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Betrifft: Betreuung 10

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E. Perspektiven<br />

Pflichtaufgabe darstellt, fallen die Förderung eines <strong>Betreuung</strong>svereines, wie auch die<br />

konkrete Ausgestaltung von Hilfen für Behinderte in das „Ermessen des kommunalen<br />

Trägers“ (ebd. 35). Dieser Konstruktionsfehler des SGB IX ermöglicht eine doppelte<br />

Exklusion: Gesellschaftliche Ausgrenzung durch Barrieren und Ausgrenzung aus<br />

dem Hilfesystem (wegen der unterschiedlichsten Gründe). Wunsch- und Wahlrecht<br />

der Menschen mit Behinderung erfahren eine wesentliche Einschränkung durch § 17<br />

Abs. 2 SGB IX, der die Art und Leistungshöhe in das pflichtgemäße Ermessen der<br />

Verwaltung stellt.<br />

Ebenso wird kritisch diskutiert, dass Behindertenhilfe weiterhin ein Instrument der<br />

Armenpolitik bleibt. Dies wird insbesondere relevant, wenn es um die Umsetzung des<br />

persönlichen Budgets geht. Neben den enormen Problemen bei der Koordination ist<br />

es mittlerweile nur ein Rechenbeispiel, dass sich Menschen insgesamt schlechter<br />

stellen, wenn sie sich Geldleistungen auszahlen lassen, anstatt die Leistungen in<br />

einem stationären Bezug zu erhalten. Das Geld reicht schlicht und einfach nicht zum<br />

Überleben, ganz abgesehen davon, dass es nicht ausreicht, um sich adäquate<br />

Hilfsangebote einkaufen zu können. Gerade im Übergang zu selbstständigen<br />

Lebensformen wird deutlich, dass die Ausgrenzung von Arbeitsmöglichkeiten, die ein<br />

sicherndes Einkommen bringen könnten, Menschen mit Behinderung in die strukturelle<br />

Armut schicken. Sie sind auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen, die ja<br />

einer umfangreichen Bedarfsprüfung unterliegen.<br />

Aus der augenblicklichen Diskussion um kommunale Sozialpolitik lassen sich also<br />

drei Thesen ableiten, die als Herausforderung der Gestaltung kommunaler Strukturen<br />

gelten können:<br />

• Es besteht ein Informationsproblem für Kommunen, was die zukünftige Entwicklung<br />

der Bevölkerung und die Schwerpunktsetzung der kommunalpolitischen<br />

Entwicklung angeht. Die Frage nach dem Wunsch- und Wahlrecht und der Konkurrenz<br />

und Gleichzeitigkeit lokaler Initiativen lässt den Bedarf für langfristige<br />

(Sozial-)Planungen und Koordinationen steigen.<br />

• Es entstehen in der nachkorporatistischen Zeit und unter den Bedingungen des<br />

demografischen Wandels neue Konkurrenzen und Wettbewerbssituationen. Die<br />

politische Aktivität der öffentlichen und freien Träger in den neuen Freiheiten und<br />

Verteilungsanforderungen eines pluralisierten kommunalen Wohlfahrtsstaates<br />

bezieht sich nicht nur auf Verteilungsfragen von Ressourcen, sondern auch auf<br />

Schwerpunktsetzungen unterschiedlicher Policy-Bereiche der Kommunen. Die<br />

Behindertenhilfe droht aufgrund der Nachrangsregelung und Fürsorgesystematik<br />

strukturell benachteiligt zu werden.<br />

• Der anhaltende Kostendruck fordert die Kommunen heraus, Entscheidungen<br />

unter einem gleichermaßen fachlichen, politischen wie ökonomischen Sachverstand<br />

zu fällen, um Effizienz zu gewährleisten. Maßnahmen der Ambulantisierung,<br />

Individualisierung und Vernetzung drohen als Sparmaßnahmen instrumentalisiert<br />

zu werden. Die neuen Angebote stehen im Spannungsverhältnis<br />

zwischen Wunsch- und Wahlrecht, den Bedürfnissen der Adressaten und dem<br />

Sparpotential für Kommunen.<br />

Der Wandel der Lebenslagen, der demografische Wandel und die Globalisierung<br />

haben durch ihre Relevanz für die kommunale Sozialpolitik also auch eine direkte<br />

Auswirkung auf die Politik für Menschen mit Behinderung. Was bislang in der Programmatik<br />

Ambulantisierung und Persönliches Budget kaum vorgesehen ist, ist der<br />

steigende Beratungsbedarf in komplexer werdenden Strukturen; ein Bedarf, der für<br />

das Klientensystem ebenso besteht, wie für die kommunalen Träger der Behindertenhilfe.

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