Magazin «umwelt» 3/2010 - Nanotechnologie - BAFU - admin.ch
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umwelt<br />
Natürli<strong>ch</strong>e Ressourcen in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
3/<strong>2010</strong><br />
Alle Chancen nutzen, ohne die Risiken auszublenden > Zwerge mit riesigem<br />
Potenzial > Morgenröte für die Solarenergie > Nanote<strong>ch</strong>nik zur Wasseraufbereitung<br />
> Den Risiken auf der Spur > Nanomedizin unter der Lupe
Inhalt<br />
> Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
03 Editorial von <strong>BAFU</strong>-Direktor Bruno Oberle<br />
04 Zwerge mit riesigem Potenzial<br />
A<strong>ch</strong>t Steckbriefe von Nanomaterialien<br />
08 Pionierarbeit der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Tour d’Horizon mit Georg Karlaganis<br />
12 Morgenröte für die Solarenergie<br />
Nanostoffe verbessern die Energieeffizienz<br />
18 Nanoporen für sauberes Trinkwasser<br />
Filterte<strong>ch</strong>nik mit hoher Wirkungskraft<br />
21 No<strong>ch</strong> viele Fragezei<strong>ch</strong>en<br />
Ungeklärte Umweltrisiken<br />
24 Nanopartikel dringen ins Gehirn ein<br />
Risiken für die Gesundheit<br />
27 Arbeitssi<strong>ch</strong>erheit ist das A und O<br />
S<strong>ch</strong>utzmassnahmen für Bes<strong>ch</strong>äftigte<br />
31 Beda<strong>ch</strong>ter Umgang mit der Unsi<strong>ch</strong>erheit<br />
Störfallvorsorge und Entsorgung<br />
34 Erfahrungsaustaus<strong>ch</strong> über die Grenzen<br />
Das internationale Engagement der S<strong>ch</strong>weiz<br />
36 Medizin auf den Punkt gebra<strong>ch</strong>t<br />
Die Nanomedizin aus ethis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t<br />
> Zum Titelbild<br />
2<br />
Die aus einem feinen Kunststofffaden gefertigten<br />
Nanofasern werden häufig in Verbundmaterialien mit<br />
antistatis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften und integriertem UV-<br />
S<strong>ch</strong>utz eingesetzt. Rund 33 000-fa<strong>ch</strong>e Vergrösserung<br />
unter einem Rasterelektronenmikroskop.<br />
Bild: Keystone / Science Photo Library<br />
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umwelt, Swissprinters St. Gallen AG<br />
Tel. +41(0)58 787 58 68<br />
Fax +41(0)58 787 58 15<br />
umweltabo@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<br />
> Weitere Themen<br />
42 Militärs<strong>ch</strong>iessplätze ma<strong>ch</strong>en zu viel Lärm<br />
Neue Grenzwerte s<strong>ch</strong>affen Abhilfe.<br />
44 Gekrönte Bestleistungen für die Umwelt<br />
Umweltpreise im Überblick<br />
48 Zeitige Warnungen sparen Millionen<br />
Alarmierung bei Naturgefahren<br />
51 Gewässers<strong>ch</strong>utz trotz Nutzungsdruck<br />
Neues Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm zur na<strong>ch</strong>haltigen<br />
Wassernutzung<br />
54 Trompeten, Sternleber und bunte Birnen<br />
Monitoring bedrohter Moosarten<br />
> Rubriken<br />
39 International<br />
40 Vor Ort Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten aus den Kantonen<br />
57 Bildung<br />
58 Re<strong>ch</strong>t / Publikationen<br />
60 Tipps<br />
61 Impressum<br />
62 Intern<br />
63 Porträt<br />
> Gut zu wissen<br />
Alle Artikel dieses Heftes – ausser den Rubriken –<br />
sind au<strong>ch</strong> im Internet verfügbar:<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3<br />
Die meisten Beiträge enthalten weiterführende Links<br />
und Literaturangaben.<br />
Das <strong>BAFU</strong> im Internet: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong><br />
> Vors<strong>ch</strong>au<br />
Die nä<strong>ch</strong>ste Ausgabe ers<strong>ch</strong>eint Ende November <strong>2010</strong><br />
und befasst si<strong>ch</strong> mit der «Umweltbildung». Eine<br />
Gesells<strong>ch</strong>aft, die si<strong>ch</strong> zunehmend auf na<strong>ch</strong>haltiges<br />
Ressourcenmanagement ausri<strong>ch</strong>tet, brau<strong>ch</strong>t gut qualifizierte<br />
Berufsleute – und Umweltbildung leistet dazu<br />
einen wesentli<strong>ch</strong>en Beitrag.<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong>
Alle Chancen nutzen,<br />
ohne die Risiken auszublenden<br />
Die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> bietet der s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Wirts<strong>ch</strong>aft und Gesells<strong>ch</strong>aft vielfältige Chancen, die<br />
im Interesse des Landes au<strong>ch</strong> genutzt werden sollen.<br />
Was Fa<strong>ch</strong>leute an hiesigen Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen sowie<br />
in zahlrei<strong>ch</strong>en Unternehmen in dieser Miniaturwelt<br />
an te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Innovationen entwickeln, darf uns<br />
vor allem au<strong>ch</strong> im Umweltberei<strong>ch</strong> hoffnungsfroh<br />
stimmen. Sie erfors<strong>ch</strong>en und produzieren zum Beispiel<br />
kostengünstige Solarzellen mit einem höheren<br />
Wirkungsgrad, effizientere Batterien, ho<strong>ch</strong>wirksame<br />
Filter zur Wasseraufbereitung, lei<strong>ch</strong>tere Werk <br />
stof fe oder Produkte mit einer längeren Lebensdauer.<br />
Damit eröffnet uns die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> vielseitige<br />
Mögli<strong>ch</strong>keiten, um die Energie und Ressourceneffizienz<br />
zu verbessern und die Umwelt von problematis<strong>ch</strong>en<br />
Substanzen zu entlasten.<br />
Neben den unbestrittenen Chancen birgt die gezielte<br />
Herstellung von Nanomaterialien und deren<br />
Manipulation allerdings au<strong>ch</strong> Risiken, die heute no<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t abs<strong>ch</strong>liessend bekannt sind. Es ist deshalb oft<br />
no<strong>ch</strong> zu früh, um staatli<strong>ch</strong>e Regulierungen einzuführen.<br />
Der Bund fordert aber, dass si<strong>ch</strong> sämtli<strong>ch</strong>e<br />
beteiligten Akteure bewusst mit den mögli<strong>ch</strong>en Ge<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
fahren auseinandersetzen. Unser Ziel ist eine vorsorgli<strong>ch</strong>e<br />
Risikokultur, um alle erdenkli<strong>ch</strong>en Risiken<br />
für Gesundheit und Umwelt so weit als mögli<strong>ch</strong> zu<br />
reduzieren. Eine konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips<br />
– wie es das s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Umwelts<strong>ch</strong>utzgesetz<br />
verlangt – in Kombination mit der betriebli<strong>ch</strong>en<br />
Eigenverantwortung bietet dabei Gewähr,<br />
dass man allfällige Gefahren re<strong>ch</strong>tzeitig erkennt. Auf<br />
diese Weise lassen si<strong>ch</strong> unerwüns<strong>ch</strong>te Folges<strong>ch</strong>äden<br />
und Fehlinvestitionen vermeiden.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz handelt im Berei<strong>ch</strong> der Risikofors<strong>ch</strong>ung,<br />
der Gefahrenbeurteilung und des Risikomanagements<br />
ni<strong>ch</strong>t im Alleingang. Sie koordiniert ihre<br />
Aktivitäten mit denen der internationalen Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />
– sei es auf Ebene der Vereinten Nationen<br />
oder innerhalb der Organisation für wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Erkenntnisse,<br />
Forts<strong>ch</strong>ritte und vorsorgli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />
sollen dabei au<strong>ch</strong> den Entwicklungsund<br />
S<strong>ch</strong>wellenländern zugute kommen.<br />
Bruno Oberle, Direktor <strong>BAFU</strong><br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-01<br />
Im Umgang mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
fordert der Bund<br />
eine vorsorgli<strong>ch</strong>e Risikokultur,<br />
um alle erdenkli<strong>ch</strong>en<br />
Gefahren für Gesundheit und<br />
Umwelt so weit als mögli<strong>ch</strong><br />
zu reduzieren.<br />
Bild: Mediendienst Suva<br />
3
DIE WELT DER NANOTEILCHEN<br />
Zwerge mit riesigem Potenzial<br />
Wel<strong>ch</strong>e Nanomaterialien werden heute am meisten eingesetzt, was sind ihre spezifis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften,<br />
und wo kommen sie zur Anwendung? Die a<strong>ch</strong>t Steckbriefe vermitteln einen ersten Überblick.<br />
Nanosilber<br />
4<br />
Bild: Empa<br />
Die antibakterielle Wirkung von Silber<br />
ist bereits seit Jahrtausenden bekannt.<br />
Heute werden die keimtötenden Eigens<strong>ch</strong>aften<br />
des Edelmetalls au<strong>ch</strong> in Form<br />
von Nanopartikeln immer öfter genutzt.<br />
So findet si<strong>ch</strong> Nanosilber etwa in medizinis<strong>ch</strong>en<br />
Produkten wie Wundauflagen<br />
und Verbänden, wo es Krankheitskeime<br />
eliminieren soll. Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen von<br />
Oberflä<strong>ch</strong>en mit dem Nanomaterial sollen<br />
dafür sorgen, dass au<strong>ch</strong> Computertastaturen,<br />
Türgriffe oder Anstri<strong>ch</strong>e<br />
keimfrei bleiben. Zudem wird Nanosilber<br />
Hygieneartikeln wie Spezialseifen<br />
und Was<strong>ch</strong>mitteln beigemis<strong>ch</strong>t oder<br />
in Textilien verarbeitet, damit zum<br />
Beispiel vers<strong>ch</strong>witzte Socken keinen<br />
unangenehmen Geru<strong>ch</strong> verbreiten, den<br />
s<strong>ch</strong>weissabbauende Bakterien verursa<strong>ch</strong>en.<br />
Beim Was<strong>ch</strong>en sol<strong>ch</strong>er Kleider<br />
gelangt allerdings ein Teil der Nanopartikel<br />
via Kanalisation ungewollt<br />
au<strong>ch</strong> in Kläranlagen und Gewässer, wo<br />
die keimtötende Wirkung prinzipiell<br />
unerwüns<strong>ch</strong>t ist.<br />
Russpartikel<br />
Bild: Dexwet Te<strong>ch</strong>nology Vertriebs GmbH<br />
Russpartikel gehören zu den ältesten<br />
vom Mens<strong>ch</strong>en hergestellten Nanomaterialien.<br />
Der unter kontrollierten Bedingungen<br />
industriell produzierte Russ<br />
findet vor allem als Additiv in Gummiprodukten<br />
wie Autoreifen Verwendung.<br />
Zudem dient er als s<strong>ch</strong>warzes Pigment<br />
für Farben und Lacke, als Antistatikzusatz<br />
in Kunststoffen sowie als Elektrodenmaterial.<br />
Daneben entwei<strong>ch</strong>en grosse Mengen<br />
an Russnanopartikeln jedo<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> unkontrolliert<br />
in die Umgebungsluft – so<br />
etwa bei der unvollständigen Verbrennung<br />
von Brenn und Treibstoffen in<br />
Feuerungen, Fahrzeugmotoren und Mas<strong>ch</strong>inen.<br />
Die zerklüfteten Teil<strong>ch</strong>en bestehen<br />
aus elementarem Kohlenstoff mit<br />
angelagerten organis<strong>ch</strong>en Substanzen<br />
und Metallverbindungen. Für Mens<strong>ch</strong>en<br />
und Tiere sind vor allem feine und ultrafeine<br />
Russpartikel gefährli<strong>ch</strong>, die via<br />
Atemluft in Lunge und Blutkreislauf<br />
gelangen. Sie können <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>e Entzündungen<br />
wie Asthma begünstigen, zu<br />
HerzKreislaufBes<strong>ch</strong>werden führen und<br />
je na<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er Zusammensetzung<br />
au<strong>ch</strong> krebserregend sein.<br />
Buckminster-Fullerene<br />
Bild: Empa<br />
Wie bei CNT (siehe Seite 7) handelt es<br />
si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> beim BuckminsterFulleren<br />
(C60) um ein reines Kohlenstoffmolekül,<br />
dessen kugelförmige Struktur<br />
aus 60 CAtomen besteht und wie ein<br />
Fussball aussieht. Aufgrund hoher<br />
Produk tionskosten, einer bes<strong>ch</strong>ränkten<br />
Verfügbarkeit und der weitgehend<br />
unbekannten Gesundheitsrisiken gibt<br />
es no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t viele Anwendungen dieser<br />
Nanopartikel. Gegenstand der Fors<strong>ch</strong>ung<br />
sind jedo<strong>ch</strong> vielfältige Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
wie der Einsatz als Halbleiter,<br />
Supraleiter, Kataly sator, S<strong>ch</strong>miermittel,<br />
Krebsmedikament, Radikalfänger in<br />
Kosmetika oder die Herstellung von<br />
künstli<strong>ch</strong>en Diamanten und Ultralei<strong>ch</strong>tkunststoffen.<br />
Untersu<strong>ch</strong>t werden<br />
au<strong>ch</strong> Metallofullerene mit einges<strong>ch</strong>lossenen<br />
Metallverbindungen im kugelförmigen<br />
Gefle<strong>ch</strong>t der Kohlenstoff<br />
atome. Davon verspri<strong>ch</strong>t man si<strong>ch</strong> einzigartige<br />
elektronis<strong>ch</strong>e Eigens<strong>ch</strong>aften,<br />
wel<strong>ch</strong>e zum Beispiel die Produk tion<br />
von kleinsten Datenspei<strong>ch</strong>ern ermögli<strong>ch</strong>en<br />
könnten.<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Zinkoxid<br />
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Wie Titandioxid ist au<strong>ch</strong> die am zweithäufigsten<br />
verwendete metallis<strong>ch</strong>e Nanosubstanz Zinkoxid<br />
(ZnO) ein direkter Halbleiter. Die Vorteile einer<br />
dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tigen, leitenden ZnONanos<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t mit<br />
einer sehr hohen Transparenz im si<strong>ch</strong>tbaren<br />
Wellenlängenberei<strong>ch</strong> des Li<strong>ch</strong>ts ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> etwa<br />
die Elektronikindustrie für die Herstellung von<br />
blauen Leu<strong>ch</strong>tdioden (LED), FlüssigkristallBilds<strong>ch</strong>irmen<br />
oder Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tSolarzellen zunutze.<br />
Indem extrem dünne Zinkoxidbeläge das eintreffende<br />
Sonnenli<strong>ch</strong>t reflektieren und streuen, ge<br />
Bild: Empa<br />
langt deutli<strong>ch</strong> mehr Li<strong>ch</strong>t in die Siliziums<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
der Solarzellen, was deren Wirkungsgrad<br />
steigert. Weil ZnONanopartikel die aggressive<br />
UVStrahlung der Sonne effizient absorbieren,<br />
werden sie – zum Beispiel in Lacken – au<strong>ch</strong> als<br />
langzeitstabiler S<strong>ch</strong>utz von Oberflä<strong>ch</strong>en eingesetzt.<br />
Sonnencremes mit beigemis<strong>ch</strong>tem Zinkoxid<br />
ermögli<strong>ch</strong>en hohe Li<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>utzfaktoren, da sol<strong>ch</strong>e<br />
Nanopartikel die Sonnenstrahlen wie kleine Spiegel<br />
reflektieren, ohne dabei in gesunde Hautzellen<br />
einzudringen.<br />
5
Liposome<br />
6<br />
Bild: Keystone<br />
Liposome sind kugelförmige Anordnungen<br />
von fettähnli<strong>ch</strong>en Substanzen mit<br />
oberflä<strong>ch</strong>enaktiven Molekülen, die von<br />
einer oder mehreren Doppels<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
gebildet werden. In ihrem Kern können<br />
sie wasser oder fettlösli<strong>ch</strong>e Verbindungen<br />
wie empfindli<strong>ch</strong>e Proteine einkapseln.<br />
In der Medizin wird versu<strong>ch</strong>t,<br />
Liposome in Nanogrösse gezielt für den<br />
Transport von darin einges<strong>ch</strong>lossenen<br />
Medikamenten zu nutzen, die an bestimmten<br />
Stellen im Körper ihre Heilwirkung<br />
entfalten sollen. Wenn zum<br />
Beispiel bioaktive Substanzen wie Chemotherapeutika<br />
zur Krebsbehandlung<br />
nur die Tumorzellen angreifen, vermindert<br />
dies unter anderem unerwüns<strong>ch</strong>te<br />
Nebenwirkungen. Zudem ist die Liposomkapsel<br />
eine Art Tarnung gegenüber<br />
dem Immunsystem, was die Zeitdauer<br />
für eine Anrei<strong>ch</strong>erung der Wirkstoffe<br />
von Medikamenten in der Zielregion erhebli<strong>ch</strong><br />
verlängert. Die Dur<strong>ch</strong>lässigkeit<br />
lässt si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> einen äusseren Reiz –<br />
wie etwa ein elektromagnetis<strong>ch</strong>es Feld<br />
– steuern. Liposome gelangen zudem<br />
als Träger für Vitamine, Mineralien,<br />
Proteine oder Ges<strong>ch</strong>mackstoffe au<strong>ch</strong> in<br />
funktionellen Lebensmitteln sowie in<br />
Kosmetika zur Anwendung.<br />
Aluminiumoxid<br />
Bild: A. Krell, Fraunhofer IKTS Dresden<br />
Als Beimis<strong>ch</strong>ung in Lacken und Farben<br />
verbessern vers<strong>ch</strong>iedene Aluminiumoxide<br />
wie Böhmit die Kratz und Abriebfestigkeit<br />
von behandelten Oberflä<strong>ch</strong>en.<br />
Bei Partikeln in Mikrometergrösse werden<br />
dadur<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> Glanz und Transparenz<br />
der Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung deutli<strong>ch</strong><br />
vermindert; zudem geht deren Flexibilität<br />
verloren. Nanopartikel aus Aluminiumoxiden<br />
weisen diese Na<strong>ch</strong>teile<br />
ni<strong>ch</strong>t auf, erhöhen die Kratzfestigkeit<br />
aber trotzdem, was sie vor allem für<br />
Holz, Möbel, Industrie und Automobilklarlacke<br />
interessant ma<strong>ch</strong>t. Au<strong>ch</strong> bei<br />
Druckpapier verbessern sie den Glanz<br />
und steigern die Farbbrillanz, während<br />
Aluminiumoxide in der Kopierte<strong>ch</strong>nik<br />
die elektrostatis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften von<br />
Tonerpulver optimieren. Im Berei<strong>ch</strong><br />
der Lebensmittelverpackungen werden<br />
sie als dünne Innenbes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung eingesetzt,<br />
um beispielsweise die Sperreigens<strong>ch</strong>aften<br />
von PETBierflas<strong>ch</strong>en oder<br />
Verbundfolien gegenüber Gasen und<br />
Aromastoffen zu erhöhen, wodur<strong>ch</strong> die<br />
Produkte länger haltbar bleiben. Weitere<br />
Vorteile sind eine bessere S<strong>ch</strong>lagfestigkeit<br />
und Hitzeresistenz.<br />
Titandioxid<br />
Bild: BASF<br />
Mit einer weltweiten Jahresproduktion<br />
von mehreren tausend Tonnen ist Titandioxid<br />
(TiO 2) das mit Abstand am häufigsten<br />
eingesetzte metallis<strong>ch</strong>e Nanomaterial.<br />
Dieses au<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong>erweise in<br />
Böden vorkommende Metalloxid wird<br />
insbesondere verwendet, um die Poren<br />
von rauen Oberflä<strong>ch</strong>en zu glätten, damit<br />
zum Beispiel weniger S<strong>ch</strong>mutzstoffe<br />
in die behandelten Materialien<br />
eindringen. Interessant sind sol<strong>ch</strong>e Anwendungen<br />
vor allem für Gebäude mit<br />
hohen hygienis<strong>ch</strong>en Standards wie Spitäler,<br />
Labors oder Lebensmittelbetriebe.<br />
Glei<strong>ch</strong>zeitig haben TiO 2Nanopartikel<br />
fotokatalytis<strong>ch</strong>e Eigens<strong>ch</strong>aften, was ihre<br />
Nutzung in Farben, Lacken oder Verputzen<br />
für selbstreinigende Fassaden erklärt.<br />
Dabei werden S<strong>ch</strong>mutz, Gerü<strong>ch</strong>e<br />
und Bakterien unter Li<strong>ch</strong>teinwirkung<br />
abgebaut. In Kosmetika wie Sonnencremes<br />
dienen die Partikel dazu, die<br />
s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Ultraviolettstrahlung des Sonnenli<strong>ch</strong>ts<br />
von der Haut fernzuhalten. Zudem<br />
nutzt man TiO 2 unter anderem bei<br />
der Produktion von Farbstoffsolarzellen,<br />
für das Wa<strong>ch</strong>stum künstli<strong>ch</strong>er Kno<strong>ch</strong>en<br />
sowie als Bestandteil von Katalysatoren<br />
zur Entstickung von Rau<strong>ch</strong>gasen.<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-02<br />
Zusammengestellt von Beat Jordi<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Nanoröhren aus Kohlenstoff (CNT)<br />
Nanoröhr<strong>ch</strong>en aus Kohlenstoff bestehen aus<br />
einer wabenförmigen, grafitartigen Struktur, die<br />
mehrere S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten umfassen kann. Sie errei<strong>ch</strong>en<br />
Längen von einigen Millimetern, sind sehr elastis<strong>ch</strong>,<br />
extrem strapazierfähig und bis zu 50mal so<br />
zugfest wie Stahl, sodass sie zum Beispiel in Kombination<br />
mit herkömmli<strong>ch</strong>en Kunststoffen deren me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>e<br />
Eigens<strong>ch</strong>aften verbessern. Mit CNT werden<br />
etwa lei<strong>ch</strong>te, aber stabilere Velorahmen oder<br />
Hockey und Tenniss<strong>ch</strong>läger gefertigt. Sie eignen<br />
si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> zur Herstellung von sehr dunklen Oberflä<strong>ch</strong>en,<br />
was CNT für Sonnenkollektoren mit einer<br />
Bild: Keystone<br />
hohen Li<strong>ch</strong>tabsorption oder zur Abs<strong>ch</strong>irmung<br />
von Funkwellen in einem breiten Frequenzberei<strong>ch</strong><br />
attraktiv ma<strong>ch</strong>t. Je na<strong>ch</strong> Röhr<strong>ch</strong>enstruktur<br />
fungieren sie als Isolator, Halbleiter oder als<br />
metallis<strong>ch</strong>er Leiter. Diese Funktionen mö<strong>ch</strong>te die<br />
Elektronikindustrie künftig verstärkt nutzen, um<br />
neuartige Transistoren, Spei<strong>ch</strong>er, Dioden oder Displays<br />
zu produzieren. Bereits weit verbreitet sind<br />
CNT als Beimis<strong>ch</strong>ung zur Leistungssteigerung von<br />
LithiumBatterien. Zudem werden sie als Spitzen<br />
für leistungsfähigere Rastertunnelmikroskope<br />
mit deutli<strong>ch</strong> verbesserter Auflösung eingesetzt.<br />
7
NANOTECHNOLOGIE IM ÜBERBLICK<br />
«Die S<strong>ch</strong>weiz hat<br />
Pionierarbeit geleistet»<br />
Im Umgang mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> gebe es in der S<strong>ch</strong>weiz eine gute Balance zwis<strong>ch</strong>en mutigem Vorangehen und<br />
vorsi<strong>ch</strong>tiger Risikoabs<strong>ch</strong>ätzung, sagt der Chemiker Georg Karlaganis im Interview mit umwelt. Der langjährige<br />
<strong>BAFU</strong>-Abteilungs<strong>ch</strong>ef und heutige UNO-Mitarbeiter äussert si<strong>ch</strong> zur te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>en Revolution des 21. Jahrhunderts.<br />
umwelt : Herr Karlaganis, wann sind Sie letztmals mit<br />
einem Nanoprodukt in Berührung gekommen?<br />
Georg Karlaganis: I<strong>ch</strong> habe zu Hause eine spezielle<br />
Krawatte, an der dank <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
jegli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>mutz abperlt. Damit kann i<strong>ch</strong><br />
verglei<strong>ch</strong>sweise unbes<strong>ch</strong>wert Spaghetti oder<br />
Salat mit italienis<strong>ch</strong>er Sauce essen. Do<strong>ch</strong> Spass<br />
bei seite – das eigentli<strong>ch</strong>e Problem ist, dass i<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t weiss, wann i<strong>ch</strong> es mit sol<strong>ch</strong>en Produkten<br />
zu tun habe. Gemäss S<strong>ch</strong>ätzungen verarbeiten<br />
oder verwenden in der S<strong>ch</strong>weiz rund 600 Firmen<br />
Nanomaterialien. Da aber weder eine Melde<br />
no<strong>ch</strong> eine Deklarationspfli<strong>ch</strong>t besteht, wissen<br />
Behörden sowie Konsumentinnen und Konsumenten<br />
kaum, um wel<strong>ch</strong>e Firmen und Produkte<br />
es si<strong>ch</strong> handelt.<br />
Ma<strong>ch</strong>t Ihnen das Sorgen?<br />
Wenn ein Auto Nanopartikel enthält, ma<strong>ch</strong>t mir<br />
das keine grossen Sorgen, denn die Teil<strong>ch</strong>en sind<br />
im Material gehärtet und ni<strong>ch</strong>t abreibbar. Handelt<br />
es si<strong>ch</strong> ausserdem um das Auto eines deuts<strong>ch</strong>en<br />
Herstellers, für<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t um die<br />
Gesundheit der an der Produktion beteiligten<br />
Bes<strong>ch</strong>äftigten. Anders sieht es bei einem Getränk<br />
aus, dessen Verpackung mit Nanoteil<strong>ch</strong>en bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet<br />
ist. Angesi<strong>ch</strong>ts der heute bestehenden<br />
Wissenslücken würde i<strong>ch</strong> es wohl eher ni<strong>ch</strong>t<br />
trinken, weil die mögli<strong>ch</strong>en Gesundheitsrisiken<br />
no<strong>ch</strong> zu wenig erfors<strong>ch</strong>t sind.<br />
Die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> wird als «te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e<br />
Revolution des 21. Jahrhunderts» bezei<strong>ch</strong>net und ist<br />
mit hohen Erwartungen verknüpft. Lassen Sie uns<br />
zuerst die Grundlagen klären. Wie muss man si<strong>ch</strong> die<br />
Grössenordnung von Nanoteil<strong>ch</strong>en vorstellen?<br />
Dazu gibt es einen ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en Verglei<strong>ch</strong>: Das<br />
8<br />
Verhältnis eines Apfels zur Erde ist glei<strong>ch</strong> wie<br />
dasjenige zwis<strong>ch</strong>en einem Nanoteil<strong>ch</strong>en und<br />
dem Apfel.<br />
Was ist der Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en natürli<strong>ch</strong>en und<br />
synthetis<strong>ch</strong>en Nanopartikeln?<br />
Nanoteil<strong>ch</strong>en kommen natürli<strong>ch</strong>erweise in Böden<br />
und Sedimenten von Seen vor. Spri<strong>ch</strong>t man<br />
von <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>, geht es vorab um synthetis<strong>ch</strong><br />
hergestellte Nanopartikel. Bei Luftverunreinigungen<br />
– etwa dur<strong>ch</strong> Abgase aus Dieselmotoren<br />
– entwei<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> Teil<strong>ch</strong>en in dieser<br />
Grössenordnung, aber mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
hat dies ni<strong>ch</strong>ts zu tun.<br />
Wie werden Nanopartikel hergestellt?<br />
Ausgangsmaterialien sind zum Beispiel Zink<br />
oder Titanoxid in Pulverform. Diese werden von<br />
Grossfirmen aus der <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Industrie in<br />
einem aufwendigen Highte<strong>ch</strong>verfahren verkleinert<br />
oder in einer Flamme dur<strong>ch</strong> Einspritzen<br />
entspre<strong>ch</strong>ender Lösungen hergestellt. Zur weiteren<br />
Verarbeitung gelangen sie dann au<strong>ch</strong> an kleine<br />
und mittlere Unternehmen (KMU).<br />
Gemessen an ihrem Volumen verfügen Nanopartikel<br />
über eine grosse Oberflä<strong>ch</strong>e, was sie sehr reaktiv<br />
ma<strong>ch</strong>t und die physikalis<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften der<br />
Ausgangsstoffe verändert. Was bedeutet das konkret?<br />
Das glei<strong>ch</strong>e Material kann je na<strong>ch</strong> Teil<strong>ch</strong>engrösse<br />
zum Beispiel eine andere Farbe haben.<br />
Nanopartikel können au<strong>ch</strong> bei variierenden<br />
Li<strong>ch</strong>tverhältnissen andere Farben annehmen.<br />
Wird sol<strong>ch</strong>es Material für Autolackierungen verwendet,<br />
we<strong>ch</strong>selt der Wagen also je na<strong>ch</strong> Wetter<br />
und Li<strong>ch</strong>t seine Farbe. Ein interessantes Beispiel<br />
ist Eisen: Wird es in grösseren, festen Stücken<br />
Georg Karlaganis vor einem<br />
Tomographie-Elektronenmikroskop<br />
im Institut für<br />
Anatomie der Universität<br />
Bern. Er studierte an der<br />
ETH Züri<strong>ch</strong> Chemie und<br />
doktorierte am Institut<br />
für Molekularbiologie und<br />
Biophysik. Na<strong>ch</strong> einem<br />
Aufenthalt als Gastfors<strong>ch</strong>er<br />
am Departement für<br />
physiologis<strong>ch</strong>e Chemie<br />
des Karolinska Instituts<br />
in Stockholm habilitierte<br />
er 1985 in Bern im Fa<strong>ch</strong><br />
«Chemis<strong>ch</strong>e Analytik in der<br />
klinis<strong>ch</strong>en Pharmakologie».<br />
Von 1987 bis zu seiner<br />
Pensionierung Ende 2009<br />
war er Chef der <strong>BAFU</strong>-<br />
Abteilung Stoffe, Boden,<br />
Biote<strong>ch</strong>nologie. Seither<br />
arbeitet der heute 65-Jährige<br />
für das Ausbildungs-<br />
und Fors<strong>ch</strong>ungsinstitut<br />
UNITAR der UNO in Genf.<br />
Georg Karlaganis ist verheiratet<br />
und Vater von drei<br />
erwa<strong>ch</strong>senen Kindern.<br />
Bild: Stefan Bohrer<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
9
10<br />
gelagert, gibt es bezügli<strong>ch</strong> Entflammbarkeit keine<br />
Probleme. Ist das glei<strong>ch</strong>e Material hingegen<br />
pulverisiert, sieht es anders aus. Nanoeisen reagiert<br />
derart heftig auf den Sauerstoff der Luft,<br />
dass man es nur in einer Gasumgebung – etwa<br />
unter Stickstoff oder Edelgas – lagern kann. Interessant<br />
sind au<strong>ch</strong> Beispiele aus dem Berei<strong>ch</strong><br />
der Nano biote<strong>ch</strong>nologie: Werden diese Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />
mit spezifis<strong>ch</strong>en Eiweissen bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet,<br />
verändern si<strong>ch</strong> ihre Eigens<strong>ch</strong>aften no<strong>ch</strong> weiter.<br />
Ausgestattet mit Antikörpern können sie in der<br />
Medizin zum Einsatz kommen, indem die Partikel<br />
gezielt an Krankheitserreger andocken.<br />
Setzt die Medizin grosse Hoffnungen darauf?<br />
Es gibt diesbezügli<strong>ch</strong> ein beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es Potenzial,<br />
aber no<strong>ch</strong> keine angewandten Therapien.<br />
Hingegen laufen Fors<strong>ch</strong>ungsprojekte – so etwa<br />
zur Tumorbekämpfung oder für bessere Diagnosen<br />
dank bildgebender Verfahren wie der Kernresonanzspektroskopie,<br />
mit denen man Organe<br />
oder einzelne Körperteile besser si<strong>ch</strong>tbar ma<strong>ch</strong>en<br />
kann. Bis entspre<strong>ch</strong>ende Medikamente zur<br />
Krebsbehandlung marktreif sind, dauert es aber<br />
si<strong>ch</strong>er no<strong>ch</strong> 10 Jahre.<br />
In wel<strong>ch</strong>en Gebieten sind die Anwendungen am<br />
weitesten fortges<strong>ch</strong>ritten?<br />
Sogenannte Carbon Nanotubes (CNT) – also<br />
kleinste Kohlenstoffröhr<strong>ch</strong>en – ma<strong>ch</strong>en Materia<br />
lien lei<strong>ch</strong>ter und glei<strong>ch</strong>zeitig belastbarer. Bei Velos<br />
oder Tenniss<strong>ch</strong>lägern werden diese s<strong>ch</strong>on gebrau<strong>ch</strong>t.<br />
Mit einer geeigneten Nanobes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung<br />
lässt si<strong>ch</strong> die Metalloberflä<strong>ch</strong>e von Autos härter<br />
und kratzfester ma<strong>ch</strong>en. Im Bausektor wird der<br />
Farbe für den Anstri<strong>ch</strong> von Gebäuden zum Teil<br />
Nanosilber beigemis<strong>ch</strong>t. Dadur<strong>ch</strong> entsteht eine<br />
antimikrobielle S<strong>ch</strong>utzs<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t, die verhindern<br />
soll, dass si<strong>ch</strong> Algen, Pilze, Moose und Fle<strong>ch</strong>ten<br />
an feu<strong>ch</strong>ten Wänden festsetzen. Ein ähnli<strong>ch</strong>es<br />
Prinzip kommt au<strong>ch</strong> bei Textilien zur Anwendung:<br />
Hier töten eingearbeitete Nanosilberpartikel<br />
Mikroorganismen ab, sodass vers<strong>ch</strong>witzte<br />
Socken oder TShirts weniger rie<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong><br />
im Berei<strong>ch</strong> des Korrosionss<strong>ch</strong>utzes gelangt die<br />
<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> bereits zum Einsatz.<br />
Kleinste Lücken in Oberflä<strong>ch</strong>en werden also mit Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />
so behandelt, dass si<strong>ch</strong> zum Beispiel S<strong>ch</strong>mutz<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr dauerhaft festsetzen kann.<br />
Ja, dieser Effekt ist au<strong>ch</strong> für Hausbesitzer praktis<strong>ch</strong>,<br />
die ihre Liegens<strong>ch</strong>aft mit einer Nanos<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />
versehen, damit sie etwa Graffitis lei<strong>ch</strong>t<br />
mit Wasser abwas<strong>ch</strong>en können. Dieses Prinzip<br />
kann au<strong>ch</strong> in Spitälern für eine grössere Hygiene<br />
sorgen. Es ermögli<strong>ch</strong>t zudem Skibrillen und<br />
Badezimmerspiegel, die si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr bes<strong>ch</strong>lagen,<br />
oder Jacken, an denen der Regen perfekt<br />
abperlt.<br />
Und warum s<strong>ch</strong>ützt Nanosonnencreme besser gegen<br />
Ultraviolettstrahlung?<br />
Das den Sonnencremes beigemis<strong>ch</strong>te Titandioxid<br />
absorbiert und streut UVStrahlen. Im Gegensatz<br />
zu makroskopis<strong>ch</strong>en Teil<strong>ch</strong>en ers<strong>ch</strong>einen die<br />
Nanopartikel transparent und bilden so auf der<br />
Haut keinen weissen Film.<br />
Au<strong>ch</strong> in der Umweltte<strong>ch</strong>nologie s<strong>ch</strong>einen Nanomaterialien<br />
einiges bewegen zu können.<br />
Ja, zum Beispiel lässt si<strong>ch</strong> mit SilikatAerogel in<br />
Nanogrösse die Wärmeisolation von Gebäuden<br />
verbessern. Batterien und Solarzellen werden<br />
ebenfalls effizienter. Zudem kann man lei<strong>ch</strong>tere<br />
Windräder bauen, die dadur<strong>ch</strong> mehr Strom liefern.<br />
Grosse Hoffnungen sind mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
au<strong>ch</strong> in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit<br />
verbunden – so etwa bei<br />
der Abwasserreinigung und Trinkwasseraufbe<br />
«I<strong>ch</strong> bin interessiert an einem Auto, das ni<strong>ch</strong>t zerkratzt werden kann, oder an<br />
einem künstli<strong>ch</strong>en Hüftgelenk, das man ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on na<strong>ch</strong> 10 Jahren ersetzen<br />
muss. Bei Lebensmitteln bin i<strong>ch</strong> hingegen vorsi<strong>ch</strong>tiger.» Georg Karlaganis<br />
reitung. Gerade in afrikanis<strong>ch</strong>en Ländern ist das<br />
Interesse diesbezügli<strong>ch</strong> sehr gross.<br />
Die Anwendungsberei<strong>ch</strong>e sind also sehr vielfältig.<br />
Die National Science Foundation der USA s<strong>ch</strong>ätzt das<br />
globale Marktpotenzial bis 2015 auf 1 Billion US-Dollar.<br />
Ist das eine realistis<strong>ch</strong>e Prognose?<br />
Das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Interesse an der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
ist si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> enorm. Das trifft au<strong>ch</strong> auf<br />
Banken zu, die in junge Firmen mit entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Produkten investieren. Wie viele davon überleben<br />
werden, lässt si<strong>ch</strong> kaum sagen, denn das<br />
tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Werts<strong>ch</strong>öpfungspotenzial ist grundsätzli<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>wierig zu beurteilen. Die ausgespro<strong>ch</strong>en<br />
heterogenen Anwendungsberei<strong>ch</strong>e sind<br />
dabei das Hauptproblem. Beim europäis<strong>ch</strong>en Patentamt<br />
gibt es keine Nanoabteilung, in der si<strong>ch</strong><br />
alle entspre<strong>ch</strong>enden Patente finden – diese sind<br />
vielmehr auf vers<strong>ch</strong>iedenste Gebiete verteilt.<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Besteht ni<strong>ch</strong>t die Gefahr einer tendenziellen Verna<strong>ch</strong>lässigung<br />
der Gesundheits- und Umweltrisiken<br />
angesi<strong>ch</strong>ts der grossen wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Mögli<strong>ch</strong>keiten?<br />
Natürli<strong>ch</strong> gibt es eine sol<strong>ch</strong>e Gefahr. Andererseits<br />
ist die Industrie aufgrund s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter Erfahrungen<br />
