Betrifft: Betreuung 10
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Teil I Der 11. VGT Eröffnungsvorträge<br />
gen in der Mitte der Gesellschaft einbringen kann. Es geht darum, eine Umwelt zu<br />
schaffen, die ein gleichberechtigtes Miteinander in Vielfalt zulässt. Dabei geht es nicht<br />
nur um die Schaffung von Barrierefreiheit.<br />
Es geht auch darum, individuelle Unterstützungsleistungen bereit zu stellen, die Menschen<br />
mit Behinderung selbstbestimmte, aber auch eigenverantwortliche Teilhabe<br />
am Leben, an Bildung, Ausbildung und Berufsleben ermöglicht.<br />
III. Persönliches Budget<br />
In den genannten Gesetzen sind zahlreiche gute und richtige Instrumente verankert,<br />
die ein selbst bestimmtes Leben behinderter Menschen unterstützen sollen. Beispielhaft<br />
möchte ich hier nur das Persönliche Budget nennen: Menschen mit Behinderungen<br />
haben seit Beginn des Jahres die Möglichkeit, ihre Unterstützungsleistungen<br />
selbst zu koordinieren. Anstelle der bisherigen Sachleistungen werden Unterstützungsbedarfe<br />
individuell ermittelt und als Barbetrag ausgezahlt. An Hand dieser Leistungsform<br />
lässt sich sehr gut nachvollziehen, worum es geht: Zunächst geht es<br />
darum, dass der Bedarf individuell ermittelt wird. Keine Rundumfürsorge, sondern<br />
bedarfsgerechte Unterstützung. Dann geht es um Emanzipation und Wahlrechte. Mit<br />
dem Budget tritt der behinderte Menschen als Kunde auf. Leistungen werden nicht<br />
mehr ohne Beteiligung des Betroffenen zwischen Kostenträger und Einrichtung<br />
abgerechnet, sondern Leistung und Bezahlung müssen individuell verhandelt werden.<br />
Und der Kunde wählt, wo er von wem welche Leistung haben möchte.<br />
IV. Umsetzung in der Praxis<br />
Wie es aber so ist, mit Umdenkungsprozessen, dem Denken muss das Handeln folgen.<br />
Symptomatisch auch für die Behindertenpolitik ist, dass es die gesetzlichen<br />
Instrumente in der Praxis schwer haben, sich durchzusetzen. Die rechtlichen Voraussetzungen<br />
sind vorhanden – was mir allerdings Sorgen bereitet, ist die nach wie vor<br />
nicht befriedigende Umsetzung dieser Gesetze. Sie werden schlicht nicht gelebt,<br />
gelangen nicht in das alltägliche Bewusstsein. Somit sind zwar theoretisch alle Voraussetzungen<br />
für ein selbstbestimmtes Leben gegeben, praktisch läuft es aber an<br />
vielen Stellen unverändert. Regelmäßig mache ich die Erfahrung, dass Leistungen<br />
von uninformierten Behörden abgelehnt werden, obwohl es einen Rechtsanspruch<br />
auf diese Leistung gibt. Das kann nicht sein.<br />
V. Kommunikation auf Augenhöhe – der Betreuer als Berater?<br />
In diesem Zusammenhang ist meiner Ansicht nach auch eine neue Perspektive Ihrer<br />
Arbeit zu erschließen. In einer Zielvorgabe, in der es um individualisierte Bedarfe und<br />
ambulante Unterstützungsstrukturen, also um Teilhabe und Selbstbestimmung in<br />
umfassendem Sinne geht, braucht es mehr denn je eine Kommunikation auf Augenhöhe.<br />
Ich sprach eben vom Persönlichen Budget. Das ist ein gutes Beispiel. Diejenigen,<br />
die ein solches Budget in Anspruch nehmen wollen, brauchen natürlich kompetente<br />
Beratung. Einige brauchen aber auch umfassende und dauerhafte Begleitung<br />
und Unterstützung. Und warum sollten die Betreuerinnen und Betreuer nicht ein Teil<br />
dieses Unterstützungssystems sein? In einem Prozess, der immer mehr auf individuelle<br />
Lösungen für Teilhabe und Selbstbestimmung setzt, wäre es ja geradezu fahrlässig,<br />
auf den Sachverstand zu verzichten, den Sie mit Ihrer Arbeit bereitstellen.<br />
Zergliederte und über Jahre gewachsene System in Deutschland zeigen jedoch auch<br />
hier ungeahnte Beharrungskräfte. So richtig traut sich da noch niemand ran und<br />
manchmal habe ich sogar das Gefühl, manch einer hat Angst vor der eigenen Courage.<br />
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