Konzeption und Evaluation eines Kinematik/Dynamik-Lehrgangs zur ...

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thomas.wilhelm.net
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158 6 Evaluation des Unterrichtskonzeptes allen Schülern ist klar, wie die Geschwindigkeit und der Ort berechnet werden, und haben Probleme 1 2 mit der kinematischen Kette a→v→x; sie wollen eine Gleichung wie s = a t eingeben. Nur ein Lehrer hat seine Schüler in der Schule selbst im Computerraum Modelle erstellen lassen. Die anderen Lehrer ließen Modelle nur gemeinsam im Klassenunterricht erstellen, da sie bei Schülerübungen abgesehen vom Zeitproblem auch technische Probleme sahen. So scheiterte es in einer Schule daran, dass man nicht verhindern kann, dass die Schüler während der Zeit im Computerraum unerlaubt ins Internet gehen. Ein paar Lehrer haben die Software den Schülern mit nach Hause gegeben und diese wurde von Schülern auch genutzt, woraus wiederum viele softwaretechnische Rückfragen an die Lehrer entstanden. Die Probleme bei falschen Abläufen lagen im Unterricht häufig bei falschen Vorzeichen für die Kräfte, unsinnigen Startwerten oder am bei neuen Modellen standardmäßig eingestellten Eulerverfahren, das manchmal aber zu ungenau ist. Zwei Referendarinnen nutzten die positiven Erfahrungen mit der Modellbildung und der verwendeten Software PAKMA/VisEdit, um im Anschluss an das Forschungsprojekt zu einem weiteren Thema eine Schriftliche Hausarbeit zum Zweiten Staatsexamen in jeweils einer der elften Klassen zu schreiben. GIGLIOLA hat im Rahmen des Forschungsprojektes entsprechend den ausgegebenen Unterrichtsmaterialien eine Modellbildung zum Wagen, der mit einer Zugmasse konstant beschleunigt wird, eine zum Wagen, der mit einer fallenden Gliederkette beschleunigt wird, und eine zum Barthschen Fallkegel durchgeführt. Nach der Behandlung der Erhaltungsgrößen und der Schwingungen hat sie dann als Abschluss der newtonschen Mechanik eine Unterrichtseinheit „Trampolinspringen“ über insgesamt sieben Unterrichtsstunden durchgeführt (Gigliola, 2003), wobei dieser Vorgang physikalisch äquivalent zum Wagen auf der schiefen Ebene mit reflektierender Feder ist, der in den ausgegebenen Unterrichtsmaterialien zur Modellbildung vorgeschlagen wird 9 . Die Schüler waren motiviert und interessiert dabei. Vor allem die Schüler, die an der Stunde in der Sporthalle teilnahmen (4. Std.), waren vom Unterrichtskonzept bis zum Ende begeistert. Besonders lohnenswert war die Diskussion (3. Std.), warum der Springer nicht sofort gebremst wurde, als er das Tuch berührte (Betrag der Gewichtskraft noch größer als Betrag der Federkraft). Einige Schüler haben auch selbst zu Hause mit der Software experimentiert. THEISMANN hat im Rahmen des Forschungsprojektes ausführlich Modellbildung in einem Kurs in Nordrhein-Westfalen eingesetzt (schiefe Ebene mit Reflexion am Ende und mit Reibung, Fallbewegung ohne und mit Luftreibung), wobei die Schüler auch eigenständig modellierten. Insbesondere die Darstellungen mit Vektorpfeilen wurden von ihr sehr geschätzt. Für ihre Schriftliche Hausarbeit 9 Zunächst sollten die Schüler ihre Vorstellungen bezüglich des Bewegungsablaufs und der Kräfte auf Arbeitsblättern festhalten (1. Std.). In Einzelarbeit haben die Schüler dann das Wirkungsgefüge auf einem Arbeitsblatt erstellt und ein Schüler hat es am Computer in VisEdit eingegeben (2. Std.). Als Hausaufgabe sollten die Graphen schriftlich vorhergesagt werden, was dann mit der Ausgabe in PAKMA verglichen wurde (3. Std.). In einer freiwilligen Zusatzstunde am Nachmittag wurde die Federhärte eines großen Trampolins bestimmt und ein Video eines Trampolinsprungs aufgenommen (4. Std. mit nur 10 von 26 Schülern). Nach einigen Überlegungen, wie die Bewegung von den Konstanten und Anfangswerten abhängt (5. Std.), wurde das Modell mit dem Video verglichen (6. Std.). Dazu wurde das Video mit dem Videoanalyseprogramm AVA analysiert und die Daten in PAKMA eingelesen (Wilhelm et al., 2003). In der letzten Stunde wurde eine Aufgabe zum (physikalisch äquivalenten) Bungee-Sprung bearbeitet. Wie in dem Unterrichtskonzept betont (siehe Kapitel 5) wurden also intensiv Vorhersagen gefordert und viel Zeit für Diskussionen vorgesehen. 2

