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Betrifft: Betreuung 10

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B. Selbstbestimmung und Teilhabe – aus richterlicher Sicht<br />

Erfahrene Betreuer zeigen sich als Mensch und nicht als Machtfigur. Sie reden mit<br />

Betreuten auf gleicher Ebene.<br />

Die Sprache soll sich des Betreuten nicht bemächtigen, ihn nicht verkleinern und<br />

nicht moralisch abwerten. Dazu gehört es, keine neuen Eigenschaftswörter zu erfinden.<br />

Die menschlichen Eigenschaften sind seit dem Altertum ausgelotet. Im Deutschen<br />

kann man leider durch neue Wortbildungen wie „nicht wohnfähig“, „nicht<br />

absprachefähig“, „bettflüchtig“ und dergleichen den falschen Eindruck der Eigenschaft<br />

einer Person erwecken. Aber, was soll „nicht absprachefähig“ bedeuten? Es<br />

heißt nichts weiter als: Jemand tut nicht, was ich sage, ist also ungehorsam. „Wohnfähig“<br />

ist jeder, nur räumt halt nicht jeder auf. In den romanischen Sprachen ist es viel<br />

schwieriger, solche neuen, abwertenden Eigenschaftswörter zu bilden. Mit anderen<br />

Worten: Eine Eigenschaft, die sich nicht ins Italienische übersetzen lässt, kann man<br />

getrost ignorieren.<br />

Einzelne Menschen, die sich nicht anpassen, in Ausspielung eigener Macht wie<br />

Sachen zu beschreiben, also zu vergegenständlichen, ist inhuman. Zum Schutz einer<br />

menschlichen Umgangskultur sollten wir entschlossen gegen Abwertung vorgehen,<br />

Personen, die anmaßend über betreute Menschen schreiben, ansprechen und<br />

eigene wertschätzende Stellungnahmen einbringen.<br />

V. Schlussbetrachtung<br />

Was die Teilhabe betreuter Menschen an allen gesellschaftlichen Bereichen angeht,<br />

sind Betreuer und Betreuerinnen verpflichtet, sich über alle Angebote zu informieren<br />

und diese Informationen an die Betreuten weiterzugeben.<br />

Die Selbstbestimmung des betreuten Menschen ist kein gesichertes Gut. Sie muss<br />

immer noch nach außen verteidigt werden, zunehmend auch gegen kapitalistische<br />

und fiskalische Interessen. Der „Kampf der Gierigen gegen die Schwierigen“ 8 hat das<br />

<strong>Betreuung</strong>swesen längst erreicht.<br />

Aus diesem Grund sind Strukturveränderungen, die zu Sparzwecken benutzt werden<br />

können, wie die Übertragung der Begleitung der <strong>Betreuung</strong> von den Gerichten auf die<br />

Gemeinden, abzulehnen. In einer Zeit, in der z.B. in NRW mehr als jede 6.Gemeinde<br />

einen Nothaushalt hat, können die Gemeinden diesen Mehraufwand von Personal<br />

nicht schultern. Gerichte sind sicherlich angreifbar, aber in ihrer Unabhängigkeit besser<br />

geeignet, den Unangepassten zur Seite zu stehen als weisungsgebundene<br />

Gemeindeangestellte.<br />

Allerdings sollte die Beteiligung der <strong>Betreuung</strong>sbehörde in jedem <strong>Betreuung</strong>sverfahren<br />

verbindlich sein. Dies hätte zur Folge, dass sie in vielen Gemeinden erst einmal<br />

ausreichend ausgestattet werden müsste. Damit wäre für die Qualitätsentwicklung<br />

viel gewonnen.<br />

<strong>Betreuung</strong> ist eine friedensstiftende Tätigkeit. Sie hat Tausende zu einem lebenswerten<br />

Leben zurückgeführt, Familien befriedet und der Gesellschaft ein humanes<br />

Gesicht verliehen. Dies gilt es zu bewahren – allen Anfeindungen zum Trotz.<br />

8 Alfred Jarry, König Ubu, Drama in fünf Aufzügen, Stuttgart 1996, 5. Aufzug, 1.Szene.<br />

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