mit neuen Te<strong>ch</strong>nologien – wie etwa der<br />
Gente<strong>ch</strong>nik – in der jüngeren Vergangenheit sensibilisiert.<br />
So ist zum Beispiel der amerikanis<strong>ch</strong>e<br />
Agrarkonzern Monsanto mit seinen gente<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong><br />
veränderten Pflanzen insbesondere in Europa<br />
auf grösste Skepsis gestossen. Die «NZZ» hat<br />
unlängst die Stimmung in der Bevölkerung gut<br />
auf den Punkt gebra<strong>ch</strong>t: «Nano ja – aber ni<strong>ch</strong>t zu<br />
nah». Dies gilt au<strong>ch</strong> für mi<strong>ch</strong>: I<strong>ch</strong> bin interessiert<br />
an einem Auto, das ni<strong>ch</strong>t zerkratzt werden kann,<br />
oder an einem künstli<strong>ch</strong>en Hüftgelenk, das man<br />
ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on na<strong>ch</strong> 10 Jahren ersetzen muss. Bei<br />
Lebensmitteln bin i<strong>ch</strong> hingegen vorsi<strong>ch</strong>tiger.<br />
Für Konsumentinnen und Kunden ist es derzeit jedo<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>wierig, vorsi<strong>ch</strong>tig zu sein, weil sie ja mangels<br />
Deklarationspfli<strong>ch</strong>t gar ni<strong>ch</strong>t wissen können, was sie<br />
zu si<strong>ch</strong> nehmen.<br />
Das stimmt – allerdings weiss i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong>, dass die<br />
grösste Gefahr eines Eintritts von Nanopartikeln<br />
in den Körper bei der Lunge besteht. Die Membran<br />
zwis<strong>ch</strong>en dem Luft und dem Blutkompartiment<br />
ist sehr dünn. Dadur<strong>ch</strong> können Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />
ins Blut und damit in den ganzen Körper<br />
gelangen. Die Haut hingegen s<strong>ch</strong>ützt den Körper<br />
ziemli<strong>ch</strong> gut. Über die Auswirkungen im Darmtrakt<br />
na<strong>ch</strong> einer Nahrungsaufnahme ist derzeit<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t viel bekannt. Hohe Aufmerksamkeit<br />
gebührt au<strong>ch</strong> den Bes<strong>ch</strong>äftigten, die etwa in<br />
KMU Nanomaterialien verarbeiten. Oft sind sie<br />
entweder unzurei<strong>ch</strong>end ausgebildet oder wissen<br />
gar ni<strong>ch</strong>t, dass sie mit Nanopartikeln hantieren.<br />
I<strong>ch</strong> erinnere mi<strong>ch</strong> an eine Produktionshalle in<br />
Asien, in der Nanomaterial wie Mehl am Boden<br />
lag – und die Angestellten waren barfuss.<br />
Was wird getan, damit si<strong>ch</strong> der Wissensstand zur<br />
Erarbeitung wirkungsvoller Präventionsmassnahmen<br />
ras<strong>ch</strong> verbessert?<br />
Der Bundesrat hat das Nationale Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm<br />
NFP 64 zu «Chancen und Risiken von<br />
Nano materialien» ausges<strong>ch</strong>rieben. Damit sollen<br />
in den nä<strong>ch</strong>sten 5 Jahren wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Grundlagen für Empfehlungen und geeignete<br />
Massnahmen bei Herstellung, Gebrau<strong>ch</strong> und<br />
Entsorgung von Nanomaterialien ges<strong>ch</strong>affen<br />
werden. Dafür stehen 12 Millionen Franken zur<br />
Verfügung.<br />
Rei<strong>ch</strong>t das aus?<br />
Es ist ja ni<strong>ch</strong>t so, dass wir uns derzeit in einem<br />
re<strong>ch</strong>tsfreien Raum bewegen. Die Sorgfalts<br />
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
pfli<strong>ch</strong>t der Hersteller gilt au<strong>ch</strong> im Nanoberei<strong>ch</strong>.<br />
Zudem darf man dur<strong>ch</strong>aus auf den gesunden<br />
Mens<strong>ch</strong>enverstand bauen: Wer ein mit Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />
verstärktes Fahrrad besitzt, sollte es vor<br />
der Entsorgung si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t zersägen. Zudem<br />
hat der Bundesrat 2008 einen entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Aktionsplan vorgelegt, in dem das weitere Vorgehen<br />
genau skizziert wird. Um die Bevölkerung<br />
zu sensibilisieren, ist eine breite öffentli<strong>ch</strong>e Debatte<br />
geplant. Im internationalen Kontext muss<br />
eine Definition der Grösse von Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />
erarbeitet werden, damit die Behörden dana<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> Grenzwerte und Regulierungen festlegen<br />
können. Au<strong>ch</strong> hat die S<strong>ch</strong>weiz einen Vorsorgeraster<br />
entwickelt, mit dem si<strong>ch</strong> Gefahren für<br />
die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit und die Umwelt<br />
aufgrund des aktuellen Wissensstandes relativ<br />
einfa<strong>ch</strong> abs<strong>ch</strong>ätzen lassen. Darüber hinaus gilt<br />
das Prinzip der Selbstkontrolle für Unternehmen<br />
s<strong>ch</strong>on heute. Wer zum Beispiel eine Was<strong>ch</strong>mas<strong>ch</strong>ine<br />
aus Japan importieren will, die der Wäs<strong>ch</strong>e<br />
Nanosilber beimis<strong>ch</strong>t, ist dazu verpfli<strong>ch</strong>tet,<br />
die Auswirkungen auf die Umwelt selber zu kontrollieren.<br />
Grössere Firmen halten si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> daran,<br />
da sie über die nötigen Spezialisten verfügen.<br />
Wie sehen Sie einer Zukunft mit <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
entgegen?<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz hat mit ihrem umfassenden Aktionsplan<br />
internationale Pionierarbeit geleistet.<br />
Diesen Vorsprung müssen wir halten. Wir<br />
haben hierzulande eine gute Balance zwis<strong>ch</strong>en<br />
mu tigem Vorangehen und vorsi<strong>ch</strong>tiger Risikoabs<strong>ch</strong>ätzung.<br />
Daran festzuhalten, wird allen Beteiligten<br />
au<strong>ch</strong> in Zukunft grosse Anstrengungen<br />
abver langen.<br />
Interview: Peter Bader<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-03<br />
KONTAKT<br />
Andreas Weber<br />
Chef der Sektion<br />
Industrie<strong>ch</strong>emikalien<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 322 68 59<br />
andreas.weber@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
11
CHANCEN FÜR DIE UMWELT: EFFIZIENTE ENERGIESYSTEME<br />
Morgenröte für die Sol<br />
Dank der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> können effizientere Solarzellen produziert werden, die bei geringerem Materialaufwand<br />
eine höhere Energieausbeute ermögli<strong>ch</strong>en. Glei<strong>ch</strong> zwei Institute der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />
Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Lausanne (EPFL) gehören zu den weltweit führenden Fors<strong>ch</strong>ungszentren auf diesem Gebiet.<br />
12<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
energie<br />
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Die Innenwände des Instituts für Mikrote<strong>ch</strong>nologie<br />
(IMT) in Neuenburg sind mit Solarpanels<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Farbe und Grösse verkleidet.<br />
Sie sind auf festen oder bewegli<strong>ch</strong>en Halterungen<br />
montiert und bestehen aus diversen Materialien.<br />
Einige S<strong>ch</strong>aukästen präsentieren die<br />
Energiesysteme, mit denen si<strong>ch</strong> das hier untergebra<strong>ch</strong>te<br />
Photovoltaics and Thin Film Electronics<br />
Laboratory (PV LAB) bes<strong>ch</strong>äftigt. Konsequenterweise<br />
ist au<strong>ch</strong> das Da<strong>ch</strong> des Gebäudes<br />
mit Siliziumzellen bedeckt, die das Fors<strong>ch</strong>ungszentrum<br />
mit Strom versorgen.<br />
Das der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />
Lausanne (EPFL) angegliederte PV LAB<br />
betreibt Grundlagenfors<strong>ch</strong>ung und entwickelt<br />
zudem konkret umsetzbare Te<strong>ch</strong>nologien im<br />
Berei<strong>ch</strong> der Photovoltaik. «Es ist unser Ziel,<br />
eine erneuerbare Alternative zu den wenig befriedigenden<br />
traditionellen Energiequellen<br />
anzubieten», erklärt dessen Direktor Chris<br />
tophe Ballif. «Wir wollen eine kostengünstige<br />
und qualitativ ho<strong>ch</strong>stehende Stromerzeugung<br />
aus Sonnenenergie ermögli<strong>ch</strong>en, den Aufwand<br />
für die graue Energie zur Herstellung der<br />
Ausgangsmate rialien reduzieren und mögli<strong>ch</strong>st<br />
wenig giftige Werkstoffe einsetzen.»<br />
Erhöhter Wirkungsgrad der Siliziumzellen. Die Umwandlung<br />
des praktis<strong>ch</strong> unbes<strong>ch</strong>ränkt verfügbaren<br />
Sonnenli<strong>ch</strong>ts in elektris<strong>ch</strong>e Energie ist an<br />
si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on eine gute Sa<strong>ch</strong>e. No<strong>ch</strong> besser sieht<br />
die Ökobilanz des Solarstroms aus, wenn es gelingt,<br />
den erforderli<strong>ch</strong>en Materialverbrau<strong>ch</strong> zu<br />
vermindern, die Energieeffizienz zu erhöhen<br />
und dadur<strong>ch</strong> den Marktpreis für Photovoltaikanlagen<br />
zu senken. Dazu kann die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
mit ihren vielfältigen Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
einen wi<strong>ch</strong>tigen Beitrag leisten. In Neuenburg<br />
hat man si<strong>ch</strong> auf siliziumbasierte Anwendungen<br />
und transparente Leiteroxide spezialisiert.<br />
Amorphes Silizium, dessen Atome vollkommen<br />
unregelmässig angeordnet sind, erlaubt die Herstellung<br />
biegsamer Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tSolarzellen.<br />
Bereits unter Christophe Ballifs Vorgänger<br />
Professor Arvind Shah hat das PV LAB ausserdem<br />
entdeckt, dass si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> mikro oder nanokristallines<br />
Silizium für die Photovoltaik eignet.<br />
Es besteht aus kleinsten Kristallen mit einem<br />
Dur<strong>ch</strong>messer von weniger als einem Millionstel<br />
Meter. Dur<strong>ch</strong> eine Kombination von amorphen<br />
und mikrokristallinen Siliziumzellen lässt si<strong>ch</strong><br />
das nutzbare Li<strong>ch</strong>tspektrum erweitern, was<br />
einen höheren Wirkungsgrad ermögli<strong>ch</strong>t. Während<br />
amorphes Silizium das blaue und grüne<br />
Sonnenli<strong>ch</strong>t absorbiert, nimmt mikrokristallines<br />
Silizium die rote und infrarote Strahlung<br />
auf. Basierend auf dieser Te<strong>ch</strong>nik stellt die<br />
Firma Oerlikon Solar seit 2007 Produktions<br />
Professor Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel<br />
von der EPFL Lausanne<br />
mit einem Modul der von<br />
ihm entwickelten Farbstoffsolarzelle.<br />
Das Prinzip<br />
der Energiegewinnung ist<br />
der pflanzli<strong>ch</strong>en Fotosynthese<br />
na<strong>ch</strong>empfunden.<br />
Für diese Entwicklung hat<br />
der Fors<strong>ch</strong>er <strong>2010</strong> den mit<br />
800 000 Euro dotierten<br />
Millennium Te<strong>ch</strong>nology<br />
Prize erhalten.<br />
13
anlagen für die Fertigung sol<strong>ch</strong>er Mikromorph<br />
Solarmodule her.<br />
Das PV LAB arbeitet inzwis<strong>ch</strong>en an einer Weiterentwicklung<br />
von Solarzellen, die amorphes<br />
und monokristallines Silizium kombinieren<br />
und damit einen deutli<strong>ch</strong> höheren Wirkungsgrad<br />
von rund 20 Prozent und mehr errei<strong>ch</strong>en.<br />
Obwohl ihre Herstellung etwas teurer zu stehen<br />
kommt, hofft das IMT, seine Te<strong>ch</strong>nologie<br />
gemeinsam mit dem deuts<strong>ch</strong>en Unternehmen<br />
Roth & Rau vermarkten zu können. Dieser weltweit<br />
bekannte Anbieter von Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungsanlagen<br />
und kompletten Produktionslinien für<br />
Solarzellen hat in Neuenburg 2008 ein Te<strong>ch</strong>nologiezentrum<br />
eröffnet.<br />
Tests unter extremen Bedingungen. «Die Herausforderung<br />
besteht darin, Materialien mit einer Präzision<br />
im Nanometerberei<strong>ch</strong> herzustellen, die<br />
si<strong>ch</strong> in der praktis<strong>ch</strong>en Anwendung für Flä<strong>ch</strong>en<br />
von mehreren Quadratmetern eignen», erläutert<br />
Christophe Ballif. In seinem Labor arbeiten zahlrei<strong>ch</strong>e<br />
Bes<strong>ch</strong>äftigte an futuristis<strong>ch</strong> anmutenden<br />
Mas<strong>ch</strong>inen. Damit ist es mögli<strong>ch</strong>, Werkstoffe in<br />
dünnsten S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten aufzutragen, Photovoltaikzellen<br />
herzustellen und diese sogar zu verkapseln.<br />
Im Vordergrund stehen dabei die Optimierung<br />
des energetis<strong>ch</strong>en Wirkungsgrades und der<br />
Materialien, die Verbesserung sämtli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten,<br />
das Beherrs<strong>ch</strong>en der S<strong>ch</strong>nittstellen sowie die<br />
Entwicklung neuer Strukturen und Verfahren.<br />
Dazu stellt das PV LAB jeweils Proben von wenigen<br />
Quadratzentimetern her, deren Zuverlässigkeit<br />
ans<strong>ch</strong>liessend in einem Simulator von<br />
Grund auf geprüft wird. «Damit die Solarzellen<br />
au<strong>ch</strong> unter extremen Bedingungen einwandfrei<br />
funktionieren, unterziehen wir sie einer Reihe<br />
von sehr strengen Tests», sagt Christophe Ballif.<br />
«S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> müssen die Hersteller eine Garantie<br />
für die Lebensdauer der Module von 25 Jahren si<strong>ch</strong>erstellen<br />
können.»<br />
Vielfältige Anwendungen in der Praxis. Die in Neuenburg<br />
entwickelten Solarzellen sind für die Montage<br />
auf Dä<strong>ch</strong>ern, an Fassaden, in Kraftwerken<br />
und Solarparks bestimmt – sei es auf freiem Feld<br />
oder in der Wüste. Weitere Anwendungsberei<strong>ch</strong>e<br />
der Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tmodule sind der Einsatz in Uhren,<br />
LCDFla<strong>ch</strong>bilds<strong>ch</strong>irmen, optis<strong>ch</strong>en Fasern,<br />
Strahlungssensoren sowie in Spezialdetektoren<br />
14<br />
für Elektronen und Röntgenstrahlen. Im Interesse<br />
einer ras<strong>ch</strong>en Verbreitung der innovativen<br />
Te<strong>ch</strong>nologien ist das Labor Partners<strong>ch</strong>aften mit<br />
mehreren Industriefirmen und StartupUnternehmen<br />
wie Oerlikon Solar, Flexcell in Yverdon<br />
(VD) oder Roth & Rau Switzerland eingegangen.<br />
Ausserdem beteiligt es si<strong>ch</strong> an der Entwicklung<br />
und Auswahl der Solarpanels für das Lei<strong>ch</strong>tflugzeug<br />
Solar Impulse von Bertrand Piccard.<br />
«Wir erhoffen uns von der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
wi<strong>ch</strong>tige Impulse für eine na<strong>ch</strong>haltige Energieversorgung»,<br />
sagt Hans Hosba<strong>ch</strong>, der beim <strong>BAFU</strong><br />
die Abteilung Abfall, Stoffe, Biote<strong>ch</strong>nologie leitet.<br />
«In südli<strong>ch</strong>en Ländern mit langer Sonnens<strong>ch</strong>eindauer<br />
ist die Produktion von Solarstrom<br />
zum Teil heute s<strong>ch</strong>on konkurrenzfähig. Je besser<br />
der Wirkungsgrad der Solarzellen und je weniger<br />
Material dafür eingesetzt wird, umso ras<strong>ch</strong>er<br />
kann die Solarenergie au<strong>ch</strong> bei uns das Preisniveau<br />
der Stromproduktion aus ni<strong>ch</strong>t erneuerbaren<br />
Quellen errei<strong>ch</strong>en.» Dasselbe gilt für die<br />
Entwicklung lei<strong>ch</strong>ter, aber robuster Werkstoffe<br />
für Windturbinen. Gravierende Umweltprobleme<br />
wie die weltweite Luftvers<strong>ch</strong>mutzung dur<strong>ch</strong><br />
kohlebetriebene und ölthermis<strong>ch</strong>e Kraftwerke,<br />
die Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen<br />
oder die Entsorgung radioaktiver Abfälle<br />
aus Atomkraftwerken liessen si<strong>ch</strong> damit zumindest<br />
teilweise ents<strong>ch</strong>ärfen.<br />
Na<strong>ch</strong>ahmung der Fotosynthese. Grosse Hoffnungen<br />
ruhen in dieser Beziehung au<strong>ch</strong> auf Mi<strong>ch</strong>ael<br />
Grätzel, dem Erfinder der na<strong>ch</strong> ihm benannten<br />
Farbstoffsolarzelle. Das Fors<strong>ch</strong>erteam des von<br />
ihm geleiteten Laboratoire de photonique et<br />
interfaces (LPI) an der EPFL in Lausanne befasst<br />
si<strong>ch</strong> mit der direkten Gewinnung von Wasserstoff<br />
aus Wasser, arbeitet an der Entwicklung<br />
von leistungsfähigen LithiumBatterien und<br />
erfors<strong>ch</strong>t Solarzellen. Deren Besonderheit liegt<br />
darin, dass sie die Energie der Sonnenstrahlen<br />
mithilfe eines natürli<strong>ch</strong>en Farbstoffs in Elektrizität<br />
umwandeln.<br />
«Indem wir die Natur – oder genauer gesagt<br />
den Prozess der Fotosynthese von grünen Pflanzen<br />
– na<strong>ch</strong>ahmen, ist uns die Entwicklung einer<br />
Solarzelle mit einer effizienten Li<strong>ch</strong>tabsorption<br />
gelungen», erklärt Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel deren Funktionsweise.<br />
Das Li<strong>ch</strong>t wird von einer speziellen<br />
Moleküls<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t aufgefangen, die auf einem dün<br />
Farbstoffsolarzellen<br />
produzieren au<strong>ch</strong> bei<br />
s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Li<strong>ch</strong>tverhältnissen<br />
– wie etwa in<br />
Innenräumen – elektris<strong>ch</strong>en<br />
Strom. Um deren Effizienz<br />
weiter zu verbessern,<br />
entwickeln Fa<strong>ch</strong>leute der<br />
EPFL Lausanne in ihrem<br />
Labor Solarzellen aus<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Farbstoffen.<br />
Die Stromausbeute<br />
wird mit einem kleinen<br />
Ventilator getestet. Re<strong>ch</strong>ts<br />
oben bereitet ein Fors<strong>ch</strong>er<br />
Pasten mit nanokristallinen<br />
Partikeln aus Titandioxid<br />
für den Siebdruck vor.<br />
«Die Herausforderung besteht darin, Materialien mit einer Präzision im<br />
Nanometerberei<strong>ch</strong> herzustellen, die si<strong>ch</strong> in der praktis<strong>ch</strong>en Anwendung für<br />
Flä<strong>ch</strong>en von mehreren Quadratmetern eignen.» Christophe Ballif<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
15
nen und sehr rauen Oxidfilm aus halbleitenden<br />
Nanokristallen aufgebra<strong>ch</strong>t ist. Dadur<strong>ch</strong> lässt<br />
si<strong>ch</strong> ein maximaler Anteil des si<strong>ch</strong>tbaren Li<strong>ch</strong>ts<br />
in Elektrizität umwandeln. Dank tiefen Herstellungskosten,<br />
einem breiten Anwendungsgebiet<br />
und ihrer Umweltverträgli<strong>ch</strong>keit haben si<strong>ch</strong><br />
diese Zellen als vielverspre<strong>ch</strong>ende Lösung für die<br />
Produktion von Solarstrom im grossen Massstab<br />
etabliert. Das erste Patent für diese Art von Solarzellen<br />
ist bereits 1988 ausgestellt worden.<br />
Te<strong>ch</strong>nologie mit grossen Wa<strong>ch</strong>stums<strong>ch</strong>ancen. Seit<br />
den Anfängen der Farbstoffzelle hat die Wissens<strong>ch</strong>aft<br />
zahlrei<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritte erzielt. «Gegenwärtig<br />
arbeiten wir an neuen Nanostrukturen und<br />
Farbstoffen mit einem enormen Potenzial zur<br />
Vereinfa<strong>ch</strong>ung und Produktivitätssteigerung»,<br />
erklärt Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel mit si<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Begeisterung.<br />
So lassen si<strong>ch</strong> beispielsweise Nanopartikel<br />
in sphäris<strong>ch</strong> geformten Agglomeraten anordnen,<br />
die das Li<strong>ch</strong>t besser weiterleiten. Dank<br />
der Ansammlungen von Kleinstteil<strong>ch</strong>en, die in<br />
mehreren S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten eine kugelähnli<strong>ch</strong>e Form<br />
bilden, kann man somit au<strong>ch</strong> mehr Elektrizität<br />
erzeugen. Das LPI stellt ni<strong>ch</strong>t nur Farbstoffsolarzellen<br />
her, sondern testet vor allem au<strong>ch</strong> ihren<br />
Wirkungsgrad und die spektrale Empfindli<strong>ch</strong><br />
16<br />
keit – das heisst den Anteil des von den Zellen<br />
nutzbaren Li<strong>ch</strong>tspektrums.<br />
Eine Analyse der südkoreanis<strong>ch</strong>en Marktfors<strong>ch</strong>ungsfirma<br />
Displaybank geht davon aus,<br />
dass die weltweite Industrieproduktion sol<strong>ch</strong>er<br />
Zellen zur Stromerzeugung von 5 Megawatt im<br />
Jahr 2009 bis 2013 auf 246 Megawatt ansteigen<br />
könnte. Die vielfältigen Einsatzmögli<strong>ch</strong>keiten<br />
umfassen Solarpanels für Dä<strong>ch</strong>er und Fassaden,<br />
stromproduzierende Fensters<strong>ch</strong>eiben, Strassenbeleu<strong>ch</strong>tungen,<br />
die Elektrizitätsversorgung von<br />
tragbaren elektronis<strong>ch</strong>en Geräten wie MP3Player,<br />
Rucksäcke, Zelte, Wasserreinigungsgeräte, Radios,<br />
Kühls<strong>ch</strong>ränke, Lampen und Elektrofahrzeuge bis<br />
hin zu energieautarken Biotoiletten. Allerdings<br />
setzt der Wirkungsgrad der Farbstoffsolarzellen<br />
den Anwendungen no<strong>ch</strong> Grenzen. Er übertrifft<br />
zwar denjenigen von Zellen aus amorphem Silizium,<br />
fällt jedo<strong>ch</strong> im Verglei<strong>ch</strong> mit monokristallinen<br />
Siliziumzellen deutli<strong>ch</strong> ab. «Aber sowohl die<br />
Materialien als au<strong>ch</strong> Farbstoffe und Nanostrukturen<br />
bergen no<strong>ch</strong> ein bedeutendes Verbesserungspotenzial»,<br />
versi<strong>ch</strong>ert Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel.<br />
Bereits sind zahlrei<strong>ch</strong>e biegsame Erzeugnisse<br />
für die Stromversorgung von tragbaren Elektronikgeräten<br />
auf dem Markt, die auf Farbstoffsolarzellen<br />
basieren. Ein Beispiel sind die Produkte<br />
Das Labor für Photovoltaik<br />
in Neuenburg hat si<strong>ch</strong> auf<br />
die Steigerung des<br />
Wirkungsgrades von<br />
Solarzellen aus Silizium<br />
spezialisiert und entwickelt<br />
mit Hilfe der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
biegsame Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tsolarmodule.<br />
Der<br />
von einem Ingenieur<br />
bediente Abs<strong>ch</strong>eidungsreaktor<br />
(oben und Seite 17<br />
unten links) im Reinraum<br />
des Labors dient der<br />
Gewinnung von ho<strong>ch</strong>wertigem<br />
Silizium zur Produk-<br />
tion der Dünns<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tzellen.<br />
Seite 17 re<strong>ch</strong>ts wird eine<br />
Messung der Leistungsfähigkeit<br />
mit dem<br />
grossen Sonnensimulator<br />
vorbereitet.<br />
Alle Bilder: Stefan Bohrer<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Nanopartikel lassen si<strong>ch</strong> in sphäris<strong>ch</strong> geformten Agglomeraten anordnen,<br />
die das Li<strong>ch</strong>t besser weiterleiten.<br />
KONTAKTE<br />
Prof. Christophe Ballif<br />
Photovoltaics and Thin Film<br />
Electronics Laboratory (PV LAB)<br />
Institut de microte<strong>ch</strong>nique<br />
(IMT), Neuenburg<br />
032 718 32 09<br />
<strong>ch</strong>ristophe.ballif@epfl.<strong>ch</strong><br />
Prof. Mi<strong>ch</strong>ael Grätzel<br />
Laboratoire de photonique<br />
et interfaces (LPI)<br />
Institut des sciences et<br />
ingénierie <strong>ch</strong>imiques<br />
EPFL, Lausanne<br />
021 693 31 12<br />
mi<strong>ch</strong>ael.graetzel@epfl.<strong>ch</strong><br />
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
der englis<strong>ch</strong>en Firma G24 Innovations, wel<strong>ch</strong>e<br />
die patentierten Erfindungen der EPFL als Lizenznehmer<br />
nutzt. «Sol<strong>ch</strong>e Anwendungen<br />
eignen si<strong>ch</strong> ideal für gewisse Regionen der<br />
Erde wie Afrika oder Indien, wo kein Elektrizitätsnetz,<br />
aber mehr als genug Sonnenli<strong>ch</strong>t<br />
vorhanden ist», erklärt ein Spre<strong>ch</strong>er des Unternehmens.<br />
Au<strong>ch</strong> im Bausektor tut si<strong>ch</strong> einiges.<br />
Die Firmen Solaronix in Aubonne (VD) und<br />
Greatcell in Lutry (VD) beispielsweise vertreiben<br />
stromerzeugende Fensters<strong>ch</strong>eiben und<br />
Fassadenelemente. «Diese Unternehmen s<strong>ch</strong>affen<br />
Arbeitsplätze in der Region und tun glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
etwas für die Umwelt», freut si<strong>ch</strong> Mi<strong>ch</strong>ael<br />
Grätzel. «Offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> bringt unsere Arbeit<br />
der Mens<strong>ch</strong>heit einen Nutzen, indem sie neue<br />
Wege für die Stromversorgung eröffnet.»<br />
PEC House und NanoPEC. Zusammen mit dem<br />
Energy Center (CEN) der EPFL arbeitet das LPI<br />
au<strong>ch</strong> an der Entwicklung einer fotoelektro<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en<br />
Solarzelle (PEC), die in der Lage<br />
ist, an der Oberflä<strong>ch</strong>e der Elektroden Wasser<br />
in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Das<br />
Projekt namens PEC House soll dieses Verfahren<br />
dur<strong>ch</strong> die Entwicklung leistungsfähigerer<br />
und beständiger, korrosionsresistenter Mate<br />
rialien optimieren und glei<strong>ch</strong>zeitig eine kostengünstige<br />
Produktion ermögli<strong>ch</strong>en. Es wird<br />
vom Bundesamt für Energie gefördert und<br />
von der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Materialprüfungs<br />
und Fors<strong>ch</strong>ungsanstalt (Empa) mit Knowhow<br />
unterstützt. Vor Kurzem hat PEC House eine<br />
Partners<strong>ch</strong>aft mit Toyota abges<strong>ch</strong>lossen.<br />
Ausserdem leiten das CEN und das LPI im<br />
Rahmen des 7. Europäis<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ungsrahmenprogramms<br />
(FP7) ein Projekt mit dem<br />
Titel NanoPEC. Es zielt auf die Entwicklung<br />
einer neuen Generation von Systemen zur<br />
Umwandlung von Sonnenenergie ab, die<br />
Wassermoleküle effizient in Wasserstoff und<br />
Sauerstoff zerlegen. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> birgt mit Sonnenenergie<br />
erzeugter Wasserstoff ein grosses<br />
Potenzial als na<strong>ch</strong>haltiger Treibstoff, der in<br />
Brennstoffzellen für die Wärme oder Stromproduktion<br />
zum Einsatz gelangt. NanoPEC<br />
wird in erster Linie na<strong>ch</strong> neuen Halbleitern<br />
fors<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> für die Photoelektrolyse<br />
von Wasser eignen und innovative Ansätze für<br />
deren Nanostrukturierung entwickeln. Die<br />
Fors<strong>ch</strong>ungsarbeiten haben im Januar 2009<br />
begonnen und sollen drei Jahre dauern.<br />
Cornélia Mühlberger de Preux<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-04<br />
17
CHANCEN FÜR DIE UMWELT: WASSERAUFBEREITUNG<br />
Nanote<strong>ch</strong>nik für<br />
sauberes Trinkwasser<br />
Bei der Aufbereitung von Trinkwasser mit Membranfiltern hat si<strong>ch</strong> die Nanote<strong>ch</strong>nik s<strong>ch</strong>on seit<br />
einiger Zeit etabliert, und ihr Potenzial ist riesig. Davon gehen au<strong>ch</strong> keine Umweltrisiken aus,<br />
solange sie nur mit Nanoporen und ni<strong>ch</strong>t mit Nanopartikeln operiert.<br />
Mehr als 6000 Kubikmeter Trinkwasser verbrau<strong>ch</strong>t<br />
Zermatt (VS) tägli<strong>ch</strong>, wenn über Neujahr<br />
alle Hotels und Ferienwohnungen ausgebu<strong>ch</strong>t<br />
sind – das ist doppelt so viel wie in den<br />
verbrau<strong>ch</strong>särmsten Zeiten der Nebensaison. Das<br />
Wasser aus 85 Quellfassungen rei<strong>ch</strong>t dann ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr. Auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> zusätzli<strong>ch</strong>em Wasser<br />
besann man si<strong>ch</strong> auf die 2280 Meter über Meer<br />
gelegenen GandQuellen im Vorfeld des Findel<br />
18<br />
glets<strong>ch</strong>ers. Ihr Wasser ist hygienis<strong>ch</strong> einwandfrei,<br />
enthält allerdings zu viel Sulfat, was dem<br />
Wasser einen unvorteilhaften Ges<strong>ch</strong>mack gibt.<br />
Zudem lässt der hohe Kalkanteil Boiler, Was<strong>ch</strong>mas<strong>ch</strong>inen<br />
und Warmwasserleitungen verkalken.<br />
Do<strong>ch</strong> seit 2006 liefern au<strong>ch</strong> die GandQuellen<br />
einwandfreies Trinkwasser mit Kalk und Sulfatgehalten<br />
innerhalb der geltenden Qualitätslimi<br />
Nanofiltrationsanlage<br />
der Wasserversorgung in<br />
Zermatt (VS): In den Röhren<br />
wird das Quellwasser<br />
dur<strong>ch</strong> kleinste Poren der<br />
Membranen gepresst, siehe<br />
Seite 19.<br />
Bild: Reinhard Perren, WV Zermatt<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
ten. Die damals neu in Betrieb genommene Filtrationsanlage<br />
«Wi<strong>ch</strong>je» funktioniert na<strong>ch</strong> dem<br />
Prinzip der Umkehrosmose und speist stündli<strong>ch</strong><br />
72 Kubikmeter Trinkwasser ins Netz.<br />
Membrante<strong>ch</strong>nik im Nanoberei<strong>ch</strong>. Bei der Umkehrosmose<br />
wird das Wasser dur<strong>ch</strong> die Poren einer<br />
Membran gepresst, deren Dur<strong>ch</strong>messer kleiner<br />
ist als ein Nanometer (nm), sodass im konkreten<br />
Fall au<strong>ch</strong> Calcium und Sulfationen ausgefiltert<br />
werden. Als Nanofiltration gelten Trennverfahren<br />
mit einem Porendur<strong>ch</strong>messer der Membrane<br />
von 1 bis 2 nm. Messen die Poren 2 bis 60 nm,<br />
spri<strong>ch</strong>t man von Ultrafiltration (siehe Tabelle).<br />
Die Unters<strong>ch</strong>eidungen sind insofern verwirrend,<br />
als es in allen Fällen um Verfahren der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
geht, die si<strong>ch</strong> definitionsgemäss mit<br />
Strukturen unter 100 nm befasst.<br />
MÖGLICHKEITEN DER MEMBRANFILTRATION<br />
Trennverfahren Porengrösse Trennleistung<br />
(Nanometer = nm)<br />
Mikrofiltration > 60 nm Partikel<br />
Ultrafiltration 2 – 60 nm Bakterien, Viren<br />
Nanofiltration 1– 2 nm Viren, Calcium,<br />
Moleküle<br />
Umkehrosmose < 1 nm Moleküle, Ionen<br />
«Die Nanote<strong>ch</strong>nik existierte in der Wasserwirts<strong>ch</strong>aft<br />
s<strong>ch</strong>on lange, bevor dieser Begriff geprägt<br />
wurde», sagt denn au<strong>ch</strong> Wouter Pronk, Leiter der<br />
Gruppe Membrante<strong>ch</strong>nologie beim Wasserfors<strong>ch</strong>ungsInstitut<br />
des ETHBerei<strong>ch</strong>s (Eawag). Die<br />
modernste, aber längst ni<strong>ch</strong>t die einzige Ultrafiltrationsanlage<br />
zur Wasseraufbereitung in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz befindet si<strong>ch</strong> in Männedorf (ZH). Seit<br />
2005 versorgt sie 26 000 Personen in drei Seegemeinden<br />
mit einwandfreiem Trinkwasser aus<br />
dem Züri<strong>ch</strong>see. Hier bleiben Partikel und Keime<br />
restlos im Filter hängen.<br />
Ein Fünftel des von der S<strong>ch</strong>weizer Bevölkerung<br />
genutzten Wassers wird aus Seen gefördert.<br />
Im Verglei<strong>ch</strong> zu herkömmli<strong>ch</strong>en Reinigungsverfahren<br />
ermögli<strong>ch</strong>t die Membrante<strong>ch</strong>nik eine kostengünstige<br />
Wasseraufbereitung mit weniger Chemikalien,<br />
Energieverbrau<strong>ch</strong> und Flä<strong>ch</strong>enbedarf.<br />
Au<strong>ch</strong> das ebenfalls ni<strong>ch</strong>t ganz keimfreie Wasser<br />
aus Karstquellen lässt si<strong>ch</strong> mithilfe der Membrante<strong>ch</strong>nik<br />
zu einer bekömmli<strong>ch</strong>en Tranksame<br />
aufbereiten. «Grundwasser aus Lockergesteinen,<br />
die hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in den grossen Flusstälern der<br />
Alpen und des Mittellandes von Bedeutung sind,<br />
kann dagegen in der Regel ohne Aufbereitung als<br />
Trinkwasser abgegeben werden», sagt Benjamin<br />
Meylan von der Sektion Grundwassers<strong>ch</strong>utz beim<br />
<strong>BAFU</strong>. «Hier übernimmt der Untergrund die Reinigung<br />
des Wassers, wenn die geltenden Gewässers<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />
eingehalten werden.»<br />
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Reinwasser Sammelkanal<br />
Oben: Mikroskopis<strong>ch</strong>es Bild einer<br />
Membrane zur Trinkwasseraufbereitung<br />
aus dem Kunststoff<br />
Polyvinylidenfluorid.<br />
Das für die Aufnahme verwendete<br />
Rasterelektronenmikroskop<br />
ermögli<strong>ch</strong>t bis zu millionenfa<strong>ch</strong>e<br />
Vergrösserungen.<br />
Bild: Brian Sinnet, Eawag<br />
Mitte: Die Illustration zeigt das<br />
Innenleben eines röhrenförmigen<br />
Trinkwasserfilters mit den aufgerollten<br />
Membrans<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten (siehe<br />
au<strong>ch</strong> Bild auf Seite 18).<br />
Unten: Die Wirkung der Aufbereitung<br />
verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>en die beiden<br />
Aufnahmen aus einem Wasserwerk<br />
in Conthey (VS), wo das oft stark<br />
getrübte Quellwasser aus zwei<br />
Karstquellen mittels einer Ultrafiltrationsanlage<br />
gereinigt wird.<br />
Bilder: Membratec SA / Ruth S<strong>ch</strong>ürmann<br />
Rohwasser<br />
19
Chancen für Entwicklungsländer. Riesig ist das Anwendungspotenzial<br />
der Membrante<strong>ch</strong>nik aber<br />
vor allem in den Entwicklungsländern, wo heute<br />
rund 1,5 Milliarden Mens<strong>ch</strong>en keinen Zugang zu<br />
sauberem Wasser haben. Vielerorts fliesst belastetes<br />
Abwasser in Gewässer, die flussabwärts als<br />
Trinkwasserressource dienen. Für sol<strong>ch</strong>e Fälle<br />
entwickelt und erprobt die Eawag zurzeit kostengünstige<br />
Membranverfahren, die einfa<strong>ch</strong> zu<br />
handhaben sind. Bereits verfügbar ist der von<br />
einer S<strong>ch</strong>weizer Firma entwickelte «LifeStraw<br />
Family», ein Gerät für Haushalte mit eingebauten<br />
Ultrafiltrationsmembranen, die alle pathogenen<br />
Keime eliminieren.<br />
Die Mögli<strong>ch</strong>keiten der Wasseraufbereitung mit<br />
<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>n sind so vielfältig wie die an sie<br />
gestellten Anforderungen: Ob Trübstoffe, Bakterien,<br />
Viren, organis<strong>ch</strong>e Verbindungen, Pestizide,<br />
S<strong>ch</strong>wermetalle, Radionuklide, Nitrat, Phosphat,<br />
Calcium oder Sulfat – alles, was im Trinkwasser<br />
unerwüns<strong>ch</strong>t ist, lässt si<strong>ch</strong> mit bestimmten Verfahren<br />
daraus entfernen.<br />
Mikroverunreinigungen und Salze entfernen. Damit<br />
ergeben si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Chancen, ein leidiges Problem<br />
im Gewässers<strong>ch</strong>utz anzupacken: Mikroverunreinigungen<br />
wie Medikamentenrückstände oder<br />
weitere Substanzen mit hormonähnli<strong>ch</strong>er Wirkung,<br />
wel<strong>ch</strong>e die Fortpflanzung von Fis<strong>ch</strong>en und<br />
anderen Wassertieren beeinträ<strong>ch</strong>tigen, werden in<br />
den bestehenden Kläranlagen nur unzurei<strong>ch</strong>end<br />
zurückgehalten. Mit der Membrante<strong>ch</strong>nik liessen<br />
sie si<strong>ch</strong> aber zumindest teilweise ausfiltern. Als<br />
Methode der Wahl biete si<strong>ch</strong> diese vor allem für<br />
Punktquellen wie Spitäler oder Pflegeheime an,<br />
wo derartige Substanzen in hohen Gehalten im<br />
Abwasser auftreten, meint Wouter Pronk.<br />
Ein weites Feld ist zudem die Meerwasserentsalzung.<br />
Fa<strong>ch</strong>leute s<strong>ch</strong>ätzen, dass der Weltmarkt<br />
für sol<strong>ch</strong>e Anlagen bis 2020 von derzeit 3 auf<br />
