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NZB 01/2013

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JANUAR 2<strong>01</strong>3<br />

N I E D E R S Ä C H S I S C H E S<br />

ZAHNÄRZ TEBLATT<br />

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42<br />

Das Patientenrechtegesetz<br />

als politischer<br />

Grundrechtekatalog der<br />

Gesundheitsversorgung<br />

Gemeinsam gegen<br />

häusliche Gewalt –<br />

Zahnärztinnen und<br />

Zahnärzte helfen<br />

Gemeinsam gegen<br />

häusliche Gewalt<br />

Zahnärztinnen und -ärzte helfen!<br />

Handlungsempfehlungen zum Erkennen, Ansprechen<br />

und Dokumentieren<br />

Funktion und Ästhetik<br />

durch interdisziplinäre<br />

Therapie<br />

Strafbarkeit von<br />

Zahnärzten für<br />

anästhesiologische<br />

Komplikationen


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Patienten sind und waren<br />

kein Freiwild<br />

Die Diskussionen um die Entstehung des<br />

Patientenrechtegesetzes erwecken den<br />

Anschein, als seien die Patienten – früher wie heute –<br />

Freiwild für die Heilberufe. Die Realität insbesondere in<br />

den Zahnarztpraxen sieht allerdings sehr viel differenzierter<br />

aus. Den Patientenorganisationen passt diese Realität nicht<br />

in ihre strategischen Planungen, denn sie fordern eine<br />

grundsätzliche Beweislastumkehr zu Gunsten der Patienten.<br />

Sie lehnen das Gesetz deshalb mit Unterstützung aus einer<br />

bestimmten politischen Richtung als unzureichend ab.<br />

Von einer entscheidenden Mitverantwortung der Patienten,<br />

die mitentscheidend für einen Behandlungserfolg ist, ist in<br />

ihren Stellungnahmen zum Gesetz nicht die Rede. Als<br />

Zahnärzte können wir aus täglicher Erfahrung feststellen,<br />

dass z.B. bei kieferorthopädischen oder Parodontalbehandlungen<br />

zwingend diese intensive Mitarbeit erforderlich ist.<br />

Nicht selten wird ein Behandlungserfolg durch eine mangelnde<br />

Bereitschaft, sich an die strikten Anweisungen zur<br />

Zahnpflege und Kontrollbesuche zu halten, infrage gestellt.<br />

Die Suche eines Schuldigen erfordert dann oft eine gutachterliche<br />

Stellungnahme, weil verständlicherweise die<br />

Krankenkassen Sachleistungskosten in beträchtlicher Höhe<br />

übernommen haben. Patienten suchen den Fehler gern<br />

beim behandelnden Zahnarzt. Wer gibt schon gern eigenes<br />

Fehlverhalten oder das seiner Kinder zu, und gelegentlich<br />

mangelt es auch an Einsichtsfähigkeit.<br />

Damit komme ich zu einem Kernpunkt des Gesetzes: nur<br />

eine im Vorfeld umfangreiche Aufklärung des Patienten in<br />

für ihn verständlicher, schriftlicher Form und eine lückenlose<br />

Dokumentation in der Patientenkartei schützen beide Seiten<br />

vor unberechtigten Regressforderungen und im schlimmsten<br />

Fall vor einer juristischen Auseinandersetzung.<br />

Eigentlich ist das nicht neu, aber es wird in Zukunft eine<br />

ganz entscheidende Rolle bei Auseinandersetzungen spielen.<br />

Jede Dokumentationslücke kann dann als Anscheinsbeweis<br />

Foto: <strong>NZB</strong>-Archiv<br />

für eine entweder nicht durchgeführte oder fehlerhafte<br />

Behandlung zu Lasten des Behandlers dienen. Mehrkostenvereinbarungen<br />

und Vereinbarungen über selbstständige<br />

zahnärztliche Leistungen bedürfen selbstverständlich<br />

der gleichen, schriftlichen Form. Im Zweifelsfalle könnte<br />

sonst behauptet werden, dass nichts vereinbart worden<br />

sei oder ihr Umfang nicht verstanden wurde mit der möglichen<br />

Folge, dass eine Zahlung allein deswegen erfolgreich<br />

verweigert werden kann. �<br />

— Dr. Jobst-W. Carl<br />

Vorsitzender des Vorstands der<br />

Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | E D I T O R I A L<br />

1<br />

E D I T O R I A L


I M P R E S S U M<br />

NIEDERSÄCHSISCHES ZAHNÄRZTEBLATT – 48. Jahrgang<br />

Monatszeitschrift niedersächsischer Zahnärztinnen und Zahnärzte mit<br />

amtlichen Mitteilungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen<br />

(KZVN), erscheint elfmal jährlich, jeweils zum 15. eines jeden Monats.<br />

HERAUSGEBER<br />

Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen<br />

Zeißstraße 11, 30519 Hannover;<br />

Postfach 81 03 64, 30503 Hannover;<br />

Tel.: 0511 8405- 0, Internet: www.kzvn.de<br />

REDAKTIONSBÜRO<br />

Niedersächsisches Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>),<br />

c/o KZVN, Heike Philipp, Zeißstraße 11, 30519 Hannover;<br />

Tel.: 0511 8405 -207; Fax: 0511 8405 -262;<br />

E-Mail: nzb-redaktion@kzvn.de<br />

REDAKTION<br />

Dr. Lutz Riefenstahl, Redaktionsleiter (lr)<br />

Breite Straße 2 B, 31028 Gronau<br />

Tel.: 05182 921719; Fax: 05182 921792<br />

E-Mail: riefenstahl@kzvn.de<br />

Dr. Michael Loewener (loe)<br />

Rabensberg 17, 30900 Wedemark<br />

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E-Mail: dr.loewener@yahoo.de<br />

STÄNDIGE MITARBEITERIN DER REDAKTION<br />

Elke Steenblock-Dralle (st-dr)<br />

c/o KZVN, Zeißstraße 11, 30519 Hannover<br />

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2 I M P R E S S U M | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

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REDAKTIONSSCHLUSS<br />

Heft 03 / 13: 11. Februar 2<strong>01</strong>3<br />

Heft 04 / 13: 11. März 2<strong>01</strong>3<br />

Heft 05 / 13: 11. April 2<strong>01</strong>3<br />

4<br />

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EDITORIAL<br />

1 Dr. Jobst-W. Carl:<br />

Patienten sind und waren<br />

kein Freiwild<br />

10<br />

POLITISCHES<br />

4 Das Patientenrechtegesetz als<br />

politischer Grundrechtekatalog der<br />

Gesundheitsversorgung<br />

Das Gesetz ist aber zu allererst ein<br />

Pflichtenkatalog für Ärzte<br />

10 Krankenkassen/MDK<br />

…, und die Erde ist eine Scheibe!<br />

12 Wohlstand im Notstand: Die Brüsseler<br />

EU als neuer Gottesstaat – Teil 1<br />

Geiz ist tödlich – Gier sowieso<br />

18 Interessante Ein- und Ausblicke:<br />

Franz Knieps zu Gast bei der KZVN<br />

Das Gesundheitswesen im<br />

Spannungsfeld von Solidarität und<br />

Wettbewerb – wie entwickeln sich<br />

die politischen Rahmenbedingungen?<br />

20 Zeit zum Gegensteuern<br />

Die demografische Entwicklung<br />

vollzieht sich langsam. Noch ist es<br />

nicht zu spät, die Sozialsysteme<br />

zukunftssicher zu gestalten<br />

22 „Eine gut prognostizierte Krise“<br />

Im Gespräch: Prof. Dr. Herwig Birg<br />

24 Gemeinsam gegen häusliche Gewalt –<br />

Zahnärztinnen und Zahnärzte helfen<br />

Pressekonferenz zum gemeinsamen<br />

Projekt zwischen KZVN, ZKN und dem<br />

Sozialministerium<br />

12<br />

FACHLICHES<br />

26 Funktion und Ästhetik durch<br />

interdisziplinäre Therapie<br />

Kombinierte kieferorthopädische,<br />

implantologische und prothetische<br />

Behandlung<br />

31 Komplementäre oralchirurgische<br />

Behandlung beim Jugendlichen<br />

37 Kieferorthopädie versus Chirurgie<br />

Kieferorthopädische Alternativen zur<br />

chirurgischen Korrektur der Bisslage<br />

bei Erwachsenen<br />

42 Strafbarkeit von Zahnärzten für<br />

anästhesiologische Komplikationen<br />

Vertrauen ist gut, Vereinbarungen<br />

sind besser<br />

47 Die Servicehotline der KZVN für<br />

Abrechnungsfragen informiert<br />

Neues Jahr – Neue Preise für<br />

Verbrauchsmaterial?<br />

49 Aktuelles aus der Rechtsprechung<br />

– Aktuelle Urteile aus dem Arbeitsrecht<br />

– Aktuelle Urteile aus dem Steuerrecht<br />

26<br />

© Fotos Titel/Inhaltsverzeichnis: Redshinestudio/Fotolia.com; LVDESIGN/Fotolia.com; Dr. H. Derks; Juan Herrera/iStockphoto.com; Sergey Nivens/Fotolia.com; Franky De Meyer/Fotolia.com; A. Sturm; Dr. A. Sabbagh<br />

24<br />

PERSÖNLICHES<br />

50 Fünf Jahrzehnte gelebt, ein Viertel<br />

davon für die Kollegenschaft:<br />

Herzlichen Glückwunsch zum<br />

halben Jahrhundert<br />

51 2 x 20 Jahre Zusammenarbeit…<br />

…und wir freuen uns auf weitere!<br />

KZVN<br />

52 Niederlassungshinweise<br />

KLEINANZEIGEN<br />

56 Kleinanzeigen<br />

37<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | I N H A L T<br />

3<br />

E D I T O R I A L<br />

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K Z V N<br />

K L E I N A N Z E I G E N


Das Patientenrechtegesetz als<br />

politischer Grundrechtekatalog<br />

der Gesundheitsversorgung<br />

DAS GESETZ IST ABER ZU ALLERERST EIN PFLICHTENKATALOG FÜR ÄRZTE<br />

Das Niedersächsische Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>)<br />

berichtete bereits im April 2<strong>01</strong>2 über den<br />

gemeinsam von dem Bundesjustiz- und dem Bundesgesundheitsministerium<br />

erarbeiteten Entwurf des „Gesetzes<br />

zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten<br />

(Patientenrechtegesetz)“. Die Rechte von Patienten in einem<br />

solchen Gesetz nach einer mehr als 20 Jahre währenden<br />

Diskussion zu regeln, geht auf die Initiative des CSU-Bundesabgeordneten<br />

und gegenwärtigen Patientenbeauftragten,<br />

Wolfgang Zöller, zurück. Er hat kürzlich im Bundestag<br />

erklärt, mit dem Gesetz werde ein „Grundstein für eine<br />

neue Partnerschaft“ (zwischen Patienten und Ärzten)<br />

gelegt, und zwar durch eine Verbesserung der „Transparenz“<br />

des Behandlungsgeschehens und einer größeren<br />

„Rechtssicherheit“ für alle Beteiligten.<br />

Bei früherer Gelegenheit hat der Bundesgesundheitsminister,<br />

Daniel Bahr, gesagt, das politische Ziel des Gesetzes sei die<br />

Schaffung eines „Grundrechtekataloges der Gesundheitsversorgung“,<br />

der den Patienten in jeder Hinsicht „die notwendige<br />

rechtliche Sicherheit bei der Inanspruchnahme<br />

medizinischer Leistungen garantieren“ werde. Nachdem<br />

am 23. Mai 2<strong>01</strong>2 die Bundestagsfraktion der CDU/CSU<br />

nach Beratung in der Arbeitsgruppe Gesundheit den Gesetzentwurf<br />

beschlossen hat, steht am 23. Februar 2<strong>01</strong>2<br />

die Entscheidung des Bundesrates bevor, von der es<br />

abhängt, wann das Gesetz in Kraft treten wird. Dessen<br />

frühere Stellungnahme vom 06. Juli 2<strong>01</strong>2 enthielt zahlreiche<br />

Änderungsanträge, die fast ausnahmslos von der Bundesregierung<br />

zurückgewiesen worden waren, was aber nicht<br />

besagt, dass es im Februar 2<strong>01</strong>2 in Detailfragen nicht doch<br />

noch zu Änderungen der Gesetzesvorlage kommt.<br />

4 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Kritiker sehen die Rechte der Patienten durch das<br />

Gesetz nicht als gestärkt an<br />

Zur Erläuterung der Gesetzesformulierungen sei darauf<br />

hingewiesen, dass das Gesetz, was den Pflichtenkatalog<br />

betrifft, generell den Begriff des „Behandelnden“ verwendet,<br />

weil die Vorschriften nicht auf Ärzte und Zahnärzte<br />

beschränkt sind, sondern mit gewissen Differenzierungen<br />

auch für andere Gesundheitsfachberufe im Umfeld der<br />

ärztlichen Heilberufe verbindlich sind. Dazu gehören u. a.<br />

Physiotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten,<br />

Logopäden, Heilpraktiker und Hebammen, selbst wenn<br />

deren Tätigkeit nicht auf die Behandlung einer Krankheit<br />

gerichtet ist, sondern kosmetischen Zwecken dient. Diese<br />

Berufe haben dieselben Voraussetzungen fachgerechter<br />

Behandlung zu beachten, wie Ärzte. Apotheker sind vom<br />

Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen, da sie<br />

nicht zur Behandlung von Patienten befugt sind.<br />

Während der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr.<br />

Montgomery, das Gesetz als einen „gelungenen Wurf“<br />

beurteilt hat, machten die im Bundestag vertretenen<br />

Oppositionsparteien sowie Verbraucherverbände und<br />

Patientenschützer schon sehr früh, als die erste Entwurfsfassung<br />

des Gesetzes der Öffentlichkeit vorgestellt wurde,<br />

erhebliche Einwände geltend. Sie sahen die Rechte der<br />

Patienten bei Inanspruchnahme medizinischer Hilfeleistungen<br />

mit dem Gesetz für nicht ausreichend geschützt. Es hieß,<br />

der Entwurf sei inhaltlich zu wenig verbindlich und kaum<br />

mehr als eine „zahnlose Mogelpackung“. Bei dieser Meinung<br />

sind sie bis heute geblieben, wie ihre Stellungnahmen bei<br />

der Beschlussfassung des Gesetzes in der Sitzung des Bun-


© LVDESIGN/Fotolia.com<br />

destages am 29. November 2<strong>01</strong>2 gezeigt haben. Zum Schutz<br />

der Patientenrechte sei ein sehr viel schärferer, haftungsrelevanter<br />

Pflichtenkatalog für die behandelnden Ärzte erforderlich,<br />

gleichwohl hat das Gesetz zu einer Erweiterung der<br />

ärztlichen Behandlungspflichten geführt. Erheblich kritisiert<br />

wurde von der Opposition das „Angebot von Zusatzleistungen“,<br />

insbesondere individuelle Gesundheitsleistungen-<br />

IGeL“, wodurch sich das „Arzt-Patienten-Verhältnis in ein<br />

Anbieter-Kunden-Verhältnis unter ungleichen Voraussetzungen“<br />

entwickelt habe (so der Bundesrat in der Drucksache<br />

17/10488). Hierauf wird noch näher einzugehen sein.<br />

Die Kodifizierung der Patientenrechte ist zugleich eine<br />

solche des Haftungsrechts<br />

Das Gesetz umfasst zunächst die bislang in Vorschriften<br />

verschiedener Rechtsgebiete, wie etwa solche im Sozialrecht,<br />

im Strafrecht und im BGB kodifizierten Arzthaftungsund<br />

Behandlungsrechte bei der Inanspruchnahme medizinischer<br />

Hilfeleistungen. Sie sind jetzt im Bürgerlichen<br />

Gesetzbuch (BGB) unter einem neuen Untertitel „Behandlungsvertrag“<br />

zusammengefasst worden (§§ 630a bis<br />

630h BGB). Das entspricht der Empfehlung des Sachverständigenrates<br />

für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen,<br />

die er vor mehr als 10 Jahren in seinem Jahresgutachten<br />

von 2000/20<strong>01</strong> empfohlen hatte, nämlich durch<br />

eine solche Zusammenfassung die „komplexe rechtliche<br />

Situation für die Patienten in einfacher Weise …zusammenzufassen“.<br />

Darin eingeschlossen sind die durch die Rechtsprechung<br />

der Gerichte entwickelten Grundsätze, die<br />

maßgeblich sind für die Beurteilung der Sorgfaltspflichten<br />

der Ärzte bei medizinischen Hilfeleistungen. Es wurde<br />

bereits erwähnt, dass aus diesem „Rechtekatalog“, der die<br />

Patienten vor Beeinträchtigungen bei einer von ihnen nachzuweisenden<br />

Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflichten<br />

schützen soll, ein stringenter Pflichtenkatalog entstanden ist,<br />

wonach Ärzte in Diagnostik und Therapie den medizinischen<br />

Standard einzuhalten haben, der aus drei Komponenten<br />

besteht: Dem Stand der medizinischen Wissenschaft, der<br />

ärztlichen Erfahrung und der anerkannten medizinischen<br />

Praxis. Diese Verpflichtung ist deckungsgleich mit den<br />

Berufsordnungen und der seit der Strukturreform vom<br />

22.12.1988 maßgeblichen Gesetzesregelung in § 2 SGB V,<br />

wonach Ärzte außer der Beachtung der Wirtschaftlichkeit,<br />

die „Qualität der Leistungen“ entsprechend dem „allgemein<br />

anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und<br />

des medizinischen Fortschritts“ zu gewährleisten haben.<br />

Die Rechtsprechung der Gerichte hat zwar die Anspruchsgrenzen<br />

aufgezeigt, sodass keine Maximaldiagnostik und<br />

-therapie verlangt werden kann, aber eine Unterschreitung<br />

des Mindeststandard verurteilt. So gesehen sind die<br />

„Patientenrechte“, die Gegenstand der Gesetzesinitiative<br />

der Bundesregierung sind, bereits weitgehend im Sozialrecht<br />

kodifiziert und außerdem fester Bestandteil der ärztlichen<br />

Berufsordnungen.<br />

Aufklärungs- und Informationspflichten der Ärzte sollen für<br />

den Patienten mehr Transparenz und Rechtssicherheit<br />

bringen<br />

Ein wichtiges Element des Gesetzes betrifft die notwendige<br />

Einwilligung des Patienten hinsichtlich der vom Arzt für �<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

5<br />

P O L I T I S C H E S


�<br />

erforderlich gehaltenen Untersuchungen sowie dessen<br />

Aufklärung des Patienten über die Diagnose und die beabsichtigte<br />

Therapie, einschließlich etwaiger Behandlungsrisiken.<br />

Die Aufklärung des Patienten muss für ihn verständlich<br />

und umfassend sein. Hinzu kommt die Pflicht des Arztes<br />

zur Dokumentation der Information und der Aufklärung des<br />

Patienten in einer „Patientenakte“, deren Einsichtnahme<br />

durch den Patienten gesetzlich geregelt ist. Diese Verpflichtung<br />

ist auch Gegenstand der Berufsordnungen (MBO-Ä,<br />

§ 10). Eine vom Arzt nicht dokumentierte Behandlungsmaßnahme,<br />

auch wenn sie stattgefunden hat, kann im<br />

Schadensfall in einem Haftungsprozess dahin gedeutet<br />

werden, dass sie nicht geleistet worden ist, also als Beweis<br />

für einen Behandlungsfehler des Arztes herangezogen<br />

werden.<br />

Erfahrungen aus Haftungsprozessen sind im<br />

Gesetzentwurf berücksichtigt worden<br />

Im Zusammenhang mit Haftungsprozessen haben Gerichte,<br />

hier vor allem der Bundesgerichtshof, in ihrer Rechtsprechung<br />

darauf abgehoben, ob die Behandlung durch den<br />

Arzt unter Beachtung des jeweils geltenden medizinischen<br />

Standards durchgeführt worden ist oder nicht. Sie haben<br />

geprüft, ob die Behandlung, die zu einem Schaden für den<br />

Patienten geführt hat, dem jeweiligen Stand naturwissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse und der ärztlicher Erfahrung<br />

entsprochen hat und zwar ggf. unter Berücksichtigung von<br />

Leitlinien der naturwissenschaftlichen Fachgesellschaften.<br />

Das bedeutet nicht, dass der behandelnde Arzt in jedem<br />

Falle mit Erfolg den Heilerfolg herbeizuführen verpflichtet<br />

ist. Soweit es einen so genannten „Facharztstandard“ gibt,<br />

der maßgeblich für die Behandlung sein kann, muss er<br />

vom Arzt berücksichtigt werden. Hat der Arzt gegen diese<br />

6 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

© RioPatuca Images/Fotolia.com<br />

Grundsätze verstoßen, erwächst daraus erst dann ein<br />

Haftungsanspruch, wenn nachgewiesen wird, dass eine<br />

Pflichtverletzung vorgelegen hat, die für den Schaden<br />

ursächlich war. Dieser Nachweis muss von dem Patienten<br />

geführt werden, was oft mit großen Schwierigkeiten<br />

verbunden ist.<br />

Deshalb sind die Krankenkassen gehalten, ihre Versicherten<br />

bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus<br />

Behandlungsfehlern zu unterstützen, was bisher lediglich<br />

in ihr Ermessen gestellt war. Ob sie damit zur Vermeidung<br />

von Behandlungsfehlern beitragen bzw. auf diese Weise<br />

die Patientensicherheit erhöhen können, muss sich erst<br />

noch beweisen.. Dagegen wäre es angemessen gewesen,<br />

an dieser Stelle der Gesetzesbegründung die Arbeit der<br />

seit Jahrzehnten mit Erfolg tätigen Ärztlichen Schlichtungsstellen<br />

zu würdigen, die durch ihre Entscheidungen in<br />

tausenden von Fällen als unabhängige Gutachterstellen<br />

die Einhaltung der fachlichen Standards gefördert und zur<br />

Patientensicherheit beigetragen haben.<br />

Der Patient muss – wie bisher – auch künftig den<br />

Beweis für das ärztliche Fehlverhalten führen<br />

Bei der Beurteilung etwaiger Haftungsansprüche wegen<br />

Verletzung der Sorgfaltspflichten ist zu berücksichtigen, dass<br />

die Behandlungsmaßnahmen oft einvernehmlich, wie es<br />

dem von Wolfgang Zöller zitierten „Partnerschaftsgedanken“<br />

entspricht, zwischen Patient und Arzt vereinbart werden,<br />

ohne daraus etwa damit ein Mitverschulden des Patienten<br />

an dem Schaden herleiten zu wollen. Ein Haftungsanspruch<br />

ist aber dann ausgeschlossen, „wenn der Patient einen<br />

eigenen Verursachungsbeitrag zu der Verletzung geleistet<br />

hat“ (so die Begründung des Gesetzentwurfs in der BT.<br />

Drucksache 17/10488, S.56). Es gibt also eine Reihe von<br />

Gründen, weshalb das Gesetz unter Berücksichtigung der<br />

ständigen Rechtsprechung der Gerichte, bei der Geltendmachung<br />

eines Schadensersatzanspruchs von dem<br />

Patienten den Beweis für fehlerhaftes Verhalten des Arztes,<br />

also der Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht (§ 276 BGB),<br />

verlangt.<br />

Davon gibt es Ausnahmen, nämlich wenn der Arzt eine<br />

von ihm pflichtgemäß zu dokumentierende Behandlungsmaßnahme<br />

nicht in die Patientenakte aufgenommen hat,<br />

Dann kann es in einem Arzthaftungsprozess als bewiesen<br />

gelten, dass diese entscheidend wichtige Behandlungsmaßnahme<br />

nicht durchgeführt worden ist. Genauso<br />

kommt es bei einem groben Behandlungsfehler des Arztes<br />

nach bisheriger Rechtsprechung und der jetzigen gesetzlichen<br />

Neuregelung zu einer Beweislastumkehr. Es gilt dann die<br />

Vermutung, dass der Gesundheitsschaden durch den groben<br />

Behandlungsfehler verursacht worden ist, so dass dem<br />

behandelnden Arzt zu seiner Entlastung nur die Möglichkeit<br />

bleibt, den Gegenbeweis anzutreten.


Die Diskussion über eine grundsätzliche<br />

Beweislastumkehr ist noch nicht abgeschlossen<br />

Bei der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen durch<br />

den Ausschuss für Gesundheit und des Rechtsausschusses<br />

des Bundestages am 22. Oktober 2<strong>01</strong>2, forderten u.a. die<br />

Vertreter von Patientenorganisationen grundsätzlich die<br />

Beweislastumkehr zu Gunsten der Patienten. Es sei nicht<br />

ausreichend, diese Verpflichtung dem Arzt nur bei groben<br />

Behandlungsfehlern aufzuerlegen. Die Diskussion hierüber<br />

hat gezeigt, dass diese Forderung von einer gewissen<br />

Portion Hybris geprägt ist, weil hier die Medizin als eine<br />

naturwissenschaftlich orientierte Heilkunst angesehen<br />

wird, die absolut qualitätsgesichert ist, von einer berechenbaren<br />

Technik unterstützt wird, so für alle Leiden einen<br />

hilfreichen und erfolgreichen Therapieansatz bereit hält.<br />

Kommt es trotz dieser wirklichkeitsfremden Bildfläche zu<br />

einer Schädigung des Patienten, und behauptet dieser, sie<br />

sei auf eine Verletzung der Sorgfaltspflichten des Arztes<br />

zurückzuführen, ist l es nach Auffassung der Kritiker des<br />

Gesetzes berechtigt, die Beweislast für ein pflichtgemäßes<br />

ärztliches Handeln grundsätzlich dem behandelnden Arzt<br />

aufzuerlegen.<br />

Einer solchen Forderung ist die Bundesregierung in ihrem<br />

Gesetzentwurf nicht gefolgt, so dass die Beweislast für die<br />

Schadensverursachung weiterhin dem Patienten obliegt.<br />

Voraussetzung ist, dass – wie bereits erwähnt – vor der<br />

Behandlung oder Verordnung eine sachgerechte Aufklärung<br />

des Patienten durch den Arzt stattgefunden hat, dass der<br />

Patient zur Behandlungsmaßnahme seine Einwilligung<br />

erklärt hat und eine schriftliche Dokumentation des Informations-<br />

und Aufklärungsgesprächs zwischen Patient und<br />

Arzt erfolgt ist. Dokumentationslücken können in Haftungsprozessen<br />

beweisrechtlich von Bedeutung sein, d.h. die<br />

Annahme eines Behandlungsfehlers rechtfertigen und eine<br />

Beweislastumkehr zu Lasten des Arztes herbeiführen.<br />

Zu den Informationspflichten des Arztes gehört nach dem<br />

Gesetz (§ 630c BGB) auch die Beantwortung der Frage<br />

eines Patienten, ob seine Schädigung auf einen Behandlungsfehler<br />

des „eigenen“ Arztes zurückzuführen ist. Dieser<br />

ist verpflichtet, eine solche Frage des Patienten wahrheitsgemäß<br />

auch dann zu beantworten, wenn er selbst den<br />

Fehler begangen hat. Auch ohne dass der Patient nach<br />

einem solchen Fehlverhalten gefragt hat, ist der Arzt<br />

verpflichtet, von sich aus den Patienten zu informieren,<br />

„soweit dies zur Abwendung von gesundheitlichen Gefahren<br />

für den Patienten erforderlich ist“. Die Verpflichtung,<br />

gegen sich eine Selbstanzeige zu erstatten, wird sicher auf<br />

Kritik stoßen, jedenfalls kennt z. B. das allgemeine Strafrecht<br />

keine gesetzliche Pflicht zur Selbstbezichtigung. Daher hat<br />

die Verpflichtung des Arztes, von der hier die Rede ist, im<br />

Gesetz eine gewisse Abschwächung erfahren, die sicherstellt,<br />

dass diese Offenbarung eines eigenen Fehlers in einem<br />

möglichen Strafverfahren für den Arzt keine Nachteile haben<br />

darf.<br />

Auch auf Europäischer Ebene sind die<br />

Beweislastpflichten ein Kernthema<br />

Dass die Beweislastproblematik von weit reichender Bedeutung<br />

ist, zeigt der Verordnungsentwurf der Europäische<br />

Union (EU) vom 29. September 2<strong>01</strong>2 , der zwar nicht die<br />

Schadensverursachung durch Verletzung der ärztlichen<br />

Sorgfaltspflichten betrifft, sondern Beeinträchtigungen durch<br />

Medizinprodukte. Es wird behauptet, das europäische Medizinprodukterecht,<br />

was das Verfahren der Zulassung und<br />

die Bewertung von Qualität und Effizienz betrifft, genüge<br />

den Sicherheitsanforderungen nicht mehr. Die Rechte der<br />

durch Medizinprodukte geschädigten Patienten seien nicht<br />

ausreichend gesichert, weil die Beweislast dem Geschädigten<br />

auferlegt werde und nicht dem jeweiligen Hersteller<br />

des Medizinproduktes. Außerdem sei es notwendig, die<br />

Hersteller zur Wahrung der Rechte des Geschädigten zum<br />

den Abschluss einer Haftpflichtversicherung zu zwingen.<br />

Wie letztlich die Entscheidung des EU-Parlaments und des<br />

Rates auch ausfallen wird; hier wird deutlich, dass die �<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

