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Betrifft: Betreuung 10

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Teil I Der 11. VGT Diskussionsbeiträge und Arbeitsergebnisse<br />

Es sei hier noch einmal erwähnt, dass die Fremdgefährdung selbstverständlich nicht<br />

Gegenstand der Grundlage der Zwangsbehandlung nach dem <strong>Betreuung</strong>srecht ist.<br />

Als autonomer Wille wird definiert: „Verstehen des zugrunde liegenden Sachverhalts,<br />

Fähigkeit zum kritischen Abwägen und Anwendung der zutreffenden Abwägung der<br />

Belange der eigenen Person.“ Die Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften<br />

publizierte 20049 Richtlinien für Zwangsmaßnahmen in der Medizin, und sie<br />

betont insbesondere, dass diese notwendig, proportional zur Schwere der Gefährdung<br />

und durch nicht weniger einschneidende Maßnahmen ersetzbar sein müssten.<br />

Der zu erwartende Nutzen müsse den möglichen Schaden deutlich übertreffen. Die<br />

Methode müsse nach bestem Stand des Wissens ausgewählt und reversibel sein,<br />

sowie auf ärztlicher Anordnung beruhen. Vor der Anwendung müssten sämtliche<br />

weniger eingreifende und potenziell erfolgversprechende Behandlungsalternativen<br />

voll ausgeschöpft sein. Der Patient sei über die Situation ausführlich zu informieren<strong>10</strong> ,<br />

vor parenteraler Gabe müsse ein nochmaliges Anbieten per os erfolgen und die<br />

Zwangsmaßnahme müsse mit dem Patienten nachbesprochen werden.<br />

V. Alternative Behandlungsansätze<br />

Welche Möglichkeiten gibt es nun, eine Zwangsbehandlung möglichst zu verhindern?<br />

Als wesentlich erscheint, falls es medizinisch verantwortbar ist, die Bildung einer vertrauensvollen<br />

therapeutischen Beziehung im stationären Rahmen, die Zeit und<br />

Geduld benötigt. Patient und Betreuer müssen ausführlich über die Situation aufgeklärt<br />

werden. Bei krankheitsimmanenter Ambivalenz, z.B. bei schizophrenen Psychosen,<br />

kann es hilfreich sein zu versuchen, den Patienten von der Sinnhaftigkeit der<br />

Medikation zu überzeugen. Eine Medikation, die der Patient akzeptiert, obgleich sie<br />

vielleicht der geplanten Dosierung oder dem entsprechend geplanten Präparat nicht<br />

entspricht, kann zunächst ausprobiert werden. Wichtig sind zur Vermeidung einer<br />

Zwangsbehandlung regelmäßige gemeinsame Besprechungen mit Patienten,<br />

Betreuer und Team sowie ggf. auch anderen wichtigen Vertrauens- oder Fachpersonen.<br />

Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit, mit dem Patienten in einer stabilen<br />

Phase eine sog. Behandlungsvereinbarung abzuschließen, die Maßnahmen für Notfallsituationen<br />

(Wahl der Station, Wahl eines Medikamentes) beinhaltet, die zwischen<br />

Behandlungsteam und Patienten vorsorglich vereinbart werden. Von dieser Maßnahme<br />

wird bisher jedoch selten Gebrauch gemacht.<br />

Eine weitere Möglichkeit kann ein Settingwechsel sein, d.h. ein Stationswechsel oder<br />

ein Klinikwechsel, um noch einmal mit einem offenen und unbelasteten therapeutischen<br />

Herangehen eine Vermeidung der Zwangsmedikation zu erzielen.<br />

Steinert (2007) 11 hat sehr hilfreiche Kriterien zur Frage der Entscheidungsfindung pro<br />

oder kontra Zwangsmedikation publiziert. Zusammengefasst ist hierbei wichtig, dass<br />

früher erfolgreiche Behandlungen und die Erwartung der freiwilligen Weiterbehandlung<br />

sowie eine geringes Behandlungsrisiko günstige Faktoren sind, die eher in Richtung<br />

einer Zwangsmedikation abgewogen werden könnten.<br />

Da die Zwangsbehandlung auf betreuungsrechtlicher Grundlage eine gerichtliche<br />

Genehmigung voraussetzt, ist in diesem Rahmen ein Sachverständigengutachten<br />

9 Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Zwangsmassnahmen in der Medizin.<br />

Guideline. Schweizerische Ärztezeitung 2005; 86: Nr. 34.<br />

<strong>10</strong> Anmerkung der Autorin: ebenso der Betreuer!<br />

11 Steinert T. Ethische Einstellungen zu Zwangsunterbringung und -behandlung schizophrener<br />

Patienten. Psychiat Prax 2007; 34, Suppl. 2: S. 186–190.<br />

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