Konzeption und Evaluation eines Kinematik/Dynamik-Lehrgangs zur ...
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4 Interventionsstudie <strong>zur</strong> graphischen Modellbildung mit VisEdit 61<br />
Das Lösen von komplexen Rechenaufgaben ist in der Schule jedoch kaum möglich. Hängt z.B. eine<br />
Kraft <strong>und</strong> damit die Beschleunigung von der Geschwindigkeit oder vom Ort ab, kann dies zu Differentialgleichungen<br />
führen, die nur schwer oder überhaupt nicht explizit lösbar sind, sondern lediglich<br />
numerisch mit Hilfe <strong>eines</strong> Computers. Eine gute Lösung bilden hier die Modellbildungssysteme.<br />
„Physikalische Modellbildung ist die Beschreibung <strong>eines</strong> Phänomens durch Formulierung von<br />
Hypothesen über die Verknüpfungen einer begrenzten Anzahl von Modellgrößen“ (Schecker et al.,<br />
1989, S. 360). Es geht um Hypothesen über die Verknüpfung von Größen. Simulation ist die Anwendung<br />
bzw. der Ablauf <strong>eines</strong> Modells unter Setzung bestimmter Randbedingungen, was erst nach<br />
Erstellen des Modells im zweiten Schritt möglich ist. Somit stehen Modellbildung <strong>und</strong> Simulation<br />
in enger Wechselwirkung. Von größerer didaktischer Relevanz ist aber die Entwicklung des Modells,<br />
nicht dessen Simulation. Natürlich werden auch hier noch Elementarisierungen vorgenommen.<br />
Man kann aber schrittweise den Grad der Elementarisierung verringern, indem man zunächst<br />
vernachlässigte Effekte wie Reibung zusätzlich berücksichtigt.<br />
Man kommt selbst bei sehr komplexen Phänomenen mit wenigen Gr<strong>und</strong>begriffen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>regeln<br />
der Mechanik aus. Im gängigen Physikunterricht stehen mehr spezielle Gleichungen im Mittelpunkt;<br />
bei der Behandlung gleichförmig beschleunigter Bewegungen z.B. die Bewegungsfunktio-<br />
1 2<br />
nen x = 2 ⋅a<br />
⋅t<br />
+ v ⋅t<br />
+ x0<br />
<strong>und</strong> v a ⋅t<br />
+ v0<br />
= . Bei Modellbildungssystemen bilden die gr<strong>und</strong>legenden<br />
Definitionen wie v = )x/)t <strong>und</strong> a = )v/)t <strong>und</strong> f<strong>und</strong>amentalen Gesetze wie a = ΣF<br />
/ m die Gr<strong>und</strong>lage.<br />
„Eine große Anzahl von Phänomenen soll durch eine kleine Anzahl allgemeingültiger Gesetze <strong>und</strong><br />
Regeln (‚power tools‘) erklärt werden“ (Bethge, 1992, S. 153). Beim Arbeiten mit Modellbildung<br />
werden statt einer Fülle spezieller Formeln für Einzelfälle die strukturellen Zusammenhänge betont;<br />
nicht das quantitative Rechnen, sondern qualitative Zusammenhänge stehen im Vordergr<strong>und</strong>. Dieses<br />
qualitative Durchdenken physikalischer Probleme kann durch das Arbeiten mit Modellbildungssystemen<br />
gefördert werden.<br />
Der bayerische Physiklehrplan für das achtjährige Gymnasium schreibt numerische Verfahren explizit<br />
für reale Bewegungsabläufe vor. Das Thema „die Mechanik Newtons“ ist dabei eingeb<strong>und</strong>en<br />
in das Jahrgangsstufenthema „physikalische Weltbilder“ (zehnte Jahrgangsstufe): von historischen<br />
Weltbildern über ein mechanistisches bis hin zu modernen Weltbildern, wie sie die Quantenphysik<br />
liefert. Gerade die Vorhersagbarkeit in einem mechanistischen Weltbild <strong>und</strong> die Reichweite des<br />
zweiten newtonschen Gesetzes kann mit Modellbildung verdeutlicht werden. Zurzeit werden die<br />
physikalischen Gr<strong>und</strong>zusammenhänge im Unterricht allerdings noch durch eine Vielzahl spezieller<br />
Lösungen überdeckt.<br />
Neben diesen beiden Aspekten „Betonung der physikalischen Struktur“ <strong>und</strong> „Einbeziehung komplexer<br />
authentischer Probleme“ weisen SANDER (2000, S. 47) <strong>und</strong> SANDER ET AL. (2001, S. 149)<br />
außerdem darauf hin, dass beim Einbeziehen von Modellbildung in das experimentelle Praktikum<br />
an der Universität eine wissenschaftliche Vorgehensweise gefördert wird, indem zwischen theoretischer<br />
<strong>und</strong> experimenteller Perspektive hin <strong>und</strong> her gewechselt wird. Dabei wird die Möglichkeit<br />
geschaffen, eigene Ideen eigenständig zu entfalten <strong>und</strong> zu verfolgen.