NZB 01/2013
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JANUAR 2<strong>01</strong>3<br />
N I E D E R S Ä C H S I S C H E S<br />
ZAHNÄRZ TEBLATT<br />
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Das Patientenrechtegesetz<br />
als politischer<br />
Grundrechtekatalog der<br />
Gesundheitsversorgung<br />
Gemeinsam gegen<br />
häusliche Gewalt –<br />
Zahnärztinnen und<br />
Zahnärzte helfen<br />
Gemeinsam gegen<br />
häusliche Gewalt<br />
Zahnärztinnen und -ärzte helfen!<br />
Handlungsempfehlungen zum Erkennen, Ansprechen<br />
und Dokumentieren<br />
Funktion und Ästhetik<br />
durch interdisziplinäre<br />
Therapie<br />
Strafbarkeit von<br />
Zahnärzten für<br />
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Patienten sind und waren<br />
kein Freiwild<br />
Die Diskussionen um die Entstehung des<br />
Patientenrechtegesetzes erwecken den<br />
Anschein, als seien die Patienten – früher wie heute –<br />
Freiwild für die Heilberufe. Die Realität insbesondere in<br />
den Zahnarztpraxen sieht allerdings sehr viel differenzierter<br />
aus. Den Patientenorganisationen passt diese Realität nicht<br />
in ihre strategischen Planungen, denn sie fordern eine<br />
grundsätzliche Beweislastumkehr zu Gunsten der Patienten.<br />
Sie lehnen das Gesetz deshalb mit Unterstützung aus einer<br />
bestimmten politischen Richtung als unzureichend ab.<br />
Von einer entscheidenden Mitverantwortung der Patienten,<br />
die mitentscheidend für einen Behandlungserfolg ist, ist in<br />
ihren Stellungnahmen zum Gesetz nicht die Rede. Als<br />
Zahnärzte können wir aus täglicher Erfahrung feststellen,<br />
dass z.B. bei kieferorthopädischen oder Parodontalbehandlungen<br />
zwingend diese intensive Mitarbeit erforderlich ist.<br />
Nicht selten wird ein Behandlungserfolg durch eine mangelnde<br />
Bereitschaft, sich an die strikten Anweisungen zur<br />
Zahnpflege und Kontrollbesuche zu halten, infrage gestellt.<br />
Die Suche eines Schuldigen erfordert dann oft eine gutachterliche<br />
Stellungnahme, weil verständlicherweise die<br />
Krankenkassen Sachleistungskosten in beträchtlicher Höhe<br />
übernommen haben. Patienten suchen den Fehler gern<br />
beim behandelnden Zahnarzt. Wer gibt schon gern eigenes<br />
Fehlverhalten oder das seiner Kinder zu, und gelegentlich<br />
mangelt es auch an Einsichtsfähigkeit.<br />
Damit komme ich zu einem Kernpunkt des Gesetzes: nur<br />
eine im Vorfeld umfangreiche Aufklärung des Patienten in<br />
für ihn verständlicher, schriftlicher Form und eine lückenlose<br />
Dokumentation in der Patientenkartei schützen beide Seiten<br />
vor unberechtigten Regressforderungen und im schlimmsten<br />
Fall vor einer juristischen Auseinandersetzung.<br />
Eigentlich ist das nicht neu, aber es wird in Zukunft eine<br />
ganz entscheidende Rolle bei Auseinandersetzungen spielen.<br />
Jede Dokumentationslücke kann dann als Anscheinsbeweis<br />
Foto: <strong>NZB</strong>-Archiv<br />
für eine entweder nicht durchgeführte oder fehlerhafte<br />
Behandlung zu Lasten des Behandlers dienen. Mehrkostenvereinbarungen<br />
und Vereinbarungen über selbstständige<br />
zahnärztliche Leistungen bedürfen selbstverständlich<br />
der gleichen, schriftlichen Form. Im Zweifelsfalle könnte<br />
sonst behauptet werden, dass nichts vereinbart worden<br />
sei oder ihr Umfang nicht verstanden wurde mit der möglichen<br />
Folge, dass eine Zahlung allein deswegen erfolgreich<br />
verweigert werden kann. �<br />
— Dr. Jobst-W. Carl<br />
Vorsitzender des Vorstands der<br />
Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | E D I T O R I A L<br />
1<br />
E D I T O R I A L
I M P R E S S U M<br />
NIEDERSÄCHSISCHES ZAHNÄRZTEBLATT – 48. Jahrgang<br />
Monatszeitschrift niedersächsischer Zahnärztinnen und Zahnärzte mit<br />
amtlichen Mitteilungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen<br />
(KZVN), erscheint elfmal jährlich, jeweils zum 15. eines jeden Monats.<br />
HERAUSGEBER<br />
Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen<br />
Zeißstraße 11, 30519 Hannover;<br />
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REDAKTIONSBÜRO<br />
Niedersächsisches Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>),<br />
c/o KZVN, Heike Philipp, Zeißstraße 11, 30519 Hannover;<br />
Tel.: 0511 8405 -207; Fax: 0511 8405 -262;<br />
E-Mail: nzb-redaktion@kzvn.de<br />
REDAKTION<br />
Dr. Lutz Riefenstahl, Redaktionsleiter (lr)<br />
Breite Straße 2 B, 31028 Gronau<br />
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STÄNDIGE MITARBEITERIN DER REDAKTION<br />
Elke Steenblock-Dralle (st-dr)<br />
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REDAKTIONSHINWEISE<br />
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Redaktion.<br />
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Der Bezugspreis für Mitglieder ist durch den Beitrag abgegolten.<br />
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39,60 EUR, Einzelheft 3,30 EUR, inklusive Versandkosten. ISSN 1863-3145<br />
2 I M P R E S S U M | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
ANSCHRIFT<br />
Niedersächsisches Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>),<br />
c/o KZVN, Heike Philipp,<br />
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30519 Hannover<br />
E-MAIL<br />
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TELEFON<br />
0511 8405 -207<br />
Verspätet eingegangene Manuskripte können nicht<br />
berücksichtigt werden.<br />
REDAKTIONSSCHLUSS<br />
Heft 03 / 13: 11. Februar 2<strong>01</strong>3<br />
Heft 04 / 13: 11. März 2<strong>01</strong>3<br />
Heft 05 / 13: 11. April 2<strong>01</strong>3<br />
4<br />
Dieser sog. QR-Code führt nach<br />
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EDITORIAL<br />
1 Dr. Jobst-W. Carl:<br />
Patienten sind und waren<br />
kein Freiwild<br />
10<br />
POLITISCHES<br />
4 Das Patientenrechtegesetz als<br />
politischer Grundrechtekatalog der<br />
Gesundheitsversorgung<br />
Das Gesetz ist aber zu allererst ein<br />
Pflichtenkatalog für Ärzte<br />
10 Krankenkassen/MDK<br />
…, und die Erde ist eine Scheibe!<br />
12 Wohlstand im Notstand: Die Brüsseler<br />
EU als neuer Gottesstaat – Teil 1<br />
Geiz ist tödlich – Gier sowieso<br />
18 Interessante Ein- und Ausblicke:<br />
Franz Knieps zu Gast bei der KZVN<br />
Das Gesundheitswesen im<br />
Spannungsfeld von Solidarität und<br />
Wettbewerb – wie entwickeln sich<br />
die politischen Rahmenbedingungen?<br />
20 Zeit zum Gegensteuern<br />
Die demografische Entwicklung<br />
vollzieht sich langsam. Noch ist es<br />
nicht zu spät, die Sozialsysteme<br />
zukunftssicher zu gestalten<br />
22 „Eine gut prognostizierte Krise“<br />
Im Gespräch: Prof. Dr. Herwig Birg<br />
24 Gemeinsam gegen häusliche Gewalt –<br />
Zahnärztinnen und Zahnärzte helfen<br />
Pressekonferenz zum gemeinsamen<br />
Projekt zwischen KZVN, ZKN und dem<br />
Sozialministerium<br />
12<br />
FACHLICHES<br />
26 Funktion und Ästhetik durch<br />
interdisziplinäre Therapie<br />
Kombinierte kieferorthopädische,<br />
implantologische und prothetische<br />
Behandlung<br />
31 Komplementäre oralchirurgische<br />
Behandlung beim Jugendlichen<br />
37 Kieferorthopädie versus Chirurgie<br />
Kieferorthopädische Alternativen zur<br />
chirurgischen Korrektur der Bisslage<br />
bei Erwachsenen<br />
42 Strafbarkeit von Zahnärzten für<br />
anästhesiologische Komplikationen<br />
Vertrauen ist gut, Vereinbarungen<br />
sind besser<br />
47 Die Servicehotline der KZVN für<br />
Abrechnungsfragen informiert<br />
Neues Jahr – Neue Preise für<br />
Verbrauchsmaterial?<br />
49 Aktuelles aus der Rechtsprechung<br />
– Aktuelle Urteile aus dem Arbeitsrecht<br />
– Aktuelle Urteile aus dem Steuerrecht<br />
26<br />
© Fotos Titel/Inhaltsverzeichnis: Redshinestudio/Fotolia.com; LVDESIGN/Fotolia.com; Dr. H. Derks; Juan Herrera/iStockphoto.com; Sergey Nivens/Fotolia.com; Franky De Meyer/Fotolia.com; A. Sturm; Dr. A. Sabbagh<br />
24<br />
PERSÖNLICHES<br />
50 Fünf Jahrzehnte gelebt, ein Viertel<br />
davon für die Kollegenschaft:<br />
Herzlichen Glückwunsch zum<br />
halben Jahrhundert<br />
51 2 x 20 Jahre Zusammenarbeit…<br />
…und wir freuen uns auf weitere!<br />
KZVN<br />
52 Niederlassungshinweise<br />
KLEINANZEIGEN<br />
56 Kleinanzeigen<br />
37<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | I N H A L T<br />
3<br />
E D I T O R I A L<br />
I N H A LT<br />
P O L I T I S C H E S<br />
F A C H L I C H E S<br />
I N T E R E S S A N T E S<br />
T E R M I N L I C H E S<br />
P E R S Ö N L I C H E S<br />
K Z V N<br />
K L E I N A N Z E I G E N
Das Patientenrechtegesetz als<br />
politischer Grundrechtekatalog<br />
der Gesundheitsversorgung<br />
DAS GESETZ IST ABER ZU ALLERERST EIN PFLICHTENKATALOG FÜR ÄRZTE<br />
Das Niedersächsische Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>)<br />
berichtete bereits im April 2<strong>01</strong>2 über den<br />
gemeinsam von dem Bundesjustiz- und dem Bundesgesundheitsministerium<br />
erarbeiteten Entwurf des „Gesetzes<br />
zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten<br />
(Patientenrechtegesetz)“. Die Rechte von Patienten in einem<br />
solchen Gesetz nach einer mehr als 20 Jahre währenden<br />
Diskussion zu regeln, geht auf die Initiative des CSU-Bundesabgeordneten<br />
und gegenwärtigen Patientenbeauftragten,<br />
Wolfgang Zöller, zurück. Er hat kürzlich im Bundestag<br />
erklärt, mit dem Gesetz werde ein „Grundstein für eine<br />
neue Partnerschaft“ (zwischen Patienten und Ärzten)<br />
gelegt, und zwar durch eine Verbesserung der „Transparenz“<br />
des Behandlungsgeschehens und einer größeren<br />
„Rechtssicherheit“ für alle Beteiligten.<br />
Bei früherer Gelegenheit hat der Bundesgesundheitsminister,<br />
Daniel Bahr, gesagt, das politische Ziel des Gesetzes sei die<br />
Schaffung eines „Grundrechtekataloges der Gesundheitsversorgung“,<br />
der den Patienten in jeder Hinsicht „die notwendige<br />
rechtliche Sicherheit bei der Inanspruchnahme<br />
medizinischer Leistungen garantieren“ werde. Nachdem<br />
am 23. Mai 2<strong>01</strong>2 die Bundestagsfraktion der CDU/CSU<br />
nach Beratung in der Arbeitsgruppe Gesundheit den Gesetzentwurf<br />
beschlossen hat, steht am 23. Februar 2<strong>01</strong>2<br />
die Entscheidung des Bundesrates bevor, von der es<br />
abhängt, wann das Gesetz in Kraft treten wird. Dessen<br />
frühere Stellungnahme vom 06. Juli 2<strong>01</strong>2 enthielt zahlreiche<br />
Änderungsanträge, die fast ausnahmslos von der Bundesregierung<br />
zurückgewiesen worden waren, was aber nicht<br />
besagt, dass es im Februar 2<strong>01</strong>2 in Detailfragen nicht doch<br />
noch zu Änderungen der Gesetzesvorlage kommt.<br />
4 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Kritiker sehen die Rechte der Patienten durch das<br />
Gesetz nicht als gestärkt an<br />
Zur Erläuterung der Gesetzesformulierungen sei darauf<br />
hingewiesen, dass das Gesetz, was den Pflichtenkatalog<br />
betrifft, generell den Begriff des „Behandelnden“ verwendet,<br />
weil die Vorschriften nicht auf Ärzte und Zahnärzte<br />
beschränkt sind, sondern mit gewissen Differenzierungen<br />
auch für andere Gesundheitsfachberufe im Umfeld der<br />
ärztlichen Heilberufe verbindlich sind. Dazu gehören u. a.<br />
Physiotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten,<br />
Logopäden, Heilpraktiker und Hebammen, selbst wenn<br />
deren Tätigkeit nicht auf die Behandlung einer Krankheit<br />
gerichtet ist, sondern kosmetischen Zwecken dient. Diese<br />
Berufe haben dieselben Voraussetzungen fachgerechter<br />
Behandlung zu beachten, wie Ärzte. Apotheker sind vom<br />
Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen, da sie<br />
nicht zur Behandlung von Patienten befugt sind.<br />
Während der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr.<br />
Montgomery, das Gesetz als einen „gelungenen Wurf“<br />
beurteilt hat, machten die im Bundestag vertretenen<br />
Oppositionsparteien sowie Verbraucherverbände und<br />
Patientenschützer schon sehr früh, als die erste Entwurfsfassung<br />
des Gesetzes der Öffentlichkeit vorgestellt wurde,<br />
erhebliche Einwände geltend. Sie sahen die Rechte der<br />
Patienten bei Inanspruchnahme medizinischer Hilfeleistungen<br />
mit dem Gesetz für nicht ausreichend geschützt. Es hieß,<br />
der Entwurf sei inhaltlich zu wenig verbindlich und kaum<br />
mehr als eine „zahnlose Mogelpackung“. Bei dieser Meinung<br />
sind sie bis heute geblieben, wie ihre Stellungnahmen bei<br />
der Beschlussfassung des Gesetzes in der Sitzung des Bun-
© LVDESIGN/Fotolia.com<br />
destages am 29. November 2<strong>01</strong>2 gezeigt haben. Zum Schutz<br />
der Patientenrechte sei ein sehr viel schärferer, haftungsrelevanter<br />
Pflichtenkatalog für die behandelnden Ärzte erforderlich,<br />
gleichwohl hat das Gesetz zu einer Erweiterung der<br />
ärztlichen Behandlungspflichten geführt. Erheblich kritisiert<br />
wurde von der Opposition das „Angebot von Zusatzleistungen“,<br />
insbesondere individuelle Gesundheitsleistungen-<br />
IGeL“, wodurch sich das „Arzt-Patienten-Verhältnis in ein<br />
Anbieter-Kunden-Verhältnis unter ungleichen Voraussetzungen“<br />
entwickelt habe (so der Bundesrat in der Drucksache<br />
17/10488). Hierauf wird noch näher einzugehen sein.<br />
Die Kodifizierung der Patientenrechte ist zugleich eine<br />
solche des Haftungsrechts<br />
Das Gesetz umfasst zunächst die bislang in Vorschriften<br />
verschiedener Rechtsgebiete, wie etwa solche im Sozialrecht,<br />
im Strafrecht und im BGB kodifizierten Arzthaftungsund<br />
Behandlungsrechte bei der Inanspruchnahme medizinischer<br />
Hilfeleistungen. Sie sind jetzt im Bürgerlichen<br />
Gesetzbuch (BGB) unter einem neuen Untertitel „Behandlungsvertrag“<br />
zusammengefasst worden (§§ 630a bis<br />
630h BGB). Das entspricht der Empfehlung des Sachverständigenrates<br />
für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen,<br />
die er vor mehr als 10 Jahren in seinem Jahresgutachten<br />
von 2000/20<strong>01</strong> empfohlen hatte, nämlich durch<br />
eine solche Zusammenfassung die „komplexe rechtliche<br />
Situation für die Patienten in einfacher Weise …zusammenzufassen“.<br />
Darin eingeschlossen sind die durch die Rechtsprechung<br />
der Gerichte entwickelten Grundsätze, die<br />
maßgeblich sind für die Beurteilung der Sorgfaltspflichten<br />
der Ärzte bei medizinischen Hilfeleistungen. Es wurde<br />
bereits erwähnt, dass aus diesem „Rechtekatalog“, der die<br />
Patienten vor Beeinträchtigungen bei einer von ihnen nachzuweisenden<br />
Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflichten<br />
schützen soll, ein stringenter Pflichtenkatalog entstanden ist,<br />
wonach Ärzte in Diagnostik und Therapie den medizinischen<br />
Standard einzuhalten haben, der aus drei Komponenten<br />
besteht: Dem Stand der medizinischen Wissenschaft, der<br />
ärztlichen Erfahrung und der anerkannten medizinischen<br />
Praxis. Diese Verpflichtung ist deckungsgleich mit den<br />
Berufsordnungen und der seit der Strukturreform vom<br />
22.12.1988 maßgeblichen Gesetzesregelung in § 2 SGB V,<br />
wonach Ärzte außer der Beachtung der Wirtschaftlichkeit,<br />
die „Qualität der Leistungen“ entsprechend dem „allgemein<br />
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und<br />
des medizinischen Fortschritts“ zu gewährleisten haben.<br />
Die Rechtsprechung der Gerichte hat zwar die Anspruchsgrenzen<br />
aufgezeigt, sodass keine Maximaldiagnostik und<br />
-therapie verlangt werden kann, aber eine Unterschreitung<br />
des Mindeststandard verurteilt. So gesehen sind die<br />
„Patientenrechte“, die Gegenstand der Gesetzesinitiative<br />
der Bundesregierung sind, bereits weitgehend im Sozialrecht<br />
kodifiziert und außerdem fester Bestandteil der ärztlichen<br />
Berufsordnungen.<br />
Aufklärungs- und Informationspflichten der Ärzte sollen für<br />
den Patienten mehr Transparenz und Rechtssicherheit<br />
bringen<br />
Ein wichtiges Element des Gesetzes betrifft die notwendige<br />
Einwilligung des Patienten hinsichtlich der vom Arzt für �<br />
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5<br />
P O L I T I S C H E S
�<br />
erforderlich gehaltenen Untersuchungen sowie dessen<br />
Aufklärung des Patienten über die Diagnose und die beabsichtigte<br />
Therapie, einschließlich etwaiger Behandlungsrisiken.<br />
Die Aufklärung des Patienten muss für ihn verständlich<br />
und umfassend sein. Hinzu kommt die Pflicht des Arztes<br />
zur Dokumentation der Information und der Aufklärung des<br />
Patienten in einer „Patientenakte“, deren Einsichtnahme<br />
durch den Patienten gesetzlich geregelt ist. Diese Verpflichtung<br />
ist auch Gegenstand der Berufsordnungen (MBO-Ä,<br />
§ 10). Eine vom Arzt nicht dokumentierte Behandlungsmaßnahme,<br />
auch wenn sie stattgefunden hat, kann im<br />
Schadensfall in einem Haftungsprozess dahin gedeutet<br />
werden, dass sie nicht geleistet worden ist, also als Beweis<br />
für einen Behandlungsfehler des Arztes herangezogen<br />
werden.<br />
Erfahrungen aus Haftungsprozessen sind im<br />
Gesetzentwurf berücksichtigt worden<br />
Im Zusammenhang mit Haftungsprozessen haben Gerichte,<br />
hier vor allem der Bundesgerichtshof, in ihrer Rechtsprechung<br />
darauf abgehoben, ob die Behandlung durch den<br />
Arzt unter Beachtung des jeweils geltenden medizinischen<br />
Standards durchgeführt worden ist oder nicht. Sie haben<br />
geprüft, ob die Behandlung, die zu einem Schaden für den<br />
Patienten geführt hat, dem jeweiligen Stand naturwissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse und der ärztlicher Erfahrung<br />
entsprochen hat und zwar ggf. unter Berücksichtigung von<br />
Leitlinien der naturwissenschaftlichen Fachgesellschaften.<br />
Das bedeutet nicht, dass der behandelnde Arzt in jedem<br />
Falle mit Erfolg den Heilerfolg herbeizuführen verpflichtet<br />
ist. Soweit es einen so genannten „Facharztstandard“ gibt,<br />
der maßgeblich für die Behandlung sein kann, muss er<br />
vom Arzt berücksichtigt werden. Hat der Arzt gegen diese<br />
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© RioPatuca Images/Fotolia.com<br />
Grundsätze verstoßen, erwächst daraus erst dann ein<br />
Haftungsanspruch, wenn nachgewiesen wird, dass eine<br />
Pflichtverletzung vorgelegen hat, die für den Schaden<br />
ursächlich war. Dieser Nachweis muss von dem Patienten<br />
geführt werden, was oft mit großen Schwierigkeiten<br />
verbunden ist.<br />
Deshalb sind die Krankenkassen gehalten, ihre Versicherten<br />
bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus<br />
Behandlungsfehlern zu unterstützen, was bisher lediglich<br />
in ihr Ermessen gestellt war. Ob sie damit zur Vermeidung<br />
von Behandlungsfehlern beitragen bzw. auf diese Weise<br />
die Patientensicherheit erhöhen können, muss sich erst<br />
noch beweisen.. Dagegen wäre es angemessen gewesen,<br />
an dieser Stelle der Gesetzesbegründung die Arbeit der<br />
seit Jahrzehnten mit Erfolg tätigen Ärztlichen Schlichtungsstellen<br />
zu würdigen, die durch ihre Entscheidungen in<br />
tausenden von Fällen als unabhängige Gutachterstellen<br />
die Einhaltung der fachlichen Standards gefördert und zur<br />
Patientensicherheit beigetragen haben.<br />
Der Patient muss – wie bisher – auch künftig den<br />
Beweis für das ärztliche Fehlverhalten führen<br />
Bei der Beurteilung etwaiger Haftungsansprüche wegen<br />
Verletzung der Sorgfaltspflichten ist zu berücksichtigen, dass<br />
die Behandlungsmaßnahmen oft einvernehmlich, wie es<br />
dem von Wolfgang Zöller zitierten „Partnerschaftsgedanken“<br />
entspricht, zwischen Patient und Arzt vereinbart werden,<br />
ohne daraus etwa damit ein Mitverschulden des Patienten<br />
an dem Schaden herleiten zu wollen. Ein Haftungsanspruch<br />
ist aber dann ausgeschlossen, „wenn der Patient einen<br />
eigenen Verursachungsbeitrag zu der Verletzung geleistet<br />
hat“ (so die Begründung des Gesetzentwurfs in der BT.<br />
Drucksache 17/10488, S.56). Es gibt also eine Reihe von<br />
Gründen, weshalb das Gesetz unter Berücksichtigung der<br />
ständigen Rechtsprechung der Gerichte, bei der Geltendmachung<br />
eines Schadensersatzanspruchs von dem<br />
Patienten den Beweis für fehlerhaftes Verhalten des Arztes,<br />
also der Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht (§ 276 BGB),<br />
verlangt.<br />
Davon gibt es Ausnahmen, nämlich wenn der Arzt eine<br />
von ihm pflichtgemäß zu dokumentierende Behandlungsmaßnahme<br />
nicht in die Patientenakte aufgenommen hat,<br />
Dann kann es in einem Arzthaftungsprozess als bewiesen<br />
gelten, dass diese entscheidend wichtige Behandlungsmaßnahme<br />
nicht durchgeführt worden ist. Genauso<br />
kommt es bei einem groben Behandlungsfehler des Arztes<br />
nach bisheriger Rechtsprechung und der jetzigen gesetzlichen<br />
Neuregelung zu einer Beweislastumkehr. Es gilt dann die<br />
Vermutung, dass der Gesundheitsschaden durch den groben<br />
Behandlungsfehler verursacht worden ist, so dass dem<br />
behandelnden Arzt zu seiner Entlastung nur die Möglichkeit<br />
bleibt, den Gegenbeweis anzutreten.