– Anzeige –<br />

7<br />

P O L I T I S C H E S


�<br />

Haftungsproblematik ganz unverkennbar auf vielen Gebieten<br />

der medizinischen Versorgung zunehmend an Bedeutung<br />

gewonnen hat, zuweilen wird sie sogar als das entscheidende<br />

rechtliche Kernproblem bei der Fortentwicklung der<br />

Patientensicherheit gesehen.<br />

Die individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) sind zu<br />

einem politischen Kernthema des Gesetzes geworden<br />

Der Gesetzentwurf verlangt von einem Arzt, der im Einvernehmen<br />

mit dem Patienten Leistungen erbringt oder verordnet,<br />

die von den Krankenkassen nicht bezahlt werden,<br />

eine sachgerechte Aufklärung. Sie gehört zu den ihm<br />

obliegenden Informationspflichten. Er muss den Patienten<br />

darüber unterrichten, dass Kosten für solche Behandlungen<br />

nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen<br />

bzw. von der privaten Krankenversicherung nicht erfasst<br />

werden. So gesehen hat der Arzt, was die finanziellen<br />

Folgen solcher IGe-Leistungen betrifft, nach dem Urteil des<br />

OLG Stuttgart, sogar eine wirtschaftliche Informationspflicht.<br />

Das ermöglicht es dem Patienten, die Tragweite seiner<br />

Entscheidung zu übersehen.<br />

Soweit es sich um die „Selbstbeteiligung“ des Patienten<br />

bei Zahnersatzleistungen handelt, wird der Informationspflicht<br />

dadurch Rechnung getragen, dass der Patient aus<br />

dem Heil- und Kostenplan die zahnprothetischen Leistungen<br />

ersehen kann, ebenso die Höhe des Festzuschusses der<br />

Kasse und die Selbstbeteiligung des Patienten. Mit der<br />

Weitergabe des Heil- und Kostenplanes an die Kasse<br />

erklärt der Patient seine Einwilligung mit der geplanten<br />

Therapie. Deshalb hat die Bundesregierung weitergehende<br />

Forderungen des Bundesrates zu Recht abgelehnt.<br />

Im Übrigen haben die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche<br />

Bundesvereinigung, in Zusammenarbeit mit dem<br />

„Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin“ einen „Ratgeber<br />

– Selbstzahler“ herausgegeben, welcher die Aufklärungspflicht<br />

des Arztes unterstützt. Es fehlt also, was die<br />

IGe-Leistungen betrifft, nicht an Hinweisen zur sachgerechten<br />

Verhaltensweise des Arztes und zur Aufklärung des Patienten.<br />

8 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

© Gina Sanders/Fotolia.com<br />

Einer der Ratschläge lautet, „kein Patient soll ohne überzeugende<br />

Begründung“ dazu veranlasst werden, eine<br />

solche Leistung in Anspruch zu nehmen. Außerdem wird<br />

noch einmal hervorgehoben, dass es berufswidrig ist, den<br />

Patienten bei seiner Entscheidung „unter Druck“ zu setzen.<br />

Der Ratgeber trägt damit der Studie des Instituts für Sozialmedizin<br />

der Universität Lübeck Rechnung, wonach eine<br />

Bevölkerungsumfrage vor einigen Jahren ergeben hat, das<br />

„größte Problem der Praxen“ läge darin, „die Patienten<br />

sachgerecht zu informieren“ (Der Hausarzt Nr. 17/ 2<strong>01</strong>2<br />

S. 61), was heute wohl nicht mehr der Fall sein dürfte.<br />

„Verbraucherschützer“ halten IGe-Leistungen trotzdem<br />

für ein fragwürdiges „Geschäftsmodell“ der Arztpraxen<br />

Das „Streitthema IGeL“ ist damit aber „nicht aus der Welt“.<br />

Allein die Tatsache, dass die IGe-Leistungen ein Umsatzvolumen<br />

in Höhe von 1,5 Mrd. Euro erreicht haben (s. Deutsches<br />

Ärzteblatt Nr. 44 vom 2. November 2<strong>01</strong>2) gibt immer<br />

wieder Anlass zu behaupten, es handele sich hier um<br />

„zum Teil sinnlose Leistungen“, für die in Arztpraxen eine<br />

„massive Werbung“ betrieben werde (so die Verbraucherzentrale-Bund).<br />

An anderer Stelle erscheint auf der ideologischen<br />

Bildfläche die Behauptung, IGe-Leistungen seien<br />

„Haustürgeschäfte mit einem hohen Überrumpelungsfaktor“<br />

(DÄBl. 48 vom 30.11.2<strong>01</strong>2). Hier würden Geschäfte auf<br />

einem „dynamischen Markt mit nur bedingt qualitätsgesicherten<br />

Leistungen“ gemacht (G. Kiefer GKV-Spitzenverband).<br />

Von dieser Art Stimmungsmache ist selbst der Bundesrat<br />

nicht ausgenommen, denn in seinem Ergänzungsverlangen<br />

zum Gesetzentwurf behauptet er, Zusatzleistungen würden<br />

den Patienten auch angeboten, wenn es eine gesetzliche<br />

Leistung gibt, und das alles schon am Empfangstresen<br />

durch die dazu angehaltenen medizinischen „Fachangestellten“(s.<br />

die Begründung S. 45). Die Bundesregierung hat<br />

sich davon in ihrer Gegenäußerung nicht beeindrucken<br />

lassen und den Ergänzungsantrag des Bundesrates abgelehnt.<br />

Aber wie u.a. Medienberichte zeigen, ist die Diskussion<br />

zum IGeL-Thema längst nicht beendet. In der ZEIT<br />

vom 25.10.2<strong>01</strong>2 hat kürzlich eine Verbraucherorganisation<br />

unter der Titelüberschrift „Patienten ohne Rechte“ darauf<br />

hingewiesen, dass Patienten „kaum einen Besuch beim<br />

Augenarzt überstehen könnten, ohne die dringende<br />

Aufforderung, auf eigene Kosten eine Glaukomvorsorge“<br />

in Anspruch zu nehmen. Genauso werde Patienten bei<br />

Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Prostatakrebs<br />

empfohlen, den PSA-Wert bestimmen zu lassen.<br />

Auch in Praxen anderer Fachgebiete werde „Druck“<br />

ausgeübt, dem die Patienten nicht gewachsen seien, und<br />

manchmal fragten sie nicht einmal nach den Kosten. Solche<br />

Berichte zielen auf eine mediale Publikumsempörung<br />

und eine fragwürdige Moralisierung ab, die zu Vertrauensverlust<br />

und Beschädigung der partnerschaftlichen Orientie-


ung von Arzt und Patient führt. Es heißt, gäbe „mittlerweile<br />

kaum noch einen Patienten, der in einer Arztpraxis nicht<br />

schon einmal mit einer Selbstzahlerleistung konfrontiert<br />

worden ist“ (Deutschen Ärzteblatt (Nr. 46 vom 06.11.2<strong>01</strong>2).<br />

Aber richtig ist wohl auch, dass sich die Zuwendung des<br />

Arztes zu seinen Patienten keineswegs in der Erbringung<br />

von Leistungen der GKV erschöpft, sondern zu seinen<br />

Aufklärungs- und Informationspflichten gehört auch, im<br />

Bedarfsfall mit dem Patienten über Möglichkeiten hilfreicher<br />

Behandlungsalternativen zu sprechen, die in der<br />

Regel von Krankenkassen nicht bezahlt werden, wovon<br />

es aber inzwischen längst Ausnahmen gibt.<br />

Krankenkassen erweitern von sich aus<br />

ihre Leistungsangebote<br />

Es gibt immer mehr Krankenkassen, die der Meinung sind,<br />

sie sollten mit ihrem Leistungsangebot nicht hinter dem<br />

allgemeinen Stand der medizinischen Entwicklung zurückbleiben.<br />

Das Versorgungsstrukturgesetz erlaubt ihnen ab<br />

Januar 2<strong>01</strong>2 zusätzliche Leistungen durch Satzungsbestimmungen<br />

in den Katalog der „Kassenleistungen“ aufzunehmen,<br />

darunter auch solche, die gestern noch als individuelle<br />

Gesundheitsleistungen (IGeL) von den Versicherten bezahlt<br />

werden mussten. Zu solchen Angebotserweiterungen hat<br />

sicher der Wettbewerb unter den Leistungsanbietern beigetragen.<br />

So gibt es Kassen, die zum Beispiel die Kosten für<br />

die Glaukomfrüherkennung übernehmen, andere vergüten<br />

die Bestimmung des PSA-Wertes bei Vorsorgeuntersuchungen<br />

oder bezahlen osteopathische Behandlungen sowie die<br />

Kosten für homöopathische, antroposophische und andere<br />

pflanzliche Arzneimittel, wenn diese nicht apothekenpflichtig<br />

sind. Der Katalog solcher Angebote umfasst ferner bestimmte<br />

Heil- und Hilfsmittel, die Akupunktur bei Rücken- und Knieschmerzen<br />

sowie schmerztherapeutische Behandlungen<br />

(Stoßwellentherapie) und schließlich auch die professionelle<br />

Zahnreinigung. Die korrigierende Sicht der Dinge scheint<br />

bei diesen Kassen Früchte zu tragen.<br />

Die Selbstverantwortung des „mündigen Patienten“<br />

verdient mehr Respekt<br />

Patienten sind hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Bedürfnisse<br />

keine homogene Gruppe, sondern sie unterscheiden sich,<br />

was ihre Erwartungen und Hoffnungen von medizinischen<br />

Hilfeleistungen betrifft, nach ihren individuellen Bedürfnissen<br />

und ihrem ganz persönlichen Lebensstil. Wenn ein Patient<br />

individuell etwas „für seine Gesundheit tun will“, was<br />

seine Kasse nicht bezahlt und er darüber mit seinem Arzt<br />

sprechen möchte, bedarf es dazu keiner gesetzlichen<br />

Erlaubnis. Hierüber entscheidet der Einzelne entsprechend<br />

seinem individuellen Bedürfnis. Dass Ärzte hierüber mit<br />

Patienten aufklärende Gespräche führen und sie über den<br />

Nutzen und die Risiken sowie die Kosten dieser Leistungen<br />

informieren, ist eine Selbstverständlichkeit. Die Entscheidung,<br />

solche Leistungen in Anspruch zu nehmen, trifft allein der<br />

Patient. Dazu ist Beratung durch den Arzt unerlässlich,<br />

denn wer anders als der Arzt hat das Privileg der persönlichen<br />

Begegnung mit den wirklich bewegenden Realitäten<br />

des Lebens seiner Patienten. �<br />

— Alfred Boßmann, 30966 Hemmingen<br />

ZUR ERINNERUNG: BEIM ZAHNARZT GIBT ES KEINE IGEL<br />

IGeL – Individuelle Gesundheits Leistungen – sind ärztliche Leistungen, die nicht von den gesetzlichen Krankenkassen<br />

bezuschusst werden, und bei denen weder die Notwendigkeit ihrer Anwendung noch ihre Wirksamkeit<br />

anerkannt sind. In der Zahnmedizin gibt es nur vernachlässigbar wenige derartige Leistungen. Dagegen gibt es sehr<br />

viele Zusatzleistungen, die nicht – oder nach Ausgrenzung nicht mehr – im beschriebenen Grundleistungskatalog<br />

der gesetzlichen Krankenkassen enthalten, bei denen aber die Wirksamkeiten erwiesen sind. In den allermeisten<br />

Fällen, in denen Zusatzleistungen zur Anwendung gelangen, liegt auch eine Behandlungsnotwendigkeit vor und<br />

die gesetzlichen Krankenkassen beteiligen sich gegebenenfalls an den Kosten.<br />

Zahnmedizinische Zusatzleistungen kommen beispielsweise zur Anwendung, wenn sich behandlungsbedürftige<br />

Patienten nicht mit den im BEMA beschriebenen Grundleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zufrieden<br />

geben, sondern über das Maß von im SGB V beschriebenen ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlich<br />

notwendigen Therapien hinausgehende aufwändigere Alternativen wählen. Solche Alternativen gibt es für die<br />

meisten zahnmedizinischen Befunde.<br />

Auch wenn eine zahnärztliche Leistung keine „Kassenleistung“ ist, wie dies beispielsweise eine Professionelle<br />

Zahnreinigung (PZR) für einen parodontal gefährdeten Patienten darstellt, ist die Notwendigkeit und Wirksamkeit<br />

der Therapieform dennoch unbestritten belegt. Mit IGeL hat das nichts zu tun.<br />

— <strong>NZB</strong>-Redaktion<br />

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P O L I T I S C H E S


Foto: © Sergey Nivens/Fotolia.com<br />

Krankenkassen/MDK<br />

…, und die Erde ist eine Scheibe!<br />

Aus der gemeinsamen Pressemitteilung des<br />

Bundesministerium für Gesundheit und für<br />

Justiz vom 29.11.2<strong>01</strong>2: „Bei vertragszahnärztlichen Anträgen<br />

hat die Krankenkasse innerhalb von sechs Wochen<br />

zu entscheiden, der Gutachter nimmt innerhalb von vier<br />

Wochen Stellung.“<br />

Dies sind nach Gesetzentwurf die Fristen im vertraglich<br />

geregelten Gutachterverfahren, der MDK hat andere<br />

Fristen!! Die Kassen in Niedersachsen handeln also mit der<br />

Beauftragung des MDK bei vertragszahnärztlichen Anträgen<br />

gegen den offensichtlichen Willen des Gesetzgebers!<br />

Das Handlungskonzept der KZVN, die Versicherten zu bitten,<br />

ihre Rechte gegenüber ihrer Krankenkasse selbst geltend<br />

zu machen, hat diese in erhebliche Argumentationsschwierigkeiten<br />

gebracht. Das schlichte Befolgen der derzeitigen<br />

Rechtslage durch die Zahnärzte zeigt, dass hier<br />

eine Machtposition auf rechtlich tönernen Füssen aufrechterhalten<br />

werden soll!<br />

Und jeder, der sich dafür zur Verfügung stellt und „gutachterliche<br />

Stellungnahmen“ für den MDK anfertigt, leistet<br />

einen Beitrag dazu gegen den Willen aller gewählten<br />

Interessenvertreter!<br />

Es ist unhaltbar, dass die Versicherten die unterschiedlichsten<br />

Rechtsauffassungen dargelegt bekommen, um auch nur<br />

10 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

einigermaßen plausibel zu erklären, warum ihrem einfachen<br />

Wunsch nach einem Vertragsgutachten nicht entsprochen<br />

werden kann.<br />

Im Folgenden sollen deshalb die wichtigsten Argumentationen<br />

der Kassen widerlegt werden, wie sie aus uns zur<br />

Verfügung gestellten Schreiben der Kassen, aber auch aus<br />

„Informationen“ für die Versicherten hervorgehen.<br />

Aus dem Schreiben einer Ersatzkasse die These, die so<br />

ähnlich in vielen Schreiben auch anderer Kassen und des<br />

MDK immer wieder auftaucht:<br />

„Der gesetzliche Begutachtungsauftrag (gemeint MDK nach<br />

§ 275) geht auch weiteren vertraglichen Regelungen mit der<br />

Zahnärzteschaft vor.“<br />

Oder: „Deshalb hat das in der Anlage 12 zum BMV-Z<br />

vereinbarte vertragliche Gutachterwesen keinen Vorrang<br />

gegenüber dem MDK – Gutachterverfahren.“<br />

Vereinfacht ist die Argumentation: Gesetz bricht Vertrag.<br />

Tatsache ist aber, dass genau anders herum lex specialis<br />

das lex generalis bricht!<br />

Der Gesetzgeber selbst (!) hat bei Einrichtung des MDK<br />

1989 in der Gesetzesbegründung geschrieben: „Vorrang<br />

des von den Vertragspartnern bereits vereinbarten Gutachterverfahrens“.


Wäre die Argumentation der Kassen richtig, dann müssten<br />

wir bei allen Kassenpatienten nach GOZ liquidieren (im<br />

Zahnheilkundegesetz geregelt), und nicht nach dem BEMA<br />

(nur Bestandteil der Bundesmantelverträge).<br />

Aus einer Versicherteninformation der Verbände der gesetzlichen<br />

Krankenkassen in Niedersachsen im September 2<strong>01</strong>2:<br />

„Durch die aktuelle berufspolitisch motivierte und rechtlich<br />

unzulässige Aufforderung der KZVN und zahnärztlicher<br />

Berufsverbände an die niedersächsischen Vertragszahnärzte,<br />

keine Behandlungsunterlagen an den MDK herauszugeben<br />

und eine Begutachtung durch den MDK zu verweigern,<br />

werden die Entscheidungen der Krankenkassen über<br />

konkrete Leistungsanträge für die Patienten verzögert oder<br />

sogar blockiert.“ Diese Aussage ist mittlerweile auf Verlangen<br />

der KZVN korrigiert worden.<br />

Tatsächlich gibt es Belege dafür, dass die Kassen zur<br />

Durchsetzung ihrer Auffassung eine Verzögerung der<br />

Versorgung ihrer Versicherten in Kauf nehmen. Eine große<br />

bundesweit agierende Kasse hat nach der uns vorliegenden<br />

Beschwerde eines Kollegen einen Heil- und Kostenplan<br />

Mitte November zur internen Beratung an den MDK gegeben.<br />

Termin 13.02.2<strong>01</strong>3, mittlerweile vom MDK verschoben auf<br />

den 27.02.2<strong>01</strong>3! Auf die Frage nach Alternativen gab es die<br />

Antwort, eine Begutachtung durch einen Vertragsgutachter<br />

sei definitiv ausgeschlossen!<br />

Wie unklar den einzelnen Krankenkassen-Mitarbeitern<br />

die Rechtslage bzgl. einer Widerspruchsmöglichkeit gegen<br />

ein MDK-„Gutachten“ ist, zeigt eine Auswahl vollkommen<br />

widersprüchlicher Auskünfte:<br />

1.) An einen Versicherten:<br />

„Da es sich bei einem sozialmedizinischen Gutachten<br />

nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um<br />

ein beratendes Schriftstück für die Krankenkasse<br />

handelt, ist dieser Widerspruch rechtlich unzulässig.“<br />

2.) An einen Zahnarzt:<br />

„Sollten Sie mit unserer Entscheidung nicht einverstanden<br />

sein, haben Sie die Möglichkeit Widerspruch einzulegen<br />

und wir werden erneut eine Begutachtung durch den<br />

MDK veranlassen.“<br />

3.) An eine Versicherte:<br />

„Gegen diesen Beschluss kann innerhalb eines Monats<br />

nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden.“<br />

Zu 1.) Tatsächlich kommt am ehesten die erste Aussage<br />

der Rechtslage nahe:<br />

Nach BSG-Urteil von 1989 darf sich die Kasse durch<br />

Dritte bei der Entscheidung beraten lassen, ob eine<br />

Leistungszusage erfolgen kann oder ein Vertragsgutachten<br />

eingeleitet werden soll. Die nunmehr von der<br />

Kasse gezogene Konsequenz ist aber falsch:<br />

Man kann nicht die Behandlung ohne Einleitung<br />

eines Vertragsgutachtens ablehnen, eine Widerspruchsmöglichkeit<br />

aber negieren mit dem Hinweis<br />

auf interne Beratung.<br />

Zu 2.) Der Zahnarzt ist von der Entscheidung der Kasse<br />

formal gar nicht betroffen, sondern lediglich der<br />

Versicherte. Deshalb ist der Zahnarzt auch nicht<br />

widerspruchsberechtigt. Im Übrigen gibt es deshalb<br />

auch keine Fristen, wie in einem Schreiben an einen<br />

Zahnarzt behauptet, er hätte die Widerspruchsfrist<br />

versäumt, die die Kasse (oder der Sachbearbeiter)<br />

sich offensichtlich selbst normiert hat!<br />

Zu 3.) Mittlerweile hat das Drängen auf einen Bescheid<br />

durch die Versicherten dazu geführt, dass tatsächlich<br />

ablehnende Leistungsentscheidungen auf der<br />

Grundlage der internen Beratung stattfinden, wie<br />

durch das dritte Zitat belegt. Das eröffnet dem Versicherten<br />

die Möglichkeit, sein Recht notfalls über das<br />

Bundessozialgericht einzuklagen!<br />

Einige Ersatzkassen gehen mittlerweile dazu über, ein<br />

sogenanntes „Obergutachten“ durch den MDK anfertigen zu<br />

lassen, und verwenden dabei das vertraglich vereinbarte<br />

Formular. Dies stellt eine zumindest fahrlässig herbeigeführte<br />

Verwechslungsgefahr dar:<br />

Das Obergutachten ist Bestandteil des Vertragsgutachterverfahrens.<br />

Die Verwendung dieses Begriffes in Verbindung<br />

mit dem Vertragsformular erweckt den Eindruck, dass es<br />

sich um ein Vertragsgutachten handelt!<br />

Es könnten noch eine Reihe falscher Darstellungen der<br />

Kassen gegenüber den Versicherten, aber auch gegenüber<br />

den Zahnärzten aufgeführt werden.<br />

Das zeigt die Verunsicherung der Krankenkassen-Mitarbeiter<br />

vor Ort, ihre Versicherten wohl auf Geheiß von oben zu<br />

einer bestimmten Verhaltensweise zu bewegen, ohne dies<br />

rechtlich sauber begründen zu können.<br />

Bitte überlassen Sie uns auch weiterhin Kopien solcher<br />

irreführenden Schreiben, damit wir die Dringlichkeit einer<br />

Lösung dieser strittigen Frage dokumentieren können!<br />

Empfehlen Sie Ihren Patienten zwei einfache Fragen, wenn<br />

der Bitte um ein Vertragsgutachten nicht entsprochen wird:<br />

1. Ist es rechtlich möglich, meiner Bitte zu entsprechen?<br />

(Lautet die Antwort: „nein“, so ist das eine glatte Lüge<br />

gegenüber dem Versicherten)<br />

Lautet die Antwort: „ja, aber…“, so ist die nächste Frage<br />

2. Wollen Sie meiner Bitte nicht entsprechen, oder dürfen<br />

Sie nicht?<br />

Den Versicherten wird dann schnell klar, wer hier zur<br />

Durchsetzung seiner Machtansprüche eine Verzögerung<br />

der Versorgung in Kauf nimmt! �<br />

— <strong>NZB</strong>-Redaktion<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

11<br />

P O L I T I S C H E S


Wohlstand im Notstand:<br />

Die Brüsseler EU als neuer<br />

Gottesstaat – Teil 1<br />

GEIZ IST TÖDLICH – GIER SOWIESO<br />

Für Ludwig Erhard war die Marktwirtschaft nie<br />

Selbstzweck, sondern essenzieller Bestandteil<br />

einer demokratischen Ordnung. Sein Ziel war Wohlstand<br />

für alle. Heute sieht man in der Brüsseler EU das Zeitalter<br />

des Absolutismus wieder aufleben; den Staat als Ausplünderer<br />

und Regulierer der Menschen. Sie ist eine<br />

Steuergeld-, Staatsschulden- und Finanzlobby-Union.<br />

Sie ist einstweilen der Tiefststand der Hinterzimmerpolitik<br />

dreister Schlips-und-Kragen-Täter, schreibt TIMM ESSER<br />

in seinem Essay für GEOLITICO.<br />

Denken auf Vorrat –<br />

„Von der Rendite leben, nicht vom Kapital“<br />

Die Chicago School of Economics stellt mit Milton Friedman<br />

& Co. drei mal so viele Nobelpreisträger wie Harvard. Trotzdem<br />

macht die Geldpolitik seit Jahrzehnten das Gegenteil<br />

der alten Wirtschaftslehren aus Chicago und folgt den<br />

Lehren der Keynesianer; den Kasinobänkern auf Kosten<br />

der Steuerkassen.<br />

Mit katastrophalen Folgen – Finanz-Crash 2008 und die<br />

groteske Euro-Krise durch staatlich gestützte Spekulation.<br />

Gegen diese Geldvernichtung hätten sich sogar Ökonom<br />

Milton Friedman (1912-2006) und Psychologe Erich Fromm<br />

(1900-1980) verbündet – gegensätzlicher geht es kaum.<br />

Freidenker Friedman traut dem Staat nicht, fordert aber ein<br />

staatliches Geldmonopol, weil er dem privaten Geldmarkt,<br />

den sogenannten „Märkten”, noch weniger traut. Der führt<br />

zu Gier. Almosen aus dem Sozialstaat und in der Folge<br />

Zwangskonsum asozialer Ramschprodukte führen zu Geiz.<br />

Beides führt zur Entfremdung von der realen Welt, nach<br />

Fromm die Krankheit des modernen Menschen. Und aktuell<br />

nach Enzensberger zur Entmündigung Europas unter der<br />

Herrschaft des gottesstaatlichen Brüsseler EU-Monsters.<br />

12 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Wie Lebensqualität manipuliert wird<br />

Was haben Freizeit und Ferienzeit der Bürger mit der Postenund-Pfründe-Wirtschaft<br />

der Politik zu tun? Alles, denn<br />

Lebensqualität ist kein Etikett auf einem Marmeladenglas.<br />

Die Qualität des Lebens ist interdisziplinär; mithin „systemrelevant”<br />

– wenn auch entgegengesetzt zur Sprechblase<br />

des derzeitigen politischen Personals. Alles in unserer<br />

Gesellschaft hat mit allem zu tun. Wie in der Medizin, wo<br />

der Mensch samt Körper und Geist mit allem zu tun hat,<br />

dem er ausgesetzt ist.<br />

Während die mittelständische Wirtschaft – mit seinen Unternehmern,<br />

Selbständigen und Freiberuflern das Rückgrat<br />

der deutschen Volkswirtschaft – mit immer dreisteren<br />

© Franky De Meyer/Fotolia.com


Bevormundungen reguliert und zur Steuerkasse gebeten<br />

wird, betätigt sich das Politik- und Geldgewerbe als Steigbügelhalter<br />

der Großkonzerne. Deren Eigentümer, die Aktionäre<br />

und Börsenspieler, sind schließlich die sogenannten<br />

„Märkte”. Also das Geldgewerbe daselbst, das – unreguliert<br />

und als Lieferant der Staatsschulden direkt aus der Steuerkasse<br />

subventioniert – seine satten Zinsgewinne wieder<br />

in marktbeherrschende Konzerne investiert. Ein bis dato<br />

scheinbar endloser Kreislauf.<br />

Der allein für das Politik- und Geldgewerbe höchst profitable<br />

Kreislauf beginnt jeden Tag aufs Neue und wird als „systemrelevant“<br />

gepriesen. Ein System, das den Bock zum Gärtner<br />

macht. Eine Lizenz zum Gelddrucken. Die Zeche zahlt der<br />

Mittelstand, die verwässerte Suppe löffelt der Verbraucher<br />

aus. Beide zusammen sind die „99 Prozent“ der Wirtschaft<br />

und der Bürger, die das System finanzieren.<br />

Der Mensch wird zum ferngesteuerten Ersatzteillager<br />

Das System namens „Europäische Union“ ist ein klassischer<br />

Legitimationsprozess durch Verfahren. Getreu der Luhmannschen<br />

Systemtheorie. Obendrein empfiehlt sich diese<br />

Tatsache allen Demokraten als Warnung vor den Auswüchsen<br />

des Transhumanismus, wie er laut Arte TV unverhohlen<br />

an der Singularity University in Kalifornien propagiert wird.<br />

Finanziert von ultrarechtem Großkapital mit dem Ziel, Menschen<br />

zu Maschinen zu machen – zu menschlichen Robotern.<br />

Der Transhumanismus wird von Francis Fukuyama als<br />

„eine der gefährlichsten Ideen“ bezeichnet. Eine fanatische<br />

Elite mit religiösem Sendungsbewusstsein, die im erhofften<br />

Milliardengeschäft der Zukunft unterwegs ist: Nanotechnologie,<br />

Biotechnologie, Gentechnik, regenerative Medizin<br />

und Gehirn-Computer-Schnittstellen; das Hochladen des<br />

menschlichen Bewusstseins in digitale Speicher. Eine Fernsteuerung<br />

ohne Widerstand.<br />

Vom Wohlstand zum Notstand:<br />

Die Brüsseler EU als neuer Gottesstaat<br />

Im Prinzip eine Planwirtschaft wie zu Zeiten der Betonköpfe<br />

im roten Moskau, diesmal nur himmelblau angemalt. Statt<br />

Hammer und Sichel auf blutrotem Grund flattern heute<br />

allerorts goldene Sterntaler auf blauen EU-Fahnen. Offenkundig<br />

eine Kopie der ersten US-Flagge von 1776 , eine<br />

grobe Verhöhnung des Gründergeistes der USA. Womit<br />

sich eine Handvoll selbsternannter EU-Politiker das Ziel<br />

wortwörtlich auf die Fahne geschrieben hat: Die Vereinigten<br />

Staaten von Europa. Ungefragt. Eigenmächtig. Seitdem<br />

sind 500 Millionen Bürger in 27 souveränen Staaten<br />

entmündigt. „Seit der EU-Gründung hat die Bevölkerung<br />

nichts mitzureden” (Hans Magnus Enzensberger). Ein<br />

Putsch ohne Panzer; eine Diktatur auf leisen Sohlen. Getreu<br />

der Vorhersage von Thomas Jefferson vor 200 Jahren.<br />

Um das Schönwettersymbol der Brüsseler EU zu durchschauen<br />

und das Szenario zu überblicken, muss die Mehrheit der<br />

Bürger nicht erst zu Karrieredoktoren in Politik und Wirtschaft<br />

promovieren. Die täglichen Belehrungen durch<br />

Chefvolkswirte der Banken und Börsen-Kommentatoren<br />

zu besten TV-Sendezeiten empfinden aufgeklärte Bürger<br />

längst als Beleidigung der eigenen Intelligenz.<br />

Die Geschichte ist eine wertvolle Quelle der Erkenntnis.<br />

So sieht man in der Brüsseler EU das Zeitalter des Absolutismus<br />

wieder aufleben; den Staat als Ausplünderer und<br />

Regulierer der Menschen. Nach dem Drehbuch des<br />

Kameralismus vergangener Zeiten: Die direkte Intervention<br />

des Staates und die untergeordnete Bedeutung des freien<br />

Unternehmertums. Mit dem Bedürfnis der absolutistisch<br />

regierten Staaten nach wachsenden Steuereinnahmen zur<br />

Bezahlung der Armeen, des Beamtenapparats, der repräsentativen<br />

Bauten und des Mäzenatentums der Fürsten<br />

entwickelte sich über die Jahrhunderte eine vom Dirigismus<br />

geprägte wirtschaftspolitische Praxis. Am Ende gar als<br />

Zeitgeist verklärt.<br />

Johann Wolfgang von Goethe lässt in Faust – Der Tragödie<br />

erster Teil – den Zeitgeist so umschreiben:<br />

Was ihr den Geist der Zeiten heißt,<br />

Das ist im Grund der Herren eigner Geist,<br />

In dem die Zeiten sich bespiegeln.<br />

Manipuliert wird freilich nicht nur der Geldfluss des Bürgerkapitals<br />

aus der Steuerkasse. Die passende Massenkultur<br />

wird gleich mitgeliefert. Ein alltägliches Beispiel: Alle Welt<br />

redet von Nachhaltigkeit. Der Begriff wird inflationär, zum �<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

