Konzeption und Evaluation eines Kinematik/Dynamik-Lehrgangs zur ...
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6 <strong>Evaluation</strong> <strong>eines</strong> Unterrichtskonzeptes 171<br />
Antwortgraphen. Sehr verblüffend sind die großen Unterschiede bei bayerischen Gymnasiasten. Ein<br />
überraschender Punkt ist, dass im Jahr 1988 Studenten, die im ersten Semester Physik studierten,<br />
schlechtere Ergebnisse erzielten als Gymnasiasten im Jahr 1994, die pflichtweise in der elften Klasse<br />
noch Physik machen müssen. Das ist wohl nicht damit zu erklären, dass die Studenten den Fragebogen<br />
unter Zeitdruck bearbeiten mussten, während die Gymnasiasten Zeit hatten, was auch<br />
wichtig ist, wenn man nicht Leistung messen will, sondern Vorstellungen aufdecken will. Weiterhin<br />
verw<strong>und</strong>ert es, dass Gymnasiasten des gleichen B<strong>und</strong>eslandes bei einem im Wesentlichen gleichen<br />
Lehrplan 1988 bedeutend schlechter als sechs Jahre später sind. Möglich ist, dass die Lehrer mittlerweile<br />
mehr Wert auf Grapheninterpretation legen oder engagiertere Lehrer ausgewählt wurden.<br />
Andererseits war der Fragebogen 1988 auch etwas umfangreicher, unübersichtlicher, von der Gestaltung<br />
her nicht ansprechend <strong>und</strong> fast ohne Skizzen <strong>zur</strong> Veranschaulichung. Schließlich wurde der<br />
Fragebogen 1994 auch später im Schuljahr gestellt, so dass die Schüler vielleicht mehr Übung mit<br />
Grapheninterpretation hatten. Dennoch erklärt dies noch nicht die Unterschiede. Es ist zu bedenken,<br />
dass bei WILHELM die 373 Schülern vor dem Unterricht bei drei der vier Items schon besser sind,<br />
als die ebenfalls bayerischen Gymnasiasten bei TREFFER (im Jahr 1988) <strong>und</strong> BLASCHKE (im Jahr<br />
1997) nach dem <strong>Kinematik</strong>-/<strong>Dynamik</strong>unterricht bei physikalisch identischen Aufgaben.<br />
Auffallend ist bei allen Untersuchungen von THORNTON, TREFFER <strong>und</strong> BLASCHKE, dass der Anteil<br />
der richtigen Antworten bei der Bewegung nach links deutlich geringer als bei der Bewegung nach<br />
rechts ist, während bei WILHELM diese Items fast gleich beantwortet wurden. Dies liegt wahrscheinlich<br />
an der in Kapitel 6.4.2.1 diskutierten Präsentation des Koordinatensystems (1988 <strong>und</strong> 1997:<br />
positive Orts-Achse; 1994: x-Achse <strong>eines</strong> Koordinatensystems). Von Interesse ist deshalb, welche<br />
Antwort die Schüler 1988 statt der richtigen gaben. 16 % bis 26 % der Schüler wählten den Graph<br />
aus, der statt der Geschwindigkeit den Ort angibt. Dies wird durch die Formulierung der Items unterstützt,<br />
denn Formulierungen wie „der sich mit gleich bleibender (konstanter) Geschwindigkeit<br />
vom Ursprung weg bewegt“ bzw. „zum Ursprung hin bewegt“ lassen eher an einen bestimmten<br />
Ortsgraph denken wie Formulierungen wie „bewegt sich nach rechts“. Ein anderer Gr<strong>und</strong> könnte<br />
bei TREFFER <strong>und</strong> BLASCHKE sein, dass im Aufgabenblock davor zu ähnlichen Items das passende<br />
Zeit-Ort-Diagramm ausgewählt werden sollte (Platzierungseffekt). Dies zeigt, wie entscheidend die<br />
Formulierung der Fragestellung in einem Test ist.<br />
Es sei hier aber noch die folgende Kritik an der Aufgabenstellung angemerkt: In fast allen Items des<br />
gesamten Fragebogens werden die Bewegungen der entsprechenden Fahrzeuge fast gleich lautend<br />
über die Geschwindigkeit bzw. Schnelligkeit beschrieben (konstant, schnellerwerdend, langsamerwerdend).<br />
Im Aufgabenblock <strong>zur</strong> Beschleunigung (<strong>und</strong> indirekt in den Aufgaben <strong>zur</strong> Kraft) ist<br />
also nach der ersten Ableitung der beschriebenen Geschwindigkeit gefragt, während in diesem<br />
Block nach der Geschwindigkeit selbst gefragt ist. Deshalb ist auch unabhängig von den Vorstellungen<br />
der Schüler dieser Aufgabenblock einfacher zu beantworten. Um einen vergleichbaren<br />
Schwierigkeitsgrad zu haben, müsste es z.B. statt „bewegt sich nach rechts mit einer festen Geschwindigkeit“<br />
hier „bewegt sich nach rechts <strong>und</strong> vergrößert seinen Abstand vom Ursprung<br />
gleichmäßig“ heißen. Bei einer so ähnlich formulierten Aufgabe in der Untersuchung von BLASCH-