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Betrifft: Betreuung 10

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B. Selbstbestimmung und Teilhabe – aus richterlicher Sicht<br />

Vollmachten sind ein geeignetes Mittel der Vorsorge, wenn man sich von liebenden<br />

Verwandten oder Freunden umgeben sieht, die Respekt vor dem Eigensinn eines<br />

Menschen haben und befähigt sind, fremde Angelegenheiten ( und ihre eigenen!) zu<br />

besorgen. Von Verwandten, die glauben, sie hätten die Vernunfthoheit über ihre<br />

schwächer werdenden Angehörigen, lässt man sich besser nicht vertreten. <strong>Betreuung</strong>sbehörden<br />

und <strong>Betreuung</strong>svereine müssen zuverlässig in ihrer Informationsarbeit<br />

zu Vorsorgevollmachten finanziell unterstützt werden.<br />

Die aktuelle Diskussion um Patientenverfügungen zeigt die Spannung zwischen Freiheit<br />

und Geborgenheit. Einerseits möchten viele Menschen selbst entscheiden, unter<br />

welchen Umständen sie nicht mehr behandelt werden möchten. Andererseits wünschen<br />

wir uns eine Gesellschaft, die Schwerkranke nicht allein lässt, sie warmherzig<br />

umhegt und Schmerzen professionell behandelt. Meines Erachtens ist es für eine<br />

gesetzliche Regelung noch zu früh. Die gesellschaftliche Diskussion wird noch zu<br />

oberflächlich und zu gereizt geführt. Es herrscht große Unklarheit über das ärztliche<br />

Handeln und die pflegerische Versorgung Schwerkranker. Bevor die Menschen nicht<br />

wissen, ob sie Gleichgültigkeit oder Geborgenheit erwartet, können sie keine differenzierte<br />

Patientenverfügung schreiben, sondern bleiben im – angstbesetzten – Allgemeinen.<br />

IV. Menschen mit psychischen Erkrankungen<br />

1. Gesellschaftliche Situation<br />

Menschen mit psychischen Erkrankungen fordern von ihrer Umgebung viel Energie,<br />

sie sind der Gesellschaft nicht geheuer, Abwehr ist die Reaktion. So fallen die Betroffenen<br />

rasch aus gesellschaftlichen Bezügen und damit aus der Teilhabe – Arbeitsplatzverlust,<br />

familiäre Entfremdung, Verlust von Freundschaften und nachbarlicher<br />

Unterstützung sind ihr Schicksal. Jedenfalls in Krisen wird die Aufmerksamkeit psychisch<br />

kranker Menschen ganz von ihrem aufgewühlten Inneren absorbiert, sodass<br />

für die Forderungen der Außenwelt (zum Beispiel nach Ordnung, Pünktlichkeit,<br />

Behördenkontakt) keine Kraft mehr bleibt. Menschen mit psychischen Erkrankungen<br />

sind sich ihrer selbst nicht sicher und können auch nicht sicher sein, dass andere ihre<br />

Grenzen achten. Keine andere Gruppe ist so stark dem Einflusswunsch der Gesellschaft<br />

ausgesetzt wie die psychisch Erkrankten. Die Gesellschaft verbrämt ihren eigenen<br />

Wunsch, die Betroffenen durch Durchsetzung von medikamentöser Behandlung<br />

unter Kontrolle zu bekommen mit der Erklärung, man wolle für Menschen mit psychischen<br />

Erkrankungen nur ihr Bestes.<br />

Folgerichtig waren es Menschen mit psychischen Erkrankungen, die bahnbrechende<br />

Entscheidungen der Obergerichte zur Freiheit vor unerwünschter Behandlung erstritten<br />

haben: In gewissen Grenzen bleibt dem Einzelnen die Freiheit zur Krankheit, also<br />

die Entscheidung, ob er die Krankheit durchleiden oder behandelt werden will. Eine<br />

ambulante Zwangsbehandlung ist nicht zulässig. 5 Stationär darf der entgegenstehende<br />

Wille nur ausnahmsweise mit Zwang überwunden werden, wenn dieser<br />

Grundrechtseingriff im angemessenen Verhältnis zum erwarteten Erfolg steht. 6 In<br />

einer neueren Entscheidung hat der BGH gemahnt, nicht einfach deshalb unterzubringen,<br />

um eine gewünschte Zwangsbehandlung zu legalisieren. 7<br />

Obwohl Psychiatrie-Erfahrene diese Bestätigung ihrer Rechte erstritten haben, können<br />

sie nicht sicher sein, dass diese Rechte an der Basis auch beachtet werden. Zu<br />

5 BGHZ 145, 297 = BtPrax 2001, 32.<br />

6 BGH, Beschluss vom 1.2.2006, abgedruckt in BtPrax 2006, 145.<br />

7 BGH, Beschluss vom 23.1.2008, abgedruckt in BtPrax 2008, 115.<br />

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