13<br />

P O L I T I S C H E S


Januar/Februar/März/April<br />

Einreichungs- und<br />

2<strong>01</strong>3<br />

Zahlungstermine


�<br />

politischen Marketing-Instrument, anstatt zum Gütesiegel<br />

für gesundes Wirtschaften, wie es jeder Kleinbauer seit<br />

jeher vormacht. Nachhaltigkeit droht zur staatlich verordneten,<br />

leeren Worthülse für Wohlstand zu werden. Das Gegenteil<br />

eines Synonyms für Aufklärung und Leistung.<br />

Halbseidenes Grünzeug wird als Nachhaltigkeit verkauft<br />

Man schmückt sich mit halbseidenem Grünzeug-Glamour:<br />

Öko und Werte, Nachhaltigkeit im globalen Maßstab,<br />

Megatrends im Future Lifestyle, Finanzprodukte mit Bio-<br />

Stempel – solche Sachen. Die Botschaft: „Alles wird gut!”<br />

Das zieht immer. Die vollmundige Sprachlosigkeit der<br />

Großkonzern-Mänädscher unterscheidet sich durch nichts<br />

mehr vom nichtssagenden Talkshow-Blabla der Politik.<br />

So verbreitet eine Hotelfachzeitung im Juni 2<strong>01</strong>1 brav den<br />

Pressetext eines großen Reklamekunden: „Nachhaltigkeit<br />

macht froh” – Auf die beleidigend primitive Überschrift folgt<br />

prompt eine ebensolche Begründung: „Nachhaltiges<br />

Handeln stand lange in dem Ruf, Verzicht zu bedeuten.<br />

Heute verbindet mehr als die Hälfte der Deutschen mit<br />

dem Begriff Nachhaltigkeit auch Lebensfreude. Das geht<br />

aus einer Umfrage hervor, die Coca-Cola gemeinsam mit<br />

der Verbraucher Initiative e.V. durchgeführt hat.” Was<br />

Limonade mit Nachhaltigkeit zu tun hat, ist freilich nicht<br />

überliefert.<br />

Erst auf den Kahlschlag folgte die<br />

staatliche Forstwirtschaft<br />

Was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet, hat Carl von Carlowitz<br />

schon vor 300 Jahren anschaulich auf den Punkt gebracht,<br />

nachdem halb Europa abgeholzt war. Die damalige Holznot<br />

war vergleichbar mit einem heutigen Energie-Notstand und<br />

hatte große Teile der Wirtschaft lahmgelegt. Holz war der<br />

alltägliche Rohstoff für Handwerk, Handel (Transport) und<br />

Haushalte. Die Wälder wurden geplündert. Deshalb formu-<br />

© Nikada/Fotolia.com<br />

lierte Carl von Carlowitz 1713 in seinem Werk Sylvicultura<br />

Oeconomica erstmals, dass immer nur so viel Holz geschlagen<br />

werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung,<br />

durch Säen und Pflanzen nachwachsen konnte. Das Prinzip<br />

der Nachhaltigkeit war erkannt – schon vor 300 Jahren.<br />

Aus dem zuerst forstwirtschaftlich geprägten Ansatz hat<br />

sich der Leitgedanke für gesundes Wirtschaften im 21.<br />

Jahrhundert entwickelt. Die Lösung: „Von den Zinsen<br />

leben, nicht vom Kapital.“ Nachhaltig gesünder als „frohe<br />

Botschaften“ von Konzern-Theologen wäre die Rückbesinnung<br />

auf das Prinzip von Angebot und Nachfrage, das<br />

seit jeher die natürlichen Selbstheilungskräfte der realen<br />

Wirtschaft aktiviert und den Gesundheitszustand unserer<br />

Konsumgesellschaft verbessern würde. Anstatt Raubbau<br />

und Verdrängungswettbewerb durch das Finanz- und<br />

Konzern-Unwesen.<br />

„Haben kommt von Halten“ – die alte Bauernweisheit<br />

beschreibt ein gesundes Prinzip beim nachhaltigen Umgang<br />

mit Grund und Boden, mit der Kapitalrendite aus Immobilienbesitz.<br />

Die Finanzindustrie hat das Prinzip auf den Kopf<br />

gestellt: „Rendite kommt von Zocken“ – Kaufen mit dem<br />

Kapital fremder Leute, Weiterverkaufen mit dem Ziel<br />

schneller Profite. So verkommt der Immobilienhandel zum<br />

Börsenhandel. Wie einst der Wald wird heute das Kapital<br />

fremder Leute buchstäblich abgeholzt. „Nach uns die Sintflut!“<br />

Wie vor 300 Jahren der Kahlschlag nur durch staatliche<br />

Forstwirtschaft gestoppt werden konnte, so kann heute<br />

der Kahlschlag des Bürgerkapitals nur durch staatliche<br />

Geldwirtschaft gestoppt werden. Genauer: Durch nationalstaatliche<br />

Geldwirtschaft, denn das Brüsseler EU-Monster ist<br />

kein Staat. Sein Ziel, durch die Gründung der Vereinigten �<br />

GREGOR.FÜRST.STEINIG<br />

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15<br />

P O L I T I S C H E S


� Staaten von Europa die Herrschaft der Finanzindustrie zu<br />

legitimieren, bedeutet den Kahlschlag der europäischen<br />

Kulturen.<br />

Ein gutes Gegenbeispiel sind die Prinzipien des Architekten<br />

und Schriftstellers Frank Lloyd Wright (1867-1959), dessen<br />

Werke seit der Entwicklung seines Usonian House die<br />

Architektur prägen. Ein Vorläufer der Bauhaus-Schule. „Einfachheit<br />

und Ruhe“ – Dieser Grundsatz des legendären<br />

Baumeisters sollte maßgeblich sein. Um solche Qualitäten<br />

zu erreichen, sei alles zu elimieren, was nicht notwendig ist.<br />

Nicht minder spektakulär sind die Fleißarbeiten einer aktuellen<br />

Wright-Nachfolgerin. Die Kölnerin Annabelle Selldorf<br />

ist heute eine der besten Architekten in New York mit<br />

einem erstaunlichen Repertoire an namhaften Standorten.<br />

Das Credo der Minimalistin: „It’s all retrospective“. Neben<br />

Stadtpalästen für Museen und Universitäten und Hochhäusern<br />

in Manhattan gehören auch Ferienhäuser zu Selldorfs<br />

kreativer Spielwiese – in den USA eine Disziplin der Architekten-Avantgarde.<br />

Selldorfs Sensibilität beim Umgang mit dem Lieblingsdomizil<br />

im Grünen gilt auch für Landhäuser und Strandhäuser in<br />

Long Island, dem Atlantik-Resort nahe Manhattan. Long<br />

Island ist so groß wie Schleswig-Holsteins Nordseeküste<br />

von Hamburg bis Dänemark und in vielen Aspekten<br />

vergleichbar. Die Vielfalt dieses Freizeit-Heiligtums der<br />

New Yorker wird traditionell gepflegt. Urlaub und Reisen im<br />

deutschen Sinne sind für Normalverbraucher in den USA<br />

ein unvorstellbarer Luxus. Freizeit begrenzt sich auf<br />

Wochenenden, Holidays sind dort nur seltene Feiertage,<br />

keine Ferienreisen. Ein kleines Beispiel dafür, wie Konsumenten<br />

hierzulande mit Hilfe der Denglisch-Seuche gezielt<br />

manipuliert werden.<br />

Wright-Erben wie Selldorf sind zum Glück die lebendige<br />

Antithese zu den Gruselbunkern aus heutigen Betonfabriken<br />

wie Rem Kohlhaas’ Rotterdamer OMA (Office for Metropolitan<br />

Architecture), die derzeit die neureiche Welt mit Mammutgebäuden<br />

pflastern. Getreu dem Schnittmuster der DDR-<br />

Plattenbauten in Städten ohne Eigenschaften. Finanziert<br />

werden die asozialen Schlachtschiffe vorzugsweise aus<br />

den vollen Kassen „moderner“ Staatsbänker in China,<br />

Singapur, Dubai – und natürlich in EU-Europa.<br />

PPP: Public Private Partnership oder<br />

Posten & Pfründe Patenschaft<br />

Wo die Öffentliche Hand ungezählte Milliarden Steuergelder<br />

an die Bauwirtschaft zu vergeben hat, da ist das magische<br />

Kürzel PPP besonders beliebt. Den Aktionären des Baukonzerns<br />

Bilfinger wird der Wert der PPP-Deals vom Ex-Finanzminister<br />

Peer Steinbrück bereitwillig bestätigt. Die Welt<br />

berichtet: Der Wert für zehn Interview-Antworten des leibhaftigen<br />

Steinbrück zur PPP wurde dem Baukonzern von<br />

den angeheuerten Redakteuren seines Geschäftsberichts<br />

16 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

mit 20.000 Euro in Rechnung gestellt. „Reden ist Geld“ hat<br />

die FAZ zu Steinbrücks Dinner-Speech-Pfründen festgestellt.<br />

Die Nebeneinkünfte des SPD-Kanzlerkandidaten und<br />

EU-Kavalleristen hat die Zeitung säuberlich recherchiert<br />

und aufgelistet. Überwiegend Honorare von Banken. Ausgerechnet<br />

denen hatte Steinbrück in seinem Hauptberuf<br />

als Rettungsschirmherr zu Beginn seiner Wahlkampfreden<br />

doch den Garaus angekündigt. Realsatire ist geldpolitischer<br />

Alltag – die politische Ökonomie ist ein dehnbares Geschäft<br />

geworden.<br />

Immobilienblase:<br />

In Deutschland drohen spanische Verhältnisse<br />

Trotz der spanischen Krankheit, die das Land in die Pleite<br />

getrieben hat, zockt das Geldgewerbe aus aller Welt seit<br />

2008 unbeirrt mit Immobilien-Spekulationen in Deutschland.<br />

Kommunalpolitiker fördern die Preistreiberei trotz Euro-Krise<br />

seit nunmehr vier Jahren. In den Metropolen heißt das<br />

Monopoly-Spiel Gentrifizierung oder auch Yuppisierung.<br />

Gebaut wird auf Pump. Verhökert wird an Immobilien-Fonds.<br />

Die Zeche zahlt der brave Normalbürger: Der Kleinanleger<br />

und/oder der Verbraucher.<br />

Die aktuelle Lage in Deutschland: Mieten und Kaufpreise<br />

für Wohnungen sind im 3. Quartal 2<strong>01</strong>2 weiter gestiegen.<br />

In kreisfreien Städten werden für Mietwohnungen inzwischen<br />

durchschnittlich 8,93 Euro/m verlangt, das sind 1,9 %<br />

mehr als noch im 1. Quartal 2<strong>01</strong>2, wie das Forschungsins -<br />

titut Empirica auf der Grundlage von 2 Mio. Inseraten<br />

ermittelt hat. Der Preisanstieg hält seit nunmehr vier Jahren an.<br />

Teuerste Städte sind nach wie vor München (13,03 Euro/m 2 ),<br />

Frankfurt (12,07 Euro/m 2 ), Hamburg (10,99 Euro/m 2 ) und<br />

Stuttgart (10,72 Euro/m 2 ). Eigentumswohnungen in den<br />

kreisfreien Städten verteuerten sich in nur neun Monaten<br />

durchschnittlich um 2,81,9 % auf 2.557 Euro/m . Hier liegt<br />

ebenfalls München mit einem Quadratmeterpreis von<br />

4.591 Euro an der Spitze, gefolgt von Freiburg (4.187 Euro),<br />

Stuttgart (3.218 Euro) und Hamburg (3.205).<br />

© elavuk81/Fotolia.com


Der Immobilien-Raubzug in Spanien<br />

Diese Durchschnittswerte sind erschreckend genug. Die<br />

handelsüblichen Exzesse in den deutschen Metropolen<br />

und Schickeria-Lagen dagegen haben spanische Zustände<br />

erreicht. Der konzertierte Raubzug in Spanien war eine<br />

Koproduktion von Politik und Finanzindustrie, überwiegend<br />

der öffentlich-rechtlichen Sparkassen, zuweilen im Format<br />

von Großbanken und „kontrolliert“ von der jeweils regierenden<br />

Partei. Die Plünderer sind weiterhin in Amt und<br />

Würden, schlimmstenfalls nur abgewählt.<br />

Bis heute wird keinem von Tausenden staatstragender<br />

spanischer Lehman Brothers der Prozess gemacht. Auch<br />

keinem von Tausenden Brüsseler EU-Beamten, denen das<br />

makabere Schauspiel ein Jahrzehnt lang angeblich entgangen<br />

ist – mitten im ach so integrierten EU-Europa, in dem<br />

zwar der Krümmungsgrad spanischer Bananen vermessen<br />

wird, nicht aber die Sickergruben des Geldgewerbes.<br />

Nicht nur in der Politik, auch in den deutschen Medien<br />

und Industrielobbys wurde – und wird – die spanische<br />

Zeitbombe unisono totgeschwiegen. Das ist umso merkwürdiger,<br />

als ein gutes Dutzend führender deutscher<br />

Massenmedien seit etwa 40 Jahren erfahrene Korrespondenzbüros<br />

in Madrid unterhält und deutsche Konzernfilialen<br />

die spanische Industrie dominieren – seit nunmehr 100<br />

Jahren; so alt ist die Deutsch-Spanische Handelskammer<br />

vor Ort. Hinzu kommt die landesweit operierende Deutsche<br />

Bank, die zusätzlich Spaniens Postbank betreibt. Sind<br />

Tausende deutscher Spanien-Geschäftsführer bereits<br />

Untertanen der veröffentlichten Meinung? In diesem Fall<br />

noch gravierender: Der nichtveröffentlichten Meinung.<br />

Obwohl die Staatspleite seit Jahren Tagesgespräch auf<br />

offener Straße ist; in einem Land mit fast 50 Millionen<br />

Einwohnern. Eine Zensur totalitärer Dimensionen.<br />

Die Bilanzleichen in den Kellern der Bad Banks werden<br />

nun unter EU-Rettungsschirmen getrocknet, die betrogenen<br />

Bürger aber bleiben über Generationen überschuldet. Statt<br />

Währungsreform und Neubeginn ist Spaniens Volkswirtschaft<br />

jetzt zurück in der finsteren Franco-Zeit des vergangenen<br />

Jahrhunderts. Summa summarum: Zufall oder Absicht?<br />

Grobe Dummheit oder machiavellische Intelligenz?<br />

Seit den Gründerzeit-Pionieren um Henry Ford hat sich<br />

kaum etwas geändert<br />

Wie schnell sich die Zeiten ändern – möchte man meinen,<br />

vergleicht man die beschaulichen Bilder vom Beginn des<br />

Reisezeitalters vor nur 50 Jahren mit den heutigen Betonwüsten<br />

an Mittelmeerstränden. In Wahrheit hat sich kaum<br />

etwas geändert. Außer: Heute ist alles reguliert. Von der<br />

Bananenkrümmung bis zur Glühbirne, angeblich zwecks<br />

„Verbraucherschutz“. Eine ebenso schamlose wie respektlose<br />

Gleichmacherei, die den vielfältigsten und liebenswer-<br />

© Andy Dean /istockphoto.com<br />

testen Multikulturkreis auf diesem Planeten, den Kontinent<br />

Europa, vor allem EU-, Euro- und Konzern-tauglich machen<br />

soll.<br />

Nur in den elementarsten Wirtschaftssektoren herrscht<br />

hemmungsloser Wildwuchs: Im Geldgewerbe, in der<br />

Nahrungsverseuchung, im Energiegeschäft, in der Gesundheitsindustrie,<br />

um nur einige beim Namen zu nennen.<br />

Unsere Gesellschaft ist längst nicht mehr von Angebot und<br />

Nachfrage geprägt, sondern von Plattmachern<br />

zwecks Konsum versus Vernunft. Dank omnipräsenter<br />

staatlicher Intervention gegenüber Normalbürgern. Und<br />

dank Subventionen aus den Steuerkassen, mit deren Hilfe<br />

den Konzern-Oligarchen die Kosten und Verluste verstaatlicht<br />

und den Börsenspielern die Gewinne privatisiert werden.<br />

Das Kunstgeld aus den Gelddruckmaschinen will rotieren.<br />

Gegen immer schnellere Verzinsung, folglich immer riskanter.<br />

Eine hochexplosive Mischung.<br />

Das ist nicht im Sinne der mühsamen Industriellen Revolutionen<br />

in der 200-jährigen Geschichte der realen Wirtschaft,<br />

die trotz aller Erschwerniszulagen seitens der Staatspolitik<br />

(Diktaturen, Kriege, Posten & Pfründe) und seitens der Finanzmärkte<br />

überlebt hat. Dagegen hat Automobil-Legende<br />

Henry Ford schon vor 100 Jahren lautstark gewettert. Henry<br />

Ford der Erste (1863-1947), der Ökologie-Pionier, Vorzeige-<br />

Unternehmer und Zeitungsverleger aus Leidenschaft,<br />

wörtlich über seinen Erzfeind: „Würden die Menschen das<br />

Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch<br />

vor morgen Früh.“ Da hatte der bodenständige Bauernsohn<br />

und geniale Ingenieur bereits Wirtschaftsgeschichte<br />

geschrieben.<br />

Nach Henry Ford wurde der Begriff Fordismus benannt,<br />

dessen Organisation von Arbeit und Kapital als typisch<br />

für die industrielle Epoche gilt: Die Entwicklung des<br />

Wohlstands anstelle des zu erwartenden krisenhaften<br />

Zusammenbruchs des Kapitalismus. �<br />

— Timm Esser<br />

Quelle: GEOLITICO www.geolitico.de<br />

Teil 2 lesen Sie im nächsten <strong>NZB</strong><br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

17<br />

P O L I T I S C H E S


INTERESSANTE EIN- UND AUSBLICKE:<br />

Franz Knieps zu Gast bei der KZVN<br />

DAS GESUNDHEITSWESEN IM SPANNUNGSFELD VON SOLIDARITÄT UND WETT-<br />

BEWERB – WIE ENTWICKELN SICH DIE POLITISCHEN RAHMENBEDINGUNGEN?<br />

Franz Knieps referierte vor den Mitgliedern der AG KZVen<br />

aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen<br />

und Schleswig-Holstein.<br />

Franz Knieps gilt nicht automatisch als Garant<br />

für gute Stimmung bei Angehörigen der Gesundheitsberufe.<br />

Zu eng ist der Name verbunden mit der<br />

restriktiven Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt, in deren<br />

Ministerium er 2002 zum Abteilungsleiter berufen wurde.<br />

Ganz andere und sehr interessante Erfahrungen konnten<br />

am 14. Dezember die Teilnehmer der Tagung der „Arbeitsgemeinschaft<br />

KZVen“ machen, die diesmal in Hannover<br />

bei der KZVN zu Gast waren. Die AG KZVen ist ein loser<br />

Zusammenschluss der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen<br />

von Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein<br />

und Niedersachsen. Die AG kommt an unterschiedlichen<br />

Orten zusammen, um Erfahrungen auszutauschen<br />

und gesundheitspolitische Problemfelder zu diskutieren<br />

und um auf Vorstandsebene gemeinsam nach Lösungen<br />

zu suchen.<br />

Franz Knieps hat seine politischen Wurzeln im AOK-Bundesverband.<br />

Als ehemaliger und einflussreicher Abteilungsleiter<br />

im Bundesministerium für Gesundheit, verstand er es, den<br />

KZV-Vertretern Einblicke in die Funktionsweise der Gesundheitspolitik<br />

der vergangenen Jahrzehnte zu geben.<br />

Franz Knieps ist noch immer „im Geschäft“, wie er sagt,<br />

und möchte in seiner neuen Position als Partner der Unter-<br />

18 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Foto: <strong>NZB</strong>-Archiv<br />

nehmensberatung „Wiese Consult“ – ohne abhängig zu<br />

werden - seine politischen Erfahrungen an deren Kunden<br />

weitergeben. Dazu gehören die Dinge, die man gegenüber<br />

der Politik tun oder auch lassen sollte, um nicht ungewollt<br />

in deren unerbittlichen Focus zu geraten.<br />

Gesetzgebungsverfahren „auf dem Flur“<br />

Der von KZVN-Chef Dr. Jobst-W. Carl als ausgewiesener<br />

Kenner des Systems vorgestellte Referent begann seinen<br />

Vortrag mit einer guten und einer schlechten Nachricht. Die<br />

gute sei, so Knieps, dass die Belange der Zahnärzte derzeit<br />

nicht im Focus der Politik stehen würden. Die schlechte<br />

lautete sybillinisch: „Wer sich meldet, kommt dran“. Und<br />

wenn dann die Akteure bei ihrer Argumentation übertrieben<br />

und marktschreierisch aufträten, führe das letztlich zu einem<br />

Imageschaden; man werde nicht mehr gehört.<br />

Der Referent gab Einblicke in die Entstehungsgeschichte<br />

von Gesundheits-Gesetzen, die nach seiner Ansicht zu<br />

einer Überregulierung, auch im zahnärztlichen Bereich,<br />

geführt hätten. Knieps plädierte für Gesetzgebungsverfahren,<br />

die nicht „auf dem Flur“ gemacht würden. Dafür, was sich<br />

so alles „auf dem Flur“ abspielt und wie politische Führungskräfte<br />

in Spitzengesprächen unter Ausschluss der hochspezialisierten<br />

Fachebene zu rein parteipolitisch begründeten<br />

Entscheidungen kommen, lieferte er beredte Beispiele.<br />

Versorgungsmangel prognostiziert<br />

In näherer Zukunft befürchtet Franz Knieps einen medizinischen<br />

Versorgungsmangel, der sich unter dem Stichwort<br />

„Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ noch verstärken<br />

werde. Ganz intensiv könne man schon jetzt den Mangel<br />

im Bereich der Pflege erkennen. Für die Zahnärzte stelle<br />

sich die Aufgabe, die Versorgung von alten Menschen und<br />

Behinderten zu verstärken. Parallel dazu müsse allerdings<br />

auch adäquat honoriert werden. Inzwischen wurde diese<br />

Forderung von der Realität eingeholt. In einer gemeinsamen<br />

Pressemeldung des GKV-Spitzenverbandes und der KZBV<br />

vom 17. Dezember bekunden die Vertragspartner:<br />

„Der GKV-Spitzenverband und die Kassenzahnärztliche<br />

Bundesvereinigung haben sich …auf zusätzliche Leistungen<br />

zur besseren zahnmedizinischen Betreuung von Versicherten<br />

in häuslicher und stationärer Pflege geeinigt. Ab 2<strong>01</strong>3 wird


es im Leistungskatalog der Krankenkassen eine neue Position<br />

für die aufsuchende Betreuung von Pflegebedürftigen,<br />

Menschen mit Behinderung und eingeschränkter Alltagskompetenz<br />

geben, die nicht mehr selbst in die Zahnarztpraxen<br />

kommen können. Auch das Wegegeld, das Zahnärzte<br />

für Haus- und Heimbesuche erhalten, wird angepasst.“<br />

Knieps beschrieb das Pflegerisiko alter Menschen mit<br />

mehreren chronischen Erkrankungen als das zentrale<br />

zukünftige gesellschaftliche Versorgungs-Problem, auf das<br />

die Politik noch nicht vorbereitet sei. Eine zukünftige Kerndebatte<br />

sei über die Versorgung in der Fläche und über<br />

die „Landflucht“ zu führen, bei der die Einzelpraxis zukünftige<br />

Anforderungen angesichts arbeitsteiliger Regelungen<br />

nicht mehr erfüllen könne. Ganz vehement mahnte er mehr<br />

Investitionen in die Versorgung auf Seiten der Krankenkassen<br />

an, die derzeit auf „Geldsäcken“ säßen.<br />

Das gegenwärtige Honorar-System für<br />

Ärzte ist nicht reformierbar<br />

Gesundheitskosten werden steigen<br />

In der derzeitigen Ausgestaltung hält Franz Knieps das<br />

gegenwärtige Honorar-System für Ärzte nicht mehr für<br />

reformierbar, weil es nicht mehr überschaubar sei. Eine<br />

weitere Detailgesetzgebung führe automatisch zu neuen<br />

Problemfeldern mit einer Komplexität, die dann nicht mehr<br />

steuerbar sein würde.<br />

Die Begründung für weiter steigende Kosten sieht Knieps<br />

vor allem im medizinischen Fortschritt begründet – noch<br />

vor der Problematik durch die demographische Entwicklung.<br />

Gleichzeitig erkannte er in seinem Beitrag den zahnmedizinischen<br />

Fortschritt, sowie die damit verbundenen Investitionskosten<br />

in den Praxen an, die einen Anpassungsbedarf<br />

im Honorarbereich nach sich ziehen würden. Der Anteil der<br />

Gesundheitskosten am Brutto-Inlandsprodukt werde zweifelsfrei<br />

steigen, weil die Bevölkerung stets mehr Geld für das<br />

System fordern werde, ohne Leistungseinschränkungen<br />

hinnehmen zu wollen.<br />

Und dann schimmerte der Querdenker durch, als Franz<br />

Knieps betonte, dass die begründeten Kostensteigerungen<br />

im Gesundheitsbereich keinesfalls zu Lasten der Bildung<br />

stattfinden dürften.<br />

Blick in die Glaskugel<br />

Mit dem Haftungsrecht und deren Auswüchsen steuere<br />

man in die Katastrophe, prophezeite Knieps, und lag damit<br />

sicherlich näher bei den Ärzten als bei denjenigen, denen<br />

das Patientenrechtegesetz nicht weit genug geht. Auch mit<br />

Blick auf Selektivverträge war er nahe bei den Ärzten. Sie<br />

seien nicht als Einkaufs-, sondern als Verkaufsmodell zu<br />

verstehen, und im Übrigen sehe er (noch) keine Notwendigkeit<br />

zur Einführung von Selektivverträgen im zahnärztlichen<br />

Bereich. Allerdings fiel auch der hässliche und weit auslegbare<br />

Begriff von „Pay for Performance“.<br />

Für das Fortbestehen des dualen Gesundheitssystems,<br />

das von BZÄK und KZBV gleichermaßen immer wieder mit<br />

Vehemenz gefordert wird, sieht der Gastredner keine Zukunft.<br />

Allerdings werde es immer einen Mix aus Beiträgen,<br />

Steuerzuschüssen und Selbstbeteiligungen (auch Zusatzversicherungen)<br />

geben, fügt er hinzu.<br />

Der gemeinsame Markt verlange nach einer einheitlichen<br />

Honorarordnung, wobei eine Debatte um das Verhältnis<br />

zwischen privater und gesetzlicher Gebührenordnung<br />

zunächst bei den Ärzten starten werde, vermutet Knieps.<br />

Aufschlussreich waren die Vermutungen zur zukünftigen<br />

politischen Farbkonstellation in Berlin nach der Bundestagswahl.<br />

Knieps hält in seiner Prognose die Bildung einer<br />

Großen Koalition für wahrscheinlich. Und die Vermutung,<br />

dass der Bayerische Ministerpräsident seinen Gesundheitsminister<br />

Söder eines Tages nach Berlin verschicken könnte,<br />

wurde von den Zuhörern wohl als die schlechteste aller<br />

Möglichkeiten empfunden.<br />

Fazit: Zahnärzte stehen derzeit nicht auf der Agenda der<br />

Politik. Und wenn man etwas zu sagen habe, dann solle<br />

man das ohne Übertreibungen mit belastbaren Zahlen<br />

unterfüttern. Die Zahnärzteschaft möge sich aber auf ein<br />

Konzept zur Versorgung multimorbider Menschen vorbereiten.<br />

Es ist sicher kein Zufall, dass sich die Kassenzahnärztliche<br />

Bundesvereinigung (KZBV) gerade mit diesen Themenkreisen<br />

intensiv, und wie man derzeit lesen kann, auch erfolgreich,<br />

befasst. � — loe<br />

FRANZ KNIEPS<br />

Studium der Rechtswissenschaft,<br />

Politische Wissenschaften und<br />

Neuere deutsche Literatur in Bonn<br />

und Freiburg. Er ist Volljurist und<br />

nach mehrjähriger wissenschaftlicher<br />

Tätigkeit in die Rechtsabteilung des<br />

AOK-Bundesverbands eingetreten. In Deutschland war er an allen<br />

Reformprojekten im Bereich Gesundheit und Pflege seit 1989 beteiligt.<br />

Nach Abordnungen ins Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung,<br />

in den Deutschen Bundestag und zur DDR-Sozialversicherung hat er die<br />

Leitung des Stabsbereichs Politik im AOK-Bundesverband übernommen.<br />

1996 wurde er dort zum Geschäftsführer Politik bestellt.<br />

Ende 2002 von der früheren Bundesministerin Ulla Schmidt zum Abteilungsleiter<br />

in ihrem Ministerium berufen. Neben allen Tätigkeiten war<br />

Franz Knieps für diverse Institutionen, darunter die Weltgesundheitsorganisation<br />

und die Europäische Union, als Experte für Gesundheitssystemfragen<br />

in fast allen Ländern Osteuropas, in der Türkei und Südafrika sowie<br />

in China, Japan und Südkorea vor Ort beratend im Einsatz.<br />

Bis Dezember 2009 Leitung der Abteilung Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung,<br />

