 5000 Franken dotierten<br />

und alle zwei Jahre vergebenen<br />

Preises sind Firmen im Kanton Neuenburg.<br />

Zweck ist die Förderung und Anerkennung<br />

erstklassiger Leistungen für<br />

eine na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung im Rahmen<br />

der unternehmeris<strong>ch</strong>en Tätigkeit.<br />

> Association ecoparc; www.ecoparc.<strong>ch</strong><br />

R.I.O. Award<br />

Die zweijährli<strong>ch</strong> erteilte Auszei<strong>ch</strong>nung<br />

von 20 000 Euro kommt Unternehmen<br />

im deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen Raum<br />

mit einer vorbildli<strong>ch</strong>en Material­ und<br />

Energieeffizienz zugute. Damit sollen<br />

Innovationen zur Reduktion des Ressourcenverbrau<strong>ch</strong>s<br />

und zu einer ras<strong>ch</strong>en<br />

Verminderung des Kohlendioxidausstosses<br />

gefördert werden.<br />

> R.I.O. Impuls (Luzern) + Aa<strong>ch</strong>ener Stiftung<br />

Kathy Beys; www.rio-innovation.de<br />

Prämierte Bestleistungen für die Umwelt mit<br />

zum Teil internationaler Ausstrahlungskraft:<br />

Klimafors<strong>ch</strong>ung an der Universität Bern und<br />

Hohlkörpermodule aus rezykliertem Kunststoff.<br />

Für diese Innovation, wel<strong>ch</strong>e den<br />

Betonverbrau<strong>ch</strong> beim Bau von Decken reduziert,<br />

hat die Firma Cobiax <strong>2010</strong> den Umweltpreis<br />

der S<strong>ch</strong>weiz erhalten. Der Neubau des<br />

Berufsbildungszentrums Baden (AG) ist mit<br />

dem Gebäudete<strong>ch</strong>nik-Award ausgezei<strong>ch</strong>net<br />

worden.<br />

Bilder: NFS Klima; MCH Messe S<strong>ch</strong>weiz (Basel);<br />

Gebäudete<strong>ch</strong>nik-Award, Burkard Meyer<br />

KONTAKT<br />

Daniel Zür<strong>ch</strong>er<br />

Chef der Sektion Innovation<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 322 93 51<br />

daniel.zuer<strong>ch</strong>er@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

47


ALARMIERUNG BEI NATURGEFAHREN<br />

Zeitige Warnungen sparen Millionen<br />

Zeit ist Geld – dies gilt au<strong>ch</strong> bei der Bewältigung von s<strong>ch</strong>werwiegenden Naturereignissen:<br />

Die S<strong>ch</strong>äden lassen si<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> vermindern, wenn Krisenstäbe und Betroffene re<strong>ch</strong>tzeitig<br />

gewarnt werden. In diese Ri<strong>ch</strong>tung zielt das Projekt des Bundes zur Optimierung von<br />

Warnung und Alarmierung bei Naturgefahren (OWARNA).<br />

Geladen mit feu<strong>ch</strong>twarmer Mittelmeerluft<br />

zog im August 2005 ein kräftiges<br />

Tief vom Golf von Genua her um die<br />

Ostalpen herum an den Alpennordrand,<br />

wo es si<strong>ch</strong> in sintflutartigen Regenfällen<br />

entleerte. Zahlrei<strong>ch</strong>e Messstationen<br />

für Nieders<strong>ch</strong>läge und Pegelstände von<br />

Fliessgewässern verzei<strong>ch</strong>neten neue Rekordwerte.<br />

Bä<strong>ch</strong>e und Seen traten über<br />

die Ufer, Hänge kamen ins Ruts<strong>ch</strong>en. Das<br />

Unwetter hinterliess in weiten Teilen der<br />

S<strong>ch</strong>weiz eine Spur der Verwüstung.<br />

Arg betroffen war damals das Berner<br />

Mattequartier. Na<strong>ch</strong>dem Unmengen von<br />

S<strong>ch</strong>wemmholz den Lauf der Aare versperrt<br />

hatten, strömte der Fluss dur<strong>ch</strong><br />

die Gassen. Man<strong>ch</strong>e Häuser standen<br />

2 Meter tief im Wasser. Die S<strong>ch</strong>äden beliefen<br />

si<strong>ch</strong> auf über 50 Millionen Franken.<br />

Eine na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>e Analyse ergab,<br />

dass mit einer bes seren Information<br />

der Einsatzleitzentralen sowie einer früheren<br />

Alarmierung ein Grossteil davon<br />

vermeidbar gewesen wäre.<br />

Lehren aus dem Katastrophenjahr 2005.<br />

In der Folge ergriff die Stadt Bern eine<br />

Reihe von vorsorgli<strong>ch</strong>en Massnahmen.<br />

Sie ri<strong>ch</strong>tete Interventionsplätze ein, wo<br />

sie das S<strong>ch</strong>wemmholz mit Kränen ras<strong>ch</strong><br />

aus dem Wasser holen kann, bevor es<br />

den Dur<strong>ch</strong>fluss verstopft. Vor den Häusern<br />

baute man Verankerungen ein, an<br />

denen si<strong>ch</strong> bei Bedarf Dammbalken aus<br />

Aluminium montieren lassen. Au<strong>ch</strong> das<br />

Alarmierungskonzept wurde überarbeitet.<br />

Dank zusätzli<strong>ch</strong>er Messstationen<br />

und besserer Wasserabflussprognosen<br />

kann die Leitzentrale der Berufsfeuerwehr<br />

inzwis<strong>ch</strong>en einigermassen präzise<br />

abs<strong>ch</strong>ätzen, wie si<strong>ch</strong> der Aarepegel in<br />

48<br />

Bern in den nä<strong>ch</strong>sten zwei Stunden entwickeln<br />

wird.<br />

Die Bewährungsprobe kam s<strong>ch</strong>on<br />

na<strong>ch</strong> zwei Jahren. Im August 2007 errei<strong>ch</strong>te<br />

der Pegelstand der Aare erneut<br />

Hö<strong>ch</strong>st werte. Do<strong>ch</strong> diesmal blieben die<br />

S<strong>ch</strong>äden gering. Das S<strong>ch</strong>wemmholz<br />

konnte re<strong>ch</strong>tzeitig entfernt werden, und<br />

mithilfe von mobil einsetzbaren, wassergefüllten<br />

S<strong>ch</strong>lau<strong>ch</strong>sperren – sogenannten<br />

Beaver­Dämmen – gelang es, die Aare<br />

am Ausufern zu hindern. Wo trotzdem<br />

Wasser eindrang, halfen die direkt vor<br />

den Häusern montierten Aluminiumplatten.<br />

Vor dem Wasser kommt ein SMS. Wenn das<br />

Flussbett der Aare voll ist, steigt in der<br />

Matte au<strong>ch</strong> das Niveau des Grundwas­<br />

sers an, sodass dieses gelegentli<strong>ch</strong> in<br />

Keller eindringt. Besteht diese Gefahr,<br />

vibrieren mittlerweile die Mobiltelefone<br />

der Mattenbewohnerinnen und ­bewohner,<br />

die den SMS­Warndienst «Mikado»<br />

abonniert haben. «Anstieg der Aare<br />

ma<strong>ch</strong>t Eindringen von Grundwasser<br />

mögli<strong>ch</strong>. Keller kontrollieren, eventuell<br />

räumen», steht in der Textna<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t.<br />

Au<strong>ch</strong> dieser Dienst trug im Sommer<br />

2007 dazu bei, S<strong>ch</strong>äden zu verhindern.<br />

Dass eine zeitige Warnung vor Naturgefahren<br />

Gold wert ist, bestätigte au<strong>ch</strong><br />

die gesamts<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Ereignisana­<br />

lyse der Unwetter von 2005. Gemäss<br />

S<strong>ch</strong>ätzungen von Fa<strong>ch</strong>leuten wäre die<br />

damalige Gesamts<strong>ch</strong>adensumme von<br />

3 Milliarden Franken bei einer re<strong>ch</strong>tzeitigen<br />

Alarmierung aller Betroffenen<br />

um rund eine halbe Milliarde niedriger<br />

ausgefallen. So erlitten etwa 6000 parkierte<br />

Autos Totals<strong>ch</strong>aden, von denen<br />

viele heil geblieben wären, wenn ihre<br />

Besitzer sie na<strong>ch</strong> einer re<strong>ch</strong>tzeitigen<br />

Warnung in Si<strong>ch</strong>erheit gebra<strong>ch</strong>t hätten,<br />

bevor das verheerende Wasser kam.<br />

Bereits eine Wo<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> der Unwetterkatastrophe<br />

lancierte der Bundesrat<br />

das Projekt Optimierung der Warnung<br />

und Alarmierung bei Naturgefahren<br />

(OWARNA). Das Bundesamt für Bevölkerungss<strong>ch</strong>utz<br />

(BABS) erhielt den Auftrag,<br />

in Zusammenarbeit mit der Nationa­<br />

S<strong>ch</strong>werwiegende Naturereignisse sollen künftig um<br />

20 Prozent geringere S<strong>ch</strong>äden verursa<strong>ch</strong>en, als dies<br />

ohne Optimierungen der Fall wäre.<br />

len Plattform Naturgefahren (PLANAT)<br />

zu untersu<strong>ch</strong>en, wo im Berei<strong>ch</strong> von<br />

planeris<strong>ch</strong>en, organisatoris<strong>ch</strong>en und<br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Massnahmen Verbesserungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />

bei der Bewältigung<br />

derartiger Notlagen bestehen.<br />

20 Prozent weniger S<strong>ch</strong>äden als Ziel. 2007<br />

lag der OWARNA­S<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t vor.<br />

Darauf aufbauend bes<strong>ch</strong>loss die S<strong>ch</strong>weizer<br />

Regierung ein Bündel von Massnahmen<br />

mit dem Ziel, dass s<strong>ch</strong>werwiegende<br />

Naturereignisse künftig um 20 Prozent<br />

geringere S<strong>ch</strong>äden verursa<strong>ch</strong>en sollen,<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Naturgefahren


Im August 2005 floss die Ho<strong>ch</strong>wasser führende Aare meterho<strong>ch</strong><br />

dur<strong>ch</strong> die Strassen des flussnahen Mattequartiers am Rand<br />

der Berner Altstadt. Zwei Jahre später verhinderte eine Reihe von<br />

vorsorgli<strong>ch</strong> getroffenen S<strong>ch</strong>utzmassnahmen eine Wiederholung<br />

der Übers<strong>ch</strong>wemmungskatastrophe. Unter anderem halfen direkt<br />

vor den Häusern montierte Dammbalken aus Aluminium, das eindringende<br />

Wasser abzuwehren.<br />

Bilder von oben na<strong>ch</strong> unten: AWA, Bern; Simone Hunziker, <strong>BAFU</strong>; Christian S<strong>ch</strong>uler, Bern (2)<br />

als dies ohne Optimierungen der Fall<br />

wäre. Dies will der Bundesrat im Wesentli<strong>ch</strong>en<br />

dur<strong>ch</strong> folgende Massnahmen<br />

si<strong>ch</strong>erstellen:<br />

• Verbesserte Modelle und eine erweiterte<br />

Datenbasis sollen zeitli<strong>ch</strong><br />

und räumli<strong>ch</strong> genauere Wetter­<br />

und Abflussprognosen liefern.<br />

• Die Systeme zur Alarmierung und<br />

Information der Bevölkerung sollen<br />

über unabhängige, doppelt angelegte<br />

Netze mit Notstromversorgung<br />

verfügen.<br />

• In Notfallsituationen müssen alle<br />

eins<strong>ch</strong>lägigen Fa<strong>ch</strong>stellen rund<br />

um die Uhr anspre<strong>ch</strong>bar sein. Dies<br />

betrifft die Abteilungen Hydrologie<br />

und Gefahrenprävention beim<br />

<strong>BAFU</strong>, MeteoS<strong>ch</strong>weiz, das Institut<br />

für S<strong>ch</strong>nee­ und Lawinenfors<strong>ch</strong>ung<br />

(SLF) sowie den S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Erdbebendienst (SED).<br />