Die Diskussion über eine grundsätzliche<br />
Beweislastumkehr ist noch nicht abgeschlossen<br />
Bei der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen durch<br />
den Ausschuss für Gesundheit und des Rechtsausschusses<br />
des Bundestages am 22. Oktober 2<strong>01</strong>2, forderten u.a. die<br />
Vertreter von Patientenorganisationen grundsätzlich die<br />
Beweislastumkehr zu Gunsten der Patienten. Es sei nicht<br />
ausreichend, diese Verpflichtung dem Arzt nur bei groben<br />
Behandlungsfehlern aufzuerlegen. Die Diskussion hierüber<br />
hat gezeigt, dass diese Forderung von einer gewissen<br />
Portion Hybris geprägt ist, weil hier die Medizin als eine<br />
naturwissenschaftlich orientierte Heilkunst angesehen<br />
wird, die absolut qualitätsgesichert ist, von einer berechenbaren<br />
Technik unterstützt wird, so für alle Leiden einen<br />
hilfreichen und erfolgreichen Therapieansatz bereit hält.<br />
Kommt es trotz dieser wirklichkeitsfremden Bildfläche zu<br />
einer Schädigung des Patienten, und behauptet dieser, sie<br />
sei auf eine Verletzung der Sorgfaltspflichten des Arztes<br />
zurückzuführen, ist l es nach Auffassung der Kritiker des<br />
Gesetzes berechtigt, die Beweislast für ein pflichtgemäßes<br />
ärztliches Handeln grundsätzlich dem behandelnden Arzt<br />
aufzuerlegen.<br />
Einer solchen Forderung ist die Bundesregierung in ihrem<br />
Gesetzentwurf nicht gefolgt, so dass die Beweislast für die<br />
Schadensverursachung weiterhin dem Patienten obliegt.<br />
Voraussetzung ist, dass – wie bereits erwähnt – vor der<br />
Behandlung oder Verordnung eine sachgerechte Aufklärung<br />
des Patienten durch den Arzt stattgefunden hat, dass der<br />
Patient zur Behandlungsmaßnahme seine Einwilligung<br />
erklärt hat und eine schriftliche Dokumentation des Informations-<br />
und Aufklärungsgesprächs zwischen Patient und<br />
Arzt erfolgt ist. Dokumentationslücken können in Haftungsprozessen<br />
beweisrechtlich von Bedeutung sein, d.h. die<br />
Annahme eines Behandlungsfehlers rechtfertigen und eine<br />
Beweislastumkehr zu Lasten des Arztes herbeiführen.<br />
Zu den Informationspflichten des Arztes gehört nach dem<br />
Gesetz (§ 630c BGB) auch die Beantwortung der Frage<br />
eines Patienten, ob seine Schädigung auf einen Behandlungsfehler<br />
des „eigenen“ Arztes zurückzuführen ist. Dieser<br />
ist verpflichtet, eine solche Frage des Patienten wahrheitsgemäß<br />
auch dann zu beantworten, wenn er selbst den<br />
Fehler begangen hat. Auch ohne dass der Patient nach<br />
einem solchen Fehlverhalten gefragt hat, ist der Arzt<br />
verpflichtet, von sich aus den Patienten zu informieren,<br />
„soweit dies zur Abwendung von gesundheitlichen Gefahren<br />
für den Patienten erforderlich ist“. Die Verpflichtung,<br />
gegen sich eine Selbstanzeige zu erstatten, wird sicher auf<br />
Kritik stoßen, jedenfalls kennt z. B. das allgemeine Strafrecht<br />
keine gesetzliche Pflicht zur Selbstbezichtigung. Daher hat<br />
die Verpflichtung des Arztes, von der hier die Rede ist, im<br />
Gesetz eine gewisse Abschwächung erfahren, die sicherstellt,<br />
dass diese Offenbarung eines eigenen Fehlers in einem<br />
möglichen Strafverfahren für den Arzt keine Nachteile haben<br />
darf.<br />
Auch auf Europäischer Ebene sind die<br />
Beweislastpflichten ein Kernthema<br />
Dass die Beweislastproblematik von weit reichender Bedeutung<br />
ist, zeigt der Verordnungsentwurf der Europäische<br />
Union (EU) vom 29. September 2<strong>01</strong>2 , der zwar nicht die<br />
Schadensverursachung durch Verletzung der ärztlichen<br />
Sorgfaltspflichten betrifft, sondern Beeinträchtigungen durch<br />
Medizinprodukte. Es wird behauptet, das europäische Medizinprodukterecht,<br />
was das Verfahren der Zulassung und<br />
die Bewertung von Qualität und Effizienz betrifft, genüge<br />
den Sicherheitsanforderungen nicht mehr. Die Rechte der<br />
durch Medizinprodukte geschädigten Patienten seien nicht<br />
ausreichend gesichert, weil die Beweislast dem Geschädigten<br />
auferlegt werde und nicht dem jeweiligen Hersteller<br />
des Medizinproduktes. Außerdem sei es notwendig, die<br />
Hersteller zur Wahrung der Rechte des Geschädigten zum<br />
den Abschluss einer Haftpflichtversicherung zu zwingen.<br />
Wie letztlich die Entscheidung des EU-Parlaments und des<br />
Rates auch ausfallen wird; hier wird deutlich, dass die �<br />
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– Anzeige –<br />
7<br />
P O L I T I S C H E S
�<br />
Haftungsproblematik ganz unverkennbar auf vielen Gebieten<br />
der medizinischen Versorgung zunehmend an Bedeutung<br />
gewonnen hat, zuweilen wird sie sogar als das entscheidende<br />
rechtliche Kernproblem bei der Fortentwicklung der<br />
Patientensicherheit gesehen.<br />
Die individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) sind zu<br />
einem politischen Kernthema des Gesetzes geworden<br />
Der Gesetzentwurf verlangt von einem Arzt, der im Einvernehmen<br />
mit dem Patienten Leistungen erbringt oder verordnet,<br />
die von den Krankenkassen nicht bezahlt werden,<br />
eine sachgerechte Aufklärung. Sie gehört zu den ihm<br />
obliegenden Informationspflichten. Er muss den Patienten<br />
darüber unterrichten, dass Kosten für solche Behandlungen<br />
nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen<br />
bzw. von der privaten Krankenversicherung nicht erfasst<br />
werden. So gesehen hat der Arzt, was die finanziellen<br />
Folgen solcher IGe-Leistungen betrifft, nach dem Urteil des<br />
OLG Stuttgart, sogar eine wirtschaftliche Informationspflicht.<br />
Das ermöglicht es dem Patienten, die Tragweite seiner<br />
Entscheidung zu übersehen.<br />
Soweit es sich um die „Selbstbeteiligung“ des Patienten<br />
bei Zahnersatzleistungen handelt, wird der Informationspflicht<br />
dadurch Rechnung getragen, dass der Patient aus<br />
dem Heil- und Kostenplan die zahnprothetischen Leistungen<br />
ersehen kann, ebenso die Höhe des Festzuschusses der<br />
Kasse und die Selbstbeteiligung des Patienten. Mit der<br />
Weitergabe des Heil- und Kostenplanes an die Kasse<br />
erklärt der Patient seine Einwilligung mit der geplanten<br />
Therapie. Deshalb hat die Bundesregierung weitergehende<br />
Forderungen des Bundesrates zu Recht abgelehnt.<br />
Im Übrigen haben die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche<br />
Bundesvereinigung, in Zusammenarbeit mit dem<br />
„Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin“ einen „Ratgeber<br />
– Selbstzahler“ herausgegeben, welcher die Aufklärungspflicht<br />
des Arztes unterstützt. Es fehlt also, was die<br />
IGe-Leistungen betrifft, nicht an Hinweisen zur sachgerechten<br />
Verhaltensweise des Arztes und zur Aufklärung des Patienten.<br />
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© Gina Sanders/Fotolia.com<br />
Einer der Ratschläge lautet, „kein Patient soll ohne überzeugende<br />
Begründung“ dazu veranlasst werden, eine<br />
solche Leistung in Anspruch zu nehmen. Außerdem wird<br />
noch einmal hervorgehoben, dass es berufswidrig ist, den<br />
Patienten bei seiner Entscheidung „unter Druck“ zu setzen.<br />
Der Ratgeber trägt damit der Studie des Instituts für Sozialmedizin<br />
der Universität Lübeck Rechnung, wonach eine<br />
Bevölkerungsumfrage vor einigen Jahren ergeben hat, das<br />
„größte Problem der Praxen“ läge darin, „die Patienten<br />
sachgerecht zu informieren“ (Der Hausarzt Nr. 17/ 2<strong>01</strong>2<br />
S. 61), was heute wohl nicht mehr der Fall sein dürfte.<br />
„Verbraucherschützer“ halten IGe-Leistungen trotzdem<br />
für ein fragwürdiges „Geschäftsmodell“ der Arztpraxen<br />
Das „Streitthema IGeL“ ist damit aber „nicht aus der Welt“.<br />
Allein die Tatsache, dass die IGe-Leistungen ein Umsatzvolumen<br />
in Höhe von 1,5 Mrd. Euro erreicht haben (s. Deutsches<br />
Ärzteblatt Nr. 44 vom 2. November 2<strong>01</strong>2) gibt immer<br />
wieder Anlass zu behaupten, es handele sich hier um<br />
„zum Teil sinnlose Leistungen“, für die in Arztpraxen eine<br />
„massive Werbung“ betrieben werde (so die Verbraucherzentrale-Bund).<br />
An anderer Stelle erscheint auf der ideologischen<br />
Bildfläche die Behauptung, IGe-Leistungen seien<br />
„Haustürgeschäfte mit einem hohen Überrumpelungsfaktor“<br />
(DÄBl. 48 vom 30.11.2<strong>01</strong>2). Hier würden Geschäfte auf<br />
einem „dynamischen Markt mit nur bedingt qualitätsgesicherten<br />
Leistungen“ gemacht (G. Kiefer GKV-Spitzenverband).<br />
Von dieser Art Stimmungsmache ist selbst der Bundesrat<br />
nicht ausgenommen, denn in seinem Ergänzungsverlangen<br />
zum Gesetzentwurf behauptet er, Zusatzleistungen würden<br />
den Patienten auch angeboten, wenn es eine gesetzliche<br />
Leistung gibt, und das alles schon am Empfangstresen<br />
durch die dazu angehaltenen medizinischen „Fachangestellten“(s.<br />
die Begründung S. 45). Die Bundesregierung hat<br />
sich davon in ihrer Gegenäußerung nicht beeindrucken<br />
lassen und den Ergänzungsantrag des Bundesrates abgelehnt.<br />
Aber wie u.a. Medienberichte zeigen, ist die Diskussion<br />
zum IGeL-Thema längst nicht beendet. In der ZEIT<br />
vom 25.10.2<strong>01</strong>2 hat kürzlich eine Verbraucherorganisation<br />
unter der Titelüberschrift „Patienten ohne Rechte“ darauf<br />
hingewiesen, dass Patienten „kaum einen Besuch beim<br />
Augenarzt überstehen könnten, ohne die dringende<br />
Aufforderung, auf eigene Kosten eine Glaukomvorsorge“<br />
in Anspruch zu nehmen. Genauso werde Patienten bei<br />
Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Prostatakrebs<br />
empfohlen, den PSA-Wert bestimmen zu lassen.<br />
Auch in Praxen anderer Fachgebiete werde „Druck“<br />
ausgeübt, dem die Patienten nicht gewachsen seien, und<br />
manchmal fragten sie nicht einmal nach den Kosten. Solche<br />
Berichte zielen auf eine mediale Publikumsempörung<br />
und eine fragwürdige Moralisierung ab, die zu Vertrauensverlust<br />
und Beschädigung der partnerschaftlichen Orientie-
ung von Arzt und Patient führt. Es heißt, gäbe „mittlerweile<br />
kaum noch einen Patienten, der in einer Arztpraxis nicht<br />
schon einmal mit einer Selbstzahlerleistung konfrontiert<br />
worden ist“ (Deutschen Ärzteblatt (Nr. 46 vom 06.11.2<strong>01</strong>2).<br />
Aber richtig ist wohl auch, dass sich die Zuwendung des<br />
Arztes zu seinen Patienten keineswegs in der Erbringung<br />
von Leistungen der GKV erschöpft, sondern zu seinen<br />
Aufklärungs- und Informationspflichten gehört auch, im<br />
Bedarfsfall mit dem Patienten über Möglichkeiten hilfreicher<br />
Behandlungsalternativen zu sprechen, die in der<br />
Regel von Krankenkassen nicht bezahlt werden, wovon<br />
es aber inzwischen längst Ausnahmen gibt.<br />
Krankenkassen erweitern von sich aus<br />
ihre Leistungsangebote<br />
Es gibt immer mehr Krankenkassen, die der Meinung sind,<br />
sie sollten mit ihrem Leistungsangebot nicht hinter dem<br />
allgemeinen Stand der medizinischen Entwicklung zurückbleiben.<br />
Das Versorgungsstrukturgesetz erlaubt ihnen ab<br />
Januar 2<strong>01</strong>2 zusätzliche Leistungen durch Satzungsbestimmungen<br />
in den Katalog der „Kassenleistungen“ aufzunehmen,<br />
darunter auch solche, die gestern noch als individuelle<br />
Gesundheitsleistungen (IGeL) von den Versicherten bezahlt<br />
werden mussten. Zu solchen Angebotserweiterungen hat<br />
sicher der Wettbewerb unter den Leistungsanbietern beigetragen.<br />
So gibt es Kassen, die zum Beispiel die Kosten für<br />
die Glaukomfrüherkennung übernehmen, andere vergüten<br />
die Bestimmung des PSA-Wertes bei Vorsorgeuntersuchungen<br />
oder bezahlen osteopathische Behandlungen sowie die<br />
Kosten für homöopathische, antroposophische und andere<br />
pflanzliche Arzneimittel, wenn diese nicht apothekenpflichtig<br />
sind. Der Katalog solcher Angebote umfasst ferner bestimmte<br />
Heil- und Hilfsmittel, die Akupunktur bei Rücken- und Knieschmerzen<br />
sowie schmerztherapeutische Behandlungen<br />
(Stoßwellentherapie) und schließlich auch die professionelle<br />
Zahnreinigung. Die korrigierende Sicht der Dinge scheint<br />
bei diesen Kassen Früchte zu tragen.<br />
Die Selbstverantwortung des „mündigen Patienten“<br />
verdient mehr Respekt<br />
Patienten sind hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Bedürfnisse<br />
keine homogene Gruppe, sondern sie unterscheiden sich,<br />
was ihre Erwartungen und Hoffnungen von medizinischen<br />
Hilfeleistungen betrifft, nach ihren individuellen Bedürfnissen<br />
und ihrem ganz persönlichen Lebensstil. Wenn ein Patient<br />
individuell etwas „für seine Gesundheit tun will“, was<br />
seine Kasse nicht bezahlt und er darüber mit seinem Arzt<br />
sprechen möchte, bedarf es dazu keiner gesetzlichen<br />
Erlaubnis. Hierüber entscheidet der Einzelne entsprechend<br />
seinem individuellen Bedürfnis. Dass Ärzte hierüber mit<br />
Patienten aufklärende Gespräche führen und sie über den<br />
Nutzen und die Risiken sowie die Kosten dieser Leistungen<br />
informieren, ist eine Selbstverständlichkeit. Die Entscheidung,<br />
solche Leistungen in Anspruch zu nehmen, trifft allein der<br />
Patient. Dazu ist Beratung durch den Arzt unerlässlich,<br />
denn wer anders als der Arzt hat das Privileg der persönlichen<br />
Begegnung mit den wirklich bewegenden Realitäten<br />
des Lebens seiner Patienten. �<br />
— Alfred Boßmann, 30966 Hemmingen<br />
ZUR ERINNERUNG: BEIM ZAHNARZT GIBT ES KEINE IGEL<br />
IGeL – Individuelle Gesundheits Leistungen – sind ärztliche Leistungen, die nicht von den gesetzlichen Krankenkassen<br />
bezuschusst werden, und bei denen weder die Notwendigkeit ihrer Anwendung noch ihre Wirksamkeit<br />
anerkannt sind. In der Zahnmedizin gibt es nur vernachlässigbar wenige derartige Leistungen. Dagegen gibt es sehr<br />
viele Zusatzleistungen, die nicht – oder nach Ausgrenzung nicht mehr – im beschriebenen Grundleistungskatalog<br />
der gesetzlichen Krankenkassen enthalten, bei denen aber die Wirksamkeiten erwiesen sind. In den allermeisten<br />
Fällen, in denen Zusatzleistungen zur Anwendung gelangen, liegt auch eine Behandlungsnotwendigkeit vor und<br />
die gesetzlichen Krankenkassen beteiligen sich gegebenenfalls an den Kosten.<br />
Zahnmedizinische Zusatzleistungen kommen beispielsweise zur Anwendung, wenn sich behandlungsbedürftige<br />
Patienten nicht mit den im BEMA beschriebenen Grundleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zufrieden<br />
geben, sondern über das Maß von im SGB V beschriebenen ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlich<br />
notwendigen Therapien hinausgehende aufwändigere Alternativen wählen. Solche Alternativen gibt es für die<br />
meisten zahnmedizinischen Befunde.<br />
Auch wenn eine zahnärztliche Leistung keine „Kassenleistung“ ist, wie dies beispielsweise eine Professionelle<br />
Zahnreinigung (PZR) für einen parodontal gefährdeten Patienten darstellt, ist die Notwendigkeit und Wirksamkeit<br />
der Therapieform dennoch unbestritten belegt. Mit IGeL hat das nichts zu tun.<br />
— <strong>NZB</strong>-Redaktion<br />
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9<br />
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Foto: © Sergey Nivens/Fotolia.com<br />
Krankenkassen/MDK<br />
…, und die Erde ist eine Scheibe!<br />
Aus der gemeinsamen Pressemitteilung des<br />
Bundesministerium für Gesundheit und für<br />
Justiz vom 29.11.2<strong>01</strong>2: „Bei vertragszahnärztlichen Anträgen<br />
hat die Krankenkasse innerhalb von sechs Wochen<br />
zu entscheiden, der Gutachter nimmt innerhalb von vier<br />
Wochen Stellung.“<br />
Dies sind nach Gesetzentwurf die Fristen im vertraglich<br />
geregelten Gutachterverfahren, der MDK hat andere<br />
Fristen!! Die Kassen in Niedersachsen handeln also mit der<br />
Beauftragung des MDK bei vertragszahnärztlichen Anträgen<br />
gegen den offensichtlichen Willen des Gesetzgebers!<br />
Das Handlungskonzept der KZVN, die Versicherten zu bitten,<br />
ihre Rechte gegenüber ihrer Krankenkasse selbst geltend<br />
zu machen, hat diese in erhebliche Argumentationsschwierigkeiten<br />
gebracht. Das schlichte Befolgen der derzeitigen<br />
Rechtslage durch die Zahnärzte zeigt, dass hier<br />
eine Machtposition auf rechtlich tönernen Füssen aufrechterhalten<br />
werden soll!<br />
Und jeder, der sich dafür zur Verfügung stellt und „gutachterliche<br />
Stellungnahmen“ für den MDK anfertigt, leistet<br />
einen Beitrag dazu gegen den Willen aller gewählten<br />
Interessenvertreter!<br />
Es ist unhaltbar, dass die Versicherten die unterschiedlichsten<br />
Rechtsauffassungen dargelegt bekommen, um auch nur<br />
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einigermaßen plausibel zu erklären, warum ihrem einfachen<br />
Wunsch nach einem Vertragsgutachten nicht entsprochen<br />
werden kann.<br />
Im Folgenden sollen deshalb die wichtigsten Argumentationen<br />
der Kassen widerlegt werden, wie sie aus uns zur<br />
Verfügung gestellten Schreiben der Kassen, aber auch aus<br />
„Informationen“ für die Versicherten hervorgehen.<br />
Aus dem Schreiben einer Ersatzkasse die These, die so<br />
ähnlich in vielen Schreiben auch anderer Kassen und des<br />
MDK immer wieder auftaucht:<br />
„Der gesetzliche Begutachtungsauftrag (gemeint MDK nach<br />
§ 275) geht auch weiteren vertraglichen Regelungen mit der<br />
Zahnärzteschaft vor.“<br />
Oder: „Deshalb hat das in der Anlage 12 zum BMV-Z<br />
vereinbarte vertragliche Gutachterwesen keinen Vorrang<br />
gegenüber dem MDK – Gutachterverfahren.“<br />
Vereinfacht ist die Argumentation: Gesetz bricht Vertrag.<br />
Tatsache ist aber, dass genau anders herum lex specialis<br />
das lex generalis bricht!<br />
Der Gesetzgeber selbst (!) hat bei Einrichtung des MDK<br />
1989 in der Gesetzesbegründung geschrieben: „Vorrang<br />
des von den Vertragspartnern bereits vereinbarten Gutachterverfahrens“.
Wäre die Argumentation der Kassen richtig, dann müssten<br />
wir bei allen Kassenpatienten nach GOZ liquidieren (im<br />
Zahnheilkundegesetz geregelt), und nicht nach dem BEMA<br />
(nur Bestandteil der Bundesmantelverträge).<br />
Aus einer Versicherteninformation der Verbände der gesetzlichen<br />
Krankenkassen in Niedersachsen im September 2<strong>01</strong>2:<br />
„Durch die aktuelle berufspolitisch motivierte und rechtlich<br />
unzulässige Aufforderung der KZVN und zahnärztlicher<br />
Berufsverbände an die niedersächsischen Vertragszahnärzte,<br />
keine Behandlungsunterlagen an den MDK herauszugeben<br />
und eine Begutachtung durch den MDK zu verweigern,<br />
werden die Entscheidungen der Krankenkassen über<br />
konkrete Leistungsanträge für die Patienten verzögert oder<br />
sogar blockiert.“ Diese Aussage ist mittlerweile auf Verlangen<br />
der KZVN korrigiert worden.<br />
Tatsächlich gibt es Belege dafür, dass die Kassen zur<br />
Durchsetzung ihrer Auffassung eine Verzögerung der<br />
Versorgung ihrer Versicherten in Kauf nehmen. Eine große<br />
bundesweit agierende Kasse hat nach der uns vorliegenden<br />
Beschwerde eines Kollegen einen Heil- und Kostenplan<br />
Mitte November zur internen Beratung an den MDK gegeben.<br />
Termin 13.02.2<strong>01</strong>3, mittlerweile vom MDK verschoben auf<br />
den 27.02.2<strong>01</strong>3! Auf die Frage nach Alternativen gab es die<br />
Antwort, eine Begutachtung durch einen Vertragsgutachter<br />
sei definitiv ausgeschlossen!<br />
Wie unklar den einzelnen Krankenkassen-Mitarbeitern<br />
die Rechtslage bzgl. einer Widerspruchsmöglichkeit gegen<br />
ein MDK-„Gutachten“ ist, zeigt eine Auswahl vollkommen<br />
widersprüchlicher Auskünfte:<br />
1.) An einen Versicherten:<br />
„Da es sich bei einem sozialmedizinischen Gutachten<br />
nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um<br />
ein beratendes Schriftstück für die Krankenkasse<br />
handelt, ist dieser Widerspruch rechtlich unzulässig.“<br />
2.) An einen Zahnarzt:<br />
„Sollten Sie mit unserer Entscheidung nicht einverstanden<br />
sein, haben Sie die Möglichkeit Widerspruch einzulegen<br />
und wir werden erneut eine Begutachtung durch den<br />
MDK veranlassen.“<br />
3.) An eine Versicherte:<br />
„Gegen diesen Beschluss kann innerhalb eines Monats<br />
nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden.“<br />
Zu 1.) Tatsächlich kommt am ehesten die erste Aussage<br />
der Rechtslage nahe:<br />
Nach BSG-Urteil von 1989 darf sich die Kasse durch<br />
Dritte bei der Entscheidung beraten lassen, ob eine<br />
Leistungszusage erfolgen kann oder ein Vertragsgutachten<br />
eingeleitet werden soll. Die nunmehr von der<br />
Kasse gezogene Konsequenz ist aber falsch:<br />
Man kann nicht die Behandlung ohne Einleitung<br />
eines Vertragsgutachtens ablehnen, eine Widerspruchsmöglichkeit<br />
aber negieren mit dem Hinweis<br />
auf interne Beratung.<br />
Zu 2.) Der Zahnarzt ist von der Entscheidung der Kasse<br />
formal gar nicht betroffen, sondern lediglich der<br />
Versicherte. Deshalb ist der Zahnarzt auch nicht<br />
widerspruchsberechtigt. Im Übrigen gibt es deshalb<br />
auch keine Fristen, wie in einem Schreiben an einen<br />
Zahnarzt behauptet, er hätte die Widerspruchsfrist<br />
versäumt, die die Kasse (oder der Sachbearbeiter)<br />
sich offensichtlich selbst normiert hat!<br />
Zu 3.) Mittlerweile hat das Drängen auf einen Bescheid<br />
durch die Versicherten dazu geführt, dass tatsächlich<br />
ablehnende Leistungsentscheidungen auf der<br />
Grundlage der internen Beratung stattfinden, wie<br />
durch das dritte Zitat belegt. Das eröffnet dem Versicherten<br />
die Möglichkeit, sein Recht notfalls über das<br />
Bundessozialgericht einzuklagen!<br />
Einige Ersatzkassen gehen mittlerweile dazu über, ein<br />
sogenanntes „Obergutachten“ durch den MDK anfertigen zu<br />
lassen, und verwenden dabei das vertraglich vereinbarte<br />
Formular. Dies stellt eine zumindest fahrlässig herbeigeführte<br />
Verwechslungsgefahr dar:<br />
Das Obergutachten ist Bestandteil des Vertragsgutachterverfahrens.<br />
Die Verwendung dieses Begriffes in Verbindung<br />
mit dem Vertragsformular erweckt den Eindruck, dass es<br />
sich um ein Vertragsgutachten handelt!<br />
Es könnten noch eine Reihe falscher Darstellungen der<br />
Kassen gegenüber den Versicherten, aber auch gegenüber<br />
den Zahnärzten aufgeführt werden.<br />
Das zeigt die Verunsicherung der Krankenkassen-Mitarbeiter<br />
vor Ort, ihre Versicherten wohl auf Geheiß von oben zu<br />
einer bestimmten Verhaltensweise zu bewegen, ohne dies<br />
rechtlich sauber begründen zu können.<br />
Bitte überlassen Sie uns auch weiterhin Kopien solcher<br />
irreführenden Schreiben, damit wir die Dringlichkeit einer<br />
Lösung dieser strittigen Frage dokumentieren können!<br />
Empfehlen Sie Ihren Patienten zwei einfache Fragen, wenn<br />
der Bitte um ein Vertragsgutachten nicht entsprochen wird:<br />
1. Ist es rechtlich möglich, meiner Bitte zu entsprechen?<br />
(Lautet die Antwort: „nein“, so ist das eine glatte Lüge<br />
gegenüber dem Versicherten)<br />
Lautet die Antwort: „ja, aber…“, so ist die nächste Frage<br />
2. Wollen Sie meiner Bitte nicht entsprechen, oder dürfen<br />
Sie nicht?<br />
Den Versicherten wird dann schnell klar, wer hier zur<br />
Durchsetzung seiner Machtansprüche eine Verzögerung<br />
der Versorgung in Kauf nimmt! �<br />
— <strong>NZB</strong>-Redaktion<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
11<br />
P O L I T I S C H E S
Wohlstand im Notstand:<br />
Die Brüsseler EU als neuer<br />
Gottesstaat – Teil 1<br />
GEIZ IST TÖDLICH – GIER SOWIESO<br />
Für Ludwig Erhard war die Marktwirtschaft nie<br />
Selbstzweck, sondern essenzieller Bestandteil<br />
einer demokratischen Ordnung. Sein Ziel war Wohlstand<br />
für alle. Heute sieht man in der Brüsseler EU das Zeitalter<br />
des Absolutismus wieder aufleben; den Staat als Ausplünderer<br />
und Regulierer der Menschen. Sie ist eine<br />
Steuergeld-, Staatsschulden- und Finanzlobby-Union.<br />
Sie ist einstweilen der Tiefststand der Hinterzimmerpolitik<br />
dreister Schlips-und-Kragen-Täter, schreibt TIMM ESSER<br />
in seinem Essay für GEOLITICO.<br />
Denken auf Vorrat –<br />
„Von der Rendite leben, nicht vom Kapital“<br />
Die Chicago School of Economics stellt mit Milton Friedman<br />
& Co. drei mal so viele Nobelpreisträger wie Harvard. Trotzdem<br />
macht die Geldpolitik seit Jahrzehnten das Gegenteil<br />
der alten Wirtschaftslehren aus Chicago und folgt den<br />
Lehren der Keynesianer; den Kasinobänkern auf Kosten<br />
der Steuerkassen.<br />
Mit katastrophalen Folgen – Finanz-Crash 2008 und die<br />
groteske Euro-Krise durch staatlich gestützte Spekulation.<br />
Gegen diese Geldvernichtung hätten sich sogar Ökonom<br />
Milton Friedman (1912-2006) und Psychologe Erich Fromm<br />
(1900-1980) verbündet – gegensätzlicher geht es kaum.<br />
Freidenker Friedman traut dem Staat nicht, fordert aber ein<br />
staatliches Geldmonopol, weil er dem privaten Geldmarkt,<br />
den sogenannten „Märkten”, noch weniger traut. Der führt<br />
zu Gier. Almosen aus dem Sozialstaat und in der Folge<br />
Zwangskonsum asozialer Ramschprodukte führen zu Geiz.<br />
Beides führt zur Entfremdung von der realen Welt, nach<br />
Fromm die Krankheit des modernen Menschen. Und aktuell<br />
nach Enzensberger zur Entmündigung Europas unter der<br />