Pflegesicherung im Bundesministerium für Gesundheit.<br />

Derzeitige Tätigkeit als Partner bei der Unternehmensberatung Wiese<br />

Consult „an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik, insbesondere<br />

in den Bereichen „Internationale Geschäftsbeziehungen und Investments“,<br />

„Health Care“ und „Public Affairs/Politikberatung“.<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

19<br />

Foto: Wiese-consult<br />

P O L I T I S C H E S


Zeit zum Gegensteuern<br />

DIE DEMOGRAFISCHE ENTWICKLUNG VOLLZIEHT SICH LANGSAM. NOCH IST<br />

ES NICHT ZU SPÄT, DIE SOZIALSYSTEME ZUKUNFTSSICHER ZU GESTALTEN<br />

Diese Krise kommt<br />

schleichend. Die Alterung<br />

der Bevölkerung Deutschlands<br />

vollzieht sich schon seit Jahrzehnten.<br />

Der Bevölkerungswissenschaftler<br />

Professor Herwig Birg nennt sie die<br />

„bestprognostizierte Krise“, die er kennt.<br />

So sagt das Statistische Bundesamt in<br />

seiner jüngsten Bevölkerungsvorausberechnung<br />

einen Rückgang der Einwohner<br />

Deutschlands von heute 82<br />

Millionen auf unter 65 Millionen Menschen<br />

im Jahr 2060 voraus. Gleichzeitig<br />

nimmt der sogenannte Altenquotient –<br />

also der Anteil der über 67-Jährigen<br />

20 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

an je 100 Personen im erwerbsfähigen<br />

Alter von 20 bis 67 Jahren – von 29 auf<br />

59,4 Prozent zu. Mit anderen Worten:<br />

Immer mehr ältere stehen immer<br />

weniger jüngeren Menschen gegenüber.<br />

Die Konsequenzen dieser Entwicklung<br />

sind hinlänglich bekannt: Die jeweils<br />

junge und arbeitende Generation<br />

muss immer mehr Geld aufbringen,<br />

um den größer werdenden Anteil der<br />

nicht mehr Erwerbstätigen zu finanzieren.<br />

Die sozialen Sicherungssysteme<br />

werden dabei über kurz oder lang an<br />

ihre Grenzen stoßen. Denn die soziale<br />

Absicherung erfolgt in Deutschland für<br />

© Yuri Arcurs/Fotolia.com<br />

den überwiegenden Teil der Bevölkerung<br />

im sogenannten Umlageverfahren.<br />

Das gilt sowohl für die Kranken- als<br />

auch für die Renten-, Pflege- und<br />

Arbeitslosenversicherung. Die Finanzierung<br />

dieser Systeme wird zum<br />

überwiegenden Teil durch die Beiträge<br />

der erwerbstätigen Bevölkerung getragen.<br />

Die so eingenommenen Mittel<br />

werden allerdings postwendend für<br />

die Kosten der Leistungsempfänger<br />

ausgegeben. Rücklagen werden nicht<br />

gebildet.<br />

Im Gegenteil: Schon heute reichen<br />

zum Beispiel die Beitragseinnahmen<br />

der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />

(GKV) nicht aus, um die laufenden<br />

Ausgaben zu decken. Allein in diesem<br />

Jahr muss das System daher mit<br />

14 Milliarden Euro aus Steuermitteln<br />

unterstützt werden.<br />

Welche drastischen Auswirkungen die<br />

Alterung der Bevölkerung auf dieses<br />

Finanzierungssystem haben wird,<br />

kann sich jeder ausmalen, der sich<br />

die Zahlen der Wissenschaftler ansieht:<br />

So betragen zum Beispiel die<br />

durchschnittlichen Krankheitskosten<br />

der Gesamtbevölkerung rund 3.100<br />

Euro pro Kopf und Jahr. In der Gruppe<br />

der über 85-Jährigen betragen die<br />

Kosten hingegen 14.840 Euro. Unter<br />

anderem aus diesem Grund prognostiziert<br />

das Institut für Gesundheits-<br />

System-Forschung Kiel (IGSF) der GKV<br />

eine annähernde Verdreifachung der<br />

Leistungsausgaben von 162 Milliarden<br />

Euro im Jahr 2008 auf 470 Milliarden<br />

Euro im Jahr 2060. Im gleichen<br />

Zeitraum wird die Zahl der Beitragszahler<br />

nach den Berechnungen des


Instituts von 51 Millionen auf nur<br />

noch 40 Millionen sinken. Die möglichen<br />

Folgen wären gravierend: Bei<br />

gleichbleibendem Leistungsumfang in<br />

der GKV müsste der Beitragssatz nach<br />

Angaben des Instituts bis zum Jahr<br />

2060 auf 52 Prozent steigen.<br />

Ähnlich dramatisch wird sich der demografische<br />

Wandel auf die Soziale<br />

Pflegepflichtversicherung auswirken.<br />

Denn Pflegebedürftigkeit entsteht in<br />

der Regel in der Spätphase des<br />

Lebens. Nach den Zahlen des Statistischen<br />

Bundesamtes wird sich jedoch<br />

der Anteil der über 80-Jährigen an der<br />

Gesamtbevölkerung von heute 5 auf<br />

14 Prozent im Jahr 2060 erhöhen. Die<br />

Zahl der Pflegebedürftigen wird<br />

daher in Zukunft deutlich zunehmen.<br />

Für den Beitragssatz prognostiziert<br />

das IGSF daher einen Anstieg auf<br />

über 5 Prozent.<br />

Selbst wenn man die Rentenversicherung<br />

außer Acht lässt, über deren<br />

existenzsichernde Wirkung ja just<br />

wieder diskutiert wird, ist klar: Hier<br />

steht die Generationengerechtigkeit in<br />

Deutschland auf dem Spiel. Auch die<br />

Großeltern-Generation will gewiss<br />

nicht, dass sie ihre Enkel übermäßig<br />

belastet. Denn diese Jahrgänge werden<br />

es auch so schwer genug haben: Sie<br />

können als „Generation Praktikum“ oft<br />

erst sehr spät auskömmlich bezahlte<br />

Erwerbsarbeitsplätze finden und erben<br />

sodann nicht nur die enormen Staatsschulden<br />

und Pensionslasten, die von<br />

den Generationen ihrer Eltern und<br />

Großeltern aufgehäuft wurden, sondern<br />

werden überdies wohl auch noch die<br />

dann fällig werdenden Bürgschaften<br />

der Euro-Finanzkrise bezahlen müssen.<br />

Dass es nicht ratsam ist, auf diese<br />

Weise auf Kosten der jüngeren Generationen<br />

zu leben, ist übrigens ebenfalls<br />

keine neue Erkenntnis. So widmete<br />

sich bereits Anfang der 1970er Jahre<br />

der berühmte amerikanische Philosoph<br />

John Rawls in seiner „Theorie der<br />

Gerechtigkeit“ der Frage, wie die<br />

unterschiedlichen Generationen miteinander<br />

umgehen sollten. Demnach<br />

ist das richtige Prinzip, das sich jede<br />

ENTWICKLUNG ALTENQUOTIENT<br />

67-Jährige und Ältere je 100 Personen im Alter von 20 bis 66 Jahren, in Prozent<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

2<strong>01</strong>0 2020 2030 2040 2050 2060<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2<strong>01</strong>2<br />

Generation zu eigen machen sollte,<br />

dasjenige, vom dem sie will, dass<br />

sich auch frühere Generationen<br />

danach gerichtet hätten. Auf diese<br />

Weise gelangt Rawls zu einem Sparprinzip,<br />

„das unsere Pflichten gegenüber<br />

anderen Generationen fundiert:<br />

Es stützt berechtigte Beschwerden über<br />

unsere Vorgänger und berechtigte<br />

Erwartungen an unsere Nachfahren.“<br />

Mit anderen Worten: Die älteren<br />

Generationen sollen nicht auf Kosten<br />

der jüngeren Generationen leben.<br />

BEVÖLKERUNG NACH ALTERSGRUPPEN<br />

15 %<br />

2008<br />

5 %<br />

61 %<br />

19 %<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2<strong>01</strong>2<br />

Welche Folgen ein gravierender und<br />

dauerhafter Verstoß gegen dieses<br />

Prinzip haben könnte, wird gerade in<br />

diesen Tagen mehr als deutlich. Denn<br />

in vielen Ländern Südeuropas, die<br />

derzeit besonders stark von der<br />

Eurokrise betroffen sind, ist seit vielen<br />

Jahren auf Kosten der Jugend gewirtschaftet<br />

worden. So landet etwa<br />

Griechenland in einer Studie der Organisation<br />

für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung (OECD) in<br />

Sachen Generationengerechtigkeit – �<br />

0 bis < 20<br />

20 bis < 65<br />

65 bis < 80<br />

> 80<br />

*) Untergrenze der<br />

„mittleren“ Bevölkerung<br />

20 %<br />

14 %<br />

2060*<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

16 %<br />

50 %<br />

21<br />

P O L I T I S C H E S


�<br />

gemessen unter anderem an der<br />

Höhe der direkten und versteckten<br />

Verschuldung und von Rentenansprüchen<br />

– unter 31 Ländern auf dem<br />

letzten Platz. Kaum besser schneiden<br />

Italien (Platz 29), Portugal (24) und<br />

Spanien (23) ab.<br />

Mit Platz 11 schneidet Deutschland<br />

im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit<br />

im internationalen Vergleich<br />

zwar recht gut ab. Doch auch die<br />

OECD schreibt in ihrer Untersuchung:<br />

„Die Platzierung im oberen Mittelfeld<br />

sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

dass noch viele Herausforderungen<br />

gemeistert werden müssen,<br />

um tatsächlich einen fairen Ausgleich<br />

zwischen Alt und Jung herzustellen<br />

Herr Prof. Birg, der aktuelle Demografiebericht der<br />

Bundesregierung prognostiziert einen starken Rückgang<br />

der Bevölkerung und gleichzeitig einen deutlich<br />

höheren Anteil älterer Menschen in Deutschland.<br />

Was bedeutet das für unsere Zukunft?<br />

Prof. Birg: Deutschland gleicht einem Ruderboot, bei<br />

dem die Zahl der Ruderer schrumpft und die der älteren<br />

Passagiere wächst. Das Boot wird langsamer, das Wirtschaftswachstum<br />

erlahmt. Von den schwach wachsenden<br />

Arbeitseinkommen muss ein zunehmender Anteil zur<br />

Finanzierung der Gesetzlichen Renten-, Kranken- und<br />

Pflegeversicherung verwendet werden. Für die meisten<br />

Menschen bedeutet das Wohlstandseinbußen.<br />

Welche Lebensbereiche werden von der Entwicklung<br />

hin zu einer alternden Gesellschaft in welcher Form<br />

betroffen sein?<br />

Prof. Birg: Vielen Ruheständlern droht Altersarmut. Die<br />

niedrigen Renten könnten zwar theoretisch durch eine<br />

Erhöhung des Ruhestandsalters angehoben werden.<br />

Aber die Versorgungslücken der Gesetzlichen Kranken-<br />

22 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

und den Wohlstand für die Zukunft<br />

zu sichern. So dreht sich die aktuelle<br />

Debatte vor allem um die Nachhaltigkeit<br />

der sozialen Sicherungssysteme, die<br />

in Deutschland immer noch hauptsächlich<br />

als Umlagesysteme konzipiert sind.“<br />

Die Debatte um die Folgen der demografischen<br />

Entwicklung wird nun auch<br />

endlich von der Politik offensiv geführt<br />

und von ersten Maßnahmen flankiert.<br />

So heißt es im Demografiebericht des<br />

Bundesinnenministeriums: Die Entwicklungen<br />

der alternden Gesellschaft<br />

„würden ohne entsprechende Gegenmaßnahmen<br />

zu einer dauerhaften<br />

und wachsenden Finanzierungslücke<br />

im Gesundheitssystem führen.“ Auch<br />

aus diesem Grund sieht Bundeskanz-<br />

lerin Angela Merkel den Kampf für zukunftssichere<br />

Sozialsysteme als eine<br />

der drängendsten Herausforderungen<br />

dieser Zeit an: „Da geht es darum,<br />

dass wir die Veränderung im Altersaufbau<br />

unserer Gesellschaft so meistern,<br />

dass auch die Jungen noch eine<br />

Chance haben, später ihr Leben<br />

zu gestalten – und die Enkel auch.“<br />

Zudem veranstaltete die Bundesregierung<br />

in diesem Monat einen Demografiegipfel,<br />

auf dem entsprechende<br />

Lösungsansätze für mehr Nachhaltigkeit<br />

ausgiebig diskutiert wurden.<br />

Im Pflegebereich wurden indes mit<br />

der staatlich geförderten Zusatzversicherung<br />

die Weichen bereits in die<br />

richtige Richtung gestellt: Ab dem<br />

„Eine gut prognostizierte Krise“<br />

IM GESPRÄCH: PROF. DR. HERWIG BIRG<br />

und Pflegeversicherung lassen sich damit nicht beseitigen,<br />

denn die demografische Alterung führt zu steigenden<br />

Gesundheitsausgaben. Gleichzeitig geraten die Einnahmen<br />

unter Druck, weil die Zahl der Beitragszahler sinkt und<br />

ihre Einkommen nur schwach wachsen. Es gibt jedoch<br />

auch Wachstumsbranchen wie den Gesundheitssektor,<br />

der wegen der Alterung expandiert.<br />

Sind wir gut auf den demografischen Wandel vorbereitet,<br />

oder gibt es ungelöste Aufgaben, die wir jetzt<br />

dringend in den Griff bekommen müssen?<br />

Prof. Birg: Beim sogenannten demografischen Wandel<br />

handelt es sich um die bestprognostizierte Krise, die<br />

ich kenne. Die Politik weiß seit über 30 Jahren, was auf<br />

uns zukommt, aber sie war und ist nicht bereit, etwas<br />

gegen die hohe Kinderlosigkeit zu unternehmen, die<br />

die Hauptursache für die niedrige Geburtenrate von 1,4<br />

Kindern je Frau darstellt. Bei der nicht zugewanderten,<br />

deutschen Bevölkerung in den alten Bundesländern<br />

bleibt bereits jede dritte Frau zeitlebens kinderlos –<br />

Tendenz steigend. Diese wichtige Ursache der Alterung


1. Januar 2<strong>01</strong>3 unterstützt der Staat<br />

Pflegetagegeldversicherungen, die<br />

bestimmten gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

entsprechen, mit fünf Euro<br />

monatlich. Damit soll der Anreiz, selbst<br />

für das Pflegerisiko vorzusorgen,<br />

gestärkt werden. Gerade weil die<br />

Pflegepflichtversicherung ohnehin<br />

nur eine Teilabsicherung bietet, ist<br />

diese Neuregelung unerlässlich.<br />

Denn aufgrund des oben dargestellten<br />

Zuwachses an alten Menschen in<br />

Deutschland ist in den kommenden<br />

Jahrzehnten mit deutlich mehr Pflegebedürftigen<br />

als heute zu rechnen.<br />

Erfreulich ist darüber hinaus, dass<br />

die Bundesregierung die Private<br />

Krankenversicherung (PKV) explizit<br />

und Bevölkerungsschrumpfung findet in der Demografiestrategie<br />

der Bundesregierung keinen Niederschlag.<br />

Die Zahl der Geburten sinkt seit Jahrzehnten. Sie wird<br />

auch in Zukunft abnehmen, weil die nicht Geborenen<br />

keine Kinder haben können. Deutschland ist dabei, aus<br />

seiner demografischen Zukunft auszusteigen.<br />

Gibt es beim demografischen Wandel neben Risiken<br />

auch Chancen?<br />

Prof. Birg: Ich sehe fünf zentrale Auswirkungen der Alterung<br />

und Bevölkerungsschrumpfung, die Risiken bergen:<br />

1. Die Versorgung der alten Generationen durch die<br />

schrumpfenden jungen bedeutet Verteilungsstress,<br />

nicht Chancen.<br />

2. Das gleiche gilt für die Interessengegensätze zwischen<br />

Menschen mit Kindern und ohne.<br />

3. Innerhalb Deutschlands stabilisieren die Landeshauptstädte<br />

und Metropolregionen ihre Bevölkerung auf<br />

Kosten der Entleerungsgebiete durch Zuwanderungen<br />

– mit der Konsequenz regionaler Konflikte.<br />

4. Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund fühlt<br />

sich durch die schrumpfende deutsche Bevölkerung<br />

benachteiligt und diskriminiert.<br />

5. Die europäische Finanzkrise beruht auf der Verschuldung<br />

zu Lasten künftiger, kleiner werdender Generationen.<br />

Wenn die Zuwanderung junger Europäer aus<br />

Südeuropa nach Deutschland anhält, wäre dies zwar<br />

von Vorteil für den deutschen Arbeitsmarkt, aber<br />

deshalb von „Chancen“ der Finanzkrise zu sprechen,<br />

hieße die Dinge auf den Kopf stellen.<br />

als ein stabilisierendes Element im<br />

Gesundheitssystem anerkennt. Im<br />

Demografiebericht des Bundesinnenministeriums<br />

heißt es dazu:<br />

„Entsprechend dem privatrechtlich<br />

bestimmten Geschäftsmodell der Unternehmen<br />

der PKV werden steigende<br />

Gesundheitsausgaben in der Prämienkalkulation<br />

und bei der Bildung von<br />

Alterungsrückstellungen berücksichtigt.<br />

Neben der GKV ist die PKV ein konstitutives<br />

Element in einem freiheitlichen<br />

Gesundheitswesen. Die Bundesregierung<br />

hält an diesem bewährten zweigliedrigen<br />

System fest.“<br />

Und tatsächlich sorgen die Privatversicherten<br />

für ihre steigenden Gesundheitsausgaben<br />

selbst vor und entlasten<br />

damit die jüngeren Generationen. Die<br />

Private Krankenversicherung ist daher<br />

in unserer alternden Gesellschaft ein<br />

Teil der Lösung und nicht ein Teil des<br />

Problems. Das sollten all diejenigen<br />

bedenken, die unser hervorragend<br />

funktionierendes duales Gesundheitssystem<br />

zu Gunsten einer Einheitsversicherung<br />

abschaffen wollen.<br />

Die Spitze der demografischen Entwicklung<br />

wird erst in ein paar Jahrzehnten<br />

erreicht sein. Noch ist also Zeit, das<br />

Ruder herumzureißen und generationengerechte<br />

Lösungen für die drängendsten<br />

Probleme zu finden. Ein Ausbau<br />

der Umlagefinanzierung ist hingegen<br />

mit Sicherheit der falsche Weg. �<br />

— Quelle: PKVpublik Oktober 2<strong>01</strong>2<br />

Was kann der Einzelne heute schon tun, um sich für<br />

die Zukunft zu wappnen?<br />

Prof. Birg: In armen Entwicklungsländern ohne Sozialversicherung<br />

müssen die Menschen Kinder haben, um<br />

im Alter und bei Krankheit abgesichert zu sein. Die<br />

Deutschen glauben, wegen des sozialen Sicherungssystems<br />

auf (eigene) Kinder verzichten zu können –<br />

ohne Rücklagen zu bilden. Aber bei einer schrumpfenden<br />

Zahl von Geburten und Beitragszahlern sinken<br />

zwangsläufig die Leistungen der Gesetzlichen Renten-,<br />

Kranken- und Pflegeversicherung. Zur Schließung der<br />

drohenden Versorgungslücken sollte jeder möglichst<br />

früh mit dem Aufbau einer durch Rücklagen gebildeten<br />

Versorgungsbasis wie bei der Privaten Krankenversicherung<br />

beginnen. � — Quelle: PKVpublik Oktober 2<strong>01</strong>2<br />

PROF. DR. HERWIG BIRG<br />

Prof. Dr. Herwig Birg, geboren 1939, gehört<br />

zu den renommiertesten Bevölkerungsforschern<br />

in Deutschland. Von 1981 bis 2004<br />

hatte er den Lehrstuhl für Bevölkerungswissenschaft<br />

der Universität Bielefeld inne und<br />

war Geschäftsführender Direktor des Instituts<br />

für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik<br />

(IBS). Seit 2009 ist er u.a. Mitglied des<br />

Demographie-Beirats der Regierung des<br />

Landes Sachsen-Anhalt. Buchhinweis:<br />

„Die ausgefallene Generation – Was die Demographie über unsere Zukunft<br />

sagt.“ C.H. Beck, 2. Aufl., München 2006. Internet: www.herwig-birg.de.<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S 23<br />

P O L I T I S C H E S


Gemeinsam gegen häusliche Gewalt –<br />

Zahnärztinnen und Zahnärzte helfen<br />

PRESSEKONFERENZ ZUM GEMEINSAMEN PROJEKT ZWISCHEN<br />

KZVN, ZKN UND DEM SOZIALMINISTERIUM<br />

Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der<br />

drei Körperschaften ist unsere Aktion „Gemeinsam<br />

gegen häusliche Gewalt…“ am 13. Dezember offiziell und<br />

unter der Schirmherrschaft von Sozialministerin Aygül Özkan<br />

an den Start gegangen.<br />

Die Zahnärztliche Akademie Niedersachsen (ZAN) bot mit<br />

ihrer technischen und architektonischen Ausstattung einen<br />

besonders geeigneten Rahmen für die Pressekonferenz, zu<br />

der zahlreiche Pressevertreter der Printmedien und des<br />

Fernsehens gekommen waren.<br />

Unter der Moderation von Sabine Steding, Mitglied im<br />

Vorstand der ZKN, gaben Sozialministerin Aygül Özkan, der<br />

Präsident der ZKN, Dr. Michael Sereny, und der Vorsitzende<br />

des Vorstandes der KZVN, Dr. Jobst-W. Carl, ihre Statements<br />

ab, in denen sie die Problematik der häuslichen Gewalt<br />

anrissen und zugleich für die Akzeptanz des Projektes in<br />

der zahnärztlichen Kollegenschaft warben.<br />

„Zahnärztinnen und Zahnärzte sind oft die ersten und<br />

einzigen, die die Opfer zu Gesicht bekommen. Mit unserer<br />

24 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Fotos: A. Sturm, <strong>NZB</strong>-Archiv<br />

v.l.n.r.: Dr. Jobst-W. Carl (Vorstandsvorsitzender der KZVN), Aygül<br />

Özkan (Niedersächsische Sozialministerin), Dr. Michael Sereny<br />

(Präsident der ZKN), Sabine Steding (Vorstandsmitglied der ZKN<br />

und Moderatorin der Pressekonferenz).<br />

breit angelegten Informationskampagne wollen wir aufklären<br />

und die Zahnärzteschaft für dieses Thema sensibilisieren“,<br />

betonte Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan und<br />

fügte hinzu: „Mir ist wichtig, die Opfer von Gewalt zu<br />

unterstützen und ihnen Hilfe anzubieten. Die Gewaltspirale<br />

muss durchbrochen werden“.<br />

Zahnärztinnen und Zahnärzte wollen mit der Aktion, die<br />

auf Dauer angelegt ist, einen Beitrag zum Schutz betroffener<br />

Frauen, Männer und Kinder leisten, heißt es in der entsprechenden<br />

Pressemeldung der Körperschaften.<br />

Weiter heißt es darin: Jede vierte Frau wird laut einer Studie<br />

des Bundesfamilienministeriums mindestens einmal im<br />

Leben Opfer häuslicher Gewalt. Männer können ebenso<br />

davon betroffen sein, und auch Kinder erleiden schwere<br />

Verletzungen durch Gewalttaten im familiären Bereich.<br />

Durch häusliche Gewalt verursachte behandlungsbedürftige<br />

Verletzungen manifestieren sich in über 80 % der Fälle<br />

im Hals- und Kopfbereich. Zahnärztinnen und Zahnärzten<br />

kommt daher eine entscheidende Rolle zu, wenn es<br />

darum geht, die Betroffenen nicht nur zahnmedizinisch zu<br />

versorgen, sondern auch beratende Hilfestellung zu leisten<br />

und darüber hinaus eine gerichtsverwertbare Dokumentation<br />

zu ermöglichen.<br />

v.l.n.r.: Dr. Michael Sereny, Dr. Jobst-W. Carl,<br />

Ministerin Aygül Özkan, Sabine Steding, Dr. Michael Loewener.