70 Milliarden USDollar pro Jahr anwa<strong>ch</strong>sen wird.<br />
Mittels Umkehrosmose funktioniert die Entsalzung<br />
mit viel geringerem Energiebedarf als bei<br />
herkömmli<strong>ch</strong>en Verfahren. Direkte Umweltrisiken<br />
gehen von der Membrante<strong>ch</strong>nik na<strong>ch</strong> heutigem<br />
Wissensstand ni<strong>ch</strong>t aus – zumindest da, wo<br />
sie auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> mit Poren und ni<strong>ch</strong>t mit Teil<strong>ch</strong>en<br />
im Nanoberei<strong>ch</strong> operiert.<br />
Indessen gibt es au<strong>ch</strong> für Nanopartikel Anwendungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />
im Wasserberei<strong>ch</strong>. Dank<br />
ihrer grossen spezifis<strong>ch</strong>en Oberflä<strong>ch</strong>e eignen si<strong>ch</strong><br />
diese als Adsorptionsmaterial, das organis<strong>ch</strong>e,<br />
20<br />
aber au<strong>ch</strong> anorganis<strong>ch</strong>e Stoffe wie Nitrat effizient<br />
aus dem Wasser entfernen kann. So haben Fors<strong>ch</strong>er<br />
zum Beispiel ein auf Kohlenstoffnanoröhr<strong>ch</strong>en<br />
basierendes Adsorptionsmittel entwickelt,<br />
das Arsen eliminiert. Nanomaterialien eignen<br />
si<strong>ch</strong> überdies als Katalysatoren in der Wasseraufbereitung.<br />
Nanoeisen zur Grundwassersanierung. Zudem können<br />
bestimmte Nanopartikel <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong> mit S<strong>ch</strong>adstoffen<br />
reagieren und diese dadur<strong>ch</strong> zerstören.<br />
Dies ges<strong>ch</strong>ieht, wenn dur<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>lorierte Kohlenwasserstoffe<br />
vers<strong>ch</strong>mutztes Grundwasser mit Nanoeisen<br />
saniert wird. Bei der <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Reaktion<br />
«Die Nanote<strong>ch</strong>nik existierte in der Wasserwirts<strong>ch</strong>aft s<strong>ch</strong>on lange, bevor dieser<br />
Begriff geprägt wurde.» Wouter Pronk, Eawag<br />
mit dem Eisen werden die S<strong>ch</strong>adstoffe zu harmlosen<br />
Substanzen abgebaut. Bisher wurden dazu<br />
normale Eisenspäne verwendet, die in Form einer<br />
dur<strong>ch</strong>lässigen Wand in den Untergrund eingebra<strong>ch</strong>t<br />
werden, damit das Grundwasser sie dur<strong>ch</strong>strömen<br />
kann. Von Eisenpartikeln in Nanogrösse,<br />
die dur<strong>ch</strong> Bohrlö<strong>ch</strong>er ins Grundwasser gepumpt<br />
werden, erwartet man eine höhere Reaktivität<br />
und einen geringeren Aufwand. Damit sie ni<strong>ch</strong>t<br />
an Oberflä<strong>ch</strong>en adsorbieren, werden die Partikel<br />
mit organis<strong>ch</strong>en Stoffen bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet. So bleiben<br />
sie mobil und verteilen si<strong>ch</strong> besser im Grundwasser.<br />
Erste Pilotversu<strong>ch</strong>e haben gezeigt, dass diese<br />
Methode au<strong>ch</strong> unter Praxisbedingungen Erfolg<br />
verspri<strong>ch</strong>t.<br />
Anders als bei den Membranen steckt die Nanote<strong>ch</strong>nik<br />
beim Einsatz von Partikeln im Wasserberei<strong>ch</strong><br />
no<strong>ch</strong> in den Kinders<strong>ch</strong>uhen. Sie verheisst<br />
vieles, do<strong>ch</strong> ist no<strong>ch</strong> wenig über die Risiken bekannt,<br />
wenn Nanopartikel zu irgendeinem Zeitpunkt<br />
in die Umwelt gelangen. Es werde si<strong>ch</strong><br />
no<strong>ch</strong> zeigen müssen, wie umweltverträgli<strong>ch</strong> die<br />
Nanomaterialien zur Wasseraufbereitung seien,<br />
heisst es in der 2009 publizierten Studie «Wasserversorgung<br />
2025», wel<strong>ch</strong>e die Eawag im Auftrag<br />
des <strong>BAFU</strong> verfasst hat.<br />
Zudem kommt die Sanierung von Altlasten<br />
mit Nanoeisen verhältnismässig teuer zu stehen.<br />
«Voraussetzung für den Erfolg sol<strong>ch</strong>er In<br />
situVerfahren ist überdies eine mögli<strong>ch</strong>st gute<br />
Erkundung des Untergrundes», erklärt Bernhard<br />
Hammer, Chef der Sektion Altlasten beim <strong>BAFU</strong>.<br />
«Andernfalls dürfte es s<strong>ch</strong>wierig sein, die Reaktionsmittel<br />
genau dorthin zu bringen, wo si<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> die zu eliminierenden S<strong>ch</strong>adstoffe befinden.»<br />
Hansjakob Baumgartner<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-05<br />
KONTAKTE<br />
Benjamin Meylan (links)<br />
Sektion Grundwassers<strong>ch</strong>utz<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 322 92 56<br />
benjamin.meylan@bafu.<br />
<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
Wouter Pronk<br />
Verfahrenste<strong>ch</strong>nik<br />
Eawag<br />
044 823 53 81<br />
wouter.pronk@eawag.<strong>ch</strong><br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
RISIKEN FÜR DIE UMWELT<br />
No<strong>ch</strong> viele Fragezei<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>on heute sind weltweit über 800 Nanoprodukte auf dem Markt. Während und na<strong>ch</strong> ihrem Gebrau<strong>ch</strong> können sie<br />
Nanopartikel an die Umwelt abgeben, wel<strong>ch</strong>e zumeist in Gewässer gelangen. S<strong>ch</strong>weizer Institute erfors<strong>ch</strong>en deshalb,<br />
ob si<strong>ch</strong> die Verbindungen in Pflanzen und Tieren anrei<strong>ch</strong>ern und was sie dort auslösen.<br />
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Was bewirken Nanoverbindungen in der Umwelt,<br />
wenn etwa Nanosilberteil<strong>ch</strong>en aus Wandersocken<br />
mit ihrer antimikrobiellen Wirkung<br />
beim Was<strong>ch</strong>en im Abwasser landen? Und was<br />
ges<strong>ch</strong>ieht, wenn der s<strong>ch</strong>mutzabweisende Fassadenanstri<strong>ch</strong><br />
aus Titandioxid allmähli<strong>ch</strong> verwittert?<br />
Im Auftrag des <strong>BAFU</strong> ist Bernd Nowack<br />
von der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Materialprüfungs und<br />
Fors<strong>ch</strong>ungsanstalt (Empa) sol<strong>ch</strong>en Fragen na<strong>ch</strong>gegangen.<br />
Die Fa<strong>ch</strong>leute seines Teams modellierten<br />
für fünf Nanopartikel die Stoffflüsse und<br />
bere<strong>ch</strong>neten, wel<strong>ch</strong>e Konzentrationen in Luft,<br />
Wasser, Klärs<strong>ch</strong>lamm, Sedimenten und Böden<br />
verbleiben.<br />
Nanoteil<strong>ch</strong>en im Klärs<strong>ch</strong>lamm oder im<br />
brennbaren Abfall sind weniger bedenkli<strong>ch</strong>, weil<br />
diese Rückstände hierzulande verbrannt und allfällige<br />
Nanopartikel dadur<strong>ch</strong> zerstört oder im<br />
Rau<strong>ch</strong>gasfilter zurückgehalten werden. Heikler<br />
sind Nanoverbindungen, die in Oberflä<strong>ch</strong>engewässer<br />
gelangen. Die EmpaStudie ergab zwar,<br />
dass Silber und Zinkoxid im Wasser relativ ras<strong>ch</strong><br />
mit anderen Stoffen reagieren und dann ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr als Nanopartikel wirken. Dagegen dürfte<br />
si<strong>ch</strong> Nanotitandioxid im Sediment anrei<strong>ch</strong>ern.<br />
«Zu diesem Stoff brau<strong>ch</strong>en wir eine vertiefte Risikostudie.<br />
Denn wie si<strong>ch</strong> die Verbindung in der<br />
Umwelt tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> verhält, hat no<strong>ch</strong> niemand<br />
erfors<strong>ch</strong>t», sagt Bernd Nowack. Ein Teilaspekt<br />
– nämli<strong>ch</strong> die Art der Freisetzung von Nanopartikeln<br />
– soll im europaweiten Projekt «Nanohouse»<br />
untersu<strong>ch</strong>t werden.<br />
Ohnehin sind no<strong>ch</strong> viele Fragen zu ausgewas<strong>ch</strong>enen<br />
Nanopartikeln offen: So wird bei der<br />
industriellen Anwendung die Oberflä<strong>ch</strong>e der<br />
äusserst reaktiven Moleküle bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tet, um ein<br />
Verklumpen zu verhindern. Do<strong>ch</strong> was im Abwasser<br />
mit dieser S<strong>ch</strong>utzs<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t passiert, ist unklar.<br />
Um ihr Aufkommen ni<strong>ch</strong>t nur theoretis<strong>ch</strong><br />
anhand von Stoffflüssen zu bere<strong>ch</strong>nen, sondern<br />
au<strong>ch</strong> in der Biosphäre zu messen, genügt die<br />
heutige Analytik ni<strong>ch</strong>t. «In der Natur haben wir<br />
keine Laborbedingungen», gibt Bernd Nowack zu<br />
bedenken.<br />
Unklare Langzeitfolgen. Den S<strong>ch</strong>ritt vom ausges<strong>ch</strong>wemmten<br />
Partikel ins Lebewesen untersu<strong>ch</strong>t<br />
Kristin S<strong>ch</strong>irmer, Leiterin des Berei<strong>ch</strong>s Umwelttoxikologie<br />
am Wasserfors<strong>ch</strong>ungsInstitut Eawag.<br />
«Nanopartikel können au<strong>ch</strong> dann in Zellen<br />
aufgenommen werden, wenn sie in verklumpter<br />
Form in einem Medium vorliegen», fasst sie<br />
eine erste Erkenntnis zusammen. Bisher war<br />
man der Ansi<strong>ch</strong>t, sol<strong>ch</strong>e Partikelanhäufungen<br />
verblieben im Wasser und seien somit eher<br />
unbedenkli<strong>ch</strong>. Kristin S<strong>ch</strong>irmer ging au<strong>ch</strong> der<br />
Frage na<strong>ch</strong>, was mit Partikeln in Zellen von<br />
Mens<strong>ch</strong>en oder von Wirbeltieren wie Fis<strong>ch</strong>en<br />
weiter ges<strong>ch</strong>ieht. «Im Zellkern selbst konnten<br />
wir sie no<strong>ch</strong> nie na<strong>ch</strong>weisen», lautet die vorsi<strong>ch</strong>tige<br />
und vorläufige Bilanz. Es könne aber<br />
sein, dass es nur wenige der winzigen Teil<strong>ch</strong>en<br />
bis in den Zellkern s<strong>ch</strong>afften, die man bisher<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t erfassen konnte. Würden hier Nanopartikel<br />
entdeckt, wäre dies ein s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter Befund:<br />
Aufgrund ihrer grossen Oberflä<strong>ch</strong>e und<br />
je na<strong>ch</strong> Bes<strong>ch</strong>affenheit produzieren die Partikel<br />
zum Beispiel reaktive Moleküle. Diese Radikale<br />
könnten dur<strong>ch</strong> die Nähe zur DNA als Trägerin<br />
der Erbinforma tionen das Erbgut s<strong>ch</strong>ädigen<br />
und im s<strong>ch</strong>limmsten Fall zu Krebs führen.<br />
«Do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> als unreaktiv geltende Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />
und sol<strong>ch</strong>e, die si<strong>ch</strong> ausserhalb des Zellkerns<br />
ansiedeln, müssen ni<strong>ch</strong>t harmlos sein»,<br />
sagt der Chemiker Ernst Furrer von der Sektion<br />
Industrie<strong>ch</strong>emikalien beim <strong>BAFU</strong>. «So stellt si<strong>ch</strong><br />
etwa die Frage, ob sie besonders lange im Organismus<br />
verbleiben und zu <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en Entzündungen<br />
führen können.» Wie Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
der Eawag zeigen, gelangen die Partikel ins<br />
sogenannte Lysosom, wo Enzyme Abfallstoffe<br />
abbauen. Es ist denkbar, dass die Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />
21
– mit unklaren Langzeitfolgen für die Zelle – in<br />
dieser «Müllhalde» verbleiben. Mögli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>eint<br />
aber au<strong>ch</strong>, dass sie nahe an die Zelloberflä<strong>ch</strong>e ges<strong>ch</strong>wemmt,<br />
ausges<strong>ch</strong>ieden und so aus dem Organismus<br />
entfernt werden.<br />
Gefahr der Akkumulation. Ein zweiter Fors<strong>ch</strong>ungss<strong>ch</strong>werpunkt<br />
der EawagUmwelttoxikologie betrifft<br />
den Einfluss von Silbernanopartikeln auf<br />
Algen. Bekannt ist, dass Silberionen, die si<strong>ch</strong><br />
von Nanoteil<strong>ch</strong>en ablösen können, die Fotosynthese<br />
der Algen hemmen. Wie Versu<strong>ch</strong>e zeigen,<br />
stören aber au<strong>ch</strong> die Nanoteil<strong>ch</strong>en selbst die<br />
pflanz li<strong>ch</strong>e Energiezufuhr. «Nanopartikel wirken<br />
dabei toxis<strong>ch</strong>er als reine Silberionen», bilanziert<br />
Kristin S<strong>ch</strong>irmer. Eine mögli<strong>ch</strong>e Erklärung sei,<br />
dass sie von den Algen aufgenommen werden,<br />
dort ein Silberdepot bilden und dann kontinuierli<strong>ch</strong><br />
giftige Ionen abgeben.<br />
Nanopartikel tau<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t in Stossbelastungen<br />
auf, sondern werden einigermassen glei<strong>ch</strong>mässig<br />
ins Abwasser eingetragen. Für Pflanzen<br />
und Tiere steigt damit das Risiko einer Anrei<strong>ch</strong>erung.<br />
Denkbar ist dies etwa für unpolare, also<br />
fettlösli<strong>ch</strong>e Nanopartikel, die si<strong>ch</strong> in tieris<strong>ch</strong>em<br />
Fett akkumulieren könnten. Allerdings gibt es<br />
dazu no<strong>ch</strong> keine Untersu<strong>ch</strong>ungen. Au<strong>ch</strong> wenn<br />
si<strong>ch</strong> Nanoverbindungen in Berei<strong>ch</strong>en der Zelle<br />
wie den Lysosomen ansammeln und weder ausges<strong>ch</strong>ieden<br />
no<strong>ch</strong> abgebaut werden, kommt es zu<br />
einer Anrei<strong>ch</strong>erung. Anhand von Algen und von<br />
Wasserflöhen als deren Fressfeinde untersu<strong>ch</strong>t<br />
die Eawag derzeit, ob diese beiden Formen der<br />
Akkumulation zu einer Konzentration von Nanopartikeln<br />
in der Nahrungskette führen.<br />
Zusammenarbeit auf OECD-Ebene. Bisher haben die<br />
Umwelttoxikologen der Eawag mit Silber, Gold<br />
und WolframkarbidKobaltNanopartikeln gearbeitet;<br />
neuerdings kommen nun no<strong>ch</strong> Cerium<br />
Partikel dazu. Diese Verbindungen spielen zum<br />
Beispiel in der Textilindustrie, im Werkzeugbau<br />
und bei der Entwicklung von Katalysatoren eine<br />
wi<strong>ch</strong>tige Rolle. Do<strong>ch</strong> die Wissens<strong>ch</strong>aft läuft mit<br />
der wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Entwicklung um die Wette.<br />
«Ob wir für die Umweltrisikobewertung wirkli<strong>ch</strong><br />
die wi<strong>ch</strong>tigsten Stoffe untersu<strong>ch</strong>en, lässt si<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t mit Bestimmtheit sagen, da wir nur einen<br />
Teil des Nanomarktes kennen», räumt Kristin<br />
S<strong>ch</strong>irmer ein. Sie fände es sinnvoll, wenn Hersteller<br />
s<strong>ch</strong>on bei der Nanoentwicklung gemeinsam<br />
mit Fors<strong>ch</strong>ungsinstituten die Risikoproblema<br />
22<br />
tik klärten. «Aber so weit sind wir leider no<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t.» Ziel der EawagUntersu<strong>ch</strong>ungen ist die<br />
Ableitung von allgemeinen Regeln über Nanostrukturen<br />
und ihre Umweltrisiken.<br />
Alle neuen Nanoverbindungen lassen si<strong>ch</strong><br />
unmögli<strong>ch</strong> einer vollständigen Risikobewertung<br />
unterziehen. In einem Projekt der Organisation<br />
für wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung (OECD) beteiligt si<strong>ch</strong> die Eawag<br />
deshalb an umwelttoxikologis<strong>ch</strong>en Tests der<br />
wi<strong>ch</strong>tigsten heute genutzten Nanopartikel. Diese<br />
dienen der Festlegung einheitli<strong>ch</strong>er Testmethoden<br />
für Nanomaterialien.<br />
Ziel der Eawag-Untersu<strong>ch</strong>ungen ist die Ableitung von allgemeinen Regeln<br />
über Nanostrukturen und ihre Umweltrisiken.<br />
Vorderhand fehlen spezifis<strong>ch</strong>e Vors<strong>ch</strong>riften –<br />
es gelten die im s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Umwelts<strong>ch</strong>utzgesetz<br />
festges<strong>ch</strong>riebene Sorgfaltspfli<strong>ch</strong>t, die<br />
Selbstkontrolle vor dem Inverkehrbringen von<br />
Nanomaterialien sowie die Vorgaben im Si<strong>ch</strong>erheitsdatenblatt.<br />
Der Industrie will die Fors<strong>ch</strong>ung<br />
zudem Hinweise geben, wie sie Nanoprodukte<br />
si<strong>ch</strong>erer gestalten kann und auf wel<strong>ch</strong>e Stoffe<br />
sie besser verzi<strong>ch</strong>tet. «Eine solide Verankerung<br />
der Partikel in einer Stoffmatrix kann etwa dazu<br />
beitragen, die Auswas<strong>ch</strong>ung der Partikel zu minimieren»,<br />
stellt Kristin S<strong>ch</strong>irmer fest.<br />
Rasante te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e Entwicklung. Wie fliessen<br />
nun die Erkenntnisse in Gesetze und Verordnungen<br />
ein? Im Auftrag des <strong>BAFU</strong> hat die Empa<br />
weltweit erstmals Bere<strong>ch</strong>nungen dazu gema<strong>ch</strong>t,<br />
in wel<strong>ch</strong>en Konzentrationen Nanopartikel in<br />
der Umwelt ein Problem darstellen könnten. Basis<br />
bilden ökotoxikologis<strong>ch</strong>e Studien, wobei der<br />
tiefste als unbedenkli<strong>ch</strong> geltende Wert um den<br />
Si<strong>ch</strong>erheitsfaktor 1000 heruntergestuft wurde.<br />
Bernd Nowack von der Empa begründet diese<br />
Vorsi<strong>ch</strong>t unter anderem mit Datenlücken bei den<br />
physikalis<strong>ch</strong> neu strukturierten Stoffen. Je mehr<br />
Nanoverbindungen in Umlauf kommen, desto<br />
wi<strong>ch</strong>tiger wird die Fors<strong>ch</strong>ung. Vor allem aber<br />
wollen die S<strong>ch</strong>weizer Fors<strong>ch</strong>ungsanstalten der<br />
einzigartigen Dynamik der neuen Te<strong>ch</strong>nologie<br />
Re<strong>ch</strong>nung tragen, betont der Fa<strong>ch</strong>mann: «Es ist<br />
unsere Aufgabe, das bisher Geleistete kontinuierli<strong>ch</strong><br />
zu überprüfen und mit Erkenntnissen aus<br />
dem Ausland abzuglei<strong>ch</strong>en.»<br />
Pieter Poldervaart<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-06<br />
KONTAKTE<br />
Mi<strong>ch</strong>ael S<strong>ch</strong>ärer (links)<br />
Sektion Oberflä<strong>ch</strong>engewässer-Qualität,<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 324 79 43<br />
mi<strong>ch</strong>ael.s<strong>ch</strong>aerer@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
Ernst Furrer<br />
Sektion Industrie<strong>ch</strong>emikalien<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 325 38 10<br />
ernst.furrer@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Nanopartikel gelangen vor allem dur<strong>ch</strong> diffuse Einträge in die Umwelt – insbesondere<br />
in Oberflä<strong>ch</strong>engewässer. Wie sie si<strong>ch</strong> langfristig auf Wasserlebewesen wie<br />
Fis<strong>ch</strong>e auswirken, ist heute no<strong>ch</strong> weitgehend unbekannt. Darstellung der Thematik<br />
aus Si<strong>ch</strong>t des Zür<strong>ch</strong>er Illustrators Lorenz Meier.<br />
23
RISIKEN FÜR DIE GESUNDHEIT<br />
Nanopartikel dringen<br />
au<strong>ch</strong> ins Gehirn vor<br />
Synthetis<strong>ch</strong>e Nanopartikel können Gewebe und Zellen dur<strong>ch</strong>dringen und si<strong>ch</strong> im ganzen Körper<br />
ausbreiten – sogar im Gehirn. Professor Peter Gehr von der Universität Bern – ein international<br />
renommierter Gewebespezialist – ist erstaunt darüber, dass man die mögli<strong>ch</strong>en Gesundheitsrisiken<br />
ausserhalb der Wissens<strong>ch</strong>aft und Verwaltung kaum zur Kenntnis nimmt.<br />
24<br />
Bild: Stefan Bohrer<br />
Peter Gehr ist Professor für Histologie – die Lehre von<br />
den Geweben – und Anatomie an der Universität Bern. Er<br />
hat si<strong>ch</strong> als Fors<strong>ch</strong>er international einen Namen gema<strong>ch</strong>t,<br />
so unter anderem mit seinen Arbeiten zum Verhalten von<br />
Nanopartikeln in der Lunge und zur Interaktion mit Zellen.<br />
Peter Gehr leitet das Nationale Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm<br />
NFP 64 zu «Chancen und Risiken von Nanomaterialien»<br />
des S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Nationalfonds. Die Arbeiten dazu<br />
werden im Dezember <strong>2010</strong> anlaufen.<br />
umwelt: Ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weizer Bevölkerung<br />
Sorgen um die gesundheitli<strong>ch</strong>en Auswirkungen von<br />
Nanopartikeln?<br />
Peter Gehr: Nein, denn entweder haben die Leute<br />
gar keine Ahnung, worum es dabei geht, oder sie<br />
sehen kein Problem darin. Die mögli<strong>ch</strong>en Gefahren<br />
sind au<strong>ch</strong> in der Politik kaum ein Thema.<br />
Weshalb diese Unbekümmertheit?<br />
Die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> und mit entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Verfahren hergestellte Nanopartikel faszinieren<br />
und haben au<strong>ch</strong> bereits positive Anwendungen<br />
wie zum Beispiel neue Werkstoffe hervorgebra<strong>ch</strong>t.<br />
So lassen si<strong>ch</strong> etwa mit Nanoröhr<strong>ch</strong>en<br />
aus Kohlenstoff sehr robuste und extrem lei<strong>ch</strong>te<br />
Materialien herstellen. Damit wiegt ein Velorahmen<br />
einige Kilo weniger.<br />
Andererseits gibt es au<strong>ch</strong> alarmierende Meldungen, so<br />
etwa über <strong>ch</strong>inesis<strong>ch</strong>e Arbeiterinnen, die wegen hoher<br />
Konzentrationen von Nanopartikeln am Arbeitsplatz an<br />
s<strong>ch</strong>weren Lungenbes<strong>ch</strong>werden leiden sollen.<br />
Inzwis<strong>ch</strong>en hat si<strong>ch</strong> gezeigt, dass die entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Studie s<strong>ch</strong>werwiegende Mängel aufweist.<br />
Als die Medien das Thema im Dezember 2009<br />
aufgriffen, da<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> allerdings, nun würde die<br />
Stimmung kippen. I<strong>ch</strong> ging davon aus, dass wir<br />
Nanofors<strong>ch</strong>er uns re<strong>ch</strong>tfertigen müssen, weil<br />
si<strong>ch</strong> die Leute ernsthafte Sorgen ma<strong>ch</strong>en. Do<strong>ch</strong><br />
die Zeitungsartikel lösten keine grössere Debatte<br />
aus, und das Thema war innert Tagen versandet.<br />
Die Leute reagieren im Moment einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
auf die allenfalls bedenkli<strong>ch</strong>en Seiten der künstli<strong>ch</strong>en<br />
Nanopartikel.<br />
Halten Sie denn als Fors<strong>ch</strong>er zu stark mit Ihren<br />
Bedenken zurück?<br />
Nein, im Gegenteil. I<strong>ch</strong> erkläre überall, wo die<br />
Gefahr liegt – in Gesprä<strong>ch</strong>en mit Politikerinnen<br />
und Politikern, bei öffentli<strong>ch</strong>en Vorträgen und<br />
an Podiumsdiskussionen: Wenn Nanopartikel<br />
ni<strong>ch</strong>t fest in irgendeinem Material eingebunden<br />
sind, besteht ein Risiko, dass wir sie einatmen.<br />
Dann können sie über die Lunge ins Blut gelangen<br />
und si<strong>ch</strong> im ganzen Organismus verteilen.<br />
No<strong>ch</strong> wissen wir ni<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e Folgen das für<br />
die Gesundheit hat. Aber allein die Tatsa<strong>ch</strong>e,<br />
dass Partikel in unseren Körper eindringen, ist<br />
problematis<strong>ch</strong>. Ausserhalb der Wissens<strong>ch</strong>aft und<br />
Verwaltung wird dies jedo<strong>ch</strong> offenbar kaum zur<br />
Kenntnis genommen.<br />
Laien sind wohl au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> die widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />
Beurteilung der Chancen und Risiken dieser Te<strong>ch</strong>nologie<br />
verunsi<strong>ch</strong>ert.<br />
Seit gut einem Jahr bin au<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> enorm verunsi<strong>ch</strong>ert.<br />
In Tierversu<strong>ch</strong>en lässt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>weisen,<br />
dass Nanopartikel Gewebe und Zellen<br />
dur<strong>ch</strong>dringen und si<strong>ch</strong> via Blut im ganzen<br />
Körper ausbreiten können – sogar im Hirn. Allerdings<br />
wissen wir no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, wie dies genau<br />
ges<strong>ch</strong>ieht. Unter Fors<strong>ch</strong>ern wird seit Kurzem<br />
darüber gespro<strong>ch</strong>en, dass Nanopartikel, die mit<br />
unserem Organismus in Kontakt kommen, von<br />
einer Proteins<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t überzogen werden. Das<br />
ges<strong>ch</strong>ieht spätestens dann, wenn sie auf den<br />
oberflä<strong>ch</strong>enaktiven Film gelangen, der die ganze<br />
innere Lungenoberflä<strong>ch</strong>e überzieht. Über dieses<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Nanopartikel können Gewebe und Zellen dur<strong>ch</strong>dringen und si<strong>ch</strong> via Blut im ganzen<br />
Körper ausbreiten. Die mit dem Rasterlasermikroskop am Institut für Anatomie<br />
der Universität Bern realisierte Grossaufnahme von roten Blutzellen zeigt grüne<br />
Nanopartikel, wel<strong>ch</strong>e in diese Zellen eingedrungen sind.<br />
Bild: Barbara Rothen-Rutishauser, Institut für Anatomie, Universität Bern<br />
25
sogenannte Coating der Partikel wissen wir no<strong>ch</strong><br />
sehr wenig. So ist unklar, wie es genau vor si<strong>ch</strong><br />
geht, ob der Proteinmantel beim Eindringen in<br />
die Zellen verändert wird und wel<strong>ch</strong>e Bedeutung<br />
dies für das Funktionieren der Zellen hat. Hier<br />
liegt für mi<strong>ch</strong> die grösste Unsi<strong>ch</strong>erheit bezügli<strong>ch</strong><br />
der gesundheitli<strong>ch</strong>en Risiken beim Umgang mit<br />
Nanopartikeln.<br />
Was sagen Sie zu Studien, die nahelegen, Nanoröhr<strong>ch</strong>en<br />
aus Kohlenstoff seien so gefährli<strong>ch</strong> wie Asbest?<br />
Von Asbestfasern ist bekannt, dass sie an der äusseren<br />
Lungenoberflä<strong>ch</strong>e zu krebsartigen Verände<br />
rungen führen können. Es gab nun Tierversu<strong>ch</strong>e<br />
mit synthetis<strong>ch</strong>en Kohlenstoffröhr<strong>ch</strong>en, die von<br />
ihren Dimensionen her ähnli<strong>ch</strong> strukturiert sind.<br />
Bei Experimenten in der Bau<strong>ch</strong>höhle von Mäusen<br />
kam es dur<strong>ch</strong> die eingeführten Partikel tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
zu ges<strong>ch</strong>wulstartigen Vergrösserungen, die<br />
als Krebsvorläufer gelten. Hingegen bewirkten<br />
Kohlenstoffröhr<strong>ch</strong>en, deren Form und Grösse<br />
ni<strong>ch</strong>t mit Asbestfasern zu verglei<strong>ch</strong>en sind, keine<br />
sol<strong>ch</strong>en Veränderungen.<br />
Ist dieses Ergebnis beruhigend oder besteht Anlass<br />
zur Sorge?<br />
I<strong>ch</strong> habe gegenüber Nanoröhr<strong>ch</strong>en aus Kohlenstoff<br />
grundsätzli<strong>ch</strong>e Bedenken – und zwar unabhängig<br />
von ihrer Form. Die Vorstellung, nano<br />
oder mikrometergrosse Röhr<strong>ch</strong>en einatmen zu<br />
müssen, ma<strong>ch</strong>t mir Angst. Von sol<strong>ch</strong>en Szenarien<br />
sind wir übrigens gar ni<strong>ch</strong>t so weit entfernt. An einem<br />
<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>Kongress in Japan hat man<br />
kürzli<strong>ch</strong> Pneus vorgestellt, denen Nanoröhr<strong>ch</strong>en<br />
aus Kohlenstoff eine erhöhte Widerstandsfähigkeit<br />
verleihen sollen. Angenommen, alle Autos wären<br />
mit sol<strong>ch</strong>en Reifen unterwegs, hätten wir tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
ein Problem. Der Gummi und die darin einges<strong>ch</strong>lossenen<br />
Nanopartikel werden abgerieben,<br />
verwittern und die Kohlenstoffröhr<strong>ch</strong>en gelangen<br />
in die Luft. So unrealistis<strong>ch</strong> ist diese Vorstellung<br />
ni<strong>ch</strong>t.<br />
Bereits heute ist unsere Atemluft ja mit Feinstaub<br />
belastet. Wirken si<strong>ch</strong> diese Partikel anders auf unsere<br />
Gesundheit aus als industriell hergestellte Nanopartikel?<br />
Nein, denn das Hauptproblem beim Eindringen<br />
von festen Partikeln in unseren Organismus ist<br />
ihre Grösse. Sie ist viel wi<strong>ch</strong>tiger als die Form<br />
oder Art des Materials, aus dem sie hergestellt<br />
sind, wie wir an unserem Institut na<strong>ch</strong>weisen<br />
konnten. Sogenannte PM10Partikel, die viele Na<br />
26<br />
noteil<strong>ch</strong>en enthalten, unterliegen beim Einatmen<br />
alle demselben physikalis<strong>ch</strong>en Me<strong>ch</strong>anismus. Sie<br />
werden benetzt und dann in die Tiefe gegen das<br />
Lungengewebe vers<strong>ch</strong>oben.<br />
Ist Feinstaub diesbezügli<strong>ch</strong> also glei<strong>ch</strong> gefährli<strong>ch</strong> wie<br />
künstli<strong>ch</strong>e Nanopartikel?<br />
Das ist praktis<strong>ch</strong> dasselbe!<br />
Wie problematis<strong>ch</strong> ist der Na<strong>ch</strong>weis von Nanopartikeln<br />
im Gehirn?<br />
Wir konnten in meinem Labor mithilfe von modernsten<br />
Mikroskopen zeigen, dass Nanopartikel<br />
«I<strong>ch</strong> habe gegenüber Nanoröhr<strong>ch</strong>en aus Kohlenstoff grundsätzli<strong>ch</strong>e Bedenken –<br />
und zwar unabhängig von ihrer Form.» Peter Gehr, Universität Bern<br />
in der Lunge die LuftBlutS<strong>ch</strong>ranke überwinden.<br />
Analog dazu können sie über die BlutHirn<br />
S<strong>ch</strong>ranke au<strong>ch</strong> ins Gehirngewebe gelangen, wie<br />
Fors<strong>ch</strong>erkollegen in Tierversu<strong>ch</strong>en anhand von<br />
radioaktiven Substanzen na<strong>ch</strong>gewiesen haben. Es<br />
handelt si<strong>ch</strong> dabei zwar um vers<strong>ch</strong>windend kleine<br />
Mengen, aber das sind do<strong>ch</strong> Abertausende von<br />
Nanopartikeln, die auf diesem Weg ins Gehirn<br />
vordringen.<br />
Könnte dies zu S<strong>ch</strong>ädigungen führen?<br />
I<strong>ch</strong> kenne die Arbeit einer Kollegin, die in Mexiko<br />
City aufgewa<strong>ch</strong>sen ist und dann in den führenden<br />
Zentren für Umweltfors<strong>ch</strong>ung in den USA<br />
gearbeitet hat. Sie hat Gehirne von Mens<strong>ch</strong>en untersu<strong>ch</strong>t,<br />
die an Alzheimer gestorben sind. Diese<br />
vergli<strong>ch</strong> sie mit dem Hirngewebe eines jungen<br />
Mannes, der sein Leben lang an einer di<strong>ch</strong>t befahrenen<br />
Strasse in Mexiko City gewohnt hatte und<br />
dann bei einem Unfall ums Leben kam. I<strong>ch</strong> werde<br />
die verblüffenden Parallelen dieser Hirnaufnahmen<br />
nie mehr vergessen. In beiden Fällen zeigten<br />
si<strong>ch</strong> dieselben entzündli<strong>ch</strong>en Veränderungen des<br />
Hirns – sogenannte BetaAmyloidPlatten –, die<br />
als Vorstufe von Alzheimer gelten. Sehr zugespitzt<br />
könnte man daraus folgern, die Luftvers<strong>ch</strong>mutzung<br />
führe zu Alzheimer.<br />
Steht das fest?<br />
Nein, für den Moment sind das Hypothesen. Aber<br />
es stellen si<strong>ch</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Fors<strong>ch</strong>er<br />
die Frage, ob die Umweltvers<strong>ch</strong>mutzung ni<strong>ch</strong>t<br />
eine Ursa<strong>ch</strong>e von Alzheimer sein könnte. Wäre<br />
dies der Fall, dann mit grösster Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit<br />
dur<strong>ch</strong> die Inhalation von Partikeln, die ins<br />
Blut gelangt sind und die BlutHirnS<strong>ch</strong>ranke<br />
überwunden haben.<br />
Interview: Kaspar Meuli<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-07<br />
KONTAKT<br />
Peter Straehl<br />
Sektion Luftqualität<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 322 99 84<br />
peter.straehl@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
SCHUTZMASSNAHMEN AM ARBEITSPLATZ<br />
Arbeitssi<strong>ch</strong>erheit<br />
ist das A und O<br />
Die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> lockt Unternehmen mit einem riesigen Marktpotenzial. Do<strong>ch</strong> die Fertigung<br />
und Verarbeitung der extrem kleinteiligen Nanomaterialien ist heikel. Bei der Firma Bühler<br />
Partec in Uzwil (SG), die seit 2007 Nanopartikel produziert, hat die Arbeitssi<strong>ch</strong>erheit deshalb<br />
hö<strong>ch</strong>ste Priorität.<br />
Die von HansHenning Homann in einem kleinen<br />
Fläs<strong>ch</strong><strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>wenkte Flüssigkeit sieht<br />
aus wie gerührte Hefe. «So liefern wir unsere<br />
Fertigprodukte den Kunden aus», sagt der Leiter<br />
der Nanoproduktion beim Te<strong>ch</strong>nologiekonzern<br />
Bühler Partec in Uzwil (SG). Do<strong>ch</strong> die zähflüssige<br />
Dispersion wäre zum Backen denkbar<br />
ungeeignet. Es handelt si<strong>ch</strong> um Oxilink, eine<br />
Eigenentwicklung der Firma. «Hier drin s<strong>ch</strong>weben<br />
die kleinsten Teil<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong><br />
mahlen lassen.» Sie sind 10 000mal kleiner<br />
als das Ausgangsprodukt – die wenige Tausendstel<br />
Meter dicken Körn<strong>ch</strong>en des mehlähnli<strong>ch</strong>en<br />
Pulvers Zinkoxid.<br />
Das Material bietet einen hervorragenden<br />
S<strong>ch</strong>utz vor UVStrahlung und lässt si<strong>ch</strong> vielseitig<br />
einsetzen, wenn es mögli<strong>ch</strong>st feinkörnig<br />
zur Verfügung steht. Dazu dürfen die Teil<strong>ch</strong>en<br />
ni<strong>ch</strong>t grösser sein als einige Milliardstel Meter<br />
oder eben Nanometer. Dann sind sie unsi<strong>ch</strong>tbar<br />
und können etwa Sonnens<strong>ch</strong>utzmitteln, Farblacken<br />
oder au<strong>ch</strong> Kunststofffolien für die Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />
beigemis<strong>ch</strong>t werden, ohne dass man<br />
etwas davon sieht. Der Effekt ist verblüffend. In<br />
destilliertem Wasser mit Nanoteil<strong>ch</strong>en bleibt ein<br />
Laserstrahl si<strong>ch</strong>tbar, weil die kleinen Teile dessen<br />
Li<strong>ch</strong>t reflektieren. Das ma<strong>ch</strong>t die <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
für eine breite Palette von Anwendungen<br />
attraktiv.<br />
No<strong>ch</strong> wenig si<strong>ch</strong>ere Erkenntnisse. Do<strong>ch</strong> die Winzigkeit<br />
der Teil<strong>ch</strong>en ist glei<strong>ch</strong>zeitig au<strong>ch</strong> ihre Crux.<br />
Wie wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ungen zeigen,<br />
können in der Luft s<strong>ch</strong>webende Nanopartikel<br />
über die Atemwege bis in die feinsten Verästelungen<br />
der Lunge vordringen und von dort au<strong>ch</strong><br />
in den Blutkreislauf gelangen. Vor allem am Arbeitsplatz<br />
sind S<strong>ch</strong>utzmassnahmen deshalb unerlässli<strong>ch</strong>.<br />
Do<strong>ch</strong> die rasante te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e Ent<br />
wicklung der vergangenen Jahre bedeutet für die<br />
Gesundheits und Umweltbehörden eine grosse<br />
Herausforderung. Bislang gibt es keine eins<strong>ch</strong>lägigen<br />
Bestimmungen zur Si<strong>ch</strong>erheit an Arbeitsplätzen,<br />
wo mit Nanoteil<strong>ch</strong>en gearbeitet wird.<br />
Ein Hauptgrund dafür ist, dass au<strong>ch</strong> die entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Risikofors<strong>ch</strong>ung no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t über<br />
gesi<strong>ch</strong>erte Erkenntnisse verfügt. Erst kürzli<strong>ch</strong><br />
konnte eine Studie immerhin die Befür<strong>ch</strong>tung<br />
widerlegen, Nanopartikel würden über die Haut<br />
aufgenommen und dann bis ins Hirn transportiert.<br />
Für HansHenning Homann ist der Stand<br />
des Wissens das Mass aller Dinge in der Fertigung.<br />
«No<strong>ch</strong> vor drei Jahren, als wir hier die Produktion<br />