Herrschaft des gottesstaatlichen Brüsseler EU-Monsters.<br />
12 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Wie Lebensqualität manipuliert wird<br />
Was haben Freizeit und Ferienzeit der Bürger mit der Postenund-Pfründe-Wirtschaft<br />
der Politik zu tun? Alles, denn<br />
Lebensqualität ist kein Etikett auf einem Marmeladenglas.<br />
Die Qualität des Lebens ist interdisziplinär; mithin „systemrelevant”<br />
– wenn auch entgegengesetzt zur Sprechblase<br />
des derzeitigen politischen Personals. Alles in unserer<br />
Gesellschaft hat mit allem zu tun. Wie in der Medizin, wo<br />
der Mensch samt Körper und Geist mit allem zu tun hat,<br />
dem er ausgesetzt ist.<br />
Während die mittelständische Wirtschaft – mit seinen Unternehmern,<br />
Selbständigen und Freiberuflern das Rückgrat<br />
der deutschen Volkswirtschaft – mit immer dreisteren<br />
© Franky De Meyer/Fotolia.com
Bevormundungen reguliert und zur Steuerkasse gebeten<br />
wird, betätigt sich das Politik- und Geldgewerbe als Steigbügelhalter<br />
der Großkonzerne. Deren Eigentümer, die Aktionäre<br />
und Börsenspieler, sind schließlich die sogenannten<br />
„Märkte”. Also das Geldgewerbe daselbst, das – unreguliert<br />
und als Lieferant der Staatsschulden direkt aus der Steuerkasse<br />
subventioniert – seine satten Zinsgewinne wieder<br />
in marktbeherrschende Konzerne investiert. Ein bis dato<br />
scheinbar endloser Kreislauf.<br />
Der allein für das Politik- und Geldgewerbe höchst profitable<br />
Kreislauf beginnt jeden Tag aufs Neue und wird als „systemrelevant“<br />
gepriesen. Ein System, das den Bock zum Gärtner<br />
macht. Eine Lizenz zum Gelddrucken. Die Zeche zahlt der<br />
Mittelstand, die verwässerte Suppe löffelt der Verbraucher<br />
aus. Beide zusammen sind die „99 Prozent“ der Wirtschaft<br />
und der Bürger, die das System finanzieren.<br />
Der Mensch wird zum ferngesteuerten Ersatzteillager<br />
Das System namens „Europäische Union“ ist ein klassischer<br />
Legitimationsprozess durch Verfahren. Getreu der Luhmannschen<br />
Systemtheorie. Obendrein empfiehlt sich diese<br />
Tatsache allen Demokraten als Warnung vor den Auswüchsen<br />
des Transhumanismus, wie er laut Arte TV unverhohlen<br />
an der Singularity University in Kalifornien propagiert wird.<br />
Finanziert von ultrarechtem Großkapital mit dem Ziel, Menschen<br />
zu Maschinen zu machen – zu menschlichen Robotern.<br />
Der Transhumanismus wird von Francis Fukuyama als<br />
„eine der gefährlichsten Ideen“ bezeichnet. Eine fanatische<br />
Elite mit religiösem Sendungsbewusstsein, die im erhofften<br />
Milliardengeschäft der Zukunft unterwegs ist: Nanotechnologie,<br />
Biotechnologie, Gentechnik, regenerative Medizin<br />
und Gehirn-Computer-Schnittstellen; das Hochladen des<br />
menschlichen Bewusstseins in digitale Speicher. Eine Fernsteuerung<br />
ohne Widerstand.<br />
Vom Wohlstand zum Notstand:<br />
Die Brüsseler EU als neuer Gottesstaat<br />
Im Prinzip eine Planwirtschaft wie zu Zeiten der Betonköpfe<br />
im roten Moskau, diesmal nur himmelblau angemalt. Statt<br />
Hammer und Sichel auf blutrotem Grund flattern heute<br />
allerorts goldene Sterntaler auf blauen EU-Fahnen. Offenkundig<br />
eine Kopie der ersten US-Flagge von 1776 , eine<br />
grobe Verhöhnung des Gründergeistes der USA. Womit<br />
sich eine Handvoll selbsternannter EU-Politiker das Ziel<br />
wortwörtlich auf die Fahne geschrieben hat: Die Vereinigten<br />
Staaten von Europa. Ungefragt. Eigenmächtig. Seitdem<br />
sind 500 Millionen Bürger in 27 souveränen Staaten<br />
entmündigt. „Seit der EU-Gründung hat die Bevölkerung<br />
nichts mitzureden” (Hans Magnus Enzensberger). Ein<br />
Putsch ohne Panzer; eine Diktatur auf leisen Sohlen. Getreu<br />
der Vorhersage von Thomas Jefferson vor 200 Jahren.<br />
Um das Schönwettersymbol der Brüsseler EU zu durchschauen<br />
und das Szenario zu überblicken, muss die Mehrheit der<br />
Bürger nicht erst zu Karrieredoktoren in Politik und Wirtschaft<br />
promovieren. Die täglichen Belehrungen durch<br />
Chefvolkswirte der Banken und Börsen-Kommentatoren<br />
zu besten TV-Sendezeiten empfinden aufgeklärte Bürger<br />
längst als Beleidigung der eigenen Intelligenz.<br />
Die Geschichte ist eine wertvolle Quelle der Erkenntnis.<br />
So sieht man in der Brüsseler EU das Zeitalter des Absolutismus<br />
wieder aufleben; den Staat als Ausplünderer und<br />
Regulierer der Menschen. Nach dem Drehbuch des<br />
Kameralismus vergangener Zeiten: Die direkte Intervention<br />
des Staates und die untergeordnete Bedeutung des freien<br />
Unternehmertums. Mit dem Bedürfnis der absolutistisch<br />
regierten Staaten nach wachsenden Steuereinnahmen zur<br />
Bezahlung der Armeen, des Beamtenapparats, der repräsentativen<br />
Bauten und des Mäzenatentums der Fürsten<br />
entwickelte sich über die Jahrhunderte eine vom Dirigismus<br />
geprägte wirtschaftspolitische Praxis. Am Ende gar als<br />
Zeitgeist verklärt.<br />
Johann Wolfgang von Goethe lässt in Faust – Der Tragödie<br />
erster Teil – den Zeitgeist so umschreiben:<br />
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,<br />
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,<br />
In dem die Zeiten sich bespiegeln.<br />
Manipuliert wird freilich nicht nur der Geldfluss des Bürgerkapitals<br />
aus der Steuerkasse. Die passende Massenkultur<br />
wird gleich mitgeliefert. Ein alltägliches Beispiel: Alle Welt<br />
redet von Nachhaltigkeit. Der Begriff wird inflationär, zum �<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
13<br />
P O L I T I S C H E S
Januar/Februar/März/April<br />
Einreichungs- und<br />
2<strong>01</strong>3<br />
Zahlungstermine
�<br />
politischen Marketing-Instrument, anstatt zum Gütesiegel<br />
für gesundes Wirtschaften, wie es jeder Kleinbauer seit<br />
jeher vormacht. Nachhaltigkeit droht zur staatlich verordneten,<br />
leeren Worthülse für Wohlstand zu werden. Das Gegenteil<br />
eines Synonyms für Aufklärung und Leistung.<br />
Halbseidenes Grünzeug wird als Nachhaltigkeit verkauft<br />
Man schmückt sich mit halbseidenem Grünzeug-Glamour:<br />
Öko und Werte, Nachhaltigkeit im globalen Maßstab,<br />
Megatrends im Future Lifestyle, Finanzprodukte mit Bio-<br />
Stempel – solche Sachen. Die Botschaft: „Alles wird gut!”<br />
Das zieht immer. Die vollmundige Sprachlosigkeit der<br />
Großkonzern-Mänädscher unterscheidet sich durch nichts<br />
mehr vom nichtssagenden Talkshow-Blabla der Politik.<br />
So verbreitet eine Hotelfachzeitung im Juni 2<strong>01</strong>1 brav den<br />
Pressetext eines großen Reklamekunden: „Nachhaltigkeit<br />
macht froh” – Auf die beleidigend primitive Überschrift folgt<br />
prompt eine ebensolche Begründung: „Nachhaltiges<br />
Handeln stand lange in dem Ruf, Verzicht zu bedeuten.<br />
Heute verbindet mehr als die Hälfte der Deutschen mit<br />
dem Begriff Nachhaltigkeit auch Lebensfreude. Das geht<br />
aus einer Umfrage hervor, die Coca-Cola gemeinsam mit<br />
der Verbraucher Initiative e.V. durchgeführt hat.” Was<br />
Limonade mit Nachhaltigkeit zu tun hat, ist freilich nicht<br />
überliefert.<br />
Erst auf den Kahlschlag folgte die<br />
staatliche Forstwirtschaft<br />
Was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet, hat Carl von Carlowitz<br />
schon vor 300 Jahren anschaulich auf den Punkt gebracht,<br />
nachdem halb Europa abgeholzt war. Die damalige Holznot<br />
war vergleichbar mit einem heutigen Energie-Notstand und<br />
hatte große Teile der Wirtschaft lahmgelegt. Holz war der<br />
alltägliche Rohstoff für Handwerk, Handel (Transport) und<br />
Haushalte. Die Wälder wurden geplündert. Deshalb formu-<br />
© Nikada/Fotolia.com<br />
lierte Carl von Carlowitz 1713 in seinem Werk Sylvicultura<br />
Oeconomica erstmals, dass immer nur so viel Holz geschlagen<br />
werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung,<br />
durch Säen und Pflanzen nachwachsen konnte. Das Prinzip<br />
der Nachhaltigkeit war erkannt – schon vor 300 Jahren.<br />
Aus dem zuerst forstwirtschaftlich geprägten Ansatz hat<br />
sich der Leitgedanke für gesundes Wirtschaften im 21.<br />
Jahrhundert entwickelt. Die Lösung: „Von den Zinsen<br />
leben, nicht vom Kapital.“ Nachhaltig gesünder als „frohe<br />
Botschaften“ von Konzern-Theologen wäre die Rückbesinnung<br />
auf das Prinzip von Angebot und Nachfrage, das<br />
seit jeher die natürlichen Selbstheilungskräfte der realen<br />
Wirtschaft aktiviert und den Gesundheitszustand unserer<br />
Konsumgesellschaft verbessern würde. Anstatt Raubbau<br />
und Verdrängungswettbewerb durch das Finanz- und<br />
Konzern-Unwesen.<br />
„Haben kommt von Halten“ – die alte Bauernweisheit<br />
beschreibt ein gesundes Prinzip beim nachhaltigen Umgang<br />
mit Grund und Boden, mit der Kapitalrendite aus Immobilienbesitz.<br />
Die Finanzindustrie hat das Prinzip auf den Kopf<br />
gestellt: „Rendite kommt von Zocken“ – Kaufen mit dem<br />
Kapital fremder Leute, Weiterverkaufen mit dem Ziel<br />
schneller Profite. So verkommt der Immobilienhandel zum<br />
Börsenhandel. Wie einst der Wald wird heute das Kapital<br />
fremder Leute buchstäblich abgeholzt. „Nach uns die Sintflut!“<br />
Wie vor 300 Jahren der Kahlschlag nur durch staatliche<br />
Forstwirtschaft gestoppt werden konnte, so kann heute<br />
der Kahlschlag des Bürgerkapitals nur durch staatliche<br />
Geldwirtschaft gestoppt werden. Genauer: Durch nationalstaatliche<br />
Geldwirtschaft, denn das Brüsseler EU-Monster ist<br />
kein Staat. Sein Ziel, durch die Gründung der Vereinigten �<br />
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15<br />
P O L I T I S C H E S
� Staaten von Europa die Herrschaft der Finanzindustrie zu<br />
legitimieren, bedeutet den Kahlschlag der europäischen<br />
Kulturen.<br />
Ein gutes Gegenbeispiel sind die Prinzipien des Architekten<br />
und Schriftstellers Frank Lloyd Wright (1867-1959), dessen<br />
Werke seit der Entwicklung seines Usonian House die<br />
Architektur prägen. Ein Vorläufer der Bauhaus-Schule. „Einfachheit<br />
und Ruhe“ – Dieser Grundsatz des legendären<br />
Baumeisters sollte maßgeblich sein. Um solche Qualitäten<br />
zu erreichen, sei alles zu elimieren, was nicht notwendig ist.<br />
Nicht minder spektakulär sind die Fleißarbeiten einer aktuellen<br />
Wright-Nachfolgerin. Die Kölnerin Annabelle Selldorf<br />
ist heute eine der besten Architekten in New York mit<br />
einem erstaunlichen Repertoire an namhaften Standorten.<br />
Das Credo der Minimalistin: „It’s all retrospective“. Neben<br />
Stadtpalästen für Museen und Universitäten und Hochhäusern<br />
in Manhattan gehören auch Ferienhäuser zu Selldorfs<br />
kreativer Spielwiese – in den USA eine Disziplin der Architekten-Avantgarde.<br />
Selldorfs Sensibilität beim Umgang mit dem Lieblingsdomizil<br />
im Grünen gilt auch für Landhäuser und Strandhäuser in<br />
Long Island, dem Atlantik-Resort nahe Manhattan. Long<br />
Island ist so groß wie Schleswig-Holsteins Nordseeküste<br />
von Hamburg bis Dänemark und in vielen Aspekten<br />
vergleichbar. Die Vielfalt dieses Freizeit-Heiligtums der<br />
New Yorker wird traditionell gepflegt. Urlaub und Reisen im<br />
deutschen Sinne sind für Normalverbraucher in den USA<br />
ein unvorstellbarer Luxus. Freizeit begrenzt sich auf<br />
Wochenenden, Holidays sind dort nur seltene Feiertage,<br />
keine Ferienreisen. Ein kleines Beispiel dafür, wie Konsumenten<br />
hierzulande mit Hilfe der Denglisch-Seuche gezielt<br />
manipuliert werden.<br />
Wright-Erben wie Selldorf sind zum Glück die lebendige<br />
Antithese zu den Gruselbunkern aus heutigen Betonfabriken<br />
wie Rem Kohlhaas’ Rotterdamer OMA (Office for Metropolitan<br />
Architecture), die derzeit die neureiche Welt mit Mammutgebäuden<br />
pflastern. Getreu dem Schnittmuster der DDR-<br />
Plattenbauten in Städten ohne Eigenschaften. Finanziert<br />
werden die asozialen Schlachtschiffe vorzugsweise aus<br />
den vollen Kassen „moderner“ Staatsbänker in China,<br />
Singapur, Dubai – und natürlich in EU-Europa.<br />
PPP: Public Private Partnership oder<br />
Posten & Pfründe Patenschaft<br />
Wo die Öffentliche Hand ungezählte Milliarden Steuergelder<br />
an die Bauwirtschaft zu vergeben hat, da ist das magische<br />
Kürzel PPP besonders beliebt. Den Aktionären des Baukonzerns<br />
Bilfinger wird der Wert der PPP-Deals vom Ex-Finanzminister<br />
Peer Steinbrück bereitwillig bestätigt. Die Welt<br />
berichtet: Der Wert für zehn Interview-Antworten des leibhaftigen<br />
Steinbrück zur PPP wurde dem Baukonzern von<br />
den angeheuerten Redakteuren seines Geschäftsberichts<br />
16 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
mit 20.000 Euro in Rechnung gestellt. „Reden ist Geld“ hat<br />
die FAZ zu Steinbrücks Dinner-Speech-Pfründen festgestellt.<br />
Die Nebeneinkünfte des SPD-Kanzlerkandidaten und<br />
EU-Kavalleristen hat die Zeitung säuberlich recherchiert<br />
und aufgelistet. Überwiegend Honorare von Banken. Ausgerechnet<br />
denen hatte Steinbrück in seinem Hauptberuf<br />
als Rettungsschirmherr zu Beginn seiner Wahlkampfreden<br />
doch den Garaus angekündigt. Realsatire ist geldpolitischer<br />
Alltag – die politische Ökonomie ist ein dehnbares Geschäft<br />
geworden.<br />
Immobilienblase:<br />
In Deutschland drohen spanische Verhältnisse<br />
Trotz der spanischen Krankheit, die das Land in die Pleite<br />
getrieben hat, zockt das Geldgewerbe aus aller Welt seit<br />
2008 unbeirrt mit Immobilien-Spekulationen in Deutschland.<br />
Kommunalpolitiker fördern die Preistreiberei trotz Euro-Krise<br />
seit nunmehr vier Jahren. In den Metropolen heißt das<br />
Monopoly-Spiel Gentrifizierung oder auch Yuppisierung.<br />
Gebaut wird auf Pump. Verhökert wird an Immobilien-Fonds.<br />
Die Zeche zahlt der brave Normalbürger: Der Kleinanleger<br />
und/oder der Verbraucher.<br />
Die aktuelle Lage in Deutschland: Mieten und Kaufpreise<br />
für Wohnungen sind im 3. Quartal 2<strong>01</strong>2 weiter gestiegen.<br />
In kreisfreien Städten werden für Mietwohnungen inzwischen<br />
durchschnittlich 8,93 Euro/m verlangt, das sind 1,9 %<br />
mehr als noch im 1. Quartal 2<strong>01</strong>2, wie das Forschungsins -<br />
titut Empirica auf der Grundlage von 2 Mio. Inseraten<br />
ermittelt hat. Der Preisanstieg hält seit nunmehr vier Jahren an.<br />
Teuerste Städte sind nach wie vor München (13,03 Euro/m 2 ),<br />
Frankfurt (12,07 Euro/m 2 ), Hamburg (10,99 Euro/m 2 ) und<br />
Stuttgart (10,72 Euro/m 2 ). Eigentumswohnungen in den<br />
kreisfreien Städten verteuerten sich in nur neun Monaten<br />
durchschnittlich um 2,81,9 % auf 2.557 Euro/m . Hier liegt<br />
ebenfalls München mit einem Quadratmeterpreis von<br />
4.591 Euro an der Spitze, gefolgt von Freiburg (4.187 Euro),<br />
Stuttgart (3.218 Euro) und Hamburg (3.205).<br />
© elavuk81/Fotolia.com
Der Immobilien-Raubzug in Spanien<br />
Diese Durchschnittswerte sind erschreckend genug. Die<br />
handelsüblichen Exzesse in den deutschen Metropolen<br />
und Schickeria-Lagen dagegen haben spanische Zustände<br />
erreicht. Der konzertierte Raubzug in Spanien war eine<br />
Koproduktion von Politik und Finanzindustrie, überwiegend<br />
der öffentlich-rechtlichen Sparkassen, zuweilen im Format<br />
von Großbanken und „kontrolliert“ von der jeweils regierenden<br />
Partei. Die Plünderer sind weiterhin in Amt und<br />
Würden, schlimmstenfalls nur abgewählt.<br />
Bis heute wird keinem von Tausenden staatstragender<br />
spanischer Lehman Brothers der Prozess gemacht. Auch<br />
keinem von Tausenden Brüsseler EU-Beamten, denen das<br />
makabere Schauspiel ein Jahrzehnt lang angeblich entgangen<br />
ist – mitten im ach so integrierten EU-Europa, in dem<br />
zwar der Krümmungsgrad spanischer Bananen vermessen<br />
wird, nicht aber die Sickergruben des Geldgewerbes.<br />
Nicht nur in der Politik, auch in den deutschen Medien<br />
und Industrielobbys wurde – und wird – die spanische<br />
Zeitbombe unisono totgeschwiegen. Das ist umso merkwürdiger,<br />
als ein gutes Dutzend führender deutscher<br />
Massenmedien seit etwa 40 Jahren erfahrene Korrespondenzbüros<br />
in Madrid unterhält und deutsche Konzernfilialen<br />
die spanische Industrie dominieren – seit nunmehr 100<br />
Jahren; so alt ist die Deutsch-Spanische Handelskammer<br />
vor Ort. Hinzu kommt die landesweit operierende Deutsche<br />
Bank, die zusätzlich Spaniens Postbank betreibt. Sind<br />
Tausende deutscher Spanien-Geschäftsführer bereits<br />
Untertanen der veröffentlichten Meinung? In diesem Fall<br />
noch gravierender: Der nichtveröffentlichten Meinung.<br />
Obwohl die Staatspleite seit Jahren Tagesgespräch auf<br />
offener Straße ist; in einem Land mit fast 50 Millionen<br />
Einwohnern. Eine Zensur totalitärer Dimensionen.<br />
Die Bilanzleichen in den Kellern der Bad Banks werden<br />
nun unter EU-Rettungsschirmen getrocknet, die betrogenen<br />
Bürger aber bleiben über Generationen überschuldet. Statt<br />
Währungsreform und Neubeginn ist Spaniens Volkswirtschaft<br />
jetzt zurück in der finsteren Franco-Zeit des vergangenen<br />
Jahrhunderts. Summa summarum: Zufall oder Absicht?<br />
Grobe Dummheit oder machiavellische Intelligenz?<br />
Seit den Gründerzeit-Pionieren um Henry Ford hat sich<br />
kaum etwas geändert<br />
Wie schnell sich die Zeiten ändern – möchte man meinen,<br />
vergleicht man die beschaulichen Bilder vom Beginn des<br />
Reisezeitalters vor nur 50 Jahren mit den heutigen Betonwüsten<br />
an Mittelmeerstränden. In Wahrheit hat sich kaum<br />
etwas geändert. Außer: Heute ist alles reguliert. Von der<br />
Bananenkrümmung bis zur Glühbirne, angeblich zwecks<br />
„Verbraucherschutz“. Eine ebenso schamlose wie respektlose<br />
Gleichmacherei, die den vielfältigsten und liebenswer-<br />
© Andy Dean /istockphoto.com<br />
testen Multikulturkreis auf diesem Planeten, den Kontinent<br />
Europa, vor allem EU-, Euro- und Konzern-tauglich machen<br />
soll.<br />
Nur in den elementarsten Wirtschaftssektoren herrscht<br />
hemmungsloser Wildwuchs: Im Geldgewerbe, in der<br />
Nahrungsverseuchung, im Energiegeschäft, in der Gesundheitsindustrie,<br />
um nur einige beim Namen zu nennen.<br />
Unsere Gesellschaft ist längst nicht mehr von Angebot und<br />
Nachfrage geprägt, sondern von Plattmachern<br />
zwecks Konsum versus Vernunft. Dank omnipräsenter<br />
staatlicher Intervention gegenüber Normalbürgern. Und<br />
dank Subventionen aus den Steuerkassen, mit deren Hilfe<br />
den Konzern-Oligarchen die Kosten und Verluste verstaatlicht<br />
und den Börsenspielern die Gewinne privatisiert werden.<br />
Das Kunstgeld aus den Gelddruckmaschinen will rotieren.<br />
Gegen immer schnellere Verzinsung, folglich immer riskanter.<br />
Eine hochexplosive Mischung.<br />
Das ist nicht im Sinne der mühsamen Industriellen Revolutionen<br />
in der 200-jährigen Geschichte der realen Wirtschaft,<br />
die trotz aller Erschwerniszulagen seitens der Staatspolitik<br />
(Diktaturen, Kriege, Posten & Pfründe) und seitens der Finanzmärkte<br />
überlebt hat. Dagegen hat Automobil-Legende<br />
Henry Ford schon vor 100 Jahren lautstark gewettert. Henry<br />
Ford der Erste (1863-1947), der Ökologie-Pionier, Vorzeige-<br />
Unternehmer und Zeitungsverleger aus Leidenschaft,<br />
wörtlich über seinen Erzfeind: „Würden die Menschen das<br />
Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch<br />
vor morgen Früh.“ Da hatte der bodenständige Bauernsohn<br />
und geniale Ingenieur bereits Wirtschaftsgeschichte<br />
geschrieben.<br />
Nach Henry Ford wurde der Begriff Fordismus benannt,<br />
dessen Organisation von Arbeit und Kapital als typisch<br />
für die industrielle Epoche gilt: Die Entwicklung des<br />
Wohlstands anstelle des zu erwartenden krisenhaften<br />
Zusammenbruchs des Kapitalismus. �<br />
— Timm Esser<br />
Quelle: GEOLITICO www.geolitico.de<br />
Teil 2 lesen Sie im nächsten <strong>NZB</strong><br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
17<br />
P O L I T I S C H E S
INTERESSANTE EIN- UND AUSBLICKE:<br />
Franz Knieps zu Gast bei der KZVN<br />
DAS GESUNDHEITSWESEN IM SPANNUNGSFELD VON SOLIDARITÄT UND WETT-<br />
BEWERB – WIE ENTWICKELN SICH DIE POLITISCHEN RAHMENBEDINGUNGEN?<br />
Franz Knieps referierte vor den Mitgliedern der AG KZVen<br />
aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen<br />
und Schleswig-Holstein.<br />
Franz Knieps gilt nicht automatisch als Garant<br />
für gute Stimmung bei Angehörigen der Gesundheitsberufe.<br />
Zu eng ist der Name verbunden mit der<br />
restriktiven Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt, in deren<br />
Ministerium er 2002 zum Abteilungsleiter berufen wurde.<br />
Ganz andere und sehr interessante Erfahrungen konnten<br />
am 14. Dezember die Teilnehmer der Tagung der „Arbeitsgemeinschaft<br />
KZVen“ machen, die diesmal in Hannover<br />
bei der KZVN zu Gast waren. Die AG KZVen ist ein loser<br />
Zusammenschluss der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen<br />
von Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein<br />
und Niedersachsen. Die AG kommt an unterschiedlichen<br />
Orten zusammen, um Erfahrungen auszutauschen<br />
und gesundheitspolitische Problemfelder zu diskutieren<br />
und um auf Vorstandsebene gemeinsam nach Lösungen<br />
zu suchen.<br />
Franz Knieps hat seine politischen Wurzeln im AOK-Bundesverband.<br />
Als ehemaliger und einflussreicher Abteilungsleiter<br />
im Bundesministerium für Gesundheit, verstand er es, den<br />
KZV-Vertretern Einblicke in die Funktionsweise der Gesundheitspolitik<br />
der vergangenen Jahrzehnte zu geben.<br />
Franz Knieps ist noch immer „im Geschäft“, wie er sagt,<br />
und möchte in seiner neuen Position als Partner der Unter-<br />
18 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Foto: <strong>NZB</strong>-Archiv<br />
nehmensberatung „Wiese Consult“ – ohne abhängig zu<br />
werden - seine politischen Erfahrungen an deren Kunden<br />
weitergeben. Dazu gehören die Dinge, die man gegenüber<br />
der Politik tun oder auch lassen sollte, um nicht ungewollt<br />
in deren unerbittlichen Focus zu geraten.<br />
Gesetzgebungsverfahren „auf dem Flur“<br />
Der von KZVN-Chef Dr. Jobst-W. Carl als ausgewiesener<br />
Kenner des Systems vorgestellte Referent begann seinen<br />
Vortrag mit einer guten und einer schlechten Nachricht. Die<br />
gute sei, so Knieps, dass die Belange der Zahnärzte derzeit<br />
nicht im Focus der Politik stehen würden. Die schlechte<br />
lautete sybillinisch: „Wer sich meldet, kommt dran“. Und<br />
wenn dann die Akteure bei ihrer Argumentation übertrieben<br />
und marktschreierisch aufträten, führe das letztlich zu einem<br />
Imageschaden; man werde nicht mehr gehört.<br />
Der Referent gab Einblicke in die Entstehungsgeschichte<br />
von Gesundheits-Gesetzen, die nach seiner Ansicht zu<br />
einer Überregulierung, auch im zahnärztlichen Bereich,<br />
geführt hätten. Knieps plädierte für Gesetzgebungsverfahren,<br />
die nicht „auf dem Flur“ gemacht würden. Dafür, was sich<br />
so alles „auf dem Flur“ abspielt und wie politische Führungskräfte<br />
in Spitzengesprächen unter Ausschluss der hochspezialisierten<br />
Fachebene zu rein parteipolitisch begründeten<br />
Entscheidungen kommen, lieferte er beredte Beispiele.<br />
Versorgungsmangel prognostiziert<br />
In näherer Zukunft befürchtet Franz Knieps einen medizinischen<br />
Versorgungsmangel, der sich unter dem Stichwort<br />
„Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ noch verstärken<br />
werde. Ganz intensiv könne man schon jetzt den Mangel<br />
im Bereich der Pflege erkennen. Für die Zahnärzte stelle<br />
sich die Aufgabe, die Versorgung von alten Menschen und<br />
Behinderten zu verstärken. Parallel dazu müsse allerdings<br />
auch adäquat honoriert werden. Inzwischen wurde diese<br />
Forderung von der Realität eingeholt. In einer gemeinsamen<br />
Pressemeldung des GKV-Spitzenverbandes und der KZBV<br />
vom 17. Dezember bekunden die Vertragspartner:<br />
„Der GKV-Spitzenverband und die Kassenzahnärztliche<br />
Bundesvereinigung haben sich …auf zusätzliche Leistungen<br />
zur besseren zahnmedizinischen Betreuung von Versicherten<br />
in häuslicher und stationärer Pflege geeinigt. Ab 2<strong>01</strong>3 wird
es im Leistungskatalog der Krankenkassen eine neue Position<br />
für die aufsuchende Betreuung von Pflegebedürftigen,<br />
Menschen mit Behinderung und eingeschränkter Alltagskompetenz<br />
geben, die nicht mehr selbst in die Zahnarztpraxen<br />
kommen können. Auch das Wegegeld, das Zahnärzte<br />
für Haus- und Heimbesuche erhalten, wird angepasst.“<br />
Knieps beschrieb das Pflegerisiko alter Menschen mit<br />
mehreren chronischen Erkrankungen als das zentrale<br />
zukünftige gesellschaftliche Versorgungs-Problem, auf das<br />
die Politik noch nicht vorbereitet sei. Eine zukünftige Kerndebatte<br />
sei über die Versorgung in der Fläche und über<br />
die „Landflucht“ zu führen, bei der die Einzelpraxis zukünftige<br />
Anforderungen angesichts arbeitsteiliger Regelungen<br />
nicht mehr erfüllen könne. Ganz vehement mahnte er mehr<br />
Investitionen in die Versorgung auf Seiten der Krankenkassen<br />
an, die derzeit auf „Geldsäcken“ säßen.<br />
Das gegenwärtige Honorar-System für<br />
Ärzte ist nicht reformierbar<br />
Gesundheitskosten werden steigen<br />
