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Betrifft: Betreuung 10

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B. Selbstbestimmung und Teilhabe – aus richterlicher Sicht<br />

wenn sie sich nicht anpassen wollten, und das Gute, das man ihnen anbot, verschmähten:<br />

Bestrafung, Ausgrenzung bis hin zur geschlossenen Unterbringung.<br />

Die Behindertenpolitik hat in den letzten Jahrzehnten eine konsequente Öffnung der<br />

abgeschotteten Welt geistig behinderter Menschen betrieben. Aus Skandinavien<br />

kommend wurde der Begriff der Normalisierung von Lebensverhältnissen behinderter<br />

Menschen zur Richtschnur. Menschen mit Behinderung sollen so leben können<br />

wie ihre Altersgenossen, dieselben Schulen besuchen, heiraten, reisen, arbeiten,<br />

wohnen, Hobbys pflegen und sich weiterbilden. Erstmals werden die Kompetenzen<br />

und Lebensvorstellungen geistig behinderter Menschen wahrgenommen. Statt sie<br />

wie in der Vergangenheit zu belehren und zu beschwichtigen, hört man ihnen mehr<br />

zu.<br />

Dennoch hat die Pädagogik, wie sie z.B. auch im sog. betreuten Wohnen praktiziert<br />

wird, noch eine Übermacht, die der Selbstbestimmung behinderter Menschen nicht<br />

förderlich ist. Immer wieder begegnet man noch Pädagogen, die fälschlich meinen,<br />

behinderten Menschen die Freiheitsrechte „gewähren“ zu können, je nach Lernerfolg<br />

und Benehmen. Rechtlich gesehen verhält es sich aber umgekehrt: Man hat die Freiheitsrechte,<br />

sie werden nicht gewährt. Sie können allenfalls durch Gesetze eingeschränkt<br />

werden. Die weitere Emanzipation behinderter Menschen dürfte noch einige<br />

Zeit in Anspruch nehmen, sich aber insgesamt nicht mehr aufhalten lassen.<br />

2. Neugeschaffene Strukturen der Teilhabe<br />

Durch das in SGB IX verankerte Recht auf Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen<br />

hat sich die Sonderwelt behinderter Menschen geöffnet. Besonders interessant<br />

sind das Arbeiten auf dem sog. ersten Arbeitsmarkt, gegebenenfalls durch Arbeitsassistenz<br />

unterstützt, Wohnen im eigenen Wohnraum, eventuell begleitet von der aufsuchenden<br />

Hilfe des betreuten Wohnens, Freizeitgestaltung, ermöglicht durch<br />

Assistenz und Fahrdienste. Das persönliche Budget bietet die Möglichkeit, das Geld<br />

für die Teilhabeleistung, z.B. eine Assistenz zu erhalten und selbst unter den Anbietern<br />

zu wählen.<br />

Der Zugang zur diesen Strukturen wird über Beratungsstellen eröffnet. So hat der<br />

Landschaftsverband Rheinland ein enges Netz sog. KoKoBe (Koordinations-, Kontakt-,<br />

und Beratungsstellen) geschaffen, die sehr konkret vermitteln, sowie mit Psychologen<br />

besetzte Konsulentenstellen eingerichtet, die Konflikte zwischen<br />

behinderten Menschen und Heim oder Werkstatt bearbeiten, so dass die Gefahr der<br />

Ausgrenzung (häufige Folge solcher Konflikte) verhindert wird. M.E. hat dadurch die<br />

geschlossene Unterbringung geistig behinderter Menschen stark abgenommen.<br />

Vor allem in den großen Städten hat sich eine differenzierte Beratungsstruktur für<br />

Menschen mit Behinderung entwickelt, die sie in der Einzelberatung zu Selbstbestimmung<br />

und Teilhabe ermuntert, sie mit anderen Strukturen vernetzt und ein breites<br />

Angebot bereit hält. Während das Angebot auf dem Land noch stark vom Engagement<br />

Einzelner abhängt, gibt es in Großstädten ein für den Laien unübersehbares<br />

Angebot an Kursen und Unternehmungen, die wegführen von klassischen Bastelabenden<br />

und Vergnügungsausflügen hin zu Bildungsangeboten, Teilhabe an gesellschaftlichen<br />

Veranstaltungen und politischer Betätigung. Teilhabe soll in Zukunft<br />

eben nicht die Freizeitbeschäftigung in der Sonderwelt der behinderten Menschen<br />

bedeuten, sondern ein Mitmachen bei allen Betätigungen erwachsener Bürger.<br />

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