Gemeinsam gegen<br />

häusliche Gewalt<br />

Zahnärztinnen und -ärzte helfen!<br />

Handlungsempfehlungen zum Erkennen, Ansprechen<br />

und Dokumentieren<br />

Beratung und Dokumentation<br />

1<br />

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„Zahnärztinnen und Zahnärzte genießen ein hohes Ansehen<br />

bei ihren Patienten. Damit kommt unserer Berufsgruppe<br />

eine entscheidende Rolle zu, wenn es darum geht,<br />

Gewaltopfer zu erkennen, sensibel anzusprechen und<br />

gegebenenfalls auf Hilfseinrichtungen in Niedersachsen<br />

hinzuweisen. Für die Betroffenen ist es wichtig, zu wissen,<br />

dass das Arztgeheimnis konsequent gewahrt bleibt und<br />

nichts ohne die ausdrückliche Einwilligung der Opfer<br />

geschieht“, ergänzte KZVN-Chef Dr. Jobst-W. Carl.<br />

„Für eine eventuelle spätere Strafverfolgung ist es wichtig,<br />

dass die Tatfolgen dokumentiert sind. Daher hat das<br />

Arbeitsbündnis einen „Befundbogen forensische Zahnmedizin“<br />

für die zahnärztliche Praxis erstellt. Der Befundbogen<br />

ermöglicht es, Verletzungen und Spuren von häuslicher<br />

Gewalt gerichtsfest zu sichern“, kündigte ZKN-Präsident<br />

Dr. Michael Sereny in seinem Statement an.<br />

Der Pressekonferenz war ein kurzer Besuch der Prophylaxeräume<br />

der Zahnärztlichen Akademie Niedersachsen durch<br />

Ministerin Özkan vorausgegangen, der den Pressefotografen<br />

willkommener Anlass für Aufnahmen war, die am selben<br />

Tag noch in den Nachrichten gesendet wurden.<br />

In anschließenden Einzelgesprächen standen sowohl<br />

ZKN-Präsident Dr. Sereny, als auch der KZVN-Vorstandsvorsitzende<br />

Dr. Carl den Journalisten zur Verfügung.<br />

Auf dem vierseitigen Befundbogen können Zahnärztinnen<br />

und Zahnärzte nach Art einer Checkliste Eintragungen<br />

vornehmen, die der/dem Betroffenen auch zu einem<br />

späteren Zeitpunkt für eine Verwendung vor Gericht dienen<br />

können.<br />

Die vorgestellte Broschüre wurde in Zusammenarbeit zwischen<br />

der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen,<br />

der Zahnärztekammer Niedersachsen und dem niedersächsischen<br />

Sozialministerium erarbeitet. Sie enthält<br />

neben Handlungsempfehlungen zum Umgang mit<br />

Opfern häuslicher Gewalt einen Adressteil mit Unterstützungseinrichtungen<br />

und Telefonnummern von<br />

Frauenunterstützungseinrichtungen (Frauenhäuser und<br />

Gewaltberatungsstellen), sowie eine Liste der<br />

niedersächsischen Jugendämter.<br />

Broschüre und Befundbogen sind im Dezember an alle<br />

Zahnarztpraxen versandt worden und können darüber<br />

hinaus von den Homepages der ZKN und der KZVN<br />

heruntergeladen werden.<br />

Fortbildung zum Thema „Häusliche Gewalt“ geplant<br />

Darüber hinaus werden die Zahnärztekammer und die<br />

Kassenzahnärztliche Vereinigung in diesem Jahr Fortbildungen<br />

zum Thema „Umgang mit Opfern häuslicher<br />

Gewalt“ anbieten, die sich u.a. mit der forensischen<br />

Problematik beschäftigen werden.<br />

Und auch die Informationsblätter der zahnärztlichen<br />

Körperschaften, „Niedersächsisches Zahnärzteblatt“ und<br />

„ZKN Mitteilungen“, werden die Thematik aufgreifen und<br />

durch Fachartikel vertiefen.<br />

Der Empfang der Ministerin fand in freundlicher Atmosphäre<br />

in den von den Mitarbeiterinnen der KZVN und der ZKN<br />

gemeinsam vorbereiteten Räumen der Zahnärztlichen<br />

Akademie Niedersachsen (ZAN) statt.<br />

Wir möchten uns noch einmal für die vertrauensvolle,<br />

konstruktive und reibungslose Zusammenarbeit bei den<br />

Mitarbeiterinnen des Sozialministeriums bedanken. Der<br />

Dank gilt auch der Pressestelle des Ministeriums für die<br />

Unterstützung, das Anliegen der Niedersächsischen Zahnärztinnen<br />

und Zahnärzte durch die Pressekonferenz in die<br />

Öffentlichkeit zu tragen. �<br />

Sabine Steding, Mitglied im Vorstand der ZKN<br />

Dr. Michael Loewener, Vorstandsreferent für<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der KZVN<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

25<br />

P O L I T I S C H E S


Fotos: Dr. H. Derks<br />

Funktion und Ästhetik durch<br />

interdisziplinäre Therapie<br />

KOMBINIERTE KIEFERORTHOPÄDISCHE,<br />

IMPLANTOLOGISCHE UND PROTHETISCHE BEHANDLUNG<br />

Abb. 1: Orthopantomogramm des Ausgangszustands:<br />

deutliche Ausdehnung des linken Sinus maxillaris nach kaudal.<br />

DR. HERMANN DERKS<br />

�Zahnmedizinstudium an der<br />

Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

�Approbation und Promotion in<br />

Gießen<br />

�Kfo-Ausbildung bei Prof. Tammoscheid in Gießen<br />

�Niederlassung in eigener Praxis in Emmerich 1979<br />

als Zahnarzt<br />

�1979 Mitglied der „Studiengruppe für Restaurative<br />

Zahnheilkunde“, Vorsitzender von 2000-2002<br />

�Vorträge über Parodontologie, Implantologie und<br />

funktionellen Zahnersatz, davon mehrere Vorträge in<br />

den USA und Schweden<br />

�Lehrauftrag der Radboud Universität Nijmegen<br />

�Zahlreiche Veröffentlichungen<br />

�Kassenlose Praxis in Emmerich seit 20 Jahren<br />

�Mitglied der DGP, PZVD und des BDIZ<br />

�Spezialist für Parodontologie (DGP)<br />

�Spezialist für Implantologie (BDIZ/EDA)<br />

26 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Problemfälle erfordern ein breites Behandlungsspektrum<br />

oder die Kooperation<br />

verschiedener Spezialdisziplinen. Somit ist Teamwork<br />

gefragt, mit einer engen Abstimmung zwischen den<br />

beteiligten Kollegen. Im nachfolgenden Beitrag wird<br />

dargestellt, wie bei einer komplexen Ausgangssituation<br />

bei einer 69-jährigen Patientin mit anteriorem Kreuzbiss<br />

ein kombinierter kieferorthopädischer, implantologischer<br />

und prothetischer Therapieansatz zu einer deutlichen<br />

Verbesserung der Funktion und der Ästhetik führte. Der<br />

Beitrag veranschaulicht, dass diese beiden Therapieziele<br />

nicht getrennt voneinander betrachtet werden können.<br />

Anamnese<br />

Die 69-jährige Patientin wurde uns zur präprothetischen<br />

Behandlung überwiesen. Die Anamnese ergab keine Allgemeinerkrankungen.<br />

Die Patientin störte in erster Linie das<br />

ästhetische Erscheinungsbild ihrer Zähne und ihres Lippenprofils.<br />

Sie war vom überweisenden Kollegen darüber<br />

informiert, dass im Oberkiefer nicht erhaltungswürdige Seitenzähne<br />

vorhanden waren und dass sie nach Entfernung<br />

dieser Zähne einen Zahnersatz benötigen würde. Einer<br />

Insertion von Implantaten stand die Patientin positiv gegenüber,<br />

wenn dadurch herausnehmbarer Zahnersatz<br />

vermieden werden konnte.<br />

Befund<br />

Im Oberkiefer fehlten die Weisheitszähne. Die ebenfalls<br />

fehlenden Zähne 15, 25 und 26 waren durch insuffiziente<br />

Brücken mit den Pfeilern 16 und 14 beziehungsweise 24<br />

und 27 ersetzt. Die Zähne 17, 16 und 27 wiesen stark vertiefte<br />

Zahnfleischtaschen auf, das Parodontium der übrigen<br />

Zähne war unauffällig. Der Unterkiefer war mit Kronen und<br />

einer Brücke versorgt. Auffällig war ein anteriorer Kreuzbiss<br />

und ein Engstand regio 42 bis 44, bei introvertierter<br />

Stellung der Zähne 11 und 21 (skelettale progene Tendenz).<br />

Zwischen den Zähnen 43 und 44 bestand ein deutlicher<br />

Niveauunterschied. Trotz der ungünstigen Verzahnung


klagte die Patientin nicht über funktionelle Beschwerden.<br />

Das Orthopantomogramm (Abb. 1) bestätigte den schlechten<br />

Parodontalzustand der Zähne 17, 16 und 27. Es zeigte aber<br />

auch, dass wegen der Ausdehnung der Kieferhöhle regio<br />

26, 27 eine Implantation nur nach vorheriger Augmentation<br />

des Kieferknochens möglich sein würde. Die Abbildungen<br />

2 bis 5 zeigen die klinische Ausgangssituation.<br />

Abb. 2: Ausgangszustand: anteriorer Kreuzbiss.<br />

Abb. 4: …bis fast ein Kopfbiss eingenommen werden kann.<br />

Die Bisslage soll temporär über eine Aufbissschiene so weit<br />

angehoben werden, dass die im Kreuzbiss stehenden Frontzähne<br />

in einen regelrechten Überbiss überstellt werden können.<br />

Abb. 6: Schädelbezüglich montierte Modelle zur Herstellung<br />

einer Schiene für die temporäre Bisshebung. Die Modelle zeigen<br />

auch den deutlich elongierten unteren rechten Eckzahn.<br />

Behandlungsplan<br />

Nach Herstellung weiterer Unterlagen (schädelbezüglich in<br />

zentrischer Relation im Artikulator montierte Modelle, Fotos)<br />

(Abb. 6) und Auswertung aller Unterlagen, einer Beratung<br />

mit dem überweisenden Kollegen und ausführlicher Rücksprache<br />

mit der Patientin wurde folgender Behandlungsplan<br />

erstellt: �<br />

Abb. 3: Ausgangszustand: Bei Mundöffnung kommt es zur<br />

Entschlüsselung der progenen Verzahnung…<br />

Abb. 5: Ausgangszustand: Deutliche Inversion der beiden<br />

mittleren oberen Incisivi. Beide Seitenzahnbrücken sind<br />

insuffizient.<br />

Abb. 7: Anbringen von Brackets an den Zähnen 35 bis 41 und<br />

43 bis 45. Extraktion des im Engstand stehenden Zahns 42 und<br />

Einligieren eines Bogens (Twistflex). Durch den Lückenschluss<br />

soll der untere Zahnbogen frontal verkleinert werden. Gleichzeitig<br />

soll die Niveaudifferenz zwischen 43 und 44 ausgeglichen werden.<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

27<br />

F A C H L I C H E S


Abb. 8: Modell zur Herstellung einer Aufbissschiene. Zustand<br />

nach Durchtrennung des Brückenzwischenglieds distal von 25<br />

und Extraktion des Zahns 27. Der so entstandene Anhänger 25<br />

bleibt noch kurzfristig erhalten. Die beiden aktiven Elemente<br />

werden in die Aufbissschiene integriert und dienen der Protrusion<br />

der beiden introvertiert stehenden Zähne 11 und 21.<br />

Abb. 9: Aufbissschiene auf dem Modell…<br />

Abb. 10: …und vom Modell abgenommen.<br />

Abb. 11: Implantatinsertion regio 17, 15 und 25 bei gleichzeitiger<br />

Elevation des linken Kieferhöhlenbodens und Defektauffüllung<br />

mit Bio-Oss.<br />

28 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

��Entfernung<br />

der nicht erhaltungswürdigen Zähne 17, 27<br />

und zeitlich versetzt von 16;<br />

�kieferorthopädische Behandlung zur Erreichung eines<br />

regelrechten frontalen Überbisses und Behebung des<br />

Niveauunterschieds zwischen 34 und 44; Auflösung des<br />

frontalen Engstands durch Entfernung des Zahns 42 mit<br />

kieferorthopädischem Lückenschluss;<br />

�Insertion von Implantaten regio 17, 15, 25 und nach<br />

Sinuslift zeitlich versetzt regio 26;<br />

�prothetische Rehabilitation durch eine implantatgetragene<br />

Brücke 17 auf 15, implantatgetragene Kronen bei 25<br />

und 26 und Überkronung der Zähne 14 und 24 in Form<br />

metallkeramischer Restaurationen.<br />

Behandlungsablauf<br />

Nach dem Durchtrennen der Brücke im linken Oberkiefer<br />

distal von 25 wurden die Zähne 27 und 17 entfernt. Der<br />

Zahn 16 wurde zunächst belassen, um als Pfeiler für eine<br />

provisorische Brücke von 16 auf 14 zu dienen.<br />

In der nächsten Sitzung wurden die Zähne 34 bis 41 und<br />

43, 44 mit Brackets versehen, der Zahn 42 extrahiert und<br />

ein Twistflexbogen einligiert (Abb. 7). Auf den einartikulierten<br />

Modellen stellten wir eine Aufbissschiene her. Dazu wurde<br />

die vertikale Relation im Artikulator so weit angehoben,<br />

dass die im Kreuzbiss stehende Front in einen regelrechten<br />

Überbiss gestellt werden konnte. Um die invertiert stehenden<br />

mittleren oberen Schneidezähne nach labial bewegen<br />

zu können, wurde die Aufbissschiene mit entsprechenden<br />

aktiven Elementen versehen. Sie wurde während der<br />

aktiven Überstellung der Front permanent getragen, um<br />

Fehlbelastungen der im Kreuzbiss stehenden Zähne zu<br />

vermeiden (Abb. 8 bis 10).<br />

Nach Eingliederung der Schiene und Abtrennung des<br />

Anhängers 25 folgte die konventionelle Insertion der Implantate<br />

in regio 17, 15 und 25 (Implantate: 15 und 25<br />

ø 4,0 mm, Länge 11,5 mm; 17 ø 5,0 mm, Länge 13 mm).<br />

In der gleichen Behandlungssitzung wurde links eine Sinusbodenelevation<br />

vorgenommen (Abb. 11). Dazu wurde<br />

Abb. 12: Nach Wiederbefestigung der alten Brücke im rechten<br />

Oberkiefer Anfertigung einer Schwarz-Platte zur weiteren<br />

Ausformung der Oberkieferfront.


nach Bildung eines Schleimhautperiostlappens die bukkale<br />

Kieferhöhlenwand mittels Piezochirurgie eröffnet. Der nach<br />

Anhebung der Kieferhöhlenschleimhaut entstandene<br />

Defekt wurde mit einem Knochenersatzmaterial aufgefüllt<br />

und mit einer resorbierbaren Membran abgedeckt. Danach<br />

folgte der speicheldichte Nahtverschluss des zurückverlagerten<br />

Schleimhautperiostlappens. Zuletzt wurde die im<br />

rechten Oberkiefer zur Implantation abgenommene Brücke<br />

provisorisch befestigt und dann die ebenfalls zur Operation<br />

entfernte Aufbissschiene eingesetzt. Die gedeckte Einheilung<br />

der primärstabil inserierten Implantate verlief komplikationslos.<br />

Nach Ablauf der Einheilphase und Freilegung der<br />

Implantate erhielt das Implantat 25 aus ästhetischen Gründen<br />

keine Einheilkappe, sondern auf einem Hilfsabutment<br />

eine provisorische Kunststoffkrone. Nach erreichtem<br />

Kopfbiss wurde die Aufbissschiene durch eine Schwarz-<br />

Platte mit zwei aktiven Elementen zur weiteren Protrusion<br />

von 11 und 21 ersetzt (Abb. 12 und 13). Da eine mögliche<br />

Fehlbelastung im Schlussbiss (Jiggling) für die Zähne 11, 21<br />

nach ausreichender Protrusion ausgeschlossen werden<br />

kann, konnte das Gerät ohne Bisssperrung intermittierend<br />

getragen werden. Die Schwarz-Platte wurde später als<br />

Retainer verwendet. Die Abbildungen 14 und 15 zeigen<br />

den Fortschritt der kieferorthopädischen Behandlung. Der<br />

Twistflexbogen wurde zwischenzeitlich durch einen Rundbogen<br />

ersetzt. Die Frontzähne konnten überstellt und Zahn<br />

43 aus einer Supraposition in die Okklusionsebene geführt<br />

werden. Die Lücke 42 ist weitestgehend geschlossen.<br />

Sieben Monate nach der Sinusbodenelevation links wurde<br />

das Implantat regio 26 gesetzt (ø 5,0 mm, Länge 13 mm)<br />

(Abb. 16). Das zweizeitige Vorgehen bei den Implantationen<br />

wurde gewählt, da wegen der geringen Knochenhöhe eine<br />

Primärstabilität des Implantats 26 nicht hätte erzielt werden<br />

können, sodass vorrangig ein augmentatives Verfahren<br />

angezeigt war.<br />

Nach erfolgreicher kieferorthopädischer Behandlung wurden<br />

die Brackets entfernt (Abb. 17) und die Unterkieferfront mit<br />

einem geklebten Retainer versehen (Abb. 18). �<br />

Abb. 14: Zwischenergebnis der präprothetischen kieferorthopädischen<br />

Maßnahmen. Im Unterkiefer wurde zwischenzeitlich<br />

der Twistflexbogen durch einen Rundbogen ersetzt.<br />

Abb. 15: Das kieferorthopädische Ziel ist fast erreicht.<br />

Abb. 16: Insertion eines weiteren Implantats in die<br />

augmentierte Region 26.<br />

Abb. 13: Schwarz-Platte nach Eingliederung. Abb. 17: Zustand nach Lückenschluss und Ausrundung der<br />

unteren Front. Auch die Niveaudifferenz zwischen 43 und 44<br />

konnte ausgeglichen werden.<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

29<br />

F A C H L I C H E S


Abb. 18: Stabilisierung der unteren Frontzähne durch einen<br />

geklebten Retainer.<br />

Abb. 19: Endergebnis nach Extraktion des Zahns 16 und<br />

abschließender prothetischer Therapie. Der Vergleich mit<br />

dem Ausgangsbefund (vgl. Abb. 2) demonstriert augenfällig<br />

die funktionelle und ästhetische Verbesserung (prothetische<br />

Versorgung durch Dr. R.Grützner, Kleve).<br />

Abb. 20: Abschlussbild des rehabilitierten Oberkiefers. Auch<br />

hier wird im Vergleich zum Ausgangszustand (vgl. Abb. 5)<br />

die Harmonisierung des Zahnbogens deutlich.<br />

Abb. 21: Orthopantomogramm nach Behandlungsabschluss.<br />

30 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

� Nach Osseointegration des Implantats 26 und Extraktion<br />

des Zahns 16 wurde die prothetische Versorgung mittels<br />

Zirkoniumdioxidkronen beziehungsweise Brücken durch<br />

den überweisenden Kollegen vorgenommen. Die Abbildungen<br />

19 bis 21 demonstrieren das gelungene Ergebnis.<br />

Da wegen der skelettalen progenen Tendenz und der<br />

Zahn-zu-Zahn-Okklusion eine Eckzahnführung nicht<br />

erreicht werden konnte, wurde als okklusales Konzept eine<br />

Gruppenführung angestrebt.<br />

Diskussion<br />

Das angestrebte Behandlungsziel der Verbesserung von<br />

Funktion und Ästhetik konnte im dargestellten Fall nicht<br />

ohne kieferorthopädische Maßnahmen erreicht werden.<br />

Der anteriore Kreuzbiss bestimmte im Schlussbiss die horizontale<br />

Zuordnung der Kiefer zueinander. Er beeinflusste<br />

aber nicht nur die Okklusion, sondern auch das Profil. Um<br />

kieferorthopädisch die positive inzisale Stufe über den<br />

Kopfbiss in einen regelrechten Überbiss zu korrigieren,<br />

bedurfte es einer temporären Veränderung der vertikalen<br />

Dimension, bis die Zähne übergestellt waren. Diese Erhöhung<br />

musste in der aktiven kieferorthopädischen Phase<br />

permanent gewährleistet sein. Kieferorthopädische<br />

Maßnahmen sind auch bei reduziertem parodontalen<br />

Attachment möglich, setzen aber parodontale Gesundheit<br />

voraus, die hier nach Entfernung der parodontal insuffizienten<br />

Zähne und einer parodontalen Initialtherapie gegeben<br />

war. Im vorliegenden Fall hatte die kieferorthopädische<br />

Intervention das Ziel, den anterioren Kreuzbiss zu<br />

beheben und den frontalen Engstand im Unterkiefer aufzulösen,<br />

um dadurch ein funktionell günstigeres okklusales<br />

Konzept zu ermöglichen und um das Profil zu verbessern.<br />

Um einen herausnehmbaren Zahnersatz zu vermeiden,<br />

wurden beidseitig Implantate inseriert, wobei dies heute<br />

im Oberkiefer auch bei stark extendierter Kieferhöhle durch<br />

die Elevation des Sinusbodens möglich ist.<br />

Die Elevation des Sinusbodens links und die Implantation<br />

an entsprechender Stelle wurden zeitlich versetzt vorgenommen,<br />

da wegen der geringen Knochenhöhe eine Primärstabilität<br />

des Implantats nicht hätte erzielt werden können.<br />

Letztlich musste die neu gewonnene Bisslage durch prothetische<br />

Maßnahmen stabilisiert werden. Bei der Planung<br />

des Falls wurden diese Komponenten berücksichtigt und<br />

in ein interdiziplinäres Behandlungskonzept integriert. �<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Zahnärztliche Privatpraxis Dr. Hermann Derks<br />

Steinstraße 12, 46446 Emmerich am Rhein<br />

Internet: www.drderks.de<br />

— Dr. Hermann Derks, Emmerich am Rhein<br />

Quelle: Bayerisches Zahnärzteblatt 11/2<strong>01</strong>0<br />

Literatur beim Verfasser


Komplementäre oralchirurgische<br />

Behandlung beim Jugendlichen<br />

Oralchirurgische Behandlungen werden oftmals<br />

mit einem hohen Angstpotential von<br />

den Patienten assoziiert, was eine besondere Betreuung<br />

von Kindern und Jugendlichen erfordert. Routinemäßig<br />

erfolgt der Kontakt mit dem chirurgisch tätigen Zahnarzt<br />

bei den meisten Kindern und Jugendlichen erst im Alter<br />

von ca. 16 – 18 Jahren zur Entfernung der Weisheitszähne.<br />

Darüber hinaus gibt es doch eine ganze Reihe von Indikationen,<br />

die eine chirurgische Intervention oder zumindest<br />

Abklärung notwendig erfordert. Dies sind neben den<br />

am häufigsten auftretenden Entwicklungsstörungen, in<br />

seltenen Fällen auch benigne oder maligne Neubildungen<br />

sowie die durch Karies oder Trauma zerstörten oder<br />

verletzten Zähne.<br />

Am häufigsten werden Entwicklungsstörungen des Kiefers<br />

im Kindesalter durch den behandelnden Kieferorthopäden<br />

diagnostiziert[12]. Dies zeigt sich zum einen in Durchbruchsstörungen[17],<br />

die sich aufgrund von eingeschränkten<br />

Platzverhältnissen ergeben können oder durch eine<br />

ungünstige Formation des Weichgewebes. Bei einer Verzögerung<br />

des Zahndurchbruches können follikuläre Zysten<br />

entstehen, die sich im Hart- und Weichgewebsbereich<br />

ausdehnen[6].<br />

Besonders bei den Weichgewebsveränderungen können<br />

diese durch eine einfache Zystostomie therapiert werden,<br />

so dass hier keine weitere invasive Maßnahme notwendig<br />

ist (Abb. <strong>01</strong> + 02). Je nach Gewebesituation sollte jedoch<br />

hier immer auch an die Gewinnung einer Probe zur pathohistologischen<br />

Aufarbeitung gedacht werden, da sich in<br />

seltenen Fällen auch tumoröse Veränderungen unter einer<br />

solchen vermeintlichen Durchbruchszyste verbergen können.<br />

Weiter zeigen sich Entwicklungsstörungen durch Fehlbildungen<br />

der Zähne, die sich als Hyper- oder Hypoplasie<br />

darstellen. Bei der sogenannten Gemination kommt es<br />

entwicklungsbedingt zu einer nicht vollständigen Doppelanlage<br />

eines Zahnes, so dass dieser in der Regel eine<br />

symmetrische Ausformung der Zahnbögen im Rahmen<br />

der kieferorthopädischen Behandlung nicht ermöglicht[5].<br />

Abb. 1: Ausgeprägte follikuläre Zyste mit Spontanperforation bei<br />

8 jährigem Jungen mit verzögertem Durchbruch des Zahnes 21.<br />

Abb. 2: Spontate Remission nach Zystotomie mit<br />

kontinuierlicher Einstellung des Zahnes 21.<br />

Je nach Ausmaß der Fehlbildung, das am besten durch<br />

eine 3-dimensionale radiologische Technik beurteilt werden<br />

kann, stellt sich die Indikation zur Entfernung oder der<br />

Hemisektion, die je nach Form des Zahnes unter Erhalt der<br />

Vitalität erreicht werden kann[3, 10]. Bei der Gemination<br />

von Milchzähnen kommt es dann häufig zu einer Persistenz<br />

dieser mit einer damit verbundenen Retention der<br />

bleibenden Zähne (Abb. 3-5). Eine weitere Entwicklungsstörung<br />

zeigt sich in der Retention der regelgerechten<br />

Form der Zähne besonders im Bereich des �<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

31<br />

Fotos: Dr. J. Neugebauer<br />

F A C H L I C H E S


Abb. 3: Gemination an Zahn 72/71 bei bereits<br />

erfolgter Einstellung der Zähne 41, 42.<br />

Abb. 5: Extraktion der Gemination der Milchzähne: 71/72.<br />

Abb. 7: Osteotomie zur Freilegung der retinierten Zähne mit<br />

Fixierung von kieferorthopädischen Verankerungselementen.<br />

�<br />

Oberkiefereckzahngebietes, der Unterkiefer-Prämolaren und<br />

der Oberkieferschneidezähne[4, 22] oder von zusätzlichen<br />

Zahnanlagen[9]. Je nach Position des Zahnes erfordert dies<br />

jedoch dann eine weitergehende chirurgische Intervention,<br />

die je nach Lage des Zahnes in Sedierung oder Intubationsnarkose<br />

erfolgen sollte (Abb. 6-8). Besonders die Präparation<br />

der derben Gaumenschleimhaut erfordert eine Anästhesie<br />

am Foramen Incicivus und die empfindliche Präparation<br />

der derben Gaumenschleimhaut. Hier zeigt die Anwendung<br />

32 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Abb. 4: Abklärung der Gemination mit Darstellung eines<br />

Pulpenlumen der Doppelanlage 72/71 mit Retention<br />

der Zähne 31, 32.<br />

Abb. 6: Retention der Anlagen der zweiten Prämolaren im<br />

Unterkiefer beidseits.<br />

Abb. 8: Kontroll-OPG nach der Freilegung zur Verlaufskontrolle.<br />

der Computergesteuerten Anästhesie mit einer druckkontrollierten<br />

Abgabe des Anästhetikums Vorteile, da diese<br />

dann relativ schmerzfrei erfolgen kann. Durch eine damit<br />

verbundene intraossäre Anästhesie können diese Eingriffe<br />

durchaus bei jungen Patienten in Lokalanästhesie erbracht<br />

werden[1].<br />

Bei anatomisch schwierigen Verhältnissen kann für Operationsvorbereitung<br />

von retinierten und verlagerten Zähnen<br />

heutzutage die digitale Volumentomographie Anwendung


Abb. 09: DVT-Aufnahme zur Bestimmung der Impaktierung<br />

des Mesiodens, Auf Grund der fehlenden knöchernen<br />

Abdeckung erfolgte die Behandlung in Lokalanästhesie.<br />

Abb. 11: operative Entfernung des Mesiodens nach<br />

Mobilisierung der Gaumenschleimhaut.<br />

Abb. 13: Operationssitus vor dem Wundverschluss.<br />

finden[20]. Diese zeigt im Vergleich zum CT eine deutlich<br />

geringere Strahlenbelastung und die gleiche, wenn nicht<br />

sogar günstigere Detaildarstellung im Mundkiefer-Gesichtsbereich[19].<br />

Gerade Geräte mit der Bildverstärkertechnologie<br />

eignen sich hier besonders für die Behandlung von Kindern,<br />

da diese die geringste Dosis aufweisen[18]. Dennoch wird<br />

auf Grund des erhöhten Risikos durch die Strahlenbelastung<br />

bei Kindern eine genaue Indikationsstellung gefordert<br />

(Abb. 9-13).<br />

Abb. 10: Computerkontrollierte Abgabe des Lokalanästhetikums<br />

für eine tiefe intraossäre Anästhesie in der Prämaxilla.<br />

Abb. 12: Entfernter mikrodont ausgeprägter Mesiodens.<br />

Daher ist nicht für jede operative Freilegung und Fixierung<br />

von kieferorthopädischen Verankerungselementen die<br />

Anfertigung einer DVT-Aufnahme notwendig[21]. Damit die<br />

postoperativen Beschwerden und auch das Risiko der<br />

Schädigung der umliegenden Gewebsstrukturen so gering<br />

wie möglich ausfällt, eignet sich die Anwendung der<br />

Piezochirurgie als besonderes minimal invasives Verfahren[23]<br />

(Abb. 14-17). Wenn auch viele Mundschleimhautveränderungen<br />

im Bereich des Kindesalters sich in der Regel �<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