In der derzeitigen Ausgestaltung hält Franz Knieps das<br />
gegenwärtige Honorar-System für Ärzte nicht mehr für<br />
reformierbar, weil es nicht mehr überschaubar sei. Eine<br />
weitere Detailgesetzgebung führe automatisch zu neuen<br />
Problemfeldern mit einer Komplexität, die dann nicht mehr<br />
steuerbar sein würde.<br />
Die Begründung für weiter steigende Kosten sieht Knieps<br />
vor allem im medizinischen Fortschritt begründet – noch<br />
vor der Problematik durch die demographische Entwicklung.<br />
Gleichzeitig erkannte er in seinem Beitrag den zahnmedizinischen<br />
Fortschritt, sowie die damit verbundenen Investitionskosten<br />
in den Praxen an, die einen Anpassungsbedarf<br />
im Honorarbereich nach sich ziehen würden. Der Anteil der<br />
Gesundheitskosten am Brutto-Inlandsprodukt werde zweifelsfrei<br />
steigen, weil die Bevölkerung stets mehr Geld für das<br />
System fordern werde, ohne Leistungseinschränkungen<br />
hinnehmen zu wollen.<br />
Und dann schimmerte der Querdenker durch, als Franz<br />
Knieps betonte, dass die begründeten Kostensteigerungen<br />
im Gesundheitsbereich keinesfalls zu Lasten der Bildung<br />
stattfinden dürften.<br />
Blick in die Glaskugel<br />
Mit dem Haftungsrecht und deren Auswüchsen steuere<br />
man in die Katastrophe, prophezeite Knieps, und lag damit<br />
sicherlich näher bei den Ärzten als bei denjenigen, denen<br />
das Patientenrechtegesetz nicht weit genug geht. Auch mit<br />
Blick auf Selektivverträge war er nahe bei den Ärzten. Sie<br />
seien nicht als Einkaufs-, sondern als Verkaufsmodell zu<br />
verstehen, und im Übrigen sehe er (noch) keine Notwendigkeit<br />
zur Einführung von Selektivverträgen im zahnärztlichen<br />
Bereich. Allerdings fiel auch der hässliche und weit auslegbare<br />
Begriff von „Pay for Performance“.<br />
Für das Fortbestehen des dualen Gesundheitssystems,<br />
das von BZÄK und KZBV gleichermaßen immer wieder mit<br />
Vehemenz gefordert wird, sieht der Gastredner keine Zukunft.<br />
Allerdings werde es immer einen Mix aus Beiträgen,<br />
Steuerzuschüssen und Selbstbeteiligungen (auch Zusatzversicherungen)<br />
geben, fügt er hinzu.<br />
Der gemeinsame Markt verlange nach einer einheitlichen<br />
Honorarordnung, wobei eine Debatte um das Verhältnis<br />
zwischen privater und gesetzlicher Gebührenordnung<br />
zunächst bei den Ärzten starten werde, vermutet Knieps.<br />
Aufschlussreich waren die Vermutungen zur zukünftigen<br />
politischen Farbkonstellation in Berlin nach der Bundestagswahl.<br />
Knieps hält in seiner Prognose die Bildung einer<br />
Großen Koalition für wahrscheinlich. Und die Vermutung,<br />
dass der Bayerische Ministerpräsident seinen Gesundheitsminister<br />
Söder eines Tages nach Berlin verschicken könnte,<br />
wurde von den Zuhörern wohl als die schlechteste aller<br />
Möglichkeiten empfunden.<br />
Fazit: Zahnärzte stehen derzeit nicht auf der Agenda der<br />
Politik. Und wenn man etwas zu sagen habe, dann solle<br />
man das ohne Übertreibungen mit belastbaren Zahlen<br />
unterfüttern. Die Zahnärzteschaft möge sich aber auf ein<br />
Konzept zur Versorgung multimorbider Menschen vorbereiten.<br />
Es ist sicher kein Zufall, dass sich die Kassenzahnärztliche<br />
Bundesvereinigung (KZBV) gerade mit diesen Themenkreisen<br />
intensiv, und wie man derzeit lesen kann, auch erfolgreich,<br />
befasst. � — loe<br />
FRANZ KNIEPS<br />
Studium der Rechtswissenschaft,<br />
Politische Wissenschaften und<br />
Neuere deutsche Literatur in Bonn<br />
und Freiburg. Er ist Volljurist und<br />
nach mehrjähriger wissenschaftlicher<br />
Tätigkeit in die Rechtsabteilung des<br />
AOK-Bundesverbands eingetreten. In Deutschland war er an allen<br />
Reformprojekten im Bereich Gesundheit und Pflege seit 1989 beteiligt.<br />
Nach Abordnungen ins Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung,<br />
in den Deutschen Bundestag und zur DDR-Sozialversicherung hat er die<br />
Leitung des Stabsbereichs Politik im AOK-Bundesverband übernommen.<br />
1996 wurde er dort zum Geschäftsführer Politik bestellt.<br />
Ende 2002 von der früheren Bundesministerin Ulla Schmidt zum Abteilungsleiter<br />
in ihrem Ministerium berufen. Neben allen Tätigkeiten war<br />
Franz Knieps für diverse Institutionen, darunter die Weltgesundheitsorganisation<br />
und die Europäische Union, als Experte für Gesundheitssystemfragen<br />
in fast allen Ländern Osteuropas, in der Türkei und Südafrika sowie<br />
in China, Japan und Südkorea vor Ort beratend im Einsatz.<br />
Bis Dezember 2009 Leitung der Abteilung Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung,<br />
Pflegesicherung im Bundesministerium für Gesundheit.<br />
Derzeitige Tätigkeit als Partner bei der Unternehmensberatung Wiese<br />
Consult „an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik, insbesondere<br />
in den Bereichen „Internationale Geschäftsbeziehungen und Investments“,<br />
„Health Care“ und „Public Affairs/Politikberatung“.<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
19<br />
Foto: Wiese-consult<br />
P O L I T I S C H E S
Zeit zum Gegensteuern<br />
DIE DEMOGRAFISCHE ENTWICKLUNG VOLLZIEHT SICH LANGSAM. NOCH IST<br />
ES NICHT ZU SPÄT, DIE SOZIALSYSTEME ZUKUNFTSSICHER ZU GESTALTEN<br />
Diese Krise kommt<br />
schleichend. Die Alterung<br />
der Bevölkerung Deutschlands<br />
vollzieht sich schon seit Jahrzehnten.<br />
Der Bevölkerungswissenschaftler<br />
Professor Herwig Birg nennt sie die<br />
„bestprognostizierte Krise“, die er kennt.<br />
So sagt das Statistische Bundesamt in<br />
seiner jüngsten Bevölkerungsvorausberechnung<br />
einen Rückgang der Einwohner<br />
Deutschlands von heute 82<br />
Millionen auf unter 65 Millionen Menschen<br />
im Jahr 2060 voraus. Gleichzeitig<br />
nimmt der sogenannte Altenquotient –<br />
also der Anteil der über 67-Jährigen<br />
20 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
an je 100 Personen im erwerbsfähigen<br />
Alter von 20 bis 67 Jahren – von 29 auf<br />
59,4 Prozent zu. Mit anderen Worten:<br />
Immer mehr ältere stehen immer<br />
weniger jüngeren Menschen gegenüber.<br />
Die Konsequenzen dieser Entwicklung<br />
sind hinlänglich bekannt: Die jeweils<br />
junge und arbeitende Generation<br />
muss immer mehr Geld aufbringen,<br />
um den größer werdenden Anteil der<br />
nicht mehr Erwerbstätigen zu finanzieren.<br />
Die sozialen Sicherungssysteme<br />
werden dabei über kurz oder lang an<br />
ihre Grenzen stoßen. Denn die soziale<br />
Absicherung erfolgt in Deutschland für<br />
© Yuri Arcurs/Fotolia.com<br />
den überwiegenden Teil der Bevölkerung<br />
im sogenannten Umlageverfahren.<br />
Das gilt sowohl für die Kranken- als<br />
auch für die Renten-, Pflege- und<br />
Arbeitslosenversicherung. Die Finanzierung<br />
dieser Systeme wird zum<br />
überwiegenden Teil durch die Beiträge<br />
der erwerbstätigen Bevölkerung getragen.<br />
Die so eingenommenen Mittel<br />
werden allerdings postwendend für<br />
die Kosten der Leistungsempfänger<br />
ausgegeben. Rücklagen werden nicht<br />
gebildet.<br />
Im Gegenteil: Schon heute reichen<br />
zum Beispiel die Beitragseinnahmen<br />
der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />
(GKV) nicht aus, um die laufenden<br />
Ausgaben zu decken. Allein in diesem<br />
Jahr muss das System daher mit<br />
14 Milliarden Euro aus Steuermitteln<br />
unterstützt werden.<br />
Welche drastischen Auswirkungen die<br />
Alterung der Bevölkerung auf dieses<br />
Finanzierungssystem haben wird,<br />
kann sich jeder ausmalen, der sich<br />
die Zahlen der Wissenschaftler ansieht:<br />
So betragen zum Beispiel die<br />
durchschnittlichen Krankheitskosten<br />
der Gesamtbevölkerung rund 3.100<br />
Euro pro Kopf und Jahr. In der Gruppe<br />
der über 85-Jährigen betragen die<br />
Kosten hingegen 14.840 Euro. Unter<br />
anderem aus diesem Grund prognostiziert<br />
das Institut für Gesundheits-<br />
System-Forschung Kiel (IGSF) der GKV<br />
eine annähernde Verdreifachung der<br />
Leistungsausgaben von 162 Milliarden<br />
Euro im Jahr 2008 auf 470 Milliarden<br />
Euro im Jahr 2060. Im gleichen<br />
Zeitraum wird die Zahl der Beitragszahler<br />
nach den Berechnungen des
Instituts von 51 Millionen auf nur<br />
noch 40 Millionen sinken. Die möglichen<br />
Folgen wären gravierend: Bei<br />
gleichbleibendem Leistungsumfang in<br />
der GKV müsste der Beitragssatz nach<br />
Angaben des Instituts bis zum Jahr<br />
2060 auf 52 Prozent steigen.<br />
Ähnlich dramatisch wird sich der demografische<br />
Wandel auf die Soziale<br />
Pflegepflichtversicherung auswirken.<br />
Denn Pflegebedürftigkeit entsteht in<br />
der Regel in der Spätphase des<br />
Lebens. Nach den Zahlen des Statistischen<br />
Bundesamtes wird sich jedoch<br />
der Anteil der über 80-Jährigen an der<br />
Gesamtbevölkerung von heute 5 auf<br />
14 Prozent im Jahr 2060 erhöhen. Die<br />
Zahl der Pflegebedürftigen wird<br />
daher in Zukunft deutlich zunehmen.<br />
Für den Beitragssatz prognostiziert<br />
das IGSF daher einen Anstieg auf<br />
über 5 Prozent.<br />
Selbst wenn man die Rentenversicherung<br />
außer Acht lässt, über deren<br />
existenzsichernde Wirkung ja just<br />
wieder diskutiert wird, ist klar: Hier<br />
steht die Generationengerechtigkeit in<br />
Deutschland auf dem Spiel. Auch die<br />
Großeltern-Generation will gewiss<br />
nicht, dass sie ihre Enkel übermäßig<br />
belastet. Denn diese Jahrgänge werden<br />
es auch so schwer genug haben: Sie<br />
können als „Generation Praktikum“ oft<br />
erst sehr spät auskömmlich bezahlte<br />
Erwerbsarbeitsplätze finden und erben<br />
sodann nicht nur die enormen Staatsschulden<br />
und Pensionslasten, die von<br />
den Generationen ihrer Eltern und<br />
Großeltern aufgehäuft wurden, sondern<br />
werden überdies wohl auch noch die<br />
dann fällig werdenden Bürgschaften<br />
der Euro-Finanzkrise bezahlen müssen.<br />
Dass es nicht ratsam ist, auf diese<br />
Weise auf Kosten der jüngeren Generationen<br />
zu leben, ist übrigens ebenfalls<br />
keine neue Erkenntnis. So widmete<br />
sich bereits Anfang der 1970er Jahre<br />
der berühmte amerikanische Philosoph<br />
John Rawls in seiner „Theorie der<br />
Gerechtigkeit“ der Frage, wie die<br />
unterschiedlichen Generationen miteinander<br />
umgehen sollten. Demnach<br />
ist das richtige Prinzip, das sich jede<br />
ENTWICKLUNG ALTENQUOTIENT<br />
67-Jährige und Ältere je 100 Personen im Alter von 20 bis 66 Jahren, in Prozent<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
2<strong>01</strong>0 2020 2030 2040 2050 2060<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt, 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2<strong>01</strong>2<br />
Generation zu eigen machen sollte,<br />
dasjenige, vom dem sie will, dass<br />
sich auch frühere Generationen<br />
danach gerichtet hätten. Auf diese<br />
Weise gelangt Rawls zu einem Sparprinzip,<br />
„das unsere Pflichten gegenüber<br />
anderen Generationen fundiert:<br />
Es stützt berechtigte Beschwerden über<br />
unsere Vorgänger und berechtigte<br />
Erwartungen an unsere Nachfahren.“<br />
Mit anderen Worten: Die älteren<br />
Generationen sollen nicht auf Kosten<br />
der jüngeren Generationen leben.<br />
BEVÖLKERUNG NACH ALTERSGRUPPEN<br />
15 %<br />
2008<br />
5 %<br />
61 %<br />
19 %<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt, 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2<strong>01</strong>2<br />
Welche Folgen ein gravierender und<br />
dauerhafter Verstoß gegen dieses<br />
Prinzip haben könnte, wird gerade in<br />
diesen Tagen mehr als deutlich. Denn<br />
in vielen Ländern Südeuropas, die<br />
derzeit besonders stark von der<br />
Eurokrise betroffen sind, ist seit vielen<br />
Jahren auf Kosten der Jugend gewirtschaftet<br />
worden. So landet etwa<br />
Griechenland in einer Studie der Organisation<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung (OECD) in<br />
Sachen Generationengerechtigkeit – �<br />
0 bis < 20<br />
20 bis < 65<br />
65 bis < 80<br />
> 80<br />
*) Untergrenze der<br />
„mittleren“ Bevölkerung<br />
20 %<br />
14 %<br />
2060*<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
16 %<br />
50 %<br />
21<br />
P O L I T I S C H E S
�<br />
gemessen unter anderem an der<br />
Höhe der direkten und versteckten<br />
Verschuldung und von Rentenansprüchen<br />
– unter 31 Ländern auf dem<br />
letzten Platz. Kaum besser schneiden<br />
Italien (Platz 29), Portugal (24) und<br />
Spanien (23) ab.<br />
Mit Platz 11 schneidet Deutschland<br />
im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit<br />
im internationalen Vergleich<br />
zwar recht gut ab. Doch auch die<br />
OECD schreibt in ihrer Untersuchung:<br />
„Die Platzierung im oberen Mittelfeld<br />
sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen,<br />
dass noch viele Herausforderungen<br />
gemeistert werden müssen,<br />
um tatsächlich einen fairen Ausgleich<br />
zwischen Alt und Jung herzustellen<br />
Herr Prof. Birg, der aktuelle Demografiebericht der<br />
Bundesregierung prognostiziert einen starken Rückgang<br />
der Bevölkerung und gleichzeitig einen deutlich<br />
höheren Anteil älterer Menschen in Deutschland.<br />
Was bedeutet das für unsere Zukunft?<br />
Prof. Birg: Deutschland gleicht einem Ruderboot, bei<br />
dem die Zahl der Ruderer schrumpft und die der älteren<br />
Passagiere wächst. Das Boot wird langsamer, das Wirtschaftswachstum<br />
erlahmt. Von den schwach wachsenden<br />
Arbeitseinkommen muss ein zunehmender Anteil zur<br />
Finanzierung der Gesetzlichen Renten-, Kranken- und<br />
Pflegeversicherung verwendet werden. Für die meisten<br />
Menschen bedeutet das Wohlstandseinbußen.<br />
Welche Lebensbereiche werden von der Entwicklung<br />
hin zu einer alternden Gesellschaft in welcher Form<br />
betroffen sein?<br />
Prof. Birg: Vielen Ruheständlern droht Altersarmut. Die<br />
niedrigen Renten könnten zwar theoretisch durch eine<br />
Erhöhung des Ruhestandsalters angehoben werden.<br />
Aber die Versorgungslücken der Gesetzlichen Kranken-<br />
22 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
und den Wohlstand für die Zukunft<br />
zu sichern. So dreht sich die aktuelle<br />
Debatte vor allem um die Nachhaltigkeit<br />
der sozialen Sicherungssysteme, die<br />
in Deutschland immer noch hauptsächlich<br />
als Umlagesysteme konzipiert sind.“<br />
Die Debatte um die Folgen der demografischen<br />
Entwicklung wird nun auch<br />
endlich von der Politik offensiv geführt<br />
und von ersten Maßnahmen flankiert.<br />
So heißt es im Demografiebericht des<br />
Bundesinnenministeriums: Die Entwicklungen<br />
der alternden Gesellschaft<br />
„würden ohne entsprechende Gegenmaßnahmen<br />
zu einer dauerhaften<br />
und wachsenden Finanzierungslücke<br />
im Gesundheitssystem führen.“ Auch<br />
aus diesem Grund sieht Bundeskanz-<br />
lerin Angela Merkel den Kampf für zukunftssichere<br />
Sozialsysteme als eine<br />
der drängendsten Herausforderungen<br />
dieser Zeit an: „Da geht es darum,<br />
dass wir die Veränderung im Altersaufbau<br />
unserer Gesellschaft so meistern,<br />
dass auch die Jungen noch eine<br />
Chance haben, später ihr Leben<br />
zu gestalten – und die Enkel auch.“<br />
Zudem veranstaltete die Bundesregierung<br />
in diesem Monat einen Demografiegipfel,<br />
auf dem entsprechende<br />
Lösungsansätze für mehr Nachhaltigkeit<br />
ausgiebig diskutiert wurden.<br />
Im Pflegebereich wurden indes mit<br />
der staatlich geförderten Zusatzversicherung<br />
die Weichen bereits in die<br />
richtige Richtung gestellt: Ab dem<br />
„Eine gut prognostizierte Krise“<br />
IM GESPRÄCH: PROF. DR. HERWIG BIRG<br />
und Pflegeversicherung lassen sich damit nicht beseitigen,<br />
denn die demografische Alterung führt zu steigenden<br />
Gesundheitsausgaben. Gleichzeitig geraten die Einnahmen<br />
unter Druck, weil die Zahl der Beitragszahler sinkt und<br />
ihre Einkommen nur schwach wachsen. Es gibt jedoch<br />
auch Wachstumsbranchen wie den Gesundheitssektor,<br />
der wegen der Alterung expandiert.<br />
Sind wir gut auf den demografischen Wandel vorbereitet,<br />
oder gibt es ungelöste Aufgaben, die wir jetzt<br />
dringend in den Griff bekommen müssen?<br />
Prof. Birg: Beim sogenannten demografischen Wandel<br />
handelt es sich um die bestprognostizierte Krise, die<br />
ich kenne. Die Politik weiß seit über 30 Jahren, was auf<br />
uns zukommt, aber sie war und ist nicht bereit, etwas<br />
gegen die hohe Kinderlosigkeit zu unternehmen, die<br />
die Hauptursache für die niedrige Geburtenrate von 1,4<br />
Kindern je Frau darstellt. Bei der nicht zugewanderten,<br />
deutschen Bevölkerung in den alten Bundesländern<br />
bleibt bereits jede dritte Frau zeitlebens kinderlos –<br />
Tendenz steigend. Diese wichtige Ursache der Alterung
1. Januar 2<strong>01</strong>3 unterstützt der Staat<br />
Pflegetagegeldversicherungen, die<br />
bestimmten gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
entsprechen, mit fünf Euro<br />
monatlich. Damit soll der Anreiz, selbst<br />
für das Pflegerisiko vorzusorgen,<br />
gestärkt werden. Gerade weil die<br />
Pflegepflichtversicherung ohnehin<br />
nur eine Teilabsicherung bietet, ist<br />
diese Neuregelung unerlässlich.<br />
Denn aufgrund des oben dargestellten<br />
Zuwachses an alten Menschen in<br />
Deutschland ist in den kommenden<br />
Jahrzehnten mit deutlich mehr Pflegebedürftigen<br />
als heute zu rechnen.<br />
Erfreulich ist darüber hinaus, dass<br />
die Bundesregierung die Private<br />
Krankenversicherung (PKV) explizit<br />
und Bevölkerungsschrumpfung findet in der Demografiestrategie<br />
der Bundesregierung keinen Niederschlag.<br />
Die Zahl der Geburten sinkt seit Jahrzehnten. Sie wird<br />
auch in Zukunft abnehmen, weil die nicht Geborenen<br />
keine Kinder haben können. Deutschland ist dabei, aus<br />
seiner demografischen Zukunft auszusteigen.<br />
Gibt es beim demografischen Wandel neben Risiken<br />
auch Chancen?<br />
Prof. Birg: Ich sehe fünf zentrale Auswirkungen der Alterung<br />
und Bevölkerungsschrumpfung, die Risiken bergen:<br />
1. Die Versorgung der alten Generationen durch die<br />
schrumpfenden jungen bedeutet Verteilungsstress,<br />
nicht Chancen.<br />
2. Das gleiche gilt für die Interessengegensätze zwischen<br />
Menschen mit Kindern und ohne.<br />
3. Innerhalb Deutschlands stabilisieren die Landeshauptstädte<br />
und Metropolregionen ihre Bevölkerung auf<br />
Kosten der Entleerungsgebiete durch Zuwanderungen<br />
– mit der Konsequenz regionaler Konflikte.<br />
4. Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund fühlt<br />
sich durch die schrumpfende deutsche Bevölkerung<br />
benachteiligt und diskriminiert.<br />
5. Die europäische Finanzkrise beruht auf der Verschuldung<br />
zu Lasten künftiger, kleiner werdender Generationen.<br />
Wenn die Zuwanderung junger Europäer aus<br />
Südeuropa nach Deutschland anhält, wäre dies zwar<br />
von Vorteil für den deutschen Arbeitsmarkt, aber<br />
deshalb von „Chancen“ der Finanzkrise zu sprechen,<br />
hieße die Dinge auf den Kopf stellen.<br />
als ein stabilisierendes Element im<br />
Gesundheitssystem anerkennt. Im<br />
Demografiebericht des Bundesinnenministeriums<br />
heißt es dazu:<br />
„Entsprechend dem privatrechtlich<br />
bestimmten Geschäftsmodell der Unternehmen<br />
der PKV werden steigende<br />
Gesundheitsausgaben in der Prämienkalkulation<br />
und bei der Bildung von<br />
Alterungsrückstellungen berücksichtigt.<br />
Neben der GKV ist die PKV ein konstitutives<br />
Element in einem freiheitlichen<br />
Gesundheitswesen. Die Bundesregierung<br />
hält an diesem bewährten zweigliedrigen<br />
System fest.“<br />
Und tatsächlich sorgen die Privatversicherten<br />
für ihre steigenden Gesundheitsausgaben<br />
selbst vor und entlasten<br />
damit die jüngeren Generationen. Die<br />
Private Krankenversicherung ist daher<br />
in unserer alternden Gesellschaft ein<br />
Teil der Lösung und nicht ein Teil des<br />
Problems. Das sollten all diejenigen<br />
bedenken, die unser hervorragend<br />
funktionierendes duales Gesundheitssystem<br />
zu Gunsten einer Einheitsversicherung<br />
abschaffen wollen.<br />
Die Spitze der demografischen Entwicklung<br />
wird erst in ein paar Jahrzehnten<br />
erreicht sein. Noch ist also Zeit, das<br />
Ruder herumzureißen und generationengerechte<br />
Lösungen für die drängendsten<br />
Probleme zu finden. Ein Ausbau<br />
der Umlagefinanzierung ist hingegen<br />
mit Sicherheit der falsche Weg. �<br />
— Quelle: PKVpublik Oktober 2<strong>01</strong>2<br />
Was kann der Einzelne heute schon tun, um sich für<br />
die Zukunft zu wappnen?<br />
Prof. Birg: In armen Entwicklungsländern ohne Sozialversicherung<br />
müssen die Menschen Kinder haben, um<br />
im Alter und bei Krankheit abgesichert zu sein. Die<br />
Deutschen glauben, wegen des sozialen Sicherungssystems<br />
auf (eigene) Kinder verzichten zu können –<br />
ohne Rücklagen zu bilden. Aber bei einer schrumpfenden<br />
Zahl von Geburten und Beitragszahlern sinken<br />
zwangsläufig die Leistungen der Gesetzlichen Renten-,<br />
Kranken- und Pflegeversicherung. Zur Schließung der<br />
drohenden Versorgungslücken sollte jeder möglichst<br />
früh mit dem Aufbau einer durch Rücklagen gebildeten<br />
Versorgungsbasis wie bei der Privaten Krankenversicherung<br />
beginnen. � — Quelle: PKVpublik Oktober 2<strong>01</strong>2<br />
PROF. DR. HERWIG BIRG<br />
Prof. Dr. Herwig Birg, geboren 1939, gehört<br />
zu den renommiertesten Bevölkerungsforschern<br />
in Deutschland. Von 1981 bis 2004<br />
hatte er den Lehrstuhl für Bevölkerungswissenschaft<br />
der Universität Bielefeld inne und<br />
war Geschäftsführender Direktor des Instituts<br />
für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik<br />
(IBS). Seit 2009 ist er u.a. Mitglied des<br />
Demographie-Beirats der Regierung des<br />
Landes Sachsen-Anhalt. Buchhinweis:<br />
„Die ausgefallene Generation – Was die Demographie über unsere Zukunft<br />
sagt.“ C.H. Beck, 2. Aufl., München 2006. Internet: www.herwig-birg.de.<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S 23<br />
P O L I T I S C H E S
Gemeinsam gegen häusliche Gewalt –<br />
Zahnärztinnen und Zahnärzte helfen<br />
PRESSEKONFERENZ ZUM GEMEINSAMEN PROJEKT ZWISCHEN<br />
KZVN, ZKN UND DEM SOZIALMINISTERIUM<br />
Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der<br />
drei Körperschaften ist unsere Aktion „Gemeinsam<br />
gegen häusliche Gewalt…“ am 13. Dezember offiziell und<br />
unter der Schirmherrschaft von Sozialministerin Aygül Özkan<br />
an den Start gegangen.<br />
Die Zahnärztliche Akademie Niedersachsen (ZAN) bot mit<br />
ihrer technischen und architektonischen Ausstattung einen<br />
besonders geeigneten Rahmen für die Pressekonferenz, zu<br />
der zahlreiche Pressevertreter der Printmedien und des<br />
Fernsehens gekommen waren.<br />
Unter der Moderation von Sabine Steding, Mitglied im<br />
Vorstand der ZKN, gaben Sozialministerin Aygül Özkan, der<br />
Präsident der ZKN, Dr. Michael Sereny, und der Vorsitzende<br />
des Vorstandes der KZVN, Dr. Jobst-W. Carl, ihre Statements<br />
ab, in denen sie die Problematik der häuslichen Gewalt<br />
anrissen und zugleich für die Akzeptanz des Projektes in<br />
der zahnärztlichen Kollegenschaft warben.<br />
„Zahnärztinnen und Zahnärzte sind oft die ersten und<br />
einzigen, die die Opfer zu Gesicht bekommen. Mit unserer<br />
24 P O L I T I S C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Fotos: A. Sturm, <strong>NZB</strong>-Archiv<br />
v.l.n.r.: Dr. Jobst-W. Carl (Vorstandsvorsitzender der KZVN), Aygül<br />
Özkan (Niedersächsische Sozialministerin), Dr. Michael Sereny<br />
(Präsident der ZKN), Sabine Steding (Vorstandsmitglied der ZKN<br />
und Moderatorin der Pressekonferenz).<br />
breit angelegten Informationskampagne wollen wir aufklären<br />
und die Zahnärzteschaft für dieses Thema sensibilisieren“,<br />
betonte Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan und<br />
fügte hinzu: „Mir ist wichtig, die Opfer von Gewalt zu<br />
unterstützen und ihnen Hilfe anzubieten. Die Gewaltspirale<br />
muss durchbrochen werden“.<br />
Zahnärztinnen und Zahnärzte wollen mit der Aktion, die<br />
auf Dauer angelegt ist, einen Beitrag zum Schutz betroffener<br />
Frauen, Männer und Kinder leisten, heißt es in der entsprechenden<br />
Pressemeldung der Körperschaften.<br />
Weiter heißt es darin: Jede vierte Frau wird laut einer Studie<br />
des Bundesfamilienministeriums mindestens einmal im<br />
Leben Opfer häuslicher Gewalt. Männer können ebenso<br />
davon betroffen sein, und auch Kinder erleiden schwere<br />
Verletzungen durch Gewalttaten im familiären Bereich.<br />
Durch häusliche Gewalt verursachte behandlungsbedürftige<br />
Verletzungen manifestieren sich in über 80 % der Fälle<br />
im Hals- und Kopfbereich. Zahnärztinnen und Zahnärzten<br />
kommt daher eine entscheidende Rolle zu, wenn es<br />
darum geht, die Betroffenen nicht nur zahnmedizinisch zu<br />
versorgen, sondern auch beratende Hilfestellung zu leisten<br />
und darüber hinaus eine gerichtsverwertbare Dokumentation<br />
zu ermöglichen.<br />
v.l.n.r.: Dr. Michael Sereny, Dr. Jobst-W. Carl,<br />
Ministerin Aygül Özkan, Sabine Steding, Dr. Michael Loewener.
