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Betrifft: Betreuung 10

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D. Strukturen im <strong>Betreuung</strong>swesen<br />

Sedierung angeordnet, so hat die Einrichtung dies eingehend zu dokumentieren und<br />

unverzüglich per Internet oder Fax der für sie zuständigen Bewohnervertretung mitzuteilen.<br />

Deren Mitarbeiter suchen dann die Einrichtung auf, überprüfen, ob die Freiheitsbeschränkung<br />

aufgrund erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung gerechtfertigt<br />

ist und schlagen ggf. alternative Problemlösungen vor. Dazu können sie in die<br />

Pflegedokumentation einsehen und mit anderen Personen sprechen. Nur wenn sich<br />

divergierende Auffassungen der Einrichtung nicht ausräumen lassen, veranlasst die<br />

Bewohnervertretung eine gerichtliche Überprüfung. Weil bereits die Ankündigung,<br />

das Gericht anzurufen, die Einrichtungen zu mehr Flexibilität bei der Suche nach<br />

einer alternativen Problemlösung veranlassen kann, findet tatsächlich nur bei 1% der<br />

Fälle einer Freiheitsbeschränkung eine gerichtliche Überprüfung statt.<br />

Die Mitarbeiter der Bewohnervertretung verfügen über berufliche Qualifikationen und<br />

Erfahrungen, die sie in die Lage versetzen, als Berater in Sachen Freiheitsbeschränkung<br />

zur Weiterentwicklung der Pflegepraxis beizutragen. Zu ihren Aufgaben gehört<br />

auch, die Einrichtungen über den Einzelfall hinaus zu Maßnahmen zu veranlassen,<br />

durch welche die Häufigkeit von Freiheitsbeschränkungen reduziert werden kann. Im<br />

VertretungsNetz e. V. arbeiten 52 Bewohnervertreterinnen. Hinzu kommen drei weitere<br />

mit der Bewohnervertretung staatlich beauftragte Vereine. Insgesamt wurden bei<br />

Stichtagszählungen österreichweit 24.000 Freiheitsbeschränkungen gezählt.<br />

V. Im Vergleich<br />

Was mir an der österreichischen Rechtsfürsorge im Vergleich zu den hiesigen Regelungen<br />

besonders auffiel:<br />

1. Die gesetzlichen Regelungen sind dank sozialwissenschaftlicher Feldforschung,<br />

Modellprojekten und Implementationsforschung wesentlich besser empirisch fundiert.<br />

2. Die österreichische Rechtsfürsorge ist weniger justiz- und behördenlastig organisiert.<br />

3. Die österreichischen Regelungen erscheinen insgesamt pragmatischer und zielorientierter,<br />

während die deutschen Justizpolitiker sich in den letzten zehn Jahren<br />

viele <strong>Betreuung</strong>srechtsänderungen nur am grünen Tisch ausgedacht haben.<br />

VI. Modellprojekte und Implementationsforschung<br />

Verschiedene Regelungen in Österreich sind erst dann Gesetz geworden, nachdem<br />

deren tatsächlichen Auswirkungen zuvor erprobt worden waren. Schon dem ersten<br />

Sachwaltergesetz gingen sozialwissenschaftliche Felduntersuchungen und wissenschaftlich<br />

begleitete Modellprojekte voraus. Dementsprechend nahm der erste Sachwalterverein<br />

schon drei Jahre, bevor es zum Sachwaltergesetz kam, seine Arbeit auf,<br />

sodass man bei der Gesetzgebung hinsichtlich der Umsetzbarkeit und Wirksamkeit<br />

bereits über konkrete Erfahrungen verfügte. Ebenso ging der Einführung der Clearingfunktion<br />

ein Modellprojekt bei einem Wiener Bezirksgericht voraus. Schließlich<br />

wurde die Implementation des Bewohnervertretungsgesetzes mit Hilfe des Wiener<br />

Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie wissenschaftlich begleitet. Dank dieser<br />

empirisch-sozialwissenschaftlichen Begleitung wissen Politik und Administration in<br />

Österreich eher, was auf gutem Weg ist, und wo die Erwartungen an das Gesetz nicht<br />

erfüllt werden, während in Deutschland Projekte zur wissenschaftlichen Begleitung<br />

der Rechtsfürsorge-Gesetzgebung nur sehr zögerlich und oft zu spät eingesetzt werden.<br />

Ebenso fehlt ein für eine lernende Gesetzgebung wesentliches regelmäßiges

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