Betrifft: Betreuung 10
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D. Kommentar aus rechtswissenschaftlicher Sicht<br />
Prof. Dr. Tobias Fröschle<br />
Die Ausgestaltung der Aufgaben der <strong>Betreuung</strong>sbehörde als kommunale Selbstverwaltungsaufgaben1<br />
bringt es mit sich, dass diese in Deutschland bis jetzt und auch in<br />
Zukunft nicht einheitlich gehandhabt werden. Das wäre mit der Idee kommunaler<br />
Selbstverwaltung auch schlecht verträglich. Dennoch ist es natürlich nicht wünschenswert,<br />
dass eine einheitliche Aufgabe wie die in § 8 BtBG beschriebene in allzu<br />
unterschiedlicher Art und Weise wahrgenommen wird. Die Entwicklung von Standards<br />
– als Orientierungshilfe für die örtlichen Behörden – ist daher zu begrüßen. Die<br />
Ihnen als Arbeitspapier vorliegenden Vorschläge werden von mir sowohl grundsätzlich<br />
als auch im Inhalt weitgehend befürwortet. Dies will ich vorwegschicken, da ich<br />
mich – schon wegen der begrenzten Zeit – im Folgenden auf kritische Anmerkungen<br />
beschränken will und nicht den Eindruck erwecken möchte, als stünde ich dem Vorhaben<br />
insgesamt kritisch gegenüber.<br />
In diesem Sinne ist aus – meiner subjektiven – rechtswissenschaftlichen Sicht folgendes<br />
zu bemerken:<br />
I. <strong>Betreuung</strong> und Autonomie des Betroffenen<br />
Rechtliche <strong>Betreuung</strong> ist zwar ein Eingriff in die Privatautonomie des Betroffenen. Das<br />
ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn sie dient gleichzeitig der Sicherstellung dieser<br />
Autonomie. Wenn der Betreuer den gesetzlichen Vorgaben entsprechend Entscheidungen<br />
nach den Wünschen und Vorstellungen des Betreuten trifft, dient dies der<br />
Verwirklichung der Selbstbestimmung des Betroffenen, die dieser – aufgrund seiner<br />
mentalen oder körperlichen Einschränkungen – nicht selbst verwirklichen kann.<br />
Es gibt die Antinomie zwischen Hilfeangebot und Rechtseingriff so nicht. Vielmehr ist<br />
jede falsche Entscheidung in einer <strong>Betreuung</strong>ssache ein Eingriff in die Freiheitsgrundrechte<br />
des Betroffenen: die Nichteinrichtung einer notwendigen <strong>Betreuung</strong><br />
nicht weniger als die Einrichtung einer nicht notwendigen2 .<br />
Das „so wenig <strong>Betreuung</strong> wie möglich“, das das Arbeitspapier hervorhebt, sollte<br />
daher – um hier keine falsche Parteilichkeit hervorzurufen – um ein „aber so viel<br />
<strong>Betreuung</strong> wie nötig“ ergänzt werden. Es ist die Aufgabe aller Beteiligten, auch der<br />
<strong>Betreuung</strong>sbehörde, dass derjenige eine <strong>Betreuung</strong> bekommt, der sie braucht.<br />
Dies hat Konsequenzen bei der Beurteilung eventuell zur Verfügung stehender<br />
„anderer Hilfen“, also familiärer oder anderer informeller, sowie formeller sozialer<br />
Unterstützungssysteme. Hier sollte der kritische Blick der ermittelnden <strong>Betreuung</strong>sbehörde<br />
auch darauf gerichtet sein, ob der Betroffene in der Lage ist, Autonomie<br />
gegenüber diesen Unterstützungssystemen zu behaupten. Ebenso wie ein Vollmachtgeber<br />
auch gegenüber seinem Vorsorgebevollmächtigten noch Rechte hat, die<br />
wahrzunehmen erforderlich werden kann (siehe § 1896 Abs. 3 BGB), ist dies bei den<br />
„anderen Hilfen“ der Fall.<br />
1 Diese Ausgestaltung ist durch Bundesrecht nicht vorgeschrieben, bis jetzt jedoch in allen Flächenländern<br />
gegeben; Fröschle/Kuhrke, Praxiskommentar <strong>Betreuung</strong>sverfahren, Köln 2007, § 1<br />
BtBG Rn. 2; tabellarische Übersicht bei Deinert/Walther, Handbuch <strong>Betreuung</strong>sbehörde, 3. Aufl,<br />
Köln 2006, S. 25.<br />
2 Grundlegend hierzu: Lipp, Freiheit und Fürsorge, Tübingen 2000; siehe dazu, dass es den<br />
Betroffenen in seinen Rechten verletzt, wenn eine notwendige <strong>Betreuung</strong> nicht eingerichtet<br />
wird: OLG München BtPrax 2007, 81.<br />
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