• Neu soll die zu einem gesamts<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Melde­ und Lagezentrum<br />

ausgebaute Nationale<br />

Alarmzentrale (NAZ) des BABS au<strong>ch</strong><br />

bei Naturereignissen die Gesamtlage<br />

erfassen, alle Partner vernetzen<br />

und dringende Meldungen<br />

ras<strong>ch</strong> und si<strong>ch</strong>er verbreiten.<br />

Gemeinsame Informationsplattform (GIN).<br />

Um die Zusammenarbeit und den Informationsfluss<br />

zwis<strong>ch</strong>en den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Fa<strong>ch</strong>stellen zu verbessern, hatte<br />

man s<strong>ch</strong>on zuvor begonnen, im Internet<br />

die Gemeinsame Informationsplattform<br />

(GIN) einzuri<strong>ch</strong>ten. Hier finden<br />

Einsatzkräfte und Behörden die<br />

erforderli<strong>ch</strong>en Fa<strong>ch</strong>informationen zur<br />

Bewältigung von Naturereignissen.<br />

Naturgefahren > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

2005<br />

2007<br />

49


Die 2007 bes<strong>ch</strong>lossenen Massnahmen<br />

sind inzwis<strong>ch</strong>en teilweise umgesetzt.<br />

Damit liessen si<strong>ch</strong> bei der Warnung<br />

und Alarmierung, aber au<strong>ch</strong> bei der<br />

Gefahrenprävention erhebli<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritte<br />

erzielen. Letzteres zeigte si<strong>ch</strong><br />

beispielsweise im April 2009, als im<br />

Berggebiet no<strong>ch</strong> sehr viel S<strong>ch</strong>nee lag.<br />

Die Situation weckte Erinnerungen an<br />

den Mai 1999 – damals hatte die S<strong>ch</strong>nees<strong>ch</strong>melze<br />

na<strong>ch</strong> dem Lawinenwinter zusammen<br />

mit intensiven Nieders<strong>ch</strong>lägen<br />

im Mittelland zu Übers<strong>ch</strong>wemmungen<br />

geführt. Aufgrund einer gemeinsamen<br />

Lagebeurteilung dur<strong>ch</strong> <strong>BAFU</strong>, SLF sowie<br />

MeteoS<strong>ch</strong>weiz bes<strong>ch</strong>lossen deshalb das<br />

<strong>BAFU</strong> und die betroffenen Kantone, die<br />

Pegelstände von Bieler­, Neuenburger­<br />

und Murtensee dur<strong>ch</strong> eine entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Regulierung beim Wehr Port (BE) am<br />

Ausfluss der Aare aus dem Bielersee tief<br />

zu halten. Dies sollte die Spei<strong>ch</strong>erkapazität<br />

der drei Jurarandseen erhöhen<br />

und damit Ho<strong>ch</strong>wassers<strong>ch</strong>äden am Unterlauf<br />

der Aare vorbeugen.<br />

Das befür<strong>ch</strong>tete Szenario trat dann<br />

glückli<strong>ch</strong>erweise ni<strong>ch</strong>t ein, und na<strong>ch</strong><br />

der Entwarnung gegen Ende April liess<br />

man die Seen wieder auf den für diese<br />

Jahreszeit übli<strong>ch</strong>en Wasserstand ansteigen.<br />

Denno<strong>ch</strong> erwies si<strong>ch</strong> die Übung in<br />

einem gewissen Sinn als Bewährungsprobe<br />

für die im Rahmen des Projekts<br />

OWARNA eingeleiteten Massnahmen.<br />

«Es war wi<strong>ch</strong>tig, die organisatoris<strong>ch</strong>planeris<strong>ch</strong>en<br />

Vorkehrungen für eine<br />

effiziente Zusammenarbeit der beteiligten<br />

Fa<strong>ch</strong>stellen bereits vorgängig zu<br />

treffen», sagt Gian Reto Bezzola, Chef<br />

der Sektion Risikomanagement beim<br />

50<br />

<strong>BAFU</strong>. Ad hoc wäre dies kaum mögli<strong>ch</strong><br />

gewesen: «Nur wenn in ruhigen Zeiten<br />

ohne Probleme die nötigen Strukturen<br />

aufgebaut werden und die Abläufe geregelt<br />

sind, ist gewährleistet, dass im<br />

Ereignisfall au<strong>ch</strong> alles klappt.»<br />

Gut investiertes Geld. No<strong>ch</strong> sind indessen<br />

ni<strong>ch</strong>t alle vom Bundesrat bes<strong>ch</strong>lossenen<br />

Massnahmen umgesetzt, und sie<br />

werden si<strong>ch</strong> mit den bereitgestellten<br />

Mitteln au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t vollständig realisieren<br />

lassen. Ein <strong>2010</strong> eingerei<strong>ch</strong>ter<br />

OWARNA­Folgeberi<strong>ch</strong>t beziffert die für<br />

die Umsetzung des Projekts erforderli<strong>ch</strong>en<br />

Bundesgelder auf jährli<strong>ch</strong> 13 bis<br />

17 Millionen Franken. Weitere 40 bis<br />

50 Millionen Franken pro Jahr müssten<br />

die Kantone aufwenden.<br />

Auf Bundesebene besteht der grösste<br />

Handlungsbedarf im Berei<strong>ch</strong> der Vorhersage<br />

von Ho<strong>ch</strong>wasserereignissen, die<br />

hierzulande 70 Prozent aller S<strong>ch</strong>äden<br />

dur<strong>ch</strong> häufig auftretende Naturgefahren<br />

ausma<strong>ch</strong>en. Damit das <strong>BAFU</strong> die hydrologis<strong>ch</strong>e<br />

Prognose verbessern kann,<br />

ist eine permanente Beurteilung und<br />

Überwa<strong>ch</strong>ung der Gewässer erforderli<strong>ch</strong>.<br />

Zudem muss das Amt die bis jetzt<br />

auf das Rhein­Einzugsgebiet begrenzten<br />

Vorhersagen künftig auf die gesamte<br />

Landes flä<strong>ch</strong>e ausdehnen. Als zentral<br />

era<strong>ch</strong>tet die Regierung au<strong>ch</strong> eine frühzeitige,<br />

ras<strong>ch</strong>e und zielgruppengere<strong>ch</strong>te<br />

Information der Medien sowie der Bevölkerung<br />

bei kritis<strong>ch</strong>en Wetterlagen.<br />

Im Interesse einer besseren Ereignisvorsorge<br />

hat die Bundeskanzlei im Internet<br />

ausserdem das Präventionsportal www.<br />

<strong>ch</strong>.<strong>ch</strong>/gefahren eingeri<strong>ch</strong>tet.<br />

Gemäss der 2003 publizierten KATA­<br />

RISK­Studie des BABS ri<strong>ch</strong>ten Ruts<strong>ch</strong>ungen,<br />

Ho<strong>ch</strong>wasser, Gewitter, Stürme und<br />

Lawinen in der S<strong>ch</strong>weiz S<strong>ch</strong>äden im<br />

Umfang von dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> 1,2 Mil­<br />

liarden Franken pro Jahr an. Weil<br />

die regionalen Klimaszenarien für den<br />

Alpenraum darauf hindeuten, dass<br />

Starknieders<strong>ch</strong>läge mit den steigenden<br />

Temperaturen eher zunehmen werden,<br />

ist künftig mit tendenziell höheren<br />

S<strong>ch</strong>adensummen zu re<strong>ch</strong>nen. Sofern<br />

es gelingen sollte, die S<strong>ch</strong>äden dur<strong>ch</strong><br />

Naturereignisse mit entspre<strong>ch</strong>enden Gegenmassnahmen<br />

tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> um 20 Prozent<br />

zu reduzieren, wären die erforderli<strong>ch</strong>en<br />

Gelder für eine bessere Warnung<br />

und Alarmierung sehr gewinnbringend<br />

investiert.<br />

Hansjakob Baumgartner<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-14<br />

KONTAKT<br />

Josef Hess<br />

Ges<strong>ch</strong>äftsstelle Lenkungsauss<strong>ch</strong>uss<br />

Intervention Naturgefahren<br />

c/o Abteilung Gefahrenprävention, <strong>BAFU</strong><br />

031 322 19 47<br />

josef.hess@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Naturgefahren


NFP 61: NACHHALTIGE WASSERNUTZUNG<br />

Gewässers<strong>ch</strong>utz trotz Nutzungsdruck<br />

Klimaveränderung, Marktöffnung und Gesells<strong>ch</strong>aftswandel erhöhen den Druck auf die Gewässer.<br />

Mit dem Nationalen Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm NFP 61 können Wissens<strong>ch</strong>aftler und Fa<strong>ch</strong>leute aus der<br />

Praxis zu langfristig tragbaren Lösungen beitragen, meint Ueli Bundi im Interview mit umwelt. Der<br />

frühere Direktor des Wasserfors<strong>ch</strong>ungsinstituts Eawag ist Leitungsmitglied des NFP 61.<br />

umwelt : Das Nationale Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm<br />

NFP 61 soll Wege zur na<strong>ch</strong>haltigen<br />

Wassernutzung weisen. Ist denn die bishe-<br />

rige Gewässerpolitik ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>haltig?<br />

Ueli Bundi: Historis<strong>ch</strong> hat si<strong>ch</strong> die Wasserwirts<strong>ch</strong>aft<br />

in Sektoren entwickelt.<br />

Na<strong>ch</strong>einander entstanden die Gesetze<br />

zum Wasserbau, zur Wasserkraftnutzung<br />

und zuletzt zum Gewässers<strong>ch</strong>utz.<br />

Die Verantwortli<strong>ch</strong>en setzten die Aufgaben<br />

in ihrem jeweiligen Sektor um,<br />

ohne die anderen Berei<strong>ch</strong>e besonders<br />

zu berücksi<strong>ch</strong>tigen, was ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>haltig<br />

ist. 1975 verankerte der Gesetzgeber<br />

dann einen umfassenderen Wasserwirts<strong>ch</strong>aftsartikel.<br />

Und in den 1990er­Jahren<br />

sorgte er für eine Verbindung zwis<strong>ch</strong>en<br />

Wasserbau und Gewässers<strong>ch</strong>utz. In der<br />

Praxis versu<strong>ch</strong>te man, die gegenseitigen<br />

We<strong>ch</strong>selwirkungen vermehrt zu berücksi<strong>ch</strong>tigen.<br />

Aber die Trennwirkung der<br />

Sektoren ist immer no<strong>ch</strong> gross. Heute<br />

stehen wir vor der Herausforderung, die<br />

übergreifenden Ansätze weiter zu stärken<br />

und alle Synergien zu nutzen.<br />

Die Projekte des NFP 61 befassen si<strong>ch</strong> mit<br />

der Frage, was der Klimawandel für die<br />

Wasserwirts<strong>ch</strong>aft bedeutet. Waren die Erfahrungen<br />

im heissen und trockenen Sommer<br />

2003 der Auslöser dafür?<br />

Vereinzelt regten Wissens<strong>ch</strong>aftler bereits<br />

in den 1980er­Jahren an, si<strong>ch</strong><br />

bezügli<strong>ch</strong> Wasser mit dem Klimawandel<br />

zu befassen, was aber ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>ah.<br />

Das Jahr 2003 setzte dann ein starkes<br />

Zei<strong>ch</strong>en. Man wurde hellhörig und<br />

wandte si<strong>ch</strong> nun vermehrt diesem Thema<br />

zu. Allerdings laufen au<strong>ch</strong> andere<br />

Entwicklungen, wel<strong>ch</strong>e auf die Was­<br />

Gewässers<strong>ch</strong>utz > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Ueli Bundi hat bis zu seiner Pensionierung über 35 Jahre für das Wasserfors<strong>ch</strong>ungsinstitut Eawag<br />

gearbeitet, dessen Ausri<strong>ch</strong>tung er ab 1990 als Mitglied der Direktion und später als Direktor<br />

wesentli<strong>ch</strong> mitprägte. Er gilt als Pionier eines ganzheitli<strong>ch</strong>en Gewässers<strong>ch</strong>utzes und engagiert si<strong>ch</strong><br />

als Brückenbauer zwis<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ung und Praxis weiterhin für ein na<strong>ch</strong>haltiges Management<br />

der Gewässer. So ist er über seine Pensionierung hinaus für vers<strong>ch</strong>iedene Organisationen und Vorhaben<br />

– wie etwa das Netzwerk Wasser-Agenda 21 – sowie als Leitungsmitglied des NFP 61 tätig.<br />

serressourcen einwirken und die zu<br />

berücksi<strong>ch</strong>tigen sind, nämli<strong>ch</strong> Marktöffnung,<br />

Globalisierung und Wertewandel.<br />

So gab beispielsweise die Verknappung<br />

der ni<strong>ch</strong>t erneuerbaren Energien<br />

der Wasserkraft wieder Auftrieb. Die<br />

S<strong>ch</strong>weiz erkannte, dass die entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Stromproduktion im europäis<strong>ch</strong>en<br />