Gemeinsam gegen<br />
häusliche Gewalt<br />
Zahnärztinnen und -ärzte helfen!<br />
Handlungsempfehlungen zum Erkennen, Ansprechen<br />
und Dokumentieren<br />
Beratung und Dokumentation<br />
1<br />
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„Zahnärztinnen und Zahnärzte genießen ein hohes Ansehen<br />
bei ihren Patienten. Damit kommt unserer Berufsgruppe<br />
eine entscheidende Rolle zu, wenn es darum geht,<br />
Gewaltopfer zu erkennen, sensibel anzusprechen und<br />
gegebenenfalls auf Hilfseinrichtungen in Niedersachsen<br />
hinzuweisen. Für die Betroffenen ist es wichtig, zu wissen,<br />
dass das Arztgeheimnis konsequent gewahrt bleibt und<br />
nichts ohne die ausdrückliche Einwilligung der Opfer<br />
geschieht“, ergänzte KZVN-Chef Dr. Jobst-W. Carl.<br />
„Für eine eventuelle spätere Strafverfolgung ist es wichtig,<br />
dass die Tatfolgen dokumentiert sind. Daher hat das<br />
Arbeitsbündnis einen „Befundbogen forensische Zahnmedizin“<br />
für die zahnärztliche Praxis erstellt. Der Befundbogen<br />
ermöglicht es, Verletzungen und Spuren von häuslicher<br />
Gewalt gerichtsfest zu sichern“, kündigte ZKN-Präsident<br />
Dr. Michael Sereny in seinem Statement an.<br />
Der Pressekonferenz war ein kurzer Besuch der Prophylaxeräume<br />
der Zahnärztlichen Akademie Niedersachsen durch<br />
Ministerin Özkan vorausgegangen, der den Pressefotografen<br />
willkommener Anlass für Aufnahmen war, die am selben<br />
Tag noch in den Nachrichten gesendet wurden.<br />
In anschließenden Einzelgesprächen standen sowohl<br />
ZKN-Präsident Dr. Sereny, als auch der KZVN-Vorstandsvorsitzende<br />
Dr. Carl den Journalisten zur Verfügung.<br />
Auf dem vierseitigen Befundbogen können Zahnärztinnen<br />
und Zahnärzte nach Art einer Checkliste Eintragungen<br />
vornehmen, die der/dem Betroffenen auch zu einem<br />
späteren Zeitpunkt für eine Verwendung vor Gericht dienen<br />
können.<br />
Die vorgestellte Broschüre wurde in Zusammenarbeit zwischen<br />
der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen,<br />
der Zahnärztekammer Niedersachsen und dem niedersächsischen<br />
Sozialministerium erarbeitet. Sie enthält<br />
neben Handlungsempfehlungen zum Umgang mit<br />
Opfern häuslicher Gewalt einen Adressteil mit Unterstützungseinrichtungen<br />
und Telefonnummern von<br />
Frauenunterstützungseinrichtungen (Frauenhäuser und<br />
Gewaltberatungsstellen), sowie eine Liste der<br />
niedersächsischen Jugendämter.<br />
Broschüre und Befundbogen sind im Dezember an alle<br />
Zahnarztpraxen versandt worden und können darüber<br />
hinaus von den Homepages der ZKN und der KZVN<br />
heruntergeladen werden.<br />
Fortbildung zum Thema „Häusliche Gewalt“ geplant<br />
Darüber hinaus werden die Zahnärztekammer und die<br />
Kassenzahnärztliche Vereinigung in diesem Jahr Fortbildungen<br />
zum Thema „Umgang mit Opfern häuslicher<br />
Gewalt“ anbieten, die sich u.a. mit der forensischen<br />
Problematik beschäftigen werden.<br />
Und auch die Informationsblätter der zahnärztlichen<br />
Körperschaften, „Niedersächsisches Zahnärzteblatt“ und<br />
„ZKN Mitteilungen“, werden die Thematik aufgreifen und<br />
durch Fachartikel vertiefen.<br />
Der Empfang der Ministerin fand in freundlicher Atmosphäre<br />
in den von den Mitarbeiterinnen der KZVN und der ZKN<br />
gemeinsam vorbereiteten Räumen der Zahnärztlichen<br />
Akademie Niedersachsen (ZAN) statt.<br />
Wir möchten uns noch einmal für die vertrauensvolle,<br />
konstruktive und reibungslose Zusammenarbeit bei den<br />
Mitarbeiterinnen des Sozialministeriums bedanken. Der<br />
Dank gilt auch der Pressestelle des Ministeriums für die<br />
Unterstützung, das Anliegen der Niedersächsischen Zahnärztinnen<br />
und Zahnärzte durch die Pressekonferenz in die<br />
Öffentlichkeit zu tragen. �<br />
Sabine Steding, Mitglied im Vorstand der ZKN<br />
Dr. Michael Loewener, Vorstandsreferent für<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der KZVN<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
25<br />
P O L I T I S C H E S
Fotos: Dr. H. Derks<br />
Funktion und Ästhetik durch<br />
interdisziplinäre Therapie<br />
KOMBINIERTE KIEFERORTHOPÄDISCHE,<br />
IMPLANTOLOGISCHE UND PROTHETISCHE BEHANDLUNG<br />
Abb. 1: Orthopantomogramm des Ausgangszustands:<br />
deutliche Ausdehnung des linken Sinus maxillaris nach kaudal.<br />
DR. HERMANN DERKS<br />
�Zahnmedizinstudium an der<br />
Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
�Approbation und Promotion in<br />
Gießen<br />
�Kfo-Ausbildung bei Prof. Tammoscheid in Gießen<br />
�Niederlassung in eigener Praxis in Emmerich 1979<br />
als Zahnarzt<br />
�1979 Mitglied der „Studiengruppe für Restaurative<br />
Zahnheilkunde“, Vorsitzender von 2000-2002<br />
�Vorträge über Parodontologie, Implantologie und<br />
funktionellen Zahnersatz, davon mehrere Vorträge in<br />
den USA und Schweden<br />
�Lehrauftrag der Radboud Universität Nijmegen<br />
�Zahlreiche Veröffentlichungen<br />
�Kassenlose Praxis in Emmerich seit 20 Jahren<br />
�Mitglied der DGP, PZVD und des BDIZ<br />
�Spezialist für Parodontologie (DGP)<br />
�Spezialist für Implantologie (BDIZ/EDA)<br />
26 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Problemfälle erfordern ein breites Behandlungsspektrum<br />
oder die Kooperation<br />
verschiedener Spezialdisziplinen. Somit ist Teamwork<br />
gefragt, mit einer engen Abstimmung zwischen den<br />
beteiligten Kollegen. Im nachfolgenden Beitrag wird<br />
dargestellt, wie bei einer komplexen Ausgangssituation<br />
bei einer 69-jährigen Patientin mit anteriorem Kreuzbiss<br />
ein kombinierter kieferorthopädischer, implantologischer<br />
und prothetischer Therapieansatz zu einer deutlichen<br />
Verbesserung der Funktion und der Ästhetik führte. Der<br />
Beitrag veranschaulicht, dass diese beiden Therapieziele<br />
nicht getrennt voneinander betrachtet werden können.<br />
Anamnese<br />
Die 69-jährige Patientin wurde uns zur präprothetischen<br />
Behandlung überwiesen. Die Anamnese ergab keine Allgemeinerkrankungen.<br />
Die Patientin störte in erster Linie das<br />
ästhetische Erscheinungsbild ihrer Zähne und ihres Lippenprofils.<br />
Sie war vom überweisenden Kollegen darüber<br />
informiert, dass im Oberkiefer nicht erhaltungswürdige Seitenzähne<br />
vorhanden waren und dass sie nach Entfernung<br />
dieser Zähne einen Zahnersatz benötigen würde. Einer<br />
Insertion von Implantaten stand die Patientin positiv gegenüber,<br />
wenn dadurch herausnehmbarer Zahnersatz<br />
vermieden werden konnte.<br />
Befund<br />
Im Oberkiefer fehlten die Weisheitszähne. Die ebenfalls<br />
fehlenden Zähne 15, 25 und 26 waren durch insuffiziente<br />
Brücken mit den Pfeilern 16 und 14 beziehungsweise 24<br />
und 27 ersetzt. Die Zähne 17, 16 und 27 wiesen stark vertiefte<br />
Zahnfleischtaschen auf, das Parodontium der übrigen<br />
Zähne war unauffällig. Der Unterkiefer war mit Kronen und<br />
einer Brücke versorgt. Auffällig war ein anteriorer Kreuzbiss<br />
und ein Engstand regio 42 bis 44, bei introvertierter<br />
Stellung der Zähne 11 und 21 (skelettale progene Tendenz).<br />
Zwischen den Zähnen 43 und 44 bestand ein deutlicher<br />
Niveauunterschied. Trotz der ungünstigen Verzahnung
klagte die Patientin nicht über funktionelle Beschwerden.<br />
Das Orthopantomogramm (Abb. 1) bestätigte den schlechten<br />
Parodontalzustand der Zähne 17, 16 und 27. Es zeigte aber<br />
auch, dass wegen der Ausdehnung der Kieferhöhle regio<br />
26, 27 eine Implantation nur nach vorheriger Augmentation<br />
des Kieferknochens möglich sein würde. Die Abbildungen<br />
2 bis 5 zeigen die klinische Ausgangssituation.<br />
Abb. 2: Ausgangszustand: anteriorer Kreuzbiss.<br />
Abb. 4: …bis fast ein Kopfbiss eingenommen werden kann.<br />
Die Bisslage soll temporär über eine Aufbissschiene so weit<br />
angehoben werden, dass die im Kreuzbiss stehenden Frontzähne<br />
in einen regelrechten Überbiss überstellt werden können.<br />
Abb. 6: Schädelbezüglich montierte Modelle zur Herstellung<br />
einer Schiene für die temporäre Bisshebung. Die Modelle zeigen<br />
auch den deutlich elongierten unteren rechten Eckzahn.<br />
Behandlungsplan<br />
Nach Herstellung weiterer Unterlagen (schädelbezüglich in<br />
zentrischer Relation im Artikulator montierte Modelle, Fotos)<br />
(Abb. 6) und Auswertung aller Unterlagen, einer Beratung<br />
mit dem überweisenden Kollegen und ausführlicher Rücksprache<br />
mit der Patientin wurde folgender Behandlungsplan<br />
erstellt: �<br />
Abb. 3: Ausgangszustand: Bei Mundöffnung kommt es zur<br />
Entschlüsselung der progenen Verzahnung…<br />
Abb. 5: Ausgangszustand: Deutliche Inversion der beiden<br />
mittleren oberen Incisivi. Beide Seitenzahnbrücken sind<br />
insuffizient.<br />
Abb. 7: Anbringen von Brackets an den Zähnen 35 bis 41 und<br />
43 bis 45. Extraktion des im Engstand stehenden Zahns 42 und<br />
Einligieren eines Bogens (Twistflex). Durch den Lückenschluss<br />
soll der untere Zahnbogen frontal verkleinert werden. Gleichzeitig<br />
soll die Niveaudifferenz zwischen 43 und 44 ausgeglichen werden.<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
27<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 8: Modell zur Herstellung einer Aufbissschiene. Zustand<br />
nach Durchtrennung des Brückenzwischenglieds distal von 25<br />
und Extraktion des Zahns 27. Der so entstandene Anhänger 25<br />
bleibt noch kurzfristig erhalten. Die beiden aktiven Elemente<br />
werden in die Aufbissschiene integriert und dienen der Protrusion<br />
der beiden introvertiert stehenden Zähne 11 und 21.<br />
Abb. 9: Aufbissschiene auf dem Modell…<br />
Abb. 10: …und vom Modell abgenommen.<br />
Abb. 11: Implantatinsertion regio 17, 15 und 25 bei gleichzeitiger<br />
Elevation des linken Kieferhöhlenbodens und Defektauffüllung<br />
mit Bio-Oss.<br />
28 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
��Entfernung<br />
der nicht erhaltungswürdigen Zähne 17, 27<br />
und zeitlich versetzt von 16;<br />
�kieferorthopädische Behandlung zur Erreichung eines<br />
regelrechten frontalen Überbisses und Behebung des<br />
Niveauunterschieds zwischen 34 und 44; Auflösung des<br />
frontalen Engstands durch Entfernung des Zahns 42 mit<br />
kieferorthopädischem Lückenschluss;<br />
�Insertion von Implantaten regio 17, 15, 25 und nach<br />
Sinuslift zeitlich versetzt regio 26;<br />
�prothetische Rehabilitation durch eine implantatgetragene<br />
Brücke 17 auf 15, implantatgetragene Kronen bei 25<br />
und 26 und Überkronung der Zähne 14 und 24 in Form<br />
metallkeramischer Restaurationen.<br />
Behandlungsablauf<br />
Nach dem Durchtrennen der Brücke im linken Oberkiefer<br />
distal von 25 wurden die Zähne 27 und 17 entfernt. Der<br />
Zahn 16 wurde zunächst belassen, um als Pfeiler für eine<br />
provisorische Brücke von 16 auf 14 zu dienen.<br />
In der nächsten Sitzung wurden die Zähne 34 bis 41 und<br />
43, 44 mit Brackets versehen, der Zahn 42 extrahiert und<br />
ein Twistflexbogen einligiert (Abb. 7). Auf den einartikulierten<br />
Modellen stellten wir eine Aufbissschiene her. Dazu wurde<br />
die vertikale Relation im Artikulator so weit angehoben,<br />
dass die im Kreuzbiss stehende Front in einen regelrechten<br />
Überbiss gestellt werden konnte. Um die invertiert stehenden<br />
mittleren oberen Schneidezähne nach labial bewegen<br />
zu können, wurde die Aufbissschiene mit entsprechenden<br />
aktiven Elementen versehen. Sie wurde während der<br />
aktiven Überstellung der Front permanent getragen, um<br />
Fehlbelastungen der im Kreuzbiss stehenden Zähne zu<br />
vermeiden (Abb. 8 bis 10).<br />
Nach Eingliederung der Schiene und Abtrennung des<br />
Anhängers 25 folgte die konventionelle Insertion der Implantate<br />
in regio 17, 15 und 25 (Implantate: 15 und 25<br />
ø 4,0 mm, Länge 11,5 mm; 17 ø 5,0 mm, Länge 13 mm).<br />
In der gleichen Behandlungssitzung wurde links eine Sinusbodenelevation<br />
vorgenommen (Abb. 11). Dazu wurde<br />
Abb. 12: Nach Wiederbefestigung der alten Brücke im rechten<br />
Oberkiefer Anfertigung einer Schwarz-Platte zur weiteren<br />
Ausformung der Oberkieferfront.
nach Bildung eines Schleimhautperiostlappens die bukkale<br />
Kieferhöhlenwand mittels Piezochirurgie eröffnet. Der nach<br />
Anhebung der Kieferhöhlenschleimhaut entstandene<br />
Defekt wurde mit einem Knochenersatzmaterial aufgefüllt<br />
und mit einer resorbierbaren Membran abgedeckt. Danach<br />
folgte der speicheldichte Nahtverschluss des zurückverlagerten<br />
Schleimhautperiostlappens. Zuletzt wurde die im<br />
rechten Oberkiefer zur Implantation abgenommene Brücke<br />
provisorisch befestigt und dann die ebenfalls zur Operation<br />
entfernte Aufbissschiene eingesetzt. Die gedeckte Einheilung<br />
der primärstabil inserierten Implantate verlief komplikationslos.<br />
Nach Ablauf der Einheilphase und Freilegung der<br />
Implantate erhielt das Implantat 25 aus ästhetischen Gründen<br />
keine Einheilkappe, sondern auf einem Hilfsabutment<br />
eine provisorische Kunststoffkrone. Nach erreichtem<br />
Kopfbiss wurde die Aufbissschiene durch eine Schwarz-<br />
Platte mit zwei aktiven Elementen zur weiteren Protrusion<br />
von 11 und 21 ersetzt (Abb. 12 und 13). Da eine mögliche<br />
Fehlbelastung im Schlussbiss (Jiggling) für die Zähne 11, 21<br />
nach ausreichender Protrusion ausgeschlossen werden<br />
kann, konnte das Gerät ohne Bisssperrung intermittierend<br />
getragen werden. Die Schwarz-Platte wurde später als<br />
Retainer verwendet. Die Abbildungen 14 und 15 zeigen<br />
den Fortschritt der kieferorthopädischen Behandlung. Der<br />
Twistflexbogen wurde zwischenzeitlich durch einen Rundbogen<br />
ersetzt. Die Frontzähne konnten überstellt und Zahn<br />
43 aus einer Supraposition in die Okklusionsebene geführt<br />
werden. Die Lücke 42 ist weitestgehend geschlossen.<br />
Sieben Monate nach der Sinusbodenelevation links wurde<br />
das Implantat regio 26 gesetzt (ø 5,0 mm, Länge 13 mm)<br />
(Abb. 16). Das zweizeitige Vorgehen bei den Implantationen<br />
wurde gewählt, da wegen der geringen Knochenhöhe eine<br />
Primärstabilität des Implantats 26 nicht hätte erzielt werden<br />
können, sodass vorrangig ein augmentatives Verfahren<br />
angezeigt war.<br />
Nach erfolgreicher kieferorthopädischer Behandlung wurden<br />
die Brackets entfernt (Abb. 17) und die Unterkieferfront mit<br />
einem geklebten Retainer versehen (Abb. 18). �<br />
Abb. 14: Zwischenergebnis der präprothetischen kieferorthopädischen<br />
Maßnahmen. Im Unterkiefer wurde zwischenzeitlich<br />
der Twistflexbogen durch einen Rundbogen ersetzt.<br />
Abb. 15: Das kieferorthopädische Ziel ist fast erreicht.<br />
Abb. 16: Insertion eines weiteren Implantats in die<br />
augmentierte Region 26.<br />
Abb. 13: Schwarz-Platte nach Eingliederung. Abb. 17: Zustand nach Lückenschluss und Ausrundung der<br />
unteren Front. Auch die Niveaudifferenz zwischen 43 und 44<br />
konnte ausgeglichen werden.<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
29<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 18: Stabilisierung der unteren Frontzähne durch einen<br />
geklebten Retainer.<br />
Abb. 19: Endergebnis nach Extraktion des Zahns 16 und<br />
abschließender prothetischer Therapie. Der Vergleich mit<br />
dem Ausgangsbefund (vgl. Abb. 2) demonstriert augenfällig<br />
die funktionelle und ästhetische Verbesserung (prothetische<br />
Versorgung durch Dr. R.Grützner, Kleve).<br />
Abb. 20: Abschlussbild des rehabilitierten Oberkiefers. Auch<br />
hier wird im Vergleich zum Ausgangszustand (vgl. Abb. 5)<br />
die Harmonisierung des Zahnbogens deutlich.<br />
Abb. 21: Orthopantomogramm nach Behandlungsabschluss.<br />
30 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
� Nach Osseointegration des Implantats 26 und Extraktion<br />
des Zahns 16 wurde die prothetische Versorgung mittels<br />
Zirkoniumdioxidkronen beziehungsweise Brücken durch<br />
den überweisenden Kollegen vorgenommen. Die Abbildungen<br />
19 bis 21 demonstrieren das gelungene Ergebnis.<br />
Da wegen der skelettalen progenen Tendenz und der<br />
Zahn-zu-Zahn-Okklusion eine Eckzahnführung nicht<br />
erreicht werden konnte, wurde als okklusales Konzept eine<br />
Gruppenführung angestrebt.<br />
Diskussion<br />
Das angestrebte Behandlungsziel der Verbesserung von<br />
Funktion und Ästhetik konnte im dargestellten Fall nicht<br />
ohne kieferorthopädische Maßnahmen erreicht werden.<br />
Der anteriore Kreuzbiss bestimmte im Schlussbiss die horizontale<br />
Zuordnung der Kiefer zueinander. Er beeinflusste<br />
aber nicht nur die Okklusion, sondern auch das Profil. Um<br />
kieferorthopädisch die positive inzisale Stufe über den<br />
Kopfbiss in einen regelrechten Überbiss zu korrigieren,<br />
bedurfte es einer temporären Veränderung der vertikalen<br />
Dimension, bis die Zähne übergestellt waren. Diese Erhöhung<br />
musste in der aktiven kieferorthopädischen Phase<br />
permanent gewährleistet sein. Kieferorthopädische<br />
Maßnahmen sind auch bei reduziertem parodontalen<br />
Attachment möglich, setzen aber parodontale Gesundheit<br />
voraus, die hier nach Entfernung der parodontal insuffizienten<br />
Zähne und einer parodontalen Initialtherapie gegeben<br />
war. Im vorliegenden Fall hatte die kieferorthopädische<br />
Intervention das Ziel, den anterioren Kreuzbiss zu<br />
beheben und den frontalen Engstand im Unterkiefer aufzulösen,<br />
um dadurch ein funktionell günstigeres okklusales<br />
Konzept zu ermöglichen und um das Profil zu verbessern.<br />
Um einen herausnehmbaren Zahnersatz zu vermeiden,<br />
wurden beidseitig Implantate inseriert, wobei dies heute<br />
im Oberkiefer auch bei stark extendierter Kieferhöhle durch<br />
die Elevation des Sinusbodens möglich ist.<br />
Die Elevation des Sinusbodens links und die Implantation<br />
an entsprechender Stelle wurden zeitlich versetzt vorgenommen,<br />
da wegen der geringen Knochenhöhe eine Primärstabilität<br />
des Implantats nicht hätte erzielt werden können.<br />
Letztlich musste die neu gewonnene Bisslage durch prothetische<br />
Maßnahmen stabilisiert werden. Bei der Planung<br />
des Falls wurden diese Komponenten berücksichtigt und<br />
in ein interdiziplinäres Behandlungskonzept integriert. �<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Zahnärztliche Privatpraxis Dr. Hermann Derks<br />
Steinstraße 12, 46446 Emmerich am Rhein<br />
Internet: www.drderks.de<br />
— Dr. Hermann Derks, Emmerich am Rhein<br />
Quelle: Bayerisches Zahnärzteblatt 11/2<strong>01</strong>0<br />
Literatur beim Verfasser
Komplementäre oralchirurgische<br />
Behandlung beim Jugendlichen<br />
Oralchirurgische Behandlungen werden oftmals<br />
mit einem hohen Angstpotential von<br />
den Patienten assoziiert, was eine besondere Betreuung<br />
von Kindern und Jugendlichen erfordert. Routinemäßig<br />
erfolgt der Kontakt mit dem chirurgisch tätigen Zahnarzt<br />
bei den meisten Kindern und Jugendlichen erst im Alter<br />
von ca. 16 – 18 Jahren zur Entfernung der Weisheitszähne.<br />
Darüber hinaus gibt es doch eine ganze Reihe von Indikationen,<br />
die eine chirurgische Intervention oder zumindest<br />
Abklärung notwendig erfordert. Dies sind neben den<br />
am häufigsten auftretenden Entwicklungsstörungen, in<br />
seltenen Fällen auch benigne oder maligne Neubildungen<br />
sowie die durch Karies oder Trauma zerstörten oder<br />
verletzten Zähne.<br />
Am häufigsten werden Entwicklungsstörungen des Kiefers<br />
im Kindesalter durch den behandelnden Kieferorthopäden<br />
diagnostiziert[12]. Dies zeigt sich zum einen in Durchbruchsstörungen[17],<br />
die sich aufgrund von eingeschränkten<br />
Platzverhältnissen ergeben können oder durch eine<br />
ungünstige Formation des Weichgewebes. Bei einer Verzögerung<br />
des Zahndurchbruches können follikuläre Zysten<br />
entstehen, die sich im Hart- und Weichgewebsbereich<br />
ausdehnen[6].<br />
Besonders bei den Weichgewebsveränderungen können<br />
diese durch eine einfache Zystostomie therapiert werden,<br />
so dass hier keine weitere invasive Maßnahme notwendig<br />
ist (Abb. <strong>01</strong> + 02). Je nach Gewebesituation sollte jedoch<br />
hier immer auch an die Gewinnung einer Probe zur pathohistologischen<br />
Aufarbeitung gedacht werden, da sich in<br />
seltenen Fällen auch tumoröse Veränderungen unter einer<br />
solchen vermeintlichen Durchbruchszyste verbergen können.<br />
Weiter zeigen sich Entwicklungsstörungen durch Fehlbildungen<br />
der Zähne, die sich als Hyper- oder Hypoplasie<br />
darstellen. Bei der sogenannten Gemination kommt es<br />
entwicklungsbedingt zu einer nicht vollständigen Doppelanlage<br />
eines Zahnes, so dass dieser in der Regel eine<br />
symmetrische Ausformung der Zahnbögen im Rahmen<br />
der kieferorthopädischen Behandlung nicht ermöglicht[5].<br />
Abb. 1: Ausgeprägte follikuläre Zyste mit Spontanperforation bei<br />
8 jährigem Jungen mit verzögertem Durchbruch des Zahnes 21.<br />
Abb. 2: Spontate Remission nach Zystotomie mit<br />
kontinuierlicher Einstellung des Zahnes 21.<br />
Je nach Ausmaß der Fehlbildung, das am besten durch<br />
eine 3-dimensionale radiologische Technik beurteilt werden<br />
kann, stellt sich die Indikation zur Entfernung oder der<br />
Hemisektion, die je nach Form des Zahnes unter Erhalt der<br />
Vitalität erreicht werden kann[3, 10]. Bei der Gemination<br />
von Milchzähnen kommt es dann häufig zu einer Persistenz<br />
dieser mit einer damit verbundenen Retention der<br />
bleibenden Zähne (Abb. 3-5). Eine weitere Entwicklungsstörung<br />
zeigt sich in der Retention der regelgerechten<br />
Form der Zähne besonders im Bereich des �<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
31<br />
Fotos: Dr. J. Neugebauer<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 3: Gemination an Zahn 72/71 bei bereits<br />
erfolgter Einstellung der Zähne 41, 42.<br />
Abb. 5: Extraktion der Gemination der Milchzähne: 71/72.<br />
Abb. 7: Osteotomie zur Freilegung der retinierten Zähne mit<br />
Fixierung von kieferorthopädischen Verankerungselementen.<br />
�<br />
Oberkiefereckzahngebietes, der Unterkiefer-Prämolaren und<br />
der Oberkieferschneidezähne[4, 22] oder von zusätzlichen<br />
Zahnanlagen[9]. Je nach Position des Zahnes erfordert dies<br />
jedoch dann eine weitergehende chirurgische Intervention,<br />
die je nach Lage des Zahnes in Sedierung oder Intubationsnarkose<br />
erfolgen sollte (Abb. 6-8). Besonders die Präparation<br />
der derben Gaumenschleimhaut erfordert eine Anästhesie<br />
am Foramen Incicivus und die empfindliche Präparation<br />
der derben Gaumenschleimhaut. Hier zeigt die Anwendung<br />
32 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Abb. 4: Abklärung der Gemination mit Darstellung eines<br />
Pulpenlumen der Doppelanlage 72/71 mit Retention<br />
der Zähne 31, 32.<br />
Abb. 6: Retention der Anlagen der zweiten Prämolaren im<br />
Unterkiefer beidseits.<br />
Abb. 8: Kontroll-OPG nach der Freilegung zur Verlaufskontrolle.<br />
der Computergesteuerten Anästhesie mit einer druckkontrollierten<br />
Abgabe des Anästhetikums Vorteile, da diese<br />
dann relativ schmerzfrei erfolgen kann. Durch eine damit<br />
verbundene intraossäre Anästhesie können diese Eingriffe<br />
durchaus bei jungen Patienten in Lokalanästhesie erbracht<br />
werden[1].<br />
Bei anatomisch schwierigen Verhältnissen kann für Operationsvorbereitung<br />
von retinierten und verlagerten Zähnen<br />
heutzutage die digitale Volumentomographie Anwendung
Abb. 09: DVT-Aufnahme zur Bestimmung der Impaktierung<br />
des Mesiodens, Auf Grund der fehlenden knöchernen<br />
Abdeckung erfolgte die Behandlung in Lokalanästhesie.<br />
Abb. 11: operative Entfernung des Mesiodens nach<br />
Mobilisierung der Gaumenschleimhaut.<br />
Abb. 13: Operationssitus vor dem Wundverschluss.<br />
finden[20]. Diese zeigt im Vergleich zum CT eine deutlich<br />
geringere Strahlenbelastung und die gleiche, wenn nicht<br />
sogar günstigere Detaildarstellung im Mundkiefer-Gesichtsbereich[19].<br />
Gerade Geräte mit der Bildverstärkertechnologie<br />
eignen sich hier besonders für die Behandlung von Kindern,<br />
da diese die geringste Dosis aufweisen[18]. Dennoch wird<br />
auf Grund des erhöhten Risikos durch die Strahlenbelastung<br />
bei Kindern eine genaue Indikationsstellung gefordert<br />
(Abb. 9-13).<br />
Abb. 10: Computerkontrollierte Abgabe des Lokalanästhetikums<br />
für eine tiefe intraossäre Anästhesie in der Prämaxilla.<br />
Abb. 12: Entfernter mikrodont ausgeprägter Mesiodens.<br />
Daher ist nicht für jede operative Freilegung und Fixierung<br />
von kieferorthopädischen Verankerungselementen die<br />
Anfertigung einer DVT-Aufnahme notwendig[21]. Damit die<br />
postoperativen Beschwerden und auch das Risiko der<br />
Schädigung der umliegenden Gewebsstrukturen so gering<br />
wie möglich ausfällt, eignet sich die Anwendung der<br />
Piezochirurgie als besonderes minimal invasives Verfahren[23]<br />
(Abb. 14-17). Wenn auch viele Mundschleimhautveränderungen<br />
im Bereich des Kindesalters sich in der Regel �<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
33<br />
F A C H L I C H E S
�<br />
Abb. 14: DVT zur Lagebestimmung des tief lingual<br />
retinierten Paramolaren rechts.<br />
Abb. 16: Kontrolle der Osteotomiehöhle ohne Verletzung der<br />
Weichgewebe des Mundbodens.<br />
unauffällig darstellen, sollten diese jedoch differentialdiagnostisch<br />
abgeklärt werden, da es sich durchaus auch um<br />
maligne oder zumindest invasive Erscheinungen handeln<br />
kann (Abb. 18-21). Ein Zuwarten über Monate ist nicht<br />
indiziert, da dies zu weiteren Wachstumsstörungen mit<br />
entsprechendem hohem kieferorthopädischem Korrekturbehandlungsaufwand<br />
führen kann. Ferner können diese<br />
Veränderungen auch maligne Formen zeigen, so dass hier<br />
eine baldmögliche Abklärung erfolgen sollte. Neben den<br />
entwicklungsbedingten pathologischen Geschehen zeigen<br />
sich auch entzündliche Veränderungen in der Mundhöhle,<br />
die eine strenge Indikationsstellung zur chirurgischen Intervention<br />
benötigen, da gerade bei den jungen Patienten<br />
eine Narbenbildung im wachsenden Gewebe für die spätere<br />
zahnärztliche Therapie sich nachteilig darstellen kann.<br />
Hier sind besonders bei chirurgischen Eingriffen die anatomischen<br />
Strukturen genau zu würdigen, so dass es hier zu<br />
keinen permanenten Funktionsbeeinträchtigungen, besonders<br />
der sensiblen Strukturen, kommt. Da sich das jugendliche<br />
Gewebe oftmals sehr grazil darstellt, ist zur Vermeidung<br />
34 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Abb. 15: Vorsichtige Osteomie mittels Piezochirurgie.<br />
Abb. 17: Entfernter Paramolar mit Pulpagewebe.<br />
von Narben durch iatrogene Restquetschwunden ein sehr<br />
dezidiertes Vorgehen notwendig. Bei tiefer Karies und<br />
schwierigen endodontischen Verhältnissen stellt die<br />
Transposition eines retinierten Weisheitszahnes auch im<br />
Zeitalter der Implantologie durchaus eine Therapieoption<br />
dar[16], da somit noch in der Wachstumsphase die Lücke<br />
ohne Beeinträchtigung der Nachbarzähne therapiert<br />
werden kann und somit die Kosten für eine aufwendigere<br />
Implantattherapie im jugendlichen Alter noch nicht anfallen<br />
(Abb. 22-24).<br />
Die Betreuung der jungen Patienten erfordert neben der<br />
chirurgischen Ausbildung auch eine gewisse Erfahrung,<br />
damit die Erwartungshaltung über den chirurgischen Eingriff<br />
richtig eingeschätzt werden kann und eine Mitarbeit des<br />
Patienten gewährleistet ist. Das Selbstbestimmungsrecht<br />
der kleinen Patienten ist dabei zu beachten, um keine<br />
Traumatisierung und damit verbundene spätere Behandlungsunwilligkeit<br />
zu riskieren[15]. Daher kommt der Wahl<br />
des geeigneten Narkoseverfahrens eine hohe Bedeutung<br />
zu. Da junge Patienten auf Grund sozialer Anpassungs-
Abb. 18: Bläulich livide, prall elastische Schleimhautveränderung<br />
nach bereits erfolgter Operation eines ameloblastischen<br />
Fibro-Odontom.<br />
Abb. 20: Operativer Situs mit Exchochleation des<br />
Weichgewebstumors und Anfrischung der Knochenkante.<br />
schwierigkeiten auch systemische Medikationen erhalten,<br />
kann es bei der Gabe von Beruhigungsmitteln durchaus<br />
zu Komplikationen kommen. Dies ist auch für die Auswahl<br />
eines in Betracht zu ziehenden Narkoseverfahrens zu berücksichtigen[7,<br />
8]. Daher kann je nach Umfang der geplanten<br />
Intervention diese auch bei jungen Patienten durchaus in<br />
Lokalanästhesie durchgeführt werden. Bei der Applikation<br />
der Lokalanästhesie sollte eine hohe Druckanwendung<br />
unterbleiben, um die Schmerzprovokation so gering wie<br />
möglich zu gestalten. Daher findet die computergestützte<br />
Anästhesie zunehmend mehr Verwendung, da das<br />
Schmerzempfinden reduziert werden kann[2]. Als Begleitmaßnahme<br />
hat sich das Hören von Musik über Kopfhörer<br />
etabliert, und ist durch die inzwischen sehr kleinen Geräte<br />
auch für den Behandler nicht störend[14]. Auf der anderen<br />
Seite sollte aber zur Vermeidung einer Prädisposition der<br />
Zahnarztangst ein solcher Eingriff nur bei direkter Zustimmung<br />
mit dem Patienten erfolgen, da diese nicht nur für den Patienten,<br />
sondern auch für den Behandler bei einem bereits<br />
begonnenen chirurgischen Eingriff eine hohe �<br />
Abb. 19: Dreidimensionale Diagnostik zur Beurteilung der<br />
knöchernen Strukturveränderungen.<br />
Abb. 21: Reizlose Abheilung und Einstellung des<br />
Zahnes 42 in die Zahnreihe.<br />
Abb. 22: Postoperative Kontrolle nach Transposition von 38 nach<br />
36 bei bereits zuvor erfolgter Transposition im Unterkiefer rechts.<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
35<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 23: Röntgenkontrolle nach 6 Jahren mit Erhalt der Vitalität<br />
der transponierten Zähne 38 und 48.<br />
�<br />
psychologische Belastung darstellt[13]. Je nach geplanter<br />
Dauer des Eingriffes kann die Behandlung dann unter<br />
Sedierung oder in Intubationsnarkose erfolgen[11]. Durch<br />
die modernen Narkoseverfahren ist dies in den meisten<br />
Fällen ambulant möglich.<br />
Da eine ganze Reihe von chirurgischen Maßnahmen bei<br />
Kindern notwendig werden kann, ist es wichtig, dass dieses<br />
unter kontrollierten Bedingungen erfolgen und eine effiziente<br />
Behandlung unter Routinebedingungen durchgeführt<br />
werden kann. Besonders erfordert dies auch ein<br />
Training des Personals, damit dieses auf den Umgang mit<br />
Kindern eingestellt ist. Damit die Erwartungshaltungen der<br />
jungen Patienten und der Angehörigen erfüllt werden können,<br />
ist es wichtig, dass sich die kooperierenden Kollegen<br />
über die Möglichkeiten und den Umfang der Behandlung<br />
(besonders der Anästhesieleistung) im Vorfeld absprechen,<br />
um somit das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. �<br />
— Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer1,2 , Dr. Dr. Martin Scheer 2 ,<br />
Dr. Frank Kistler 1 , Dr. Steffen Kistler 1 , Dr. Georg Bayer 1 ,<br />
Univ.-Prof. Dr. Dr. Joachim E. Zöller 2<br />
PRIV.-DOZ. DR. JÖRG NEUGEBAUER<br />
36 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Abb. 24: Klinischer Befund 6 Jahre nach Transposition.<br />
1 Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis<br />
Dres. Bayer, Kistler, Elbertzhagen und Kollegen<br />
Von-Kühlmann-Str. 1<br />
86899 Landsberg am Lech<br />
Tel: 08191 947666-0<br />
Fax: 08191 947666-95<br />
neugebauer@implantate-landsberg.de<br />
www.implantate-landsberg.de<br />
2 Interdisziplinäre Poliklinik für Orale Chirurgie<br />
und Implantologie<br />
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und<br />
Plastische Gesichtschirurgie der Universität zu Köln<br />
Direktor: Univ.-Professor Dr. Dr. J. E. Zöller<br />
Kerpener Str. 32<br />
50931 Köln<br />
Die Literaturliste kann unter www.nzb.de herunter geladen oder<br />
unter nzb-redaktion@kzvn.de angefordert werden.<br />
Studium der Zahnheilkunde Universität Heidelberg, Mehrjährige Tätigkeit in der Dentalindustrie, zuletzt<br />
Leiter R&D Implantologie, Weiterbildung Fachzahnarzt für Oralchirurgie, dann Oberarzt an der Interdisziplinäre<br />
Poliklinik für Orale Chirurgie und Implantologie der Universität zu Köln, Direktor Prof. Dr. Dr. J.E.<br />
Zöller, seit August 2<strong>01</strong>0 Praxis für Zahnheilkunde Dres Bayer, Kistler Elbertzhagen und Kollegen, Landsberg<br />
am Lech und weitere Lehr- und Forschungstätigkeit Universität Köln Forschungsschwerpunkte: Verlässlichkeit<br />
der Implantattherapie, antimikrobielle Photodynamische Therapie, Digitale Volumentomographie,<br />
Keramikimplantate.