33<br />

F A C H L I C H E S


�<br />

Abb. 14: DVT zur Lagebestimmung des tief lingual<br />

retinierten Paramolaren rechts.<br />

Abb. 16: Kontrolle der Osteotomiehöhle ohne Verletzung der<br />

Weichgewebe des Mundbodens.<br />

unauffällig darstellen, sollten diese jedoch differentialdiagnostisch<br />

abgeklärt werden, da es sich durchaus auch um<br />

maligne oder zumindest invasive Erscheinungen handeln<br />

kann (Abb. 18-21). Ein Zuwarten über Monate ist nicht<br />

indiziert, da dies zu weiteren Wachstumsstörungen mit<br />

entsprechendem hohem kieferorthopädischem Korrekturbehandlungsaufwand<br />

führen kann. Ferner können diese<br />

Veränderungen auch maligne Formen zeigen, so dass hier<br />

eine baldmögliche Abklärung erfolgen sollte. Neben den<br />

entwicklungsbedingten pathologischen Geschehen zeigen<br />

sich auch entzündliche Veränderungen in der Mundhöhle,<br />

die eine strenge Indikationsstellung zur chirurgischen Intervention<br />

benötigen, da gerade bei den jungen Patienten<br />

eine Narbenbildung im wachsenden Gewebe für die spätere<br />

zahnärztliche Therapie sich nachteilig darstellen kann.<br />

Hier sind besonders bei chirurgischen Eingriffen die anatomischen<br />

Strukturen genau zu würdigen, so dass es hier zu<br />

keinen permanenten Funktionsbeeinträchtigungen, besonders<br />

der sensiblen Strukturen, kommt. Da sich das jugendliche<br />

Gewebe oftmals sehr grazil darstellt, ist zur Vermeidung<br />

34 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Abb. 15: Vorsichtige Osteomie mittels Piezochirurgie.<br />

Abb. 17: Entfernter Paramolar mit Pulpagewebe.<br />

von Narben durch iatrogene Restquetschwunden ein sehr<br />

dezidiertes Vorgehen notwendig. Bei tiefer Karies und<br />

schwierigen endodontischen Verhältnissen stellt die<br />

Transposition eines retinierten Weisheitszahnes auch im<br />

Zeitalter der Implantologie durchaus eine Therapieoption<br />

dar[16], da somit noch in der Wachstumsphase die Lücke<br />

ohne Beeinträchtigung der Nachbarzähne therapiert<br />

werden kann und somit die Kosten für eine aufwendigere<br />

Implantattherapie im jugendlichen Alter noch nicht anfallen<br />

(Abb. 22-24).<br />

Die Betreuung der jungen Patienten erfordert neben der<br />

chirurgischen Ausbildung auch eine gewisse Erfahrung,<br />

damit die Erwartungshaltung über den chirurgischen Eingriff<br />

richtig eingeschätzt werden kann und eine Mitarbeit des<br />

Patienten gewährleistet ist. Das Selbstbestimmungsrecht<br />

der kleinen Patienten ist dabei zu beachten, um keine<br />

Traumatisierung und damit verbundene spätere Behandlungsunwilligkeit<br />

zu riskieren[15]. Daher kommt der Wahl<br />

des geeigneten Narkoseverfahrens eine hohe Bedeutung<br />

zu. Da junge Patienten auf Grund sozialer Anpassungs-


Abb. 18: Bläulich livide, prall elastische Schleimhautveränderung<br />

nach bereits erfolgter Operation eines ameloblastischen<br />

Fibro-Odontom.<br />

Abb. 20: Operativer Situs mit Exchochleation des<br />

Weichgewebstumors und Anfrischung der Knochenkante.<br />

schwierigkeiten auch systemische Medikationen erhalten,<br />

kann es bei der Gabe von Beruhigungsmitteln durchaus<br />

zu Komplikationen kommen. Dies ist auch für die Auswahl<br />

eines in Betracht zu ziehenden Narkoseverfahrens zu berücksichtigen[7,<br />

8]. Daher kann je nach Umfang der geplanten<br />

Intervention diese auch bei jungen Patienten durchaus in<br />

Lokalanästhesie durchgeführt werden. Bei der Applikation<br />

der Lokalanästhesie sollte eine hohe Druckanwendung<br />

unterbleiben, um die Schmerzprovokation so gering wie<br />

möglich zu gestalten. Daher findet die computergestützte<br />

Anästhesie zunehmend mehr Verwendung, da das<br />

Schmerzempfinden reduziert werden kann[2]. Als Begleitmaßnahme<br />

hat sich das Hören von Musik über Kopfhörer<br />

etabliert, und ist durch die inzwischen sehr kleinen Geräte<br />

auch für den Behandler nicht störend[14]. Auf der anderen<br />

Seite sollte aber zur Vermeidung einer Prädisposition der<br />

Zahnarztangst ein solcher Eingriff nur bei direkter Zustimmung<br />

mit dem Patienten erfolgen, da diese nicht nur für den Patienten,<br />

sondern auch für den Behandler bei einem bereits<br />

begonnenen chirurgischen Eingriff eine hohe �<br />

Abb. 19: Dreidimensionale Diagnostik zur Beurteilung der<br />

knöchernen Strukturveränderungen.<br />

Abb. 21: Reizlose Abheilung und Einstellung des<br />

Zahnes 42 in die Zahnreihe.<br />

Abb. 22: Postoperative Kontrolle nach Transposition von 38 nach<br />

36 bei bereits zuvor erfolgter Transposition im Unterkiefer rechts.<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

35<br />

F A C H L I C H E S


Abb. 23: Röntgenkontrolle nach 6 Jahren mit Erhalt der Vitalität<br />

der transponierten Zähne 38 und 48.<br />

�<br />

psychologische Belastung darstellt[13]. Je nach geplanter<br />

Dauer des Eingriffes kann die Behandlung dann unter<br />

Sedierung oder in Intubationsnarkose erfolgen[11]. Durch<br />

die modernen Narkoseverfahren ist dies in den meisten<br />

Fällen ambulant möglich.<br />

Da eine ganze Reihe von chirurgischen Maßnahmen bei<br />

Kindern notwendig werden kann, ist es wichtig, dass dieses<br />

unter kontrollierten Bedingungen erfolgen und eine effiziente<br />

Behandlung unter Routinebedingungen durchgeführt<br />

werden kann. Besonders erfordert dies auch ein<br />

Training des Personals, damit dieses auf den Umgang mit<br />

Kindern eingestellt ist. Damit die Erwartungshaltungen der<br />

jungen Patienten und der Angehörigen erfüllt werden können,<br />

ist es wichtig, dass sich die kooperierenden Kollegen<br />

über die Möglichkeiten und den Umfang der Behandlung<br />

(besonders der Anästhesieleistung) im Vorfeld absprechen,<br />

um somit das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. �<br />

— Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer1,2 , Dr. Dr. Martin Scheer 2 ,<br />

Dr. Frank Kistler 1 , Dr. Steffen Kistler 1 , Dr. Georg Bayer 1 ,<br />

Univ.-Prof. Dr. Dr. Joachim E. Zöller 2<br />

PRIV.-DOZ. DR. JÖRG NEUGEBAUER<br />

36 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Abb. 24: Klinischer Befund 6 Jahre nach Transposition.<br />

1 Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis<br />

Dres. Bayer, Kistler, Elbertzhagen und Kollegen<br />

Von-Kühlmann-Str. 1<br />

86899 Landsberg am Lech<br />

Tel: 08191 947666-0<br />

Fax: 08191 947666-95<br />

neugebauer@implantate-landsberg.de<br />

www.implantate-landsberg.de<br />

2 Interdisziplinäre Poliklinik für Orale Chirurgie<br />

und Implantologie<br />

Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und<br />

Plastische Gesichtschirurgie der Universität zu Köln<br />

Direktor: Univ.-Professor Dr. Dr. J. E. Zöller<br />

Kerpener Str. 32<br />

50931 Köln<br />

Die Literaturliste kann unter www.nzb.de herunter geladen oder<br />

unter nzb-redaktion@kzvn.de angefordert werden.<br />

Studium der Zahnheilkunde Universität Heidelberg, Mehrjährige Tätigkeit in der Dentalindustrie, zuletzt<br />

Leiter R&D Implantologie, Weiterbildung Fachzahnarzt für Oralchirurgie, dann Oberarzt an der Interdisziplinäre<br />

Poliklinik für Orale Chirurgie und Implantologie der Universität zu Köln, Direktor Prof. Dr. Dr. J.E.<br />

Zöller, seit August 2<strong>01</strong>0 Praxis für Zahnheilkunde Dres Bayer, Kistler Elbertzhagen und Kollegen, Landsberg<br />

am Lech und weitere Lehr- und Forschungstätigkeit Universität Köln Forschungsschwerpunkte: Verlässlichkeit<br />

der Implantattherapie, antimikrobielle Photodynamische Therapie, Digitale Volumentomographie,<br />

Keramikimplantate.


Fotos: Dr. A. Sabbagh<br />

Kieferorthopädie versus Chirurgie<br />

KIEFERORTHOPÄDISCHE ALTERNATIVEN ZUR CHIRURGISCHEN KORREKTUR<br />

DER BISSLAGE BEI ERWACHSENEN<br />

Obwohl die Therapiemethoden und Techniken<br />

der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in den<br />

vergangenen Jahren enorme Fortschritte aufweisen, sind<br />

viele Patienten nicht bereit, einen derartigen operativen<br />

Eingriff durchführen zu lassen – nicht nur aus Angst vor<br />

der Operation und den damit verbundenen Risiken und<br />

Unannehmlichkeiten, sondern zum Teil auch aus ethischen<br />

oder finanziellen Gründen. Diese Patienten waren bisher<br />

in vielen Fällen nicht behandelbar und mussten häufig<br />

funktionelle und ästhetische Einschränkungen in Kauf<br />

nehmen, bis hin zu Kiefergelenksbeschwerden oder<br />

Zahnverlust.<br />

Neue kieferorthopädische Techniken und Materialien<br />

ermöglichen es, Patienten, die vor wenigen Jahren ohne<br />

einen chirurgischen Eingriff nicht erfolgreich therapiert<br />

werden konnten, konservativ, das heißt noninvasiv zu<br />

behandeln. Besonders häufig kann bei Erwachsenen in<br />

folgenden Fällen auf eine chirurgische Intervention verzichtet<br />

werden:<br />

�Mandibuläre Laterognathie/Distalbisslage<br />

�Unilateraler Kreuzbiss<br />

�Zirkulär offener Biss<br />

�Diskusvorverlagerung ohne Reposition/Diskusprolaps<br />

Abb. 1: Die Kiefergelenksadaptation besteht aus<br />

„condylus capping“ und „fossa shifting“.<br />

Mandibuläre Laterognathie/Distalbisslage<br />

Morphologische, histologische sowie magnetresonanztomografische<br />

Untersuchungen [4, 6, 7, 8, 11] zeigen die Einzigartigkeit<br />

des Kiefergelenks. Es besitzt nicht nur einen sehr<br />

aktiven, avaskulären Faserknorpel mit hoher Proliferationskapazität,<br />

sondern ist in der Lage, sich zu remodellieren<br />

und zu adaptieren, sogar noch im Erwachsenenalter. Die<br />

Adaptationsmöglichkeit der Kiefergelenke sowie die Fortschritte<br />

bei den festsitzenden funktionskieferorthopädischen<br />

Techniken und in der Kiefergelenkdiagnostik ermöglichen<br />

in bestimmten Fällen und bei entsprechender Indikation<br />

die Behandlung Erwachsener mit mandibulären Retrognathien<br />

ohne chirurgischen Eingriff, auch wenn die Adaptations-<br />

beziehungsweise Remodellierungsfähigkeit des Kiefergelenks<br />

bei Erwachsenen geringer ist als bei Jugendlichen<br />

(„condylus capping“ und „fossa shifting“) (Abb. 1).<br />

Insbesondere bei Deckbisspatienten liegt häufig eine dorsale<br />

Zwangsposition des Unterkiefers vor (Abb. 2). Sie wird<br />

oftmals durch die retrudierte und elongierte Stellung der<br />

oberen Schneidezähne verursacht [1, 4, 9, 14, 15]. In dieser<br />

Situation üben die Condylen einen unphysiologischen<br />

Druck auf die bilaminäre Zone aus und es kann zu einer<br />

schmerzhaften Traumatisierung dieses Gewebes bis hin �<br />

Abb. 2: Kompressionsgelenk (dorsal) aufgrund einer<br />

Zwangsführung des Unterkiefers nach posterior.<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

37<br />

F A C H L I C H E S


Abb. 3: Der Aqua-Splint ist eine effektive Alternative zur<br />

Relaxierungs- und Distraktionschiene.<br />

�<br />

zu Diskusvorverlagerung und Kopfschmerzen kommen.<br />

Für bessere und langzeitstabile Ergebnisse ist vor einer<br />

kieferorthopädischen Behandlung gerade bei Erwachsenen<br />

die Untersuchung des Kiefergelenks sehr wichtig. Laut<br />

DGZMK und AFDT ist sie ein medizinisches und forensisches<br />

Muss. Dank der manuellen Funktionsdiagnostik ist sie in<br />

der täglichen Praxis mit geringem Aufwand möglich. Sollte<br />

eine Kiefergelenksdysfunktion festgestellt werden, wie<br />

etwa bei einer dorsalen Zwangsposition, so ist eine Kiefergelenktherapie<br />

vor der kieferorthopädischen Bissumstellung<br />

unabdingbar. Die Vorbehandlung hat für die nachfolgende<br />

kieferorthopädische Behandlung den großen Vorteil, dass<br />

sich der Unterkiefer durch die Beseitigung der dorsalen<br />

Zwangsposition nach ventral repositionieren kann. Dies<br />

verbessert die Ausgangslage für die Bissumstellung und<br />

ermöglicht gleichzeitig eine physiologischere Position der<br />

Condylen [2, 3, 10, 15, 25]. Eine vier- bis sechswöchige<br />

Vorbehandlung mit dem Aqua - Splint (Abb. 3) kann die<br />

Faktoren ausschalten, die den Unterkiefer in eine unphysiologische<br />

Position zwingen. Okklusale Störungen werden<br />

aufgehoben, die Muskulatur wird entspannt. Dies erlaubt<br />

eine moderate, aber spontane Unterkiefervorverlagerung<br />

und eine günstige ventrale Zentrierung der Condylen [4, 27].<br />

Abb. 4: Sabbagh Universal Spring (SUS 2 )<br />

zur Vorverlagerung des Unterkiefers.<br />

38 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Anschließend werden die Zahnreihen durch eine Multibrack -<br />

etapparatur kieferorthopädisch nivelliert, als Vorbereitung<br />

für die aktive Bissumstellung durch die SUS 2 (Sabbagh<br />

Universal Spring ® ), ein Teleskopelement mit Feder, das<br />

universell intermaxillär eingesetzt werden kann (Abb. 4<br />

und 5). Die Aktivierung erfolgt progressiv in kleinen Schritten<br />

von etwa zwei bis drei Millimetern, im Gegensatz zur traditionellen<br />

Lehrmeinung nach Herbst, die eine totale Unterkiefervorverlagerung<br />

in einem Schritt fordert [1, 2, 3, 15, 22].<br />

Das Konzept der progressiven Bissumstellung hat sich für<br />

uns klinisch und praktisch aus folgenden Gründen bewährt<br />

[2, 25, 27]:<br />

�Die Entstehung eines seitlich offenen Bisses sowie<br />

die Gefahr einer Zungendysfunktion bei Patienten mit<br />

entsprechender Tendenz werden vermindert.<br />

�Die auf die Verankerungseinheit beziehungsweise auf<br />

die Zähne und die Kiefergelenke ausgeübte Kraft wird<br />

reduziert. Die Bruchgefahr der Apparatur und die Belastung<br />

für das Gewebe beziehungsweise den Patienten<br />

werden verringert.<br />

�Jüngste klinische Untersuchungen [16, 17, 18, 21, 25, 27]<br />

haben gezeigt, dass dieses schrittweise Vorgehen zu<br />

besseren und stabileren Ergebnissen führt. Die Untersuchungen<br />

belegten auch einen signifikant höheren<br />

skelettalen Effekt. Morphologische und histologische<br />

Untersuchungen an Ratten ergaben bei progressiver<br />

Vorverlagerung des Unterkiefers im Vergleich zur Vorverlagerung<br />

in einem Schritt sogar bei erwachsenen Tieren<br />

eine signifikant höhere Zellteilungsrate und Knorpelapposition.<br />

Elektromyografischen Untersuchungen zufolge ist die<br />

Adaptation der Muskulatur bei progressiver Vorverlagerung<br />

signifikant besser, was die Rezidivgefahr durch den Muskelzug<br />

entscheidend verringert. Einer der Hauptgründe für<br />

ein Rezidiv nach einer Klasse II-Therapie ist der erhöhte<br />

Muskeltonus, vor allem im Bereich des Musculus digastricus.<br />

Elektromyografische Untersuchungen belegen, dass<br />

Abb. 5: Kiefergelenksadaptation nach der Unterkiefervorverlagerung mit der Sabbagh<br />

Universal Spring – links nach drei Monaten, rechts nach sechs Monaten.


die Kaumuskulatur bis zu einem Jahr benötigt, um sich der<br />

neuen Unterkieferposition anzupassen [9, 20,23]. Aus diesem<br />

Grund ist vor allem bei Erwachsenen eine ausreichend<br />

lange Retention unbedingt notwendig. Die Problematik<br />

herausnehmbarer Retentionsgeräte, insbesondere bei<br />

unzureichender Mitarbeit, ist hinreichend bekannt. Sie<br />

müssen bei Bedarf durch festsitzende Retentionsapparaturen,<br />

wie etwa SARA-Stops, ersetzt werden [4, 25, 29]. In Grenzfällen<br />

stellt die progressive Bissumstellung eine realistische<br />

Alternative zur chirurgischen Korrektur dar [19]. In vielen Fällen<br />

ist sie sogar kiefergelenksfreundlicher und mit weniger<br />

Kosten und Risiken verbunden (Abb. 6a bis c). Allerdings sind<br />

für den Erfolg das Einhalten der entsprechenden Indikation<br />

und die Vorgehensweise entscheidend.<br />

Unilateraler Kreuzbiss<br />

Die Beseitigung des lateralen Kreuzbisses bei Erwachsenen<br />

war nach der bis vor wenigen Jahren gültigen Lehrmeinung<br />

nur durch eine chirurgisch unterstützte Gaumennahterweiterung<br />

möglich. Allerdings zeigten viele Fallberichte und<br />

zuletzt auch mehrere Untersuchungen, dass in vielen<br />

moderaten Fällen eine nicht-chirurgische Gaumennahterweiterung<br />

erfolgreich durchgeführt werden kann (Abb. 7).<br />

Auch wenn manche Studien, wie die der Universität<br />

Chicago aus dem Jahre 20<strong>01</strong> [26], über eine erfolgreiche<br />

Gaumennahterweiterung bei allen der 47 untersuchten<br />

Patienten (auch mit bilateralem Kreuzbiss) berichtet haben,<br />

empfiehlt es sich aus Gründen der Langzeitstabilität nur<br />

unilaterale Kreuzbisse konservativ zu behandeln. Allerdings<br />

misslingt nach unserer Erfahrung die nicht-chirurgische<br />

Gaumennahterweiterung in etwa 20 Prozent der Fälle. Eine<br />

chirurgische Unterstützung muss deswegen vorbehalten<br />

bleiben und bei der Behandlungsplanung mit dem Patienten<br />

und dem Chirurgen abgestimmt werden. Am Anfang der<br />

Behandlung steht daher ein entsprechendes Aufklärungsgespräch<br />

mit dem Patienten. Ungefähr eine Woche nach<br />

Eingliederung und zweimal täglicher Aktivierung der Apparatur<br />

zur Gaumennahterweiterung sollte bei ausbleibenden<br />

Anzeichen einer erfolgreichen Gaumennahtsprengung die<br />

konservative Dehnung abgebrochen werden. Die Gaumennahtapparatur<br />

wird dann einmal täglich zurückgestellt und<br />

ein Operationstermin zur chirurgischen Unterstützung in circa<br />

zwei Wochen vereinbart.<br />

Zirkulär offener Biss<br />

Die Effektivität einer Le Fort I-Osteotomie für die Therapie<br />

des offenen Bisses ist ausreichend bekannt. Allerdings<br />

besteht seit der Entwicklung der Miniimplantatverankerung<br />

festsitzender kieferorthopädischer Apparaturen (Tomas-Pins ® )<br />

die Möglichkeit, moderate Fälle auch ohne eine chirurgische<br />

Intervention behandeln zu können [3] (Abb. 8a bis 9). �<br />

Abb. 6a bis c: Progressive Bissumstellung durch die Sabbagh<br />

Universal Spring als Alternative zur chirurgischen Korrektur.<br />

Abb. 7: Gaumennahterweiterung bei einem erwachsenen<br />

Patienten ohne chirurgische Unterstützung.<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

39<br />

F A C H L I C H E S


�<br />

Abb. 8a und b: Tomas-Pins als Hilfsmittel bei der Intrusion der oberen Molaren.<br />

Durch den Einsatz einer festsitzenden Intrusionsmechanik<br />

wird eine Impaktionskraft auf die posteriore Dentition des<br />

Oberkiefers ausgeübt. Die Intrusion der Oberkiefermolaren<br />

und die Kippung der Okklusionsebene ermöglichen eine<br />

den Biss schließende anteriore Rotation des Unterkiefers<br />

(Abb. 10) und eine Neuorientierung der Bisslage in vertikaler<br />

und sagittaler Richtung, wie auch eine Verbesserung der<br />

Kaufunktion und der Gesichtsästhetik. Diese Methode<br />

kann in Grenzfällen und bei entsprechender Indikationsstellung<br />

als Alternative zum chirurgischen Vorgehen angesehen<br />

werden.<br />

Bekanntlich ist ein offener Biss meistens mit einer Zungendysfunktion<br />

assoziiert. Ihre Behandlung darf vor, während<br />

und nach der kieferorthopädischen Behandlung nicht vernachlässigt<br />

werden, da davon maßgeblich der Erfolg und<br />

die Stabilität der kieferorthopädischen Behandlung abhängen.<br />

Die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Beseitigung<br />

einer Zungendysfunktion ist aber leider nicht sehr hoch und<br />

hängt hauptsächlich von der Motivation und der Disziplin<br />

des Patienten ab. Bei nicht-kooperativen Patienten sollte<br />

gegebenenfalls von einer Behandlung abgesehen werden.<br />

Diskusvorverlagerung ohne Reposition/Diskusprolaps<br />

Zur Behandlung einer Diskusvorverlagerung ohne Reposition<br />

wird in vielen Klinken eine Diskotomie durchgeführt.<br />

Angesichts der nicht zu unterschätzenden Risiken dieser<br />

Operation [11, 14] wie einer Fazialisparese oder einer stark<br />

eingeschränkten Mundöffnung sowie wegen des allgemeinen<br />

Operationsrisikos sollte sie nur in therapieresistenten<br />

Ausnahmefällen durchgeführt werden. Die Behandlung mit<br />

dem Aqua-Splint, unterstützt von krankengymnastischen<br />

Übungen (Rotationsübungen) und Kältetherapie, hat sich<br />

als effektive und sichere Alternative zur Diskotomie bewährt.<br />

Die Therapie mit dem Aqua-Splint ist in diesen speziellen<br />

Fällen vorteilhafter als die klassische Aufbissschiene, vor<br />

allem weil eine Abformung bei schmerzhafter und eingeschränkter<br />

Mundöffnung kaum möglich ist. Zudem kann<br />

mit einer klassischen Aufbissschiene aufgrund der benötig-<br />

40 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

ten Herstellungszeit keine Soforthilfe geleistet werden. Der<br />

Aqua-Splint hat hinsichtlich sofortiger Einsatzmöglichkeit<br />

ohne Abformung, Registrierung oder Laborarbeiten große<br />

Vorteile und die Therapie kann sofort beginnen. Die Aquabalance<br />

zwischen den beiden Wasserkissen führt zu einem<br />

ständigen Ausgleich der beiden Condylen, was die<br />

Abb. 9: Erfolgreiche Behandlung eines offenen Bisses mithilfe<br />

von Tomas-Pins ohne Le Fort I-Osteotomie.<br />

Abb. 10: Biomechanik der nicht-chirurgischen<br />

dento-alveolären Impaktion.


Gelenkentlastung und Schmerzlinderung fördert und dem<br />

Behandler beziehungsweise dem Patienten häufige Einschleifbeziehungsweise<br />

Adjustierungstermine erspart [15, 27].<br />

Neueste Untersuchungen zeigen, dass eine Reposition des<br />

Diskus articularis, sei es chirurgisch oder kieferorthopädisch,<br />

wie in den letzten Jahrzehnten propagiert, nicht mehr<br />

empfohlen werden kann. Die Rezidivgefahr ist sehr hoch<br />

und eine Diskusvorverlagerung entsteht hauptsächlich<br />

eben nicht durch eine Malokklusion, sondern durch eine<br />

erblich bedingte Bindegewebeschwäche. �<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Dr. Aladin Sabbagh<br />

Kieferorthopädische Gemeinschaftspraxis<br />

Dr. Sabbagh & Dr. Wirth<br />

Apothekergasse 2, 91054 Erlangen<br />

Tel.: 09131 53022-0<br />

E-Mail. praxis@sw-ortho.de, Internet: www.sw-ortho.de<br />

Literatur beim Verfasser<br />

— Dr. Aladin Sabbagh, Erlangen<br />

Quelle: Bayerisches Zahnärzteblatt 20/2<strong>01</strong>2<br />

Sie fragen – wir antworten<br />

DR. ALADIN SABBAGH<br />

�1982-1987 Studium der Zahnmedizin an<br />

der Universität Damaskus.<br />

�1987 Promotion mit einer Arbeit über „orale Symptome<br />

systemischer Erkrankungen“<br />

�1989 Anerkennung als Fachzahnarzt für Oralchirurgie.<br />

�1989-1993 Weiterbildungsassistent an der Universität Kiel<br />

dann in einer Weiterbildungspraxis in Nürnberg.<br />

�1993 Anerkennung als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie<br />

(München), Niederlassung in eigener Praxis in Erlangen<br />

�1997 Patentanmeldung „Sabbagh Universal Spring“<br />

(US patent 5944518, German patent 19809324)<br />

�2002 Patenterteilung „Aqua-Splint“ (EU/USA)<br />

�2005 Obmann des Berufsverbandes der deutschen<br />

Kieferorthopäden (BDK) in Mittelfranken.<br />

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F A C H L I C H E S


Strafbarkeit von Zahnärzten für<br />

anästhesiologische Komplikationen<br />

VERTRAUEN IST GUT, VEREINBARUNGEN SIND BESSER<br />

Qualitätssicherung durch Transparenz<br />

schaffen – das war bereits 1980 einer der<br />

Grundsätze des DAZ. Schon damals kein leeres Schlagwort,<br />

sondern die notwendige Konsequenz aus der verbreiteten<br />

Haltung der Standesführung, Malpractice und eigene<br />

Versäumnisse zumindest vor der Öffentlichkeit, aber<br />

auch vor der Kollegenschaft zu verbergen. Daran scheint<br />

sich nichts geändert zu haben: Im Forum 110 hatte<br />

Dr. Hanns-W. Hey mit seinem Beitrag „Tod durch Rationalisierung“<br />

auf die in diversen Medien berichteten<br />

Todesfälle bei Narkosen in Zahnarztpraxen hingewiesen<br />

und darin seine Mindestforderung nach Veröffentlichung<br />

dieser Fälle in den Fachmedien erhoben, „damit jeder<br />

Kollege seine eigenen Konsequenzen daraus ziehen<br />

kann“. Mit der gleichen Intention hat der Anästhesist<br />

und Gerichtsgutachter Prof. Dr. Uwe Schulte- Sasse<br />

mit dem Juristen Tim Neelmeier den Zahnärztlichen<br />

42 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Mitteilungen (ZM) einen Beitrag zum Thema angeboten,<br />

die allerdings – so die Autoren – sinngemäß wissen<br />

ließen, „dass man ausdrücklich keine Berichterstattung<br />

über diesen Themenkreis wünsche, um die eigenen<br />

Mitglieder und Leser nicht zu verunsichern.“ Der DAZ und<br />

die Forum-Redaktion halten diesen Standpunkt gerade<br />

bei dieser brisanten Problemlage für berufsschädigend,<br />

weil damit die Kollegenschaft über wichtige Rechtspositionen<br />

in Unkenntnis gelassen und in falscher Sicherheit<br />

gewiegt wird. Für das Forum haben die Autoren den<br />

Beitrag aktualisiert.<br />

Todesfälle – insbesondere von Kindern – nach operativen<br />

Eingriffen in Narkose in Zahnarztpraxen haben in der<br />

jüngeren Zeit wiederholt hervorgehobene Aufmerksamkeit<br />

in den Medien erfahren [Spiegel online 2<strong>01</strong>2a, Spiegel<br />

online 2<strong>01</strong>2b, stern.de 2<strong>01</strong>2]. Auf dem Medizinstrafrechtstag<br />