Markt eine sehr wi<strong>ch</strong>tige Rolle spielen<br />

kann. Zusammen mit der Anforderung,<br />

den Kohlendioxidausstoss zu senken,<br />

Bild: Beatrix Mühlethaler<br />

bewirkt dies, dass die Wasserkraft jetzt<br />

wieder intensiver gefördert wird. Allein<br />

für Kleinwasserkraftwerke gibt es mehr<br />

als 400 Projekte.<br />

Weshalb gibt es denn im NFP 61 kein Fors<strong>ch</strong>ungsprojekt,<br />

das der Frage na<strong>ch</strong>geht, wo<br />

und wie Kleinwasserkraftwerke mögli<strong>ch</strong><br />

sind, ohne die Bä<strong>ch</strong>e zu s<strong>ch</strong>ädigen?<br />

Dieser Frage geht die Wasser­Agenda 21<br />

na<strong>ch</strong>, eine gemeinsame Plattform der<br />

51


NFP 61: Lösungen für Wasserprobleme<br />

Au<strong>ch</strong> im Wassers<strong>ch</strong>loss S<strong>ch</strong>weiz lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr alle Ansprü<strong>ch</strong>e,<br />

die an Gewässer und Wasserversorgung gestellt werden,<br />

jederzeit befriedigen. Der Klimawandel wird die Nutzungskonflikte<br />

verstärken, wie die Trockenheit im Jahr 2003 gezeigt hat. Die Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />

musste damals Kulturen vertrocknen lassen, weil der<br />

niedrige Wasserstand von Bä<strong>ch</strong>en keine ausrei<strong>ch</strong>ende Bewässerung<br />

mehr erlaubte. Gegen 100 000 Fis<strong>ch</strong>e fielen den prekären Verhältnissen<br />

zum Opfer. Diese Krise wurde ents<strong>ch</strong>ärft, da die folgenden<br />

Sommer wieder genügend Nieders<strong>ch</strong>läge bra<strong>ch</strong>ten. Gemäss Klimaprognosen<br />

lässt die globale Erwärmung etwa ab 2050 aber keinen<br />

sol<strong>ch</strong> glimpfli<strong>ch</strong>en Ausgang mehr erwarten.<br />

Au<strong>ch</strong> gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklungen führen zu vermehrten<br />

Nutzungskonflikten. Dies dürfte zum Beispiel der Fall sein, wenn<br />

die Wirts<strong>ch</strong>aft unsere Gewässer no<strong>ch</strong> intensiver für die Wasserkraft<br />

nutzt, vermehrt Wasser für Kühlzwecke einsetzt, Kulturen häufiger<br />

bewässert und Skipisten öfter bes<strong>ch</strong>neien will. Deshalb stellt si<strong>ch</strong><br />

die Frage, wie si<strong>ch</strong> die dur<strong>ch</strong> den Klimawandel no<strong>ch</strong> akzentuierten<br />

Konflikte in Zukunft lösen lassen. Um mögli<strong>ch</strong>e Engpässe zu erkennen<br />

und zu ents<strong>ch</strong>ärfen, sind neue Strategien erforderli<strong>ch</strong>. Verbunden<br />

damit sollten die natürli<strong>ch</strong>en Funktionen des Wasserkreislaufs<br />

und der Gewässer ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>t,<br />

sondern dauerhaft gestärkt werden.<br />

Praxisnahe Erkenntnisse zu sol<strong>ch</strong>en<br />

Fragen verspri<strong>ch</strong>t das Anfang<br />

<strong>2010</strong> gestartete Nationale Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm<br />

NFP 61 «Na<strong>ch</strong>haltige Wassernutzung»,<br />

das ursprüngli<strong>ch</strong> auf<br />

eine Initiative des <strong>BAFU</strong> zurückgeht.<br />

Es umfasst 16 Projekte mit einem<br />

breiten Spektrum an Themen und konzentriert si<strong>ch</strong> auf wi<strong>ch</strong>tige<br />

Fragestellungen, mit denen si<strong>ch</strong> das Amt seit Jahren bes<strong>ch</strong>äftigt.<br />

Im Fokus stehen einerseits hydrologis<strong>ch</strong>e Themen wie der Glets<strong>ch</strong>errückgang<br />

mit seinen Auswirkungen auf Wasserkraftnutzung und<br />

Tourismus, der Einfluss des Klimawandels auf das Grund­ und<br />

Trinkwasser oder die Gefahr von Ho<strong>ch</strong>wasser und Trockenheit.<br />

Andererseits interessiert, wie ein gut funktionierendes Wassermanagement<br />

organisiert sein muss: Wie lassen si<strong>ch</strong> Wasserressourcen<br />

in guter Qualität si<strong>ch</strong>ern und die Infrastrukturen stärken? Wie<br />

verbessern si<strong>ch</strong> Planungsprozesse? Wie arbeiten die vers<strong>ch</strong>iedensten<br />

Sektoren optimal zusammen? Akteure aus der Praxis sollen bei<br />

allen Fors<strong>ch</strong>ungsprojekten eng mitwirken, damit konkrete Lösungsvors<strong>ch</strong>läge<br />

resultieren, die si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> umsetzen lassen.<br />

52<br />

wi<strong>ch</strong>tigsten Wasserakteure. Sie bezei<strong>ch</strong>net<br />

und quantifiziert Nutzungs­ und S<strong>ch</strong>utzaspekte<br />

und stellt Ents<strong>ch</strong>eidungskriterien<br />

zur Verfügung. Die Kantone Bern und Uri<br />

haben dafür gute Vorarbeit geleistet.<br />

Einen starken Interessenkonflikt gibt es bei<br />

der Bewässerung von landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Kulturen. Das zeigte si<strong>ch</strong> im Trockensommer<br />

2003, als die Gewässer zu wenig Wasser<br />

führten. Wel<strong>ch</strong>en Weg könnte die Fors<strong>ch</strong>ung<br />

hier weisen?<br />

Es ist streng geregelt, wie viel Wasser man<br />

den Gewässern für das Bewässern von Kulturen<br />

entnehmen darf. Wenn die Sommer<br />

trockener werden und der Nutzungsdruck<br />

zunimmt, muss si<strong>ch</strong> die Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />

umorientieren, denn es gibt effizientere<br />

Bewässerungsmethoden als die heute<br />

übli<strong>ch</strong>e Beregnung. So ist die Tröpf<strong>ch</strong>enbewässerung<br />

über S<strong>ch</strong>läu<strong>ch</strong>e am Boden<br />

sparsamer. Ferner wird die Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />

«Früher wurden die Konflikte zwis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utz und<br />

Nutzung viel härter ausgetragen. Heute versu<strong>ch</strong>t man,<br />

Lösungen zu finden, die beidem gere<strong>ch</strong>t werden.»<br />

Ueli Bundi, NFP 61<br />

vermehrt auf Kulturen umstellen müssen,<br />

die Trockenheit gut vertragen. Es gilt no<strong>ch</strong><br />

zu erfors<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e Pflanzensysteme si<strong>ch</strong><br />

hierzulande dafür eignen. Die Erfahrungen<br />

aus anderen Gebieten lassen si<strong>ch</strong> nämli<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> auf die S<strong>ch</strong>weiz übertragen.<br />

Ein Fors<strong>ch</strong>ungsprojekt befasst si<strong>ch</strong> damit,<br />

alte Bewässerungsgräben wieder in Betrieb<br />

zu nehmen. Ist das in diesem Zusammenhang<br />

zu sehen?<br />

Im Zentrum steht hier die Frage, wie si<strong>ch</strong><br />

alte Bewässerungssysteme – wie im Wallis<br />

und Unterengadin – retten und wieder<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Gewässers<strong>ch</strong>utz


nutzen lassen. Diese Wassergräben haben<br />

allerdings ni<strong>ch</strong>t nur eine Bewässerungsfunktion,<br />

sondern entlang ihres<br />

Laufs au<strong>ch</strong> eine ökologis<strong>ch</strong>e Wirkung.<br />

Sie sind oft mit einer naturnahen Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />

verbunden und au<strong>ch</strong> touristis<strong>ch</strong><br />

interessant. Es geht in diesem Projekt<br />

deshalb um eine umfassende Si<strong>ch</strong>t<br />

der Zusammenhänge zwis<strong>ch</strong>en Landnutzung,<br />

ökologis<strong>ch</strong>em Wert und Tourismus.<br />

Dabei mö<strong>ch</strong>ten die Fors<strong>ch</strong>enden<br />

au<strong>ch</strong> untersu<strong>ch</strong>en, wie si<strong>ch</strong> moderne<br />

Bewässerungssysteme in diese Si<strong>ch</strong>tweise<br />

bezügli<strong>ch</strong> Ökologie und Tourismus<br />

integrieren lassen.<br />

Der Tourismus erzeugt in Wintersportorten<br />

problematis<strong>ch</strong>e Verbrau<strong>ch</strong>sspitzen. Vers<strong>ch</strong>ärfen<br />

si<strong>ch</strong> diese mit dem Klimawandel?<br />

Das ist vorläufig ein vom Klima unabhängiges<br />

Problem. Es gilt, mit dem<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Kapazitätsbedarf fer­<br />

tigzuwerden. Beispielsweise stellen die<br />

Belastungss<strong>ch</strong>wankungen hohe Ansprü<strong>ch</strong>e<br />

an die Abwasserreinigungsanlagen.<br />

Die Betreiber haben aber gelernt, damit<br />

umzugehen. Lokal und regional können<br />

au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>neekanonen mit ihrem hohen<br />

Wasserbedarf problematis<strong>ch</strong> sein. Je<br />

na<strong>ch</strong> Gegebenheiten beeinträ<strong>ch</strong>tigen sie<br />

die Gewässer oder treten in Konkurrenz<br />

zur Trinkwasserversorgung.<br />

Die Fors<strong>ch</strong>ungsbes<strong>ch</strong>riebe des NFP 61 zeigen<br />

viele Probleme auf und lassen no<strong>ch</strong> grösseren<br />

Druck auf die Gewässer erwarten. Wo<br />

bleiben da die Chancen einer na<strong>ch</strong>haltigen<br />

Wasserwirts<strong>ch</strong>aft?<br />

Früher wurden die Konflikte zwis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>utz und Nutzung viel härter ausgetragen.<br />

Heute versu<strong>ch</strong>t man, Lösungen<br />

zu finden, die beidem gere<strong>ch</strong>t werden.<br />

Es gibt bestimmt au<strong>ch</strong> Gebiete, die man<br />

ganz s<strong>ch</strong>ützen und ni<strong>ch</strong>t für die Stromproduktion<br />

nutzen wird. Anderswo hingegen<br />

kommt es zu einer intensiveren<br />

Gewässers<strong>ch</strong>utz > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Nutzung. Die Aufgabe besteht darin,<br />

unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Interessen auszuglei<strong>ch</strong>en.<br />

Dies setzt voraus, dass Nutzer<br />

und S<strong>ch</strong>ützer diesen Ausglei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>en.<br />

Das NFP 61 s<strong>ch</strong>afft dafür wertvolle<br />

Grundlagen.<br />

Beim Restwasser ist der Ausglei<strong>ch</strong> aber no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>t.<br />

Das Ganze ist kein S<strong>ch</strong>musespiel. Die<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Interessen einerseits<br />

und die naturs<strong>ch</strong>ützeris<strong>ch</strong>en Anliegen<br />

andererseits sind sehr konfliktträ<strong>ch</strong>tige<br />

Positionen. Beide Seiten wollen mehr.<br />

Au<strong>ch</strong> in Zukunft wird es bei Projekten<br />

immer wieder Auseinandersetzungen<br />

geben.<br />

Im Hitzesommer 2003 starben viele Fis<strong>ch</strong>e<br />

wegen erhöhter Wassertemperaturen. Was<br />

kommt da no<strong>ch</strong> auf uns zu?<br />

Die Gewässer sind heute etwa 2 Grad<br />

wärmer als vor hundert Jahren. Ende<br />

der 1980er­Jahre gab es plötzli<strong>ch</strong> einen<br />

Wärmesprung, der vermutli<strong>ch</strong> der<br />

Klimaerwärmung zuzus<strong>ch</strong>reiben ist.<br />

Der Temperaturanstieg hat aber no<strong>ch</strong><br />

vers<strong>ch</strong>iedene andere Ursa<strong>ch</strong>en. Neben<br />

Abwassereinleitungen sind es die bauli<strong>ch</strong>en<br />

Veränderungen: Wir haben Bä<strong>ch</strong>e<br />

begradigt, S<strong>ch</strong>atten spendende Ufergehölze<br />

beseitigt und das Abflussregime<br />

dur<strong>ch</strong> Wasserkraftnutzung verändert.<br />

Wenn si<strong>ch</strong> das Wasser weiter erwärmt,<br />

wird es für empfindli<strong>ch</strong>e Organismen<br />

vermehrt zu warm sein.<br />

Also sind die Gewässer wieder naturnaher<br />

zu gestalten?<br />

Ja, da kommen vers<strong>ch</strong>iedene Vorteile<br />

zusammen: Ein renaturierter Ba<strong>ch</strong> ist<br />

wieder ein besserer Lebensraum für Organismen,<br />

er ist ästhetis<strong>ch</strong>er, hat eine<br />

bessere Erholungsfunktion für Mens<strong>ch</strong>en<br />

und bietet erst no<strong>ch</strong> mehr S<strong>ch</strong>utz<br />

vor Ho<strong>ch</strong>wasser. Er verfügt au<strong>ch</strong> über<br />

eine bessere Selbstreinigungskraft und<br />

ist kühler. Das sind Synergien, derer<br />

man si<strong>ch</strong> früher ni<strong>ch</strong>t so bewusst war.<br />

Besteht demna<strong>ch</strong> ein Zwang, den Gewässerfunktionen<br />

besser Re<strong>ch</strong>nung zu tragen,<br />

weil wir uns sonst zu grosse Probleme<br />

einhandeln?<br />

So ist es. Das wurde au<strong>ch</strong> beim Ho<strong>ch</strong>wassers<strong>ch</strong>utz<br />

