Konzeption und Evaluation eines Kinematik/Dynamik-Lehrgangs zur ...

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162 6 Evaluation des Unterrichtskonzeptes tor einzuzeichnen. Alle Schüler hatten also bereits die Kinematik und Dynamik zweidimensionaler Bewegungen behandelt, ein Großteil erst kurz davor. Dabei traten Unterschiede zwischen den einzelnen Klassen auf. So wurde z.B. nur in einer Klasse häufig Pfeile gezeichnet, die stets irgendwie in das Innere der umfahrenen Fläche zeigen - auch bei Fahrt geradeaus und bei entgegengesetzter Kurvenkrümmung; die Schüler sehen also die Bewegung als Ganzes („Kreisfahrt“), nicht die einzelnen Abschnitte. Insgesamt haben im Gegensatz zur Aufgabe „Beschleunigung beim Münzwurf“ in Kapitel 6.4.3, in der nach dem Vorzeichen der Beschleunigung gefragt wurde und dann ein Pfeil zu zeichnen war, nur sehr wenige Schüler einen Pfeil gezeichnet, der der Geschwindigkeitsrichtung entspricht (siehe Tab. 6.1). Dabei wurde beim Schnellerwerden ein langer und beim Langsamerwerden ein kurzer Pfeil in Bewegungsrichtung gezeichnet. Bei den geradlinigen Bewegungen haben die meisten Schüler (93 % bzw. 88 %, siehe Tab. 6.1) die richtigen Pfeile eingezeichnet. Das heißt aber nicht, dass diese Schüler ein vektorielles Verständnis der Beschleunigung haben. Viele haben wohl nur ihre „Schneller-/Langsamer-Vorstellung“ (Beschleunigung als skalare Größe, + ist schneller, - ist langsamer) in Pfeile umgesetzt. So haben einige Schüler zusätzlich „ a > 0 � “, „ a � richtige nur Angabe der tangen- Angabe Lösung tialen Beschleunigung von v (deutlich tangential, deutlich gebogen, undeutlich) − “ oder das Vorzeichen „+“ oder „-“ dazugeschrieben. 2 % der Schüler haben sogar keine Pfeile, sondern nur Vorzeichen auf das Blatt geschrieben. Bei der Kurvenfahrt haben dagegen nur wenige Schüler eine richtige Antwort gegeben. Obwohl Kreisbewegungen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit und die Zentripetalkraft längere Zeit unterrichtet wurden, haben hier nur 12 % richtig geantwortet (in sechs Klassen: 0 %). Noch schwieriger ist es, wenn die Bewegung während der Kurvenfahrt schneller oder langsamer wird. Dass sich die Beschleunigung hier aus einer Tangential- und einer Normalkomponente zusammensetzt, wurde den Schülern im Unterricht wahrscheinlich mitgeteilt, aber wohl wenig veranschaulicht und geübt. Deshalb werden hier nur von 9 % bzw. 6 % richtige Pfeile gezeichnet. Sehr häufig wird bei der Kurvenfahrt der Nullvektor bei konstantem Tempo (48 %) bzw. ein Pfeil in oder gegen die Bewegungsrichtung je nach Schneller- oder Langsamerwerden gezeichnet (56 % bzw. 73 %). Zusätzlich ist dabei zu beachten, dass einige dieser Schüler (10 % bzw. 6 % aller Schüler) einen deutlich gebogenen Pfeil (wie die Fahrbahn) zeichnen. Viele zeichnen den Pfeil leider so kurz, dass nicht ent- � geradeaus schneller- 93 % - - werdend geradeaus 88 % - 4 % bremsend Kurvenfahrt konstantes 12 % 48 % 15 % Tempo Kurvenfahrt 56 % schneller- 9 % - (31 % + 10 % + 15 %) werdend Kurvenfahrt 73 % 6 % 4 % bremsend (36 % + 6 % + 32 %) Tab. 6.1: Antwortverhalten herkömmlich unterrichtetet Elftklässler am Schuljahresende bei der Aufgabe zur Richtung des Beschleunigungsvektors (N = 217, zwölf Klassen, sechs bayerische Gymnasien)