gestartet haben, lag die Zahl der Veröffentli<strong>ch</strong>ungen<br />
bei 300 – heute sind es über 600.<br />
Dies zeigt das grosse Interesse an gesi<strong>ch</strong>erten<br />
Erkenntnissen.»<br />
Produktion na<strong>ch</strong> Rezept. Für den BühlerKonzern<br />
mit einem Jahresumsatz von 1,7 Milliarden<br />
Franken hat die Bühler Partec – bei jährli<strong>ch</strong>en<br />
Einnahmen von 1 Million Franken – vorläufig<br />
no<strong>ch</strong> eine geringe Bedeutung. Aber das wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Potenzial ist riesig, und die Konkurrenz<br />
bleibt vorerst übers<strong>ch</strong>aubar. Dies sei au<strong>ch</strong><br />
der Grund gewesen, die bisherige Firmenphilosophie<br />
zu ergänzen und selbst ein Produkt zu<br />
vermarkten, wo do<strong>ch</strong> sonst auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> Anlagen<br />
gebaut, aber ni<strong>ch</strong>t selber betrieben würden,<br />
erklärt Pressespre<strong>ch</strong>erin Corina Atzli.<br />
Das te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Prinzip ist dasselbe wie beim<br />
Mahlen von Kakaobohnen oder Getreidekörnern.<br />
Es ist kaum zu glauben: Die Nanoteil<strong>ch</strong>en sind<br />
das Ergebnis eines stundenlangen Zerreibens in<br />
einer mit ultraharten Kugeln gespickten Rührwerksmühle.<br />
«Feiner geht es ni<strong>ch</strong>t mehr», sagt<br />
Homann. «Wir sind nahe an den Atomen.» Der<br />
Herstellungsprozess dieser zähflüssigen Disper<br />
27
Der Te<strong>ch</strong>nologiekonzern Bühler Partec in<br />
Uzwil (SG) mahlt handelsübli<strong>ch</strong>e Rohstoffe<br />
wie Zinkoxid zu Nanopulver, das<br />
als Ausgangsstoff für die Herstellung von<br />
Nanodispersionen verwendet wird. Zu<br />
ihrem S<strong>ch</strong>utz tragen die Bes<strong>ch</strong>äftigten für<br />
einzelne Arbeitss<strong>ch</strong>ritte eine Staubmaske<br />
sowie S<strong>ch</strong>utzbrille und Überkleid.<br />
Alle Bilder: Stefan Bohrer<br />
28<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Hands<strong>ch</strong>uhe s<strong>ch</strong>ützen die Bes<strong>ch</strong>äftigten bei Bühler Partec vor der stark aus-<br />
trocknenden Wirkung der zu mahlenden Pulver. Die in ges<strong>ch</strong>lossenen<br />
Systemen gefertigten Nanoprodukte werden grundsätzli<strong>ch</strong> nur als Dispersionen<br />
(links) und ni<strong>ch</strong>t in Pulverform vertrieben. Für die Probenahme an<br />
der Rührwerkskugelmühle genügen Hands<strong>ch</strong>uhe, S<strong>ch</strong>utzbrille, Überkleid<br />
und Si<strong>ch</strong>erheitss<strong>ch</strong>uhe als Arbeitss<strong>ch</strong>utz.<br />
29
sion wird auf einem mehrseitigen Dokument<br />
Arbeitss<strong>ch</strong>ritt für Arbeitss<strong>ch</strong>ritt ausführli<strong>ch</strong> erläutert.<br />
Dem Me<strong>ch</strong>aniker Hansueli Näf, einem<br />
von zwei Mitarbeitern in der Produktion, bleibt<br />
dabei wenig Spielraum. Die Mengen sind ebenso<br />
minutiös einzuhalten wie die Zeiten. Rund ein<br />
Tag vergeht, bis aus dem in Säcken angelieferten<br />
Rohmaterial die beigefarbene Dispersion entsteht.<br />
Sie ist wesentli<strong>ch</strong> unproblematis<strong>ch</strong>er in<br />
der Handhabung als ein Pulver. Und die Kunden<br />
können die Flüssigkeit einfa<strong>ch</strong> in der benötigten<br />
Menge ihrem Produkt beimis<strong>ch</strong>en. Bei einer<br />
Produktionskapazität von rund 300 Kilo pro Tag<br />
errei<strong>ch</strong>t der Jahresausstoss etwa 100 Tonnen.<br />
Verglei<strong>ch</strong>bar mit einem Chemiebetrieb. Die Arbeitssi<strong>ch</strong>erheit<br />
ist für HansHenning Homann bei jedem<br />
Handgriff das A und O. Dies beginnt s<strong>ch</strong>on<br />
bei der Einri<strong>ch</strong>tung. Mit ihrem weissen Anstri<strong>ch</strong><br />
und den Oberli<strong>ch</strong>tern strahlt die Produktionshalle<br />
Nü<strong>ch</strong>ternheit aus. Unbeaufsi<strong>ch</strong>tigt gelangen<br />
weder Mens<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> Material hinein oder<br />
hinaus. Wer hier indes extreme S<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />
erwartet, sieht si<strong>ch</strong> getäus<strong>ch</strong>t. «Im Wesentli<strong>ch</strong>en<br />
gelten ähnli<strong>ch</strong>e Regeln wie in einem<br />
Chemiebetrieb», sagt Homann, der jahrelang für<br />
ein grosses Basler Chemieunternehmen gearbeitet<br />
hat. Die Bes<strong>ch</strong>äftigten tragen Spezials<strong>ch</strong>uhe,<br />
Arbeitsjacken, S<strong>ch</strong>utzbrillen und – wenn sie mit<br />
Nanomaterialien in Berührung kommen könnten<br />
– au<strong>ch</strong> LatexHands<strong>ch</strong>uhe. Am heikelsten ist<br />
das Einfüllen des Rohmaterials in die Mühle.<br />
Dann zieht si<strong>ch</strong> Hansueli Näf einen Overall über<br />
und trägt eine Atemmaske. Ein eigens entwickeltes<br />
Prüfgerät kann dabei die Partikel belastung<br />
vor Ort messen. «Wir liegen um einen Faktor<br />
70 unter den Empfehlungen der eins<strong>ch</strong>lägigen<br />
internationalen Norm», sagt HansHenning<br />
Homann. Und wie wird die Umwelt ges<strong>ch</strong>ützt?<br />
«Abwässer gelangen in das hausinterne Kanalisationssystem<br />
und werden in zwei Stufen geprüft<br />
und gereinigt.» Alles, was Nanoteil<strong>ch</strong>en enthalten<br />
könne, lagere man zudem in Si<strong>ch</strong>erheitsbehältern,<br />
die als Sondermüll entsorgt würden.<br />
Zertifiziertes Risikomanagement. Grundlage dieser<br />
Massnahmen bildet das zertifizierte Risikomanagementsystem<br />
von Bühler Partec. Dabei<br />
gelangt erstmals das System «Cenarios» zur Anwendung.<br />
Es ist – in Zusammenarbeit mit der<br />
deuts<strong>ch</strong>en Dienstleistungsfirma TÜV Süd und<br />
dem Beratungsunternehmen Innovationsge<br />
30<br />
sells<strong>ch</strong>aft St. Gallen – speziell für in der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
tätige Betriebe entwickelt worden.<br />
Zum System gehört au<strong>ch</strong> ein standardisierter<br />
Anforderungskatalog für die Zertifizierung. Als<br />
weltweit erstes Unternehmen hat Bühler Partec<br />
das eigene Risikomanagement na<strong>ch</strong> diesen Anforderungen<br />
im Jahr 2007 vom TÜV Süd prüfen<br />
und zertifizieren lassen. Inzwis<strong>ch</strong>en sind im<br />
Rhythmus von einigen Monaten mehrere Na<strong>ch</strong>prüfungen<br />
erfolgt. Heute sei dieses Verfahren so<br />
ausgereift, dass si<strong>ch</strong> eine Neuprüfung nur no<strong>ch</strong><br />
alle drei Jahre aufdränge, sagt HansHenning<br />
Homann. Neben der ständigen Auswertung wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er<br />
Erkenntnisse werden laufend<br />
sämtli<strong>ch</strong>e Produkte und Prozesse kontrolliert.<br />
Für jedes Produkt erfolgt zudem eine Risikoprüfung.<br />
Urs Fitze<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-08<br />
Alles, was Nanoteil<strong>ch</strong>en enthalten kann, lagert man in Si<strong>ch</strong>erheitsbehältern,<br />
die als Sondermüll entsorgt werden.<br />
No<strong>ch</strong> kein Grenzwert<br />
für Nanopartikel<br />
Rund 1300 Bes<strong>ch</strong>äftigte in der S<strong>ch</strong>weiz arbeiten<br />
gemäss einer repräsentativen Umfrage aus dem<br />
Jahr 2007 direkt mit Anwendungen von Nanopartikeln.<br />
Betroffen sind vor allem die Bran<strong>ch</strong>en<br />
Chemie, Elektrote<strong>ch</strong>nik sowie Automobilzulieferer.<br />
Weit häufiger fallen Nanopartikel indes als Nebenprodukte<br />
an – so etwa beim S<strong>ch</strong>weissen oder bei<br />
anderen thermis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>neideverfahren. Laut der<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Unfallversi<strong>ch</strong>erungsanstalt (Suva)<br />
lässt si<strong>ch</strong> aufgrund der bisherigen Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />
aus arbeitsmedizinis<strong>ch</strong>toxikologis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t<br />
no<strong>ch</strong> kein Grenzwert für Nanopartikel begründen.<br />
Bis 2011 sollen jedo<strong>ch</strong> Ri<strong>ch</strong>twerte vorliegen.<br />
Grundsätzli<strong>ch</strong> gelten aber au<strong>ch</strong> für Nanomaterialien<br />
die eins<strong>ch</strong>lägigen gesetzli<strong>ch</strong>en Regelungen<br />
für das Inverkehrbringen von Stoffen und Zubereitungen.<br />
So sind diese bezügli<strong>ch</strong> ihrer Eigens<strong>ch</strong>aften<br />
zu beurteilen, und die Abnehmer gefährli<strong>ch</strong>er<br />
Stoffe müssen über alle erforderli<strong>ch</strong>en Vorsi<strong>ch</strong>ts<br />
und S<strong>ch</strong>utzmassnahmen informiert werden. Eine<br />
eigentli<strong>ch</strong>e Deklarationspfli<strong>ch</strong>t für Nanopartikel<br />
besteht gegenwärtig no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Am Arbeitsplatz<br />
ist der Arbeitgeber freili<strong>ch</strong> verpfli<strong>ch</strong>tet, alle Massnahmen<br />
zu treffen, die aufgrund der Eigens<strong>ch</strong>aften<br />
gefährli<strong>ch</strong>er Stoffe notwendig sind.<br />
KONTAKT<br />
Andreas Weber, siehe Seite 11<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
STÖRFALLVORSORGE UND ENTSORGUNG<br />
Beda<strong>ch</strong>ter Umgang<br />
mit der Unsi<strong>ch</strong>erheit<br />
Die mögli<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>en Auswirkungen von synthetis<strong>ch</strong>en Nanomaterialien auf Umwelt und Gesundheit sind<br />
erst teilweise erfors<strong>ch</strong>t. Wie gehen die Behörden mit dieser Unsi<strong>ch</strong>erheit um? Das <strong>BAFU</strong> erarbeitet unter anderem<br />
Grundlagen für die Störfallvorsorge und für eine si<strong>ch</strong>ere Entsorgung.<br />
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Verarbeitetes Aluminium ist eigentli<strong>ch</strong> ein<br />
harmloses Metall. Do<strong>ch</strong> liegt das Element in<br />
Form von Nanopartikeln vor, so können diese<br />
beim Kontakt mit Luft eine Zündquelle bilden<br />
und einen Brand oder eine Explosion auslösen.<br />
Aufgrund dieser Eigens<strong>ch</strong>aft fallen sol<strong>ch</strong>e<br />
Nanomaterialien in die Kategorie der selbstentzündli<strong>ch</strong>en<br />
Stoffe, für die in der S<strong>ch</strong>weiz eine<br />
Mengens<strong>ch</strong>welle von 20 000 Kilogramm gilt. Alle<br />
Betriebe, wel<strong>ch</strong>e höhere Mengen lagern, unterstehen<br />
der Störfallverordnung (StFV). Diese soll<br />
Bevölkerung und Umwelt vor s<strong>ch</strong>weren S<strong>ch</strong>ädigungen<br />
dur<strong>ch</strong> ausserordentli<strong>ch</strong>e Ereignisse<br />
s<strong>ch</strong>ützen, die beim Betrieb von Anlagen entstehen<br />
können. Wenn beispielsweise eine Explosion<br />
auf einem Firmengelände im ungünstigsten Fall<br />
mehr als 10 Todesopfer ausserhalb des Betriebsareals<br />
fordern kann, muss das betroffene Unternehmen<br />
die mögli<strong>ch</strong>en Störfallrisiken im Detail<br />
ermitteln und den Behörden zur Beurteilung<br />
einrei<strong>ch</strong>en.<br />
Studie zu den Störfallrisiken. Als zuständiges Bundesamt<br />
für die Oberaufsi<strong>ch</strong>t über den Vollzug<br />
der StFV verfolgt das <strong>BAFU</strong> laufend die Entwicklungen<br />
im Berei<strong>ch</strong> der <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Risiken. «In<br />
dieser Funktion haben wir au<strong>ch</strong> prüfen lassen,<br />
ob si<strong>ch</strong> aufgrund der Brand und Explosionseigens<strong>ch</strong>aften<br />
von synthetis<strong>ch</strong>en Nanomaterialien<br />
neue Kriterien für die Bestimmung der<br />
Mengens<strong>ch</strong>wellen in der Störfallverordnung aufdrängen»,<br />
erläutert der Chemiker Martin Merkofer<br />
von der Sektion Störfall und Erdbebenvorsorge<br />
beim <strong>BAFU</strong>.<br />
Im Rahmen des vom Bundesrat verabs<strong>ch</strong>iedeten<br />
Aktionsplans hat das beauftragte Si<strong>ch</strong>erheitsinstitut<br />
eine entspre<strong>ch</strong>ende Literaturstudie<br />
erstellt. Dabei konzentrierten si<strong>ch</strong> die Abklärungen<br />
auf die bereits untersu<strong>ch</strong>ten Nanopartikel<br />
aus Aluminium und Kohlenstoff. Gemäss der<br />
Studie kann si<strong>ch</strong> die minimale Zündenergie von<br />
Stoffen im Nanomassstab von derjenigen konventioneller<br />
Metallstäube unters<strong>ch</strong>eiden. Letz tere<br />
können bei Luftkontakt ebenfalls in Flammen<br />
aufgehen, aber aufgrund der geringen Zündenergien<br />
verhalten si<strong>ch</strong> zum Beispiel Nanopartikel<br />
aus Kohlenstoff und Aluminium bezügli<strong>ch</strong> ihrer<br />
Explosionseigens<strong>ch</strong>aften ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong> anders<br />
als Stäube derselben Stoffe, die wegen ihrer<br />
Teil<strong>ch</strong>engrösse ni<strong>ch</strong>t als Nanomaterialien gelten.<br />
«Für eine abs<strong>ch</strong>liessende Beurteilung liegen<br />
zwar gegenwärtig no<strong>ch</strong> zu wenig Grundlagendaten<br />
vor, do<strong>ch</strong> die bisherigen Erkenntnisse geben<br />
uns vorderhand keinen Anlass, um für Nanomaterialien<br />
im Rahmen der Störfallverordnung<br />
spezifis<strong>ch</strong>e Regelungen bezügli<strong>ch</strong> der Brand und<br />
Explosionseigens<strong>ch</strong>aften zu treffen», folgert Martin<br />
Merkofer. Die grundsätzli<strong>ch</strong>en Vors<strong>ch</strong>riften<br />
der StFV gelten sowohl für brandgefährli<strong>ch</strong>e Stoffe<br />
wie au<strong>ch</strong> für oxidierbare Nanopartikel. Zudem<br />
sind bei Lagern mit selbstentzündli<strong>ch</strong>en Stoffen<br />
generell die Vorgaben aus den Brands<strong>ch</strong>utzri<strong>ch</strong>tlinien<br />
der Vereinigung Kantonaler Feuerversi<strong>ch</strong>erungen<br />
(VKF) umzusetzen.<br />
Weitere Abklärungen folgen. Aufgrund der bisherigen<br />
Abklärungen geht das <strong>BAFU</strong> davon aus, dass<br />
ein Grossteil der ungefähr 600 Betriebe, die in<br />
der S<strong>ch</strong>weiz heute mit Nanomaterialien arbeiten,<br />
keine oder nur geringe Mengen an oxidierbaren<br />
Partikeln verwenden. Mit zunehmender<br />
Verbreitung der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> werden si<strong>ch</strong><br />
die eingesetzten Partikel und deren Mengen<br />
aber ändern. «Aus heutiger Si<strong>ch</strong>t hält si<strong>ch</strong> das<br />
31
32<br />
Störfallrisiko dur<strong>ch</strong> Brände oder Explosionen<br />
zwar in Grenzen, do<strong>ch</strong> wir müssen die künftige<br />
Entwicklung genau verfolgen», sagt Martin Merkofer.<br />
Die Studie enthält keine Aussagen zu den<br />
Auswirkungen einer denkbaren Freisetzung von<br />
Nanopartikeln auf die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit<br />
oder auf die Umwelt, weil die erforderli<strong>ch</strong>en wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Grundlagen zur Toxikologie und<br />
Ökotoxikologie auf internationaler Ebene erst<br />
erarbeitet werden. Diese für die Störfallvorsorge<br />
wi<strong>ch</strong>tigen Berei<strong>ch</strong>e will das <strong>BAFU</strong> na<strong>ch</strong> Vorliegen<br />
ausrei<strong>ch</strong>ender Daten ebenfalls untersu<strong>ch</strong>en.<br />
Korrekte Entsorgung von Nanoabfällen. Potenzielle<br />
Gefahren dur<strong>ch</strong> synthetis<strong>ch</strong>e Nanomaterialien<br />
bestehen jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur am Anfang der Produktionskette,<br />
sondern au<strong>ch</strong> bei der Entsorgung<br />
sol<strong>ch</strong>er Materialien. «Hier liegt das Risiko vor<br />
allem in einer unkontrollierten Freisetzung von<br />
gesundheitss<strong>ch</strong>ädigenden oder umweltgefährdenden<br />
Partikeln dur<strong>ch</strong> einen unsa<strong>ch</strong>gemäs<br />
sen Umgang mit Nanoabfällen», erklärt André<br />
Hauser von der <strong>BAFU</strong>Sektion Abfallverwertung<br />
und behandlung. Um Produzenten, Verarbeiter<br />
und die Abfallbran<strong>ch</strong>e für diese Problematik<br />
zu sensibilisieren, hat eine vom <strong>BAFU</strong> initiierte<br />
Arbeitsgruppe eine Wegleitung zur umweltverträgli<strong>ch</strong>en<br />
und si<strong>ch</strong>eren Entsorgung von<br />
Nano abfällen erstellt. Die praxisorientierte Vollzugshilfe<br />
zeigt betroffenen Industrie und Gewerbebetrieben<br />
auf, wie sie Rückstände von reinen<br />
Nano partikeln sowie entspre<strong>ch</strong>end verunreinigte<br />
Gegenstände behandeln, weitergeben und entsorgen<br />
sollen.<br />
So wird etwa empfohlen, geeignete Nanoabfälle<br />
na<strong>ch</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit direkt am Entstehungsort<br />
weiterzubearbeiten, damit sie ihre Nanostruktur<br />
verlieren. Beispielsweise lassen si<strong>ch</strong><br />
metallis<strong>ch</strong>e Partikel in geeigneten Säuren auflösen,<br />
während dur<strong>ch</strong> Sinterung von Oxiden bei<br />
erhöhten Temperaturen grössere Teil<strong>ch</strong>en entstehen,<br />
die ni<strong>ch</strong>t mehr Nano<strong>ch</strong>arakter aufweisen.<br />
Mögli<strong>ch</strong>st geringe Emissionen als Ziel. Nanoabfälle<br />
mit ungebundenen Partikeln gelten gemäss der<br />
Wegleitung als Sonderabfall, wenn si<strong>ch</strong> negative<br />
Auswirkungen auf Gesundheit, Si<strong>ch</strong>erheit<br />
und Umwelt aufgrund ihrer nanospezifis<strong>ch</strong>en<br />
Eigens<strong>ch</strong>aften ni<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>liessen lassen oder<br />
sofern die mögli<strong>ch</strong>en Folgen unbekannt sind.<br />
Ein vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und<br />
vom <strong>BAFU</strong> entwickelter Vorsorgeraster hilft den<br />
Unternehmen, potenzielle Risikoquellen dur<strong>ch</strong><br />
Nanomateria lien bei der Produktion, Verarbeitung<br />
und Entsorgung re<strong>ch</strong>tzeitig zu erkennen.<br />
«Rückstände mit erhebli<strong>ch</strong>em Risikopotenzial<br />
oder unbekannter Wirkung müssen bei jedem<br />
Arbeitss<strong>ch</strong>ritt so behandelt werden, dass die Belastung<br />
der Bes<strong>ch</strong>äftigten, eine Freisetzung von<br />
Nanomaterialien in Form von Stäuben oder Aerosolen<br />
sowie weitere Emissionen in die Umwelt<br />
so gering wie mögli<strong>ch</strong> ausfallen», sagt André<br />
Hauser. Dazu sind unter anderem die von der<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Unfallversi<strong>ch</strong>erungsanstalt<br />
(Suva) zum S<strong>ch</strong>utz der Bes<strong>ch</strong>äftigten empfohlenen<br />
Massnahmen zu treffen. Sie umfassen<br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e, organisatoris<strong>ch</strong>e und personenbezogene<br />
Vorkehrungen, wie zum Beispiel das Tragen<br />
einer S<strong>ch</strong>utzkleidung mit Kapuze sowie die<br />
Ausrüstung mit Atems<strong>ch</strong>utz und ges<strong>ch</strong>lossener<br />
S<strong>ch</strong>utzbrille. Um das Risikopotenzial bei den Abnehmern<br />
zu reduzieren, sollen die Betriebe ihre<br />
zur externen Entsorgung vorgesehenen Produktionsrückstände<br />
zudem na<strong>ch</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t<br />
in Pulverform abgeben. Der Begleits<strong>ch</strong>ein für<br />
Potenzielle Gefahren dur<strong>ch</strong> synthetis<strong>ch</strong>e Nanomaterialien bestehen ni<strong>ch</strong>t nur<br />
am Anfang der Produktionskette, sondern au<strong>ch</strong> bei der Entsorgung sol<strong>ch</strong>er<br />
Materialien.<br />
KONTAKTE<br />
Martin Merkofer (links)<br />
(Störfallvorsorge)<br />
Sektion Störfall- und<br />
Erdbebenvorsorge, <strong>BAFU</strong><br />
031 325 10 93<br />
martin.merkofer@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
André Hauser (Entsorgung)<br />
Sektion Abfallverwertung und<br />
-behandlung, <strong>BAFU</strong><br />
031 323 13 35<br />
andre.hauser@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
Sonderabfälle sorgt dafür, dass die Entsorgungsunternehmen<br />
alle notwendigen Informationen<br />
erhalten.<br />
Als Sonderabfälle geltende Nanomaterialien<br />
dürfen weder im Hauskehri<strong>ch</strong>t oder Gewerbeabfall<br />
landen no<strong>ch</strong> in die Kanalisation eingeleitet<br />
oder mit anderen Sonderabfällen vermis<strong>ch</strong>t<br />
werden. Von einer Beseitigung in Kehri<strong>ch</strong>tverbrennungsanlagen<br />
(KVA) ist abzuraten, weil heute<br />
no<strong>ch</strong> zu wenig über das Verhalten von hohen<br />
Konzentrationen an ungebundenen Nanopartikeln<br />
im Feuerraum und in der Rau<strong>ch</strong>gasreinigung<br />
von KVA bekannt ist. Um sol<strong>ch</strong>e Kenntnislücken<br />
zu s<strong>ch</strong>liessen, soll ein Fors<strong>ch</strong>ungsprojekt<br />
des <strong>BAFU</strong> aufzeigen, wie man Nanoabfälle mit<br />
praktikablen Methoden ohne Risiken für Gesundheit<br />
und Umwelt entsorgen oder verwerten<br />
kann. Bis es so weit ist, s<strong>ch</strong>lägt die Vollzugshilfe<br />
vor, jeweils die bekannten Entsorgungsverfahren<br />
für Sonderabfälle – wie etwa die Ho<strong>ch</strong>temperaturverbrennung<br />
in Spezialöfen – anzuwenden.<br />
Die Wirksamkeit der aufgrund von te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />
Überlegungen geeigneten Methode ist dabei<br />
allenfalls mit vorgängigen Tests na<strong>ch</strong>zuweisen.<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-09<br />
Beat Jordi<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Produktionsabfälle wie Lösungsmittel, die bei der Reinigung der Anlagen<br />
zur Herstellung von Nanomaterialien anfallen, werden bei Bühler Partec in<br />
Metallcontainern gesammelt und na<strong>ch</strong> Bedarf von einem externen Entsorgungsunternehmen<br />
abgeholt. Die Nanoproduktion in Uzwil (SG) verfügt<br />
über ein eigenes Sammelsystem ohne Ans<strong>ch</strong>luss an den Abwasserkanal.<br />
Im Fall einer Havarie gelangen auslaufende Substanzen somit ni<strong>ch</strong>t in die<br />
Kanalisation, sondern werden ebenfalls in Container abgefüllt und fa<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>t<br />
als Sonderabfall entsorgt.<br />
Alle Bilder: Stefan Bohrer<br />
33
INTERNATIONALES ENGAGEMENT<br />
Erfahrungsaustaus<strong>ch</strong><br />
über die Grenzen<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz setzt si<strong>ch</strong> auf internationaler Ebene dafür ein, dass die mögli<strong>ch</strong>en Vorteile der<br />
<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> au<strong>ch</strong> Entwicklungs- und S<strong>ch</strong>wellenländern zugute kommen. Glei<strong>ch</strong>zeitig soll<br />
der weltweite Austaus<strong>ch</strong> von te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>em Know-how überall einen verantwortungsvollen<br />
Umgang mit den potenziellen Risiken dieser neuen Te<strong>ch</strong>nologie fördern.<br />
34<br />
«Die Erarbeitung von staatli<strong>ch</strong>en Strategien für<br />
einen verantwortungsbewussten Umgang mit<br />
synthetis<strong>ch</strong>en Nanomaterialien ist ents<strong>ch</strong>eidend<br />
für den Erfolg dieser Te<strong>ch</strong>nologie und für<br />
die Nutzung ihres Potenzials im Interesse einer<br />
na<strong>ch</strong>haltigen Entwicklung», stellt der Chemiker<br />
Georg Karlaganis fest. Als Chef der <strong>BAFU</strong>Abteilung<br />
Stoffe, Boden, Biote<strong>ch</strong>nologie hat er si<strong>ch</strong><br />
während Jahren intensiv mit dieser Thematik<br />
befasst. Seit der Pensionierung beim Bund profitiert<br />
nun vor allem das Fors<strong>ch</strong>ungs und Ausbildungsinstitut<br />
der Vereinten Nationen (UNITAR)<br />
von seinem vielfältigen Knowhow im Berei<strong>ch</strong><br />
der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>.<br />
Ein Hauptziel der UNOInstitution, die ih r e n<br />
Sitz im Internationalen Umwelthaus bei Genf<br />
hat, ist die Aus und Weiterbildung von Verwaltungspersonal<br />
und Regierungsstellen in Entwicklungsländern.<br />
Seit Herbst 2009 führt UNITAR in<br />
Zusammenarbeit mit der Organisation für wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(OECD) weltweit regionale Sensibilisierungs<br />
Workshops dur<strong>ch</strong>, um Vertreterinnen und Vertreter<br />
sol<strong>ch</strong>er Staaten über die Chancen und<br />
Risiken der Nanomaterialien aufzuklären. «Das<br />
Interesse an diesen Veranstaltungen ist enorm,<br />
denn die angespro<strong>ch</strong>enen Umwelt und Gesundheitsbehörden<br />
kennen die Problematik oft nur<br />
vom Hörensagen», konstatiert Georg Karlaganis.<br />
Der Mangel an Wissen, fehlende Mess und<br />
Testverfahren sowie bestehende Lücken in der<br />
Gesetzgebung könnten zu unbea<strong>ch</strong>teten Risiken<br />
für die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gesundheit und die Umwelt<br />
führen, erklärt er Interessierten rund um den<br />
Globus. «Damit sol<strong>ch</strong>e Gefahren sinnvolle Innovationen<br />
letztli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t behindern, brau<strong>ch</strong>t es<br />
weltweit ein vorsorgli<strong>ch</strong>es Risikomanagement<br />
– ohne doppelte Standards mit klaffenden Unters<strong>ch</strong>ieden<br />
zwis<strong>ch</strong>en den behördli<strong>ch</strong>en Vorgaben<br />
von Industrie und Entwicklungsländern.»<br />
Engagement für die globale Chemikalienstrategie. Die<br />
S<strong>ch</strong>weiz hat eine erste Serie sol<strong>ch</strong>er Workshops<br />
zur <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> in allen UNRegionen sowie<br />
im arabis<strong>ch</strong>en Raum massgebli<strong>ch</strong> mitfinanziert<br />
und beteiligt si<strong>ch</strong> jetzt au<strong>ch</strong> an einer zweiten<br />
Informationskampagne. «Wir mö<strong>ch</strong>ten damit<br />
unter anderem Verständnis für die Herausforderungen<br />
auf nationaler Ebene s<strong>ch</strong>affen und aufzeigen,<br />
wie si<strong>ch</strong> eine entspre<strong>ch</strong>ende Politik entwickeln<br />
lässt», erläutert Gabi Eigenmann von der<br />
Abteilung Internationales beim <strong>BAFU</strong>. In diesem<br />
Rahmen sollen ausgewählte Pilotländer au<strong>ch</strong> bei<br />
der Erarbeitung von nationalen Arbeitsprogrammen<br />
unterstützt werden. «Glei<strong>ch</strong>zeitig geht es<br />
darum, die angestrebten globalen Ziele für einen<br />
na<strong>ch</strong>haltigen Umgang mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
darzulegen.»<br />
Die entspre<strong>ch</strong>enden Aktivitäten sind Teil des<br />
s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Engagements für eine effiziente,<br />
kohärente und koordinierte Chemika lien<br />
und Abfallpolitik auf internationaler Ebene. Damit<br />
sollen unter anderem mögli<strong>ch</strong>st einheitli<strong>ch</strong>e<br />
Voraussetzungen und re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Grundlagen für<br />
ein funktionierendes Risikomanagement von<br />
Chemikalien ges<strong>ch</strong>affen werden, um eine Verla<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
gerung unerwüns<strong>ch</strong>ter Risiken in bena<strong>ch</strong>teiligte<br />
Gebiete zu verhindern.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz als S<strong>ch</strong>rittma<strong>ch</strong>erin. An der zweiten<br />
Internationalen Chemikalienkonferenz (ICCM 2),<br />
die im Mai 2009 in Genf stattfand, hat das <strong>BAFU</strong><br />
gemeinsam mit den USA eine Führungsrolle<br />
übernommen, um das Thema <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong><br />
auf weltweiter Ebene einzubringen und die<br />
globale Chemikalienstrategie (SAICM) au<strong>ch</strong> in<br />
dieser Beziehung weiterzuentwickeln. Eine von<br />
der S<strong>ch</strong>weiz massgebli<strong>ch</strong> mitgestaltete und an<br />
der ICCM 2 verabs<strong>ch</strong>iedete Resolution betont die<br />
besondere Verantwortung der Industriestaaten<br />
gegenüber den Entwicklungs und S<strong>ch</strong>wellenländern.<br />
Letztere benötigten fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e und finanzielle<br />
Unterstützung, damit sie si<strong>ch</strong> das erforderli<strong>ch</strong>e<br />
Knowhow aneignen, vom potenziellen<br />
Nutzen der Nanomaterialien profitieren und die<br />
Risiken minimieren könnten. Die Resolution unterstrei<strong>ch</strong>t<br />
dabei au<strong>ch</strong> die Verantwortung für die<br />
Si<strong>ch</strong>erheit der Bes<strong>ch</strong>äftigten und empfiehlt die<br />
Förderung der Risikofors<strong>ch</strong>ung sowie re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e,<br />
freiwillige und partners<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Massnahmen,<br />
um einen si<strong>ch</strong>eren Umgang mit der aufkommenden<br />
Te<strong>ch</strong>nologie zu begünstigen.<br />
Koordinierte Risikofors<strong>ch</strong>ung. Angesi<strong>ch</strong>ts der bestehenden<br />
Kenntnislücken und der Vielfalt an<br />
synthetis<strong>ch</strong>en Nanomaterialien drängt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
bei der Risikofors<strong>ch</strong>ung eine internationale Kooperation<br />
auf. «Die Erarbeitung von Ents<strong>ch</strong>eidungsgrundlagen<br />
für die Störfallvorsorge beim<br />
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Umgang mit sol<strong>ch</strong>en Chemikalien würde die<br />
Ressourcen eines einzelnen Landes sprengen»,<br />
erklärt Martin Merkofer von der <strong>BAFU</strong>Sektion<br />
Störfall und Erdbebenvorsorge. Die S<strong>ch</strong>weiz engagiert<br />
si<strong>ch</strong> deshalb innerhalb der OECD aktiv<br />
für eine grenzübers<strong>ch</strong>reitende Zusammenarbeit<br />
und ist mit der Leitung eines von ihr vorges<strong>ch</strong>lagenen<br />
Projekts zur gemeinsamen Untersu<strong>ch</strong>ung<br />
der Störfallrisiken betraut.<br />
Im Rahmen der Internationalen Organisation<br />
für Normung (ISO) beteiligt si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz zudem<br />
an der Entwicklung einer standardisierten<br />
Terminologie für Nanomaterialien, von entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Normen für den S<strong>ch</strong>utz am Arbeitsplatz<br />
sowie von harmonisierten Messmethoden<br />
und Testri<strong>ch</strong>tlinien.<br />
Dem gegenseitigen Erfahrungsaustaus<strong>ch</strong><br />
dient au<strong>ch</strong> ein von der S<strong>ch</strong>weiz initiiertes Netzwerk<br />
mit Umwelt und Gesundheitsbehörden aus<br />
den deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen Ländern Deuts<strong>ch</strong>land,<br />
Österrei<strong>ch</strong> und Lie<strong>ch</strong>tenstein. Die vier Staaten<br />
organisieren gemeinsam regelmässige Informationstreffen<br />
zu wi<strong>ch</strong>tigen Fragen rund um die<br />
<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> – so etwa zu den Themen Si<strong>ch</strong>erheitsdatenblätter,<br />
Öffentli<strong>ch</strong>keitsarbeit oder<br />
Versi<strong>ch</strong>erbarkeit mögli<strong>ch</strong>er Risiken. Dadur<strong>ch</strong><br />
erhält die S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong>en Zugang zu<br />
Informationen über wi<strong>ch</strong>tige Entwicklungen innerhalb<br />
der Europäis<strong>ch</strong>en Union.<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-10<br />
Beat Jordi<br />
Rund um den Globus<br />
beteiligt si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weiz<br />
an der Aufklärung von<br />
Regierungsstellen aus<br />
Entwicklungs- und<br />
S<strong>ch</strong>wellenländern über das<br />
Risikomanagement<br />
im Umgang mit der <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>.<br />
Hier engagiert<br />
si<strong>ch</strong> der ehemalige<br />
<strong>BAFU</strong>-Abteilungs<strong>ch</strong>ef Georg<br />
Karlaganis (zweiter von<br />
re<strong>ch</strong>ts) an einem Workshop<br />
der internationalen<br />
Organisa tionen UNITAR und<br />
OECD für die afrikanis<strong>ch</strong>en<br />
Staaten in Abidjan an der<br />
Elfenbeinküste.<br />
Bild: UNITAR<br />
KONTAKT<br />
Gabi Eigenmann<br />
Sektion Globales<br />
Abteilung Internationales<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 322 93 03<br />
gabi.eigenmann@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
35
NANOMEDIZIN UND ETHIK<br />
Medizin auf<br />
den Punkt gebra<strong>ch</strong>t<br />
Alle wesentli<strong>ch</strong>en Vorgänge des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Stoffwe<strong>ch</strong>sels spielen si<strong>ch</strong> in der Nanodimension ab. Wer sie<br />
versteht und gezielt beeinflussen kann, hält den S<strong>ch</strong>lüssel zur Lösung vieler medizinis<strong>ch</strong>er Probleme in der Hand.<br />
Aus ethis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t sollten die Vor- und Na<strong>ch</strong>teile der neu entwickelten Nanosubstanzen und Verfahren allerdings<br />
umfassend abgewogen werden.<br />
36<br />
Nanote<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e Anwendungen sind häufig<br />
nur s<strong>ch</strong>wer von anderen te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Verfahren<br />
abzugrenzen. Oft bringen sie nämli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts<br />
grundsätzli<strong>ch</strong> Neues, sondern verbessern einzig<br />
herkömmli<strong>ch</strong>e Produkte. In der Medizin etwa<br />
können nanoskalige Bes<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen helfen,<br />
dass Prothesen – wie Hüftgelenke aus Stahl oder<br />
Zahnimplantate aus Titan – vom Körper besser<br />
vertragen und weniger ras<strong>ch</strong> abgenutzt werden.<br />
Kaum in die S<strong>ch</strong>ranken zu weisen. In eine S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t<br />
eingebundene Nanopartikel gelten als verglei<strong>ch</strong>sweise<br />
wenig riskant. Denno<strong>ch</strong> gibt es offene<br />
Fragen. So verliert etwa ein Implantat, das<br />
dauerhaft im Körper verbleibt, dur<strong>ch</strong> den Abrieb<br />
ständig Partikel. Je na<strong>ch</strong> Grösse können diese in<br />
die Blutbahn gelangen und natürli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ranken<br />
im Körper – wie zum Beispiel die Plazenta<br />
– überwinden. Fors<strong>ch</strong>er aus Louisiana (USA) entdeckten<br />
im Blut von Neugeborenen Spuren der<br />
Metalle Kobalt und Chrom, die aus dem künstli<strong>ch</strong>en<br />
Hüftgelenk der Mutter stammten.<br />
Wie neuste Untersu<strong>ch</strong>ungen der Eidgenössis<strong>ch</strong>en<br />
Materialprüfungs und Fors<strong>ch</strong>ungsanstalt<br />
(Empa) bestätigen, s<strong>ch</strong>irmt die Plazenta den<br />
kindli<strong>ch</strong>en Kreislauf ni<strong>ch</strong>t vollständig von Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />
ab: Im Rahmen einer Simulation beoba<strong>ch</strong>teten<br />
die Wissens<strong>ch</strong>aftler, dass 200 bis 300<br />
Nanometer kleine Partikel die Plazenta dur<strong>ch</strong>dringen<br />
können.<br />
Dass ungeborene Kinder von einer medizinis<strong>ch</strong>en<br />
Behandlung der Mutter mitbetroffen sind,<br />
ist freili<strong>ch</strong> ein Dilemma, das si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur in<br />
der Nanomedizin stellt. «Um eine ethis<strong>ch</strong>e Abklärung<br />
vornehmen zu können, muss i<strong>ch</strong> wissen,<br />
ob ein Nanomaterial überhaupt Risiken für<br />
das Kind birgt», erläutert der Ethiker Andreas<br />