erkannt. Ein unökologis<strong>ch</strong>es<br />

Vorgehen s<strong>ch</strong>afft mehr S<strong>ch</strong>wierigkeiten,<br />

als es verhindert. Wir können<br />

ni<strong>ch</strong>t auf die Ökologie verzi<strong>ch</strong>ten, weil<br />

dies langfristig ni<strong>ch</strong>t tragfähig wäre. Bei<br />

uns verbietet beispielsweise das Gesetz,<br />

Grundwasser stärker auszubeuten, als<br />

es si<strong>ch</strong> erneuert. In Ländern, wo dies<br />

ni<strong>ch</strong>t gilt, kommt es früher oder später<br />

zu Problemen.<br />

Wenn wir s<strong>ch</strong>on im Wassers<strong>ch</strong>loss so sehr<br />

gefordert sind, wird es für andere Länder<br />

wohl no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wieriger.<br />

Länder, die heute bereits unter der Trockenheit<br />

leiden, werden in Zukunft<br />

no<strong>ch</strong> mehr gestraft sein. Da fragt es si<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>on, ob wir den grossen Fors<strong>ch</strong>ungsaufwand<br />

ni<strong>ch</strong>t besser in Nordafrika betreiben<br />

sollten. I<strong>ch</strong> bin der Auffassung,<br />

wir sollen die Fors<strong>ch</strong>ung hier ma<strong>ch</strong>en,<br />

sind aber legitimiert und verpfli<strong>ch</strong>tet,<br />

die ärmeren Länder mit unseren Erkenntnissen<br />

zu unterstützen. Ferner<br />

haben wir au<strong>ch</strong> eine Verantwortung gegenüber<br />

unseren Na<strong>ch</strong>barstaaten, ihnen<br />

die Gewässer sauber und mit einem guten<br />

Abflussregime zuzuführen.<br />

Interview: Beatrix Mühlethaler<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-15<br />

KONTAKT<br />

Hugo As<strong>ch</strong>wanden<br />

Chef der Sektion<br />

Gewässerbewirts<strong>ch</strong>aftung, <strong>BAFU</strong><br />

031 324 76 70<br />

hugo.as<strong>ch</strong>wanden@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

53


MONITORING DER MOOSE<br />

Trompeten, Sternleber<br />

und bunte Birnen<br />

Moose spielen global eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle als Kohlendioxidsenke, wirken ausglei<strong>ch</strong>end auf<br />

den Wasserhaushalt und gestalten Lebensräume. Mit einem Monitoringprojekt will das <strong>BAFU</strong><br />

nun Wissenslücken bei bedrohten Moosarten s<strong>ch</strong>liessen, für die das Alpenland S<strong>ch</strong>weiz eine<br />

besondere Verantwortung trägt.<br />

Es gibt in der S<strong>ch</strong>weiz mehr als tausend<br />

Moosarten, aber nur wenige Fa<strong>ch</strong>leute, die<br />

sie alle kennen. Zu ihnen gehört die Biologin<br />

Heike Hofmann von der Fors<strong>ch</strong>ungsstelle<br />

für Umweltbeoba<strong>ch</strong>tung (FUB). Auf<br />

dem no<strong>ch</strong> weitgehend nackten Boden der<br />

Naturs<strong>ch</strong>utzflä<strong>ch</strong>e «Giriz» im Reusstal bei<br />

Rottens<strong>ch</strong>wil (AG) su<strong>ch</strong>t sie das Gelände<br />

na<strong>ch</strong> gefährdeten Moosarten ab. Ein Fundstück<br />

von der Grösse eines Zweifränklers<br />

kann sie unter der Lupe als Buntes Birnmoos<br />

(Bryum versicolor) identifizieren – ein<br />

Befund, der si<strong>ch</strong> später im Labor bestätigt.<br />

Die Feldarbeit erfolgt im Auftrag des<br />

<strong>BAFU</strong>, das 2007 – in Zusammenarbeit mit<br />

dem Nationalen Inventar der S<strong>ch</strong>weizer<br />

Moosflora – ein Monitoringprojekt für<br />

54<br />

stark gefährdete Moosarten lanciert hat.<br />

Dabei stehen vorerst die drei Arten Buntes<br />

Birnmoos, Breidlers Sternlebermoos (Riccia<br />

breidleri) und Rudolphs Trompetenmoos<br />

(Tayloria rudolphiana) im Mittelpunkt, für<br />

deren Erhaltung die S<strong>ch</strong>weiz als Alpenland<br />

eine besondere Verantwortung trägt.<br />

«Wir erhoffen uns von diesem Projekt präzise<br />

Angaben zur effektiven Gefährdung<br />

der drei Arten und ein besseres Verständnis<br />

ihrer ökologis<strong>ch</strong>en Ansprü<strong>ch</strong>e», sagt<br />

Stephan Lussi von der Sektion Arten und<br />

Biotope beim <strong>BAFU</strong>.<br />

Zahlrei<strong>ch</strong>e Moose spielen aus ökologis<strong>ch</strong>er<br />

Si<strong>ch</strong>t eine bedeutende Rolle.<br />

Insbesondere die Torfmoose der Gattung<br />

Sphagnum binden weltweit grosse Mengen<br />

Auf dem Boden neben einem<br />

renaturierten Altlauf im aargauis<strong>ch</strong>en<br />

Reusstal bestimmt die Biologin und<br />

Moosspezialistin Heike Hofmann ein<br />

Buntes Birnmoos unter der Lupe.<br />

Im Auftrag des <strong>BAFU</strong> erfasst sie au<strong>ch</strong><br />

weitere bedrohte Moosarten.<br />

Bild: Hansjakob Baumgartner<br />

Knapp 40 Prozent<br />

auf der Roten Liste<br />

Die Ökologie unserer Moose ist viel<br />

weniger gut bekannt als diejenige<br />

der Blütenpflanzen. Immerhin existiert<br />

eine Rote Liste, wel<strong>ch</strong>e 416 von<br />

insgesamt 1093 beurteilten Arten<br />

und Unterarten umfasst. Davon<br />

sind 119 Arten – das heisst umgere<strong>ch</strong>net<br />

11 Prozent – entweder stark<br />

gefährdet oder vom Aussterben bedroht.<br />

Am hö<strong>ch</strong>sten ist der Anteil<br />

gefährdeter Arten bei den Moosen<br />

der Trockenrasen, Äcker und Pionierstandorte.<br />

Besser dran sind die<br />

Arten nasser Böden, was si<strong>ch</strong> auf<br />

den erfolgrei<strong>ch</strong>en Flä<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>utz der<br />

Moore zurückführen lässt.<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Artens<strong>ch</strong>utz


Die ges<strong>ch</strong>ützten Moose der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Artens<strong>ch</strong>utz > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Funde vor 1960 Funde seit 1960<br />

Barbula asperifolia<br />

Gattung Bärt<strong>ch</strong>enmoose<br />

Rote Liste: verletzli<strong>ch</strong><br />

Breutelia <strong>ch</strong>rysocoma<br />

Golds<strong>ch</strong>opfmoos<br />

Rote Liste: ni<strong>ch</strong>t gefährdet<br />

Bryum versicolor<br />

Buntes Birnmoos<br />

Rote Liste: vom Aussterben bedroht<br />

Drepanocladus vernicosus<br />

Glänzendes Si<strong>ch</strong>elmoos<br />

Rote Liste: potenziell gefährdet<br />

Frullania parvistipula<br />

Gattung Wassersack-Lebermoose<br />

Rote Liste: vom Aussterben bedroht<br />

Leucobryum glaucum aggr.<br />

Weissmoos, Ordenskissenmoos<br />

Rote Liste: ni<strong>ch</strong>t gefährdet<br />

Phaeoceros laevis<br />

subsp. carolinianus<br />

Gelb-Hornmoos<br />

Rote Liste: stark gefährdet<br />

Riccia breidleri<br />

Breidlers Sternlebermoos<br />

Rote Liste: verletzli<strong>ch</strong><br />

Ricciocarpos natans<br />

S<strong>ch</strong>wimm-Lebermoos<br />

Rote Liste: verletzli<strong>ch</strong><br />

Gattung Sphagnum<br />

Torfmoose<br />

Tayloria rudolphiana<br />

Rudolphs Trompetenmoos<br />

Rote Liste: verletzli<strong>ch</strong><br />

Standorte<br />

auf Gesteinsrohböden und Felsen, oft in Gipfelnähe;<br />

Ho<strong>ch</strong>alpenmoos, nur mikroskopis<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er bestimmbar<br />

auf Erde in we<strong>ch</strong>selfeu<strong>ch</strong>ten Magerrasen und extensiv<br />

genutzten Weiden; besonders auf Flys<strong>ch</strong><br />

auf sandigen S<strong>ch</strong>wemmböden von Flüssen und an<br />

feu<strong>ch</strong>ten Stellen in Kiesgruben<br />

in Gräben und Senken von neutralen bis basenrei<strong>ch</strong>en,<br />

nährstoffarmen Fla<strong>ch</strong>- oder Zwis<strong>ch</strong>enmooren;<br />

nur mikroskopis<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er bestimmbar<br />

an senkre<strong>ch</strong>ten Flä<strong>ch</strong>en von oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> entkalkten<br />

Kalkblöcken und an Bäumen in lockeren Mis<strong>ch</strong>wäldern;<br />

nur mikroskopis<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er bestimmbar<br />

auf sauren Böden in Wäldern, Zwergstrau<strong>ch</strong>heiden<br />

und an trockenen Stellen in Ho<strong>ch</strong>mooren<br />

auf lehmig-sandigen Böden in Stoppeläckern;<br />

hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> im Herbst zu beoba<strong>ch</strong>ten<br />

auf feu<strong>ch</strong>ten, basenrei<strong>ch</strong>en Sandböden, am Rand<br />

alpiner S<strong>ch</strong>melzwassertümpel<br />

in stehenden und langsam fliessenden, bes<strong>ch</strong>atteten<br />

Gewässern; selten au<strong>ch</strong> auf feu<strong>ch</strong>tem Lehm und<br />

Laubstreu<br />

an feu<strong>ch</strong>ten bis nassen, kalkarmen Standorten in<br />

Ho<strong>ch</strong>-, Fla<strong>ch</strong>- oder Übergangsmooren; einzelne<br />

Arten au<strong>ch</strong> in feu<strong>ch</strong>ten Wäldern<br />

an ausladenden Ästen von alten Bergahornen<br />

in luftfeu<strong>ch</strong>ten Lagen der montanen und subalpinen Stufe<br />

Quelle: Fors<strong>ch</strong>ungsstelle für Umweltbeoba<strong>ch</strong>tung, Rapperswil (SG) und Naturräumli<strong>ch</strong>es Inventar<br />

der S<strong>ch</strong>weizer Moosflora, Institut für Systematis<strong>ch</strong>e Botanik der Universität Züri<strong>ch</strong><br />

