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Betrifft: Betreuung 10

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Teil I Der 11. VGT Eröffnungsvorträge<br />

viele Klinikärzte gehen davon aus, dass ihr Behandlungswunsch auch durchgesetzt<br />

werden muss und üben hohen Druck auf Betreuer aus, darin einzuwilligen. Richter<br />

werden mit Abwertung „gestraft“, wenn sie Genehmigungen verweigern.<br />

Menschen mit psychischen Erkrankungen können eine Klinikbehandlung eher als<br />

Hilfe annehmen, wenn das Krankenhaus eine Zuflucht in Krisensituationen ist, wo<br />

man zur Ruhe kommen kann und grundsätzliche Wertschätzung und Geborgenheit<br />

erfährt.<br />

Für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ist ihre Grenze zu den anderen<br />

ein beunruhigendes Thema. Die unmittelbare Umgebung wird oft als problematisch<br />

erlebt, man befürchtet mangelnden Respekt, Übergriffe und Machtausübung. Um<br />

den inneren Raum zu schützen, wird die Grenze oft weit nach außen verlagert: Türen<br />

mehrfach geschlossen, Klingel abgestellt, Fensterläden heruntergelassen, Post nicht<br />

geöffnet, Einbestellungen ignoriert. Die Befürchtungen potenzieren sich gegenüber<br />

den Mächtigen der Gesellschaft: Behörden, Versicherungen und Gläubigern.<br />

2. Nutzen rechtlicher <strong>Betreuung</strong><br />

<strong>Betreuung</strong> kann gegenüber diesen Mächtigen für den psychisch Erkrankten ungemein<br />

entlastend wirken, was von den Betroffenen auch durchweg anerkannt wird.<br />

Ein betreuter Mann sagt: „Ich bin wieder auf Leben programmiert. Mir ist geholfen<br />

worden. Der Betreuer hat alles geregelt. Es ist ein gutes Gefühl, den Betreuer zu<br />

haben. Immer, wenn ich jetzt in den Briefkasten schaue, liegt da keine Mahnung drin.“<br />

Ein kluger Betreuer achtet die Grenzziehungen des psychisch Erkrankten und steht<br />

an seiner Seite, um ihm seine Solidarität zu zeigen. So ist es z.B. partnerschaftlich, mit<br />

dem Betreuten zusammen zu überlegen, wie sie die Wohnung in einen präsentablen<br />

Zustand bringen, bevor der Vermieter zur Besichtigung kommt, um keine Kündigung<br />

zu riskieren. Es wäre hingegen überhebliche Machtausübung, Betreute herabzusetzen<br />

und auszuschimpfen, weil ihre Wohnung ungepflegt ist.<br />

Es ist nicht Betreueraufgabe, den betroffenen Menschen zu einem gesellschaftlich<br />

angepassten Wesen zu machen. Betreuer sind weder Erzieher noch Missionare. Pädagogischer<br />

Eifer ist die häufigste Ursache für das Scheitern einer Betreuerbeziehung.<br />

Unsere Gesellschaft, die den einzelnen zu einem Anhang von Maschinen machen will<br />

und von ihm eine unerfüllbare Funktionstüchtigkeit erwartet, fixiert sich auf jede Störung<br />

im Betriebsablauf und etikettiert Menschen schnell als unfähig, wenn sie dem<br />

Tempo und der Taktung der Außenwelt nicht standhalten.<br />

Rechtliche <strong>Betreuung</strong> erscheint dann als probates Mittel, dem Einzelnen Nachreifung<br />

und Erziehung angedeihen zu lassen, mit dem unzutreffenden Hintergedanken, dass<br />

der Betroffene eigentlich noch ein Kind sei.<br />

Eine solche Ausweitung des Krankheitsbegriffes des § 1896 BGB auf sog. Persönlichkeitsstörungen,<br />

Sucht oder straffälliges Verhalten ist abzulehnen, denn es ist nicht<br />

Aufgabe des Staates, seine erwachsenen Bürger zu erziehen. Aufträge in der <strong>Betreuung</strong><br />

zu Erziehung und Läuterung sind unwürdig für beide: Betreuer und Betreute.<br />

Betreuer geraten in die Erziehungsfalle, was sich durch ärgerliche, abwertende<br />

Berichterstattung und unangenehme Auseinandersetzungen mit dem Betreuten<br />

äußert. Betreute lernen wenig hinzu, wenn sie dem Betreuer die Verantwortung für<br />

alles zuschieben können, was in ihrem Leben schief läuft.<br />

Das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit psychischem Leiden zu achten,<br />

heißt, ihr Nein zu respektieren und sie dann mit der Situation nicht allein zu lassen.<br />

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