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Betrifft: Betreuung 10

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C. Wille des Betreuten und Handeln gegen den Willen<br />

als völlig gerechtfertigt. Bei einer Untersuchung, die etwa 29 Monate nach einer<br />

Zwangsbehandlung stattfand, erlebten 63 % der Patienten die Unterbringung als<br />

ungerechtfertigt, nur 19 % als entlastend. Als belastend wurden insbesondere die<br />

geschlossene Station, die Nebenwirkungen der Medikamente und das Gefühl der<br />

Ohnmacht benannt. Etwa 50 % erlebten die Unterbringung als positiv für den Gesundungsprozess,<br />

mehr als 50 % erlebten sie negativ und etwa ein Viertel der Patienten<br />

hielt es jeweils für möglich, dass die Unterbringung durch verständnisvolleres Verhalten<br />

in der Klinik, außerhalb der Klinik (Verwandte, Nachbarn) oder durch eigeninitiatives<br />

Aufsuchen eines Arztes hätte vermieden werden können.<br />

III. Kasuistiken<br />

Fallbericht 1:<br />

Die 62-jährige Patientin, Frau F., ist bekanntermaßen seit 35 Jahren an einer chronisch-paranoid-halluzinatorischen<br />

Psychose (F20) erkrankt. Zunächst kam es zu<br />

einer stationären Unterbringung im Rahmen der <strong>Betreuung</strong> auf Antrag der Betreuerin.<br />

Eine Heimunterbringung wurde durch die Betreuerin angedacht und mit der Patientin<br />

und den behandelnden Kollegen diskutiert. Während des stationären Aufenthalts<br />

gelang es zum Ende hin, die Patientin, die sowohl an einem Diabetes mellitus mit Entzündung<br />

beider Beine, einem Bluthochdruck und einer Herzinsuffizienz litt, zu überzeugen,<br />

sich mit einem Depotneuroleptikum behandeln zu lassen. Die erste Depotgabe<br />

konnte nach der Entlassung erfolgen, indem die Patientin von der ihr vertrauten,<br />

ambulant behandelnden Ärztin des Sozialpsychiatrischen Dienstes zu Hause aufgesucht<br />

wurde. Beim zweiten Besuch wurde die Tür nicht mehr geöffnet. Drei Wochen<br />

nach der Entlassung stellte daher die Betreuerin erneut einen Unterbringungsantrag,<br />

da ihre Mutter durch die psychiatrische Erkrankung nicht in der Lage sei, die Folgen<br />

ihres nicht akkurat behandelten Diabetes mellitus, des Bluthochdrucks und der Herzinsuffizienz<br />

einzuschätzen und hierdurch gefährdet sei. Der Sozialpsychiatrische<br />

Dienst befürwortete die Unterbringung aus psychisch bedingter somatischer Gefährdung.<br />

Nachdem die Patientin erneut stationär untergebracht war und ein ausgestaltetes<br />

Wahnerleben mit Beeinflussungserleben durch Hexen und Teufel deutlich wurde,<br />

weiterhin die Selbstfürsorge hierdurch erheblich beeinflusst war und die Eigengefährdung<br />

durch die somatischen Erkrankungen (Zuckerwertentgleisung, bestehende<br />

Dermatitis) gegeben war, wurde durch die Betreuerin die Zwangsmedikation beantragt.<br />

Hierzu wurde ein Gutachten der Stationsärzte vorgelegt, die dementsprechend<br />

argumentierten. Es wurde ein externes Gutachten beigezogen. Es wurde nochmals<br />

konstatiert, dass die Patientin sich in ihrer Geistes- und Zauberkraft eingeschränkt<br />

fühle und die Menschheit vor dem Teufel retten müsse. Die Patientin habe bei der<br />

Begutachtung den körperlich desolaten Zustand verneint. Der externe Gutachter<br />

führte aus, dass Frau F. aufgrund der psychischen Erkrankung eine sachliche Prüfung<br />

der Aspekte für und wider eine Behandlung nicht möglich sei. Insbesondere<br />

könne sie daher die negativen Auswirkungen auf die somatischen Erkrankungen<br />

nicht absehen. Ausführlich wurde vom Gutachter das Recht auf „Freiheit zur Krankheit“<br />

diskutiert. Aufgrund krankheitsbedingter Einwilligungsunfähigkeit wurde eine<br />

Zwangsmedikation mit Risperidon befürwortet und in der Folge gerichtlich genehmigt.<br />

Nachdem die Patientin das Neuroleptikum erhielt, kam es zu einer gewissen<br />

Stabilisierung des psychopathologischen Befundes. Frau F. zeigte sich kooperativer<br />

und kontaktfähiger und schließlich gab sie auch ihre Zustimmung zum Umzug in eine<br />

Seniorenwohngemeinschaft. Parallel kam es zu einer Verbesserung der somatischen<br />

Erkrankungen, da Frau F. die Behandlung nun zuließ. Frau F. wurde in deutlich<br />

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