55


des Treibhausgases Kohlendioxid, spei<strong>ch</strong>ern<br />

viel Wasser, wirken dadur<strong>ch</strong> ausglei<strong>ch</strong>end<br />

auf den Wasserhaushalt und<br />

treten zudem als Gestalter ihres Lebensraums<br />

auf. So verdanken etwa die Ho<strong>ch</strong>moore<br />

ihre Existenz den Torfmoosen.<br />

Nur no<strong>ch</strong> wenige Fundorte. Im Reusstal ist<br />

das Bunte Birnmoos ein Relikt aus der<br />

Zeit, als das Fliessgewässer hier no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t kanalisiert war. Es wä<strong>ch</strong>st in Flussauen<br />

an periodis<strong>ch</strong> überfluteten, sandigen<br />

oder kiesigen Stellen. Im «Giriz»<br />

waren diese Standortbedingungen<br />

während Jahrzehnten ni<strong>ch</strong>t mehr erfüllt,<br />

weil ein Damm die Flä<strong>ch</strong>e von der<br />

Reuss trennte. Zudem wurde das Land<br />

ackerbauli<strong>ch</strong> genutzt, bis man 2005 im<br />

Rahmen eines Renaturierungsprojekts<br />

einen Altlauf wieder ausbaggerte. Im<br />

deponierten Aushub neben dem erneuerten<br />

Gewässer bildete das Moos, dessen<br />

Sporen jahrzehntelang in der Erde überdauert<br />

und auf ihre Chance gewartet<br />

hatten, prompt wieder Polster auf dem<br />

Rohboden.<br />

Heike Hofmann notiert den genauen<br />

Ort und die Grösse der bedeckten Flä<strong>ch</strong>e<br />

auf dem Protokollblatt, taxiert die Vitalität<br />

der Population, ma<strong>ch</strong>t Angaben<br />

zum Vegetationstyp und zum Substrat<br />

des Standorts. Sie vermerkt au<strong>ch</strong> allfällige<br />

Gefährdungen und ums<strong>ch</strong>reibt die<br />

Situation des Bestandes im Verglei<strong>ch</strong><br />

zum Vorjahr in einigen Sätzen.<br />

Das «Giriz» ist zurzeit der einzige<br />

Fundort des Bunten Birnmooses an der<br />

Reuss – und einer von bloss fünf in der<br />

ganzen S<strong>ch</strong>weiz. Ansonsten kommt<br />

die Art nur no<strong>ch</strong> in einem begrenzten<br />

Gebiet entlang der Maggia (TI), an der<br />

Rhone im Berei<strong>ch</strong> des Pfynwaldes (VS),<br />

56<br />

an der Engelberger Aa (NW) und am<br />

Rhein bei Bad Ragaz (SG) vor.<br />

Einst weit verbreitet. Viel zahlrei<strong>ch</strong>er sind<br />

die in Herbarien und Floren aus den<br />

ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts<br />

überlieferten Fundorte. Damals war das<br />

Bunte Birnmoos entlang aller grösseren<br />

Flüsse der S<strong>ch</strong>weiz vertreten. Als Folge<br />

der Begradigungen und Kanalisierungen<br />

sind seither die meisten Vorkommen<br />

erlos<strong>ch</strong>en. Wenn dies au<strong>ch</strong> mit<br />

den übrig gebliebenen ges<strong>ch</strong>ieht, droht<br />

die Art weltweit auszusterben, denn<br />

ein erhebli<strong>ch</strong>er Teil der auf Europa bes<strong>ch</strong>ränkten<br />

Gesamtpopulation findet<br />

si<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Ähnli<strong>ch</strong>es gilt für Breidlers Sternlebermoos<br />

(Riccia breidleri), das an Ufern<br />

von alpinen S<strong>ch</strong>melzwassertümpeln mit<br />

we<strong>ch</strong>selndem Wasserstand wä<strong>ch</strong>st. Auf<br />

den zeitweise trockenfallenden Sandböden<br />

bildet es zuweilen di<strong>ch</strong>te, reine<br />

Bestände. Gefährdet ist au<strong>ch</strong> Rudolphs<br />

Trompetenmoos (Tayloria rudolphiana):<br />

Es gedeiht fast auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> auf alten<br />

Bergahornen in li<strong>ch</strong>ten, aber luftfeu<strong>ch</strong>ten<br />

Lagen der Nordalpen. Meist werden<br />

freistehende Bäume in Weiden oder an<br />

Wald­ und Wegrändern besiedelt. Der<br />

Rückzug der Landwirts<strong>ch</strong>aft aus den wenig<br />

ergiebigen Flä<strong>ch</strong>en des Berggebiets<br />

ma<strong>ch</strong>t ihm zu s<strong>ch</strong>affen: Werden Weiden<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr bestossen, kehrt der Wald<br />

zurück, in dessen S<strong>ch</strong>atten Rudolphs<br />

Trompetenmoos verkümmert.<br />

Die ri<strong>ch</strong>tigen S<strong>ch</strong>utzmassnahmen treffen.<br />

Im Rahmen des Monitorings wurden in<br />

einer ersten Runde die früheren Fundorte<br />

der Arten aufgesu<strong>ch</strong>t, die man<br />

aufgrund der alten Proben in den Her­<br />

barien kennt. Gemäss diesen Abklärungen<br />

war das Sternlebermoos no<strong>ch</strong> an<br />

9 Orten zugegen, das Trompetenmoos<br />

an 13 und das Bunte Birnmoos zunä<strong>ch</strong>st<br />

nur an 3. Je 5 Vorkommen pro Art werden<br />

bis 2011 jährli<strong>ch</strong> kontrolliert.<br />

Gestützt auf diese Ergebnisse sollen<br />

dann die ri<strong>ch</strong>tigen S<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />

abgeleitet werden. Zudem gehe es im<br />

Hinblick auf weitere Projekte mit prioritären<br />

Arten au<strong>ch</strong> darum, generelle<br />

Erfahrungen in Bezug auf deren Erhaltung<br />

zu sammeln, sagt Stephan Lussi.<br />

«Neben den Blütenpflanzen und Moosen<br />

gibt es au<strong>ch</strong> bei Pilzen und Fle<strong>ch</strong>ten wenig<br />

bekannte, aber gefährdete Arten, für<br />

die wir eine besondere Verantwortung<br />

tragen.»<br />

Im Fall des Bunten Birnmooses hat<br />

das Programm no<strong>ch</strong> einen zusätzli<strong>ch</strong>en<br />

Aspekt. In den letzten Jahren sind<br />

zahlrei<strong>ch</strong>e Flussabs<strong>ch</strong>nitte renaturiert<br />

worden. Dadur<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong> neuer potenzieller<br />

Lebensraum für die Pionierart<br />

entstanden. Wird sie dahin zurückkehren?<br />

In Zukunft wird man das Vorkommen<br />

und die Verbreitung des Bunten<br />

Birnmooses ni<strong>ch</strong>t zuletzt als Indikator<br />

für den Erfolg einer Renaturierung werten<br />

können.<br />

Hansjakob Baumgartner<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-16<br />

KONTAKT<br />

Stephan Lussi<br />

Sektion Arten und Biotope<br />

<strong>BAFU</strong><br />

031 324 49 94<br />

stephan.lussi@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

umwelt 3/<strong>2010</strong> > Artens<strong>ch</strong>utz


Bildung<br />

Mit dem «Bodenlift» auf Reise<br />

Ein neues interaktives Lehr- und Lernangebot für die Mittelstufe (3. bis 6. Klasse) widmet si<strong>ch</strong> dem<br />

Thema Bodenökologie. Mit dem «Bodenlift» lassen si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Funktionen des Bodens erkunden<br />

und kennenlernen – stufengere<strong>ch</strong>t und auf abwe<strong>ch</strong>slungsrei<strong>ch</strong>e Art. Die E-Learning-Applikation mit<br />

sieben Stationen thematisiert beispielsweise die Laubs<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t auf dem Boden, die Pilze und Bakterien,<br />

die Bodentiere oder die vers<strong>ch</strong>iedenen Erds<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten. Ergänzt wird sie mit einem Leporello, der auf die<br />

Lehrinhalte abgestimmt ist und unter anderem Anleitung für Experimente zu den sieben Hauptthemen<br />

bietet. Dieser Falt prospekt kann als Klassensatz für CHF 1.50 pro Exemplar bestellt werden. Einzelexemplare<br />

sind kostenlos. Das elektronis<strong>ch</strong>e Angebot steht gratis in deuts<strong>ch</strong>er und französis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e zur<br />

Verfügung. Es entstand in Zusammenarbeit von <strong>BAFU</strong> und LerNetz AG, Bern.<br />

> www.bodenreise.<strong>ch</strong>. Leporello bestellen bei: BBL, Vertrieb Bundespublikationen, 3003 Bern, 031 325 50 50,<br />

Bestellnummer: 810.400.046d, www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1025-d.<br />

Fit für die Umwelt in der Region Basel<br />

Unterstützung für S<strong>ch</strong>ulprojekte<br />

Konkret soll sie sein, die Umweltbildungsarbeit während der obligatoris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulzeit. Entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Projekte sollen die Kompetenz der Kinder fördern, selbstbestimmt und verantwortungsbewusst die Zukunft<br />

von Umwelt und Gesells<strong>ch</strong>aft mitzugestalten. Damit dieses Ziel ni<strong>ch</strong>t an fehlendem Geld s<strong>ch</strong>eitert, finden<br />

Lehrpersonen Unterstützung beim «Fonds für S<strong>ch</strong>ulprojekte in Umweltbildung» der Stiftung Umweltbildung<br />

S<strong>ch</strong>weiz (SUB). Der Fonds hat si<strong>ch</strong> zum Ziel gesetzt, diesen Lehrberei<strong>ch</strong> als zentralen Bestandteil einer<br />

zukunftsfähigen Bildung in den S<strong>ch</strong>ulen zu verankern. Ins Leben gerufen wurde er ursprüngli<strong>ch</strong> vom <strong>BAFU</strong>.<br />

> Informationen und Anträge: Stiftung Umweltbildung S<strong>ch</strong>weiz (SUB), Hansruedi Gilgen, Bern, 031 370 17 70,<br />

hansruedi.gilgen@sub-fee.<strong>ch</strong>, www.umweltbildung.<strong>ch</strong>/s<strong>ch</strong>ulprojekte<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

www.bodenreise.<strong>ch</strong><br />

Was passiert mit unserem Abfall? Wo wohnen Da<strong>ch</strong>se? Wie überleben Pflanzen in der Wüste? Woher<br />

kommt der Strom? Wie gut ist die Basler Luft? Antworten auf diese und weitere spannende Fragen erhalten<br />

Lehrpersonen mit ihren S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>ülern, wenn sie die aussers<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Lernangebote in<br />

der Region Basel zur Umweltbildung nutzen. Einen Überblick liefert ein neues Verzei<strong>ch</strong>nis mit Adressen<br />

der Anbieter sowie Themen und Zielen der wi<strong>ch</strong>tigsten Angebote.<br />

> http://sdu.edubs.<strong>ch</strong>/ > Fä<strong>ch</strong>er > Übergreifende Berei<strong>ch</strong>e: Bildung für na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung > Umweltbildung<br />

(Anmeldung/Registrierung erforderli<strong>ch</strong>)<br />

NOTIZBLOCK<br />

Kleine Fors<strong>ch</strong>er im Zoo<br />

Wie soll die Tigeranlage gestaltet sein?<br />

Wel<strong>ch</strong>e Berufe gibt es im Zoo? Wie viel<br />

Fleis<strong>ch</strong> fressen die Tiere? Antworten<br />

gibt das Lehrmittel «ZOO verweilen, entdecken,<br />

geniessen». Es eignet si<strong>ch</strong> für<br />

die Arbeit im S<strong>ch</strong>ulzimmer, hilft mit konkreten<br />

Ideen, den Zoobesu<strong>ch</strong> vorzubereiten,<br />

und regt die Kinder an, genau zu<br />

beo ba<strong>ch</strong>ten und wie Fors<strong>ch</strong>er zu protokollieren.<br />

> Preis: CHF 95.–, www.verlagzkm.<strong>ch</strong><br />

Bärenspuren<br />

Auf dem neuen Bärenerlebnisweg in<br />

der Nähe des Museums S<strong>ch</strong>melzra in<br />

S­<strong>ch</strong>arl (GR) kann man auf den Spuren<br />

des Braunbären wandern. Neun interaktive<br />

Stationen liefern umfassende Informationen<br />

zum Braunbären und ergänzen die<br />

Bärenausstellung im Museum. Rund zwei<br />

Stunden dauert das Erlebnis.<br />

> www.nationalpark.<strong>ch</strong> > Besu<strong>ch</strong>en ><br />

Museum S<strong>ch</strong>melzra > Bärenerlebnisweg<br />

www.ursina.org<br />

Jedem seine Klimawerkstatt<br />

Das myclimate­Lehrlingsprojekt «Klimawerkstatt»<br />

verbindet Allgemeinbildung<br />

mit aktivem Klimas<strong>ch</strong>utz: Im Rahmen des<br />

s<strong>ch</strong>weizweiten Wettbewerbs setzen Lernende<br />

eigene kleine Energieprojekte um.<br />

In den vier Kategorien Energie, Sensibilisierung,<br />

Innovation und Planung sind die<br />

Arbeiten unter www.klimawerkstatt.org<br />

einzusehen.<br />

Zu Trockenmauern pilgern<br />

Die Stiftung Umwelt­Einsatz S<strong>ch</strong>weiz<br />

organisiert am 12. September <strong>2010</strong> eine<br />

Wanderung zu den hö<strong>ch</strong>sten Trockenmauern<br />

Europas: zu den über 20 Meter<br />

hohen Rebterrassen an der Cozette bei<br />

Sion (VS). Diese Mauern wurden vor<br />

mehr als 150 Jahren ohne eine Kelle<br />

Zement erri<strong>ch</strong>tet.<br />

> Kosten: CHF 60.– inkl. fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Leitung,<br />