6 Evaluation eines Unterrichtskonzeptes 159 zum Zweiten Staatsexamen hat THEISMANN (2003) beim Thema „Schwingungen“ (als Anwendung der newtonschen Dynamik) die Schüler in fünf Gruppen geteilt, von denen jede drei Stunden eine harmonische oder anharmonische Schwingung anhand eines Arbeitsblattes eigenständig bearbeitete und anschließend der Klasse vorstellte, wobei auch Modellbildung integriert wurde 10 . Das eigenständige Modellieren mit VisEdit fiel den Schülern leicht. Erst durch diese Eigentätigkeit mussten die Schüler unterscheiden lernen, welche Erkenntnisse dem Experiment entnommen waren und welchen Stellenwert die Simulation des Modells im Vergleich dazu hat, so dass die Schüler einen vertieften Einblick in die Arbeitsweise der Physik bekamen. Die beiden Beispiele zeigten, dass die im Konzept verwendete Modellbildung ein motivierender und auch erweiterbarer Ansatz ist. Deutlich wurde auch, wie interessant und lehrreich der Vergleich von Messung und Modell im gleichen Softwareprogramm ist, wobei hier aber ein gewisser Aufwand betrieben werden musste. Die beiden Arbeiten zeigen ferner, dass das Unterrichtsprinzip „Vorhersagen im Physikunterricht“ (Kapitel 5.4.4) erfolgreich übernommen wurde. 6.3.3.2 Modellbildung in Prüfungsaufgaben Interessant ist außerdem, wie Schüler mit Prüfungsaufgaben umgingen, in denen sie ein Wirkungsgefüge zeichnen sollten. In einer Klasse wurde für die Schüler unerwartet eine Stegreifaufgabe zur Modellbildung geschrieben (Lehrer = Autor der Arbeit). In den vier Stunden zuvor wurde die schiefe Ebene mit Reflexion und Reibung modelliert sowie die Hausaufgabe besprochen, in der ein Modell zu einem Wagen erstellt wurde, der mit einer konstanten Zugmasse bzw. mit einer sich verkürzenden Kette beschleunigt wurde. In der Stegreifaufgabe wurde die Situation beschrieben, dass eine Person auf ein Trampolin springt, dessen Netz als eine Feder aufgefasst werden kann (Reibungskräfte vernachlässigt). Dies ist physikalisch äquivalent zur schiefen Ebene mit Reflexion. Die Schüler sollten ein vorgegebenes rudimentäres Wirkungsgefüge (siehe Abb. 6.3) auf dem Papier vervollständigen und angeben, wie die Größen und die Gleichungen heißen, die zu ihrer Berechnung nötig sind. In der zweiten Teilaufgabe sollten noch für bestimmte Situationen (Trampolin sehr leicht eingedrückt, tiefster Punkt, Aufwärtsbewegung) die Kräfte (F_g, F_Tramp, F_ges) und Geschwindigkeit und Beschleunigung als Pfeile eingezeichnet werden. Die Stegreifaufgabe fiel in beiden Teilen gut aus, wobei es bei dem Wirkungsgefüge große Unterschiede gab. Drei Schüler (20 %) waren überhaupt nicht in der Lage, ein einigermaßen sinnvolles Wirkungsgefüge zu zeichnen. Die Struktur der anderen gezeichneten Wirkungsgefüge war im Wesentlichen richtig. Schwierigkeiten gab es fast ausschließlich mit der Trampolinauslenkung, die vom Ort abhängt und die Federkraft bestimmt. Bei 10 Die Schüler sollten dabei den Ablauf beobachten, Graphen schriftlich vorhersagen, den Ablauf mit VisEdit modellieren und mit PAKMA messen, Modell und Messung vergleichen, eine ergänzende Simulation mit dynamisch ikonischen Repräsentationen beobachten und Parameter verändern. Verwendet wurde 1. ein vertikal schwingendes Federpendel (Messwerterfassung mit der Maus, ebenso in VisEdit programmiert), 2. ein Stabpendel (Messwerterfassung über einen Joystick über ein selbst geschriebenes Programm und Datenimport in PAKMA), 3. ein Wagenpendel auf der Luftkissenbahn mit zwei verschieden großen Zuggewichten an den beiden Seiten (Goldkuhle, 1997, S. 63 - 69) (Messwerterfassung mit der Maus, ebenso in VisEdit programmiert), 4. eine im U-Rohr schwingende Wassersäule (Messwerterfassung mit dem Videoanalyseprogramm Galileo und Datenimport in PAKMA) und 5. ein Schiefe- Ebene-Pendel mit einer Kugel auf einer geknickten Rollbahn (Messwerterfassung über eine Digitalwaage über die serielle Schnittstelle ergab Probleme mit der gewählten, nicht geeigneten Waage).