© Juan Herrera/iStockphoto.com


des Deutschen Anwaltvereins [Lindemann 2<strong>01</strong>2] wurde<br />

besorgt berichtet über „eine fatale Tendenz in der Praxis<br />

ambulanten Operierens […], die mit einer adäquaten<br />

anästhesiologischen Versorgung verbundenen ‚Kostenfaktoren‘<br />

zu reduzieren, auch wenn dies mit erkennbaren<br />

Risiken für Leib und Leben der behandelten Patienten<br />

verbunden ist.“ Besondere Beachtung in diesem Zusammenhang<br />

fand ein Fall aus Hessen, in dem neben dem<br />

Anästhesisten auch der operierende Zahnarzt wegen fahrlässiger<br />

Tötung (§ 222 StGB) zu einer Gefängnisstrafe verurteilt<br />

wurde. Eine vergleichbar hervorgehobene Beachtung<br />

dieser Fälle ist in den zahnärztlichen Fachjournalen bislang<br />

nicht zu beobachten.<br />

In der Märzausgabe 2<strong>01</strong>2 wird im „Forum für Zahnheilkunde“<br />

betont [Hey 2<strong>01</strong>2], dass „diese Unglücksfälle in<br />

den Fachmedien veröffentlicht werden [müssen].“ Vor dem<br />

Hintergrund des DAZ-Postulats „Qualitätssicherung durch<br />

Transparenz“ sei hier, am Beispiel des vor dem Amtsgericht<br />

(AG) Limburg verhandelten Todesfalles eines zehnjährigen<br />

Mädchens, auf die Verantwortlichkeit des zahnärztlichen<br />

Praxisbetreibers für eine adäquate Sicherheits-Infrastruktur<br />

bei ambulanten Operationen in Narkose eingegangen,<br />

„damit jeder Kollege seine eigenen Konsequenzen daraus<br />

ziehen kann“ [Hey 2<strong>01</strong>2]. Das AG Limburg fordert, dass<br />

zahnärztliche Interessensverbände „den vorliegenden Fall<br />

zum Anlass nähmen, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen,<br />

dass eine derartige Praxisorganisation keinesfalls den<br />

Sicherheitsinteressen der Patienten, die an oberster Stelle<br />

stehen müssen, entsprach“ [AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v.<br />

25.03.2<strong>01</strong>1].<br />

„Ich bin doch kein Arzt, sondern Zahnarzt!“ Praxisbetreiber<br />

Dr. Sp. wehrte sich energisch gegen den Vorwurf, er sei<br />

mitverantwortlich für den Tod eines Kindes im Aufwachraum<br />

seiner Praxis. Die dort fehlende Mindestausstattung an<br />

Personal und Messgeräten sei allein dem Anästhesisten<br />

anzulasten. Denn er selbst habe sich als Operateur nur um<br />

die Zahnbehandlung zu kümmern. Im Prozess vor dem<br />

Amtsgericht Limburg ging es um zwei Fragen. Einerseits<br />

war anhand der speziellen Umstände des Einzelfalles zu<br />

entscheiden, ob das leicht behinderte Kind bei fachgerechter<br />

Überwachung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“<br />

überlebt hätte (erstinstanzlich bejaht [AG Limburg<br />

a. d. Lahn: Urt. v. 25.03.2<strong>01</strong>1], nach Berufung Verfahrenseinstellung<br />

gegen hohe Geldauflagen [Wetzlarer Neue Zeitung<br />

2<strong>01</strong>2]). Andererseits ging es um eine Grundsatzfrage:<br />

Unter welchen Umständen darf ein Arzt auf die korrekte<br />

Arbeitsweise seines Kollegen vertrauen?<br />

Sachverhalt [AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v. 25.03.2<strong>01</strong>1]<br />

Der angeklagte Zahnarzt Dr. Sp. betreibt seit 1990 mit<br />

seinem Kollegen Dr. T. eine Zahnarztpraxis. Der ebenfalls<br />

angeklagte Anästhesist Dr. Sch. arbeitete von 1990 bis<br />

Ende 2009 etwa einmal pro Woche bei zahnärztlichen<br />

Behandlungen in Vollnarkose mit Dr. Sp. und Dr. T. in deren<br />

Praxisräumen zusammen. Ein schriftlicher Vertrag zwischen<br />

den Zahnärzten und Dr. Sch. existierte nie. Dr. Sch. stellte<br />

die notwendigen Geräte für die durchzuführenden Narkosen,<br />

die er eigens mit in die Praxis der Dres. Sp. und T. brachte.<br />

Einen gesonderten Aufwachraum mit adäquater apparativer<br />

Ausstattung gab es in der Praxis nicht. Nach der postnarkotischen<br />

Überwachung im Eingriffsraum wurde in aller<br />

Regel der behandelte Patient in einen „Ruheraum“ verbracht<br />

und dort einer Begleitperson (Eltern, Angehörige etc.) übergeben.<br />

Außer der Ehefrau des Dr. Sch., die häufig, jedoch<br />

nicht immer, an Narkosetagen dabei war, verfügte keine<br />

der bei Dr. Sp. angestellten Zahnarzthelferinnen über eine<br />

anästhesiologische Ausbildung. Es gab keinerlei Anweisungen<br />

von den Zahnärzten bzw. von Dr. Sch. an die Zahnarzthelferinnen,<br />

wie sie sich den Patienten gegenüber nach<br />

Verbringung in den Ruheraum zu verhalten hatten. Auch<br />

zwischen den Zahnärzten und dem Anästhesisten Dr. Sch.<br />

gab es bezüglich der Behandlung bzw. Überwachung<br />

von Patienten, die im Ruheraum abgelegt waren, keinerlei<br />

Absprachen. Dr. Sp. entscheidet, ob ein zahnärztlicher Eingriff<br />

in seiner Praxis in örtlicher Betäubung oder in Narkose<br />

stattfindet und erstellt die entsprechende Planung.<br />

Im Herbst 2007 verbrachte der Anästhesist Dr. Sch. die<br />

zehnjährige Celine K., die am Williams-Beuren-Syndrom<br />

(WBS) litt, bereits zehn Minuten nach dem Eingriff in noch<br />

tief schlafendem Zustand in den sog. „Ruheraum“, wo sie<br />

ohne personelle oder apparative Überwachung mit ihrer<br />

Mutter alleine war. Während die beiden Ärzte bereits die<br />

nächste Patientin unter Vollnarkose behandelten, erlitt<br />

Celine einen Atemstillstand und einen hypoxischen<br />

Gehirnschaden, in dessen Folge sie wenige Tage später<br />

verstarb.<br />

Das Amtsgericht Limburg a.d. Lahn verurteilte am 25.03.2<strong>01</strong>1<br />

den Anästhesisten Dr. Sch. zu einem Jahr und sechs Monaten<br />

sowie den Zahnarzt Dr. Sp. zu einem Jahr und drei<br />

Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen fahrlässiger<br />

Tötung gem. § 222 StGB. Nach Berufungshauptverhandlung<br />

wurde das Verfahren eingestellt gem. § 153a StPO gegen<br />

Geldauflagen von jeweils € 20.000,- für beide Angeklagten<br />

aufgrund Beweisunsicherheiten bei der Kausalität der<br />

Pflichtverletzungen.<br />

Aufgabenabgrenzung zwischen<br />

Zahnarzt und Anästhesist klar regeln<br />

[Neelmeier 2<strong>01</strong>1, Neelmeier 2<strong>01</strong>2 a]<br />

Jede Operation birgt Gefahren. Für deren Abwehr sind im<br />

Ausgangspunkt alle beteiligten Ärzte verantwortlich. Raum<br />

für Vertrauen sieht der Bundesgerichtshof (BGH) nur, wenn<br />

„es um Gefahren geht, die ausschließlich dem Aufgabenbereich<br />

eines der beteiligten Ärzte zugeordnet sind“. �<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

43<br />

F A C H L I C H E S


�<br />

Fotos: Privat<br />

Diese Zuordnung folgt keinem Automatismus nach Fachrichtungen,<br />

weswegen es unter diesem Blickwinkel keine<br />

„fachfremden“ Komplikationen gibt. Entscheidend ist stets<br />

die individuelle Aufgabenverteilung vor Ort. Subsidiär gelten<br />

die fachgesellschaftlichen Zuständigkeitsvereinbarungen,<br />

welche die meisten Fächer (nicht die Zahnmedizin)<br />

insbesondere mit der Anästhesie geschlossen haben. Die<br />

mitunter lange vor dem „Durchbruch“ des ambulanten<br />

Operierens getroffenen Regelungen lassen sich indes nicht<br />

pauschal von Krankenhäusern auf die Bedingungen in<br />

einer Arztpraxis übertragen. Die heute übliche Klinikorganisation<br />

mit zentraler Aufwacheinheit in der Verantwortung<br />

einer ganzen Anästhesieabteilung kann für ambulante<br />

Operationszentren wirtschaftlich sein. Praxisambulantes<br />

Operieren in den Räumen des Zahnarztes mit nur einem<br />

OP-Tisch verlangt jedoch flexiblere Strukturen. Deshalb<br />

konkretisieren jüngere fachgesellschaftliche Vereinbarungen<br />

und Standards ergebnisbezogen die Verpflichtung, dass der<br />

Patient „keinem höheren Risiko (auch im Zusammenhang<br />

mit der postoperativen Betreuung) ausgesetzt sein darf, als<br />

bei einer Behandlung unter stationären Bedingungen“. Insbesondere<br />

die gesondert vergütete Aufgabe postoperativer<br />

„lückenloser Überwachung“ bietet Umsetzungsspielräume.<br />

Sie kann entweder dem Anästhesisten oder dem Praxisbetreiber<br />

bzw. dessen speziell geschultem Personal („Fachpflegestandard“)<br />

übertragen werden. Dieses Organisationsrecht<br />

ist gleichzeitig eine Pflicht und gehört zur<br />

Führungsverantwortung des Praxisbetreibers in seiner<br />

Doppelfunktion als Arzt und Einrichtungsleiter. „Wie einem<br />

Klinikträger oblag es dem [Praxisbetreiber Dr. Sp.] gleichermaßen,<br />

die technisch-apparativen Einrichtungen und die<br />

erforderliche personelle Ausstattung für die postoperative<br />

und postnarkotische Überwachungsphase zu besorgen<br />

bzw. dafür Sorge zu tragen“ [AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v.<br />

25.03.2<strong>01</strong>1].<br />

Prof. Dr. Schulte-Sasse, Direktor der Klinik für<br />

Anästhesie und Operative Intensivmedizin i.R., Heilbronn<br />

info@medizinrecht-schulte-sasse.de.<br />

44 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Grenzen des Vertrauensgrundsatzes [Neelmeier 2<strong>01</strong>1;<br />

Neelmeier 2<strong>01</strong>2 a; Neelmeier, Schulte-Sasse 2<strong>01</strong>2 a]<br />

Vor deutschen Strafgerichten wurden bislang eher selten<br />

Praxisbetreiber im Zusammenhang mit anästhesiologischen<br />

Komplikationen angeklagt. Die Grenzen des sog.<br />

Vertrauensgrundsatzes werden von der Rechtsprechung<br />

aber enger gezogen als vielfach bekannt. Praxisbetreiber,<br />

gegen die wegen unzureichend organisierter Patientenüberwachung<br />

ermittelt wird, berufen sich in Gegenwart<br />

einer defizitären personellen oder apparativen Ausstattung<br />

ihrer Praxis üblicherweise auf den sogenannten Vertrauensgrundsatz,<br />

demzufolge sie sich auf die Aufgabenerfüllung<br />

und das überlegene Fachwissen des Anästhesisten<br />

hätten verlassen dürfen. Regelmäßig fehlt es jedoch an<br />

mindestens einer der zwei wichtigsten Voraussetzungen<br />

dieses Grundsatzes. Er basiert nämlich nicht etwa auf<br />

Wissensasymmetrie zwischen Zahnarzt und Anästhesist,<br />

sondern dem Prinzip der Arbeitsteilung. Entscheidend ist<br />

allein die klare Definition, Abgrenzung und Zuordnung von<br />

Aufgabenbereichen. Dies ist eine Kernaufgabe des Praxisbetreibers<br />

als Einrichtungsleiter, auch im Fall einer zusätzlich<br />

ausgeübten „Doppelfunktion“ als Operateur. Kommt er<br />

dieser Aufgabe nicht nach, kann er auch nicht auf die<br />

„arbeitsteilige“ Bewältigung hieraus resultierender Risiken<br />

durch den Anästhesisten vertrauen.<br />

Bereits 20<strong>01</strong> hatte das AG Langenfeld [Rechtskräftiger<br />

Strafbefehl vom 17. August 20<strong>01</strong>] ähnlich wie das Limburger<br />

Gericht entschieden und 2005 stellte das LG Augsburg<br />

[Rechtskräftiges Urteil vom 17.03.2005] fest: „Für die Organisation<br />

der postoperativen Überwachung, das Vorhandensein<br />

geeigneten Fachpersonals und der erforderlichen<br />

Geräte ist der Angeklagte als Betreiber der Praxis verantwortlich.“<br />

Der zahnmedizinische Praktiker ist nach dieser<br />

Rechtsprechung im Ausgangspunkt selbst verantwortlich<br />

für eine sichere Organisation und Ausstattung seiner Praxis.<br />

Dies betrifft auch den Arbeitsbereich des hinzugezogenen<br />

Anästhesisten. Zwar verlangt die Rechtsprechung von Praxisbetreibern<br />

keine minutiöse Überwachung ihrer Narkose-<br />

Kollegen. Allerdings müssen Zahnärzte ebenfalls auf die<br />

strikte Einhaltung der personellen und apparativen Sicherheitsstandards<br />

in ihrer Praxis achten. Dazu gehört insbesondere<br />

anästhesiologisch qualifiziertes Pflegepersonal<br />

während und nach der Narkose, um die Überwachung<br />

und Notfallversorgung der Patienten sicherzustellen, wie<br />

das LG Halle kürzlich im Zusammenhang mit dem Tod<br />

eines Kindes nach Operation in einer Zahnarztpraxis noch<br />

einmal betonte [LG Halle, Urteil vom 17.11.2<strong>01</strong>0]: Narkosen<br />

sind vom Anästhesisten „nicht allein, sondern stets mit<br />

qualifiziertem Pflegepersonal durchzuführen. Dadurch wird<br />

generell eine bessere Überwachung des Patienten und für<br />

den Fall, dass es zu Komplikationen kommt, eine bessere<br />

Notfallversorgung erreicht.“ Anästhesiologisch geschultes


Tim Neelmeier, Rechtsanwalt, LL.B. (Bucerius), Hamburg;<br />

Doktorand am Strafrechtslehrstuhl von Prof. Dr. Hans Kudlich,<br />

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.<br />

Assistenzpersonal ist nicht nur bei der Narkoseeinleitung<br />

und während des Eingriffs essentiell. Seine „ununterbrochene“<br />

Anwesenheit ist eine conditio sine qua non bei der Überwachung<br />

nach dem Eingriff. Die erforderliche apparative<br />

Ausstattung ist genau spezifiziert.<br />

Das Limburger Gericht ordnet den Praxisbetreibern die<br />

gleiche Organisationsverantwortung „wie einem Klinikträger“<br />

zu. Die verhängten Freiheitsstrafen begründet es nicht zuletzt<br />

mit dem Hinweis, dass die seit Jahren unzureichende<br />

Patientenüberwachung in der Zahnarztpraxis kein menschliches<br />

Augenblicksversagen darstellte, sondern vielmehr<br />

die wirtschaftlichen Interessen der Ärzte im Vordergrund<br />

standen. Ungeklärt blieb die Frage nach der Verantwortung<br />

des Praxismitinhabers, der die defizitären Strukturen in der<br />

Praxis gekannt und mitgestaltet hat.<br />

Wichtiger aber noch ist die zweite Voraussetzung des<br />

Vertrauensgrundsatzes. Ist die arbeitsteilige Behandlung<br />

präzise organisiert, besteht zwar keine minutiöse wechselseitige<br />

Überwachungspflicht. Der Praxisbetreiber und alle<br />

anderen beteiligten Ärzte bleiben aber „sekundär verkehrssicherungspflichtig“<br />

[BGH: Urt. v. 13.11.2008]. Der BGH stellt<br />

klar: „Kein Arzt, der es besser weiß, darf sehenden Auges<br />

eine Gefährdung seines Patienten hinnehmen, wenn ein<br />

anderer Arzt seiner Ansicht nach etwas falsch gemacht hat<br />

oder er jedenfalls den dringenden Verdacht haben muss,<br />

es könne ein Fehler vorgekommen sein. Das gebietet der<br />

Schutz des dem Arzt anvertrauten Patienten“ [BGH: Urt. v.<br />

08.11.1988]. Berechtigtes Vertrauen im Rahmen arbeitsteiligen<br />

Zusammenwirkens findet dort seine Grenze, wo<br />

„ernsthafte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Vorarbeiten<br />

des Kollegen erkennbar sind“ [BGH: Urt. v. 19.11.1997].<br />

Der BGH gibt einen strengen Prüfungsmaßstab vor: „Die<br />

Anforderungen an die Geltung des Vertrauensschutzes sind<br />

um so höher, je größer das Risiko eines Behandlungsfehlers<br />

und die daraus resultierende Gefährdung des Patienten<br />

ist.“ Es bedarf „keiner besonderen medizinischen Kenntnisse“<br />

[AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v. 25.03.2<strong>01</strong>1], um zu<br />

wissen, dass „für den chirurgischen Patienten zu keiner<br />

Zeit seines Klinikaufenthalts die Gefahr der Hypoxie so<br />

groß ist wie in der unmittelbaren postoperativen Phase“<br />

[OLG Düsseldorf: Urt. v. 30.12.1985].<br />

Statt „ernsthafter Zweifel“ muss sich dem Zahnarzt sogar<br />

die völlige Gewissheit fehlerhafter Narkoseführung durch<br />

den Anästhesisten aufdrängen, wenn er im Eingriffsraum<br />

keine anästhesiologische Assistenzkraft samt erforderlicher<br />

Überwachungsgeräte wahrnimmt und/oder er mit dem<br />

gleichen Anästhesisten unmittelbar zum nächsten Eingriff<br />

übergeht, ohne dass eine dann erforderliche zweite (!)<br />

Fachpflegekraft für die ununterbrochene postoperative<br />

Überwachung im Aufwachraum eingeteilt worden ist. Fehlt<br />

es an berechtigtem Vertrauen, handelt neben dem Anästhesisten<br />

auch der Praxisbetreiber pflichtwidrig.<br />

Beabsichtigte Unterschreitung von Überwachungsstandards<br />

kann Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung<br />

begründen [Neelmeier 2<strong>01</strong>2 a, Neelmeier 2<strong>01</strong>2 b,<br />

Neelmeier, Schulte-Sasse 2<strong>01</strong>2 a]<br />

Trotz präziser Aufgabenzuordnung endet berechtigtes<br />

Vertrauen dort, wo „ernsthafte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit<br />

der Vorarbeiten des Kollegen erkennbar sind.“<br />

Das fehlende Überwachungspersonal war auch für den<br />

zahnärztlichen Praxisbetreiber Dr. Sp. offensichtlich, so<br />

dass er den Operationstag nicht wie geplant beginnen<br />

durfte. Die Eltern des Kindes hatten auch keine „weitergehende<br />

Aufklärung“ erhalten über die beabsichtigte Unterschreitung<br />

von Überwachungsstandards.<br />

Jenseits der üblichen Risikoaufklärung besteht eine Pflicht<br />

zur „weitergehenden Aufklärung“ der Patienten über jede<br />

beabsichtigte Abweichung von der lex artis. Dies betrifft<br />

neben der Anwendung von Außenseitermethoden sowie<br />

Behandlungen ohne medizinische Indikation insbesondere<br />

Unterschreitungen des Facharztstandards bei der personellen<br />

und apparativen Infrastruktur. Eingriffe beispielsweise ohne<br />

Anästhesist, Fachpflegepersonal oder vorschriftsgemäße<br />

Medizingeräte sind demnach von Anfang an rechtswidrig<br />

mangels wirksamer Einwilligung. Kennt der Arzt die hieraus<br />

resultierenden Gefahren für den Patienten und setzt er sich<br />

dennoch über die anerkannten Regeln der Heilkunst wissentlich<br />

hinweg, so begeht er eine vorsätzliche einfache<br />

(§ 223 StGB) oder gefährliche (§ 224 StGB) Körperverletzung<br />

bereits mit dem Versetzen in Narkose, mit dem Beginn des<br />

operativen Eingriffes. Diese Straftatbestände werden „schnell“<br />

zum Verbrechen (§ 227 StGB), wenn noch eine risikotypische,<br />

fahrlässig verursachte Todesfolge hinzutritt. �<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

45<br />

F A C H L I C H E S


�<br />

Wettbewerbsnachteile für diejenigen Anbieter, welche<br />

die Personalmehrkosten schultern [Neelmeier, Schulte-<br />

Sasse 2<strong>01</strong>2 a; Neelmeier, Schulte-Sasse 2<strong>01</strong>2 b]<br />

Im Internet hatte der Zahnarzt Dr. Sp., zusammen mit seinem<br />

Kollegen, „für seine zahnärztlichen Behandlungen in<br />

Narkose für geistig behinderte Patienten, damit geworben,<br />

dass diese Eingriffe unter einem dem Krankenhaus angepassten<br />

hohen personellen und operativen Sicherheits- und<br />

Qualitätsstandard durchgeführt werden.“ Das AG Limburg<br />

hierzu: „Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann<br />

von einem solchen Standard keine Rede sein; das Gegenteil<br />

ist bewiesen.“ „Gemessen an den tatsächlichen Bedingungen,<br />

unter denen die vollnarkotischen Eingriffe in der Praxis des<br />

Angeklagten Dr. Sp. erfolgten, kann die vorstehend dargestellte<br />

Werbung mit „klinischen Standards“ nur als grob<br />

irreführend bezeichnet werden […]. Es unterliegt für das<br />

Schöffengericht keinem Zweifel, dass der Angeklagte Dr.<br />

Sp. seinen in dem Internet- Auftritt gewählten Worten grob<br />

pflichtwidrig zuwider gehandelt hat, indem er unter den<br />

genannten Organisationsstrukturen einen Eingriff unter<br />

Vollnarkose vornahm, der gerade nicht auf „Klinikniveau“<br />

stattfand“ [AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v. 25.03.2<strong>01</strong>1].<br />

Es mangelt in Deutschland gegenwärtig an einem praktisch<br />

wirksamen, kontrollierenden Abgleich zwischen den<br />

Werbeauftritten von Gesundheitseinrichtungen und der<br />

dort tatsächlich gegebenen Infrastruktur. So können<br />

„schwarze Schafe“ unter den Leistungserbringern anästhesiologische<br />

Versorgungsstandards relativieren oder unterwandern,<br />

ohne dass die Patienten dies bei ihrer Auswahlentscheidung<br />

bemerken. Auf diese Weise drohen nicht nur<br />

Patientenschädigungen, sondern auch erhebliche Wettbewerbsnachteile<br />

für diejenigen Anbieter, welche die Personalmehrkosten<br />

schultern und sich damit in die Gefahr einer<br />

„adversen Marktselektion“ begeben. Schließlich müssen<br />

sie sich in einem von der Politik gezielt geschaffenen<br />

„Verdrängungswettbewerb unter den Leistungserbringern“<br />

behaupten und sind dabei auf den „Haftungsrichter<br />

zunehmend als Bundesgenossen“ angewiesen. Nur wenn<br />

die Justiz das wirtschaftlich motivierte Führungsverhalten in<br />

Gesundheitseinrichtungen konsequent in den Blick nimmt<br />

[Kudlich, Schulte-Sasse 2<strong>01</strong>1], kann sie auf eine flächendeckende<br />

Umsetzung kostenintensiver Sicherheitsstandards<br />

hoffen.<br />

Fazit für die Praxis<br />

Verwirklichen sich vorhersehbare Gefahren, für deren<br />

Abwehr keine klare Zuständigkeit bestand, haften alle<br />

beteiligten Ärzte (sowie der Klinikträger bzw. die Einrichtungsleitung<br />

[Fischer 2<strong>01</strong>2]). Angesichts der Vielfalt praktizierter<br />

Organisationsformen sind im ambulanten Bereich<br />

46 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

präzise Absprachen vor Ort unerlässlich. Ernsthafte Zweifel<br />

am fachgerechten Vorgehen eines Kollegen verpflichten<br />

jeden Arzt, Gesundheitsgefahren vom Patienten abzuhalten.<br />

Der Regierungsentwurf eines „Patientenrechtegesetzes“<br />

[Neelmeier 2<strong>01</strong>2 c] sieht sogar vor, dass Behandlungsfehler<br />

(eigene und solche von Kollegen) dem Patienten zu melden<br />

sind. �<br />

Literaturverzeichnis auf der Web-Site von Prof. Schulte-Sasse<br />

http://medizinrecht-schultesasse.de/bibliothek/ und auf<br />

www.daz-web.de, Menüpunkt Lesetipps<br />

— Prof. Dr. Uwe Schulte-Sasse<br />

Tim Neelmeier<br />

Quelle: „Forum für Zahnheilkunde“,<br />

Ausgabe 13 – Dezember 2<strong>01</strong>2, S. 9-11<br />

WEITERFÜHRENDE LINKS<br />

Personelle und apparative<br />

Mindestausstattung eines<br />

Anästhesiearbeitsplatzes in<br />

der Zahnarztpraxis:<br />

http://www.dgai.de/aktuelles/<br />

Anaesthesie-Arbeitsplatz_<br />

Version5_1_22.11.2<strong>01</strong>2.pdf<br />

Personelle und apparative<br />

Mindestausstattung eines<br />

Aufwachraumes in der<br />

Zahnarztpraxis:<br />

http://www.dgai.de/eev/EEV_<br />

2<strong>01</strong>1_S_115-120.pdf<br />

Qualifikation des anästhesiologischen<br />

Hilfspersonals<br />

im OP und im Aufwachraum<br />

(„Fachpflegestandard“):<br />

http://www.dgai.de/eev/EEV_<br />

2<strong>01</strong>1_S_61-64.pdf<br />

Aktueller Artikel von Tanja<br />

Wolf auf Spiegel Online<br />

(23.11.2<strong>01</strong>2): „Ambulantes<br />

Operieren. Lebensgefahr in<br />

der Arztpraxis“<br />

http://www.spiegel.de/<br />

wissenschaft/medizin/<br />

narkose-bei-ambulanter-opeineunbedachte-gefahr-a-<br />

864138.html


KOMPETENT • ZEITNAH • VERLÄSSLICH • NIEDERSACHSENWEIT<br />

Die Servicehotline der KZVN für<br />

Abrechnungsfragen informiert<br />

Wir sind für Sie da!<br />

Montag bis Donnerstag: 8:00 bis 17:00 Uhr<br />

Freitag: 8:00 bis 15:00 Uhr<br />

Telefon 0511 8405-390 oder<br />

Fax 0511 837267<br />

E-Mail: hotline-abrechnung@kzvn.de<br />

Sie fragen – wir antworten<br />

Neues Jahr – Neue Preise<br />

für Verbrauchsmaterial?<br />

Auch in Zeiten der papierlosen Abrechnung<br />

für Zahnersatzleistungen kommt es häufig<br />

zu Fragen und/ oder Problemen bei der Abrechnung von<br />

Verbrauchsmaterialien.<br />

Was darf in diesem Zusammenhang abgerechnet werden?<br />

In welcher Höhe? Und wie berechne ich meinen „tatsächlichen<br />

Verbrauch“?<br />

Mit den nachfolgenden Informationen wollen wir Ihnen<br />

diese und weitere Fragen beantworten.<br />

Mindestens halbjährlich sollten die angesetzten Preise für<br />

das ZE- Verbrauchsmaterial (Abdruckmaterial, prov. Kronen,<br />

Radix-Anker usw.) in der Zahnarztpraxis überprüft werden,<br />

da sich die Preise für Verbrauchsmaterial ständig än dern.<br />

Für die korrekte Berechnung der Preise von Verbrauchsmaterialien<br />

ist nicht der Katalogpreis des Dentalhandels, sondern<br />

der Rechnungspreis der letzten Lieferung zu Grunde zu<br />

legen.<br />

Damit diese notwendige Arbeit nicht in Vergessenheit<br />

gerät, ist es sinnvoll, die Überprüfung gleich zu Anfang des<br />

Jahres vorzunehmen. Die vertraglichen Bestimmungen für<br />

die Abrechnung von Materialkosten für Abformmaterialien<br />

und provisorische Kronen und Brücken gelten weiter wie<br />

bisher: Danach können sowohl im Primär- als auch Ersatzkassenbereich<br />

die Materialkosten für Abform material, für<br />

provisorische Kronen und Brückenglieder in der dem Zahnarzt<br />

tatsächlich entstan denen Höhe berechnet werden.<br />

Die geltenden gesamtvertraglichen Regelungen verpflichten<br />

den Zahnarzt, diese Materialien unter Berücksichtigung<br />

des Wirtschaftlichkeitsgebotes einzusetzen. Bei gleich- und<br />

andersartigem Zahnersatz sind die im Zusammenhang mit<br />

der Regelversorgung anfallenden Materialkosten ebenfalls<br />

auf dieser Grundlage zu berechnen. Die Berechnung von<br />

Pauschalpreisen im Zahnersatzbereich ist unzulässig.<br />

Jeder Zahnarzt ist somit verpflichtet, die von ihm verwendeten<br />

Materialien genau zu berechnen und sie gegenüber<br />

dem Patienten auszuweisen.<br />

Um Ihnen eine Hilfestellung bei der Überprüfung Ihrer Verbrauchsmaterialpreise<br />

zu geben, haben wir entsprechende<br />

Berechnungstabellen erstellt, die wir Ihnen auf unserer<br />

Internetseite unter<br />

https://www.kzvn.de/zahnaerzte/abrechnungshinweise/<br />

hinweise/zahnersatz.html<br />

gern zur Verfügung stellen (s. Abb.) �<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