Exkursionsdossier und Weindegustation mit<br />

Zvieri.<br />

www.umwelteinsatz.<strong>ch</strong> > Trockenmauern ><br />

Baukurse > Spezialkurse und Exkursionen<br />

Trockenmauerbau <strong>2010</strong><br />

57


Re<strong>ch</strong>t<br />

Bundesgeri<strong>ch</strong>t stoppt<br />

Abs<strong>ch</strong>uss von Graureihern<br />

Ges<strong>ch</strong>ützte Arten wie der Graureiher dürfen nur in<br />

Ausnahmefällen erlegt werden.<br />

Im Januar 2007 erteilte das Amt für Wald, Wild und Fis<strong>ch</strong>erei<br />

des Kantons Freiburg drei einzelnen Fis<strong>ch</strong>zu<strong>ch</strong>tbetreibern<br />

eine Abs<strong>ch</strong>usserlaubnis für Graureiher. Na<strong>ch</strong><br />

einer Bes<strong>ch</strong>werde des S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Vogels<strong>ch</strong>utzes<br />

SVS/BirdLife S<strong>ch</strong>weiz und von Pro Natura hob die Direktion<br />

der Institutionen und der Land­ und Forstwirts<strong>ch</strong>aft<br />

(ILFD) den Ents<strong>ch</strong>eid der Dienststelle auf. Allerdings nur<br />

ein biss<strong>ch</strong>en: Eine Selbsthilfemassnahme sei ausges<strong>ch</strong>lossen,<br />

weil es si<strong>ch</strong> beim Graureiher um eine ges<strong>ch</strong>ützte Art<br />

handelt und weil nur Abs<strong>ch</strong>ussmassnahmen in Ausnahmefällen<br />

angeordnet werden können. Die ILFD ersetzte<br />

die strittigen Bewilligungen dur<strong>ch</strong> an Bedingungen geknüpfte<br />

«Abs<strong>ch</strong>ussanordnungen»: Einzig Reiher, die si<strong>ch</strong><br />

in der Nähe von Fis<strong>ch</strong>zu<strong>ch</strong>tanlagen und am Boden aufhielten,<br />

dürften abges<strong>ch</strong>ossen werden – und nur, wenn<br />

vorgängig Massnahmen zu ihrer Vertreibung ergriffen<br />

worden seien. Das Kantonsgeri<strong>ch</strong>t lehnte die fällige<br />

Bes<strong>ch</strong>werde von SVS/BirdLife S<strong>ch</strong>weiz und Pro Natura ab<br />

mit der Präzisierung, dass die Fis<strong>ch</strong>zu<strong>ch</strong>tbetreiber eine<br />

Vogels<strong>ch</strong>eu<strong>ch</strong>e aufzustellen hätten.<br />

Inzwis<strong>ch</strong>en gab das Bundesgeri<strong>ch</strong>t dem SVS und Pro<br />

Natura Re<strong>ch</strong>t. Es verwies auf das Eidgenössis<strong>ch</strong>e Jagdgesetz<br />

(JSG), wona<strong>ch</strong> bei ges<strong>ch</strong>ützten Arten nur in Ausnahmefällen<br />

und gezielt einzelne Individuen getötet werden<br />

dürfen, wenn sie erhebli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>aden anri<strong>ch</strong>ten.<br />

Das <strong>BAFU</strong> hatte in einer Stellungnahme erwogen, dass<br />

eine Massnahme im Ausnahmefall ni<strong>ch</strong>t mehr als etwa<br />

10 Prozent der reproduzierenden Population einer Art<br />

betreffen darf. Die drei Abs<strong>ch</strong>ussbewilligungen führten<br />

im Kanton Freiburg aber zum Tod von insgesamt<br />

126 Tieren, was den Ri<strong>ch</strong>twert von 10 Prozent des Bestandes<br />

(50 bis 70 Brutpaare im ganzen Kanton) bei Weitem<br />

übers<strong>ch</strong>reitet. Damit sei die Abs<strong>ch</strong>usserlaubnis keine<br />

Massnahme im Ausnahmefall im Sinne des JSG. Die Tatsa<strong>ch</strong>e,<br />

dass eine ges<strong>ch</strong>ützte Art ni<strong>ch</strong>t vom Aussterben bedroht<br />

ist, erlaubt es den Kantonen also ni<strong>ch</strong>t, unter dem<br />

Vorwand von aussergewöhnli<strong>ch</strong>en Massnahmen den<br />

Abs<strong>ch</strong>uss einer unbegrenzten Zahl von Tieren zu bewilligen.<br />

Roger Zufferey, Abteilung Re<strong>ch</strong>t, <strong>BAFU</strong>, Tel. 031 322 80 61,<br />

roger.zufferey@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>;<br />

Bundesgeri<strong>ch</strong>t: Urteil Nr. BGE 2C_911/2008<br />

58<br />

Publikationen<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong>


Umwelt allgemein<br />

Umweltstatistik S<strong>ch</strong>weiz in der Tas<strong>ch</strong>e <strong>2010</strong>. Publikumsbros<strong>ch</strong>üre.<br />

Hrsg. von Bundesamt für Statistik (BFS) und <strong>BAFU</strong>. 36 S.; D, F, I, E; kostenlos;<br />

Bezug: BFS, <strong>2010</strong> Neu<strong>ch</strong>âtel, Tel. 032 713 60 60, Fax 032 713 60 61,<br />

order@bfs.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>, www.environment-stat.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>;<br />

Bestellnummer D: 521-1000.<br />

Anhand von Kennzahlen, Grafiken und Kurztexten bietet die Bros<strong>ch</strong>üre einen<br />

s<strong>ch</strong>nellen Überblick über die aktuelle Lage der Umwelt.<br />

Den abonnierten Exemplaren dieses Heftes liegt die Publikation bei.<br />

Abfallwirts<strong>ch</strong>aft<br />

KVA-Rückstände in der S<strong>ch</strong>weiz. Der Rohstoff mit Mehrwert. 230 S.;<br />

D; keine gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1026-d.<br />

Artens<strong>ch</strong>utz<br />

Mit dem Biber leben. Bestandesaufnahme 2008; Perspektiven<br />

für den Umgang mit dem Biber in der S<strong>ch</strong>weiz. Hrsg. von <strong>BAFU</strong> und<br />

S<strong>ch</strong>weizer Zentrum für die Kartographie der Fauna (SZKF/CSCF). 158 S.;<br />

D, F; CHF 25.–; Bestellnummer der gedruckten Ausgabe: 810.300.116d;<br />

Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uw-1008-d.<br />

Bildung<br />

Plakatset «Das kluge Einkaufsquiz». Für Lehrkräfte, wel<strong>ch</strong>e die Lehrmittel<br />

«Der kluge Einkaufswagen» und «Die Zukunft in der Tas<strong>ch</strong>e» im Unterri<strong>ch</strong>t<br />

verwenden; D; kostenlos, nur als Einzelexemplar bestellbar; Bestellnummer<br />

der gedruckten Ausgabe: 810.400.045d.<br />

Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1019-d.<br />

Biodiversität<br />

Postkartenset «Biodiversität». 5 We<strong>ch</strong>selbildkarten (Lenticularkarten) zu<br />

den Themen Alpen, Wald, Wasser, Weide und Fis<strong>ch</strong>e, herausgegeben zum<br />

Internationalen Jahr der Biodiversität <strong>2010</strong>. Format A6; dreispra<strong>ch</strong>ig D/F/I;<br />

CHF 6.–; Bestellnummer des Sets: 810.400.044.<br />

Bezug: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1021.<br />

Biodiversität ist Leben. Faltblatt zum Internationalen Jahr der Biodiversität<br />

<strong>2010</strong>. 6 S.; D, F; kostenlos; Bestellnummer der gedruckten Ausgabe:<br />

810.400.042d; Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1018-d.<br />

Das Dossier «Biodiversität» des <strong>BAFU</strong>-<strong>Magazin</strong>s umwelt 2/<strong>2010</strong> ist au<strong>ch</strong><br />

als eigenständige Bros<strong>ch</strong>üre in Italienis<strong>ch</strong> und Englis<strong>ch</strong> erhältli<strong>ch</strong>. 40 S.;<br />

I, E; kostenlos; Bezug und Download: www.ambiente-svizzera.<strong>ch</strong>/mag-1002-i<br />

bzw. www.environment-switzerland.<strong>ch</strong>/mag-1002-e.<br />

Boden<br />

www.bodenreise.<strong>ch</strong>. Faltprospekt (Leporello) zur glei<strong>ch</strong>namigen interaktiven<br />

Website. Hrsg. von <strong>BAFU</strong> und LerNetz AG. 8 S.; D, F; Einzelexemplare<br />

kostenlos, Klassensatz CHF 1.50 pro Ex.; Bestellnummer: 810.400.<br />

046d; Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1025-d. Siehe au<strong>ch</strong><br />

Seite 57 «Bodenlift».<br />

Lärmbekämpfung<br />

Lärmarme Strassenbeläge innerorts. Jahresberi<strong>ch</strong>t 2009. Hrsg.<br />

<strong>BAFU</strong> und Bundesamt für Strassen (ASTRA). 4 S.; D, F; keine gedruckte<br />

Ausgabe;<br />

Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1022-d.<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Naturgefahren<br />

Ingenieurbiologis<strong>ch</strong>e Bauweisen im naturnahen Wasserbau.<br />

Praxis hilfe. Überarbeitete Ausgabe <strong>2010</strong>. 59 S.; D, F; CHF 10.–; Bestellnummer<br />

der gedruckten Ausgabe: 810.300.115d; Bezug und Download:<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uw-1004-d.<br />

Typenliste Lawinenverbauungen. Stand April <strong>2010</strong>. 8 S.; D; keine<br />

gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uv-1006-d.<br />

Typenliste Ankermörtel. Stand April <strong>2010</strong>. 4 S.; D; keine gedruckte<br />

Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uv-1007-d.<br />

Re<strong>ch</strong>t<br />

Re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Aspekte der aktiven Umweltinformation. Guta<strong>ch</strong>ten<br />

zuhanden des Bundesamtes für Umwelt (<strong>BAFU</strong>). 98 S.; D, F; keine<br />

gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uw-1003-d.<br />

Wald<br />

Kooperationen in der S<strong>ch</strong>weizer Waldwirts<strong>ch</strong>aft. Hrsg. von <strong>BAFU</strong>,<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule für Landwirts<strong>ch</strong>aft (SHL) und Waldwirts<strong>ch</strong>aft S<strong>ch</strong>weiz<br />

(WVS). 20 S.; D, F, I; kostenlos;<br />

Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1023-d.<br />

Wasser<br />

Strassenabwasser-Behandlungsverfahren. Stand der Te<strong>ch</strong>nik.<br />

Hrsg. von <strong>BAFU</strong> und Bundesamt für Strassen (ASTRA). 130 S.; D; keine<br />

gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1024-d.<br />

Herunterladen oder bestellen<br />

Sämtli<strong>ch</strong>e <strong>BAFU</strong>­Publikationen sind elektronis<strong>ch</strong> verfügbar und<br />

lassen si<strong>ch</strong> als PDF kostenlos herunterladen unter<br />

www.umwelt­s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/publikationen.<br />

Einzelne Veröffentli<strong>ch</strong>ungen sind zudem in gedruckter Form<br />

erhältli<strong>ch</strong> und können bestellt werden bei:<br />

BBL, Vertrieb Bundespublikationen, CH­3003 Bern<br />

Tel. +41 (0)31 325 50 50, Fax +41 (0)31 325 50 58<br />

E­Mail: verkauf.zivil@bbl.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

www.bundespublikationen.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

www.umwelt­s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/publikationen<br />

Bitte jeweils Bestellnummer angeben. Eine Bestellkarte ist in<br />

diesem <strong>Magazin</strong> eingeheftet. Bei kostenpfli<strong>ch</strong>tigen Publikationen<br />

wird ein Versandkostenbeitrag erhoben.<br />

Ein Newsletter oder RSS­Feed für alle Neuers<strong>ch</strong>einungen kann<br />

auf der <strong>BAFU</strong>­Website unter www.umwelt­s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/newsletter<br />

abonniert werden.<br />

S<strong>ch</strong>lüssel zu den bibliografis<strong>ch</strong>en Angaben:<br />