Fotos: Dr. A. Sabbagh<br />
Kieferorthopädie versus Chirurgie<br />
KIEFERORTHOPÄDISCHE ALTERNATIVEN ZUR CHIRURGISCHEN KORREKTUR<br />
DER BISSLAGE BEI ERWACHSENEN<br />
Obwohl die Therapiemethoden und Techniken<br />
der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in den<br />
vergangenen Jahren enorme Fortschritte aufweisen, sind<br />
viele Patienten nicht bereit, einen derartigen operativen<br />
Eingriff durchführen zu lassen – nicht nur aus Angst vor<br />
der Operation und den damit verbundenen Risiken und<br />
Unannehmlichkeiten, sondern zum Teil auch aus ethischen<br />
oder finanziellen Gründen. Diese Patienten waren bisher<br />
in vielen Fällen nicht behandelbar und mussten häufig<br />
funktionelle und ästhetische Einschränkungen in Kauf<br />
nehmen, bis hin zu Kiefergelenksbeschwerden oder<br />
Zahnverlust.<br />
Neue kieferorthopädische Techniken und Materialien<br />
ermöglichen es, Patienten, die vor wenigen Jahren ohne<br />
einen chirurgischen Eingriff nicht erfolgreich therapiert<br />
werden konnten, konservativ, das heißt noninvasiv zu<br />
behandeln. Besonders häufig kann bei Erwachsenen in<br />
folgenden Fällen auf eine chirurgische Intervention verzichtet<br />
werden:<br />
�Mandibuläre Laterognathie/Distalbisslage<br />
�Unilateraler Kreuzbiss<br />
�Zirkulär offener Biss<br />
�Diskusvorverlagerung ohne Reposition/Diskusprolaps<br />
Abb. 1: Die Kiefergelenksadaptation besteht aus<br />
„condylus capping“ und „fossa shifting“.<br />
Mandibuläre Laterognathie/Distalbisslage<br />
Morphologische, histologische sowie magnetresonanztomografische<br />
Untersuchungen [4, 6, 7, 8, 11] zeigen die Einzigartigkeit<br />
des Kiefergelenks. Es besitzt nicht nur einen sehr<br />
aktiven, avaskulären Faserknorpel mit hoher Proliferationskapazität,<br />
sondern ist in der Lage, sich zu remodellieren<br />
und zu adaptieren, sogar noch im Erwachsenenalter. Die<br />
Adaptationsmöglichkeit der Kiefergelenke sowie die Fortschritte<br />
bei den festsitzenden funktionskieferorthopädischen<br />
Techniken und in der Kiefergelenkdiagnostik ermöglichen<br />
in bestimmten Fällen und bei entsprechender Indikation<br />
die Behandlung Erwachsener mit mandibulären Retrognathien<br />
ohne chirurgischen Eingriff, auch wenn die Adaptations-<br />
beziehungsweise Remodellierungsfähigkeit des Kiefergelenks<br />
bei Erwachsenen geringer ist als bei Jugendlichen<br />
(„condylus capping“ und „fossa shifting“) (Abb. 1).<br />
Insbesondere bei Deckbisspatienten liegt häufig eine dorsale<br />
Zwangsposition des Unterkiefers vor (Abb. 2). Sie wird<br />
oftmals durch die retrudierte und elongierte Stellung der<br />
oberen Schneidezähne verursacht [1, 4, 9, 14, 15]. In dieser<br />
Situation üben die Condylen einen unphysiologischen<br />
Druck auf die bilaminäre Zone aus und es kann zu einer<br />
schmerzhaften Traumatisierung dieses Gewebes bis hin �<br />
Abb. 2: Kompressionsgelenk (dorsal) aufgrund einer<br />
Zwangsführung des Unterkiefers nach posterior.<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
37<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 3: Der Aqua-Splint ist eine effektive Alternative zur<br />
Relaxierungs- und Distraktionschiene.<br />
�<br />
zu Diskusvorverlagerung und Kopfschmerzen kommen.<br />
Für bessere und langzeitstabile Ergebnisse ist vor einer<br />
kieferorthopädischen Behandlung gerade bei Erwachsenen<br />
die Untersuchung des Kiefergelenks sehr wichtig. Laut<br />
DGZMK und AFDT ist sie ein medizinisches und forensisches<br />
Muss. Dank der manuellen Funktionsdiagnostik ist sie in<br />
der täglichen Praxis mit geringem Aufwand möglich. Sollte<br />
eine Kiefergelenksdysfunktion festgestellt werden, wie<br />
etwa bei einer dorsalen Zwangsposition, so ist eine Kiefergelenktherapie<br />
vor der kieferorthopädischen Bissumstellung<br />
unabdingbar. Die Vorbehandlung hat für die nachfolgende<br />
kieferorthopädische Behandlung den großen Vorteil, dass<br />
sich der Unterkiefer durch die Beseitigung der dorsalen<br />
Zwangsposition nach ventral repositionieren kann. Dies<br />
verbessert die Ausgangslage für die Bissumstellung und<br />
ermöglicht gleichzeitig eine physiologischere Position der<br />
Condylen [2, 3, 10, 15, 25]. Eine vier- bis sechswöchige<br />
Vorbehandlung mit dem Aqua - Splint (Abb. 3) kann die<br />
Faktoren ausschalten, die den Unterkiefer in eine unphysiologische<br />
Position zwingen. Okklusale Störungen werden<br />
aufgehoben, die Muskulatur wird entspannt. Dies erlaubt<br />
eine moderate, aber spontane Unterkiefervorverlagerung<br />
und eine günstige ventrale Zentrierung der Condylen [4, 27].<br />
Abb. 4: Sabbagh Universal Spring (SUS 2 )<br />
zur Vorverlagerung des Unterkiefers.<br />
38 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Anschließend werden die Zahnreihen durch eine Multibrack -<br />
etapparatur kieferorthopädisch nivelliert, als Vorbereitung<br />
für die aktive Bissumstellung durch die SUS 2 (Sabbagh<br />
Universal Spring ® ), ein Teleskopelement mit Feder, das<br />
universell intermaxillär eingesetzt werden kann (Abb. 4<br />
und 5). Die Aktivierung erfolgt progressiv in kleinen Schritten<br />
von etwa zwei bis drei Millimetern, im Gegensatz zur traditionellen<br />
Lehrmeinung nach Herbst, die eine totale Unterkiefervorverlagerung<br />
in einem Schritt fordert [1, 2, 3, 15, 22].<br />
Das Konzept der progressiven Bissumstellung hat sich für<br />
uns klinisch und praktisch aus folgenden Gründen bewährt<br />
[2, 25, 27]:<br />
�Die Entstehung eines seitlich offenen Bisses sowie<br />
die Gefahr einer Zungendysfunktion bei Patienten mit<br />
entsprechender Tendenz werden vermindert.<br />
�Die auf die Verankerungseinheit beziehungsweise auf<br />
die Zähne und die Kiefergelenke ausgeübte Kraft wird<br />
reduziert. Die Bruchgefahr der Apparatur und die Belastung<br />
für das Gewebe beziehungsweise den Patienten<br />
werden verringert.<br />
�Jüngste klinische Untersuchungen [16, 17, 18, 21, 25, 27]<br />
haben gezeigt, dass dieses schrittweise Vorgehen zu<br />
besseren und stabileren Ergebnissen führt. Die Untersuchungen<br />
belegten auch einen signifikant höheren<br />
skelettalen Effekt. Morphologische und histologische<br />
Untersuchungen an Ratten ergaben bei progressiver<br />
Vorverlagerung des Unterkiefers im Vergleich zur Vorverlagerung<br />
in einem Schritt sogar bei erwachsenen Tieren<br />
eine signifikant höhere Zellteilungsrate und Knorpelapposition.<br />
Elektromyografischen Untersuchungen zufolge ist die<br />
Adaptation der Muskulatur bei progressiver Vorverlagerung<br />
signifikant besser, was die Rezidivgefahr durch den Muskelzug<br />
entscheidend verringert. Einer der Hauptgründe für<br />
ein Rezidiv nach einer Klasse II-Therapie ist der erhöhte<br />
Muskeltonus, vor allem im Bereich des Musculus digastricus.<br />
Elektromyografische Untersuchungen belegen, dass<br />
Abb. 5: Kiefergelenksadaptation nach der Unterkiefervorverlagerung mit der Sabbagh<br />
Universal Spring – links nach drei Monaten, rechts nach sechs Monaten.
die Kaumuskulatur bis zu einem Jahr benötigt, um sich der<br />
neuen Unterkieferposition anzupassen [9, 20,23]. Aus diesem<br />
Grund ist vor allem bei Erwachsenen eine ausreichend<br />
lange Retention unbedingt notwendig. Die Problematik<br />
herausnehmbarer Retentionsgeräte, insbesondere bei<br />
unzureichender Mitarbeit, ist hinreichend bekannt. Sie<br />
müssen bei Bedarf durch festsitzende Retentionsapparaturen,<br />
wie etwa SARA-Stops, ersetzt werden [4, 25, 29]. In Grenzfällen<br />
stellt die progressive Bissumstellung eine realistische<br />
Alternative zur chirurgischen Korrektur dar [19]. In vielen Fällen<br />
ist sie sogar kiefergelenksfreundlicher und mit weniger<br />
Kosten und Risiken verbunden (Abb. 6a bis c). Allerdings sind<br />
für den Erfolg das Einhalten der entsprechenden Indikation<br />
und die Vorgehensweise entscheidend.<br />
Unilateraler Kreuzbiss<br />
Die Beseitigung des lateralen Kreuzbisses bei Erwachsenen<br />
war nach der bis vor wenigen Jahren gültigen Lehrmeinung<br />
nur durch eine chirurgisch unterstützte Gaumennahterweiterung<br />
möglich. Allerdings zeigten viele Fallberichte und<br />
zuletzt auch mehrere Untersuchungen, dass in vielen<br />
moderaten Fällen eine nicht-chirurgische Gaumennahterweiterung<br />
erfolgreich durchgeführt werden kann (Abb. 7).<br />
Auch wenn manche Studien, wie die der Universität<br />
Chicago aus dem Jahre 20<strong>01</strong> [26], über eine erfolgreiche<br />
Gaumennahterweiterung bei allen der 47 untersuchten<br />
Patienten (auch mit bilateralem Kreuzbiss) berichtet haben,<br />
empfiehlt es sich aus Gründen der Langzeitstabilität nur<br />
unilaterale Kreuzbisse konservativ zu behandeln. Allerdings<br />
misslingt nach unserer Erfahrung die nicht-chirurgische<br />
Gaumennahterweiterung in etwa 20 Prozent der Fälle. Eine<br />
chirurgische Unterstützung muss deswegen vorbehalten<br />
bleiben und bei der Behandlungsplanung mit dem Patienten<br />
und dem Chirurgen abgestimmt werden. Am Anfang der<br />
Behandlung steht daher ein entsprechendes Aufklärungsgespräch<br />
mit dem Patienten. Ungefähr eine Woche nach<br />
Eingliederung und zweimal täglicher Aktivierung der Apparatur<br />
zur Gaumennahterweiterung sollte bei ausbleibenden<br />
Anzeichen einer erfolgreichen Gaumennahtsprengung die<br />
konservative Dehnung abgebrochen werden. Die Gaumennahtapparatur<br />
wird dann einmal täglich zurückgestellt und<br />
ein Operationstermin zur chirurgischen Unterstützung in circa<br />
zwei Wochen vereinbart.<br />
Zirkulär offener Biss<br />
Die Effektivität einer Le Fort I-Osteotomie für die Therapie<br />
des offenen Bisses ist ausreichend bekannt. Allerdings<br />
besteht seit der Entwicklung der Miniimplantatverankerung<br />
festsitzender kieferorthopädischer Apparaturen (Tomas-Pins ® )<br />
die Möglichkeit, moderate Fälle auch ohne eine chirurgische<br />
Intervention behandeln zu können [3] (Abb. 8a bis 9). �<br />
Abb. 6a bis c: Progressive Bissumstellung durch die Sabbagh<br />
Universal Spring als Alternative zur chirurgischen Korrektur.<br />
Abb. 7: Gaumennahterweiterung bei einem erwachsenen<br />
Patienten ohne chirurgische Unterstützung.<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
39<br />
F A C H L I C H E S
�<br />
Abb. 8a und b: Tomas-Pins als Hilfsmittel bei der Intrusion der oberen Molaren.<br />
Durch den Einsatz einer festsitzenden Intrusionsmechanik<br />
wird eine Impaktionskraft auf die posteriore Dentition des<br />
Oberkiefers ausgeübt. Die Intrusion der Oberkiefermolaren<br />
und die Kippung der Okklusionsebene ermöglichen eine<br />
den Biss schließende anteriore Rotation des Unterkiefers<br />
(Abb. 10) und eine Neuorientierung der Bisslage in vertikaler<br />
und sagittaler Richtung, wie auch eine Verbesserung der<br />
Kaufunktion und der Gesichtsästhetik. Diese Methode<br />
kann in Grenzfällen und bei entsprechender Indikationsstellung<br />
als Alternative zum chirurgischen Vorgehen angesehen<br />
werden.<br />
Bekanntlich ist ein offener Biss meistens mit einer Zungendysfunktion<br />
assoziiert. Ihre Behandlung darf vor, während<br />
und nach der kieferorthopädischen Behandlung nicht vernachlässigt<br />
werden, da davon maßgeblich der Erfolg und<br />
die Stabilität der kieferorthopädischen Behandlung abhängen.<br />
Die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Beseitigung<br />
einer Zungendysfunktion ist aber leider nicht sehr hoch und<br />
hängt hauptsächlich von der Motivation und der Disziplin<br />
des Patienten ab. Bei nicht-kooperativen Patienten sollte<br />
gegebenenfalls von einer Behandlung abgesehen werden.<br />
Diskusvorverlagerung ohne Reposition/Diskusprolaps<br />
Zur Behandlung einer Diskusvorverlagerung ohne Reposition<br />
wird in vielen Klinken eine Diskotomie durchgeführt.<br />
Angesichts der nicht zu unterschätzenden Risiken dieser<br />
Operation [11, 14] wie einer Fazialisparese oder einer stark<br />
eingeschränkten Mundöffnung sowie wegen des allgemeinen<br />
Operationsrisikos sollte sie nur in therapieresistenten<br />
Ausnahmefällen durchgeführt werden. Die Behandlung mit<br />
dem Aqua-Splint, unterstützt von krankengymnastischen<br />
Übungen (Rotationsübungen) und Kältetherapie, hat sich<br />
als effektive und sichere Alternative zur Diskotomie bewährt.<br />
Die Therapie mit dem Aqua-Splint ist in diesen speziellen<br />
Fällen vorteilhafter als die klassische Aufbissschiene, vor<br />
allem weil eine Abformung bei schmerzhafter und eingeschränkter<br />
Mundöffnung kaum möglich ist. Zudem kann<br />
mit einer klassischen Aufbissschiene aufgrund der benötig-<br />
40 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
ten Herstellungszeit keine Soforthilfe geleistet werden. Der<br />
Aqua-Splint hat hinsichtlich sofortiger Einsatzmöglichkeit<br />
ohne Abformung, Registrierung oder Laborarbeiten große<br />
Vorteile und die Therapie kann sofort beginnen. Die Aquabalance<br />
zwischen den beiden Wasserkissen führt zu einem<br />
ständigen Ausgleich der beiden Condylen, was die<br />
Abb. 9: Erfolgreiche Behandlung eines offenen Bisses mithilfe<br />
von Tomas-Pins ohne Le Fort I-Osteotomie.<br />
Abb. 10: Biomechanik der nicht-chirurgischen<br />
dento-alveolären Impaktion.
