Betrifft: Betreuung 10
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C. Wille des Betreuten und Handeln gegen den Willen<br />
einzuholen. Für die Gutachtenerstellung durch der externen Gutachter ist es wesentlich,<br />
die Indikationsstellung nochmals zu überprüfen, die Einwilligungsfähigkeit des<br />
Patienten zu beurteilen, alle Vorerfahrungen zu bewerten und einzuschätzen, ob die<br />
bisher ergriffenen Therapiemaßnahmen ausreichend sind. Schließlich ist eine Risiko-<br />
Nutzen-Abwägung zu treffen.<br />
VI. Fazit<br />
Schlussfolgernd lässt sich feststellen, dass im Rahmen des <strong>Betreuung</strong>srechtes aus<br />
ärztlicher Sicht bei akuter Suizidalität mit Verweigerung der Behandlung sowie bei<br />
somatischen Erkrankungen, die durch eine krankheitsimmanente Ablehnung der<br />
Behandlung psychiatrisch bedingt nicht adäquat behandelt werden können und eine<br />
potentielle Eigengefährdung mit sich bringen (z.B. Diabetes mellitus, Herzerkrankungen),<br />
eindeutig Grundlagen – nach Versagen aller anderen o.e. alternativen Maßnahmen<br />
– für eine Zwangsmedikation darstellen (vgl. Vignette 1).<br />
Viel schwieriger gestalten sich die Situationen, in denen beispielsweise Patienten<br />
langjährig an einer chronischen schizophrenen Psychose erkrankt sind und sich hier<br />
die Frage stellt, ob durch die Unterlassung einer Behandlung eine Verschlimmerung<br />
des Leidens mit unabsehbaren psychischen und sozialen Folgen resultieren könnte<br />
(vgl. Vignette 2). Hierbei ist insbesondere auch der individuelle Aspekt des Leidens<br />
aus medizinischer Sicht wahrzunehmen und zu bewerten. Wir bewegen uns zwischen<br />
den Polen Freiheit und Zwang, Fürsorge und Vernachlässigung, Leiden ohne<br />
Therapie oder Leiden durch Therapie bzw. verringertes Leiden durch Therapie.<br />
Zusammengefasst erscheint das eingeforderte Zusatzgutachten aus externer Quelle<br />
neben seiner juristischen Relevanz im Sinne einer Kontrollfunktion aus ärztlicher Sicht<br />
als eine gute Möglichkeit der unabhängigen Überprüfung der medizinischen Einschätzung<br />
und dient insbesondere dem Patienten als zweite ärztliche Meinung, die<br />
bei Bestätigung einer Notwendigkeit der Zwangsmedikation möglicherweise den<br />
Patienten auch dahingehend überzeugen kann, der Behandlung freiwillig zuzustimmen.<br />
Vermeidung der Zwangsbehandlung ist eines der wichtigsten Ziele psychiatrisch-therapeutischen<br />
Handelns. Allerdings liegt es in der Verantwortung des behandelnden –<br />
nicht des begutachtenden – Arztes, den Zeitpunkt zu erkennen, an dem eine Zwangsbehandlung<br />
möglicherweise zur Option wird, um einer Verschlimmerung des subjektiven<br />
Leidens entgegenzuwirken. Die Entscheidung zur Zwangsbehandlung ist nie<br />
eine einfache Entscheidung. Aber wir machten es uns zu leicht, wenn wir das Recht<br />
auf Freiheit zur Erkrankung mit dem Recht auf Leiden gleichsetzten. Die Schwelle zur<br />
Zwangsbehandlung liegt sehr hoch und soll sehr hoch liegen; und individueller, vielleicht<br />
auch psychotischer Eigensinn des Patienten ist selbstverständlich keine Indikation.<br />
Aber schweres Leiden muss erkannt und im Sinne des Patienten und seines<br />
mutmaßlichen Willens im Sinne der Ethik des ärztlichen Handelns und wie es der<br />
Gesetzgeber vorschreibt, behandelt werden können.<br />
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