Ba<strong>ch</strong>mann von der Sektion Biote<strong>ch</strong>nologie beim<br />
<strong>BAFU</strong>. Im Auftrag der Eidgenössis<strong>ch</strong>en Ethikkommission<br />
für die Biote<strong>ch</strong>nologie im Ausser<br />
humanberei<strong>ch</strong> (EKAH) hat er früher vers<strong>ch</strong>iedene<br />
Guta<strong>ch</strong>ten zum Thema erstellt. «Nur weil<br />
etwas Nano heisst, muss es ja ni<strong>ch</strong>t zwangsläufig<br />
gefährli<strong>ch</strong> sein.» Im Fall einer S<strong>ch</strong>wangeren und<br />
ihres Fötus ist ausserdem der moralis<strong>ch</strong>e Status<br />
der Betroffenen mitzubedenken. «Ein Embryo<br />
hat mögli<strong>ch</strong>erweise einen anderen Stellenwert<br />
als das Neugeborene oder die Mutter.» Ans<strong>ch</strong>liessend<br />
verfährt der Ethiker na<strong>ch</strong> der übli<strong>ch</strong>en<br />
gedankli<strong>ch</strong>en Systematik: «Man muss Szenarien<br />
kennen und die Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit, mit der sie<br />
eintreten könnten – nur so lässt si<strong>ch</strong> ein S<strong>ch</strong>aden<br />
abs<strong>ch</strong>ätzen.» Falls keine entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Angaben vorliegen, fordert Andreas Ba<strong>ch</strong>mann,<br />
dem Vorsorgeprinzip zu folgen: «Solange wir das<br />
Risiko ni<strong>ch</strong>t kennen, dürfen wir Dritte keiner<br />
Gefahr aussetzen.»<br />
Zielgenaue Eingriffe. Wenn auf molekularer<br />
Ebene bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong> mit kleinsten Instrumenten<br />
operiert werden kann, steigt die Zielsi<strong>ch</strong>erheit<br />
des medizinis<strong>ch</strong>en Eingriffs. Gefors<strong>ch</strong>t wird<br />
beispielsweise an winzigen Transportbehältern,<br />
die therapeutis<strong>ch</strong>e Substanzen punktgenau dorthin<br />
bringen, wo sie ihre Wirkung entfalten sollen.<br />
Das Grundprinzip besti<strong>ch</strong>t: Ein Wirkstoff,<br />
den der Körper sonst s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t aufnimmt oder gar<br />
abbaut, no<strong>ch</strong> bevor er sein Ziel errei<strong>ch</strong>t hat, wird<br />
in Nanocontainer eingekapselt. Diese sind so winzig,<br />
dass sie von der Immunabwehr des Körpers<br />
ni<strong>ch</strong>t erkannt werden und bei Bedarf sogar die<br />
BlutHirnS<strong>ch</strong>ranke zu überwinden vermögen.<br />
Die Nanote<strong>ch</strong>nik kann au<strong>ch</strong> dort zum Einsatz<br />
kommen, wo bisher Skalpell und Bestrahlung<br />
unumgängli<strong>ch</strong> waren – etwa bei der Krebsbehandlung,<br />
wo es besonders wi<strong>ch</strong>tig ist, krankes<br />
Gewebe mögli<strong>ch</strong>st vollständig zu entfernen und<br />
dabei gesunde Zellen zu s<strong>ch</strong>onen. Für S<strong>ch</strong>lagzeilen<br />
sorgte die am Berliner Universitätsklinikum<br />
Charité entwickelte Magnetflüssigkeits<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong> > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Abgeriebene Metallpartikel aus künstli<strong>ch</strong>en Gelenken von S<strong>ch</strong>wangeren können<br />
über die Plazenta au<strong>ch</strong> ins Blut der Föten gelangen. Die potenziellen Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
der Nanomedizin umfassen ein breites Spektrum von der frühzeitigen Krankheitsdiagnose<br />
über die gezielte Bekämpfung von Krebszellen bis hin zur Leistungssteigerung<br />
des zentralen Nervensystems – etwa dur<strong>ch</strong> Sehprothesen. Darstellung der<br />
Thematik aus Si<strong>ch</strong>t des Zür<strong>ch</strong>er Illustrators Lorenz Meier.<br />
37
38<br />
Hyperthermie. Eine Hauptrolle spielen dabei<br />
in einer Zuckerhülle eingekapselte Nanoteil<strong>ch</strong>en<br />
aus Eisenoxid, die man direkt in eine Ges<strong>ch</strong>wulst<br />
injiziert. Über ein Magnetfeld werden<br />
die nanoskaligen Partikel ans<strong>ch</strong>liessend erhitzt,<br />
wobei sie weit höhere Temperaturen errei<strong>ch</strong>en<br />
als Eisenoxidteil<strong>ch</strong>en grösserer Dimensionen.<br />
Dadur<strong>ch</strong> kann die Medizin Krebszellen zielsi<strong>ch</strong>er<br />
abtöten. In klinis<strong>ch</strong>en Studien ist das<br />
neue Verfahren bisher insbesondere bei bösartigen<br />
Hirntumoren erfolgrei<strong>ch</strong> erprobt worden.<br />
Ein Anflug von Science-Fiction. Dereinst könnten<br />
si<strong>ch</strong> allerdings zielgenaue Eingriffe ins Gehirn<br />
ni<strong>ch</strong>t nur mit der Therapie von Krankheiten<br />
bes<strong>ch</strong>eiden, sondern gar auf die allgemeine<br />
Leistungssteigerung unseres zentralen Nervensystems<br />
abzielen. So spekulieren Futurologen<br />
beispielsweise über neuronale Sehprothesen,<br />
die pro Sekunde mehr Bilder verarbeiten als die<br />
natürli<strong>ch</strong>en Li<strong>ch</strong>tsinneszellen und damit die<br />
Reaktionsfähigkeit erhöhen könnten.<br />
In der ScienceFictionLiteratur ist der nanote<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong><br />
zum «Cyborg» aufgerüstete Mens<strong>ch</strong><br />
eine gängige Vorstellung. Wenn au<strong>ch</strong> bizarr,<br />
ist die Mis<strong>ch</strong>ung von Organismus und Mas<strong>ch</strong>ine<br />
ni<strong>ch</strong>t als sol<strong>ch</strong>e ethis<strong>ch</strong> bedenkli<strong>ch</strong>.<br />
«Wieso ni<strong>ch</strong>t, solange es si<strong>ch</strong> um urteilsfähige<br />
Mens<strong>ch</strong>en handelt, die ihre geistige Leistungsfähigkeit<br />
steigern wollen?», meint Andreas<br />
Ba<strong>ch</strong>mann. Individuelle Leistungsvorteile dur<strong>ch</strong><br />
neue Te<strong>ch</strong>nologien sollten jedo<strong>ch</strong> allen Personen<br />
zugängli<strong>ch</strong> sein, wel<strong>ch</strong>e dies wüns<strong>ch</strong>en<br />
– und zwar unabhängig von ihren materiellen<br />
Mögli<strong>ch</strong>keiten. Wenn nanote<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong> erzeugte<br />
Leistungssteigerungen nur einer finanzkräftigen<br />
Kunds<strong>ch</strong>aft zur Verfügung stehen, würde<br />
das Gebot der gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Fairness verletzt.<br />
«Selbst dann wäre ein Verbot aber ni<strong>ch</strong>t<br />
die einzig mögli<strong>ch</strong>e Konsequenz. Die legale Freigabe<br />
und ein gesi<strong>ch</strong>erter Zugang für alle könnte<br />
au<strong>ch</strong> ein Weg sein», sagt Andreas Ba<strong>ch</strong>mann.<br />
Andererseits darf daraus kein Zwang entstehen,<br />
denn die Gesells<strong>ch</strong>aft hat es zu respektieren,<br />
wenn einzelne Mens<strong>ch</strong>en in eigener Verantwortung<br />
auf bestimmte te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e Vorteile<br />
verzi<strong>ch</strong>ten wollen.<br />
Mehr wissen – aber ni<strong>ch</strong>t unbedingt mehr können.<br />
Nanote<strong>ch</strong>nik hat das Potenzial, au<strong>ch</strong> die medi<br />
zinis<strong>ch</strong>e Diagnostik zu revolutionieren, weil<br />
Nanosensoren bereits kleinste Veränderungen<br />
im Gewebe na<strong>ch</strong>weisen könnten, no<strong>ch</strong> bevor<br />
erste Krankheitssymptome auftreten. Ein weiteres<br />
mögli<strong>ch</strong>es Einsatzgebiet für Nanosensoren<br />
ist die kontinuierli<strong>ch</strong>e medizinis<strong>ch</strong>e Überwa<strong>ch</strong>ung.<br />
Winzige Messgeräte könnten beispielsweise<br />
die Blutwerte s<strong>ch</strong>wangerer Frauen oder<br />
den Blutzuckerspiegel von Diabetikern kontrollieren.<br />
Es wäre sogar denkbar, Nanosensoren<br />
mit einer implantierten Insulinpumpe zu<br />
verbinden, die automatis<strong>ch</strong> vermehrt Insulin<br />
auss<strong>ch</strong>üttet, sobald der Blutzuckerspiegel über<br />
einen bestimmten Wert steigt.<br />
Wo allerdings persönli<strong>ch</strong>e Daten in grossen<br />
Mengen anfallen, gerät die Privatsphäre in Gefahr.<br />
Wenn si<strong>ch</strong> der Lebensstil von Mens<strong>ch</strong>en<br />
an den Kenngrössen ihres Stoffwe<strong>ch</strong>sels ablesen<br />
lässt, werden sie erpressbar – etwa von Krankenversi<strong>ch</strong>erungen,<br />
die ihre Prämien davon abhängig<br />
ma<strong>ch</strong>en mö<strong>ch</strong>ten, dass si<strong>ch</strong> ihre Kunden<br />
gesund ernähren und ni<strong>ch</strong>t für s<strong>ch</strong>were Krankheiten<br />
prädisponiert sind. Au<strong>ch</strong> die Forts<strong>ch</strong>ritte<br />
in der Diagnostik haben zwei Seiten. Wenn<br />
Krankheiten nämli<strong>ch</strong> immer häufiger voraus<br />
Nanote<strong>ch</strong>nik hat das Potenzial, au<strong>ch</strong> die medizinis<strong>ch</strong>e Diagnostik zu<br />
revolutionieren, weil Nanosensoren bereits kleinste Veränderungen im Gewebe<br />
na<strong>ch</strong>weisen können, no<strong>ch</strong> bevor erste Krankheitssymptome auftreten.<br />
KONTAKT<br />
Andreas Ba<strong>ch</strong>mann<br />
Sektion Biote<strong>ch</strong>nologie<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 324 25 50<br />
andreas.ba<strong>ch</strong>mann@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
gesehen werden, no<strong>ch</strong> bevor sie überhaupt ausbre<strong>ch</strong>en<br />
oder ohne dass es eine Therapie dafür<br />
gibt, dürfte dies ni<strong>ch</strong>t ohne Auswirkungen auf<br />
das Körperbild und das Lebensgefühl der Mens<strong>ch</strong>en<br />
bleiben.<br />
Jeden Fall einzeln beurteilen. Der medizinis<strong>ch</strong>e<br />
Einsatz der Nanote<strong>ch</strong>nik mag neu sein – die<br />
damit verbundenen ethis<strong>ch</strong>en Aspekte sind es<br />
ni<strong>ch</strong>t. «Es gibt keine grundsätzli<strong>ch</strong> neuen ethis<strong>ch</strong>en<br />
Fragen in diesem Berei<strong>ch</strong>», stellt Andreas<br />
Ba<strong>ch</strong>mann fest. «Vielmehr geht es darum, die<br />
bekannten ethis<strong>ch</strong>en Regeln – wie etwa die<br />
Prinzipien der Vorsorge und der Solidarität – in<br />
Bezug auf Probleme in der Nanote<strong>ch</strong>nik zu spezifizieren.<br />
Das ist dur<strong>ch</strong>aus sinnvoll, aber ni<strong>ch</strong>ts<br />
irgendwie Revolutionäres.» So spri<strong>ch</strong>t er si<strong>ch</strong><br />
denn au<strong>ch</strong> gegen eine spezielle Nanoethik aus,<br />
wie sie von gewissen Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen<br />
gefordert wird. Wi<strong>ch</strong>tig ist aus seiner<br />
Si<strong>ch</strong>t vielmehr, dass jede Anwendung gesondert<br />
und im mögli<strong>ch</strong>st vollständigen Wissen um ihre<br />
potenziellen Folgen beurteilt wird.<br />
Lucienne Rey<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-11<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Dossier <strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>
Umweltrelevante Pläne frühzeitig prüfen<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
International<br />
Die Strategis<strong>ch</strong>e Umweltprüfung (SUP) ermittelt die Umweltauswirkungen eines Programms oder eines<br />
Plans. Im Gegensatz zur Umweltverträgli<strong>ch</strong>keitsprüfung (UVP) untersu<strong>ch</strong>t die SUP die Auswirkungen<br />
weniger detailliert, dafür aber breiter, und zeigt au<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>e Alternativen und Varianten auf.<br />
Die SUP kommt vorab bei Plänen und Programmen zum Einsatz, die den Rahmen für künftige UVPpfli<strong>ch</strong>tige<br />
Projekte setzen oder Berei<strong>ch</strong>e wie Verkehr, Energie, Landwirts<strong>ch</strong>aft oder Tourismus betreffen.<br />
Sie wurde in den letzten Jahren in allen Na<strong>ch</strong>barländern der S<strong>ch</strong>weiz und in der Europäis<strong>ch</strong>en<br />
Union gesetzli<strong>ch</strong> verankert. Im Mai 2003 wurde das «SUPProtokoll» der Wirts<strong>ch</strong>aftskommission für<br />
Europa der Vereinten Nationen (UNECE) an der Paneuropäis<strong>ch</strong>en Umweltministerkon ferenz in Kiew<br />
(Ukraine) von 35 Staaten und der Europäis<strong>ch</strong>en Kommission unterzei<strong>ch</strong>net. Das Protokoll trat am<br />
11. Juli <strong>2010</strong> in Kraft, na<strong>ch</strong>dem es von genügend Staaten ratifiziert worden war.<br />
Die S<strong>ch</strong>weiz hat das Protokoll no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ratifiziert. Allerdings ist im Kanton Genf die SUP für<br />
ausgewählte Pläne bereits gesetzli<strong>ch</strong> verankert und wird angewendet. Auf freiwilliger Basis ist sie<br />
au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on im Kanton Waadt dur<strong>ch</strong>geführt worden. Auf Bundesebene wird im Rahmen der Bestrebungen,<br />
die Berei<strong>ch</strong>e Umwelts<strong>ch</strong>utz und Raumplanung besser zu koordinieren, eine Wirkungsbeurteilung<br />
vorges<strong>ch</strong>lagen. Sie vereint die Anliegen der Na<strong>ch</strong>haltigkeitsbeurteilung (NHB) und der<br />
SUP. Das <strong>BAFU</strong> und das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) arbeiten derzeit an einer entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Methodik für die Anwendung bei der kantonalen Ri<strong>ch</strong>tplanung.<br />
«Historis<strong>ch</strong>e Auffüllung» des Globalen Umweltfonds<br />
Der 1991 gegründete Globale Umweltfonds (GEF) ist das Finanzierungsinstrument für die wi<strong>ch</strong>tigsten<br />
internationalen Umweltabkommen. Mit dem Geld werden Umwelts<strong>ch</strong>utzprojekte in<br />
Entwicklungs und Transitionsländern finanziert. Getragen wird er von 181 Ländern, internationalen<br />
Institutionen, Akteuren der Zivilgesells<strong>ch</strong>aft und des Privatsektors. Bisherige Ausgaben:<br />
9 Milliarden USDollar. Hinzu kommen zusätzli<strong>ch</strong>e Investitionen von 36 Milliarden Dollar, die dur<strong>ch</strong><br />
Dritte ausgelöst wurden. Im Mai <strong>2010</strong> einigten si<strong>ch</strong> die Geberländer auf die fünfte und bisher<br />
hö<strong>ch</strong>ste Wiederauffüllung des Fonds seit der Gründung: Die Beiträge wurden gegenüber jenen vor<br />
4 Jahren um 52 Prozent erhöht. Für GEF5 stehen 4,2 Milliarden Dollar für Projekte zur Verfügung.<br />
Angesi<strong>ch</strong>ts der gegenwärtigen Finanzkrise und der laufenden Budgetkürzungen in den einzelnen<br />
Ländern spri<strong>ch</strong>t <strong>BAFU</strong>Mitarbeiter Reinhard Gasser von einer «historis<strong>ch</strong>en Wiederauffüllung und<br />
einem positiven Signal insbesondere im Hinblick auf die Vertragsstaatenkonferenzen der Konventionen<br />
für Klima und Biodiversität». Weiterhin wird der GEF den grössten Teil der Beiträge für Klima<br />
und Bio diversität verwenden. Die S<strong>ch</strong>weiz hat si<strong>ch</strong> dafür eingesetzt, dass au<strong>ch</strong> Mittel für die Herausforderungen<br />
im Berei<strong>ch</strong> umweltbelastender Chemikalien zur Verfügung stehen.<br />
Niklaus Hilty<br />
Sektion UVP und Raumordnung<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 322 68 92<br />
nikolaus.hilty@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uvp ><br />
SUP > Grundlagenpapier<br />
Reinhard Gasser<br />
Sektion Europa und Bilaterales<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 322 97 77<br />
reinhard.gasser@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
39
Vor Ort<br />
40<br />
SO<br />
Neuer Lebensraum für Stör<strong>ch</strong>e<br />
Dank grosser Anstrengungen konnten die Bestände<br />
des Weissstor<strong>ch</strong>s in der S<strong>ch</strong>weiz stabilisiert<br />
werden. Derzeit leben hierzulande rund<br />
220 Brutpaare. Die Fortpflanzungsrate der<br />
Tiere (1,65 pro Paar) ist für eine Bestandszunahme<br />
aber ungenügend. Die Lebensgrund lage<br />
der Stör<strong>ch</strong>e ist na<strong>ch</strong> wie vor gefährdet, was<br />
si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> im Aktionsplan Weissstor<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weiz<br />
des Bundes widerspiegelt: Es fehlt an nahrungsrei<strong>ch</strong>en<br />
Wiesen, Weihern oder ungestörten<br />
Nistplätzen. Zur Verbesserung der Situation<br />
sollen nun in der Nähe von Selza<strong>ch</strong> Parzellen<br />
in der landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Nutzflä<strong>ch</strong>e gezielt<br />
aufgewertet werden. Mögli<strong>ch</strong>e Massnahmen<br />
des Pilotprojekts «Stor<strong>ch</strong>enwiese»: das An säen<br />
von extensivem Grünland und Feu<strong>ch</strong>twiesen<br />
oder das Platzieren von zwei Bruthilfen in der<br />
Nähe der Parzellen. Dieses neue Projekt will<br />
die langjährigen Bemühungen der Stor<strong>ch</strong>-Wiederansiedlung<br />
im bena<strong>ch</strong>barten Altreu weiterführen.<br />
> Mark Stru<strong>ch</strong>, Amt für Wald, Jagd und Fis<strong>ch</strong>erei,<br />
Solothurn, 032 627 25 96, mark.stru<strong>ch</strong>@vd.so.<strong>ch</strong><br />
LU<br />
Weniger Hürden für Biomasse<br />
Der Kanton Luzern will den Anteil erneuerbarer<br />
Energien bis ins Jahr 2030 verdoppeln. Des-<br />
halb vereinfa<strong>ch</strong>t er die Bewilligungsverfahren<br />
für landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Biogasanlagen (bisher<br />
6 landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e und 4 gewerbli<strong>ch</strong>-industrielle).<br />
Neu soll ein Bewilligungsents<strong>ch</strong>eid für<br />
landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Biogasanlagen mit einem<br />
Co-Substrat-Anteil von bis zu 20 Prozent bereits<br />
innerhalb von 40 Arbeitstagen gefällt werden.<br />
Zudem wird das Limit von bisher 10 000<br />
auf 15 000 Tonnen Biomasse pro Jahr für eine<br />
Anlage ausserhalb der Bauzone erhöht. Der<br />
Kanton s<strong>ch</strong>ätzt das Energiepotenzial der nutzbaren<br />
Biomasse auf 1100 Terajoule, was dem<br />
Heizölbedarf von 17 000 Einfamilienhäusern<br />
entspri<strong>ch</strong>t.<br />
> Christoph Böbner, Dienststelle Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />
und Wald, Sursee, 041 925 10 01,<br />
<strong>ch</strong>ristoph.boebner@lu.<strong>ch</strong><br />
BL<br />
Wegleitung für Tiere<br />
zVg<br />
Die ehemalige Tongrube der Ziegelei Oberwil<br />
ist ein Amphibienlai<strong>ch</strong>gebiet von nationaler<br />
Bedeutung. Nun setzt der Kanton ein neues<br />
Leitsystem für Amphibien, Igel, Mauswiesel,<br />
Iltis, Feldhase oder Da<strong>ch</strong>s ein. Leitelemente<br />
aus Beton werden mit Dur<strong>ch</strong>lässen kombiniert,<br />
die unter Strassen hindur<strong>ch</strong>führen. Damit errei<strong>ch</strong>en<br />
die Tiere gefahrlos die andere Strassenseite.<br />
Bisher wurden 600 Meter Leitsystem,<br />
41 Meter Stopprinnen und 36 Meter Kleintierdur<strong>ch</strong>lässe<br />
gebaut. Im laufenden Jahr sollen<br />
300 Meter Leitsystem hinzukommen.<br />
> Robert Leu, Bau- und Umwelts<strong>ch</strong>utzdirektion,<br />
Liestal, 061 706 29 02, robert.leu@bl.<strong>ch</strong><br />
BE<br />
Erstes Hybridpostauto<br />
Die PostAuto S<strong>ch</strong>weiz AG testet in der Region<br />
Bern den weltweit ersten Hybridautobus. Diese<br />
Fahrzeuge sparen im Stadtverkehr am meisten<br />
Treibstoff. PostAuto will nun testen, wie si<strong>ch</strong><br />
das Hybridpostauto diesbezügli<strong>ch</strong> im Überlandverkehr<br />
bewährt. Man re<strong>ch</strong>net mit einer<br />
Verbrau<strong>ch</strong>sreduzierung von 15 bis 25 Prozent<br />
gegenüber herkömmli<strong>ch</strong>en Dieselbussen. Beim<br />
Hybridantrieb teilt si<strong>ch</strong> ein Dieselmotor mit<br />
einem Elektroaggregat die Arbeit. Zudem<br />
wird die Energie, die beim Bremsen entsteht,<br />
dort gespei<strong>ch</strong>ert. So fährt der Bus bei stockendem<br />
Verkehr ohne Treibstoff und Abgase.<br />
Hybridbusse sind im Verglei<strong>ch</strong> zu reinen Dieselfahrzeugen<br />
aber teurer und au<strong>ch</strong> auf das knapper<br />
werdende Erdöl angewiesen. Deshalb will<br />
PostAuto ab 2011 Wasserstoffantriebe testen.<br />
> Mariano Masserini, S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Post, Bern,<br />
058 338 36 30, mariano.masserini@post.<strong>ch</strong><br />
BE / VD<br />
Mondfühlige Bäume<br />
Es ist eine alte Bauernregel: Nadelholz, das bei<br />
abnehmendem Mond ges<strong>ch</strong>lagen wird, soll widerstandsfähiger<br />
sein. Die «Mondholz-Theorie»<br />
wurde in den vergangenen Jahren von der Wissens<strong>ch</strong>aft<br />
vornehmli<strong>ch</strong> in die esoteris<strong>ch</strong>e Ecke<br />
gestellt. Nun legt eine Studie der Berner Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />
Ar<strong>ch</strong>itektur, Holz und Bau und der<br />
ETH Lausanne (EPFL) nahe, dass an der alten<br />
Bauernregel etwas dran ist. Die Auswertung von<br />
20 000 Testproben ergab, dass die untersu<strong>ch</strong>ten<br />
Hölzer (Fi<strong>ch</strong>te und Edelkastanie) je na<strong>ch</strong> Mondphase<br />
kleine, aber statistis<strong>ch</strong> signifikante Unter-<br />
zVg<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong>
s<strong>ch</strong>iede hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Wasserverlust, Di<strong>ch</strong>te und<br />
S<strong>ch</strong>windverhalten aufweisen. Einen abs<strong>ch</strong>liessenden<br />
Beweis, dass Mondholz widerstandsfähiger<br />
ist, liefert die Studie hingegen ni<strong>ch</strong>t.<br />
> Ernst Zür<strong>ch</strong>er, Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Ar<strong>ch</strong>itektur,<br />
Holz und Bau, Biel, 032 344 02 02,<br />
ernst.zuer<strong>ch</strong>er@bfh.<strong>ch</strong><br />
umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
BS / BE / SO / ZH<br />
Fingerfood ohne Abfall<br />
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Lebensmittel-<br />
und Getränkeinnovation an der<br />
Zür<strong>ch</strong>er Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule für Angewandte Wissens<strong>ch</strong>aften<br />
(ZHAW) haben Umweltämter und<br />
Entsorgungsbetriebe aus den Kantonen Basel-<br />
Stadt, Bern, Solothurn und Züri<strong>ch</strong> einen speziellen<br />
Ideenwettbewerb lanciert: Gesu<strong>ch</strong>t waren<br />
innovative, abfallarme Fingerfood-Lösungen<br />
für Grossanlässe wie zum Beispiel Open-Air-<br />
Konzerte, die oft riesige Abfallberge hinterlassen.<br />
Das Projekt soll weitere Innovationen<br />
an stossen und etwa Cateringunternehmen für<br />
die Thematik sensibilisieren.<br />
> www.fingerfood<strong>2010</strong>.<strong>ch</strong><br />
VD<br />
Sonne für sauberes Trinkwasser<br />
Die Waadtländer Firma Swiss INSO hat eine<br />
Anlage entwickelt, die pro Tag aus Brackwasser<br />
bis zu 100 000 und aus Meerwasser bis zu<br />
50 000 Liter Trinkwasser gewinnen kann. Die<br />
«Krystall»-Anlage ist in zwei S<strong>ch</strong>iffscontainer<br />
eingebaut. Aufgrund einer Filterte<strong>ch</strong>nologie, die<br />
mit wenig Wasserdruck funktioniert, rei<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
von Solarzellen gelieferter Strom<br />
zVg<br />
aus. Die Anlage kann für Hilfsorganisationen,<br />
Ni<strong>ch</strong>tregierungsorganisationen oder Regierungen<br />
in Entwicklungsländern ebenso interessant<br />
sein wie für Hotels und für Inseln, wo die Zufuhr<br />
von Trinkwasser kostspielig ist.<br />
> Swiss INSO, Lausanne, 021 641 19 30,<br />
www.swissinso.com, contact@swissinso.com<br />
SO<br />
Die «Solar-S<strong>ch</strong>weizer-Meister»<br />
Na<strong>ch</strong> zwei Jahren gezielter Förderung von<br />
Solaranlagen mausert si<strong>ch</strong> die 250-Seelen-<br />
Gemeinde Hessigkofen immer mehr zur<br />
S<strong>ch</strong>weizer Meisterin in der Nutzung von Sonnenenergie.<br />
Insgesamt rund 580 Quadratmeter<br />
Solarpanels – also mehr als zwei Quadratmeter<br />
pro Kopf – wurden im «Solardorf» mittlerweile<br />
installiert. Dabei handelt es si<strong>ch</strong> bei rund einem<br />
Drittel um thermis<strong>ch</strong>e Sonnenkollektoren<br />
(zur Warmwassergewinnung) und bei zwei Dritteln<br />
um Photovoltaikanlagen (zur Stromerzeugung).<br />
Nun soll eine Photovoltaikanlage s<strong>ch</strong>on<br />
bald den Strombedarf für die lokale Strassenbeleu<strong>ch</strong>tung<br />
decken.<br />
> Patrik Lis<strong>ch</strong>er, Gemeinderat Hessigkofen,<br />
Ressort Umwelt, 032 661 17 38,<br />
palis<strong>ch</strong>er@bluewin.<strong>ch</strong>, www.hessigkofen.<strong>ch</strong><br />
CH<br />
Mehr Totholz, mehr Spe<strong>ch</strong>te<br />
Das neuste Landesforstinventar (LFI) weist für<br />
den Zeitraum von 1995 bis 2005 einen Anstieg<br />
des Totholzvorrats von knapp 11 auf nahezu<br />
19 Kubikmeter pro Hektare aus. Diese Ent-<br />
zVg<br />
wicklung kam gemäss einer Publikation in<br />
der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Zeits<strong>ch</strong>rift für Forstwesen<br />
mehreren Waldvögeln zugute. Die Überwa<strong>ch</strong>ung<br />
des Brutvogelbestands dur<strong>ch</strong> die<br />
S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Vogelwarte hat eine Zunahme<br />
der Populationen von S<strong>ch</strong>warzspe<strong>ch</strong>t, Buntspe<strong>ch</strong>t,<br />
Mittelspe<strong>ch</strong>t, Kleinspe<strong>ch</strong>t, Grünspe<strong>ch</strong>t<br />
und Dreizehenspe<strong>ch</strong>t sowie von Haubenmeise,<br />
Mön<strong>ch</strong>smeise und Waldbaumläufer zwis<strong>ch</strong>en<br />
1990 und 2008 ergeben. Das höhere Totholzangebot<br />
dürfte bei den meisten dieser Arten<br />
der wi<strong>ch</strong>tigste Grund für den Bestandszuwa<strong>ch</strong>s<br />
sein, da es ihnen wi<strong>ch</strong>tigen Lebensraum bietet.<br />
> Pierre Mollet, S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Vogelwarte,<br />
Sempa<strong>ch</strong>, Tel. 041 462 97 41, www.vogelwarte.<strong>ch</strong><br />
BE<br />
Reservat für bedrohte Vögel<br />
zVg<br />
Hasel- und Auerhühner werden in unseren<br />
Breitengraden immer seltener. Der Kanton<br />
Bern und die Burgergemeinde Wattenwil wollen<br />
nun im Gurnigelgebiet ein Teilreservat für<br />
Auer- und Haselhühner s<strong>ch</strong>affen. Dort sollen<br />
die bedrohten Vögel ideale Lebensbedingungen<br />
vorfinden. Auf einer Flä<strong>ch</strong>e von 62,3 Hektaren<br />
(Vergrösserung geplant) werden unter anderem<br />
alte Bäume als S<strong>ch</strong>laf- und Balzbäume stehen<br />
gelassen. Zudem wird in der Balz- und Aufzu<strong>ch</strong>tzeit<br />
(April bis Juli) auf Forstarbeiten verzi<strong>ch</strong>tet.<br />
Darüber hinaus sollen neue Li<strong>ch</strong>tungen<br />
entstehen sowie die Verjüngung gefördert und<br />
ein entspre<strong>ch</strong>endes Nahrungsangebot (Ameisenhaufen,<br />
Heidel- und Himbeersträu<strong>ch</strong>er) begünstigt<br />
werden.<br />
> Philipp Mös<strong>ch</strong>, Amt für Wald, Waldabteilung 5,<br />
Bern, 031 808 11 22, philipp.moes<strong>ch</strong>@vol.be.<strong>ch</strong><br />
41
LÄRMBEKÄMPFUNG<br />
Neue Grenzwerte für<br />
militäris<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>iessanlagen<br />
Ungefähr 20 000 Personen in der S<strong>ch</strong>weiz sind gegenwärtig einer Lärmbelastung über<br />
den neuen Grenzwerten für militäris<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>iessen ausgesetzt. S<strong>ch</strong>on bald dürfen sie<br />
auf etwas mehr Ruhe hoffen. Auf den betroffenen Waffen-, S<strong>ch</strong>iess- und Übungsplätzen<br />
werden fallweise konkrete Sanierungsmassnahmen untersu<strong>ch</strong>t.<br />
Na<strong>ch</strong> VufflensleChâteau liegen die Haltestellen<br />
an der Eisenbahnlinie Bière–<br />
Apples–Morges (BAM) im Waadtland immer<br />
weiter auseinander. Wenn die<br />
beiden grünen Waggons na<strong>ch</strong> rund<br />
einer halben Stunde den Zielbahnhof<br />
Bière auf 700 Metern über Meer errei<strong>ch</strong>en,<br />
ist die Luft merkli<strong>ch</strong> kühler als<br />
unten in Morges. Die Türen öffnen si<strong>ch</strong><br />
auf ein friedli<strong>ch</strong>es 1500SeelenDorf. Es<br />
ist ein ruhiger Montagna<strong>ch</strong>mittag im<br />
März, irgendwo bellt ein Hund, die Vögel<br />
zwits<strong>ch</strong>ern, und ein Traktor fährt<br />
vorbei. Einzig die gelben Signaltafeln<br />
mit der Aufs<strong>ch</strong>rift «Casernes» weisen darauf<br />
hin, dass si<strong>ch</strong> hier in kaum 10 Fussminuten<br />
Entfernung der na<strong>ch</strong> Thun<br />
zweitgrösste Waffenplatz des Landes befindet.<br />
Seit der Armeereform XXI und<br />
einem Truppenabbau im Jahr 2006 ist<br />
Bière Sitz des Ausbildungszentrums<br />
der S<strong>ch</strong>weizer Artillerie. Auf dem Waffenplatz<br />
finden im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt jährli<strong>ch</strong><br />
200 S<strong>ch</strong>iesstage statt, was rund<br />
10 000 S<strong>ch</strong>üssen mit grosskalibriger<br />
Munition und einer Million kleinkalibrigen<br />
Patronen entspri<strong>ch</strong>t. An diesem<br />
Tag stehen vier Panzerhaubitzen M109<br />
im Einsatz. Vom unteren Teil der Ebene<br />
zielen sie Ri<strong>ch</strong>tung Mar<strong>ch</strong>airuzPassstrasse<br />
auf eine Reihe von Steinbrü<strong>ch</strong>en<br />
in etwa zwei Kilometern Entfernung.<br />
Die Ges<strong>ch</strong>osse sind platziert, zwei Männer<br />
in Leu<strong>ch</strong>twesten führen eine letzte<br />
Kontrolle dur<strong>ch</strong>. Die S<strong>ch</strong>üsse werden abgefeuert,<br />
und zur eigenen Überras<strong>ch</strong>ung<br />
42<br />
vibriert 50 Meter von den Panzerfahrzeugen<br />
entfernt der Brustkorb, während<br />
es den Ohren gut geht.<br />
Ein friedli<strong>ch</strong>es Dorf. Weniger als einen<br />
Kilometer nördli<strong>ch</strong> – zwis<strong>ch</strong>en der Strasse<br />
na<strong>ch</strong> Gimel und dem Wald entlang<br />
des Flüss<strong>ch</strong>ens Aubonne – begrüssen<br />
einige Pferde auf einem ehemaligen<br />
Bauernhof den Besu<strong>ch</strong>er in aller Ruhe.<br />
Die S<strong>ch</strong>üsse vom Waffenplatz stören sie<br />
in keiner Weise. Dies bestätigt au<strong>ch</strong> ihr<br />
Besitzer, der si<strong>ch</strong> weniger über die militäris<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>iessanlagen als vielmehr<br />
über die vierrädrigen Quads aufregt, die<br />
am Wo<strong>ch</strong>enende über das Gebiet herfallen.<br />
Ähnli<strong>ch</strong> reagiert au<strong>ch</strong> der Dorfmetzger<br />
auf die Frage na<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>en<br />
Immissionen dur<strong>ch</strong> den nahen Waffenplatz.<br />
«Heute haben sie do<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t<br />
ges<strong>ch</strong>ossen?», meint er zu seinem Mitarbeiter.<br />
Do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t alle Anwohnenden<br />
nehmen den S<strong>ch</strong>iesslärm so gelassen<br />
hin. Vielmehr gibt es au<strong>ch</strong> Betroffene,<br />
die si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> gestört fühlen.<br />
Das Umwelts<strong>ch</strong>utzgesetz (USG) und<br />
die Lärms<strong>ch</strong>utzVerordnung (LSV) von<br />
1986 s<strong>ch</strong>reiben den S<strong>ch</strong>utz der Bevölkerung<br />
vor s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>en oder lästigen<br />
Lärmimmissionen vor. Für den Lärm<br />
von militäris<strong>ch</strong>en Waffen, S<strong>ch</strong>iess und<br />
Übungsplätzen stützte man si<strong>ch</strong> bisher<br />
auf eine Empfehlung aus dem Jahr<br />
1994, die provisoris<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong>twerte für<br />
neue und alte Anlagen festlegt. Inzwis<strong>ch</strong>en<br />
hat die Eidgenössis<strong>ch</strong>e Kommission<br />
für Lärmbekämpfung (EKLB) die er<br />
forderli<strong>ch</strong>en Grundlagen zur Festlegung<br />
verbindli<strong>ch</strong>er Belastungsgrenzwerte<br />
erarbeitet. Sie orientierte si<strong>ch</strong> dabei an<br />
den wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Erkenntnissen<br />
einer kürzli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>geführten Studie<br />
der Eidgenössis<strong>ch</strong>en te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />
Züri<strong>ch</strong> (ETHZ) und der Eidgenössis<strong>ch</strong>en<br />
Materialprüfungs und Fors<strong>ch</strong>ungsanstalt<br />
(Empa) im Umfeld der<br />
a<strong>ch</strong>t militäris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>iessplätze Bière<br />
(VD), Thun (BE), Wangen an der Aare<br />
(BE), GehrenErlinsba<strong>ch</strong> (AG), Krähtal<br />
Riniken (AG), Walenstadt (SG), Herisau<br />
Gossau (AR/SG) und Chur (GR). Die entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Änderungen der LSV sind<br />
nun per August <strong>2010</strong> in Kraft getreten.<br />
Neue Grenzwerte. Die neue Regelung zur<br />
Lärmexposition der Bevölkerung dur<strong>ch</strong><br />
militäris<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>iessanlagen erfolgte in<br />
vier S<strong>ch</strong>ritten. 2007 wurde mit einer<br />
Umfrage bei rund tausend Anwohnern<br />
in der Nähe eines Waffenplatzes der<br />
Grad der Belästigung eruiert. Glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
erhoben Fa<strong>ch</strong>leute von ETHZ und<br />
Empa anhand von Armeedaten alle im<br />
Lauf des Jahres stattfindenden S<strong>ch</strong>iessaktivitäten.<br />
Dana<strong>ch</strong> ermittelten sie für<br />
jede befragte Person das Total der daraus<br />
entstehenden akustis<strong>ch</strong>en Energie.<br />
«Die erhöhte Störwirkung dur<strong>ch</strong> Lärmimmissionen<br />
während der Na<strong>ch</strong>tstunden<br />
und übers Wo<strong>ch</strong>enende wird mit<br />
einem Malus berücksi<strong>ch</strong>tigt», erklärt<br />
Hans Bögli, Chef der Sektion Luftfahrt,<br />
Militär und Gesundheit bei der <strong>BAFU</strong><br />
Abteilung Lärmbekämpfung. Auf die<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Lärmbekämpfung
Dauerbes<strong>ch</strong>uss für die Ohren der Anwohnenden:<br />
Allein auf dem Waffenplatz Bière<br />
(VD) werden pro Jahr rund eine Million<br />
kleinkalibrige Patronen und 10 000 S<strong>ch</strong>üsse<br />
mit grosskalibriger Munition abgefeuert.<br />
Bild: Zentrum elektronis<strong>ch</strong>e Medien (ZEM)<br />
Lärmbekämpfung > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Festlegung von spezifis<strong>ch</strong>en Belastungsgrenzwerten<br />
für die Na<strong>ch</strong>t hat man verzi<strong>ch</strong>tet,<br />
weil der S<strong>ch</strong>iessbetrieb auf militäris<strong>ch</strong>en<br />
Anlagen in dieser Zeit kaum von<br />
Bedeutung ist.<br />
In einem weiteren S<strong>ch</strong>ritt erfolgte die<br />
Ermittlung einer BelastungsWirkungs<br />
Kurve. Dazu galt es, den Zusammenhang<br />
zwis<strong>ch</strong>en Belästigungsgrad und Anzahl<br />
Dezibel (dB) zu eruieren, das heisst zwis<strong>ch</strong>en<br />
Umfrageergebnissen und den ge<br />
«Die erhöhte Störwirkung dur<strong>ch</strong> Lärmimmissionen<br />
während der Na<strong>ch</strong>tstunden und übers Wo<strong>ch</strong>enende<br />
wird mit einem Malus berücksi<strong>ch</strong>tigt.»<br />
Hans Bögli, <strong>BAFU</strong><br />
KONTAKT<br />
Hans Bögli<br />
Chef der Sektion Luftfahrt,<br />
Militär und Gesundheit<br />
Abteilung Lärmbekämpfung, <strong>BAFU</strong><br />
031 322 92 49<br />
noise@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
messenen akustis<strong>ch</strong>en Belastungen. Und<br />
s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> legte man anhand dieser<br />
