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Betrifft: Betreuung 10

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Teil I Der 11. VGT Eröffnungsvorträge<br />

B. Selbstbestimmung und Teilhabe rechtlich betreuter<br />

Menschen – eine Bestandsaufnahme aus<br />

richterlicher Sicht<br />

Was hat die gesetzliche <strong>Betreuung</strong> seit 1992 für Selbstbestimmung und Teilhabe<br />

kranker und behinderter Menschen geleistet und wo bestehen noch Schwächen?<br />

– Ein Überblick 1<br />

Carola von Looz<br />

I. Einstimmung<br />

In einem Hamburger Hotel arbeiten lernbehinderte Frauen und Männer im Service.<br />

Eine erfahrene Mitarbeiterin mit Behinderung sorgt für das Frühstück. Der Frühstücksraum<br />

ist klein und führt auf den Parkplatz. Nach dem Auschecken pflegen die<br />

Gäste mit ihrem Gepäck den Frühstücksraum zu durchqueren, um zu ihrem Fahrzeug<br />

zu gelangen.<br />

Eines Morgens – die genannte Mitarbeiterin füllte gerade das Büfett auf – strebten drei<br />

finster drein blickende junge Männer durch den Raum. Sie führten nachlässig<br />

gepackte, offene Reisetaschen mit sich. Aus einer ragte eine Handfeuerwaffe. Das<br />

muntere Plaudern der Gäste erstarb. Alle starrten auf den Gewehrlauf. Die behinderte<br />

Mitarbeiterin öffnete die Terrassentür und sagte: „Na, da sehen Sie mal zu, dass Sie<br />

hier schnell durch kommen. Hoffentlich ist die nicht geladen!“ Sie schloss hinter den<br />

Männern rasch die Tür, wandte sich zum Büfett, ergriff mit Schwung die Kanne und<br />

rief: „Noch jemand Kaffee?“<br />

Die Personengruppen, die in § 1896 Abs.1 BGB als Volljährige mit psychischer Krankheit,<br />

körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung beschrieben werden, leben<br />

in einem veränderlichen gesellschaftlichen Raum. Der Grad von gesellschaftlicher<br />

Teilhabe und Selbstbestimmung ist abhängig von der Haltung, die ihnen das<br />

Gemeinwesen entgegenbringt, von den Hilfestrukturen zur Umsetzung der Teilhabe<br />

und Selbstbestimmung und der Bereitschaft der Beteiligten des <strong>Betreuung</strong>sverfahrens,<br />

diesen Zielen Vorrang einzuräumen.<br />

II. Menschen mit geistiger Behinderung<br />

1. Paradigmenwechsel in der Haltung zu Menschen mit geistiger<br />

Behinderung<br />

Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts überwog in der Gesellschaft die Meinung,<br />

Menschen mit geistiger Behinderung müssten stark behütet, dauernd beaufsichtigt<br />

und zu allem angeleitet werden. Behinderte Menschen wurden als defizitär beschrieben,<br />

woraus sich der Anspruch ableitete, sie lebenslangem Lernen und Erziehen zu<br />

unterwerfen. Menschen mit geistiger Behinderung wurden Sonderwelten zugewiesen.<br />

Sie sollten die Lebenswelt der nicht behinderten Menschen nicht über Gebühr<br />

belasten. Diese Ausgrenzung wurde mit Kitsch verbrämt, indem behinderte Menschen<br />

als lieb und dankbar und ihre Eltern als Helden apostrophiert wurden, und die<br />

Gesellschaft ihr schlechtes Gewissen mit Spendenbereitschaft beruhigte. Dass es<br />

dabei auch um den Erhalt der Macht über behinderte Menschen ging, zeigte sich an<br />

den Unterwerfungsmechanismen, denen behinderte Menschen ausgesetzt waren,<br />

1 Siehe auch BtPrax 2009, 3 ff.<br />

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