Betrifft: Betreuung 10
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Teil I Der 11. VGT Diskussionsbeiträge und Arbeitsergebnisse<br />
Vielfalt in der <strong>Betreuung</strong> für Menschen mit Demenz<br />
Peter Dürrmann<br />
I. Demenzkranke in vollstationären Pflegeeinrichtungen<br />
Den zweitgrößten Versorgungsbeitrag für Menschen mit Demenz leisten in Deutschland<br />
die vollstationären Pflegeeinrichtungen. Hierbei gewinnt die <strong>Betreuung</strong> von<br />
Demenzerkrankten mit herausforderndem Verhalten sowie mit einer weit fortgeschrittenen<br />
Demenz eine zunehmend immer größere Bedeutung. Aufgrund der Gegebenheit,<br />
dass die Institution Heim soziale Bedürfnisse und Arbeitsabläufe gruppenbezogen<br />
reguliert und organisiert erfährt die Tatsache, dass Menschen mit Demenz<br />
krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, sich diesen Vorgaben und Strukturen<br />
anzupassen bzw. diese zu verstehen, eine neue Qualität. So stellt z.B. die funktionale<br />
Pflegeablauforganisation für den Bewohner oftmals eine konstante Überforderung<br />
dar, die die Entwicklung von herausforderndem Verhalten begünstigt und zu erheblichen<br />
Beeinträchtigungen der Lebensqualität führen kann. Entscheidend für die Versorgungsqualität<br />
resp. für die <strong>Betreuung</strong>skultur wird zukünftig sein, dass Heime sich<br />
dem „Phänomen“ Demenz öffnen und wahrnehmen, dass sie sowohl Teil als auch<br />
Lösung des Problems sind.<br />
Bei den anstehenden, konzeptionellen Veränderungen geht es in erster Linie zudem<br />
nicht nur um die Frage nach der richtigen <strong>Betreuung</strong>sform oder um die Notwendigkeit<br />
und Planung von Heimneubauten, sondern ebenso um die Schaffung eines einheitlichen<br />
Werte- und Pflegeverständnisses, einer Philosophie, einer Konvention und<br />
damit einer Haltung, auf der die gemeinsame Arbeit für Menschen mit Demenz<br />
basiert, beständig reflektiert und weiterentwickelt werden kann. Im Mittelpunkt steht<br />
dabei die Hinwendung zum Menschen, dem Demenzkranken mit seinen Bedarfen<br />
und Bedürfnissen.<br />
Als Merksatz kann gelten: Menschen mit Demenz können sich krankheitsbedingt<br />
nicht anpassen, deshalb haben das Heim bzw. die Institution sich ihnen anzupassen.<br />
Für manche Pflegeeinrichtungen wird dies einen grundlegenden Wandel des bisherigen<br />
Unternehmensverständnisses bedeuten, weil die Erlangung von Alltagsnormalität<br />
in der Institution unter Aufhebung tradierter Heimstrukturen und Haltungen<br />
ansteht. Denn es geht nicht um unsere Werteorientierung, unsere subjektive Normalität<br />
und Wirklichkeit, sondern um die Erlebenswelt und Sichtweise der demenzerkrankten<br />
Personen. Diese – nicht die der Pflegenden – gilt es wahrzunehmen, denn<br />
hier liegen die Kompetenzen und Vorgaben zur Gestaltung des (Heim-) Alltages, hier<br />
sind die Antworten für eine biografiegeleitete Partizipation und wirkliche Einbindung<br />
des Menschen zu finden.<br />
Anzuerkennen ist, dass Heime keine Forderungen an die Bewohner, an Menschen<br />
mit Demenz dahingehend stellen können, ihren betrieblichen Erwartungen zu entsprechen.<br />
Normalisierung bedeutet letztlich die Abkehr von der Betrachtung der<br />
demenzerkrankten Person als einem zu „normierenden Objekt unserer Fürsorge und<br />
Versorgung“ hin zu einer Kultur des Ver- und Aushandelns, einer unterstützenden<br />
Begleitung. Alle angewandten Mittel in der <strong>Betreuung</strong> haben sich hieran auszurichten,<br />
ohne den Aspekt der Hilfebedürftigkeit zu negieren.<br />
II. Das Normalisierungsprinzip<br />
Als Leitidee für diesen Wandel bietet sich der Ansatz des Normalisierungsprinzips an,<br />
dessen Ursprung und praxistaugliche Weiterentwicklung in der Behindertenhilfe liegt<br />
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