158 6 <strong>Evaluation</strong> des Unterrichtskonzeptes<br />

allen Schülern ist klar, wie die Geschwindigkeit <strong>und</strong> der Ort berechnet werden, <strong>und</strong> haben Probleme<br />

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mit der kinematischen Kette a→v→x; sie wollen eine Gleichung wie s = a t eingeben.<br />

Nur ein Lehrer hat seine Schüler in der Schule selbst im Computerraum Modelle erstellen lassen.<br />

Die anderen Lehrer ließen Modelle nur gemeinsam im Klassenunterricht erstellen, da sie bei Schülerübungen<br />

abgesehen vom Zeitproblem auch technische Probleme sahen. So scheiterte es in einer<br />

Schule daran, dass man nicht verhindern kann, dass die Schüler während der Zeit im Computerraum<br />

unerlaubt ins Internet gehen. Ein paar Lehrer haben die Software den Schülern mit nach Hause gegeben<br />

<strong>und</strong> diese wurde von Schülern auch genutzt, woraus wiederum viele softwaretechnische<br />

Rückfragen an die Lehrer entstanden. Die Probleme bei falschen Abläufen lagen im Unterricht häufig<br />

bei falschen Vorzeichen für die Kräfte, unsinnigen Startwerten oder am bei neuen Modellen<br />

standardmäßig eingestellten Eulerverfahren, das manchmal aber zu ungenau ist.<br />

Zwei Referendarinnen nutzten die positiven Erfahrungen mit der Modellbildung <strong>und</strong> der verwendeten<br />

Software PAKMA/VisEdit, um im Anschluss an das Forschungsprojekt zu einem weiteren<br />

Thema eine Schriftliche Hausarbeit zum Zweiten Staatsexamen in jeweils einer der elften Klassen<br />

zu schreiben. GIGLIOLA hat im Rahmen des Forschungsprojektes entsprechend den ausgegebenen<br />

Unterrichtsmaterialien eine Modellbildung zum Wagen, der mit einer Zugmasse konstant beschleunigt<br />

wird, eine zum Wagen, der mit einer fallenden Gliederkette beschleunigt wird, <strong>und</strong> eine zum<br />

Barthschen Fallkegel durchgeführt. Nach der Behandlung der Erhaltungsgrößen <strong>und</strong> der Schwingungen<br />

hat sie dann als Abschluss der newtonschen Mechanik eine Unterrichtseinheit „Trampolinspringen“<br />

über insgesamt sieben Unterrichtsst<strong>und</strong>en durchgeführt (Gigliola, 2003), wobei dieser<br />

Vorgang physikalisch äquivalent zum Wagen auf der schiefen Ebene mit reflektierender Feder ist,<br />

der in den ausgegebenen Unterrichtsmaterialien <strong>zur</strong> Modellbildung vorgeschlagen wird 9 . Die Schüler<br />

waren motiviert <strong>und</strong> interessiert dabei. Vor allem die Schüler, die an der St<strong>und</strong>e in der Sporthalle<br />

teilnahmen (4. Std.), waren vom Unterrichtskonzept bis zum Ende begeistert. Besonders lohnenswert<br />

war die Diskussion (3. Std.), warum der Springer nicht sofort gebremst wurde, als er das Tuch<br />

berührte (Betrag der Gewichtskraft noch größer als Betrag der Federkraft). Einige Schüler haben<br />

auch selbst zu Hause mit der Software experimentiert.<br />

THEISMANN hat im Rahmen des Forschungsprojektes ausführlich Modellbildung in einem Kurs in<br />

Nordrhein-Westfalen eingesetzt (schiefe Ebene mit Reflexion am Ende <strong>und</strong> mit Reibung, Fallbewegung<br />

ohne <strong>und</strong> mit Luftreibung), wobei die Schüler auch eigenständig modellierten. Insbesondere<br />

die Darstellungen mit Vektorpfeilen wurden von ihr sehr geschätzt. Für ihre Schriftliche Hausarbeit<br />

9 Zunächst sollten die Schüler ihre Vorstellungen bezüglich des Bewegungsablaufs <strong>und</strong> der Kräfte auf Arbeitsblättern<br />

festhalten (1. Std.). In Einzelarbeit haben die Schüler dann das Wirkungsgefüge auf einem Arbeitsblatt erstellt <strong>und</strong> ein<br />

Schüler hat es am Computer in VisEdit eingegeben (2. Std.). Als Hausaufgabe sollten die Graphen schriftlich vorhergesagt<br />

werden, was dann mit der Ausgabe in PAKMA verglichen wurde (3. Std.). In einer freiwilligen Zusatzst<strong>und</strong>e<br />

am Nachmittag wurde die Federhärte <strong>eines</strong> großen Trampolins bestimmt <strong>und</strong> ein Video <strong>eines</strong> Trampolinsprungs aufgenommen<br />

(4. Std. mit nur 10 von 26 Schülern). Nach einigen Überlegungen, wie die Bewegung von den Konstanten<br />

<strong>und</strong> Anfangswerten abhängt (5. Std.), wurde das Modell mit dem Video verglichen (6. Std.). Dazu wurde das Video<br />

mit dem Videoanalyseprogramm AVA analysiert <strong>und</strong> die Daten in PAKMA eingelesen (Wilhelm et al., 2003). In der<br />

letzten St<strong>und</strong>e wurde eine Aufgabe zum (physikalisch äquivalenten) Bungee-Sprung bearbeitet. Wie in dem Unterrichtskonzept<br />

betont (siehe Kapitel 5) wurden also intensiv Vorhersagen gefordert <strong>und</strong> viel Zeit für Diskussionen vorgesehen.<br />

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