Kurve die neuen Grenzwerte für die vier<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Nutzungszonen Erholung<br />
(I), Wohnen (II), Wohnen, Gewerbe und<br />
Landwirts<strong>ch</strong>aft (III) sowie Industrie (IV)<br />
fest. Grundsätzli<strong>ch</strong> gehen die Behörden<br />
davon aus, dass der Belastungsgrenzwert<br />
für die Wohnzone II im Berei<strong>ch</strong> anzusetzen<br />
ist, wo si<strong>ch</strong> bis zu 25 Prozent der Bevölkerung<br />
stark belästigt fühlen. Im Verglei<strong>ch</strong><br />
zu dieser Limite wird der Wert für<br />
Erholungszonen I um 5 dB tiefer und für<br />
die Zonen III und IV um 5 dB – respektive<br />
um 10 dB – höher angesetzt.<br />
Folgen vor Ort. Wel<strong>ch</strong>e Auswirkungen haben<br />
die neuen Regelungen auf die gemäss<br />
S<strong>ch</strong>ätzungen rund 20 000 Personen, wel<strong>ch</strong>e<br />
militäris<strong>ch</strong>em S<strong>ch</strong>iesslärm über den<br />
Grenzwerten ausgesetzt sind? «Als Erstes<br />
sollte die Sanierung der vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Militärplätze – dur<strong>ch</strong> Betriebsoptimierun<br />
gen oder den Bau von S<strong>ch</strong>utzwänden –<br />
den Lärm an der Quelle oder auf seinem<br />
Ausbreitungsweg vermindern helfen»,<br />
sagt Hans Bögli. «Genügt dies ni<strong>ch</strong>t, sind<br />
S<strong>ch</strong>alls<strong>ch</strong>utzfenster für die am meisten<br />
exponierten Gebäude vorzusehen.»<br />
Mit dem S<strong>ch</strong>iesssimulator verfügt<br />
der Waffenplatz Bière über einen zusätzli<strong>ch</strong>en<br />
Vorteil für die Lärmreduktion.<br />
Alexandre Beau, Kommandant des Artillerieausbildungszentrums<br />
und Oberst<br />
im Generalstab, ist stolz darauf. «Die<br />
S<strong>ch</strong>iessausbildung findet zu über 50 Prozent<br />
im Simulator statt.» Vom lei<strong>ch</strong>t erhöhten<br />
Cockpit aus lässt si<strong>ch</strong> der Einsatz<br />
von se<strong>ch</strong>s Panzerhaubitzen mit je se<strong>ch</strong>s<br />
Mann Besatzung trainieren. Sie sind wie<br />
für den Ernstfall ausgerüstet und werden<br />
von den Piloten dur<strong>ch</strong> ein dreidimensionales<br />
Gelände gesteuert. Sol<strong>ch</strong>e Übungen<br />
sind ni<strong>ch</strong>t nur geräus<strong>ch</strong>los, sondern sie<br />
reduzieren au<strong>ch</strong> Kosten, Unfallrisiken<br />
und die Luftvers<strong>ch</strong>mutzung. «Eigentli<strong>ch</strong><br />
fehlt nur der Geru<strong>ch</strong> von S<strong>ch</strong>iesspulver»,<br />
meint Alexandre Beau dazu.<br />
Anna Hohler<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-12<br />
43
UMWELTPREISE<br />
Gekrönte Bestleistungen für die Umwelt<br />
Umweltpreise rücken die Ausgezei<strong>ch</strong>neten und ihre Projekte ins öffentli<strong>ch</strong>e Rampenli<strong>ch</strong>t. Damit bringen<br />
sie Anerkennung und fördern die berufli<strong>ch</strong>e Laufbahn der Preisträger. Zudem motivieren sie andere, ebenfalls<br />
Bestleistungen für die Umwelt zu erbringen.<br />
Wer einen Umweltpreis gewinnen will,<br />
muss innovativ sein. Als Lohn für kreative<br />
Projekte im Dienst der Umwelt<br />
winken öffentli<strong>ch</strong>e Anerkennung und<br />
teilweise beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Geldsummen.<br />
Ausgezei<strong>ch</strong>net werden zum Beispiel<br />
neue te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Verfahren, die es erlauben,<br />
Produkte mit weniger Material und<br />
Energie herzustellen. Fors<strong>ch</strong>ende sind<br />
herausgefordert, neue Lösungen für<br />
Umweltprobleme zu finden. Und junge<br />
Unternehmen mit kreativen Ges<strong>ch</strong>äftsideen<br />
erhalten als Preis eine umfassende<br />
Beratung für einen erfolgrei<strong>ch</strong>en<br />
Markteintritt.<br />
Eine in den Preisauss<strong>ch</strong>reibungen<br />
ebenfalls häufig genannte Anforderung<br />
ist die Na<strong>ch</strong>haltigkeit. So erhalten zum<br />
Beispiel Firmen Anerkennung und<br />
Motivation, wenn sie bei der Unternehmensführung<br />
ökologis<strong>ch</strong>e, soziale und<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Ziele in Einklang bringen.<br />
Belohnt werden zudem Impulse für<br />
den klassis<strong>ch</strong>en Natur und Lands<strong>ch</strong>aftss<strong>ch</strong>utz,<br />
wobei die Auszei<strong>ch</strong>nungen hier<br />
weniger auf nationaler als vielmehr auf<br />
lokaler und regionaler Ebene erfolgen.<br />
Preis setzt Messlatte. Eine der hö<strong>ch</strong>sten<br />
Preissummen offeriert mit 50 000 Franken<br />
der «Umweltpreis der S<strong>ch</strong>weiz», bei<br />
dem seit 1997 au<strong>ch</strong> das <strong>BAFU</strong> als Sponsor<br />
mitwirkt. Na<strong>ch</strong> einem mehrjährigen<br />
Unterbru<strong>ch</strong> hat die verantwortli<strong>ch</strong>e<br />
Stiftung Pro Aqua – Pro Vita diese Auszei<strong>ch</strong>nung<br />
letztmals im Januar <strong>2010</strong><br />
wieder verliehen. «Der Preis bietet eine<br />
spezielle Gelegenheit, um jeweils eine<br />
44<br />
bestimmte Umweltthematik und konkrete<br />
Lösungen zur Ents<strong>ch</strong>ärfung von<br />
Umweltproblemen ins Li<strong>ch</strong>t zu rücken»,<br />
sagt Daniel Zür<strong>ch</strong>er, der beim <strong>BAFU</strong> für<br />
die Te<strong>ch</strong>nologieförderung zuständig ist.<br />
Dabei erfahre innovatives unternehmeris<strong>ch</strong>es<br />
Handeln eine besondere Wert<br />
s<strong>ch</strong>ätzung. Die Wirkung halte lange an,<br />
und die Ausgezei<strong>ch</strong>neten würden au<strong>ch</strong><br />
Jahre na<strong>ch</strong> der Preisvergabe no<strong>ch</strong> darauf<br />
verweisen und von einer einmaligen<br />
Erfahrung spre<strong>ch</strong>en.<br />
Dies bestätigt Rainer Bunge, Leiter<br />
des Instituts für Umwelt und Verfahrenste<strong>ch</strong>nik<br />
UMTEC an der Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />
Rapperswil (SG). Sein Team erhielt die<br />
Auszei<strong>ch</strong>nung 2005 für die Entwicklung<br />
eines Abgasfilters, mit dem si<strong>ch</strong> der<br />
Stickoxidausstoss von Dieselmotoren<br />
stark senken lässt. Der für die Te<strong>ch</strong>nikbran<strong>ch</strong>e<br />
zentrale Preis bringe grosses<br />
Renommee und habe dem Team sehr<br />
geholfen, obwohl die direkte Wirkung<br />
ni<strong>ch</strong>t genau abzus<strong>ch</strong>ätzen sei. Man<br />
dürfe aber davon ausgehen, dass si<strong>ch</strong><br />
eine sol<strong>ch</strong>e Auszei<strong>ch</strong>nung bei Finanzgesu<strong>ch</strong>en<br />
positiv auf die Beurteilung<br />
auswirke. 2007 gewannen zwei UMTEC<br />
Absolventen mit ihrer Idee für ein Unternehmen<br />
zur Vermarktung der Filter<br />
te<strong>ch</strong>nik den BusinessplanWettbewerb<br />
in Lie<strong>ch</strong>tenstein und konnten mit dieser<br />
Unterstützung die SpinoffFirma Filtecta<br />
in S<strong>ch</strong>aan gründen.<br />
Als weiteren Effekt der Würdigung<br />
dur<strong>ch</strong> Dritte erwähnt Rainer Bunge die<br />
na<strong>ch</strong>haltige Stärkung des Teamgeis<br />
In wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten trägt der Ruf<br />
einer sol<strong>ch</strong>en Auszei<strong>ch</strong>nung dazu bei, eine umweltbewusste<br />
Kunds<strong>ch</strong>aft an die Firma zu binden.<br />
tes: «Man misst si<strong>ch</strong> an dieser Leistung<br />
und fühlt si<strong>ch</strong> verantwortli<strong>ch</strong>, au<strong>ch</strong> in<br />
Zukunft spezielle Leistungen zu erbringen.»<br />
Zudem wirke die Auszei<strong>ch</strong>nung<br />
au<strong>ch</strong> für na<strong>ch</strong>folgende Ingenieure, die<br />
neue Teams bilden, als Ansporn. Die<br />
Preissumme sei zudem als eine Art<br />
«Spielgeld» sehr nützli<strong>ch</strong>, denn «damit<br />
lassen si<strong>ch</strong> Vorversu<strong>ch</strong>e zur Verifikation<br />
von Ideen finanzieren, die später<br />
mit der Industrie weiterverfolgt werden<br />
können.»<br />
Preis nützt dem Ges<strong>ch</strong>äft. Grossen Nutzen<br />
attestiert au<strong>ch</strong> Erwin Oberhänsli seinem<br />
Umweltpreis, den er 2008 von der<br />
UmweltStiftung erhielt. Als Ges<strong>ch</strong>äftsleitungsmitglied<br />
der Druckerei Feldegg<br />
AG in Zollikerberg (ZH) wurde er für die<br />
Pionierleistungen dieses Unternehmens<br />
im Umwelts<strong>ch</strong>utz geehrt. Am Anfang<br />
stand einfa<strong>ch</strong> die Freude über die Anerkennung.<br />
Dann folgten Medienberi<strong>ch</strong>te<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Umweltpreise
Im Inland gibt es eine breite Palette an<br />
Umweltauszei<strong>ch</strong>nungen. Innovative Energiekonzepte<br />
werden ebenso prämiert wie die<br />
Erhaltung traditioneller Kulturlands<strong>ch</strong>aften.<br />
Bilder: AURA; <strong>BAFU</strong> / Ch. Ko<strong>ch</strong>, J. Heinemann<br />
und Einladungen für Vorträge. Mit<br />
dem Renommee dieses Preises liess<br />
si<strong>ch</strong> das Image als umwelts<strong>ch</strong>onender<br />
Betrieb festigen. «Dies s<strong>ch</strong>afft Glaubwürdigkeit<br />
und Vertrauen bei meiner<br />
Kunds<strong>ch</strong>aft und gibt ihr die Si<strong>ch</strong>erheit,<br />
dass i<strong>ch</strong> es ernst meine und ni<strong>ch</strong>t<br />
‹Greenwashing› betreibe.» In wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>wierigen Zeiten trage<br />
der Ruf einer sol<strong>ch</strong>en Auszei<strong>ch</strong>nung<br />
dazu bei, eine umweltbewusste Kunds<strong>ch</strong>aft<br />
an die Firma zu binden. Das<br />
Preisgeld von 5000 Franken investierte<br />
er in ein Projekt zur Entwicklung einer<br />
<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Vermittlungsorganisation<br />
für Klimas<strong>ch</strong>utzzertifikate.<br />
2008 gewann die Chemikerin und<br />
Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>sfors<strong>ch</strong>erin Martine Poffet<br />
mit ihrer Doktorarbeit den Umweltfors<strong>ch</strong>ungspreis<br />
der Universität Fribourg.<br />
In dieser Arbeit entwickelte sie<br />
Lösungen, um die Selbstentzündung<br />
von getrocknetem Klärs<strong>ch</strong>lammgranulat<br />
in den Lagersilos zu vermeiden.<br />
Die Publizität rund um die Preisverleihung<br />
era<strong>ch</strong>tet sie als Vorteil für<br />
ihre Karriere. So konnte sie etwa ihre<br />
Kenntnisse bereits in Asien einbringen.<br />
Martine Poffet freut si<strong>ch</strong> aber vor<br />
allem über die inhaltli<strong>ch</strong>e Wirkung<br />
des Preises: Hier wurde angewandte interdisziplinäre<br />
Fors<strong>ch</strong>ung, wie sie die<br />
Umweltwissens<strong>ch</strong>aft darstellt, gewürdigt.<br />
Über den Preis liess si<strong>ch</strong> zudem<br />
thematisieren, wie bedeutsam das Recycling<br />
von Klärs<strong>ch</strong>lamm ist.<br />
Beatrix Mühlethaler<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-13<br />
Umweltpreise > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Ausgewählte Umweltpreise in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Energieeffizienz<br />
Prix Watt d’Or<br />
Die jährli<strong>ch</strong>en Auszei<strong>ch</strong>nungen in fünf<br />
Kategorien für Bestleistungen im Energieberei<strong>ch</strong><br />
sehen keine Preissumme vor.<br />
Ziele sind die öffentli<strong>ch</strong>e Anerkennung<br />
und Motivation zur Na<strong>ch</strong>ahmung in den<br />
Berei<strong>ch</strong>en Energieeffizienz und erneuerbare<br />
Energien.<br />
> Bundesamt für Energie; www.wattdor.<strong>ch</strong><br />
S<strong>ch</strong>weizer Solarpreis<br />
Begünstigte der alljährli<strong>ch</strong> in drei Kategorien<br />
erteilten Auszei<strong>ch</strong>nungen ohne<br />
Preisgeld sind Eigentümer, Planer und<br />
Ersteller von Bauten und Anlagen, die<br />
erneuerbare Energien nutzen, sowie deren<br />
Förderer. Ziel ist die Steigerung der<br />
Energieeffizienz und Produktion erneuerbarer<br />
Energien in Solar, Holz und Biomasseanlagen.<br />
> Solaragentur; www.solaragentur.<strong>ch</strong><br />
Natur- und Lands<strong>ch</strong>aftss<strong>ch</strong>utz<br />
Elisabeth und Oscar Beugger-Preis<br />
Der mit 50 000 Franken dotierte und alle<br />
zwei Jahre vergebene Preis anerkennt<br />
ausserordentli<strong>ch</strong>e Bemühungen Privater<br />
und von öffentli<strong>ch</strong>en Institutionen.<br />
> E. + O. Beugger-Stiftung; www.pronatura.<strong>ch</strong><br />
Binding-Preis<br />
Jährli<strong>ch</strong> stehen 80 000 Franken für einen<br />
Hauptpreis, der an Einzelpersonen vergeben<br />
wird, und drei Anerkennungs<br />
gaben zugunsten von Gruppen, Fa<strong>ch</strong>stellen<br />
sowie Organisationen zur Verfügung.<br />
Ausgezei<strong>ch</strong>net wird die Förderung<br />
der Auseinandersetzung mit Natur und<br />
Umweltproblemen in der Öffentli<strong>ch</strong>keit.<br />
> Binding Stiftung; www.binding.li<br />
Hermann Walder-Preis: Die jährli<strong>ch</strong>e Auszei<strong>ch</strong>nung<br />
in Höhe von 50 000 Franken<br />
anerkennt das harmonis<strong>ch</strong>e Zusammenwirken<br />
von Naturs<strong>ch</strong>utz, Forst und<br />
Landwirts<strong>ch</strong>aft. Prämiert werden Wald<br />
eigentümer, Bauern, Gemeinden, Private<br />
und Gruppen aus der Nordwests<strong>ch</strong>weiz.<br />
> Hermann und Elisabeth Walder-Ba<strong>ch</strong>mann<br />
Stiftung; c/o Christoph Merian Stiftung;<br />
www.merianstiftung.<strong>ch</strong><br />
Prix Bio<br />
Der etwa alle zwei Jahre ausges<strong>ch</strong>riebene<br />
und mit 10 000 Franken dotierte Preis<br />
zei<strong>ch</strong>net ausserordentli<strong>ch</strong>e Leistungen<br />
von Personen für die Entwicklung der<br />
Bio und Naturgärten oder des biologis<strong>ch</strong>en<br />
Landbaus aus.<br />
> Bioterra; www.prixbio.<strong>ch</strong><br />
45
Umweltfors<strong>ch</strong>ung<br />
H&W Fors<strong>ch</strong>ungspreis<br />
Der mit 5000 Franken dotierte und jährli<strong>ch</strong><br />
vergebene Preis will praktis<strong>ch</strong>e, direkt<br />
umsetzbare Fors<strong>ch</strong>ung im Berei<strong>ch</strong><br />
des Natur und Lands<strong>ch</strong>aftss<strong>ch</strong>utzes<br />
fördern. Beurteilt werden insbesondere<br />
Diplom und Doktorarbeiten von jungen<br />
Fors<strong>ch</strong>enden.<br />
> Hintermann und Weber AG;<br />
www.hintermannweber.<strong>ch</strong><br />
Umweltfors<strong>ch</strong>ungspreis der Universität Bern<br />
Für die Förderung im Berei<strong>ch</strong> der Umweltwissens<strong>ch</strong>aften<br />
steht alle zwei Jahre<br />
ein Preisgeld von 15 000 Franken bereit.<br />
Angespro<strong>ch</strong>en sind speziell Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>sfors<strong>ch</strong>ende<br />
aller Disziplinen an der Universität<br />
Bern, die Umweltprobleme und<br />
deren Lösung untersu<strong>ch</strong>en.<br />
> Universität Bern; www.fors<strong>ch</strong>ung.unibe.<strong>ch</strong> ><br />
Fors<strong>ch</strong>ungspreise<br />
Umweltfors<strong>ch</strong>ungspreis der Universität<br />
Freiburg<br />
Die Auszei<strong>ch</strong>nung von 10 000 Franken<br />
wird zweijährli<strong>ch</strong> vergeben. Sie kommt<br />
Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>sfors<strong>ch</strong>enden sämtli<strong>ch</strong>er Disziplinen<br />
an der Universität Freiburg<br />
zugute, wel<strong>ch</strong>e Umweltprobleme und<br />
Lösungen dafür erfors<strong>ch</strong>en.<br />
> Universität Freiburg;<br />
www.unifr.<strong>ch</strong>/environment/de/umweltpreis<br />
46<br />
Umwelts<strong>ch</strong>utz und na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung<br />
Prix Evenir<br />
Begünstigte dieses mit jährli<strong>ch</strong> 50 000<br />
Franken dotierten Preises sind Einzelpersonen<br />
und klar definierte Personengruppen.<br />
Sie sollen im Sinn einer na<strong>ch</strong>haltigen<br />
Entwicklung Anregungen zu<br />
ökologis<strong>ch</strong> tragfähigen, sozial gere<strong>ch</strong>ten<br />
und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> effizienten Denk<br />
und Handlungsweisen geben.<br />
> Erdölvereinigung; www.erdoel-vereinigung.<strong>ch</strong><br />
Prix NATURE<br />
Die jährli<strong>ch</strong> in vers<strong>ch</strong>iedenen Kategorien<br />
verliehene Auszei<strong>ch</strong>nung verspri<strong>ch</strong>t<br />
zwar kein Geld, aber unter anderem<br />
beratende Unterstützung und mediale<br />
Aufmerksamkeit. Als Begünstigte kommen<br />
Organisationen, Unternehmen und<br />
Personen in Frage, die aktiv zur Na<strong>ch</strong>haltigkeit<br />
beitragen und die S<strong>ch</strong>weizer<br />
Gesells<strong>ch</strong>aft zu entspre<strong>ch</strong>enden Denk<br />
und Handlungsweisen motivieren.<br />
> www.natur.<strong>ch</strong> > GALA > Prix NATURE<br />
Umweltpreis der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Für den Hauptpreis stehen alle zwei<br />
bis drei Jahre 50 000 Franken zur Verfügung.<br />
Zu sätzli<strong>ch</strong> erfolgt eine Unternehmerauszei<strong>ch</strong>nung<br />
ohne Preissumme.<br />
Unterstützung erhalten Private, Firmen,<br />
die öffentli<strong>ch</strong>e Hand und Organisa tio<br />
nen, wel<strong>ch</strong>e innovative, ressourcens<strong>ch</strong>o<br />
nende Te<strong>ch</strong>nologien, Verfahren und Produkte<br />
erfinden und umsetzen.<br />
> Stiftung Pro Aqua – Pro Vita;<br />
www.umweltpreis.<strong>ch</strong><br />
Umweltpreis der Albert Koe<strong>ch</strong>lin Stiftung<br />
(aks)<br />
Für die Förderung besonderer Leistungen<br />
in den Berei<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung,<br />
Vernetzung und Kommuni<br />
kation setzt die aks jährli<strong>ch</strong> eine<br />
Preissumme von 10 000 bis 40 000 Franken<br />
aus. Zugelassen sind Projekte von<br />
Personen aus den Kantonen LU, NW,<br />
OW, SZ und UR.<br />
> Albert Koe<strong>ch</strong>lin Stiftung; www.aks-stiftung.<strong>ch</strong><br />
Umweltpreis der Umwelt-Stiftung<br />
Spezielle Leistungen für den Umwelts<strong>ch</strong>utz<br />
werden in mehreren Preiskategorien<br />
mit 5000 bis 10 000 Franken pro<br />
Jahr gefördert.<br />
> Umwelt-Stiftung; www.umwelt-stiftung.<strong>ch</strong><br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Umweltpreise
Unternehmen<br />
Gebäudete<strong>ch</strong>nik-Award<br />
Mit dem Preis von jährli<strong>ch</strong> 10 000 Franken<br />
zei<strong>ch</strong>nen die Fa<strong>ch</strong>organisationen<br />
der Bran<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong>haltige Konzepte für<br />
die Gebäudete<strong>ch</strong>nik aus. Damit wollen<br />
sie das Innovationspotenzial und die<br />
Kompetenz ihres Sektors demonstrieren.<br />
Angespro<strong>ch</strong>en sind Bauherrs<strong>ch</strong>aften,<br />
Planungsteams und Lieferanten von<br />
Te<strong>ch</strong>nikkomponenten.<br />
> www.gebaeudete<strong>ch</strong>nikaward.<strong>ch</strong><br />
Green IT Innovation Award<br />
Für den jährli<strong>ch</strong> in drei Kategorien<br />
ausges<strong>ch</strong>riebenen StartupAward gibt<br />
es kein Preisgeld, sondern einen Beratungsguts<strong>ch</strong>ein.<br />
Die Agentur Orbit<br />
sowie Öbu – Netzwerk für na<strong>ch</strong>haltiges<br />
Wirts<strong>ch</strong>aften – und WWF wollen so die<br />
Innovation, Fors<strong>ch</strong>ung, Entwicklung<br />
und Anwendung von grünen Informationste<strong>ch</strong>nologien<br />
dur<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz<br />
ansässige Firmen und Privatpersonen<br />
fördern.<br />
> www.green-it-award.<strong>ch</strong><br />
Umweltpreise > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Na<strong>ch</strong>haltigkeitspreis ZKB<br />
Die Zür<strong>ch</strong>er Kantonalbank (ZKB) vergibt<br />
jährli<strong>ch</strong> insgesamt 150 000 Franken für<br />
vier Preise zur Förderung der Na<strong>ch</strong>haltigkeit<br />
dur<strong>ch</strong> KMUBetriebe mit bis zu<br />
250 Angestellten. Ziele sind die höhere<br />
Anerkennung und die Motivation zur<br />
Na<strong>ch</strong>ahmung.<br />
> www.zkb.<strong>ch</strong>/na<strong>ch</strong>haltigkeitspreis<br />
PRIDE<br />
Begünstigte des mit 5000 Franken dotierten<br />
und alle zwei Jahre vergebenen<br />
Preises sind Firmen im Kanton Neuenburg.<br />
Zweck ist die Förderung und Anerkennung<br />
erstklassiger Leistungen für<br />
eine na<strong>ch</strong>haltige Entwicklung im Rahmen<br />
der unternehmeris<strong>ch</strong>en Tätigkeit.<br />
> Association ecoparc; www.ecoparc.<strong>ch</strong><br />
R.I.O. Award<br />
Die zweijährli<strong>ch</strong> erteilte Auszei<strong>ch</strong>nung<br />
von 20 000 Euro kommt Unternehmen<br />
im deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>igen Raum<br />
mit einer vorbildli<strong>ch</strong>en Material und<br />
Energieeffizienz zugute. Damit sollen<br />
Innovationen zur Reduktion des Ressourcenverbrau<strong>ch</strong>s<br />
und zu einer ras<strong>ch</strong>en<br />
Verminderung des Kohlendioxidausstosses<br />
gefördert werden.<br />
> R.I.O. Impuls (Luzern) + Aa<strong>ch</strong>ener Stiftung<br />
Kathy Beys; www.rio-innovation.de<br />
Prämierte Bestleistungen für die Umwelt mit<br />
zum Teil internationaler Ausstrahlungskraft:<br />
Klimafors<strong>ch</strong>ung an der Universität Bern und<br />
Hohlkörpermodule aus rezykliertem Kunststoff.<br />
Für diese Innovation, wel<strong>ch</strong>e den<br />
Betonverbrau<strong>ch</strong> beim Bau von Decken reduziert,<br />
hat die Firma Cobiax <strong>2010</strong> den Umweltpreis<br />
der S<strong>ch</strong>weiz erhalten. Der Neubau des<br />
Berufsbildungszentrums Baden (AG) ist mit<br />
dem Gebäudete<strong>ch</strong>nik-Award ausgezei<strong>ch</strong>net<br />
worden.<br />
Bilder: NFS Klima; MCH Messe S<strong>ch</strong>weiz (Basel);<br />
Gebäudete<strong>ch</strong>nik-Award, Burkard Meyer<br />
KONTAKT<br />
Daniel Zür<strong>ch</strong>er<br />
Chef der Sektion Innovation<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 322 93 51<br />
daniel.zuer<strong>ch</strong>er@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
47
ALARMIERUNG BEI NATURGEFAHREN<br />
Zeitige Warnungen sparen Millionen<br />
Zeit ist Geld – dies gilt au<strong>ch</strong> bei der Bewältigung von s<strong>ch</strong>werwiegenden Naturereignissen:<br />
Die S<strong>ch</strong>äden lassen si<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> vermindern, wenn Krisenstäbe und Betroffene re<strong>ch</strong>tzeitig<br />
gewarnt werden. In diese Ri<strong>ch</strong>tung zielt das Projekt des Bundes zur Optimierung von<br />
Warnung und Alarmierung bei Naturgefahren (OWARNA).<br />
Geladen mit feu<strong>ch</strong>twarmer Mittelmeerluft<br />
zog im August 2005 ein kräftiges<br />
Tief vom Golf von Genua her um die<br />
Ostalpen herum an den Alpennordrand,<br />
wo es si<strong>ch</strong> in sintflutartigen Regenfällen<br />
entleerte. Zahlrei<strong>ch</strong>e Messstationen<br />
für Nieders<strong>ch</strong>läge und Pegelstände von<br />
Fliessgewässern verzei<strong>ch</strong>neten neue Rekordwerte.<br />
Bä<strong>ch</strong>e und Seen traten über<br />
die Ufer, Hänge kamen ins Ruts<strong>ch</strong>en. Das<br />
Unwetter hinterliess in weiten Teilen der<br />
S<strong>ch</strong>weiz eine Spur der Verwüstung.<br />
Arg betroffen war damals das Berner<br />
Mattequartier. Na<strong>ch</strong>dem Unmengen von<br />
S<strong>ch</strong>wemmholz den Lauf der Aare versperrt<br />
hatten, strömte der Fluss dur<strong>ch</strong><br />
die Gassen. Man<strong>ch</strong>e Häuser standen<br />
2 Meter tief im Wasser. Die S<strong>ch</strong>äden beliefen<br />
si<strong>ch</strong> auf über 50 Millionen Franken.<br />
Eine na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>e Analyse ergab,<br />
dass mit einer bes seren Information<br />
der Einsatzleitzentralen sowie einer früheren<br />
Alarmierung ein Grossteil davon<br />
vermeidbar gewesen wäre.<br />
Lehren aus dem Katastrophenjahr 2005.<br />
In der Folge ergriff die Stadt Bern eine<br />
Reihe von vorsorgli<strong>ch</strong>en Massnahmen.<br />
Sie ri<strong>ch</strong>tete Interventionsplätze ein, wo<br />
sie das S<strong>ch</strong>wemmholz mit Kränen ras<strong>ch</strong><br />
aus dem Wasser holen kann, bevor es<br />
den Dur<strong>ch</strong>fluss verstopft. Vor den Häusern<br />
baute man Verankerungen ein, an<br />
denen si<strong>ch</strong> bei Bedarf Dammbalken aus<br />
Aluminium montieren lassen. Au<strong>ch</strong> das<br />
Alarmierungskonzept wurde überarbeitet.<br />
Dank zusätzli<strong>ch</strong>er Messstationen<br />
und besserer Wasserabflussprognosen<br />
kann die Leitzentrale der Berufsfeuerwehr<br />
inzwis<strong>ch</strong>en einigermassen präzise<br />
abs<strong>ch</strong>ätzen, wie si<strong>ch</strong> der Aarepegel in<br />
48<br />
Bern in den nä<strong>ch</strong>sten zwei Stunden entwickeln<br />
wird.<br />
Die Bewährungsprobe kam s<strong>ch</strong>on<br />
na<strong>ch</strong> zwei Jahren. Im August 2007 errei<strong>ch</strong>te<br />
der Pegelstand der Aare erneut<br />
Hö<strong>ch</strong>st werte. Do<strong>ch</strong> diesmal blieben die<br />
S<strong>ch</strong>äden gering. Das S<strong>ch</strong>wemmholz<br />
konnte re<strong>ch</strong>tzeitig entfernt werden, und<br />
mithilfe von mobil einsetzbaren, wassergefüllten<br />
S<strong>ch</strong>lau<strong>ch</strong>sperren – sogenannten<br />
BeaverDämmen – gelang es, die Aare<br />
am Ausufern zu hindern. Wo trotzdem<br />
Wasser eindrang, halfen die direkt vor<br />
den Häusern montierten Aluminiumplatten.<br />
Vor dem Wasser kommt ein SMS. Wenn das<br />
Flussbett der Aare voll ist, steigt in der<br />
Matte au<strong>ch</strong> das Niveau des Grundwas<br />
sers an, sodass dieses gelegentli<strong>ch</strong> in<br />
Keller eindringt. Besteht diese Gefahr,<br />
vibrieren mittlerweile die Mobiltelefone<br />
der Mattenbewohnerinnen und bewohner,<br />
die den SMSWarndienst «Mikado»<br />
abonniert haben. «Anstieg der Aare<br />
ma<strong>ch</strong>t Eindringen von Grundwasser<br />
mögli<strong>ch</strong>. Keller kontrollieren, eventuell<br />
räumen», steht in der Textna<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t.<br />
Au<strong>ch</strong> dieser Dienst trug im Sommer<br />
2007 dazu bei, S<strong>ch</strong>äden zu verhindern.<br />
Dass eine zeitige Warnung vor Naturgefahren<br />
Gold wert ist, bestätigte au<strong>ch</strong><br />
die gesamts<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Ereignisana<br />
lyse der Unwetter von 2005. Gemäss<br />
S<strong>ch</strong>ätzungen von Fa<strong>ch</strong>leuten wäre die<br />
damalige Gesamts<strong>ch</strong>adensumme von<br />
3 Milliarden Franken bei einer re<strong>ch</strong>tzeitigen<br />
Alarmierung aller Betroffenen<br />
um rund eine halbe Milliarde niedriger<br />
ausgefallen. So erlitten etwa 6000 parkierte<br />
Autos Totals<strong>ch</strong>aden, von denen<br />
viele heil geblieben wären, wenn ihre<br />
Besitzer sie na<strong>ch</strong> einer re<strong>ch</strong>tzeitigen<br />
Warnung in Si<strong>ch</strong>erheit gebra<strong>ch</strong>t hätten,<br />
bevor das verheerende Wasser kam.<br />
Bereits eine Wo<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> der Unwetterkatastrophe<br />
lancierte der Bundesrat<br />
das Projekt Optimierung der Warnung<br />
und Alarmierung bei Naturgefahren<br />
(OWARNA). Das Bundesamt für Bevölkerungss<strong>ch</strong>utz<br />
(BABS) erhielt den Auftrag,<br />
in Zusammenarbeit mit der Nationa<br />
S<strong>ch</strong>werwiegende Naturereignisse sollen künftig um<br />
20 Prozent geringere S<strong>ch</strong>äden verursa<strong>ch</strong>en, als dies<br />
ohne Optimierungen der Fall wäre.<br />
len Plattform Naturgefahren (PLANAT)<br />
zu untersu<strong>ch</strong>en, wo im Berei<strong>ch</strong> von<br />
planeris<strong>ch</strong>en, organisatoris<strong>ch</strong>en und<br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Massnahmen Verbesserungsmögli<strong>ch</strong>keiten<br />
bei der Bewältigung<br />
derartiger Notlagen bestehen.<br />
20 Prozent weniger S<strong>ch</strong>äden als Ziel. 2007<br />
lag der OWARNAS<strong>ch</strong>lussberi<strong>ch</strong>t vor.<br />
Darauf aufbauend bes<strong>ch</strong>loss die S<strong>ch</strong>weizer<br />
Regierung ein Bündel von Massnahmen<br />
mit dem Ziel, dass s<strong>ch</strong>werwiegende<br />
Naturereignisse künftig um 20 Prozent<br />
geringere S<strong>ch</strong>äden verursa<strong>ch</strong>en sollen,<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Naturgefahren
Im August 2005 floss die Ho<strong>ch</strong>wasser führende Aare meterho<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong> die Strassen des flussnahen Mattequartiers am Rand<br />
der Berner Altstadt. Zwei Jahre später verhinderte eine Reihe von<br />
vorsorgli<strong>ch</strong> getroffenen S<strong>ch</strong>utzmassnahmen eine Wiederholung<br />
der Übers<strong>ch</strong>wemmungskatastrophe. Unter anderem halfen direkt<br />
vor den Häusern montierte Dammbalken aus Aluminium, das eindringende<br />
Wasser abzuwehren.<br />
Bilder von oben na<strong>ch</strong> unten: AWA, Bern; Simone Hunziker, <strong>BAFU</strong>; Christian S<strong>ch</strong>uler, Bern (2)<br />
als dies ohne Optimierungen der Fall<br />
wäre. Dies will der Bundesrat im Wesentli<strong>ch</strong>en<br />
dur<strong>ch</strong> folgende Massnahmen<br />
si<strong>ch</strong>erstellen:<br />
• Verbesserte Modelle und eine erweiterte<br />
Datenbasis sollen zeitli<strong>ch</strong><br />
und räumli<strong>ch</strong> genauere Wetter<br />
und Abflussprognosen liefern.<br />
• Die Systeme zur Alarmierung und<br />
Information der Bevölkerung sollen<br />
über unabhängige, doppelt angelegte<br />
Netze mit Notstromversorgung<br />
verfügen.<br />
• In Notfallsituationen müssen alle<br />
eins<strong>ch</strong>lägigen Fa<strong>ch</strong>stellen rund<br />
um die Uhr anspre<strong>ch</strong>bar sein. Dies<br />
betrifft die Abteilungen Hydrologie<br />
und Gefahrenprävention beim<br />
<strong>BAFU</strong>, MeteoS<strong>ch</strong>weiz, das Institut<br />
für S<strong>ch</strong>nee und Lawinenfors<strong>ch</strong>ung<br />
(SLF) sowie den S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Erdbebendienst (SED).<br />
• Neu soll die zu einem gesamts<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Melde und Lagezentrum<br />
ausgebaute Nationale<br />
Alarmzentrale (NAZ) des BABS au<strong>ch</strong><br />
bei Naturereignissen die Gesamtlage<br />
erfassen, alle Partner vernetzen<br />
und dringende Meldungen<br />
ras<strong>ch</strong> und si<strong>ch</strong>er verbreiten.<br />
Gemeinsame Informationsplattform (GIN).<br />
Um die Zusammenarbeit und den Informationsfluss<br />
zwis<strong>ch</strong>en den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Fa<strong>ch</strong>stellen zu verbessern, hatte<br />
man s<strong>ch</strong>on zuvor begonnen, im Internet<br />
die Gemeinsame Informationsplattform<br />
(GIN) einzuri<strong>ch</strong>ten. Hier finden<br />
Einsatzkräfte und Behörden die<br />
erforderli<strong>ch</strong>en Fa<strong>ch</strong>informationen zur<br />
Bewältigung von Naturereignissen.<br />
Naturgefahren > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
2005<br />
2007<br />
49
Die 2007 bes<strong>ch</strong>lossenen Massnahmen<br />
sind inzwis<strong>ch</strong>en teilweise umgesetzt.<br />
Damit liessen si<strong>ch</strong> bei der Warnung<br />
und Alarmierung, aber au<strong>ch</strong> bei der<br />
Gefahrenprävention erhebli<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritte<br />
erzielen. Letzteres zeigte si<strong>ch</strong><br />
beispielsweise im April 2009, als im<br />
Berggebiet no<strong>ch</strong> sehr viel S<strong>ch</strong>nee lag.<br />
Die Situation weckte Erinnerungen an<br />
den Mai 1999 – damals hatte die S<strong>ch</strong>nees<strong>ch</strong>melze<br />
na<strong>ch</strong> dem Lawinenwinter zusammen<br />
mit intensiven Nieders<strong>ch</strong>lägen<br />
im Mittelland zu Übers<strong>ch</strong>wemmungen<br />
geführt. Aufgrund einer gemeinsamen<br />
Lagebeurteilung dur<strong>ch</strong> <strong>BAFU</strong>, SLF sowie<br />
MeteoS<strong>ch</strong>weiz bes<strong>ch</strong>lossen deshalb das<br />
<strong>BAFU</strong> und die betroffenen Kantone, die<br />
Pegelstände von Bieler, Neuenburger<br />
und Murtensee dur<strong>ch</strong> eine entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Regulierung beim Wehr Port (BE) am<br />
Ausfluss der Aare aus dem Bielersee tief<br />
zu halten. Dies sollte die Spei<strong>ch</strong>erkapazität<br />
der drei Jurarandseen erhöhen<br />
und damit Ho<strong>ch</strong>wassers<strong>ch</strong>äden am Unterlauf<br />
der Aare vorbeugen.<br />
Das befür<strong>ch</strong>tete Szenario trat dann<br />
glückli<strong>ch</strong>erweise ni<strong>ch</strong>t ein, und na<strong>ch</strong><br />
der Entwarnung gegen Ende April liess<br />
man die Seen wieder auf den für diese<br />
Jahreszeit übli<strong>ch</strong>en Wasserstand ansteigen.<br />
Denno<strong>ch</strong> erwies si<strong>ch</strong> die Übung in<br />
einem gewissen Sinn als Bewährungsprobe<br />
für die im Rahmen des Projekts<br />
OWARNA eingeleiteten Massnahmen.<br />
«Es war wi<strong>ch</strong>tig, die organisatoris<strong>ch</strong>planeris<strong>ch</strong>en<br />
Vorkehrungen für eine<br />
effiziente Zusammenarbeit der beteiligten<br />
Fa<strong>ch</strong>stellen bereits vorgängig zu<br />
treffen», sagt Gian Reto Bezzola, Chef<br />
der Sektion Risikomanagement beim<br />
50<br />
<strong>BAFU</strong>. Ad hoc wäre dies kaum mögli<strong>ch</strong><br />
gewesen: «Nur wenn in ruhigen Zeiten<br />
ohne Probleme die nötigen Strukturen<br />
aufgebaut werden und die Abläufe geregelt<br />
sind, ist gewährleistet, dass im<br />
Ereignisfall au<strong>ch</strong> alles klappt.»<br />
Gut investiertes Geld. No<strong>ch</strong> sind indessen<br />
ni<strong>ch</strong>t alle vom Bundesrat bes<strong>ch</strong>lossenen<br />
Massnahmen umgesetzt, und sie<br />
werden si<strong>ch</strong> mit den bereitgestellten<br />
Mitteln au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t vollständig realisieren<br />
lassen. Ein <strong>2010</strong> eingerei<strong>ch</strong>ter<br />
OWARNAFolgeberi<strong>ch</strong>t beziffert die für<br />
die Umsetzung des Projekts erforderli<strong>ch</strong>en<br />
Bundesgelder auf jährli<strong>ch</strong> 13 bis<br />
17 Millionen Franken. Weitere 40 bis<br />
50 Millionen Franken pro Jahr müssten<br />
die Kantone aufwenden.<br />
Auf Bundesebene besteht der grösste<br />
Handlungsbedarf im Berei<strong>ch</strong> der Vorhersage<br />
von Ho<strong>ch</strong>wasserereignissen, die<br />
hierzulande 70 Prozent aller S<strong>ch</strong>äden<br />
dur<strong>ch</strong> häufig auftretende Naturgefahren<br />
ausma<strong>ch</strong>en. Damit das <strong>BAFU</strong> die hydrologis<strong>ch</strong>e<br />
Prognose verbessern kann,<br />
ist eine permanente Beurteilung und<br />
Überwa<strong>ch</strong>ung der Gewässer erforderli<strong>ch</strong>.<br />
Zudem muss das Amt die bis jetzt<br />
auf das RheinEinzugsgebiet begrenzten<br />
Vorhersagen künftig auf die gesamte<br />
Landes flä<strong>ch</strong>e ausdehnen. Als zentral<br />
era<strong>ch</strong>tet die Regierung au<strong>ch</strong> eine frühzeitige,<br />
