Betrifft: Betreuung 10
Betrifft: Betreuung 10
Betrifft: Betreuung 10
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Teil II Göttinger Workshop zur Sachverhaltsaufklärung nach § 8 BtBG<br />
Kommentar aus der Sicht des Rechtsmittelgerichts<br />
Eva Moll-Vogel<br />
Ausgangspunkt soll zunächst die Frage sein, welche <strong>Betreuung</strong>sverfahren üblicherweise<br />
ins Rechtsmittel gehen. Dabei handelt es sich aus meiner langjährigen Erfahrung<br />
aus mehreren Instanzen insbesondere um die Verfahren, in denen es<br />
• Streit um die Notwendigkeit der <strong>Betreuung</strong> (krankheitsuneinsichtiger Betroffener)<br />
und/oder<br />
• Streit um Betreuerbestellung trotz Bevollmächtigung und/oder<br />
• Streit um die Betreuerauswahl (übergangener Angehöriger/Ablösung eines zuvor<br />
bestellten Betreuers) gibt.<br />
Soweit die Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg bieten und nicht nur Ausdruck der in diesen<br />
Verfahren vermehrt auftretenden krankheitsbedingten Unfähigkeit zur Einsicht in<br />
bestimmte Notwendigkeiten bzw. auch Ausdruck von vorhandenem Querulantentum<br />
sind, liegen die festgestellten Mängel der <strong>Betreuung</strong>sverfahren häufig im Bereich<br />
einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts, sodass damit ein Verstoß gegen<br />
den Grundsatz der Amtsermittlung des § 12 FGG gegeben ist.<br />
§ 12 FGG gilt sowohl im Verfahren erster Instanz als auch im Beschwerdeverfahren.<br />
Das Beschwerdegericht tritt vollständig an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts<br />
(Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Aufl., Rdnr. 63 zu § 12 FGG). Im Beschwerdeverfahren<br />
können neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden (§ 23 FGG).<br />
Sämtliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligten noch bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung<br />
ist zu berücksichtigen. Eine Präklusion neuen Vorbringens findet<br />
anders als im Berufungsverfahren nach §§ 530, 531 ZPO im Beschwerdeverfahren<br />
der sog. Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht statt.<br />
Die notwendigen Ermittlungen nimmt das Beschwerdegericht, welches – soweit die<br />
erstinstanzliche Entscheidung angefochten ist – voll an die Stelle des erstinstanzlichen<br />
Gerichts tritt, grundsätzlich selbst vor und wird auch, soweit dies nach § 12 FGG<br />
geboten ist, Ermittlungen der ersten Instanz wiederholen müssen. Auch die gesetzlich<br />
vorgeschriebenen persönlichen Anhörungen des Betroffenen und ggf. sonstiger<br />
Beteiligten müssen in der Beschwerdeinstanz wiederholt werden, es sei denn, dass<br />
sich aus dem Akteninhalt einwandfrei ergibt, dass eine erneute persönliche Anhörung<br />
in der Beschwerdeinstanz nichts zur Sachaufklärung beitragen wird (Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler,<br />
15. Aufl., Rdnr. 72 zu § 12).<br />
Der Untersuchungsgrundsatz gilt im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt. Das<br />
Gericht kann sich daher nicht darauf beschränken, Ermittlungen zu den neu vorgetragenen<br />
Tatsachen durchzuführen und neuen Beweisanträgen nachzugehen. Vielmehr<br />
müssen im Beschwerdeverfahren auch die notwendigen Ermittlungen nachgeholt<br />
werden, die das erstinstanzliche Gericht vor der Beschwerde – ggf. von den Beteiligten<br />
völlig unbeanstandet – pflichtwidrig unterlassen hat.<br />
Für die Gerichte der weiteren Beschwerde (OLG, künftig BGH) ist eine Nachprüfung<br />
der angefochtenen Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich ausgeschlossen,<br />
da die weitere Beschwerde ebenso wie in der Revision die angefochtene<br />
Entscheidung nur daraufhin überprüft, ob diese auf einer Verletzung des Rechts<br />
beruht (§ 27 Abs.1 S.1 FGG). Die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts<br />
sind im Rechtsbeschwerdeverfahren bindend (§ 27 Abs.1 Satz 2 i.V.m. § 559<br />
Abs. 1 ZPO). Eine fehlende Amtsermittlung ist jedoch eine solche Verletzung des<br />
226