Titel. Untertitel. Herausgeber (wenn ni<strong>ch</strong>t <strong>BAFU</strong>). Seitenzahl; erhältli<strong>ch</strong>e<br />

Spra<strong>ch</strong>en; Preis (sofern gedruckte Ausgabe); Bestellnummer (sofern<br />

gedruckte Ausgabe); Link für den Download.<br />

59


Tipps<br />

Auf zur Nussjagd!<br />

Haselmäuse sind klein, s<strong>ch</strong>eu und hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong>ts in di<strong>ch</strong>ten Sträu<strong>ch</strong>ern unterwegs.<br />

Das ma<strong>ch</strong>t es s<strong>ch</strong>wierig, sie zu beoba<strong>ch</strong>ten.<br />

Aber da gibt es no<strong>ch</strong> die Haselnüsse. Sie sind<br />

die Lieblingsspeise der Haselmaus. Um an den<br />

Kern zu gelangen, nagt sie mit ihren s<strong>ch</strong>arfen<br />

Zähnen die harte Nuss auf. Zurück bleibt nur<br />

die S<strong>ch</strong>ale mit den typis<strong>ch</strong>en Nagespuren. Pro<br />

Natura ruft no<strong>ch</strong> bis Ende Oktober <strong>2010</strong> S<strong>ch</strong>ulklassen<br />

oder Jugend-Naturs<strong>ch</strong>utzgruppen zur<br />

Nussjagd auf. Sie sollen si<strong>ch</strong> auf die Su<strong>ch</strong>e<br />

na<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>en Mausspuren ma<strong>ch</strong>en, damit wir<br />

letztli<strong>ch</strong> mehr über die Verbreitung der kleinen<br />

Nagetiere in der S<strong>ch</strong>weiz erfahren.<br />

> www.pronatura.<strong>ch</strong> > Nussjagd, 061 317 92 55,<br />

nussjagd@pronatura.<strong>ch</strong><br />

60<br />

Benoît Renevey, Pro Natura<br />

Die Sinne s<strong>ch</strong>ärfen in der Na<strong>ch</strong>t<br />

Im Luzerner Güts<strong>ch</strong>wald gibt es im Sep tember<br />

<strong>2010</strong> ein besonderes Angebot: Auf einem – nur<br />

dur<strong>ch</strong> kleine Leu<strong>ch</strong>tstäbe markierten – Rundweg<br />

kann man in der Dunkelheit der Na<strong>ch</strong>t<br />

seine Sinne s<strong>ch</strong>ärfen. Mögli<strong>ch</strong> ist die Wanderung<br />

bei Neu- oder Vollmond. Wer Zeit hat,<br />

kann den Tag vor der Na<strong>ch</strong>twanderung auf<br />

dem Luzerner Klimaweg – dem längsten der<br />

S<strong>ch</strong>weiz – verbringen.<br />

> www.klimaweg.com<br />

Umweltverträgli<strong>ch</strong> reisen<br />

Der Wuns<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> mehr Na<strong>ch</strong>haltigkeit ist au<strong>ch</strong><br />

im Tourismus angekommen. Es geht dabei um<br />

Reisen, die umweltverträgli<strong>ch</strong> und glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

sozial verantwortli<strong>ch</strong> sind. Trotzdem ist es ni<strong>ch</strong>t<br />

ganz so einfa<strong>ch</strong>, entspre<strong>ch</strong>ende Veranstalter<br />

und Informationen zu finden. <strong>«umwelt»</strong> hat<br />

einige Adressen zusammengetragen.<br />

> www.vertraegli<strong>ch</strong>-reisen.de; www.fairunterwegs.<br />

org; www.swissecotours.<strong>ch</strong>; www.arcatour.<strong>ch</strong>;<br />

www.forumandersreisen.de; www.alpine-pearls.com<br />

Umwelts<strong>ch</strong>ützer im S<strong>ch</strong>ulzimmer<br />

Ausgebildete Freiwillige der Umwelts<strong>ch</strong>utzorganisation<br />

Greenpeace besu<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulklassen.<br />

Zum Beispiel, um Anregungen zu einem<br />

Umweltthema zu geben, entspre<strong>ch</strong>ende Ideen<br />

zu entwickeln oder über die Arbeit von Greenpeace<br />

zu beri<strong>ch</strong>ten. Der Besu<strong>ch</strong> umfasst mindestens<br />

4 Lektionen für maximal 25 S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />

und S<strong>ch</strong>üler und kostet CHF 250 für den<br />

ganzen oder CHF 150 für den halben Tag.<br />

> Greenpeace, Züri<strong>ch</strong>, 044 447 41 29,<br />

www.s<strong>ch</strong>ulbesu<strong>ch</strong>.<strong>ch</strong><br />

Gemüse im Abo<br />

Das wö<strong>ch</strong>entli<strong>ch</strong>e Gemüsepaket hat in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz eine über 30-jährige Tradition. Und es<br />

s<strong>ch</strong>eint si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierigen<br />

Zeiten zu bewähren, denn es s<strong>ch</strong>iessen immer<br />

neue Angebote aus dem Boden. Neben Gemüse<br />

(z. B. www.terroir-fribourg.<strong>ch</strong>, www.dunkelhoelzli.<strong>ch</strong>,<br />

www.biobouquet.<strong>ch</strong>) können si<strong>ch</strong><br />

Familien oder Unternehmen au<strong>ch</strong> Frü<strong>ch</strong>te (z. B.<br />

www.freshbox.<strong>ch</strong>) oder Müesli (www.mymuesli.com)<br />

ins Haus liefern lassen. Unter www.<br />

landwirts<strong>ch</strong>aft.<strong>ch</strong> finden si<strong>ch</strong> zudem zahlrei<strong>ch</strong>e<br />

Angebote (ganze S<strong>ch</strong>weiz) von Produkten, die<br />

direkt vom Bauernhof bezogen werden können.<br />

> www.landwirts<strong>ch</strong>aft.<strong>ch</strong> > Vom Hof<br />

Der Naturerlebnis-Zug<br />

Der «Löts<strong>ch</strong>berger» der BLS verbindet Bern mit<br />

Brig und mit dem Simmental. Er ist aber mehr<br />

als ein Zug: Er steht für viele Ausflüge in die<br />

Natur, die si<strong>ch</strong> mit dem öffentli<strong>ch</strong>en Verkehr<br />

bewältigen lassen. Auf der unten stehenden<br />

Website gibt es alles auf einen Blick. Na<strong>ch</strong> der<br />

Beantwortung der Fragen «Was? Wer? Wohin?»<br />

erhalten Touristinnen und Touristen zahlrei<strong>ch</strong>e<br />

Vors<strong>ch</strong>läge für Ausflüge mit allen nötigen Informationen.<br />

> www.loets<strong>ch</strong>berger.<strong>ch</strong><br />

Die «Samen-Krieger»<br />

Bis 2050 werden die Temperaturen voraussi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

weltweit um mindestens 2 Grad steigen.<br />

Dieser Umstand führt zu erhebli<strong>ch</strong>en<br />

Einbussen bei der Nahrungsmittelproduktion.<br />

Glei<strong>ch</strong>zeitig wird si<strong>ch</strong> bis dahin der globale<br />

Nahrungsbedarf verdoppeln. Wie lässt si<strong>ch</strong> dieser<br />

Nahrungsmittelengpass überwinden? Der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Dokumentarfilm «Seed Warriors»<br />

begibt si<strong>ch</strong> auf Spurensu<strong>ch</strong>e: etwa beim Direktor<br />

der nationalen Genbank in Kenia, in der<br />

die Biodiversität seines Landes gesi<strong>ch</strong>ert wird;<br />

oder bei der Mais-Expertin Marianne Bänziger,<br />

die ni<strong>ch</strong>t genverändertes Saatgut entwickelt,<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

zVg


das einen bis zu 30 Prozent höheren Ernteertrag<br />

liefert und der Dürre trotzen kann.<br />

> Filmstart in Deuts<strong>ch</strong>weizer Kinos am 26. August<br />

<strong>2010</strong>; www.seedwarriors.org (mit weiteren<br />

Informationen und einem Pflanzenzü<strong>ch</strong>ter-Spiel,<br />

in D und E)<br />

Leih dir ein Fahrrad!<br />

In der S<strong>ch</strong>weiz gibt es viele Mögli<strong>ch</strong>keiten, si<strong>ch</strong><br />

für Ferien oder Arbeit ein Fahrrad zu mieten:<br />

In Zusammenarbeit mit der SBB und Privatbahnen<br />

stellt www.rentabike.<strong>ch</strong> an über 100<br />

Standorten rund 3500 Fahrräder aller Art zur<br />

Verfügung. Hinzu kommen an ausgewählten<br />

Verleihstationen 750 E-Bikes. Daneben gibt<br />

es das Mietsystem «Velopass»: Dabei können<br />

die Velos an Selbstbedienungsstationen rund<br />

um die Uhr und an sieben Tagen pro Wo<strong>ch</strong>e<br />

ausgeliehen werden. Derzeit gibt es die Netze<br />

Lausanne-Morges, Riviera, Freiburg, Yverdonles-Bains,<br />

Lugano-Paradiso, Oberwallis, Zentralwallis<br />

und Aigle-Monthey. Bald sollen weitere<br />

Netzwerke in der ganzen S<strong>ch</strong>weiz entstehen.<br />

> www.rentabike.<strong>ch</strong>, www.velopass.<strong>ch</strong><br />

umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

zVg<br />

Abholservice für Aludosen<br />

zVg<br />

Ab sofort gibt es in der S<strong>ch</strong>weiz einen kostenlosen<br />

Abholservice für Aludosen. Dieser ri<strong>ch</strong>tet<br />

si<strong>ch</strong> in erster Linie an Betriebe, in denen si<strong>ch</strong><br />

überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> viele leere Dosen ansammeln,<br />

also Firmen, Kioske, Restaurants oder<br />

S<strong>ch</strong>ulen. Anders sieht es für Privathaushalte<br />

aus. Da ist es ökologis<strong>ch</strong> immer no<strong>ch</strong> sinnvoller,<br />

die gesammelten Aluverpackungen selber<br />

zur Sammelstelle zu bringen. Insgesamt<br />

unterstützen 87 Transportpartner s<strong>ch</strong>weizweit<br />

die neue Dienstleistung. Diese Di<strong>ch</strong>te soll gewährleisten,<br />

dass das weitverzweigte Sammelstellennetz<br />

umweltgere<strong>ch</strong>t und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />

sinnvoll bedient werden kann.<br />

> www.igora.<strong>ch</strong> > Aludosen-Entsorgung<br />

Die Wildnis vor der Haustür<br />

Die Ausstellung «Wildnis Bern – von Alpensegler<br />

bis Zimtrose» zeigt, wo die urbane Wildnis<br />

in der Stadt zu finden und wie sie zu bewahren<br />

ist. Dazu gehören 50 Beispiele von siedlungstypis<strong>ch</strong>en<br />

oder seltenen Tier- und Pflanzenarten<br />

der Stadt Bern. Informationen zu Lebens-<br />

weise und Lebensräumen dieser Tiere und<br />

Pflanzen finden si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> bis Ende September<br />

in der Berner Elfenau, im Tierpark Dählhölzli und<br />

im Rosengarten. Im Naturhistoris<strong>ch</strong>en Museum<br />

sind alle Tierarten als Präparate ausgestellt.<br />

> www.bern.<strong>ch</strong>/wildnisbern<br />

Von Bauern für Bauern<br />

zVg<br />

Viele Landwirtinnen und -wirte sowie Winzerinnen<br />

und Winzer setzen seit Jahren erfolgrei<strong>ch</strong><br />

auf s<strong>ch</strong>onende Bodennutzung. Sie erwirts<strong>ch</strong>aften<br />

so mit weniger Aufwand den glei<strong>ch</strong>en Ertrag<br />

im Ackerbau. Im Rahmen des von bäuerli<strong>ch</strong>en<br />

Verbänden, Beratungsstellen, Bund und<br />

Kantonen unterstützten Projekts «Von Bauern<br />

für Bauern» wurden 2006 die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten von<br />

se<strong>ch</strong>s sol<strong>ch</strong>en Bauern verfilmt und waren seither<br />

auf einer DVD erhältli<strong>ch</strong>. Sie wurden nun<br />

mit drei neuen Filmen zu den Themen Futterbau,<br />

Direktsaat und Begrünung im Rebbau<br />

ergänzt. Die Filme sind neu au<strong>ch</strong> alle französis<strong>ch</strong><br />

oder s<strong>ch</strong>weizerdeuts<strong>ch</strong> gespro<strong>ch</strong>en und<br />

franzö sis<strong>ch</strong>, deuts<strong>ch</strong> und englis<strong>ch</strong> untertitelt.<br />

