Konzeption und Evaluation eines Kinematik/Dynamik-Lehrgangs zur ...
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128 5 Entwicklung <strong>eines</strong> Gesamtkonzeptes <strong>zur</strong> <strong>Kinematik</strong> <strong>und</strong> <strong>Dynamik</strong><br />
Diese Schritte beim Erkennen <strong>und</strong> Erarbeiten neuer qualitativer <strong>und</strong> quantitativer Aussagen aus<br />
Phänomenen <strong>und</strong> Experimenten sind zwanglos der obigen „Aufbau“-Strategie zuzuordnen. Fehlvorstellungen<br />
werden dabei bei der Auswahl der Experimente <strong>und</strong> Beispiele berücksichtigt, ohne sie<br />
vor dem Einsatz dieser Experimente <strong>und</strong> Beispiele explizit zu formulieren. Erst nachdem das physikalische<br />
Konzept vorgestellt ist, wird es an geeigneten Stellen den Alltagssichtweisen gegenübergestellt.<br />
Eine besondere Klasse unter den Aufbaustrategien ist die des „Umdeutens“. Hierbei sagt man den<br />
Schülern bewusst nicht, dass ihre Vorstellungen aus der Sicht der Physik falsch sind, sondern betont,<br />
dass sie im Prinzip etwas Richtiges denken, aber die Physik dafür andere Begriffe benutzt. Das<br />
hierzu meist erwähnte Beispiel kommt aus der Elektrizitätslehre. Schüler denken häufig, dass in der<br />
Batterie „Strom gespeichert“ ist <strong>und</strong> im Lämpchen „Strom verbraucht“ wird. Der Lehrer bemüht<br />
sich nun um eine Umdeutung, indem er betont, dass in der Batterie chemische Energie „gespeichert“<br />
ist, die in elektrische Energie umgewandelt wird. In dem Lämpchen wird die elektrische Energie<br />
in Licht <strong>und</strong> Wärme umgewandelt, also quasi „verbraucht“.<br />
In der <strong>Kinematik</strong> <strong>und</strong> <strong>Dynamik</strong> ist dies kaum möglich, da es sich bei einigen Begriffen der Schüler<br />
wie „Kraft“ um Clusterbegriffe handelt. In dem hier erarbeiteten Konzept wurde dieses Umdeuten<br />
deshalb nur an einer Stelle genutzt. Den Schülern wurde gesagt, dass das, was sie mit „Geschwindigkeit“<br />
bezeichnen, in der Physik mit „Schnelligkeit“ oder „Tempo“ oder „Geschwindigkeitsbetrag“<br />
bezeichnet wird, während der physikalische Begriff „Geschwindigkeit“ eine Richtung bzw.<br />
ein Vorzeichen hat. Die Schüler kamen mit dieser Umdeutung gut <strong>zur</strong>echt <strong>und</strong> gebrauchten im Unterrichtsgespräch<br />
auch gerne den Begriff „Schnelligkeit“.<br />
In gewisser Weise wird beim dritten newtonschen Gesetz ähnlich verfahren. Bei Stößen unterschiedlich<br />
schwerer Körper glauben Schüler, dass der schwerere eine größere Kraft auf den leichteren<br />
ausübt als umgekehrt. Hier wird den Schülern mitgeteilt, dass hinter ihrer Auffassung eine richtige<br />
Erkenntnis liegt: Die beobachtbare Wirkung, nämlich die Beschleunigungen, sind betragsmäßig<br />
unterschiedlich, aber nicht die Beträge der Kräfte.<br />
Ein Vorteil des Umdeutens liegt auf der emotionalen Ebene. Den Schülern wird nicht gesagt, dass<br />
ihre Vorstellung falsch ist, sondern dass sie einen richtigen Aspekt beinhaltet.<br />
5.4.2 Aspekte diskontinuierlichen Lernens im Gesamtkonzept<br />
Dadurch, dass die Schüler vor dem Ablauf einer Messung oder einer Simulation häufig vorhersagen<br />
sollen, was sie erwarten (siehe Kapitel 5.4.4), ergeben sich auch Elemente einer Konfliktstrategie.<br />
Kognitive Konflikte können sowohl zwischen Schülervorstellungen <strong>und</strong> der Beobachtung des Ablaufs<br />
<strong>eines</strong> Experimentes bzw. einer Simulation als auch zwischen verschiedenen, nebeneinander<br />
bestehenden Schülervorstellungen entstehen. Dabei muss man sich den nicht unerheblichen Problemen<br />
dieser Strategie bewusst sein.<br />
Bei dieser Strategie muss schon vor Durchführung des Experiments bzw. vor Ablauf einer Simulation<br />
klar herausgearbeitet werden, was die Schüler darüber denken, was sie vorhersagen. Damit die<br />
Schüler später ihre Voraussagen nicht leugnen können, legen sie insbesondere Graphenvorhersagen<br />
bei der Modellbildung im Voraus schriftlich fest. Es kann für Schüler durchaus motivierend sein,