47<br />

F A C H L I C H E S


MATERIALKOSTENERMITTLUNG: ALGINAT<br />

�<br />

Sie müssen im Internet nur noch den tatsächlich gezahlten<br />

Preis und die Menge eingeben und schon erhalten Sie den<br />

ermittelten Preis für drei unterschiedlich große Abformungen<br />

z. B. für einen Alginatabdruck. Für Silikon (fest und flüssig),<br />

Polyether und für Kunststoffmaterial für prov. Kronen gibt<br />

es ebenfalls fertige Berechnungstabellen.<br />

Bitte beachten Sie unbedingt die folgenden Hinweise:<br />

�Befestigungszemente und Retraktionsfäden sind nicht<br />

als Materialkosten abrechenbar. Diese Kosten sind<br />

bereits mit dem Punktwert abgegolten.<br />

�Bei einer Doppelmischabformung können zusätzlich<br />

notwendige Einmalartikel wie Mischkanülen und<br />

Intraoraltips berechnet werden. Diese werden aber<br />

nicht gesondert ausgewiesen, sondern werden in den<br />

Preis für den entsprechenden Abdruck eingerechnet<br />

(s. entsprechende Excel-Tabelle).<br />

�Ausgehandelte Rabatte muss der Zahnarzt an die<br />

Krankenkasse, bzw. an den Patienten weitergeben.<br />

�Die verwendeten Materialmengen in Gramm und Milliliter<br />

müssen immer praxisindividuell ermittelt werden.<br />

�Auf dem Eigenbeleg ist der Name des verwendeten<br />

Materials mit Grammanzahl bzw. Milliliterangabe und<br />

Eurobetrag anzugeben. Die alleinige Angabe „Alginat“<br />

oder „Polyether“ reicht nicht aus.<br />

48 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Musterberechnung<br />

(Euro)<br />

Material (Handelsname) Alginat XYZ<br />

Packungsinhalt (Gramm) 450<br />

Einkaufspreis 25,30 €<br />

Vorratsdose/Dosierbesteck 7,50 €<br />

Einkaufspreis Material 17,80 €<br />

zzgl. Mehrwertsteuer 19 % 3,38 €<br />

Bruttopreis 21,18 €<br />

Grammpreis 0,05 €<br />

Abformung mit 25 Gramm 1,25 €<br />

Abformung mit 35 Gramm 1,75 €<br />

Abformung mit 40 Gramm 2,00 €<br />

Beispieltabelle.<br />

Für Ihre Praxis zu ermittelnder<br />

Materialpreis<br />

�Der Preis für Verbrauchsmaterial ist immer einschließlich<br />

Mehrwertsteuer anzugeben.<br />

�Wenn Sie Ihre Preise ermittelt haben, lassen Sie die<br />

entsprechende Tabelle mit der Berechnung ausdrucken<br />

und archivieren Sie diese. Der Ausdruck beinhaltet das<br />

Erstellungsdatum, so können Sie nachvollziehen, ob Ihre<br />

Preise noch aktuell sind.<br />

�Bei Nachfragen auf Grund von rechnerischen Berichtigungen,<br />

sollten Sie Ihre individuelle Berechnung vorlegen,<br />

damit Sie Ihren Rechnungsanspruch gegenüber der<br />

Krankenkasse aufrechterhalten können.<br />

Sollten Sie trotz der Berechnungstabellen noch Fragen<br />

zur korrekten Berechnungsweise für Verbrauchsmaterialien<br />

haben, helfen Ihnen die Mitarbeiterinnen der Servicehotline<br />

gern weiter. �<br />

— Monika Popp, Gruppenleiterin Bereich ZE der KZVN<br />

Dr. Henning Otte, Vorstandsreferent der KZVN<br />

Abrechnung/Prüfung


Aktuelles aus der Rechtsprechung<br />

Aktuelle Urteile…<br />

…AUS DEM ARBEITSRECHT<br />

Auch während des Verfahrens nicht<br />

auf die faule Haut legen<br />

Dauert der Streit zwischen einem Arbeitgeber und einem<br />

Beschäftigten über eine Kündigung an, so kann der Arbeitgeber<br />

seinem gekündigten Mitarbeiter ein so genanntes<br />

Prozessarbeitsverhältnis anbieten – um etwaige später zu<br />

zahlende „Verzugslohnansprüche“ zu mindern. Dabei beschäftigt<br />

er den Mitarbeiter auf Grundlage des bisherigen<br />

Arbeitsvertrages über die Kündigungsfrist hinaus – wobei<br />

zu beachten ist, dass der „neue“ Arbeitsplatz nicht „unzumutbar“<br />

sein darf. In einem Fall vor dem Bundesarbeitsgericht<br />

war ein Hausmeister überwiegend im Innenbereich<br />

tätig. Im Rahmen des Prozessarbeitsverhältnisses wurde<br />

ihm angeboten, in der Wohnumfeldpflege, also im Außenbereich<br />

eingesetzt zu werden. Das lehnte er als unzumutbar<br />

ab - und blieb zu Hause. Als er den Prozess schließlich<br />

gewann, musste er sich aber so stellen lassen, als habe er<br />

in der Zwischenzeit das „Prozessarbeitsverhältnis“ ausgeführt<br />

– mit der Folge, dass er sich die darin „fiktiv“ erzielte Vergütung<br />

von den Verzugslohnansprüchen abziehen lassen<br />

musste. Das Gericht stellte fest, dass die angebotene<br />

Beschäftigung zumutbar gewesen ist. (BAG, 5 AZR 564/10)<br />

Der Weg zur Arbeit ist nicht „betrieblich veranlasst“,<br />

deshalb...<br />

Legt ein Arbeitnehmer (hier: ausnahmsweise) seinen Weg<br />

von der Wohnung in den Betrieb mit einem Firmenfahrzeug<br />

zurück, so handelt es sich deshalb nicht um eine „betrieblich<br />

veranlasste” Fahrt. Passiert dem Mitarbeiter auf dieser<br />

Fahrt ein selbstverschuldeter Unfall, der von der Vollkaskoversicherung<br />

seines Arbeitgebers gedeckt wird, so hat er<br />

seinem Chef den Rückstufungsschaden zu ersetzen.<br />

Begründung des Gerichts: Hätte der Arbeitnehmer seinen<br />

eigenen Pkw benutzt, so hätte er den ihm entstandenen<br />

Schaden einer Rückstufung bei der Vollkaskoversicherung<br />

auch selbst zu tragen gehabt.<br />

(LAG Rheinland-Pfalz, 5 Sa 46/07)<br />

© Sandor Jackal / Fotolia.com<br />

…AUS DEM STEUERRECHT<br />

Eine Arbeitsecke ist kein Arbeitszimmer<br />

Ein selbständiger Architekt hatte in seiner Wohnung neben<br />

einem separaten Arbeitszimmer noch einen weiteren Arbeitsbereich<br />

eingerichtet. Dieser befand sich im Wohnzimmer,<br />

war mit Computer und Schreibtisch ausgestattet und durch<br />

ein ein Meter hohes Sideboard abgetrennt. Als er seine<br />

„Arbeitsecke“ steuermindernd geltend machen wollte,<br />

lehnte das Finanzamt die Anerkennung ab. Das Finanzgericht<br />

Düsseldorf bestätigte das, da der Arbeitsbereich nicht<br />

die Kriterien für ein Arbeitszimmer erfülle. So handele es<br />

sich einerseits nicht um eine raumbezogene Einheit,<br />

andererseits könne durch die gemischte Nutzung keine<br />

klare Trennung der Kosten zwischen privater und beruflicher<br />

Nutzung vorgenommen werden. Die optische Trennung<br />

zwischen Privatem und Dienstlichem reiche dafür nicht aus.<br />

(FG Düsseldorf, 7 K 87/11)<br />

Die „zumutbare Eigenbelastung“ ist<br />

nicht verfassungswidrig<br />

Ein Steuerpflichtiger hatte in seiner Steuererklärung für<br />

ein Jahr rund 1.250 Euro an Krankheitskosten als außergewöhnliche<br />

Belastung geltend gemacht. Zwar sah das<br />

Finanzamt die Aufwendungen dem Grunde nach als<br />

abzugsfähig an. Wegen der zumutbaren Belastung in<br />

Höhe von 2.340 Euro (berechnet aus 6 % von 39.000 €<br />

Gesamteinkünften des Mannes) wurden die Kosten jedoch<br />

nicht berücksichtigt. Das Gericht billigte das Vorgehen der<br />

Behörde, da Krankheitskosten nicht generell ohne Einbeziehung<br />

einer zumutbaren Belastung abgezogen werden<br />

müssten. Eine existenzielle Betroffenheit sei angesichts der<br />

Höhe der Einkünfte auch nicht zu erkennen, da dem Steuerpflichtigen<br />

ein Einkommen verbleibe, das deutlich über<br />

dem Regelsatz für das Existenzminimum liege.<br />

(FG Rheinland-Pfalz, 4 K 1970/10)<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

49<br />

F A C H L I C H E S


Persönliches<br />

FÜNF JAHRZEHNTE GELEBT, EIN VIERTEL<br />

DAVON FÜR DIE KOLLEGENSCHAFT:<br />

Herzlichen Glückwunsch<br />

zum halben Jahrhundert<br />

Schon seinen Geburtstag plante Christian<br />

Neubarth offensichtlich vorausschauend:<br />

einen Tag vor Silvester. So konnte der Tag für wichtigere<br />

Dinge genutzt werden, für Feiern konnte er sich schon<br />

damals nicht begeistern.<br />

Zusammen mit seinem jüngeren Bruder wuchs er sowohl<br />

in München als auch in Augsburg auf und erlangte auf<br />

einem bayerischen Internat 1982 sein Abitur.<br />

Zahnarzt wollte er werden, schon etwas Anderes als sein<br />

Vater, der Arzt war, aber doch etwas Ähnliches. Kollege<br />

Neubarth studierte dann als einer von vielen Bayern bei<br />

uns „Preußen“ in Göttingen, approbierte dort im Wintersemester<br />

1989 und arbeitete anschließend als Assistenzzahnarzt<br />

in der Zahnklinik der Uni Göttingen.<br />

Während seiner Göttinger Zeit lernte er dann auch seine<br />

damalige Kommilitonin und spätere Frau kennen, mit der<br />

er gemeinsam zwei Kinder schon recht groß gezogen hat.<br />

Nachdem Christian Neubarth in Göttingen ausreichend<br />

Berufserfahrung gesammelt hatte, ließ er sich im Landkreis<br />

Hildesheim in Gemeinschaftspraxis fernab seiner bayerischen<br />

Heimat nieder.<br />

Schon kurz nach seiner Niederlassung begann sein<br />

berufspolitisches Engagement für die Kollegenschaft.<br />

Als Gründungsmitglied der Hildesheimer Initiative für Zahngesundheit<br />

(HIZ) blieb er nah an den Bedürfnissen der Kollegenschaft<br />

vor Ort und optimierte seinen berufspolitischen<br />

Hintergrund durch einen berufsbegleitenden Postgraduiertenstudiengang<br />

an der AS-Akademie für Zahnärztliche Selbstverwaltung<br />

mit dem Abschluss Manager of Health Care<br />

50 P E R S Ö N L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Foto: <strong>NZB</strong>-Archiv<br />

Systems. So wundert es auch nicht, dass er sehr schnell<br />

als Mitglied der Zahnärzte für Niedersachsen (ZfN) von der<br />

Kollegenschaft 20<strong>01</strong> in die Vertreterversammlung und zum<br />

Vorsitzendenden der Verwaltungsstelle Hildesheim der KZVN<br />

gewählt wurde. Über seine ehrenamtlichen Tätigkeiten in<br />

Ausschüssen der KZVN und durch sein weiterhin berufspolitisches<br />

Engagement im Hildesheimer Raum erwarb er<br />

sich das Vertrauen der Kollegenschaft und das seiner<br />

berufspolitischen Freunde bei ZfN. 2004 und 2<strong>01</strong>0 wurde<br />

er dann – getragen durch dieses Vertrauen – in den Vorstand<br />

der KZVN gewählt, wo er sich seit der Zeit an vorderster<br />

Stelle in der zahnärztlichen Selbstverwaltung für die Belange<br />

der Kollegenschaft einsetzt.<br />

Zum Feiern nimmt sich Kollege Neubarth selten Zeit. Seine<br />

Familie, ohne deren Unterstützung sein Engagement nicht<br />

möglich wäre, musste in der Vergangenheit oft auf ihn verzichten.<br />

Als Hildesheimer Kollege, berufspolitischer Wegbegleiter<br />

und Freund gratuliere ich Dir, Christian, ganz herzlich zum<br />

ersten halben Jahrhundert Lebensjahre. Für die Zukunft<br />

wünsche ich Dir weiterhin so viel Schaffenskraft und<br />

Kreativität wie in der Vergangenheit, stets mit Fokus auf<br />

das Wohl der Kollegenschaft, allerdings nicht, ohne aber<br />

bitte das eigene Wohl und das Deiner Familie zu sehr zu<br />

vernachlässigen. Ad multos annos! �<br />

— Lutz Riefenstahl, Gronau


Persönliches<br />

2 x 20 Jahre Zusammenarbeit…<br />

…und wir freuen uns auf weitere!<br />

Liebe Tina, liebe Ingrid,<br />

mit großer Freude und mit Stolz möchten wir Euch zum<br />

20jährigen Praxisjubiläum gratulieren und uns für Euer<br />

großes Engagement bedanken.<br />

Du, liebe Tina, bist als Verwaltungschefin das Rückgrat der<br />

Praxis und sorgst mit großer Genauigkeit, Zuverlässigkeit,<br />

umfassendem Wissen, Durchsetzungsvermögen und<br />

perfekter Organisation für den reibungslosen Ablauf des<br />

Praxisgeschehens.<br />

Dein hohes Verantwortungsbewusstsein und Deine<br />

Führungsqualitäten führen dazu, dass wir uns stets zu<br />

100 Prozent auf Dich verlassen können.<br />

Du, liebe Ingrid, bist die sanfte und gute Seele der Praxis,<br />

Unser<br />

Service für Sie:<br />

Ein kostenloser<br />

Informations-<br />

Termin<br />

die mit viel Feingefühl, Geduld, Humor und fundiertem,<br />

fachlichem Wissen die Patienten durch den Beratungsmarathon<br />

leitet und die Prophylaxe zelebriert.<br />

Du findest stets die optimale Lösung für alle Herausforderungen<br />

und bist immer mit Herzen dabei.<br />

Besonders erfreut uns jedoch unser wunderbares Praxisklima,<br />

zu dem Ihr beide in besonderer Weise tagtäglich<br />

beizutragen vermögt.<br />

Eure gute Laune und Euer herzhaftes Lachen zusammen<br />

mit dem Rest der „Clique“ machen unseren Arbeitsalltag<br />

stets spannend, fröhlich und abwechslungsreich.<br />

Wir wünschen uns noch viele schöne Jahre guter Zusammenarbeit<br />

mit Euch und für Euch persönlich „Glück, Weisheit<br />

und Wohlergehen“. � Dr. Ullrich Richter und Team, Cuxhaven<br />

Wir arbeiten für Ihren Erfolg:<br />

Lösungsorientiert, fachbezogen<br />

und verständlich!<br />

In 17 Niederlassungen<br />

für Sie da<br />

BUST Hauptniederlassung Hannover:<br />

Seelhorststraße 9, 3<strong>01</strong>75 Hannover<br />

Telefon: 0511 280 70 - 42<br />

E-Mail: hannover@BUST.de www.BUST.de<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P E R S Ö N L I C H E S<br />

Foto: Privat<br />

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51<br />

P E R S Ö N L I C H E S


Niederlassungshinweise<br />

AUSZUG AUS DER ZULASSUNGS VERORDNUNG<br />

FÜR VERTRAGSZAHNÄRZTE (ZV-Z)<br />

§ 18<br />

(1) Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. In dem<br />

Antrag ist anzugeben, für welchen Vertragszahnarztsitz<br />

und gegebenenfalls unter welcher Gebietsbezeichnung<br />

die Zulassung beantragt wird. Dem Antrag sind<br />

beizufügen<br />

a) Ein Auszug aus dem Zahnarztregister, aus dem der<br />

Tag der Approbation, der Tag der Eintragung in das<br />

Zahnarztregister und gegebenenfalls der Tag der<br />

Anerkennung des Rechts zum Führen einer bestimmten<br />

Gebietsbezeichnung hervorgehen müssen,<br />

b) Bescheinigungen über die seit der Approbation<br />

ausgeübten zahnärztlichen Tätigkeiten,<br />

c) gegebenenfalls eine Erklärung nach § 19 a Abs. 2<br />

Satz 1, mit der der aus der Zulassung folgende<br />

Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränkt wird.<br />

(2) Ferner sind beizufügen<br />

a) ein Lebenslauf,<br />

b) ein polizeiliches Führungszeugnis,<br />

c) Bescheinigungen der Kassenzahnärztlichen<br />

Vereinigungen, in deren Bereich der Zahnarzt bisher<br />

niedergelassen oder zur Kassenpraxis zugelassen<br />

war, aus denen sich Ort und Dauer der bisherigen<br />

Niederlassung oder Zulassung und der Grund<br />

einer etwaigen Beendigung ergeben,<br />

d) eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung<br />

bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse<br />

unter Angabe des frühestmöglichen Endes des<br />

Beschäftigungsverhältnisses,<br />

e) eine Erklärung des Zahnarztes, ob er rauschgiftsüchtig<br />

ist oder innerhalb der letzten fünf Jahre gewesen<br />

ist, ob er sich innerhalb der letzten fünf Jahre einer<br />

Entziehungskur wegen Trunksucht oder Rauschgiftsucht<br />

unterzogen hat und dass gesetzliche Hinderungsgründe<br />

der Ausübung des zahnärztlichen Berufs<br />

nicht entgegenstehen.<br />

(3) An Stelle von Urschriften können amtlich beglaubigte<br />

Abschriften beigefügt werden.<br />

(4) Können die in Absatz 1 Buchstabe b und in Absatz<br />

2 Buchstabe c bezeichneten Unterlagen nicht vorgelegt<br />

werden, so ist der nachzuweisende Sachverhalt<br />

glaubhaft zu machen.<br />

52 K Z V N | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />

Kolleginnen und Kollegen, die sich in Niedersachsen<br />

niederlassen möchten, wenden sich bitte an die<br />

Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen,<br />

Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses Niedersachsen,<br />

Zeißstraße 11, 30519 Hannover,<br />

Tel. 0511 8405-323/361, E-Mail: info@kzvn.de.<br />

Antragsformulare können entweder bei der Geschäftsstelle<br />

des Zulassungsausschusses Niedersachsen angefordert<br />

oder unter www.kzvn.de als PDF-Dokument heruntergeladen<br />

werden.<br />

Bitte achten Sie darauf, bei der Einreichung der Anträge zur<br />

vertragszahnärztlichen Tätigkeit sämtliche in § 18 Zulassungsverordnung<br />

für Vertragszahnärzte (ZV-Z) aufgeführten Unterlagen<br />

beizufügen.<br />

GEMEINSAME AUSÜBUNG DER<br />

VERTRAGSZAHNÄRZTLICHEN TÄTIGKEIT<br />

(Bildung einer Berufsausübungsgemeinschaft)<br />

Bei Anträgen auf Genehmigung der gemeinsamen Ausübung<br />

der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ist grundsätzlich<br />

die Vorlage eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages<br />

notwendig.<br />

Bitte achten Sie bei entsprechenden Anträgen darauf, den<br />

Gesellschaftsvertrag spätestens bis zum Abgabetermin bei<br />

der Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses einzureichen.<br />

VERLEGUNGEN<br />

Nach § 24 Abs. 7 ZV-Z ist im Falle einer Verlegung des<br />

Vertragszahnarztsitzes grundsätzlich ein entsprechender<br />

Antrag an den Zulassungsausschuss zu richten. Die Verlegung<br />

ist erst möglich, wenn der Zulassungsausschuss<br />

diesem Antrag stattgegeben hat.<br />

SITZUNGEN DES<br />

ZULASSUNGSAUSSCHUSSES<br />

NIEDERSACHSEN FÜR ZAHNÄRZTE<br />

Alle Anträge an den Zulassungsausschuss Niedersachsen<br />

sind unter Beifügung sämtlicher erforderlicher Unterlagen<br />

rechtzeitig bis zum Abgabetermin bei der<br />

Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses<br />

Niedersachsen, Zeißstraße 11, 30519 Hannover,<br />

in Urschrift und eigenhändig unterschrieben einzureichen.<br />

© diego cervo / iStockphoto.com


Abgabe bis 08.02.2<strong>01</strong>3<br />

Sitzungstermin 06.03.2<strong>01</strong>3<br />

Abgabe bis 14.05.2<strong>01</strong>3<br />

Sitzungstermin 12.06.2<strong>01</strong>3<br />

Abgabe bis 23.08.2<strong>01</strong>3<br />

Sitzungstermin 18.09.2<strong>01</strong>3<br />

Abgabe bis 25.10.2<strong>01</strong>3<br />

Sitzungstermin 20.11.2<strong>01</strong>3<br />

HINWEISE AUF PRAXISORTE<br />

FÜR NIEDERLASSUNGEN<br />

Fachzahnärzte für Kieferorthopädie<br />

In folgenden Planungsbereichen besteht Bedarf an<br />

Fachzahnärzten für Kieferorthopädie:<br />

Verwaltungsstelle Braunschweig<br />

� Planungsbereich Landkreis Gifhorn:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Gifhorn mit 34.412 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 34,9 % versorgt.<br />

� Planungsbereich Landkreis Peine:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Peine mit 25.277 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 31,6 % versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Braunschweig der KZVN,<br />

Vorsitzender: Dr. Helmut Peters, Münzstraße 9,<br />

38100 Braunschweig, Tel. 0531 13605, Fax 0531 4811315,<br />

E-Mail: braunschweig@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Lüneburg<br />

� Planungsbereich Landkreis Lüchow-Dannenberg:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Lüchow-Dannenberg mit<br />

8.321 zu versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 48,1 %<br />

versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Lüneburg der KZVN,<br />

Vorsitzender: Zahnarzt Thomas Koch, Sülztorstraße 1,<br />

21335 Lüneburg, Tel. 04131 732770, Fax 04131 732772,<br />

E-Mail: lueneburg@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Oldenburg<br />

� Planungsbereich Landkreis Oldenburg:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Oldenburg mit 25.053 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 31,9 % versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Oldenburg der KZVN,<br />

Vorsitzende: Zahnärztin Silke Lange, Bloher Landstraße 24,<br />

26160 Bad Zwischenahn, Tel. 0441 6990288,<br />

Fax 0441 691650, E-Mail: oldenburg@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Osnabrück<br />

� Planungsbereich Landkreis Osnabrück:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Osnabrück mit<br />

72.357 Einwohnern ist derzeit zu 44,2 % versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Osnabrück der KZVN,<br />

Vorsitzender: Dr. Carsten Vollmer, Lotter Straße 127,<br />

49078 Osnabrück, Tel. 0541 76099965, Fax 0541 45363,<br />

E-Mail: osnabrueck@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Ostfriesland<br />

� Planungsbereich Landkreis Aurich:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Aurich mit 36.970 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 43,3 % versorgt.<br />

� Planungsbereich Landkreis Leer:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Leer mit 33.003 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 42,4 % versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Ostfriesland der KZVN,<br />

Vorsitzender: Dr. Jörg Hendriks, Julianenburger Straße 15,<br />

26603 Aurich, Tel. 04941 2655, Fax 04941 68633,<br />

E-Mail: ostfriesland@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Wilhelmshaven<br />

� Planungsbereich Landkreis Wesermarsch:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Wesermarsch mit 16.988 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 47,1 % versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Wilhelmshaven der KZVN,<br />

Vorsitzender: Dr. Gerhard Fust, Marktstraße 1,<br />

26382 Wilhelmshaven, Tel. 04421 42911,<br />

Fax 04421 983488, E-Mail: wilhelmshaven@kzvn.de<br />

— Stand 09.12.2<strong>01</strong>2<br />

J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | K Z V N<br />

53<br />

K Z V N


www.hilfswerk-z.de<br />

© Fotos: HDZ; www.istockphoto.com<br />

Stiftung Hilfswerk<br />

Deutscher Zahnärzte<br />

Ermöglichen Sie mit einer regelmäßigen Zustiftung eine Erhöhung des<br />

HDZ-Stiftungskapitals. Damit unterstützen Sie nachhaltig das soziale<br />

Engagement der Zahnärzteschaft für benachteiligte und Not leidende<br />

Menschen.<br />

Ihr Beitrag für mehr<br />

Menschlichkeit<br />

Stiftung für Lepra- und Notgebiete<br />

Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Hannover<br />

BLZ 250 906 08<br />

Konto für Zustiftungen: 060 4444 000<br />

Allgemeines Spendenkonto: 000 4444 000<br />

Spenden Sie schnell und sicher jetzt auch online unter:<br />

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Ihr Kleinanzeigenauftrag<br />

Auch online möglich:<br />

www.kzvn.de im Zahnarztportal unter Publikationen / <strong>NZB</strong><br />

oder Fax: 0511 8405 -262<br />

Niedersächsisches Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>)<br />

c/o KZVN<br />

Barbara Podgorski<br />

Zeißstraße 11<br />

30519 Hannover<br />

Folgende Kleinanzeige bitte<br />

� nur einmal<br />

� in den nächsten Ausgaben<br />

veröffentlichen unter der Rubrik:<br />

� Verkauf<br />

� Ankauf<br />

� Stellenmarkt<br />

� Verschiedenes<br />

Ich ermächtige Sie hiermit, den Gesamtbetrag von dem unten genannten Konto abzubuchen.<br />

Name<br />

Straße<br />

PLZ / Ort<br />

Tel.-Nr. Fax-Nr.<br />

Kontoinhaber<br />

Bankinstitut<br />

Konto-Nr. / BLZ<br />

Datum, Unterschrift des Auftraggebers<br />

Kleinanzeigen erscheinen als fortlaufender Text ohne<br />

Hervorhebungen. Bitte tragen Sie Ihren gewünschten<br />

Text in Druckschrift gut leserlich in die unten stehenden<br />

Kästchen ein, für jeden Wortzwischenraum und jedes<br />

Satzzeichen bitte ein Feld benutzen. Die Zeilen werden<br />

im <strong>NZB</strong> veröffentlicht wie von Ihnen im Formular vorgegeben.<br />

Die Anzahl der (angefangenen) Zeilen und<br />

damit den Preis Ihrer Anzeige bestimmen Sie selbst.<br />

Bei Chiffre Anzeigen rechnen Sie zur Zeilengebühr<br />

noch die Gebühr von 10,- EUR für die Chiffre Nr.<br />

hinzu. – Für alle Kleinanzeigenaufträge ist Ihre Einzugsermächtigung<br />

für den Bankeinzug erforderlich.<br />

Annahmeschluss für Kleinanzeigen ist der<br />

17. des Vormonats vor Erscheinen der Zeitschrift.<br />

Nur für Zahnärztinnen und Zahnärzte<br />

Raum für interne Vermerke<br />

Zeilengebühr<br />

� Die Anzeige soll unter Chiffre<br />

erscheinen, Chiffregebühr 10,- EUR<br />

� Die Anzeige soll auch im Internet<br />

erscheinen (www.assistentenboerse.de)<br />

Gesamtbetrag<br />

Preis je angefangene<br />

Zeile 5,20 EUR<br />

(Mindestgröße vier Zeilen,<br />

davon die 1. Zeile fett)<br />

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verwenden Sie bitte immer das für<br />

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