6 Evaluation eines Unterrichtskonzeptes 163 scheidbar ist, ob sie an eine echte Tangente oder an einen gebogenen Pfeil dachten. Ca. ein Drittel der Schüler geben einen deutlich tangentialen Pfeil an. Insgesamt kann man sagen, dass ein Großteil der Schüler eine vereinfachte Vorstellung des Beschleunigungsbegriffes im Sinne der Angabe „schneller/langsamer“ bis zum Ende der elften Klasse entwickelt hat, auch wenn nicht alle dieser Schüler dies bei schwierigen Items (mit Graphen oder Münzwurf) umsetzen können. Dagegen haben nur wenige Schüler eine vektorielle Vorstellung, die bei zweidimensionalen Bewegungen die richtige qualitative Lösung ermöglicht. Es wäre sicher wünschenswert, wenn wie bei der eindimensionalen Kinematik auch zur zweidimensionalen Kinematik mit einer größeren Anzahl verschiedener Aufgaben Tests durchgeführt worden wären. FLORES ET AL. (2004, S. 465) stellten z.B. nach einem Einführungskurs zwei physikalisch ähnliche Aufgaben an Studenten. LABUDDE, REIF und QUINN (1988, S. 97 f.) beschrieben in je einem Satz verschiedene Bewegungen, zu denen die Studenten die Beschleunigung beschreiben sollten, wobei z.T. eine, meist falsche Antwort in der Aufgabenstellung bereits vorgeschlagen war. 6.4.1.2 Ergebnisse der Treatmentgruppe im Vergleich Dass die Schüler, die nach dem Unterrichtskonzept dieser Arbeit unterrichtet wurden, Aufgaben zur zweidimensionalen Kinematik besser lösen als Schüler, die traditionell unterrichtet wurden, schien aufgrund der Ergebnisse von REUSCH (Reusch, Heuer, 1999a, S. 184; Reusch, Heuer, 1999b, S. 32) so selbstverständlich, dass es wenig getestet wurde. Denn es wurden bis zu sieben Unterrichtsstunden für die Kinematik zweidimensionaler Bewegungen verwendet, während dies im konventionellen Unterricht in der Regel nur kurz bei den Spezialfällen „waagrechter Wurf“ und „Kreisbewegung“ behandelt wird. Deshalb kann man von traditionell unterrichteten Schülern nicht erwarten, dass sie eine Vorstellung haben, welche Richtung z.B. der Beschleunigungsvektor hat, wenn in einer Kurve gebremst wird. Aufgaben zur zweidimensionalen Bewegung wurden im Rahmen dieses Unterrichtskonzeptes häufig in Übungs- und Prüfungsaufgaben gestellt. Nach den Angaben der Lehrer des Forschungsprojektes wurden diese von den Schülern der Treatmentgruppe auch gut gelöst; jedoch liegen wie oben begründet wenige empirische Daten vor. In einer Klasse (17 Schüler) wurde nach nur einer Übungsstunde zur ein- und zweidimensionalen Kinematik eine Stegreifaufgabe geschrieben. Obwohl die Konstruktion des Beschleunigungsvektors auf dem Papier kaum (nur an einem Beispiel) geübt wurde, konnten doch 70 % der Schüler eine solche Konstruktion aus zwei gegebenen Geschwindigkeitsvektoren durchführen. Bei der Aufgabe aus Abb. 6.4, deren Fragestellung auch nur sehr kurz geübt wurde, wurden die Beschleunigungsrichtungen bei Kurvenfahrten mit konstanter Schnelligkeit von Dreiviertel der Schüler richtig angegeben (drei Monate später in einer anderen, schwierigeren Aufgabe der Schulaufgabe: von der Hälfte der Schüler). Bei der schwierigeren Situation des Bremsens oder Schnellerwerdens in der Kurve gaben in dieser Stegreifaufgabe noch 50 % – 60 % eine richtige Beschleunigungsrichtung an (siehe Tab. 6.2). Das zeigt, dass viele Schüler auch ohne viel Übung solche Zusammenhänge schnell erfassen. Die Unterschiede zu den Ergebnissen traditioneller Klassen sind bei gerader Strecke nicht

162 6 <strong>Evaluation</strong> des Unterrichtskonzeptes<br />

tor einzuzeichnen. Alle Schüler hatten also bereits die <strong>Kinematik</strong> <strong>und</strong> <strong>Dynamik</strong> zweidimensionaler<br />

