Betrifft: Betreuung 10
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C. Wille des Betreuten und Handeln gegen den Willen<br />
• Körpernahe, mechanische Fixierungen durch Bauchgurte in Bett oder Stuhl, Fußund/oder<br />
Handfesseln, Riemen und Binden zum Zweck der Fesselung, “Sicherheitsgurte“<br />
am Rollstuhl;<br />
• Pflegehemden, die den Bewohner durch Seitenbefestigungen am Bett festhalten;<br />
• Steckbrett an Stuhl oder Rollstuhl (sog. „Therapietisch);<br />
• Festgestellte Rollstuhlbremse;<br />
• Abschließen des Zimmers („Time-out“), der Station, der Einrichtung;<br />
• Verwendung von Zahlen- bzw. sog. „Trick“-Schlössern;<br />
• Wegnahme von Schuhen, Kleidung, Hilfsmitteln;<br />
• Konzeptionelle oder bauliche Maßnahmen (z.B. Schranken, versteckte Türen);<br />
• Einsatz von Medikamenten ausschließlich zum Zwecke der Bewegungseinschränkung<br />
oder der Unterdrückung von Widerstand gegen pflegerische Maßnahmen.<br />
Hochrisikogruppe für die Anwendung von FEM sind Personen mit kognitiven Einschränkungen<br />
(Demenz) und hoher Pflegebedürftigkeit. FEM werden häufig mit der<br />
Fürsorgepflicht begründet, ältere „verwirrte“ Menschen vor sturzbedingten Verletzungen<br />
schützen, herausforderndes Verhalten (z.B. Unruhe, Weglaufgefahr) kontrollieren<br />
und/oder Selbstgefährdung verhindern zu müssen (Bredthauer 2005). Des Weiteren<br />
finden sich behandlungsorientierte (z.B. zur Gewährleistung medizinischer oder<br />
pflegerischer Maßnahmen wie Sondenernährung) und soziale Gründe (z.B. zur Konfliktvermeidung<br />
bei ständigem Aufsuchen anderer Bewohnerzimmer). Daneben spielen<br />
organisationsbedingte Gründe (z.B. Strukturmerkmale der Einrichtung) sowie<br />
Haltungen und Einstellungen des Personals im Umgang mit FEM eine erhebliche<br />
Rolle (Evans 2002).<br />
Doch ist der Einsatz dieser Maßnahmen im Zeitalter der modernen Gesundheitsversorgung<br />
überhaupt noch indiziert?<br />
III. Mit Recht fixiert – aber fachlich und zum „Wohle“ des Betreuten<br />
gerechtfertigt?<br />
Es stellt sich die Frage, ob FEM als medizinisch-pflegerische Maßnahmen überhaupt<br />
dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechen bzw. dem<br />
„Wohle“ des Betreuten dienen. Oder anders formuliert: Wann sind FEM fachlich indiziert<br />
und wann erforderlich im Sinne von verhältnismäßig?<br />
In Notfallsituationen – etwa im Rahmen einer akuten Krankenhausbehandlung – mit<br />
einem hohen Grad an Selbst- und Fremdgefährdung stellen FEM manchmal die einzige<br />
zur Verfügung stehende Möglichkeit dar, um größeren Schaden abzuwenden.<br />
Hierbei handelt es sich in aller Regel um unstrittige, kurzfristig einzusetzende Maßnahmen,<br />
bis die akute Situation vorüber ist. Umso schwieriger gestaltet sich die Situation,<br />
wenn Einschränkungen der Bewegungsfreiheit als planbare Maßnahmen aus<br />
Aspekten des Schutzes und der Sicherheit eingesetzt werden sollen, etwa im<br />
Umgang mit Sturzgefährdung und Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit<br />
Demenz.<br />
Keine Studie weltweit belegt hier einen positiven Effekt von FEM und Fixierungen,<br />
dagegen sind die Daten über negative direkte und indirekte Auswirkungen alarmierend.<br />
Zu den direkten Folgen zählen Verletzungen, Strangulationen und Todesfälle,<br />
– häufig bei Versuchen, sich zu befreien (BfArm 2004, Berzlanovich 2007, Mohsenian<br />
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