ras<strong>ch</strong>e und zielgruppengere<strong>ch</strong>te<br />
Information der Medien sowie der Bevölkerung<br />
bei kritis<strong>ch</strong>en Wetterlagen.<br />
Im Interesse einer besseren Ereignisvorsorge<br />
hat die Bundeskanzlei im Internet<br />
ausserdem das Präventionsportal www.<br />
<strong>ch</strong>.<strong>ch</strong>/gefahren eingeri<strong>ch</strong>tet.<br />
Gemäss der 2003 publizierten KATA<br />
RISKStudie des BABS ri<strong>ch</strong>ten Ruts<strong>ch</strong>ungen,<br />
Ho<strong>ch</strong>wasser, Gewitter, Stürme und<br />
Lawinen in der S<strong>ch</strong>weiz S<strong>ch</strong>äden im<br />
Umfang von dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> 1,2 Mil<br />
liarden Franken pro Jahr an. Weil<br />
die regionalen Klimaszenarien für den<br />
Alpenraum darauf hindeuten, dass<br />
Starknieders<strong>ch</strong>läge mit den steigenden<br />
Temperaturen eher zunehmen werden,<br />
ist künftig mit tendenziell höheren<br />
S<strong>ch</strong>adensummen zu re<strong>ch</strong>nen. Sofern<br />
es gelingen sollte, die S<strong>ch</strong>äden dur<strong>ch</strong><br />
Naturereignisse mit entspre<strong>ch</strong>enden Gegenmassnahmen<br />
tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> um 20 Prozent<br />
zu reduzieren, wären die erforderli<strong>ch</strong>en<br />
Gelder für eine bessere Warnung<br />
und Alarmierung sehr gewinnbringend<br />
investiert.<br />
Hansjakob Baumgartner<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-14<br />
KONTAKT<br />
Josef Hess<br />
Ges<strong>ch</strong>äftsstelle Lenkungsauss<strong>ch</strong>uss<br />
Intervention Naturgefahren<br />
c/o Abteilung Gefahrenprävention, <strong>BAFU</strong><br />
031 322 19 47<br />
josef.hess@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Naturgefahren
NFP 61: NACHHALTIGE WASSERNUTZUNG<br />
Gewässers<strong>ch</strong>utz trotz Nutzungsdruck<br />
Klimaveränderung, Marktöffnung und Gesells<strong>ch</strong>aftswandel erhöhen den Druck auf die Gewässer.<br />
Mit dem Nationalen Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm NFP 61 können Wissens<strong>ch</strong>aftler und Fa<strong>ch</strong>leute aus der<br />
Praxis zu langfristig tragbaren Lösungen beitragen, meint Ueli Bundi im Interview mit umwelt. Der<br />
frühere Direktor des Wasserfors<strong>ch</strong>ungsinstituts Eawag ist Leitungsmitglied des NFP 61.<br />
umwelt : Das Nationale Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm<br />
NFP 61 soll Wege zur na<strong>ch</strong>haltigen<br />
Wassernutzung weisen. Ist denn die bishe-<br />
rige Gewässerpolitik ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>haltig?<br />
Ueli Bundi: Historis<strong>ch</strong> hat si<strong>ch</strong> die Wasserwirts<strong>ch</strong>aft<br />
in Sektoren entwickelt.<br />
Na<strong>ch</strong>einander entstanden die Gesetze<br />
zum Wasserbau, zur Wasserkraftnutzung<br />
und zuletzt zum Gewässers<strong>ch</strong>utz.<br />
Die Verantwortli<strong>ch</strong>en setzten die Aufgaben<br />
in ihrem jeweiligen Sektor um,<br />
ohne die anderen Berei<strong>ch</strong>e besonders<br />
zu berücksi<strong>ch</strong>tigen, was ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>haltig<br />
ist. 1975 verankerte der Gesetzgeber<br />
dann einen umfassenderen Wasserwirts<strong>ch</strong>aftsartikel.<br />
Und in den 1990erJahren<br />
sorgte er für eine Verbindung zwis<strong>ch</strong>en<br />
Wasserbau und Gewässers<strong>ch</strong>utz. In der<br />
Praxis versu<strong>ch</strong>te man, die gegenseitigen<br />
We<strong>ch</strong>selwirkungen vermehrt zu berücksi<strong>ch</strong>tigen.<br />
Aber die Trennwirkung der<br />
Sektoren ist immer no<strong>ch</strong> gross. Heute<br />
stehen wir vor der Herausforderung, die<br />
übergreifenden Ansätze weiter zu stärken<br />
und alle Synergien zu nutzen.<br />
Die Projekte des NFP 61 befassen si<strong>ch</strong> mit<br />
der Frage, was der Klimawandel für die<br />
Wasserwirts<strong>ch</strong>aft bedeutet. Waren die Erfahrungen<br />
im heissen und trockenen Sommer<br />
2003 der Auslöser dafür?<br />
Vereinzelt regten Wissens<strong>ch</strong>aftler bereits<br />
in den 1980erJahren an, si<strong>ch</strong><br />
bezügli<strong>ch</strong> Wasser mit dem Klimawandel<br />
zu befassen, was aber ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>ah.<br />
Das Jahr 2003 setzte dann ein starkes<br />
Zei<strong>ch</strong>en. Man wurde hellhörig und<br />
wandte si<strong>ch</strong> nun vermehrt diesem Thema<br />
zu. Allerdings laufen au<strong>ch</strong> andere<br />
Entwicklungen, wel<strong>ch</strong>e auf die Was<br />
Gewässers<strong>ch</strong>utz > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Ueli Bundi hat bis zu seiner Pensionierung über 35 Jahre für das Wasserfors<strong>ch</strong>ungsinstitut Eawag<br />
gearbeitet, dessen Ausri<strong>ch</strong>tung er ab 1990 als Mitglied der Direktion und später als Direktor<br />
wesentli<strong>ch</strong> mitprägte. Er gilt als Pionier eines ganzheitli<strong>ch</strong>en Gewässers<strong>ch</strong>utzes und engagiert si<strong>ch</strong><br />
als Brückenbauer zwis<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ung und Praxis weiterhin für ein na<strong>ch</strong>haltiges Management<br />
der Gewässer. So ist er über seine Pensionierung hinaus für vers<strong>ch</strong>iedene Organisationen und Vorhaben<br />
– wie etwa das Netzwerk Wasser-Agenda 21 – sowie als Leitungsmitglied des NFP 61 tätig.<br />
serressourcen einwirken und die zu<br />
berücksi<strong>ch</strong>tigen sind, nämli<strong>ch</strong> Marktöffnung,<br />
Globalisierung und Wertewandel.<br />
So gab beispielsweise die Verknappung<br />
der ni<strong>ch</strong>t erneuerbaren Energien<br />
der Wasserkraft wieder Auftrieb. Die<br />
S<strong>ch</strong>weiz erkannte, dass die entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Stromproduktion im europäis<strong>ch</strong>en<br />
Markt eine sehr wi<strong>ch</strong>tige Rolle spielen<br />
kann. Zusammen mit der Anforderung,<br />
den Kohlendioxidausstoss zu senken,<br />
Bild: Beatrix Mühlethaler<br />
bewirkt dies, dass die Wasserkraft jetzt<br />
wieder intensiver gefördert wird. Allein<br />
für Kleinwasserkraftwerke gibt es mehr<br />
als 400 Projekte.<br />
Weshalb gibt es denn im NFP 61 kein Fors<strong>ch</strong>ungsprojekt,<br />
das der Frage na<strong>ch</strong>geht, wo<br />
und wie Kleinwasserkraftwerke mögli<strong>ch</strong><br />
sind, ohne die Bä<strong>ch</strong>e zu s<strong>ch</strong>ädigen?<br />
Dieser Frage geht die WasserAgenda 21<br />
na<strong>ch</strong>, eine gemeinsame Plattform der<br />
51
NFP 61: Lösungen für Wasserprobleme<br />
Au<strong>ch</strong> im Wassers<strong>ch</strong>loss S<strong>ch</strong>weiz lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr alle Ansprü<strong>ch</strong>e,<br />
die an Gewässer und Wasserversorgung gestellt werden,<br />
jederzeit befriedigen. Der Klimawandel wird die Nutzungskonflikte<br />
verstärken, wie die Trockenheit im Jahr 2003 gezeigt hat. Die Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />
musste damals Kulturen vertrocknen lassen, weil der<br />
niedrige Wasserstand von Bä<strong>ch</strong>en keine ausrei<strong>ch</strong>ende Bewässerung<br />
mehr erlaubte. Gegen 100 000 Fis<strong>ch</strong>e fielen den prekären Verhältnissen<br />
zum Opfer. Diese Krise wurde ents<strong>ch</strong>ärft, da die folgenden<br />
Sommer wieder genügend Nieders<strong>ch</strong>läge bra<strong>ch</strong>ten. Gemäss Klimaprognosen<br />
lässt die globale Erwärmung etwa ab 2050 aber keinen<br />
sol<strong>ch</strong> glimpfli<strong>ch</strong>en Ausgang mehr erwarten.<br />
Au<strong>ch</strong> gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklungen führen zu vermehrten<br />
Nutzungskonflikten. Dies dürfte zum Beispiel der Fall sein, wenn<br />
die Wirts<strong>ch</strong>aft unsere Gewässer no<strong>ch</strong> intensiver für die Wasserkraft<br />
nutzt, vermehrt Wasser für Kühlzwecke einsetzt, Kulturen häufiger<br />
bewässert und Skipisten öfter bes<strong>ch</strong>neien will. Deshalb stellt si<strong>ch</strong><br />
die Frage, wie si<strong>ch</strong> die dur<strong>ch</strong> den Klimawandel no<strong>ch</strong> akzentuierten<br />
Konflikte in Zukunft lösen lassen. Um mögli<strong>ch</strong>e Engpässe zu erkennen<br />
und zu ents<strong>ch</strong>ärfen, sind neue Strategien erforderli<strong>ch</strong>. Verbunden<br />
damit sollten die natürli<strong>ch</strong>en Funktionen des Wasserkreislaufs<br />
und der Gewässer ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>t,<br />
sondern dauerhaft gestärkt werden.<br />
Praxisnahe Erkenntnisse zu sol<strong>ch</strong>en<br />
Fragen verspri<strong>ch</strong>t das Anfang<br />
<strong>2010</strong> gestartete Nationale Fors<strong>ch</strong>ungsprogramm<br />
NFP 61 «Na<strong>ch</strong>haltige Wassernutzung»,<br />
das ursprüngli<strong>ch</strong> auf<br />
eine Initiative des <strong>BAFU</strong> zurückgeht.<br />
Es umfasst 16 Projekte mit einem<br />
breiten Spektrum an Themen und konzentriert si<strong>ch</strong> auf wi<strong>ch</strong>tige<br />
Fragestellungen, mit denen si<strong>ch</strong> das Amt seit Jahren bes<strong>ch</strong>äftigt.<br />
Im Fokus stehen einerseits hydrologis<strong>ch</strong>e Themen wie der Glets<strong>ch</strong>errückgang<br />
mit seinen Auswirkungen auf Wasserkraftnutzung und<br />
Tourismus, der Einfluss des Klimawandels auf das Grund und<br />
Trinkwasser oder die Gefahr von Ho<strong>ch</strong>wasser und Trockenheit.<br />
Andererseits interessiert, wie ein gut funktionierendes Wassermanagement<br />
organisiert sein muss: Wie lassen si<strong>ch</strong> Wasserressourcen<br />
in guter Qualität si<strong>ch</strong>ern und die Infrastrukturen stärken? Wie<br />
verbessern si<strong>ch</strong> Planungsprozesse? Wie arbeiten die vers<strong>ch</strong>iedensten<br />
Sektoren optimal zusammen? Akteure aus der Praxis sollen bei<br />
allen Fors<strong>ch</strong>ungsprojekten eng mitwirken, damit konkrete Lösungsvors<strong>ch</strong>läge<br />
resultieren, die si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> umsetzen lassen.<br />
52<br />
wi<strong>ch</strong>tigsten Wasserakteure. Sie bezei<strong>ch</strong>net<br />
und quantifiziert Nutzungs und S<strong>ch</strong>utzaspekte<br />
und stellt Ents<strong>ch</strong>eidungskriterien<br />
zur Verfügung. Die Kantone Bern und Uri<br />
haben dafür gute Vorarbeit geleistet.<br />
Einen starken Interessenkonflikt gibt es bei<br />
der Bewässerung von landwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Kulturen. Das zeigte si<strong>ch</strong> im Trockensommer<br />
2003, als die Gewässer zu wenig Wasser<br />
führten. Wel<strong>ch</strong>en Weg könnte die Fors<strong>ch</strong>ung<br />
hier weisen?<br />
Es ist streng geregelt, wie viel Wasser man<br />
den Gewässern für das Bewässern von Kulturen<br />
entnehmen darf. Wenn die Sommer<br />
trockener werden und der Nutzungsdruck<br />
zunimmt, muss si<strong>ch</strong> die Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />
umorientieren, denn es gibt effizientere<br />
Bewässerungsmethoden als die heute<br />
übli<strong>ch</strong>e Beregnung. So ist die Tröpf<strong>ch</strong>enbewässerung<br />
über S<strong>ch</strong>läu<strong>ch</strong>e am Boden<br />
sparsamer. Ferner wird die Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />
«Früher wurden die Konflikte zwis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utz und<br />
Nutzung viel härter ausgetragen. Heute versu<strong>ch</strong>t man,<br />
Lösungen zu finden, die beidem gere<strong>ch</strong>t werden.»<br />
Ueli Bundi, NFP 61<br />
vermehrt auf Kulturen umstellen müssen,<br />
die Trockenheit gut vertragen. Es gilt no<strong>ch</strong><br />
zu erfors<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e Pflanzensysteme si<strong>ch</strong><br />
hierzulande dafür eignen. Die Erfahrungen<br />
aus anderen Gebieten lassen si<strong>ch</strong> nämli<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> auf die S<strong>ch</strong>weiz übertragen.<br />
Ein Fors<strong>ch</strong>ungsprojekt befasst si<strong>ch</strong> damit,<br />
alte Bewässerungsgräben wieder in Betrieb<br />
zu nehmen. Ist das in diesem Zusammenhang<br />
zu sehen?<br />
Im Zentrum steht hier die Frage, wie si<strong>ch</strong><br />
alte Bewässerungssysteme – wie im Wallis<br />
und Unterengadin – retten und wieder<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Gewässers<strong>ch</strong>utz
nutzen lassen. Diese Wassergräben haben<br />
allerdings ni<strong>ch</strong>t nur eine Bewässerungsfunktion,<br />
sondern entlang ihres<br />
Laufs au<strong>ch</strong> eine ökologis<strong>ch</strong>e Wirkung.<br />
Sie sind oft mit einer naturnahen Landwirts<strong>ch</strong>aft<br />
verbunden und au<strong>ch</strong> touristis<strong>ch</strong><br />
interessant. Es geht in diesem Projekt<br />
deshalb um eine umfassende Si<strong>ch</strong>t<br />
der Zusammenhänge zwis<strong>ch</strong>en Landnutzung,<br />
ökologis<strong>ch</strong>em Wert und Tourismus.<br />
Dabei mö<strong>ch</strong>ten die Fors<strong>ch</strong>enden<br />
au<strong>ch</strong> untersu<strong>ch</strong>en, wie si<strong>ch</strong> moderne<br />
Bewässerungssysteme in diese Si<strong>ch</strong>tweise<br />
bezügli<strong>ch</strong> Ökologie und Tourismus<br />
integrieren lassen.<br />
Der Tourismus erzeugt in Wintersportorten<br />
problematis<strong>ch</strong>e Verbrau<strong>ch</strong>sspitzen. Vers<strong>ch</strong>ärfen<br />
si<strong>ch</strong> diese mit dem Klimawandel?<br />
Das ist vorläufig ein vom Klima unabhängiges<br />
Problem. Es gilt, mit dem<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Kapazitätsbedarf fer<br />
tigzuwerden. Beispielsweise stellen die<br />
Belastungss<strong>ch</strong>wankungen hohe Ansprü<strong>ch</strong>e<br />
an die Abwasserreinigungsanlagen.<br />
Die Betreiber haben aber gelernt, damit<br />
umzugehen. Lokal und regional können<br />
au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>neekanonen mit ihrem hohen<br />
Wasserbedarf problematis<strong>ch</strong> sein. Je<br />
na<strong>ch</strong> Gegebenheiten beeinträ<strong>ch</strong>tigen sie<br />
die Gewässer oder treten in Konkurrenz<br />
zur Trinkwasserversorgung.<br />
Die Fors<strong>ch</strong>ungsbes<strong>ch</strong>riebe des NFP 61 zeigen<br />
viele Probleme auf und lassen no<strong>ch</strong> grösseren<br />
Druck auf die Gewässer erwarten. Wo<br />
bleiben da die Chancen einer na<strong>ch</strong>haltigen<br />
Wasserwirts<strong>ch</strong>aft?<br />
Früher wurden die Konflikte zwis<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>utz und Nutzung viel härter ausgetragen.<br />
Heute versu<strong>ch</strong>t man, Lösungen<br />
zu finden, die beidem gere<strong>ch</strong>t werden.<br />
Es gibt bestimmt au<strong>ch</strong> Gebiete, die man<br />
ganz s<strong>ch</strong>ützen und ni<strong>ch</strong>t für die Stromproduktion<br />
nutzen wird. Anderswo hingegen<br />
kommt es zu einer intensiveren<br />
Gewässers<strong>ch</strong>utz > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Nutzung. Die Aufgabe besteht darin,<br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Interessen auszuglei<strong>ch</strong>en.<br />
Dies setzt voraus, dass Nutzer<br />
und S<strong>ch</strong>ützer diesen Ausglei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>en.<br />
Das NFP 61 s<strong>ch</strong>afft dafür wertvolle<br />
Grundlagen.<br />
Beim Restwasser ist der Ausglei<strong>ch</strong> aber no<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t errei<strong>ch</strong>t.<br />
Das Ganze ist kein S<strong>ch</strong>musespiel. Die<br />
wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Interessen einerseits<br />
und die naturs<strong>ch</strong>ützeris<strong>ch</strong>en Anliegen<br />
andererseits sind sehr konfliktträ<strong>ch</strong>tige<br />
Positionen. Beide Seiten wollen mehr.<br />
Au<strong>ch</strong> in Zukunft wird es bei Projekten<br />
immer wieder Auseinandersetzungen<br />
geben.<br />
Im Hitzesommer 2003 starben viele Fis<strong>ch</strong>e<br />
wegen erhöhter Wassertemperaturen. Was<br />
kommt da no<strong>ch</strong> auf uns zu?<br />
Die Gewässer sind heute etwa 2 Grad<br />
wärmer als vor hundert Jahren. Ende<br />
der 1980erJahre gab es plötzli<strong>ch</strong> einen<br />
Wärmesprung, der vermutli<strong>ch</strong> der<br />
Klimaerwärmung zuzus<strong>ch</strong>reiben ist.<br />
Der Temperaturanstieg hat aber no<strong>ch</strong><br />
vers<strong>ch</strong>iedene andere Ursa<strong>ch</strong>en. Neben<br />
Abwassereinleitungen sind es die bauli<strong>ch</strong>en<br />
Veränderungen: Wir haben Bä<strong>ch</strong>e<br />
begradigt, S<strong>ch</strong>atten spendende Ufergehölze<br />
beseitigt und das Abflussregime<br />
dur<strong>ch</strong> Wasserkraftnutzung verändert.<br />
Wenn si<strong>ch</strong> das Wasser weiter erwärmt,<br />
wird es für empfindli<strong>ch</strong>e Organismen<br />
vermehrt zu warm sein.<br />
Also sind die Gewässer wieder naturnaher<br />
zu gestalten?<br />
Ja, da kommen vers<strong>ch</strong>iedene Vorteile<br />
zusammen: Ein renaturierter Ba<strong>ch</strong> ist<br />
wieder ein besserer Lebensraum für Organismen,<br />
er ist ästhetis<strong>ch</strong>er, hat eine<br />
bessere Erholungsfunktion für Mens<strong>ch</strong>en<br />
und bietet erst no<strong>ch</strong> mehr S<strong>ch</strong>utz<br />
vor Ho<strong>ch</strong>wasser. Er verfügt au<strong>ch</strong> über<br />
eine bessere Selbstreinigungskraft und<br />
ist kühler. Das sind Synergien, derer<br />
man si<strong>ch</strong> früher ni<strong>ch</strong>t so bewusst war.<br />
Besteht demna<strong>ch</strong> ein Zwang, den Gewässerfunktionen<br />
besser Re<strong>ch</strong>nung zu tragen,<br />
weil wir uns sonst zu grosse Probleme<br />
einhandeln?<br />
So ist es. Das wurde au<strong>ch</strong> beim Ho<strong>ch</strong>wassers<strong>ch</strong>utz<br />
erkannt. Ein unökologis<strong>ch</strong>es<br />
Vorgehen s<strong>ch</strong>afft mehr S<strong>ch</strong>wierigkeiten,<br />
als es verhindert. Wir können<br />
ni<strong>ch</strong>t auf die Ökologie verzi<strong>ch</strong>ten, weil<br />
dies langfristig ni<strong>ch</strong>t tragfähig wäre. Bei<br />
uns verbietet beispielsweise das Gesetz,<br />
Grundwasser stärker auszubeuten, als<br />
es si<strong>ch</strong> erneuert. In Ländern, wo dies<br />
ni<strong>ch</strong>t gilt, kommt es früher oder später<br />
zu Problemen.<br />
Wenn wir s<strong>ch</strong>on im Wassers<strong>ch</strong>loss so sehr<br />
gefordert sind, wird es für andere Länder<br />
wohl no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wieriger.<br />
Länder, die heute bereits unter der Trockenheit<br />
leiden, werden in Zukunft<br />
no<strong>ch</strong> mehr gestraft sein. Da fragt es si<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>on, ob wir den grossen Fors<strong>ch</strong>ungsaufwand<br />
ni<strong>ch</strong>t besser in Nordafrika betreiben<br />
sollten. I<strong>ch</strong> bin der Auffassung,<br />
wir sollen die Fors<strong>ch</strong>ung hier ma<strong>ch</strong>en,<br />
sind aber legitimiert und verpfli<strong>ch</strong>tet,<br />
die ärmeren Länder mit unseren Erkenntnissen<br />
zu unterstützen. Ferner<br />
haben wir au<strong>ch</strong> eine Verantwortung gegenüber<br />
unseren Na<strong>ch</strong>barstaaten, ihnen<br />
die Gewässer sauber und mit einem guten<br />
Abflussregime zuzuführen.<br />
Interview: Beatrix Mühlethaler<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-15<br />
KONTAKT<br />
Hugo As<strong>ch</strong>wanden<br />
Chef der Sektion<br />
Gewässerbewirts<strong>ch</strong>aftung, <strong>BAFU</strong><br />
031 324 76 70<br />
hugo.as<strong>ch</strong>wanden@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
53
MONITORING DER MOOSE<br />
Trompeten, Sternleber<br />
und bunte Birnen<br />
Moose spielen global eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle als Kohlendioxidsenke, wirken ausglei<strong>ch</strong>end auf<br />
den Wasserhaushalt und gestalten Lebensräume. Mit einem Monitoringprojekt will das <strong>BAFU</strong><br />
nun Wissenslücken bei bedrohten Moosarten s<strong>ch</strong>liessen, für die das Alpenland S<strong>ch</strong>weiz eine<br />
besondere Verantwortung trägt.<br />
Es gibt in der S<strong>ch</strong>weiz mehr als tausend<br />
Moosarten, aber nur wenige Fa<strong>ch</strong>leute, die<br />
sie alle kennen. Zu ihnen gehört die Biologin<br />
Heike Hofmann von der Fors<strong>ch</strong>ungsstelle<br />
für Umweltbeoba<strong>ch</strong>tung (FUB). Auf<br />
dem no<strong>ch</strong> weitgehend nackten Boden der<br />
Naturs<strong>ch</strong>utzflä<strong>ch</strong>e «Giriz» im Reusstal bei<br />
Rottens<strong>ch</strong>wil (AG) su<strong>ch</strong>t sie das Gelände<br />
na<strong>ch</strong> gefährdeten Moosarten ab. Ein Fundstück<br />
von der Grösse eines Zweifränklers<br />
kann sie unter der Lupe als Buntes Birnmoos<br />
(Bryum versicolor) identifizieren – ein<br />
Befund, der si<strong>ch</strong> später im Labor bestätigt.<br />
Die Feldarbeit erfolgt im Auftrag des<br />
<strong>BAFU</strong>, das 2007 – in Zusammenarbeit mit<br />
dem Nationalen Inventar der S<strong>ch</strong>weizer<br />
Moosflora – ein Monitoringprojekt für<br />
54<br />
stark gefährdete Moosarten lanciert hat.<br />
Dabei stehen vorerst die drei Arten Buntes<br />
Birnmoos, Breidlers Sternlebermoos (Riccia<br />
breidleri) und Rudolphs Trompetenmoos<br />
(Tayloria rudolphiana) im Mittelpunkt, für<br />
deren Erhaltung die S<strong>ch</strong>weiz als Alpenland<br />
eine besondere Verantwortung trägt.<br />
«Wir erhoffen uns von diesem Projekt präzise<br />
Angaben zur effektiven Gefährdung<br />
der drei Arten und ein besseres Verständnis<br />
ihrer ökologis<strong>ch</strong>en Ansprü<strong>ch</strong>e», sagt<br />
Stephan Lussi von der Sektion Arten und<br />
Biotope beim <strong>BAFU</strong>.<br />
Zahlrei<strong>ch</strong>e Moose spielen aus ökologis<strong>ch</strong>er<br />
Si<strong>ch</strong>t eine bedeutende Rolle.<br />
Insbesondere die Torfmoose der Gattung<br />
Sphagnum binden weltweit grosse Mengen<br />
Auf dem Boden neben einem<br />
renaturierten Altlauf im aargauis<strong>ch</strong>en<br />
Reusstal bestimmt die Biologin und<br />
Moosspezialistin Heike Hofmann ein<br />
Buntes Birnmoos unter der Lupe.<br />
Im Auftrag des <strong>BAFU</strong> erfasst sie au<strong>ch</strong><br />
weitere bedrohte Moosarten.<br />
Bild: Hansjakob Baumgartner<br />
Knapp 40 Prozent<br />
auf der Roten Liste<br />
Die Ökologie unserer Moose ist viel<br />
weniger gut bekannt als diejenige<br />
der Blütenpflanzen. Immerhin existiert<br />
eine Rote Liste, wel<strong>ch</strong>e 416 von<br />
insgesamt 1093 beurteilten Arten<br />
und Unterarten umfasst. Davon<br />
sind 119 Arten – das heisst umgere<strong>ch</strong>net<br />
11 Prozent – entweder stark<br />
gefährdet oder vom Aussterben bedroht.<br />
Am hö<strong>ch</strong>sten ist der Anteil<br />
gefährdeter Arten bei den Moosen<br />
der Trockenrasen, Äcker und Pionierstandorte.<br />
Besser dran sind die<br />
Arten nasser Böden, was si<strong>ch</strong> auf<br />
den erfolgrei<strong>ch</strong>en Flä<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>utz der<br />
Moore zurückführen lässt.<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Artens<strong>ch</strong>utz
Die ges<strong>ch</strong>ützten Moose der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Artens<strong>ch</strong>utz > umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Funde vor 1960 Funde seit 1960<br />
Barbula asperifolia<br />
Gattung Bärt<strong>ch</strong>enmoose<br />
Rote Liste: verletzli<strong>ch</strong><br />
Breutelia <strong>ch</strong>rysocoma<br />
Golds<strong>ch</strong>opfmoos<br />
Rote Liste: ni<strong>ch</strong>t gefährdet<br />
Bryum versicolor<br />
Buntes Birnmoos<br />
Rote Liste: vom Aussterben bedroht<br />
Drepanocladus vernicosus<br />
Glänzendes Si<strong>ch</strong>elmoos<br />
Rote Liste: potenziell gefährdet<br />
Frullania parvistipula<br />
Gattung Wassersack-Lebermoose<br />
Rote Liste: vom Aussterben bedroht<br />
Leucobryum glaucum aggr.<br />
Weissmoos, Ordenskissenmoos<br />
Rote Liste: ni<strong>ch</strong>t gefährdet<br />
Phaeoceros laevis<br />
subsp. carolinianus<br />
Gelb-Hornmoos<br />
Rote Liste: stark gefährdet<br />
Riccia breidleri<br />
Breidlers Sternlebermoos<br />
Rote Liste: verletzli<strong>ch</strong><br />
Ricciocarpos natans<br />
S<strong>ch</strong>wimm-Lebermoos<br />
Rote Liste: verletzli<strong>ch</strong><br />
Gattung Sphagnum<br />
Torfmoose<br />
Tayloria rudolphiana<br />
Rudolphs Trompetenmoos<br />
Rote Liste: verletzli<strong>ch</strong><br />
Standorte<br />
auf Gesteinsrohböden und Felsen, oft in Gipfelnähe;<br />
Ho<strong>ch</strong>alpenmoos, nur mikroskopis<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er bestimmbar<br />
auf Erde in we<strong>ch</strong>selfeu<strong>ch</strong>ten Magerrasen und extensiv<br />
genutzten Weiden; besonders auf Flys<strong>ch</strong><br />
auf sandigen S<strong>ch</strong>wemmböden von Flüssen und an<br />
feu<strong>ch</strong>ten Stellen in Kiesgruben<br />
in Gräben und Senken von neutralen bis basenrei<strong>ch</strong>en,<br />
nährstoffarmen Fla<strong>ch</strong>- oder Zwis<strong>ch</strong>enmooren;<br />
nur mikroskopis<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er bestimmbar<br />
an senkre<strong>ch</strong>ten Flä<strong>ch</strong>en von oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> entkalkten<br />
Kalkblöcken und an Bäumen in lockeren Mis<strong>ch</strong>wäldern;<br />
nur mikroskopis<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er bestimmbar<br />
auf sauren Böden in Wäldern, Zwergstrau<strong>ch</strong>heiden<br />
und an trockenen Stellen in Ho<strong>ch</strong>mooren<br />
auf lehmig-sandigen Böden in Stoppeläckern;<br />
hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> im Herbst zu beoba<strong>ch</strong>ten<br />
auf feu<strong>ch</strong>ten, basenrei<strong>ch</strong>en Sandböden, am Rand<br />
alpiner S<strong>ch</strong>melzwassertümpel<br />
in stehenden und langsam fliessenden, bes<strong>ch</strong>atteten<br />
Gewässern; selten au<strong>ch</strong> auf feu<strong>ch</strong>tem Lehm und<br />
Laubstreu<br />
an feu<strong>ch</strong>ten bis nassen, kalkarmen Standorten in<br />
Ho<strong>ch</strong>-, Fla<strong>ch</strong>- oder Übergangsmooren; einzelne<br />
Arten au<strong>ch</strong> in feu<strong>ch</strong>ten Wäldern<br />
an ausladenden Ästen von alten Bergahornen<br />
in luftfeu<strong>ch</strong>ten Lagen der montanen und subalpinen Stufe<br />
Quelle: Fors<strong>ch</strong>ungsstelle für Umweltbeoba<strong>ch</strong>tung, Rapperswil (SG) und Naturräumli<strong>ch</strong>es Inventar<br />
der S<strong>ch</strong>weizer Moosflora, Institut für Systematis<strong>ch</strong>e Botanik der Universität Züri<strong>ch</strong><br />
55
des Treibhausgases Kohlendioxid, spei<strong>ch</strong>ern<br />
viel Wasser, wirken dadur<strong>ch</strong> ausglei<strong>ch</strong>end<br />
auf den Wasserhaushalt und<br />
treten zudem als Gestalter ihres Lebensraums<br />
auf. So verdanken etwa die Ho<strong>ch</strong>moore<br />
ihre Existenz den Torfmoosen.<br />
Nur no<strong>ch</strong> wenige Fundorte. Im Reusstal ist<br />
das Bunte Birnmoos ein Relikt aus der<br />
Zeit, als das Fliessgewässer hier no<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t kanalisiert war. Es wä<strong>ch</strong>st in Flussauen<br />
an periodis<strong>ch</strong> überfluteten, sandigen<br />
oder kiesigen Stellen. Im «Giriz»<br />
waren diese Standortbedingungen<br />
während Jahrzehnten ni<strong>ch</strong>t mehr erfüllt,<br />
weil ein Damm die Flä<strong>ch</strong>e von der<br />
Reuss trennte. Zudem wurde das Land<br />
ackerbauli<strong>ch</strong> genutzt, bis man 2005 im<br />
Rahmen eines Renaturierungsprojekts<br />
einen Altlauf wieder ausbaggerte. Im<br />
deponierten Aushub neben dem erneuerten<br />
Gewässer bildete das Moos, dessen<br />
Sporen jahrzehntelang in der Erde überdauert<br />
und auf ihre Chance gewartet<br />
hatten, prompt wieder Polster auf dem<br />
Rohboden.<br />
Heike Hofmann notiert den genauen<br />
Ort und die Grösse der bedeckten Flä<strong>ch</strong>e<br />
auf dem Protokollblatt, taxiert die Vitalität<br />
der Population, ma<strong>ch</strong>t Angaben<br />
zum Vegetationstyp und zum Substrat<br />
des Standorts. Sie vermerkt au<strong>ch</strong> allfällige<br />
Gefährdungen und ums<strong>ch</strong>reibt die<br />
Situation des Bestandes im Verglei<strong>ch</strong><br />
zum Vorjahr in einigen Sätzen.<br />
Das «Giriz» ist zurzeit der einzige<br />
Fundort des Bunten Birnmooses an der<br />
Reuss – und einer von bloss fünf in der<br />
ganzen S<strong>ch</strong>weiz. Ansonsten kommt<br />
die Art nur no<strong>ch</strong> in einem begrenzten<br />
Gebiet entlang der Maggia (TI), an der<br />
Rhone im Berei<strong>ch</strong> des Pfynwaldes (VS),<br />
56<br />
an der Engelberger Aa (NW) und am<br />
Rhein bei Bad Ragaz (SG) vor.<br />
Einst weit verbreitet. Viel zahlrei<strong>ch</strong>er sind<br />
die in Herbarien und Floren aus den<br />
ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts<br />
überlieferten Fundorte. Damals war das<br />
Bunte Birnmoos entlang aller grösseren<br />
Flüsse der S<strong>ch</strong>weiz vertreten. Als Folge<br />
der Begradigungen und Kanalisierungen<br />
sind seither die meisten Vorkommen<br />
erlos<strong>ch</strong>en. Wenn dies au<strong>ch</strong> mit<br />
den übrig gebliebenen ges<strong>ch</strong>ieht, droht<br />
die Art weltweit auszusterben, denn<br />
ein erhebli<strong>ch</strong>er Teil der auf Europa bes<strong>ch</strong>ränkten<br />
Gesamtpopulation findet<br />
si<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Ähnli<strong>ch</strong>es gilt für Breidlers Sternlebermoos<br />
(Riccia breidleri), das an Ufern<br />
von alpinen S<strong>ch</strong>melzwassertümpeln mit<br />
we<strong>ch</strong>selndem Wasserstand wä<strong>ch</strong>st. Auf<br />
den zeitweise trockenfallenden Sandböden<br />
bildet es zuweilen di<strong>ch</strong>te, reine<br />
Bestände. Gefährdet ist au<strong>ch</strong> Rudolphs<br />
Trompetenmoos (Tayloria rudolphiana):<br />
Es gedeiht fast auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> auf alten<br />
Bergahornen in li<strong>ch</strong>ten, aber luftfeu<strong>ch</strong>ten<br />
Lagen der Nordalpen. Meist werden<br />
freistehende Bäume in Weiden oder an<br />
Wald und Wegrändern besiedelt. Der<br />
Rückzug der Landwirts<strong>ch</strong>aft aus den wenig<br />
ergiebigen Flä<strong>ch</strong>en des Berggebiets<br />
ma<strong>ch</strong>t ihm zu s<strong>ch</strong>affen: Werden Weiden<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr bestossen, kehrt der Wald<br />
zurück, in dessen S<strong>ch</strong>atten Rudolphs<br />
Trompetenmoos verkümmert.<br />
Die ri<strong>ch</strong>tigen S<strong>ch</strong>utzmassnahmen treffen.<br />
Im Rahmen des Monitorings wurden in<br />
einer ersten Runde die früheren Fundorte<br />
der Arten aufgesu<strong>ch</strong>t, die man<br />
aufgrund der alten Proben in den Her<br />
barien kennt. Gemäss diesen Abklärungen<br />
war das Sternlebermoos no<strong>ch</strong> an<br />
9 Orten zugegen, das Trompetenmoos<br />
an 13 und das Bunte Birnmoos zunä<strong>ch</strong>st<br />
nur an 3. Je 5 Vorkommen pro Art werden<br />
bis 2011 jährli<strong>ch</strong> kontrolliert.<br />
Gestützt auf diese Ergebnisse sollen<br />
dann die ri<strong>ch</strong>tigen S<strong>ch</strong>utzmassnahmen<br />
abgeleitet werden. Zudem gehe es im<br />
Hinblick auf weitere Projekte mit prioritären<br />
Arten au<strong>ch</strong> darum, generelle<br />
Erfahrungen in Bezug auf deren Erhaltung<br />
zu sammeln, sagt Stephan Lussi.<br />
«Neben den Blütenpflanzen und Moosen<br />
gibt es au<strong>ch</strong> bei Pilzen und Fle<strong>ch</strong>ten wenig<br />
bekannte, aber gefährdete Arten, für<br />
die wir eine besondere Verantwortung<br />
tragen.»<br />
Im Fall des Bunten Birnmooses hat<br />
das Programm no<strong>ch</strong> einen zusätzli<strong>ch</strong>en<br />
Aspekt. In den letzten Jahren sind<br />
zahlrei<strong>ch</strong>e Flussabs<strong>ch</strong>nitte renaturiert<br />
worden. Dadur<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong> neuer potenzieller<br />
Lebensraum für die Pionierart<br />
entstanden. Wird sie dahin zurückkehren?<br />
In Zukunft wird man das Vorkommen<br />
und die Verbreitung des Bunten<br />
Birnmooses ni<strong>ch</strong>t zuletzt als Indikator<br />
für den Erfolg einer Renaturierung werten<br />
können.<br />
Hansjakob Baumgartner<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-16<br />
KONTAKT<br />
Stephan Lussi<br />
Sektion Arten und Biotope<br />
<strong>BAFU</strong><br />
031 324 49 94<br />
stephan.lussi@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
umwelt 3/<strong>2010</strong> > Artens<strong>ch</strong>utz
Bildung<br />
Mit dem «Bodenlift» auf Reise<br />
Ein neues interaktives Lehr- und Lernangebot für die Mittelstufe (3. bis 6. Klasse) widmet si<strong>ch</strong> dem<br />
Thema Bodenökologie. Mit dem «Bodenlift» lassen si<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten und Funktionen des Bodens erkunden<br />
und kennenlernen – stufengere<strong>ch</strong>t und auf abwe<strong>ch</strong>slungsrei<strong>ch</strong>e Art. Die E-Learning-Applikation mit<br />
sieben Stationen thematisiert beispielsweise die Laubs<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t auf dem Boden, die Pilze und Bakterien,<br />
die Bodentiere oder die vers<strong>ch</strong>iedenen Erds<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten. Ergänzt wird sie mit einem Leporello, der auf die<br />
Lehrinhalte abgestimmt ist und unter anderem Anleitung für Experimente zu den sieben Hauptthemen<br />
bietet. Dieser Falt prospekt kann als Klassensatz für CHF 1.50 pro Exemplar bestellt werden. Einzelexemplare<br />
sind kostenlos. Das elektronis<strong>ch</strong>e Angebot steht gratis in deuts<strong>ch</strong>er und französis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e zur<br />
Verfügung. Es entstand in Zusammenarbeit von <strong>BAFU</strong> und LerNetz AG, Bern.<br />
> www.bodenreise.<strong>ch</strong>. Leporello bestellen bei: BBL, Vertrieb Bundespublikationen, 3003 Bern, 031 325 50 50,<br />
Bestellnummer: 810.400.046d, www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1025-d.<br />
Fit für die Umwelt in der Region Basel<br />
Unterstützung für S<strong>ch</strong>ulprojekte<br />
Konkret soll sie sein, die Umweltbildungsarbeit während der obligatoris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulzeit. Entspre<strong>ch</strong>ende<br />
Projekte sollen die Kompetenz der Kinder fördern, selbstbestimmt und verantwortungsbewusst die Zukunft<br />
von Umwelt und Gesells<strong>ch</strong>aft mitzugestalten. Damit dieses Ziel ni<strong>ch</strong>t an fehlendem Geld s<strong>ch</strong>eitert, finden<br />
Lehrpersonen Unterstützung beim «Fonds für S<strong>ch</strong>ulprojekte in Umweltbildung» der Stiftung Umweltbildung<br />
S<strong>ch</strong>weiz (SUB). Der Fonds hat si<strong>ch</strong> zum Ziel gesetzt, diesen Lehrberei<strong>ch</strong> als zentralen Bestandteil einer<br />