Bewegungen behandelt, ein Großteil erst kurz davor. Dabei traten Unterschiede zwischen den einzelnen<br />

Klassen auf. So wurde z.B. nur in einer Klasse häufig Pfeile gezeichnet, die stets irgendwie<br />

in das Innere der umfahrenen Fläche zeigen - auch bei Fahrt geradeaus <strong>und</strong> bei entgegengesetzter<br />

Kurvenkrümmung; die Schüler sehen also die Bewegung als Ganzes („Kreisfahrt“), nicht die einzelnen<br />

Abschnitte.<br />

Insgesamt haben im Gegensatz<br />

<strong>zur</strong> Aufgabe „Beschleunigung<br />

beim Münzwurf“ in Kapitel<br />

6.4.3, in der nach dem Vorzeichen<br />

der Beschleunigung gefragt<br />

wurde <strong>und</strong> dann ein Pfeil zu<br />

zeichnen war, nur sehr wenige<br />

Schüler einen Pfeil gezeichnet,<br />

der der Geschwindigkeitsrichtung<br />

entspricht (siehe Tab. 6.1).<br />

Dabei wurde beim Schnellerwerden<br />

ein langer <strong>und</strong> beim<br />

Langsamerwerden ein kurzer<br />

Pfeil in Bewegungsrichtung gezeichnet.<br />

Bei den geradlinigen Bewegungen<br />

haben die meisten Schüler<br />

(93 % bzw. 88 %, siehe Tab. 6.1) die richtigen Pfeile eingezeichnet. Das heißt aber nicht, dass diese<br />

Schüler ein vektorielles Verständnis der Beschleunigung haben. Viele haben wohl nur ihre „Schneller-/Langsamer-Vorstellung“<br />

(Beschleunigung als skalare Größe, + ist schneller, - ist langsamer) in<br />

Pfeile umgesetzt. So haben einige Schüler zusätzlich „ a > 0<br />

�<br />

“, „ a �<br />

richtige nur Angabe der tangen- Angabe<br />

Lösung tialen Beschleunigung von v<br />

(deutlich tangential, deutlich<br />

gebogen, <strong>und</strong>eutlich)<br />

− “ oder das Vorzeichen „+“ oder<br />

„-“ dazugeschrieben. 2 % der Schüler haben sogar keine Pfeile, sondern nur Vorzeichen auf das<br />

Blatt geschrieben.<br />

Bei der Kurvenfahrt haben dagegen nur wenige Schüler eine richtige Antwort gegeben. Obwohl<br />

Kreisbewegungen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit <strong>und</strong> die Zentripetalkraft längere Zeit unterrichtet<br />

wurden, haben hier nur 12 % richtig geantwortet (in sechs Klassen: 0 %). Noch schwieriger<br />

ist es, wenn die Bewegung während der Kurvenfahrt schneller oder langsamer wird. Dass sich<br />

die Beschleunigung hier aus einer Tangential- <strong>und</strong> einer Normalkomponente zusammensetzt, wurde<br />

den Schülern im Unterricht wahrscheinlich mitgeteilt, aber wohl wenig veranschaulicht <strong>und</strong> geübt.<br />

Deshalb werden hier nur von 9 % bzw. 6 % richtige Pfeile gezeichnet. Sehr häufig wird bei der<br />

Kurvenfahrt der Nullvektor bei konstantem Tempo (48 %) bzw. ein Pfeil in oder gegen die Bewegungsrichtung<br />

je nach Schneller- oder Langsamerwerden gezeichnet (56 % bzw. 73 %). Zusätzlich<br />

ist dabei zu beachten, dass einige dieser Schüler (10 % bzw. 6 % aller Schüler) einen deutlich gebogenen<br />

Pfeil (wie die Fahrbahn) zeichnen. Viele zeichnen den Pfeil leider so kurz, dass nicht ent-<br />

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geradeaus<br />

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73 %<br />

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(36 % + 6 % + 32 %)<br />

Tab. 6.1: Antwortverhalten herkömmlich unterrichtetet Elftklässler<br />

am Schuljahresende bei der Aufgabe <strong>zur</strong> Richtung des Beschleunigungsvektors<br />

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