Betrifft: Betreuung 10
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E. Perspektiven<br />
Es besteht weiterhin die Nachrangsregelung, es gibt weiterhin die institutionellen<br />
Zuordnungsproblematiken und regionale Speziallösungen.<br />
Zusammenfassend erscheinen die normativen Grundlagen für die Behindertenpolitik<br />
als ambivalent. Mit den gesetzlichen Grundlagen ist also die eine Seite der Ausgangslage<br />
für Menschen mit Behinderung beschrieben. Man kann eindeutig sagen, dass<br />
sich im SGB IX die veränderten gesellschaftlichen Wertvorstellungen über die<br />
Lebenslagen der Menschen mit Behinderung widerspiegeln. Dazu gehört auch, um<br />
die aktuellen Diskussionen wiederzugeben, dass Menschen mit Behinderung in ihrer<br />
Bürgerrolle gestärkt werden sollen. Sie sind also nicht aufzufassen als Klienten eines<br />
Sondersystems, sondern als Menschen, die wie jeder andere Bürger auch, in einem<br />
sozialen Umfeld vernetzt sind. Die Leistungen sind also an den Bedürfnissen der Person<br />
auszurichten und nicht an den Gegebenheiten der Institutionen. Die Bürgerrolle<br />
und der Personen- bzw. Subjektbezug sind zwei weitere Orientierungen, die als normative<br />
Grundlage der Sozialpolitik für Menschen mit Behinderung gelten können. Mit<br />
der Umsetzung dieser Vorstellungen in das SGB IX bleiben jedoch einige dieser<br />
Ideen auf der Strecke, und die konsequente Umsetzung droht durch die genannten<br />
‚Konstruktionsfehler’ des Gesetzes regelrecht behindert zu werden.<br />
Wie sieht es aber nun mit den Lebensbedingungen der Menschen mit Behinderung<br />
aus? Was ist noch zu tun, wenn es um die Teilhabe und Selbstbestimmung geht? Als<br />
zweite Ausgangslage, um sozialpolitische Perspektiven für Menschen mit Behinderung<br />
zu entwerfen, sollen im Weiteren die Lebenslagen mit den augenblicklichen<br />
Bedarfen in Verbindung gebracht werden.<br />
III. Die Lebenslagen sowie Mehrbedarfe und veränderte Bedarfe<br />
für Menschen mit Behinderung<br />
Was kann als die größte Herausforderung der Behindertenpolitik angesehen werden?<br />
Aus Sicht der Sozialpolitik wird die maßgebliche Aufgabe der Behindertenpolitik sein,<br />
die veränderten Bedarfe, die Selbstbestimmung und Teilhabe tatsächlich umzusetzen.<br />
Dies wird sofort deutlich, wenn man statistisches Material heranzieht, welches<br />
die aktuelle Situation und die Entwicklung dahin abbildet. Ich greife hier auf vier<br />
Datenquellen zurück, die jeweils vom statistischen Bundesamt (DeStatis) zur Verfügung<br />
gestellt werden: die Behindertenstatistik aus dem Jahr 2007 (DeStatis 2007),<br />
die Sozialhilfestatistik von 2007 (DeStatis 2008b), den Mikrozensus von 2005 (Pfaff<br />
2007a, 2007 b) und die Statistik rechtlicher <strong>Betreuung</strong> (Deinert 2004, 2005, 2008).<br />
1. Die Behindertenstatistik<br />
Die Angaben aus der Behindertenstatistik sind insofern undeutlich, weil nur diejenigen<br />
Personen aufgenommen sind, die beim Versorgungsamt registriert sind. Dennoch<br />
ist sie von Bedeutung, wie das Deutsche Statistische Bundesamt klarstellt: „Der<br />
Sozialstaat ist wesentlich dadurch definiert, wie er mit seinen Hilfsbedürftigen<br />
umgeht. Daher kommt der Behinderten-Statistik eine große sozialpolitische Bedeutung<br />
zu. An ihr kann man meist direkt ablesen, wie es um den Sozialstaat und seine<br />
Glaubwürdigkeit bestellt ist, wie sich die Behinderten-Zahlen entwickeln und wie man<br />
mit ihnen umgeht“ (DeStatis 2008).<br />
Um wen handelt es sich, wenn wir von Menschen mit Behinderung sprechen? Zuerst<br />
eine Definition, um überhaupt statistisch arbeiten zu können: „Menschen gelten entsprechend<br />
dem SGB IX 4) als behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige<br />
Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs<br />
Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre<br />
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Normale Alterserscheinun-