> Zu bestellen bei: Agridea, Lindau (ZH),<br />

052 354 97 00, kontakt@agridea.<strong>ch</strong>,<br />

www.agridea-lindau.<strong>ch</strong>, Preis: CHF 30.–.<br />

Impressum 3/<strong>2010</strong> September <strong>2010</strong> / Das <strong>Magazin</strong> umwelt des <strong>BAFU</strong> ers<strong>ch</strong>eint viermal jährli<strong>ch</strong> und kann kostenlos abonniert werden; ISSN 1424-7186. /<br />

Herausgeber: Bundesamt für Umwelt <strong>BAFU</strong>. Das <strong>BAFU</strong> ist ein Amt des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK / Projektober leitung:<br />

Bruno Oberle, Thomas Göttin / Konzept, Redaktion, Produktion: Georg Ledergerber (Gesamtleitung), Kathrin S<strong>ch</strong>lup (Stellvertretung); Georg Karlaganis, Ernst Furrer,<br />

Andreas Weber, Beat Jordi (Koordination Dossier «<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>»); Hansjakob Baumgartner, Luc Hutter (Webpublisher), Gregor Klaus, Cornélia Mühlberger de Preux,<br />

Lucienne Rey; Valérie Fries (Redaktionssekretariat) / Externe journalistis<strong>ch</strong>e Mitarbeit: Urs Fitze, Anna Hohler, Kaspar Meuli, Beatrix Mühlethaler, Pieter Poldervaart,<br />

Peter Bader und Nicole Bärts<strong>ch</strong>iger (Rubriken), Jacqueline Dougoud (Lektorat, Korrektorat, Übersetzungen), Rolf Geiser (Übersetzung) / Visuelle Umsetzung: Atelier<br />

Ruth S<strong>ch</strong>ürmann, Luzern / Redaktionss<strong>ch</strong>luss: 2. Juli <strong>2010</strong> / Redak tionsadresse: <strong>BAFU</strong>, Kommunikation, Redaktion umwelt, 3003 Bern, Tel. 031 323 03 34,<br />

Fax 031 322 70 54, magazin@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong> / Spra<strong>ch</strong>en: Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong>; Italienis<strong>ch</strong> in Auszügen auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> im Internet / Online: Der Inhalt des <strong>Magazin</strong>s<br />

(ohne Rubriken) ist abrufbar unter www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin / Papier: Cyclus Print, 100 % Altpapier aus sortierten Druckerei- und Büroabfällen / Auflage<br />

dieser Nummer: 46 000 Expl. Deuts<strong>ch</strong>, 17 500 Expl. Französis<strong>ch</strong> / Druck und Versand: Swissprinters St. Gallen AG, 9001 St. Gallen, www.swissprinters.<strong>ch</strong> / Gratis-<br />

abonnemente, Na<strong>ch</strong>bestellungen einzelner Nummern und Adressänderungen: umwelt, Swissprinters St. Gallen AG, Leserservice, 9001 St. Gallen, Tel. 058 787<br />

58 68, Fax 058 787 58 15, umweltabo@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>, www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin / Copyright: Na<strong>ch</strong>druck der Texte und Grafiken erwüns<strong>ch</strong>t mit Quellenan-<br />

gabe und Belegexemplar an die Redaktion.<br />

61


62<br />

<strong>BAFU</strong><br />

Kostenlose Einzelnummern und<br />

Abonnemente sind zu bestellen<br />

bei: EDA, Informationsdienst,<br />

Bundeshaus West, 3003 Bern,<br />

Tel. 031 322 44 12,<br />

info@deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>,<br />

www.deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />

Intern<br />

Franz Perrez – neuer Umweltbots<strong>ch</strong>after der S<strong>ch</strong>weiz<br />

Seit 1. Juni <strong>2010</strong> ist Franz Perrez (links im Bild) neuer Chef der <strong>BAFU</strong>­Abteilung Internationales. Er<br />

übernimmt damit au<strong>ch</strong> das Amt des S<strong>ch</strong>weizer Umweltbots<strong>ch</strong>afters und vertritt die S<strong>ch</strong>weiz in allen<br />

wi<strong>ch</strong>tigen interna tionalen Verhandlungen im Umweltberei<strong>ch</strong>. In dieser Funktion leitet er insbesondere<br />

au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weizer Delegation bei den anspru<strong>ch</strong>svollen Klimaverhandlungen. Franz Perrez ist Na<strong>ch</strong>folger<br />

von Thomas Kolly, der ab September <strong>2010</strong> der S<strong>ch</strong>weizer Bots<strong>ch</strong>aft in Guatemala vorsteht.<br />

Der 43­jährige Franz Perrez ist Jurist mit grosser internationaler Erfahrung. Na<strong>ch</strong> seinem Re<strong>ch</strong>tsstudium<br />

in Bern und Paris war er in der Direktion für Völkerre<strong>ch</strong>t des EDA tätig. Ans<strong>ch</strong>liessend spezialisierte<br />

er si<strong>ch</strong> an der New York University S<strong>ch</strong>ool of Law in den Berei<strong>ch</strong>en Völkerre<strong>ch</strong>t und internationales<br />

Umwelt­ und Wirts<strong>ch</strong>aftsre<strong>ch</strong>t. Dana<strong>ch</strong> arbeitete Perrez im WTO­Dienst des Staatssekretariats<br />

für Wirts<strong>ch</strong>aft (Seco). 2001 we<strong>ch</strong>selte er ins heutige <strong>BAFU</strong>, wo er bis zuletzt die Sektion Globales der<br />

Abteilung Internationales leitete.<br />

Ernährungssi<strong>ch</strong>erheit im Internationalen Jahr der Biodiversität<br />

Obwohl viele Entwicklungsländer über genügend fru<strong>ch</strong>tbares Land verfügen, sind sie ni<strong>ch</strong>t in der<br />

Lage, ihre Bevölkerung zu ernähren. Für das Dossier über Ernährungssi<strong>ch</strong>erheit ging «Eine Welt» –<br />

das <strong>Magazin</strong> der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) – deshalb in Mosambik auf<br />

Reportage. Ein weiteres Thema der aktuellen Ausgabe 3/<strong>2010</strong>: Die Entwaldung und mögli<strong>ch</strong>e Massnahmen,<br />

um sie zu stoppen.<br />

Bildredaktion «<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>» als Diplomarbeit<br />

Jeannette Bölle und Fabia Müller, Absolventinnen des Studiengangs Bildredaktion am MAZ – Die<br />

S<strong>ch</strong>weizer Journalistens<strong>ch</strong>ule, Luzern, übernahmen im Rahmen ihrer Diplomarbeit die Bildredaktion<br />

des Dossiers «<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>» dieser Ausgabe von umwelt. Die Redaktion bietet immer wieder<br />

Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>skräften Gelegenheit, konkret bei einer Heftproduktion mitzuwirken. Interessierte melden<br />

si<strong>ch</strong> beim Redaktionsleiter (siehe Impressum Seite 61).<br />

Vorsi<strong>ch</strong>t! Naturgefahren.<br />

Vom 11. bis 13. November <strong>2010</strong> findet in St. Gallen die Geoprotecta<br />

statt, die S<strong>ch</strong>weizer Fa<strong>ch</strong>messe für integrales Risikomanagement von<br />

Naturgefahren. Das <strong>BAFU</strong> präsentiert gemeinsam mit weiteren Organisationen<br />

des LAINAT (Lenkungsauss<strong>ch</strong>uss Intervention Naturgefahren)<br />

Rolle und Aufgaben des Bundes im Umgang mit Naturgefahren. Besu<strong>ch</strong>erinnen<br />

und Besu<strong>ch</strong>er können si<strong>ch</strong> über die Gemeinsame Informationsplattform<br />

Naturgefahren GIN, das Präventionsportal der Bundeskanzlei<br />

sowie über das Melde­ und Lagezentrum MLZ informieren.<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/naturgefahren<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong>


Porträt<br />

Die s<strong>ch</strong>iefergraue, bis<br />

zu 16 Millimeter lange<br />

Kellerassel hat unter<br />

ihrem Rückenpanzer<br />

7 frei bewegli<strong>ch</strong>e Brustsegmente<br />

mit je einem<br />

Paar Laufbeinen, vorne<br />

2 Orientierungsantennen<br />

und hinten eine S<strong>ch</strong>wanzplatte<br />

mit Tastorganen.<br />

Bild: fr.academic.ru<br />

umwelt 3/<strong>2010</strong><br />

Kellerasseln – wertvolle Entsorger<br />

Sie leben versteckt unter dem Sonnens<strong>ch</strong>irmsockel,<br />

sind in mors<strong>ch</strong>em Holz zu Hause, bevölkern<br />

den Komposthaufen und bewohnen<br />

feu<strong>ch</strong>te Kellerräume: Kellerasseln – ein li<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>eues<br />

Gesindel, das unsere Ekelgrenze auf die<br />

Probe stellt? Kellerasseln ri<strong>ch</strong>ten im Haus in der<br />

Regel keine S<strong>ch</strong>äden an – sofern sie ni<strong>ch</strong>t ihre<br />

Lieblingsspeise antreffen: faulendes Obst oder<br />

Gemüse. Und sie übertragen keine Krankheiten.<br />

Dass die Kellerassel (Porcellio scaber), eine<br />

Krebsart, Li<strong>ch</strong>t und Trockenheit meidet, liegt<br />

daran, dass ihre Vorfahren no<strong>ch</strong> im Wasser lebten.<br />

Wegen des dort herrs<strong>ch</strong>enden Konkurrenzdrucks<br />

passten sie si<strong>ch</strong> im Laufe der Evolution<br />

an das terrestris<strong>ch</strong>e Leben an und wurden zu<br />

Landkrebsen. Neben Kiemen bildeten sie Tra<strong>ch</strong>eenlungen<br />

aus, um genügend Sauerstoff aufnehmen<br />

zu können. Darum kann die Kellerassel<br />

au<strong>ch</strong> an feu<strong>ch</strong>ten Standorten überleben, sei es<br />

im Waldboden oder im Kellerges<strong>ch</strong>oss. Hier verlässt<br />

sie nur na<strong>ch</strong>ts und nur für kurze Zeit ihr<br />

Versteck. Droht Gefahr, rollt sie si<strong>ch</strong> ein und<br />

stellt si<strong>ch</strong> tot. Sie liebt zwar alles Feu<strong>ch</strong>te, meidet<br />

aber Wasser, da sie ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>wimmen kann.<br />

Im Boden bewohnt die Kellerassel den obersten<br />

Teil, die Streus<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t. Dabei spielt das gepanzer­<br />

te Tier<strong>ch</strong>en im Naturhaushalt eine zentrale Rolle.<br />

Wie der Regenwurm gehört es in der Verwertungskette<br />

zu den Erstzersetzern von Laub, Holz<br />

und Pilzen, denn die im Verdauungstrakt vorhandenen<br />

Bakterien ermögli<strong>ch</strong>en der Kellerassel<br />

das Aufs<strong>ch</strong>liessen von Zellulose. Ihr Kot und die<br />

zerkleinerten Pflanzenteile werden dann von anderen<br />

Bodentieren als Nahrung weiterverwertet.<br />

So kann s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> Humus entstehen.<br />

Woher kommen die Assel<strong>ch</strong>en? Das Weib<strong>ch</strong>en<br />

trägt die 25 bis 90 befru<strong>ch</strong>teten Eier in einer flüssigkeitsgefüllten<br />

Blase an der Bau<strong>ch</strong>unterseite<br />

während 40 bis 50 Tagen mit si<strong>ch</strong> herum. Dann<br />

s<strong>ch</strong>lüpfen die Jungtiere aus. Sie häuten si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>liessend<br />

rund 15­mal, bis sie die Endgrösse errei<strong>ch</strong>t<br />

haben. Na<strong>ch</strong> 3 Monaten sind sie ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsreif<br />

und werden bis zu 2 Jahre alt.<br />

Weltweit gibt es rund 2000 Asselarten, darunter<br />

die Riesenassel in der Tiefsee, die 27 cm lang<br />

wird. In der S<strong>ch</strong>weiz sind neben der Kellerassel<br />

no<strong>ch</strong> weitere 50 Arten na<strong>ch</strong>gewiesen. Die ursprüngli<strong>ch</strong>e<br />

Heimat der Kellerassel ist der westeuropäis<strong>ch</strong>­atlantis<strong>ch</strong>e<br />

Raum. Der Mens<strong>ch</strong> hat<br />

sie aber über die ganze Erde verbreitet.<br />

Georg Ledergerber<br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-17<br />

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Aktuell auf der <strong>BAFU</strong>-Website:<br />

Internationales Jahr der Biodiversität <strong>2010</strong><br />

www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/biodiversitaet<strong>2010</strong>

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