Gelenkentlastung und Schmerzlinderung fördert und dem<br />
Behandler beziehungsweise dem Patienten häufige Einschleifbeziehungsweise<br />
Adjustierungstermine erspart [15, 27].<br />
Neueste Untersuchungen zeigen, dass eine Reposition des<br />
Diskus articularis, sei es chirurgisch oder kieferorthopädisch,<br />
wie in den letzten Jahrzehnten propagiert, nicht mehr<br />
empfohlen werden kann. Die Rezidivgefahr ist sehr hoch<br />
und eine Diskusvorverlagerung entsteht hauptsächlich<br />
eben nicht durch eine Malokklusion, sondern durch eine<br />
erblich bedingte Bindegewebeschwäche. �<br />
Korrespondenzadresse:<br />
Dr. Aladin Sabbagh<br />
Kieferorthopädische Gemeinschaftspraxis<br />
Dr. Sabbagh & Dr. Wirth<br />
Apothekergasse 2, 91054 Erlangen<br />
Tel.: 09131 53022-0<br />
E-Mail. praxis@sw-ortho.de, Internet: www.sw-ortho.de<br />
Literatur beim Verfasser<br />
— Dr. Aladin Sabbagh, Erlangen<br />
Quelle: Bayerisches Zahnärzteblatt 20/2<strong>01</strong>2<br />
Sie fragen – wir antworten<br />
DR. ALADIN SABBAGH<br />
�1982-1987 Studium der Zahnmedizin an<br />
der Universität Damaskus.<br />
�1987 Promotion mit einer Arbeit über „orale Symptome<br />
systemischer Erkrankungen“<br />
�1989 Anerkennung als Fachzahnarzt für Oralchirurgie.<br />
�1989-1993 Weiterbildungsassistent an der Universität Kiel<br />
dann in einer Weiterbildungspraxis in Nürnberg.<br />
�1993 Anerkennung als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie<br />
(München), Niederlassung in eigener Praxis in Erlangen<br />
�1997 Patentanmeldung „Sabbagh Universal Spring“<br />
(US patent 5944518, German patent 19809324)<br />
�2002 Patenterteilung „Aqua-Splint“ (EU/USA)<br />
�2005 Obmann des Berufsverbandes der deutschen<br />
Kieferorthopäden (BDK) in Mittelfranken.<br />
KOMPETENT • ZEITNAH • VERLÄSSLICH • NIEDERSACHSENWEIT<br />
Die Servicehotlines der KZVN<br />
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Freitag: 8:00 bis 15:00 Uhr<br />
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F A C H L I C H E S
Strafbarkeit von Zahnärzten für<br />
anästhesiologische Komplikationen<br />
VERTRAUEN IST GUT, VEREINBARUNGEN SIND BESSER<br />
Qualitätssicherung durch Transparenz<br />
schaffen – das war bereits 1980 einer der<br />
Grundsätze des DAZ. Schon damals kein leeres Schlagwort,<br />
sondern die notwendige Konsequenz aus der verbreiteten<br />
Haltung der Standesführung, Malpractice und eigene<br />
Versäumnisse zumindest vor der Öffentlichkeit, aber<br />
auch vor der Kollegenschaft zu verbergen. Daran scheint<br />
sich nichts geändert zu haben: Im Forum 110 hatte<br />
Dr. Hanns-W. Hey mit seinem Beitrag „Tod durch Rationalisierung“<br />
auf die in diversen Medien berichteten<br />
Todesfälle bei Narkosen in Zahnarztpraxen hingewiesen<br />
und darin seine Mindestforderung nach Veröffentlichung<br />
dieser Fälle in den Fachmedien erhoben, „damit jeder<br />
Kollege seine eigenen Konsequenzen daraus ziehen<br />
kann“. Mit der gleichen Intention hat der Anästhesist<br />
und Gerichtsgutachter Prof. Dr. Uwe Schulte- Sasse<br />
mit dem Juristen Tim Neelmeier den Zahnärztlichen<br />
42 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Mitteilungen (ZM) einen Beitrag zum Thema angeboten,<br />
die allerdings – so die Autoren – sinngemäß wissen<br />
ließen, „dass man ausdrücklich keine Berichterstattung<br />
über diesen Themenkreis wünsche, um die eigenen<br />
Mitglieder und Leser nicht zu verunsichern.“ Der DAZ und<br />
die Forum-Redaktion halten diesen Standpunkt gerade<br />
bei dieser brisanten Problemlage für berufsschädigend,<br />
weil damit die Kollegenschaft über wichtige Rechtspositionen<br />
in Unkenntnis gelassen und in falscher Sicherheit<br />
gewiegt wird. Für das Forum haben die Autoren den<br />
Beitrag aktualisiert.<br />
Todesfälle – insbesondere von Kindern – nach operativen<br />
Eingriffen in Narkose in Zahnarztpraxen haben in der<br />
jüngeren Zeit wiederholt hervorgehobene Aufmerksamkeit<br />
in den Medien erfahren [Spiegel online 2<strong>01</strong>2a, Spiegel<br />
online 2<strong>01</strong>2b, stern.de 2<strong>01</strong>2]. Auf dem Medizinstrafrechtstag<br />
© Juan Herrera/iStockphoto.com
des Deutschen Anwaltvereins [Lindemann 2<strong>01</strong>2] wurde<br />
besorgt berichtet über „eine fatale Tendenz in der Praxis<br />
ambulanten Operierens […], die mit einer adäquaten<br />
anästhesiologischen Versorgung verbundenen ‚Kostenfaktoren‘<br />
zu reduzieren, auch wenn dies mit erkennbaren<br />
Risiken für Leib und Leben der behandelten Patienten<br />
verbunden ist.“ Besondere Beachtung in diesem Zusammenhang<br />
fand ein Fall aus Hessen, in dem neben dem<br />
Anästhesisten auch der operierende Zahnarzt wegen fahrlässiger<br />
Tötung (§ 222 StGB) zu einer Gefängnisstrafe verurteilt<br />
wurde. Eine vergleichbar hervorgehobene Beachtung<br />
dieser Fälle ist in den zahnärztlichen Fachjournalen bislang<br />
nicht zu beobachten.<br />
In der Märzausgabe 2<strong>01</strong>2 wird im „Forum für Zahnheilkunde“<br />
betont [Hey 2<strong>01</strong>2], dass „diese Unglücksfälle in<br />
den Fachmedien veröffentlicht werden [müssen].“ Vor dem<br />
Hintergrund des DAZ-Postulats „Qualitätssicherung durch<br />
Transparenz“ sei hier, am Beispiel des vor dem Amtsgericht<br />
(AG) Limburg verhandelten Todesfalles eines zehnjährigen<br />
Mädchens, auf die Verantwortlichkeit des zahnärztlichen<br />
Praxisbetreibers für eine adäquate Sicherheits-Infrastruktur<br />
bei ambulanten Operationen in Narkose eingegangen,<br />
„damit jeder Kollege seine eigenen Konsequenzen daraus<br />
ziehen kann“ [Hey 2<strong>01</strong>2]. Das AG Limburg fordert, dass<br />
zahnärztliche Interessensverbände „den vorliegenden Fall<br />
zum Anlass nähmen, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen,<br />
dass eine derartige Praxisorganisation keinesfalls den<br />
Sicherheitsinteressen der Patienten, die an oberster Stelle<br />
stehen müssen, entsprach“ [AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v.<br />
25.03.2<strong>01</strong>1].<br />
„Ich bin doch kein Arzt, sondern Zahnarzt!“ Praxisbetreiber<br />
Dr. Sp. wehrte sich energisch gegen den Vorwurf, er sei<br />
mitverantwortlich für den Tod eines Kindes im Aufwachraum<br />
seiner Praxis. Die dort fehlende Mindestausstattung an<br />
Personal und Messgeräten sei allein dem Anästhesisten<br />
anzulasten. Denn er selbst habe sich als Operateur nur um<br />
die Zahnbehandlung zu kümmern. Im Prozess vor dem<br />
Amtsgericht Limburg ging es um zwei Fragen. Einerseits<br />
war anhand der speziellen Umstände des Einzelfalles zu<br />
entscheiden, ob das leicht behinderte Kind bei fachgerechter<br />
Überwachung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“<br />
überlebt hätte (erstinstanzlich bejaht [AG Limburg<br />
a. d. Lahn: Urt. v. 25.03.2<strong>01</strong>1], nach Berufung Verfahrenseinstellung<br />
gegen hohe Geldauflagen [Wetzlarer Neue Zeitung<br />
2<strong>01</strong>2]). Andererseits ging es um eine Grundsatzfrage:<br />
Unter welchen Umständen darf ein Arzt auf die korrekte<br />
Arbeitsweise seines Kollegen vertrauen?<br />
Sachverhalt [AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v. 25.03.2<strong>01</strong>1]<br />
Der angeklagte Zahnarzt Dr. Sp. betreibt seit 1990 mit<br />
seinem Kollegen Dr. T. eine Zahnarztpraxis. Der ebenfalls<br />
angeklagte Anästhesist Dr. Sch. arbeitete von 1990 bis<br />
Ende 2009 etwa einmal pro Woche bei zahnärztlichen<br />
Behandlungen in Vollnarkose mit Dr. Sp. und Dr. T. in deren<br />
Praxisräumen zusammen. Ein schriftlicher Vertrag zwischen<br />
den Zahnärzten und Dr. Sch. existierte nie. Dr. Sch. stellte<br />
die notwendigen Geräte für die durchzuführenden Narkosen,<br />
die er eigens mit in die Praxis der Dres. Sp. und T. brachte.<br />
Einen gesonderten Aufwachraum mit adäquater apparativer<br />
Ausstattung gab es in der Praxis nicht. Nach der postnarkotischen<br />
Überwachung im Eingriffsraum wurde in aller<br />
Regel der behandelte Patient in einen „Ruheraum“ verbracht<br />
und dort einer Begleitperson (Eltern, Angehörige etc.) übergeben.<br />
Außer der Ehefrau des Dr. Sch., die häufig, jedoch<br />
nicht immer, an Narkosetagen dabei war, verfügte keine<br />
der bei Dr. Sp. angestellten Zahnarzthelferinnen über eine<br />
anästhesiologische Ausbildung. Es gab keinerlei Anweisungen<br />
von den Zahnärzten bzw. von Dr. Sch. an die Zahnarzthelferinnen,<br />
wie sie sich den Patienten gegenüber nach<br />
Verbringung in den Ruheraum zu verhalten hatten. Auch<br />
zwischen den Zahnärzten und dem Anästhesisten Dr. Sch.<br />
gab es bezüglich der Behandlung bzw. Überwachung<br />
von Patienten, die im Ruheraum abgelegt waren, keinerlei<br />
Absprachen. Dr. Sp. entscheidet, ob ein zahnärztlicher Eingriff<br />
in seiner Praxis in örtlicher Betäubung oder in Narkose<br />
stattfindet und erstellt die entsprechende Planung.<br />
Im Herbst 2007 verbrachte der Anästhesist Dr. Sch. die<br />
zehnjährige Celine K., die am Williams-Beuren-Syndrom<br />
(WBS) litt, bereits zehn Minuten nach dem Eingriff in noch<br />
tief schlafendem Zustand in den sog. „Ruheraum“, wo sie<br />
ohne personelle oder apparative Überwachung mit ihrer<br />
Mutter alleine war. Während die beiden Ärzte bereits die<br />
nächste Patientin unter Vollnarkose behandelten, erlitt<br />
Celine einen Atemstillstand und einen hypoxischen<br />
Gehirnschaden, in dessen Folge sie wenige Tage später<br />
verstarb.<br />
Das Amtsgericht Limburg a.d. Lahn verurteilte am 25.03.2<strong>01</strong>1<br />
den Anästhesisten Dr. Sch. zu einem Jahr und sechs Monaten<br />
sowie den Zahnarzt Dr. Sp. zu einem Jahr und drei<br />
Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen fahrlässiger<br />
Tötung gem. § 222 StGB. Nach Berufungshauptverhandlung<br />
wurde das Verfahren eingestellt gem. § 153a StPO gegen<br />
Geldauflagen von jeweils € 20.000,- für beide Angeklagten<br />
aufgrund Beweisunsicherheiten bei der Kausalität der<br />
Pflichtverletzungen.<br />
Aufgabenabgrenzung zwischen<br />
Zahnarzt und Anästhesist klar regeln<br />
[Neelmeier 2<strong>01</strong>1, Neelmeier 2<strong>01</strong>2 a]<br />
Jede Operation birgt Gefahren. Für deren Abwehr sind im<br />
Ausgangspunkt alle beteiligten Ärzte verantwortlich. Raum<br />
für Vertrauen sieht der Bundesgerichtshof (BGH) nur, wenn<br />
„es um Gefahren geht, die ausschließlich dem Aufgabenbereich<br />
eines der beteiligten Ärzte zugeordnet sind“. �<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
43<br />
F A C H L I C H E S
�<br />
Fotos: Privat<br />
Diese Zuordnung folgt keinem Automatismus nach Fachrichtungen,<br />
weswegen es unter diesem Blickwinkel keine<br />
„fachfremden“ Komplikationen gibt. Entscheidend ist stets<br />
die individuelle Aufgabenverteilung vor Ort. Subsidiär gelten<br />
die fachgesellschaftlichen Zuständigkeitsvereinbarungen,<br />
welche die meisten Fächer (nicht die Zahnmedizin)<br />
insbesondere mit der Anästhesie geschlossen haben. Die<br />
mitunter lange vor dem „Durchbruch“ des ambulanten<br />
Operierens getroffenen Regelungen lassen sich indes nicht<br />
pauschal von Krankenhäusern auf die Bedingungen in<br />
einer Arztpraxis übertragen. Die heute übliche Klinikorganisation<br />
mit zentraler Aufwacheinheit in der Verantwortung<br />
einer ganzen Anästhesieabteilung kann für ambulante<br />
Operationszentren wirtschaftlich sein. Praxisambulantes<br />
Operieren in den Räumen des Zahnarztes mit nur einem<br />
OP-Tisch verlangt jedoch flexiblere Strukturen. Deshalb<br />
konkretisieren jüngere fachgesellschaftliche Vereinbarungen<br />
und Standards ergebnisbezogen die Verpflichtung, dass der<br />
Patient „keinem höheren Risiko (auch im Zusammenhang<br />
mit der postoperativen Betreuung) ausgesetzt sein darf, als<br />
bei einer Behandlung unter stationären Bedingungen“. Insbesondere<br />
die gesondert vergütete Aufgabe postoperativer<br />
„lückenloser Überwachung“ bietet Umsetzungsspielräume.<br />
Sie kann entweder dem Anästhesisten oder dem Praxisbetreiber<br />
bzw. dessen speziell geschultem Personal („Fachpflegestandard“)<br />
übertragen werden. Dieses Organisationsrecht<br />
ist gleichzeitig eine Pflicht und gehört zur<br />
Führungsverantwortung des Praxisbetreibers in seiner<br />
Doppelfunktion als Arzt und Einrichtungsleiter. „Wie einem<br />
Klinikträger oblag es dem [Praxisbetreiber Dr. Sp.] gleichermaßen,<br />
die technisch-apparativen Einrichtungen und die<br />
erforderliche personelle Ausstattung für die postoperative<br />
und postnarkotische Überwachungsphase zu besorgen<br />
bzw. dafür Sorge zu tragen“ [AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v.<br />
25.03.2<strong>01</strong>1].<br />
Prof. Dr. Schulte-Sasse, Direktor der Klinik für<br />
Anästhesie und Operative Intensivmedizin i.R., Heilbronn<br />
info@medizinrecht-schulte-sasse.de.<br />
44 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Grenzen des Vertrauensgrundsatzes [Neelmeier 2<strong>01</strong>1;<br />
Neelmeier 2<strong>01</strong>2 a; Neelmeier, Schulte-Sasse 2<strong>01</strong>2 a]<br />
Vor deutschen Strafgerichten wurden bislang eher selten<br />
Praxisbetreiber im Zusammenhang mit anästhesiologischen<br />
Komplikationen angeklagt. Die Grenzen des sog.<br />
Vertrauensgrundsatzes werden von der Rechtsprechung<br />
aber enger gezogen als vielfach bekannt. Praxisbetreiber,<br />
gegen die wegen unzureichend organisierter Patientenüberwachung<br />
ermittelt wird, berufen sich in Gegenwart<br />
einer defizitären personellen oder apparativen Ausstattung<br />
ihrer Praxis üblicherweise auf den sogenannten Vertrauensgrundsatz,<br />
demzufolge sie sich auf die Aufgabenerfüllung<br />
und das überlegene Fachwissen des Anästhesisten<br />
hätten verlassen dürfen. Regelmäßig fehlt es jedoch an<br />
mindestens einer der zwei wichtigsten Voraussetzungen<br />
dieses Grundsatzes. Er basiert nämlich nicht etwa auf<br />
Wissensasymmetrie zwischen Zahnarzt und Anästhesist,<br />
sondern dem Prinzip der Arbeitsteilung. Entscheidend ist<br />
allein die klare Definition, Abgrenzung und Zuordnung von<br />
Aufgabenbereichen. Dies ist eine Kernaufgabe des Praxisbetreibers<br />
als Einrichtungsleiter, auch im Fall einer zusätzlich<br />
ausgeübten „Doppelfunktion“ als Operateur. Kommt er<br />
dieser Aufgabe nicht nach, kann er auch nicht auf die<br />
„arbeitsteilige“ Bewältigung hieraus resultierender Risiken<br />
durch den Anästhesisten vertrauen.<br />
Bereits 20<strong>01</strong> hatte das AG Langenfeld [Rechtskräftiger<br />
Strafbefehl vom 17. August 20<strong>01</strong>] ähnlich wie das Limburger<br />
Gericht entschieden und 2005 stellte das LG Augsburg<br />
[Rechtskräftiges Urteil vom 17.03.2005] fest: „Für die Organisation<br />
der postoperativen Überwachung, das Vorhandensein<br />
geeigneten Fachpersonals und der erforderlichen<br />
Geräte ist der Angeklagte als Betreiber der Praxis verantwortlich.“<br />
Der zahnmedizinische Praktiker ist nach dieser<br />
Rechtsprechung im Ausgangspunkt selbst verantwortlich<br />
für eine sichere Organisation und Ausstattung seiner Praxis.<br />
Dies betrifft auch den Arbeitsbereich des hinzugezogenen<br />
Anästhesisten. Zwar verlangt die Rechtsprechung von Praxisbetreibern<br />
keine minutiöse Überwachung ihrer Narkose-<br />
Kollegen. Allerdings müssen Zahnärzte ebenfalls auf die<br />
strikte Einhaltung der personellen und apparativen Sicherheitsstandards<br />
in ihrer Praxis achten. Dazu gehört insbesondere<br />
anästhesiologisch qualifiziertes Pflegepersonal<br />
während und nach der Narkose, um die Überwachung<br />
und Notfallversorgung der Patienten sicherzustellen, wie<br />
das LG Halle kürzlich im Zusammenhang mit dem Tod<br />
eines Kindes nach Operation in einer Zahnarztpraxis noch<br />
einmal betonte [LG Halle, Urteil vom 17.11.2<strong>01</strong>0]: Narkosen<br />
sind vom Anästhesisten „nicht allein, sondern stets mit<br />
qualifiziertem Pflegepersonal durchzuführen. Dadurch wird<br />
generell eine bessere Überwachung des Patienten und für<br />
den Fall, dass es zu Komplikationen kommt, eine bessere<br />
Notfallversorgung erreicht.“ Anästhesiologisch geschultes
Tim Neelmeier, Rechtsanwalt, LL.B. (Bucerius), Hamburg;<br />
Doktorand am Strafrechtslehrstuhl von Prof. Dr. Hans Kudlich,<br />
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.<br />
Assistenzpersonal ist nicht nur bei der Narkoseeinleitung<br />
und während des Eingriffs essentiell. Seine „ununterbrochene“<br />
Anwesenheit ist eine conditio sine qua non bei der Überwachung<br />
nach dem Eingriff. Die erforderliche apparative<br />
Ausstattung ist genau spezifiziert.<br />
Das Limburger Gericht ordnet den Praxisbetreibern die<br />
gleiche Organisationsverantwortung „wie einem Klinikträger“<br />
zu. Die verhängten Freiheitsstrafen begründet es nicht zuletzt<br />
mit dem Hinweis, dass die seit Jahren unzureichende<br />
Patientenüberwachung in der Zahnarztpraxis kein menschliches<br />
Augenblicksversagen darstellte, sondern vielmehr<br />
die wirtschaftlichen Interessen der Ärzte im Vordergrund<br />
standen. Ungeklärt blieb die Frage nach der Verantwortung<br />
des Praxismitinhabers, der die defizitären Strukturen in der<br />
Praxis gekannt und mitgestaltet hat.<br />
Wichtiger aber noch ist die zweite Voraussetzung des<br />
Vertrauensgrundsatzes. Ist die arbeitsteilige Behandlung<br />
präzise organisiert, besteht zwar keine minutiöse wechselseitige<br />
Überwachungspflicht. Der Praxisbetreiber und alle<br />
anderen beteiligten Ärzte bleiben aber „sekundär verkehrssicherungspflichtig“<br />
[BGH: Urt. v. 13.11.2008]. Der BGH stellt<br />
klar: „Kein Arzt, der es besser weiß, darf sehenden Auges<br />
eine Gefährdung seines Patienten hinnehmen, wenn ein<br />
anderer Arzt seiner Ansicht nach etwas falsch gemacht hat<br />
oder er jedenfalls den dringenden Verdacht haben muss,<br />
es könne ein Fehler vorgekommen sein. Das gebietet der<br />
Schutz des dem Arzt anvertrauten Patienten“ [BGH: Urt. v.<br />
08.11.1988]. Berechtigtes Vertrauen im Rahmen arbeitsteiligen<br />
Zusammenwirkens findet dort seine Grenze, wo<br />
„ernsthafte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Vorarbeiten<br />
des Kollegen erkennbar sind“ [BGH: Urt. v. 19.11.1997].<br />
Der BGH gibt einen strengen Prüfungsmaßstab vor: „Die<br />
Anforderungen an die Geltung des Vertrauensschutzes sind<br />
um so höher, je größer das Risiko eines Behandlungsfehlers<br />
und die daraus resultierende Gefährdung des Patienten<br />
ist.“ Es bedarf „keiner besonderen medizinischen Kenntnisse“<br />
[AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v. 25.03.2<strong>01</strong>1], um zu<br />
wissen, dass „für den chirurgischen Patienten zu keiner<br />
Zeit seines Klinikaufenthalts die Gefahr der Hypoxie so<br />
groß ist wie in der unmittelbaren postoperativen Phase“<br />
[OLG Düsseldorf: Urt. v. 30.12.1985].<br />
Statt „ernsthafter Zweifel“ muss sich dem Zahnarzt sogar<br />
die völlige Gewissheit fehlerhafter Narkoseführung durch<br />
den Anästhesisten aufdrängen, wenn er im Eingriffsraum<br />
keine anästhesiologische Assistenzkraft samt erforderlicher<br />
Überwachungsgeräte wahrnimmt und/oder er mit dem<br />
gleichen Anästhesisten unmittelbar zum nächsten Eingriff<br />
übergeht, ohne dass eine dann erforderliche zweite (!)<br />
Fachpflegekraft für die ununterbrochene postoperative<br />
Überwachung im Aufwachraum eingeteilt worden ist. Fehlt<br />
es an berechtigtem Vertrauen, handelt neben dem Anästhesisten<br />
auch der Praxisbetreiber pflichtwidrig.<br />
Beabsichtigte Unterschreitung von Überwachungsstandards<br />
kann Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung<br />
begründen [Neelmeier 2<strong>01</strong>2 a, Neelmeier 2<strong>01</strong>2 b,<br />
Neelmeier, Schulte-Sasse 2<strong>01</strong>2 a]<br />
Trotz präziser Aufgabenzuordnung endet berechtigtes<br />
Vertrauen dort, wo „ernsthafte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit<br />
der Vorarbeiten des Kollegen erkennbar sind.“<br />
Das fehlende Überwachungspersonal war auch für den<br />
zahnärztlichen Praxisbetreiber Dr. Sp. offensichtlich, so<br />
dass er den Operationstag nicht wie geplant beginnen<br />
durfte. Die Eltern des Kindes hatten auch keine „weitergehende<br />
Aufklärung“ erhalten über die beabsichtigte Unterschreitung<br />
von Überwachungsstandards.<br />
Jenseits der üblichen Risikoaufklärung besteht eine Pflicht<br />
zur „weitergehenden Aufklärung“ der Patienten über jede<br />
beabsichtigte Abweichung von der lex artis. Dies betrifft<br />
neben der Anwendung von Außenseitermethoden sowie<br />
Behandlungen ohne medizinische Indikation insbesondere<br />
Unterschreitungen des Facharztstandards bei der personellen<br />
und apparativen Infrastruktur. Eingriffe beispielsweise ohne<br />
Anästhesist, Fachpflegepersonal oder vorschriftsgemäße<br />
Medizingeräte sind demnach von Anfang an rechtswidrig<br />
mangels wirksamer Einwilligung. Kennt der Arzt die hieraus<br />
resultierenden Gefahren für den Patienten und setzt er sich<br />
dennoch über die anerkannten Regeln der Heilkunst wissentlich<br />
hinweg, so begeht er eine vorsätzliche einfache<br />
(§ 223 StGB) oder gefährliche (§ 224 StGB) Körperverletzung<br />
bereits mit dem Versetzen in Narkose, mit dem Beginn des<br />
operativen Eingriffes. Diese Straftatbestände werden „schnell“<br />
zum Verbrechen (§ 227 StGB), wenn noch eine risikotypische,<br />
fahrlässig verursachte Todesfolge hinzutritt. �<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
45<br />
F A C H L I C H E S
�<br />
Wettbewerbsnachteile für diejenigen Anbieter, welche<br />
die Personalmehrkosten schultern [Neelmeier, Schulte-<br />
Sasse 2<strong>01</strong>2 a; Neelmeier, Schulte-Sasse 2<strong>01</strong>2 b]<br />
Im Internet hatte der Zahnarzt Dr. Sp., zusammen mit seinem<br />
Kollegen, „für seine zahnärztlichen Behandlungen in<br />
Narkose für geistig behinderte Patienten, damit geworben,<br />
dass diese Eingriffe unter einem dem Krankenhaus angepassten<br />
hohen personellen und operativen Sicherheits- und<br />
Qualitätsstandard durchgeführt werden.“ Das AG Limburg<br />
hierzu: „Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann<br />
von einem solchen Standard keine Rede sein; das Gegenteil<br />
ist bewiesen.“ „Gemessen an den tatsächlichen Bedingungen,<br />
unter denen die vollnarkotischen Eingriffe in der Praxis des<br />
Angeklagten Dr. Sp. erfolgten, kann die vorstehend dargestellte<br />
Werbung mit „klinischen Standards“ nur als grob<br />
irreführend bezeichnet werden […]. Es unterliegt für das<br />
Schöffengericht keinem Zweifel, dass der Angeklagte Dr.<br />
Sp. seinen in dem Internet- Auftritt gewählten Worten grob<br />
pflichtwidrig zuwider gehandelt hat, indem er unter den<br />
genannten Organisationsstrukturen einen Eingriff unter<br />
Vollnarkose vornahm, der gerade nicht auf „Klinikniveau“<br />
stattfand“ [AG Limburg a. d. Lahn: Urt. v. 25.03.2<strong>01</strong>1].<br />
Es mangelt in Deutschland gegenwärtig an einem praktisch<br />
wirksamen, kontrollierenden Abgleich zwischen den<br />
Werbeauftritten von Gesundheitseinrichtungen und der<br />
dort tatsächlich gegebenen Infrastruktur. So können<br />
„schwarze Schafe“ unter den Leistungserbringern anästhesiologische<br />
Versorgungsstandards relativieren oder unterwandern,<br />
ohne dass die Patienten dies bei ihrer Auswahlentscheidung<br />
bemerken. Auf diese Weise drohen nicht nur<br />
Patientenschädigungen, sondern auch erhebliche Wettbewerbsnachteile<br />
für diejenigen Anbieter, welche die Personalmehrkosten<br />
schultern und sich damit in die Gefahr einer<br />
„adversen Marktselektion“ begeben. Schließlich müssen<br />
sie sich in einem von der Politik gezielt geschaffenen<br />
„Verdrängungswettbewerb unter den Leistungserbringern“<br />
behaupten und sind dabei auf den „Haftungsrichter<br />
zunehmend als Bundesgenossen“ angewiesen. Nur wenn<br />
die Justiz das wirtschaftlich motivierte Führungsverhalten in<br />
Gesundheitseinrichtungen konsequent in den Blick nimmt<br />
[Kudlich, Schulte-Sasse 2<strong>01</strong>1], kann sie auf eine flächendeckende<br />
Umsetzung kostenintensiver Sicherheitsstandards<br />
hoffen.<br />
Fazit für die Praxis<br />
Verwirklichen sich vorhersehbare Gefahren, für deren<br />
Abwehr keine klare Zuständigkeit bestand, haften alle<br />
beteiligten Ärzte (sowie der Klinikträger bzw. die Einrichtungsleitung<br />
[Fischer 2<strong>01</strong>2]). Angesichts der Vielfalt praktizierter<br />
Organisationsformen sind im ambulanten Bereich<br />
46 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
präzise Absprachen vor Ort unerlässlich. Ernsthafte Zweifel<br />
am fachgerechten Vorgehen eines Kollegen verpflichten<br />
jeden Arzt, Gesundheitsgefahren vom Patienten abzuhalten.<br />
Der Regierungsentwurf eines „Patientenrechtegesetzes“<br />
[Neelmeier 2<strong>01</strong>2 c] sieht sogar vor, dass Behandlungsfehler<br />
(eigene und solche von Kollegen) dem Patienten zu melden<br />
sind. �<br />
Literaturverzeichnis auf der Web-Site von Prof. Schulte-Sasse<br />
http://medizinrecht-schultesasse.de/bibliothek/ und auf<br />
www.daz-web.de, Menüpunkt Lesetipps<br />
— Prof. Dr. Uwe Schulte-Sasse<br />
Tim Neelmeier<br />
Quelle: „Forum für Zahnheilkunde“,<br />
Ausgabe 13 – Dezember 2<strong>01</strong>2, S. 9-11<br />
WEITERFÜHRENDE LINKS<br />
Personelle und apparative<br />
Mindestausstattung eines<br />
Anästhesiearbeitsplatzes in<br />
der Zahnarztpraxis:<br />
http://www.dgai.de/aktuelles/<br />
Anaesthesie-Arbeitsplatz_<br />
Version5_1_22.11.2<strong>01</strong>2.pdf<br />
Personelle und apparative<br />
Mindestausstattung eines<br />
Aufwachraumes in der<br />
Zahnarztpraxis:<br />
http://www.dgai.de/eev/EEV_<br />
2<strong>01</strong>1_S_115-120.pdf<br />
Qualifikation des anästhesiologischen<br />
Hilfspersonals<br />
im OP und im Aufwachraum<br />
(„Fachpflegestandard“):<br />
http://www.dgai.de/eev/EEV_<br />
2<strong>01</strong>1_S_61-64.pdf<br />
Aktueller Artikel von Tanja<br />
Wolf auf Spiegel Online<br />
(23.11.2<strong>01</strong>2): „Ambulantes<br />
Operieren. Lebensgefahr in<br />