zukunftsfähigen Bildung in den S<strong>ch</strong>ulen zu verankern. Ins Leben gerufen wurde er ursprüngli<strong>ch</strong> vom <strong>BAFU</strong>.<br />
> Informationen und Anträge: Stiftung Umweltbildung S<strong>ch</strong>weiz (SUB), Hansruedi Gilgen, Bern, 031 370 17 70,<br />
hansruedi.gilgen@sub-fee.<strong>ch</strong>, www.umweltbildung.<strong>ch</strong>/s<strong>ch</strong>ulprojekte<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
www.bodenreise.<strong>ch</strong><br />
Was passiert mit unserem Abfall? Wo wohnen Da<strong>ch</strong>se? Wie überleben Pflanzen in der Wüste? Woher<br />
kommt der Strom? Wie gut ist die Basler Luft? Antworten auf diese und weitere spannende Fragen erhalten<br />
Lehrpersonen mit ihren S<strong>ch</strong>ülerinnen und S<strong>ch</strong>ülern, wenn sie die aussers<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Lernangebote in<br />
der Region Basel zur Umweltbildung nutzen. Einen Überblick liefert ein neues Verzei<strong>ch</strong>nis mit Adressen<br />
der Anbieter sowie Themen und Zielen der wi<strong>ch</strong>tigsten Angebote.<br />
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(Anmeldung/Registrierung erforderli<strong>ch</strong>)<br />
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Kleine Fors<strong>ch</strong>er im Zoo<br />
Wie soll die Tigeranlage gestaltet sein?<br />
Wel<strong>ch</strong>e Berufe gibt es im Zoo? Wie viel<br />
Fleis<strong>ch</strong> fressen die Tiere? Antworten<br />
gibt das Lehrmittel «ZOO verweilen, entdecken,<br />
geniessen». Es eignet si<strong>ch</strong> für<br />
die Arbeit im S<strong>ch</strong>ulzimmer, hilft mit konkreten<br />
Ideen, den Zoobesu<strong>ch</strong> vorzubereiten,<br />
und regt die Kinder an, genau zu<br />
beo ba<strong>ch</strong>ten und wie Fors<strong>ch</strong>er zu protokollieren.<br />
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Bärenspuren<br />
Auf dem neuen Bärenerlebnisweg in<br />
der Nähe des Museums S<strong>ch</strong>melzra in<br />
S<strong>ch</strong>arl (GR) kann man auf den Spuren<br />
des Braunbären wandern. Neun interaktive<br />
Stationen liefern umfassende Informationen<br />
zum Braunbären und ergänzen die<br />
Bärenausstellung im Museum. Rund zwei<br />
Stunden dauert das Erlebnis.<br />
> www.nationalpark.<strong>ch</strong> > Besu<strong>ch</strong>en ><br />
Museum S<strong>ch</strong>melzra > Bärenerlebnisweg<br />
www.ursina.org<br />
Jedem seine Klimawerkstatt<br />
Das myclimateLehrlingsprojekt «Klimawerkstatt»<br />
verbindet Allgemeinbildung<br />
mit aktivem Klimas<strong>ch</strong>utz: Im Rahmen des<br />
s<strong>ch</strong>weizweiten Wettbewerbs setzen Lernende<br />
eigene kleine Energieprojekte um.<br />
In den vier Kategorien Energie, Sensibilisierung,<br />
Innovation und Planung sind die<br />
Arbeiten unter www.klimawerkstatt.org<br />
einzusehen.<br />
Zu Trockenmauern pilgern<br />
Die Stiftung UmweltEinsatz S<strong>ch</strong>weiz<br />
organisiert am 12. September <strong>2010</strong> eine<br />
Wanderung zu den hö<strong>ch</strong>sten Trockenmauern<br />
Europas: zu den über 20 Meter<br />
hohen Rebterrassen an der Cozette bei<br />
Sion (VS). Diese Mauern wurden vor<br />
mehr als 150 Jahren ohne eine Kelle<br />
Zement erri<strong>ch</strong>tet.<br />
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Baukurse > Spezialkurse und Exkursionen<br />
Trockenmauerbau <strong>2010</strong><br />
57
Re<strong>ch</strong>t<br />
Bundesgeri<strong>ch</strong>t stoppt<br />
Abs<strong>ch</strong>uss von Graureihern<br />
Ges<strong>ch</strong>ützte Arten wie der Graureiher dürfen nur in<br />
Ausnahmefällen erlegt werden.<br />
Im Januar 2007 erteilte das Amt für Wald, Wild und Fis<strong>ch</strong>erei<br />
des Kantons Freiburg drei einzelnen Fis<strong>ch</strong>zu<strong>ch</strong>tbetreibern<br />
eine Abs<strong>ch</strong>usserlaubnis für Graureiher. Na<strong>ch</strong><br />
einer Bes<strong>ch</strong>werde des S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Vogels<strong>ch</strong>utzes<br />
SVS/BirdLife S<strong>ch</strong>weiz und von Pro Natura hob die Direktion<br />
der Institutionen und der Land und Forstwirts<strong>ch</strong>aft<br />
(ILFD) den Ents<strong>ch</strong>eid der Dienststelle auf. Allerdings nur<br />
ein biss<strong>ch</strong>en: Eine Selbsthilfemassnahme sei ausges<strong>ch</strong>lossen,<br />
weil es si<strong>ch</strong> beim Graureiher um eine ges<strong>ch</strong>ützte Art<br />
handelt und weil nur Abs<strong>ch</strong>ussmassnahmen in Ausnahmefällen<br />
angeordnet werden können. Die ILFD ersetzte<br />
die strittigen Bewilligungen dur<strong>ch</strong> an Bedingungen geknüpfte<br />
«Abs<strong>ch</strong>ussanordnungen»: Einzig Reiher, die si<strong>ch</strong><br />
in der Nähe von Fis<strong>ch</strong>zu<strong>ch</strong>tanlagen und am Boden aufhielten,<br />
dürften abges<strong>ch</strong>ossen werden – und nur, wenn<br />
vorgängig Massnahmen zu ihrer Vertreibung ergriffen<br />
worden seien. Das Kantonsgeri<strong>ch</strong>t lehnte die fällige<br />
Bes<strong>ch</strong>werde von SVS/BirdLife S<strong>ch</strong>weiz und Pro Natura ab<br />
mit der Präzisierung, dass die Fis<strong>ch</strong>zu<strong>ch</strong>tbetreiber eine<br />
Vogels<strong>ch</strong>eu<strong>ch</strong>e aufzustellen hätten.<br />
Inzwis<strong>ch</strong>en gab das Bundesgeri<strong>ch</strong>t dem SVS und Pro<br />
Natura Re<strong>ch</strong>t. Es verwies auf das Eidgenössis<strong>ch</strong>e Jagdgesetz<br />
(JSG), wona<strong>ch</strong> bei ges<strong>ch</strong>ützten Arten nur in Ausnahmefällen<br />
und gezielt einzelne Individuen getötet werden<br />
dürfen, wenn sie erhebli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>aden anri<strong>ch</strong>ten.<br />
Das <strong>BAFU</strong> hatte in einer Stellungnahme erwogen, dass<br />
eine Massnahme im Ausnahmefall ni<strong>ch</strong>t mehr als etwa<br />
10 Prozent der reproduzierenden Population einer Art<br />
betreffen darf. Die drei Abs<strong>ch</strong>ussbewilligungen führten<br />
im Kanton Freiburg aber zum Tod von insgesamt<br />
126 Tieren, was den Ri<strong>ch</strong>twert von 10 Prozent des Bestandes<br />
(50 bis 70 Brutpaare im ganzen Kanton) bei Weitem<br />
übers<strong>ch</strong>reitet. Damit sei die Abs<strong>ch</strong>usserlaubnis keine<br />
Massnahme im Ausnahmefall im Sinne des JSG. Die Tatsa<strong>ch</strong>e,<br />
dass eine ges<strong>ch</strong>ützte Art ni<strong>ch</strong>t vom Aussterben bedroht<br />
ist, erlaubt es den Kantonen also ni<strong>ch</strong>t, unter dem<br />
Vorwand von aussergewöhnli<strong>ch</strong>en Massnahmen den<br />
Abs<strong>ch</strong>uss einer unbegrenzten Zahl von Tieren zu bewilligen.<br />
Roger Zufferey, Abteilung Re<strong>ch</strong>t, <strong>BAFU</strong>, Tel. 031 322 80 61,<br />
roger.zufferey@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>;<br />
Bundesgeri<strong>ch</strong>t: Urteil Nr. BGE 2C_911/2008<br />
58<br />
Publikationen<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong>
Umwelt allgemein<br />
Umweltstatistik S<strong>ch</strong>weiz in der Tas<strong>ch</strong>e <strong>2010</strong>. Publikumsbros<strong>ch</strong>üre.<br />
Hrsg. von Bundesamt für Statistik (BFS) und <strong>BAFU</strong>. 36 S.; D, F, I, E; kostenlos;<br />
Bezug: BFS, <strong>2010</strong> Neu<strong>ch</strong>âtel, Tel. 032 713 60 60, Fax 032 713 60 61,<br />
order@bfs.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>, www.environment-stat.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>;<br />
Bestellnummer D: 521-1000.<br />
Anhand von Kennzahlen, Grafiken und Kurztexten bietet die Bros<strong>ch</strong>üre einen<br />
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Den abonnierten Exemplaren dieses Heftes liegt die Publikation bei.<br />
Abfallwirts<strong>ch</strong>aft<br />
KVA-Rückstände in der S<strong>ch</strong>weiz. Der Rohstoff mit Mehrwert. 230 S.;<br />
D; keine gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1026-d.<br />
Artens<strong>ch</strong>utz<br />
Mit dem Biber leben. Bestandesaufnahme 2008; Perspektiven<br />
für den Umgang mit dem Biber in der S<strong>ch</strong>weiz. Hrsg. von <strong>BAFU</strong> und<br />
S<strong>ch</strong>weizer Zentrum für die Kartographie der Fauna (SZKF/CSCF). 158 S.;<br />
D, F; CHF 25.–; Bestellnummer der gedruckten Ausgabe: 810.300.116d;<br />
Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uw-1008-d.<br />
Bildung<br />
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«Der kluge Einkaufswagen» und «Die Zukunft in der Tas<strong>ch</strong>e» im Unterri<strong>ch</strong>t<br />
verwenden; D; kostenlos, nur als Einzelexemplar bestellbar; Bestellnummer<br />
der gedruckten Ausgabe: 810.400.045d.<br />
Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1019-d.<br />
Biodiversität<br />
Postkartenset «Biodiversität». 5 We<strong>ch</strong>selbildkarten (Lenticularkarten) zu<br />
den Themen Alpen, Wald, Wasser, Weide und Fis<strong>ch</strong>e, herausgegeben zum<br />
Internationalen Jahr der Biodiversität <strong>2010</strong>. Format A6; dreispra<strong>ch</strong>ig D/F/I;<br />
CHF 6.–; Bestellnummer des Sets: 810.400.044.<br />
Bezug: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1021.<br />
Biodiversität ist Leben. Faltblatt zum Internationalen Jahr der Biodiversität<br />
<strong>2010</strong>. 6 S.; D, F; kostenlos; Bestellnummer der gedruckten Ausgabe:<br />
810.400.042d; Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1018-d.<br />
Das Dossier «Biodiversität» des <strong>BAFU</strong>-<strong>Magazin</strong>s umwelt 2/<strong>2010</strong> ist au<strong>ch</strong><br />
als eigenständige Bros<strong>ch</strong>üre in Italienis<strong>ch</strong> und Englis<strong>ch</strong> erhältli<strong>ch</strong>. 40 S.;<br />
I, E; kostenlos; Bezug und Download: www.ambiente-svizzera.<strong>ch</strong>/mag-1002-i<br />
bzw. www.environment-switzerland.<strong>ch</strong>/mag-1002-e.<br />
Boden<br />
www.bodenreise.<strong>ch</strong>. Faltprospekt (Leporello) zur glei<strong>ch</strong>namigen interaktiven<br />
Website. Hrsg. von <strong>BAFU</strong> und LerNetz AG. 8 S.; D, F; Einzelexemplare<br />
kostenlos, Klassensatz CHF 1.50 pro Ex.; Bestellnummer: 810.400.<br />
046d; Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1025-d. Siehe au<strong>ch</strong><br />
Seite 57 «Bodenlift».<br />
Lärmbekämpfung<br />
Lärmarme Strassenbeläge innerorts. Jahresberi<strong>ch</strong>t 2009. Hrsg.<br />
<strong>BAFU</strong> und Bundesamt für Strassen (ASTRA). 4 S.; D, F; keine gedruckte<br />
Ausgabe;<br />
Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1022-d.<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Naturgefahren<br />
Ingenieurbiologis<strong>ch</strong>e Bauweisen im naturnahen Wasserbau.<br />
Praxis hilfe. Überarbeitete Ausgabe <strong>2010</strong>. 59 S.; D, F; CHF 10.–; Bestellnummer<br />
der gedruckten Ausgabe: 810.300.115d; Bezug und Download:<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uw-1004-d.<br />
Typenliste Lawinenverbauungen. Stand April <strong>2010</strong>. 8 S.; D; keine<br />
gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uv-1006-d.<br />
Typenliste Ankermörtel. Stand April <strong>2010</strong>. 4 S.; D; keine gedruckte<br />
Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uv-1007-d.<br />
Re<strong>ch</strong>t<br />
Re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Aspekte der aktiven Umweltinformation. Guta<strong>ch</strong>ten<br />
zuhanden des Bundesamtes für Umwelt (<strong>BAFU</strong>). 98 S.; D, F; keine<br />
gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/uw-1003-d.<br />
Wald<br />
Kooperationen in der S<strong>ch</strong>weizer Waldwirts<strong>ch</strong>aft. Hrsg. von <strong>BAFU</strong>,<br />
S<strong>ch</strong>weiz. Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule für Landwirts<strong>ch</strong>aft (SHL) und Waldwirts<strong>ch</strong>aft S<strong>ch</strong>weiz<br />
(WVS). 20 S.; D, F, I; kostenlos;<br />
Bezug und Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1023-d.<br />
Wasser<br />
Strassenabwasser-Behandlungsverfahren. Stand der Te<strong>ch</strong>nik.<br />
Hrsg. von <strong>BAFU</strong> und Bundesamt für Strassen (ASTRA). 130 S.; D; keine<br />
gedruckte Ausgabe; Download: www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/ud-1024-d.<br />
Herunterladen oder bestellen<br />
Sämtli<strong>ch</strong>e <strong>BAFU</strong>Publikationen sind elektronis<strong>ch</strong> verfügbar und<br />
lassen si<strong>ch</strong> als PDF kostenlos herunterladen unter<br />
www.umwelts<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/publikationen.<br />
Einzelne Veröffentli<strong>ch</strong>ungen sind zudem in gedruckter Form<br />
erhältli<strong>ch</strong> und können bestellt werden bei:<br />
BBL, Vertrieb Bundespublikationen, CH3003 Bern<br />
Tel. +41 (0)31 325 50 50, Fax +41 (0)31 325 50 58<br />
EMail: verkauf.zivil@bbl.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
www.bundespublikationen.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
www.umwelts<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/publikationen<br />
Bitte jeweils Bestellnummer angeben. Eine Bestellkarte ist in<br />
diesem <strong>Magazin</strong> eingeheftet. Bei kostenpfli<strong>ch</strong>tigen Publikationen<br />
wird ein Versandkostenbeitrag erhoben.<br />
Ein Newsletter oder RSSFeed für alle Neuers<strong>ch</strong>einungen kann<br />
auf der <strong>BAFU</strong>Website unter www.umwelts<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/newsletter<br />
abonniert werden.<br />
S<strong>ch</strong>lüssel zu den bibliografis<strong>ch</strong>en Angaben:<br />
Titel. Untertitel. Herausgeber (wenn ni<strong>ch</strong>t <strong>BAFU</strong>). Seitenzahl; erhältli<strong>ch</strong>e<br />
Spra<strong>ch</strong>en; Preis (sofern gedruckte Ausgabe); Bestellnummer (sofern<br />
gedruckte Ausgabe); Link für den Download.<br />
59
Tipps<br />
Auf zur Nussjagd!<br />
Haselmäuse sind klein, s<strong>ch</strong>eu und hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
na<strong>ch</strong>ts in di<strong>ch</strong>ten Sträu<strong>ch</strong>ern unterwegs.<br />
Das ma<strong>ch</strong>t es s<strong>ch</strong>wierig, sie zu beoba<strong>ch</strong>ten.<br />
Aber da gibt es no<strong>ch</strong> die Haselnüsse. Sie sind<br />
die Lieblingsspeise der Haselmaus. Um an den<br />
Kern zu gelangen, nagt sie mit ihren s<strong>ch</strong>arfen<br />
Zähnen die harte Nuss auf. Zurück bleibt nur<br />
die S<strong>ch</strong>ale mit den typis<strong>ch</strong>en Nagespuren. Pro<br />
Natura ruft no<strong>ch</strong> bis Ende Oktober <strong>2010</strong> S<strong>ch</strong>ulklassen<br />
oder Jugend-Naturs<strong>ch</strong>utzgruppen zur<br />
Nussjagd auf. Sie sollen si<strong>ch</strong> auf die Su<strong>ch</strong>e<br />
na<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>en Mausspuren ma<strong>ch</strong>en, damit wir<br />
letztli<strong>ch</strong> mehr über die Verbreitung der kleinen<br />
Nagetiere in der S<strong>ch</strong>weiz erfahren.<br />
> www.pronatura.<strong>ch</strong> > Nussjagd, 061 317 92 55,<br />
nussjagd@pronatura.<strong>ch</strong><br />
60<br />
Benoît Renevey, Pro Natura<br />
Die Sinne s<strong>ch</strong>ärfen in der Na<strong>ch</strong>t<br />
Im Luzerner Güts<strong>ch</strong>wald gibt es im Sep tember<br />
<strong>2010</strong> ein besonderes Angebot: Auf einem – nur<br />
dur<strong>ch</strong> kleine Leu<strong>ch</strong>tstäbe markierten – Rundweg<br />
kann man in der Dunkelheit der Na<strong>ch</strong>t<br />
seine Sinne s<strong>ch</strong>ärfen. Mögli<strong>ch</strong> ist die Wanderung<br />
bei Neu- oder Vollmond. Wer Zeit hat,<br />
kann den Tag vor der Na<strong>ch</strong>twanderung auf<br />
dem Luzerner Klimaweg – dem längsten der<br />
S<strong>ch</strong>weiz – verbringen.<br />
> www.klimaweg.com<br />
Umweltverträgli<strong>ch</strong> reisen<br />
Der Wuns<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> mehr Na<strong>ch</strong>haltigkeit ist au<strong>ch</strong><br />
im Tourismus angekommen. Es geht dabei um<br />
Reisen, die umweltverträgli<strong>ch</strong> und glei<strong>ch</strong>zeitig<br />
sozial verantwortli<strong>ch</strong> sind. Trotzdem ist es ni<strong>ch</strong>t<br />
ganz so einfa<strong>ch</strong>, entspre<strong>ch</strong>ende Veranstalter<br />
und Informationen zu finden. <strong>«umwelt»</strong> hat<br />
einige Adressen zusammengetragen.<br />
> www.vertraegli<strong>ch</strong>-reisen.de; www.fairunterwegs.<br />
org; www.swissecotours.<strong>ch</strong>; www.arcatour.<strong>ch</strong>;<br />
www.forumandersreisen.de; www.alpine-pearls.com<br />
Umwelts<strong>ch</strong>ützer im S<strong>ch</strong>ulzimmer<br />
Ausgebildete Freiwillige der Umwelts<strong>ch</strong>utzorganisation<br />
Greenpeace besu<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulklassen.<br />
Zum Beispiel, um Anregungen zu einem<br />
Umweltthema zu geben, entspre<strong>ch</strong>ende Ideen<br />
zu entwickeln oder über die Arbeit von Greenpeace<br />
zu beri<strong>ch</strong>ten. Der Besu<strong>ch</strong> umfasst mindestens<br />
4 Lektionen für maximal 25 S<strong>ch</strong>ülerinnen<br />
und S<strong>ch</strong>üler und kostet CHF 250 für den<br />
ganzen oder CHF 150 für den halben Tag.<br />
> Greenpeace, Züri<strong>ch</strong>, 044 447 41 29,<br />
www.s<strong>ch</strong>ulbesu<strong>ch</strong>.<strong>ch</strong><br />
Gemüse im Abo<br />
Das wö<strong>ch</strong>entli<strong>ch</strong>e Gemüsepaket hat in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz eine über 30-jährige Tradition. Und es<br />
s<strong>ch</strong>eint si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierigen<br />
Zeiten zu bewähren, denn es s<strong>ch</strong>iessen immer<br />
neue Angebote aus dem Boden. Neben Gemüse<br />
(z. B. www.terroir-fribourg.<strong>ch</strong>, www.dunkelhoelzli.<strong>ch</strong>,<br />
www.biobouquet.<strong>ch</strong>) können si<strong>ch</strong><br />
Familien oder Unternehmen au<strong>ch</strong> Frü<strong>ch</strong>te (z. B.<br />
www.freshbox.<strong>ch</strong>) oder Müesli (www.mymuesli.com)<br />
ins Haus liefern lassen. Unter www.<br />
landwirts<strong>ch</strong>aft.<strong>ch</strong> finden si<strong>ch</strong> zudem zahlrei<strong>ch</strong>e<br />
Angebote (ganze S<strong>ch</strong>weiz) von Produkten, die<br />
direkt vom Bauernhof bezogen werden können.<br />
> www.landwirts<strong>ch</strong>aft.<strong>ch</strong> > Vom Hof<br />
Der Naturerlebnis-Zug<br />
Der «Löts<strong>ch</strong>berger» der BLS verbindet Bern mit<br />
Brig und mit dem Simmental. Er ist aber mehr<br />
als ein Zug: Er steht für viele Ausflüge in die<br />
Natur, die si<strong>ch</strong> mit dem öffentli<strong>ch</strong>en Verkehr<br />
bewältigen lassen. Auf der unten stehenden<br />
Website gibt es alles auf einen Blick. Na<strong>ch</strong> der<br />
Beantwortung der Fragen «Was? Wer? Wohin?»<br />
erhalten Touristinnen und Touristen zahlrei<strong>ch</strong>e<br />
Vors<strong>ch</strong>läge für Ausflüge mit allen nötigen Informationen.<br />
> www.loets<strong>ch</strong>berger.<strong>ch</strong><br />
Die «Samen-Krieger»<br />
Bis 2050 werden die Temperaturen voraussi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
weltweit um mindestens 2 Grad steigen.<br />
Dieser Umstand führt zu erhebli<strong>ch</strong>en<br />
Einbussen bei der Nahrungsmittelproduktion.<br />
Glei<strong>ch</strong>zeitig wird si<strong>ch</strong> bis dahin der globale<br />
Nahrungsbedarf verdoppeln. Wie lässt si<strong>ch</strong> dieser<br />
Nahrungsmittelengpass überwinden? Der<br />
S<strong>ch</strong>weizer Dokumentarfilm «Seed Warriors»<br />
begibt si<strong>ch</strong> auf Spurensu<strong>ch</strong>e: etwa beim Direktor<br />
der nationalen Genbank in Kenia, in der<br />
die Biodiversität seines Landes gesi<strong>ch</strong>ert wird;<br />
oder bei der Mais-Expertin Marianne Bänziger,<br />
die ni<strong>ch</strong>t genverändertes Saatgut entwickelt,<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
zVg
das einen bis zu 30 Prozent höheren Ernteertrag<br />
liefert und der Dürre trotzen kann.<br />
> Filmstart in Deuts<strong>ch</strong>weizer Kinos am 26. August<br />
<strong>2010</strong>; www.seedwarriors.org (mit weiteren<br />
Informationen und einem Pflanzenzü<strong>ch</strong>ter-Spiel,<br />
in D und E)<br />
Leih dir ein Fahrrad!<br />
In der S<strong>ch</strong>weiz gibt es viele Mögli<strong>ch</strong>keiten, si<strong>ch</strong><br />
für Ferien oder Arbeit ein Fahrrad zu mieten:<br />
In Zusammenarbeit mit der SBB und Privatbahnen<br />
stellt www.rentabike.<strong>ch</strong> an über 100<br />
Standorten rund 3500 Fahrräder aller Art zur<br />
Verfügung. Hinzu kommen an ausgewählten<br />
Verleihstationen 750 E-Bikes. Daneben gibt<br />
es das Mietsystem «Velopass»: Dabei können<br />
die Velos an Selbstbedienungsstationen rund<br />
um die Uhr und an sieben Tagen pro Wo<strong>ch</strong>e<br />
ausgeliehen werden. Derzeit gibt es die Netze<br />
Lausanne-Morges, Riviera, Freiburg, Yverdonles-Bains,<br />
Lugano-Paradiso, Oberwallis, Zentralwallis<br />
und Aigle-Monthey. Bald sollen weitere<br />
Netzwerke in der ganzen S<strong>ch</strong>weiz entstehen.<br />
> www.rentabike.<strong>ch</strong>, www.velopass.<strong>ch</strong><br />
umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
zVg<br />
Abholservice für Aludosen<br />
zVg<br />
Ab sofort gibt es in der S<strong>ch</strong>weiz einen kostenlosen<br />
Abholservice für Aludosen. Dieser ri<strong>ch</strong>tet<br />
si<strong>ch</strong> in erster Linie an Betriebe, in denen si<strong>ch</strong><br />
überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> viele leere Dosen ansammeln,<br />
also Firmen, Kioske, Restaurants oder<br />
S<strong>ch</strong>ulen. Anders sieht es für Privathaushalte<br />
aus. Da ist es ökologis<strong>ch</strong> immer no<strong>ch</strong> sinnvoller,<br />
die gesammelten Aluverpackungen selber<br />
zur Sammelstelle zu bringen. Insgesamt<br />
unterstützen 87 Transportpartner s<strong>ch</strong>weizweit<br />
die neue Dienstleistung. Diese Di<strong>ch</strong>te soll gewährleisten,<br />
dass das weitverzweigte Sammelstellennetz<br />
umweltgere<strong>ch</strong>t und wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong><br />
sinnvoll bedient werden kann.<br />
> www.igora.<strong>ch</strong> > Aludosen-Entsorgung<br />
Die Wildnis vor der Haustür<br />
Die Ausstellung «Wildnis Bern – von Alpensegler<br />
bis Zimtrose» zeigt, wo die urbane Wildnis<br />
in der Stadt zu finden und wie sie zu bewahren<br />
ist. Dazu gehören 50 Beispiele von siedlungstypis<strong>ch</strong>en<br />
oder seltenen Tier- und Pflanzenarten<br />
der Stadt Bern. Informationen zu Lebens-<br />
weise und Lebensräumen dieser Tiere und<br />
Pflanzen finden si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> bis Ende September<br />
in der Berner Elfenau, im Tierpark Dählhölzli und<br />
im Rosengarten. Im Naturhistoris<strong>ch</strong>en Museum<br />
sind alle Tierarten als Präparate ausgestellt.<br />
> www.bern.<strong>ch</strong>/wildnisbern<br />
Von Bauern für Bauern<br />
zVg<br />
Viele Landwirtinnen und -wirte sowie Winzerinnen<br />
und Winzer setzen seit Jahren erfolgrei<strong>ch</strong><br />
auf s<strong>ch</strong>onende Bodennutzung. Sie erwirts<strong>ch</strong>aften<br />
so mit weniger Aufwand den glei<strong>ch</strong>en Ertrag<br />
im Ackerbau. Im Rahmen des von bäuerli<strong>ch</strong>en<br />
Verbänden, Beratungsstellen, Bund und<br />
Kantonen unterstützten Projekts «Von Bauern<br />
für Bauern» wurden 2006 die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten von<br />
se<strong>ch</strong>s sol<strong>ch</strong>en Bauern verfilmt und waren seither<br />
auf einer DVD erhältli<strong>ch</strong>. Sie wurden nun<br />
mit drei neuen Filmen zu den Themen Futterbau,<br />
Direktsaat und Begrünung im Rebbau<br />
ergänzt. Die Filme sind neu au<strong>ch</strong> alle französis<strong>ch</strong><br />
oder s<strong>ch</strong>weizerdeuts<strong>ch</strong> gespro<strong>ch</strong>en und<br />
franzö sis<strong>ch</strong>, deuts<strong>ch</strong> und englis<strong>ch</strong> untertitelt.<br />
> Zu bestellen bei: Agridea, Lindau (ZH),<br />
052 354 97 00, kontakt@agridea.<strong>ch</strong>,<br />
www.agridea-lindau.<strong>ch</strong>, Preis: CHF 30.–.<br />
Impressum 3/<strong>2010</strong> September <strong>2010</strong> / Das <strong>Magazin</strong> umwelt des <strong>BAFU</strong> ers<strong>ch</strong>eint viermal jährli<strong>ch</strong> und kann kostenlos abonniert werden; ISSN 1424-7186. /<br />
Herausgeber: Bundesamt für Umwelt <strong>BAFU</strong>. Das <strong>BAFU</strong> ist ein Amt des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK / Projektober leitung:<br />
Bruno Oberle, Thomas Göttin / Konzept, Redaktion, Produktion: Georg Ledergerber (Gesamtleitung), Kathrin S<strong>ch</strong>lup (Stellvertretung); Georg Karlaganis, Ernst Furrer,<br />
Andreas Weber, Beat Jordi (Koordination Dossier «<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>»); Hansjakob Baumgartner, Luc Hutter (Webpublisher), Gregor Klaus, Cornélia Mühlberger de Preux,<br />
Lucienne Rey; Valérie Fries (Redaktionssekretariat) / Externe journalistis<strong>ch</strong>e Mitarbeit: Urs Fitze, Anna Hohler, Kaspar Meuli, Beatrix Mühlethaler, Pieter Poldervaart,<br />
Peter Bader und Nicole Bärts<strong>ch</strong>iger (Rubriken), Jacqueline Dougoud (Lektorat, Korrektorat, Übersetzungen), Rolf Geiser (Übersetzung) / Visuelle Umsetzung: Atelier<br />
Ruth S<strong>ch</strong>ürmann, Luzern / Redaktionss<strong>ch</strong>luss: 2. Juli <strong>2010</strong> / Redak tionsadresse: <strong>BAFU</strong>, Kommunikation, Redaktion umwelt, 3003 Bern, Tel. 031 323 03 34,<br />
Fax 031 322 70 54, magazin@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong> / Spra<strong>ch</strong>en: Deuts<strong>ch</strong>, Französis<strong>ch</strong>; Italienis<strong>ch</strong> in Auszügen auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> im Internet / Online: Der Inhalt des <strong>Magazin</strong>s<br />
(ohne Rubriken) ist abrufbar unter www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin / Papier: Cyclus Print, 100 % Altpapier aus sortierten Druckerei- und Büroabfällen / Auflage<br />
dieser Nummer: 46 000 Expl. Deuts<strong>ch</strong>, 17 500 Expl. Französis<strong>ch</strong> / Druck und Versand: Swissprinters St. Gallen AG, 9001 St. Gallen, www.swissprinters.<strong>ch</strong> / Gratis-<br />
abonnemente, Na<strong>ch</strong>bestellungen einzelner Nummern und Adressänderungen: umwelt, Swissprinters St. Gallen AG, Leserservice, 9001 St. Gallen, Tel. 058 787<br />
58 68, Fax 058 787 58 15, umweltabo@bafu.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>, www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin / Copyright: Na<strong>ch</strong>druck der Texte und Grafiken erwüns<strong>ch</strong>t mit Quellenan-<br />
gabe und Belegexemplar an die Redaktion.<br />
61
62<br />
<strong>BAFU</strong><br />
Kostenlose Einzelnummern und<br />
Abonnemente sind zu bestellen<br />
bei: EDA, Informationsdienst,<br />
Bundeshaus West, 3003 Bern,<br />
Tel. 031 322 44 12,<br />
info@deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong>,<br />
www.deza.<strong>admin</strong>.<strong>ch</strong><br />
Intern<br />
Franz Perrez – neuer Umweltbots<strong>ch</strong>after der S<strong>ch</strong>weiz<br />
Seit 1. Juni <strong>2010</strong> ist Franz Perrez (links im Bild) neuer Chef der <strong>BAFU</strong>Abteilung Internationales. Er<br />
übernimmt damit au<strong>ch</strong> das Amt des S<strong>ch</strong>weizer Umweltbots<strong>ch</strong>afters und vertritt die S<strong>ch</strong>weiz in allen<br />
wi<strong>ch</strong>tigen interna tionalen Verhandlungen im Umweltberei<strong>ch</strong>. In dieser Funktion leitet er insbesondere<br />
au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>weizer Delegation bei den anspru<strong>ch</strong>svollen Klimaverhandlungen. Franz Perrez ist Na<strong>ch</strong>folger<br />
von Thomas Kolly, der ab September <strong>2010</strong> der S<strong>ch</strong>weizer Bots<strong>ch</strong>aft in Guatemala vorsteht.<br />
Der 43jährige Franz Perrez ist Jurist mit grosser internationaler Erfahrung. Na<strong>ch</strong> seinem Re<strong>ch</strong>tsstudium<br />
in Bern und Paris war er in der Direktion für Völkerre<strong>ch</strong>t des EDA tätig. Ans<strong>ch</strong>liessend spezialisierte<br />
er si<strong>ch</strong> an der New York University S<strong>ch</strong>ool of Law in den Berei<strong>ch</strong>en Völkerre<strong>ch</strong>t und internationales<br />
Umwelt und Wirts<strong>ch</strong>aftsre<strong>ch</strong>t. Dana<strong>ch</strong> arbeitete Perrez im WTODienst des Staatssekretariats<br />
für Wirts<strong>ch</strong>aft (Seco). 2001 we<strong>ch</strong>selte er ins heutige <strong>BAFU</strong>, wo er bis zuletzt die Sektion Globales der<br />
Abteilung Internationales leitete.<br />
Ernährungssi<strong>ch</strong>erheit im Internationalen Jahr der Biodiversität<br />
Obwohl viele Entwicklungsländer über genügend fru<strong>ch</strong>tbares Land verfügen, sind sie ni<strong>ch</strong>t in der<br />
Lage, ihre Bevölkerung zu ernähren. Für das Dossier über Ernährungssi<strong>ch</strong>erheit ging «Eine Welt» –<br />
das <strong>Magazin</strong> der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) – deshalb in Mosambik auf<br />
Reportage. Ein weiteres Thema der aktuellen Ausgabe 3/<strong>2010</strong>: Die Entwaldung und mögli<strong>ch</strong>e Massnahmen,<br />
um sie zu stoppen.<br />
Bildredaktion «<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>» als Diplomarbeit<br />
Jeannette Bölle und Fabia Müller, Absolventinnen des Studiengangs Bildredaktion am MAZ – Die<br />
S<strong>ch</strong>weizer Journalistens<strong>ch</strong>ule, Luzern, übernahmen im Rahmen ihrer Diplomarbeit die Bildredaktion<br />
des Dossiers «<strong>Nanote<strong>ch</strong>nologie</strong>» dieser Ausgabe von umwelt. Die Redaktion bietet immer wieder<br />
Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>skräften Gelegenheit, konkret bei einer Heftproduktion mitzuwirken. Interessierte melden<br />
si<strong>ch</strong> beim Redaktionsleiter (siehe Impressum Seite 61).<br />
Vorsi<strong>ch</strong>t! Naturgefahren.<br />
Vom 11. bis 13. November <strong>2010</strong> findet in St. Gallen die Geoprotecta<br />
statt, die S<strong>ch</strong>weizer Fa<strong>ch</strong>messe für integrales Risikomanagement von<br />
Naturgefahren. Das <strong>BAFU</strong> präsentiert gemeinsam mit weiteren Organisationen<br />
des LAINAT (Lenkungsauss<strong>ch</strong>uss Intervention Naturgefahren)<br />
Rolle und Aufgaben des Bundes im Umgang mit Naturgefahren. Besu<strong>ch</strong>erinnen<br />
und Besu<strong>ch</strong>er können si<strong>ch</strong> über die Gemeinsame Informationsplattform<br />
Naturgefahren GIN, das Präventionsportal der Bundeskanzlei<br />
sowie über das Melde und Lagezentrum MLZ informieren.<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/naturgefahren<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong>
Porträt<br />
Die s<strong>ch</strong>iefergraue, bis<br />
zu 16 Millimeter lange<br />
Kellerassel hat unter<br />
ihrem Rückenpanzer<br />
7 frei bewegli<strong>ch</strong>e Brustsegmente<br />
mit je einem<br />
Paar Laufbeinen, vorne<br />
2 Orientierungsantennen<br />
und hinten eine S<strong>ch</strong>wanzplatte<br />
mit Tastorganen.<br />
Bild: fr.academic.ru<br />
umwelt 3/<strong>2010</strong><br />
Kellerasseln – wertvolle Entsorger<br />
Sie leben versteckt unter dem Sonnens<strong>ch</strong>irmsockel,<br />
sind in mors<strong>ch</strong>em Holz zu Hause, bevölkern<br />
den Komposthaufen und bewohnen<br />
feu<strong>ch</strong>te Kellerräume: Kellerasseln – ein li<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>eues<br />
Gesindel, das unsere Ekelgrenze auf die<br />
Probe stellt? Kellerasseln ri<strong>ch</strong>ten im Haus in der<br />
Regel keine S<strong>ch</strong>äden an – sofern sie ni<strong>ch</strong>t ihre<br />
Lieblingsspeise antreffen: faulendes Obst oder<br />
Gemüse. Und sie übertragen keine Krankheiten.<br />
Dass die Kellerassel (Porcellio scaber), eine<br />
Krebsart, Li<strong>ch</strong>t und Trockenheit meidet, liegt<br />
daran, dass ihre Vorfahren no<strong>ch</strong> im Wasser lebten.<br />
Wegen des dort herrs<strong>ch</strong>enden Konkurrenzdrucks<br />
passten sie si<strong>ch</strong> im Laufe der Evolution<br />
an das terrestris<strong>ch</strong>e Leben an und wurden zu<br />
Landkrebsen. Neben Kiemen bildeten sie Tra<strong>ch</strong>eenlungen<br />
aus, um genügend Sauerstoff aufnehmen<br />
zu können. Darum kann die Kellerassel<br />
au<strong>ch</strong> an feu<strong>ch</strong>ten Standorten überleben, sei es<br />
im Waldboden oder im Kellerges<strong>ch</strong>oss. Hier verlässt<br />
sie nur na<strong>ch</strong>ts und nur für kurze Zeit ihr<br />
Versteck. Droht Gefahr, rollt sie si<strong>ch</strong> ein und<br />
stellt si<strong>ch</strong> tot. Sie liebt zwar alles Feu<strong>ch</strong>te, meidet<br />
aber Wasser, da sie ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>wimmen kann.<br />
Im Boden bewohnt die Kellerassel den obersten<br />
Teil, die Streus<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t. Dabei spielt das gepanzer<br />
te Tier<strong>ch</strong>en im Naturhaushalt eine zentrale Rolle.<br />
Wie der Regenwurm gehört es in der Verwertungskette<br />
zu den Erstzersetzern von Laub, Holz<br />
und Pilzen, denn die im Verdauungstrakt vorhandenen<br />
Bakterien ermögli<strong>ch</strong>en der Kellerassel<br />
das Aufs<strong>ch</strong>liessen von Zellulose. Ihr Kot und die<br />
zerkleinerten Pflanzenteile werden dann von anderen<br />
Bodentieren als Nahrung weiterverwertet.<br />
So kann s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> Humus entstehen.<br />
Woher kommen die Assel<strong>ch</strong>en? Das Weib<strong>ch</strong>en<br />
trägt die 25 bis 90 befru<strong>ch</strong>teten Eier in einer flüssigkeitsgefüllten<br />
Blase an der Bau<strong>ch</strong>unterseite<br />
während 40 bis 50 Tagen mit si<strong>ch</strong> herum. Dann<br />
s<strong>ch</strong>lüpfen die Jungtiere aus. Sie häuten si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>liessend<br />
rund 15mal, bis sie die Endgrösse errei<strong>ch</strong>t<br />
haben. Na<strong>ch</strong> 3 Monaten sind sie ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsreif<br />
und werden bis zu 2 Jahre alt.<br />
Weltweit gibt es rund 2000 Asselarten, darunter<br />
die Riesenassel in der Tiefsee, die 27 cm lang<br />
wird. In der S<strong>ch</strong>weiz sind neben der Kellerassel<br />
no<strong>ch</strong> weitere 50 Arten na<strong>ch</strong>gewiesen. Die ursprüngli<strong>ch</strong>e<br />
Heimat der Kellerassel ist der westeuropäis<strong>ch</strong>atlantis<strong>ch</strong>e<br />
Raum. Der Mens<strong>ch</strong> hat<br />
sie aber über die ganze Erde verbreitet.<br />
Georg Ledergerber<br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/magazin<strong>2010</strong>-3-17<br />
63
Aktuell auf der <strong>BAFU</strong>-Website:<br />
Internationales Jahr der Biodiversität <strong>2010</strong><br />
www.umwelt-s<strong>ch</strong>weiz.<strong>ch</strong>/biodiversitaet<strong>2010</strong>