Konzeption und Evaluation eines Kinematik/Dynamik-Lehrgangs zur ...
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5 Entwicklung <strong>eines</strong> Gesamtkonzeptes <strong>zur</strong> <strong>Kinematik</strong> <strong>und</strong> <strong>Dynamik</strong> 115<br />
5.3.4.3 Anwendungen des zweiten newtonschen Gesetzes<br />
Heute wird in der Physik das zweite newtonsche Axiom als eine Definition der Größe „Kraft“ angesehen<br />
(siehe 5.3.4.1). Das erste newtonsche Gesetz ist demnach für uns heute (nicht für NEWTON)<br />
nur noch ein Spezialfall des zweiten newtonschen Gesetzes <strong>und</strong> so soll es in diesem Konzept auch<br />
dargestellt werden. Deshalb wird es nach dem zweiten newtonschen Gesetz als eine erste Anwendung<br />
behandelt. Die Schüler kennen dieses Gesetz normalerweise aus der achten Klasse unter dem<br />
Namen „Trägheitssatz“. Dieser Begriff soll hier aber nicht verwendet werden, da er sehr missverständlich<br />
ist (Demidow et al., 1997, S. 197). Der physikalische Begriff „Trägheit“ meint, dass eine<br />
Masse ihren „Bewegungszustand“ nicht ändern will, während „Trägheit“ in der Alltagssprache etwas<br />
anderes bedeutet: Wenn jemand träge ist, will er sich nicht bewegen, sondern <strong>zur</strong> Ruhe kommen.<br />
Ein träger Körper bleibt aber in Bewegung, solange keine Kraft auf ihn wirkt. In dem Konzept<br />
wird deshalb ausschließlich vom „ersten newtonschen Gesetz“ gesprochen, obwohl auch der Begriff<br />
„Beharrungsprinzip“ akzeptabel ist.<br />
Die Aussage des ersten newtonschen Gesetzes steht allerdings im Widerspruch zu Erfahrungen, die<br />
wir täglich in beschleunigten Bezugssystemen machen - vor allem in Fahrzeugen, die anfahren,<br />
anhalten oder in Kurven fahren. Die hier erlebten Kräfte werden von Schülern auch explizit angesprochen<br />
(Galili, Kaplan, 2002, S. 2). Deshalb müssen solche Situationen <strong>und</strong> diese Erfahrungen<br />
auch besprochen werden. Anderseits ist es nicht nötig, die Begriffe „Bezugssystem“, „Inertialsystem“<br />
<strong>und</strong> „Trägheitskraft“ einzuführen. Stattdessen wird deutlich gemacht, dass zwar die mitbewegte<br />
Person eine Kraft auf sich zu spüren glaubt, aber wir als außen stehende Beobachter wissen,<br />
dass eigentlich zunächst nur auf das Fahrzeug eine Kraft wirkt <strong>und</strong> die Person zunächst ihren wirklichen<br />
Bewegungszustand beibehält. Viele faszinierende Freihandversuche können gezeigt <strong>und</strong> jeweils<br />
diskutiert werden, welche Kraft auf das Fahrzeug wirkt <strong>und</strong> welche der Insasse annimmt, wobei<br />
auch schon die Kurvenfahrt diskutiert werden soll. Da Trägheitskräfte nicht explizit eingeführt<br />
werden, sollen sie auch nicht <strong>zur</strong> Lösung von Aufgaben verwendet werden. Es wird also nicht für<br />
sinnvoll gehalten, Trägheitskräfte als eine neue Art von Kraft (Galili, Kaplan, 2002, S. 10) zu behandeln.<br />
Im Unterricht wurde zunächst gezeigt, dass bei einer eindimensionalen Bewegung die Geschwindigkeit<br />
ungleich Null beibehalten wird. Anschließend wurde behandelt, dass die Ruhe beibehalten<br />
wird, <strong>und</strong> schließlich wird auch die Richtung beibehalten. Für den ersten Fall eignet sich ein kleiner<br />
Wagen auf einem großen Wagen, die sich gemeinsam bewegen. Wird der untere Wagen (idealerweise<br />
zunächst abgedeckt) gestoppt, fährt der obere weiter. Begeistert sind die Schüler von dem<br />
Modell <strong>eines</strong> nicht angeschnallten Autofahrers: Eine Schachtel mit einem rohen Ei wird gegen ein<br />
gut befestigtes Stativ geschoben, so dass das Ei herausfliegt. Der angeschnallte Fahrer wird durch<br />
ein rohes Ei in einer Eierschachtel dargestellt. Ergänzend können auch Videos von Crashversuchen<br />
eingesetzt werden. Wird im obigen Versuch der große Wagen dagegen aus der Ruhe kräftig beschleunigt,<br />
bleibt der auf ihm stehende kleine Wagen in Ruhe. Ein Holzbrett, das auf dem Wagen<br />
steht, zeigt eine Person, die in einer anfahrenden Straßenbahn steht.<br />
Schüler glauben auch, dass ein Körper, der sich auf einer Kreisbahn bewegt, sich auf einem Bogen<br />
statt tangential weiter bewegt, wenn er sich frei ohne Einwirkungen weiter bewegt. Der Versuch mit