der Arztpraxis“<br />
http://www.spiegel.de/<br />
wissenschaft/medizin/<br />
narkose-bei-ambulanter-opeineunbedachte-gefahr-a-<br />
864138.html
KOMPETENT • ZEITNAH • VERLÄSSLICH • NIEDERSACHSENWEIT<br />
Die Servicehotline der KZVN für<br />
Abrechnungsfragen informiert<br />
Wir sind für Sie da!<br />
Montag bis Donnerstag: 8:00 bis 17:00 Uhr<br />
Freitag: 8:00 bis 15:00 Uhr<br />
Telefon 0511 8405-390 oder<br />
Fax 0511 837267<br />
E-Mail: hotline-abrechnung@kzvn.de<br />
Sie fragen – wir antworten<br />
Neues Jahr – Neue Preise<br />
für Verbrauchsmaterial?<br />
Auch in Zeiten der papierlosen Abrechnung<br />
für Zahnersatzleistungen kommt es häufig<br />
zu Fragen und/ oder Problemen bei der Abrechnung von<br />
Verbrauchsmaterialien.<br />
Was darf in diesem Zusammenhang abgerechnet werden?<br />
In welcher Höhe? Und wie berechne ich meinen „tatsächlichen<br />
Verbrauch“?<br />
Mit den nachfolgenden Informationen wollen wir Ihnen<br />
diese und weitere Fragen beantworten.<br />
Mindestens halbjährlich sollten die angesetzten Preise für<br />
das ZE- Verbrauchsmaterial (Abdruckmaterial, prov. Kronen,<br />
Radix-Anker usw.) in der Zahnarztpraxis überprüft werden,<br />
da sich die Preise für Verbrauchsmaterial ständig än dern.<br />
Für die korrekte Berechnung der Preise von Verbrauchsmaterialien<br />
ist nicht der Katalogpreis des Dentalhandels, sondern<br />
der Rechnungspreis der letzten Lieferung zu Grunde zu<br />
legen.<br />
Damit diese notwendige Arbeit nicht in Vergessenheit<br />
gerät, ist es sinnvoll, die Überprüfung gleich zu Anfang des<br />
Jahres vorzunehmen. Die vertraglichen Bestimmungen für<br />
die Abrechnung von Materialkosten für Abformmaterialien<br />
und provisorische Kronen und Brücken gelten weiter wie<br />
bisher: Danach können sowohl im Primär- als auch Ersatzkassenbereich<br />
die Materialkosten für Abform material, für<br />
provisorische Kronen und Brückenglieder in der dem Zahnarzt<br />
tatsächlich entstan denen Höhe berechnet werden.<br />
Die geltenden gesamtvertraglichen Regelungen verpflichten<br />
den Zahnarzt, diese Materialien unter Berücksichtigung<br />
des Wirtschaftlichkeitsgebotes einzusetzen. Bei gleich- und<br />
andersartigem Zahnersatz sind die im Zusammenhang mit<br />
der Regelversorgung anfallenden Materialkosten ebenfalls<br />
auf dieser Grundlage zu berechnen. Die Berechnung von<br />
Pauschalpreisen im Zahnersatzbereich ist unzulässig.<br />
Jeder Zahnarzt ist somit verpflichtet, die von ihm verwendeten<br />
Materialien genau zu berechnen und sie gegenüber<br />
dem Patienten auszuweisen.<br />
Um Ihnen eine Hilfestellung bei der Überprüfung Ihrer Verbrauchsmaterialpreise<br />
zu geben, haben wir entsprechende<br />
Berechnungstabellen erstellt, die wir Ihnen auf unserer<br />
Internetseite unter<br />
https://www.kzvn.de/zahnaerzte/abrechnungshinweise/<br />
hinweise/zahnersatz.html<br />
gern zur Verfügung stellen (s. Abb.) �<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
47<br />
F A C H L I C H E S
MATERIALKOSTENERMITTLUNG: ALGINAT<br />
�<br />
Sie müssen im Internet nur noch den tatsächlich gezahlten<br />
Preis und die Menge eingeben und schon erhalten Sie den<br />
ermittelten Preis für drei unterschiedlich große Abformungen<br />
z. B. für einen Alginatabdruck. Für Silikon (fest und flüssig),<br />
Polyether und für Kunststoffmaterial für prov. Kronen gibt<br />
es ebenfalls fertige Berechnungstabellen.<br />
Bitte beachten Sie unbedingt die folgenden Hinweise:<br />
�Befestigungszemente und Retraktionsfäden sind nicht<br />
als Materialkosten abrechenbar. Diese Kosten sind<br />
bereits mit dem Punktwert abgegolten.<br />
�Bei einer Doppelmischabformung können zusätzlich<br />
notwendige Einmalartikel wie Mischkanülen und<br />
Intraoraltips berechnet werden. Diese werden aber<br />
nicht gesondert ausgewiesen, sondern werden in den<br />
Preis für den entsprechenden Abdruck eingerechnet<br />
(s. entsprechende Excel-Tabelle).<br />
�Ausgehandelte Rabatte muss der Zahnarzt an die<br />
Krankenkasse, bzw. an den Patienten weitergeben.<br />
�Die verwendeten Materialmengen in Gramm und Milliliter<br />
müssen immer praxisindividuell ermittelt werden.<br />
�Auf dem Eigenbeleg ist der Name des verwendeten<br />
Materials mit Grammanzahl bzw. Milliliterangabe und<br />
Eurobetrag anzugeben. Die alleinige Angabe „Alginat“<br />
oder „Polyether“ reicht nicht aus.<br />
48 F A C H L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Musterberechnung<br />
(Euro)<br />
Material (Handelsname) Alginat XYZ<br />
Packungsinhalt (Gramm) 450<br />
Einkaufspreis 25,30 €<br />
Vorratsdose/Dosierbesteck 7,50 €<br />
Einkaufspreis Material 17,80 €<br />
zzgl. Mehrwertsteuer 19 % 3,38 €<br />
Bruttopreis 21,18 €<br />
Grammpreis 0,05 €<br />
Abformung mit 25 Gramm 1,25 €<br />
Abformung mit 35 Gramm 1,75 €<br />
Abformung mit 40 Gramm 2,00 €<br />
Beispieltabelle.<br />
Für Ihre Praxis zu ermittelnder<br />
Materialpreis<br />
�Der Preis für Verbrauchsmaterial ist immer einschließlich<br />
Mehrwertsteuer anzugeben.<br />
�Wenn Sie Ihre Preise ermittelt haben, lassen Sie die<br />
entsprechende Tabelle mit der Berechnung ausdrucken<br />
und archivieren Sie diese. Der Ausdruck beinhaltet das<br />
Erstellungsdatum, so können Sie nachvollziehen, ob Ihre<br />
Preise noch aktuell sind.<br />
�Bei Nachfragen auf Grund von rechnerischen Berichtigungen,<br />
sollten Sie Ihre individuelle Berechnung vorlegen,<br />
damit Sie Ihren Rechnungsanspruch gegenüber der<br />
Krankenkasse aufrechterhalten können.<br />
Sollten Sie trotz der Berechnungstabellen noch Fragen<br />
zur korrekten Berechnungsweise für Verbrauchsmaterialien<br />
haben, helfen Ihnen die Mitarbeiterinnen der Servicehotline<br />
gern weiter. �<br />
— Monika Popp, Gruppenleiterin Bereich ZE der KZVN<br />
Dr. Henning Otte, Vorstandsreferent der KZVN<br />
Abrechnung/Prüfung
Aktuelles aus der Rechtsprechung<br />
Aktuelle Urteile…<br />
…AUS DEM ARBEITSRECHT<br />
Auch während des Verfahrens nicht<br />
auf die faule Haut legen<br />
Dauert der Streit zwischen einem Arbeitgeber und einem<br />
Beschäftigten über eine Kündigung an, so kann der Arbeitgeber<br />
seinem gekündigten Mitarbeiter ein so genanntes<br />
Prozessarbeitsverhältnis anbieten – um etwaige später zu<br />
zahlende „Verzugslohnansprüche“ zu mindern. Dabei beschäftigt<br />
er den Mitarbeiter auf Grundlage des bisherigen<br />
Arbeitsvertrages über die Kündigungsfrist hinaus – wobei<br />
zu beachten ist, dass der „neue“ Arbeitsplatz nicht „unzumutbar“<br />
sein darf. In einem Fall vor dem Bundesarbeitsgericht<br />
war ein Hausmeister überwiegend im Innenbereich<br />
tätig. Im Rahmen des Prozessarbeitsverhältnisses wurde<br />
ihm angeboten, in der Wohnumfeldpflege, also im Außenbereich<br />
eingesetzt zu werden. Das lehnte er als unzumutbar<br />
ab - und blieb zu Hause. Als er den Prozess schließlich<br />
gewann, musste er sich aber so stellen lassen, als habe er<br />
in der Zwischenzeit das „Prozessarbeitsverhältnis“ ausgeführt<br />
– mit der Folge, dass er sich die darin „fiktiv“ erzielte Vergütung<br />
von den Verzugslohnansprüchen abziehen lassen<br />
musste. Das Gericht stellte fest, dass die angebotene<br />
Beschäftigung zumutbar gewesen ist. (BAG, 5 AZR 564/10)<br />
Der Weg zur Arbeit ist nicht „betrieblich veranlasst“,<br />
deshalb...<br />
Legt ein Arbeitnehmer (hier: ausnahmsweise) seinen Weg<br />
von der Wohnung in den Betrieb mit einem Firmenfahrzeug<br />
zurück, so handelt es sich deshalb nicht um eine „betrieblich<br />
veranlasste” Fahrt. Passiert dem Mitarbeiter auf dieser<br />
Fahrt ein selbstverschuldeter Unfall, der von der Vollkaskoversicherung<br />
seines Arbeitgebers gedeckt wird, so hat er<br />
seinem Chef den Rückstufungsschaden zu ersetzen.<br />
Begründung des Gerichts: Hätte der Arbeitnehmer seinen<br />
eigenen Pkw benutzt, so hätte er den ihm entstandenen<br />
Schaden einer Rückstufung bei der Vollkaskoversicherung<br />
auch selbst zu tragen gehabt.<br />
(LAG Rheinland-Pfalz, 5 Sa 46/07)<br />
© Sandor Jackal / Fotolia.com<br />
…AUS DEM STEUERRECHT<br />
Eine Arbeitsecke ist kein Arbeitszimmer<br />
Ein selbständiger Architekt hatte in seiner Wohnung neben<br />
einem separaten Arbeitszimmer noch einen weiteren Arbeitsbereich<br />
eingerichtet. Dieser befand sich im Wohnzimmer,<br />
war mit Computer und Schreibtisch ausgestattet und durch<br />
ein ein Meter hohes Sideboard abgetrennt. Als er seine<br />
„Arbeitsecke“ steuermindernd geltend machen wollte,<br />
lehnte das Finanzamt die Anerkennung ab. Das Finanzgericht<br />
Düsseldorf bestätigte das, da der Arbeitsbereich nicht<br />
die Kriterien für ein Arbeitszimmer erfülle. So handele es<br />
sich einerseits nicht um eine raumbezogene Einheit,<br />
andererseits könne durch die gemischte Nutzung keine<br />
klare Trennung der Kosten zwischen privater und beruflicher<br />
Nutzung vorgenommen werden. Die optische Trennung<br />
zwischen Privatem und Dienstlichem reiche dafür nicht aus.<br />
(FG Düsseldorf, 7 K 87/11)<br />
Die „zumutbare Eigenbelastung“ ist<br />
nicht verfassungswidrig<br />
Ein Steuerpflichtiger hatte in seiner Steuererklärung für<br />
ein Jahr rund 1.250 Euro an Krankheitskosten als außergewöhnliche<br />
Belastung geltend gemacht. Zwar sah das<br />
Finanzamt die Aufwendungen dem Grunde nach als<br />
abzugsfähig an. Wegen der zumutbaren Belastung in<br />
Höhe von 2.340 Euro (berechnet aus 6 % von 39.000 €<br />
Gesamteinkünften des Mannes) wurden die Kosten jedoch<br />
nicht berücksichtigt. Das Gericht billigte das Vorgehen der<br />
Behörde, da Krankheitskosten nicht generell ohne Einbeziehung<br />
einer zumutbaren Belastung abgezogen werden<br />
müssten. Eine existenzielle Betroffenheit sei angesichts der<br />
Höhe der Einkünfte auch nicht zu erkennen, da dem Steuerpflichtigen<br />
ein Einkommen verbleibe, das deutlich über<br />
dem Regelsatz für das Existenzminimum liege.<br />
(FG Rheinland-Pfalz, 4 K 1970/10)<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
49<br />
F A C H L I C H E S
Persönliches<br />
FÜNF JAHRZEHNTE GELEBT, EIN VIERTEL<br />
DAVON FÜR DIE KOLLEGENSCHAFT:<br />
Herzlichen Glückwunsch<br />
zum halben Jahrhundert<br />
Schon seinen Geburtstag plante Christian<br />
Neubarth offensichtlich vorausschauend:<br />
einen Tag vor Silvester. So konnte der Tag für wichtigere<br />
Dinge genutzt werden, für Feiern konnte er sich schon<br />
damals nicht begeistern.<br />
Zusammen mit seinem jüngeren Bruder wuchs er sowohl<br />
in München als auch in Augsburg auf und erlangte auf<br />
einem bayerischen Internat 1982 sein Abitur.<br />
Zahnarzt wollte er werden, schon etwas Anderes als sein<br />
Vater, der Arzt war, aber doch etwas Ähnliches. Kollege<br />
Neubarth studierte dann als einer von vielen Bayern bei<br />
uns „Preußen“ in Göttingen, approbierte dort im Wintersemester<br />
1989 und arbeitete anschließend als Assistenzzahnarzt<br />
in der Zahnklinik der Uni Göttingen.<br />
Während seiner Göttinger Zeit lernte er dann auch seine<br />
damalige Kommilitonin und spätere Frau kennen, mit der<br />
er gemeinsam zwei Kinder schon recht groß gezogen hat.<br />
Nachdem Christian Neubarth in Göttingen ausreichend<br />
Berufserfahrung gesammelt hatte, ließ er sich im Landkreis<br />
Hildesheim in Gemeinschaftspraxis fernab seiner bayerischen<br />
Heimat nieder.<br />
Schon kurz nach seiner Niederlassung begann sein<br />
berufspolitisches Engagement für die Kollegenschaft.<br />
Als Gründungsmitglied der Hildesheimer Initiative für Zahngesundheit<br />
(HIZ) blieb er nah an den Bedürfnissen der Kollegenschaft<br />
vor Ort und optimierte seinen berufspolitischen<br />
Hintergrund durch einen berufsbegleitenden Postgraduiertenstudiengang<br />
an der AS-Akademie für Zahnärztliche Selbstverwaltung<br />
mit dem Abschluss Manager of Health Care<br />
50 P E R S Ö N L I C H E S | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Foto: <strong>NZB</strong>-Archiv<br />
Systems. So wundert es auch nicht, dass er sehr schnell<br />
als Mitglied der Zahnärzte für Niedersachsen (ZfN) von der<br />
Kollegenschaft 20<strong>01</strong> in die Vertreterversammlung und zum<br />
Vorsitzendenden der Verwaltungsstelle Hildesheim der KZVN<br />
gewählt wurde. Über seine ehrenamtlichen Tätigkeiten in<br />
Ausschüssen der KZVN und durch sein weiterhin berufspolitisches<br />
Engagement im Hildesheimer Raum erwarb er<br />
sich das Vertrauen der Kollegenschaft und das seiner<br />
berufspolitischen Freunde bei ZfN. 2004 und 2<strong>01</strong>0 wurde<br />
er dann – getragen durch dieses Vertrauen – in den Vorstand<br />
der KZVN gewählt, wo er sich seit der Zeit an vorderster<br />
Stelle in der zahnärztlichen Selbstverwaltung für die Belange<br />
der Kollegenschaft einsetzt.<br />
Zum Feiern nimmt sich Kollege Neubarth selten Zeit. Seine<br />
Familie, ohne deren Unterstützung sein Engagement nicht<br />
möglich wäre, musste in der Vergangenheit oft auf ihn verzichten.<br />
Als Hildesheimer Kollege, berufspolitischer Wegbegleiter<br />
und Freund gratuliere ich Dir, Christian, ganz herzlich zum<br />
ersten halben Jahrhundert Lebensjahre. Für die Zukunft<br />
wünsche ich Dir weiterhin so viel Schaffenskraft und<br />
Kreativität wie in der Vergangenheit, stets mit Fokus auf<br />
das Wohl der Kollegenschaft, allerdings nicht, ohne aber<br />
bitte das eigene Wohl und das Deiner Familie zu sehr zu<br />
vernachlässigen. Ad multos annos! �<br />
— Lutz Riefenstahl, Gronau
Persönliches<br />
2 x 20 Jahre Zusammenarbeit…<br />
…und wir freuen uns auf weitere!<br />
Liebe Tina, liebe Ingrid,<br />
mit großer Freude und mit Stolz möchten wir Euch zum<br />
20jährigen Praxisjubiläum gratulieren und uns für Euer<br />
großes Engagement bedanken.<br />
Du, liebe Tina, bist als Verwaltungschefin das Rückgrat der<br />
Praxis und sorgst mit großer Genauigkeit, Zuverlässigkeit,<br />
umfassendem Wissen, Durchsetzungsvermögen und<br />
perfekter Organisation für den reibungslosen Ablauf des<br />
Praxisgeschehens.<br />
Dein hohes Verantwortungsbewusstsein und Deine<br />
Führungsqualitäten führen dazu, dass wir uns stets zu<br />
100 Prozent auf Dich verlassen können.<br />
Du, liebe Ingrid, bist die sanfte und gute Seele der Praxis,<br />
Unser<br />
Service für Sie:<br />
Ein kostenloser<br />
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Termin<br />
die mit viel Feingefühl, Geduld, Humor und fundiertem,<br />
fachlichem Wissen die Patienten durch den Beratungsmarathon<br />
leitet und die Prophylaxe zelebriert.<br />
Du findest stets die optimale Lösung für alle Herausforderungen<br />
und bist immer mit Herzen dabei.<br />
Besonders erfreut uns jedoch unser wunderbares Praxisklima,<br />
zu dem Ihr beide in besonderer Weise tagtäglich<br />
beizutragen vermögt.<br />
Eure gute Laune und Euer herzhaftes Lachen zusammen<br />
mit dem Rest der „Clique“ machen unseren Arbeitsalltag<br />
stets spannend, fröhlich und abwechslungsreich.<br />
Wir wünschen uns noch viele schöne Jahre guter Zusammenarbeit<br />
mit Euch und für Euch persönlich „Glück, Weisheit<br />
und Wohlergehen“. � Dr. Ullrich Richter und Team, Cuxhaven<br />
Wir arbeiten für Ihren Erfolg:<br />
Lösungsorientiert, fachbezogen<br />
und verständlich!<br />
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J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | P E R S Ö N L I C H E S<br />
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51<br />
P E R S Ö N L I C H E S
Niederlassungshinweise<br />
AUSZUG AUS DER ZULASSUNGS VERORDNUNG<br />
FÜR VERTRAGSZAHNÄRZTE (ZV-Z)<br />
§ 18<br />
(1) Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. In dem<br />
Antrag ist anzugeben, für welchen Vertragszahnarztsitz<br />
und gegebenenfalls unter welcher Gebietsbezeichnung<br />
die Zulassung beantragt wird. Dem Antrag sind<br />
beizufügen<br />
a) Ein Auszug aus dem Zahnarztregister, aus dem der<br />
Tag der Approbation, der Tag der Eintragung in das<br />
Zahnarztregister und gegebenenfalls der Tag der<br />
Anerkennung des Rechts zum Führen einer bestimmten<br />
Gebietsbezeichnung hervorgehen müssen,<br />
b) Bescheinigungen über die seit der Approbation<br />
ausgeübten zahnärztlichen Tätigkeiten,<br />
c) gegebenenfalls eine Erklärung nach § 19 a Abs. 2<br />
Satz 1, mit der der aus der Zulassung folgende<br />
Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränkt wird.<br />
(2) Ferner sind beizufügen<br />
a) ein Lebenslauf,<br />
b) ein polizeiliches Führungszeugnis,<br />
c) Bescheinigungen der Kassenzahnärztlichen<br />
Vereinigungen, in deren Bereich der Zahnarzt bisher<br />
niedergelassen oder zur Kassenpraxis zugelassen<br />
war, aus denen sich Ort und Dauer der bisherigen<br />
Niederlassung oder Zulassung und der Grund<br />
einer etwaigen Beendigung ergeben,<br />
d) eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung<br />
bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse<br />
unter Angabe des frühestmöglichen Endes des<br />
Beschäftigungsverhältnisses,<br />
e) eine Erklärung des Zahnarztes, ob er rauschgiftsüchtig<br />
ist oder innerhalb der letzten fünf Jahre gewesen<br />
ist, ob er sich innerhalb der letzten fünf Jahre einer<br />
Entziehungskur wegen Trunksucht oder Rauschgiftsucht<br />
unterzogen hat und dass gesetzliche Hinderungsgründe<br />
der Ausübung des zahnärztlichen Berufs<br />
nicht entgegenstehen.<br />
(3) An Stelle von Urschriften können amtlich beglaubigte<br />
Abschriften beigefügt werden.<br />
(4) Können die in Absatz 1 Buchstabe b und in Absatz<br />
2 Buchstabe c bezeichneten Unterlagen nicht vorgelegt<br />
werden, so ist der nachzuweisende Sachverhalt<br />
glaubhaft zu machen.<br />
52 K Z V N | N Z B | J A N U A R 2 0 1 3<br />
Kolleginnen und Kollegen, die sich in Niedersachsen<br />
niederlassen möchten, wenden sich bitte an die<br />
Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen,<br />
Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses Niedersachsen,<br />
Zeißstraße 11, 30519 Hannover,<br />
Tel. 0511 8405-323/361, E-Mail: info@kzvn.de.<br />
Antragsformulare können entweder bei der Geschäftsstelle<br />
des Zulassungsausschusses Niedersachsen angefordert<br />
oder unter www.kzvn.de als PDF-Dokument heruntergeladen<br />
werden.<br />
Bitte achten Sie darauf, bei der Einreichung der Anträge zur<br />
vertragszahnärztlichen Tätigkeit sämtliche in § 18 Zulassungsverordnung<br />
für Vertragszahnärzte (ZV-Z) aufgeführten Unterlagen<br />
beizufügen.<br />
GEMEINSAME AUSÜBUNG DER<br />
VERTRAGSZAHNÄRZTLICHEN TÄTIGKEIT<br />
(Bildung einer Berufsausübungsgemeinschaft)<br />
Bei Anträgen auf Genehmigung der gemeinsamen Ausübung<br />
der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ist grundsätzlich<br />
die Vorlage eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages<br />
notwendig.<br />
Bitte achten Sie bei entsprechenden Anträgen darauf, den<br />
Gesellschaftsvertrag spätestens bis zum Abgabetermin bei<br />
der Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses einzureichen.<br />
VERLEGUNGEN<br />
Nach § 24 Abs. 7 ZV-Z ist im Falle einer Verlegung des<br />
Vertragszahnarztsitzes grundsätzlich ein entsprechender<br />
Antrag an den Zulassungsausschuss zu richten. Die Verlegung<br />
ist erst möglich, wenn der Zulassungsausschuss<br />
diesem Antrag stattgegeben hat.<br />
SITZUNGEN DES<br />
ZULASSUNGSAUSSCHUSSES<br />
NIEDERSACHSEN FÜR ZAHNÄRZTE<br />
Alle Anträge an den Zulassungsausschuss Niedersachsen<br />
sind unter Beifügung sämtlicher erforderlicher Unterlagen<br />
rechtzeitig bis zum Abgabetermin bei der<br />
Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses<br />
Niedersachsen, Zeißstraße 11, 30519 Hannover,<br />
in Urschrift und eigenhändig unterschrieben einzureichen.<br />
© diego cervo / iStockphoto.com
Abgabe bis 08.02.2<strong>01</strong>3<br />
Sitzungstermin 06.03.2<strong>01</strong>3<br />
Abgabe bis 14.05.2<strong>01</strong>3<br />
Sitzungstermin 12.06.2<strong>01</strong>3<br />
Abgabe bis 23.08.2<strong>01</strong>3<br />
Sitzungstermin 18.09.2<strong>01</strong>3<br />
Abgabe bis 25.10.2<strong>01</strong>3<br />
Sitzungstermin 20.11.2<strong>01</strong>3<br />
HINWEISE AUF PRAXISORTE<br />
FÜR NIEDERLASSUNGEN<br />
Fachzahnärzte für Kieferorthopädie<br />
In folgenden Planungsbereichen besteht Bedarf an<br />
Fachzahnärzten für Kieferorthopädie:<br />
Verwaltungsstelle Braunschweig<br />
� Planungsbereich Landkreis Gifhorn:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Gifhorn mit 34.412 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 34,9 % versorgt.<br />
� Planungsbereich Landkreis Peine:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Peine mit 25.277 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 31,6 % versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Braunschweig der KZVN,<br />
Vorsitzender: Dr. Helmut Peters, Münzstraße 9,<br />
38100 Braunschweig, Tel. 0531 13605, Fax 0531 4811315,<br />
E-Mail: braunschweig@kzvn.de<br />
Verwaltungsstelle Lüneburg<br />
� Planungsbereich Landkreis Lüchow-Dannenberg:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Lüchow-Dannenberg mit<br />
8.321 zu versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 48,1 %<br />
versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Lüneburg der KZVN,<br />
Vorsitzender: Zahnarzt Thomas Koch, Sülztorstraße 1,<br />
21335 Lüneburg, Tel. 04131 732770, Fax 04131 732772,<br />
E-Mail: lueneburg@kzvn.de<br />
Verwaltungsstelle Oldenburg<br />
� Planungsbereich Landkreis Oldenburg:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Oldenburg mit 25.053 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 31,9 % versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Oldenburg der KZVN,<br />
Vorsitzende: Zahnärztin Silke Lange, Bloher Landstraße 24,<br />
26160 Bad Zwischenahn, Tel. 0441 6990288,<br />
Fax 0441 691650, E-Mail: oldenburg@kzvn.de<br />
Verwaltungsstelle Osnabrück<br />
� Planungsbereich Landkreis Osnabrück:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Osnabrück mit<br />
72.357 Einwohnern ist derzeit zu 44,2 % versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Osnabrück der KZVN,<br />
Vorsitzender: Dr. Carsten Vollmer, Lotter Straße 127,<br />
49078 Osnabrück, Tel. 0541 76099965, Fax 0541 45363,<br />
E-Mail: osnabrueck@kzvn.de<br />
Verwaltungsstelle Ostfriesland<br />
� Planungsbereich Landkreis Aurich:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Aurich mit 36.970 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 43,3 % versorgt.<br />
� Planungsbereich Landkreis Leer:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Leer mit 33.003 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 42,4 % versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Ostfriesland der KZVN,<br />
Vorsitzender: Dr. Jörg Hendriks, Julianenburger Straße 15,<br />
26603 Aurich, Tel. 04941 2655, Fax 04941 68633,<br />
E-Mail: ostfriesland@kzvn.de<br />
Verwaltungsstelle Wilhelmshaven<br />
� Planungsbereich Landkreis Wesermarsch:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Wesermarsch mit 16.988 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 47,1 % versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Wilhelmshaven der KZVN,<br />
Vorsitzender: Dr. Gerhard Fust, Marktstraße 1,<br />
26382 Wilhelmshaven, Tel. 04421 42911,<br />
Fax 04421 983488, E-Mail: wilhelmshaven@kzvn.de<br />
— Stand 09.12.2<strong>01</strong>2<br />
J A N U A R 2 0 1 3 | N Z B | K Z V N<br />
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© Fotos: HDZ; www.istockphoto.com<br />
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Deutscher Zahnärzte<br />
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Engagement der Zahnärzteschaft für benachteiligte und Not leidende<br />
Menschen.<br />
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Konto für Zustiftungen: 060 4444 000<br />
Allgemeines Spendenkonto: 000 4444 000<br />
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Ihr Kleinanzeigenauftrag<br />
Auch online möglich:<br />
www.kzvn.de im Zahnarztportal unter Publikationen / <strong>NZB</strong><br />
oder Fax: 0511 8405 -262<br />
Niedersächsisches Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>)<br />
c/o KZVN<br />
Barbara Podgorski<br />
Zeißstraße 11<br />
30519 Hannover<br />
Folgende Kleinanzeige bitte<br />
� nur einmal<br />
� in den nächsten Ausgaben<br />
veröffentlichen unter der Rubrik:<br />
� Verkauf<br />
� Ankauf<br />
� Stellenmarkt<br />
� Verschiedenes<br />
Ich ermächtige Sie hiermit, den Gesamtbetrag von dem unten genannten Konto abzubuchen.<br />
Name<br />
Straße<br />
PLZ / Ort<br />
Tel.-Nr. Fax-Nr.<br />
Kontoinhaber<br />
Bankinstitut<br />
Konto-Nr. / BLZ<br />
Datum, Unterschrift des Auftraggebers<br />
Kleinanzeigen erscheinen als fortlaufender Text ohne<br />
Hervorhebungen. Bitte tragen Sie Ihren gewünschten<br />
Text in Druckschrift gut leserlich in die unten stehenden<br />
Kästchen ein, für jeden Wortzwischenraum und jedes<br />
Satzzeichen bitte ein Feld benutzen. Die Zeilen werden<br />
im <strong>NZB</strong> veröffentlicht wie von Ihnen im Formular vorgegeben.<br />
Die Anzahl der (angefangenen) Zeilen und<br />
damit den Preis Ihrer Anzeige bestimmen Sie selbst.<br />
Bei Chiffre Anzeigen rechnen Sie zur Zeilengebühr<br />
noch die Gebühr von 10,- EUR für die Chiffre Nr.<br />
hinzu. – Für alle Kleinanzeigenaufträge ist Ihre Einzugsermächtigung<br />
für den Bankeinzug erforderlich.<br />
Annahmeschluss für Kleinanzeigen ist der<br />
17. des Vormonats vor Erscheinen der Zeitschrift.<br />
Nur für Zahnärztinnen und Zahnärzte<br />
Raum für interne Vermerke<br />
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� Die Anzeige soll unter Chiffre<br />
erscheinen, Chiffregebühr 10,- EUR<br />
� Die Anzeige soll auch im Internet<br />
erscheinen (www.assistentenboerse.de)<br />
Gesamtbetrag<br />
Preis je angefangene<br />
Zeile 5,20 EUR<br />
(Mindestgröße vier Zeilen,<br />
davon die 1. Zeile fett)<br />
BITTE IN<br />
BLOCKSCHRIFT<br />
20,80 €<br />
26,00 €<br />
31,20 €<br />
36,40 €<br />
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52,00 €<br />
57,20 €<br />
62,40 €<br />
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