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Betrifft: Betreuung 10

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Teil I Der 11. VGT Diskussionsbeiträge und Arbeitsergebnisse<br />

zum Anlass, grundsätzlich noch einmal die Rechtslage darzulegen. Explizit bezeichnete<br />

der BGH eine gegen den Willen des Patienten durchgeführte künstliche Ernährung<br />

als einen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten, der seiner Einwilligung<br />

bedarf. Damit grenzte sich der BGH von der Auffassung der<br />

Bundesärztekammer ab, die in den alten Richtlinien zur Sterbehilfe 1994 das Stillen<br />

von Hunger und Durst bei einem Menschen als Basispflege deklarierte und nicht als<br />

einen der Zustimmung eines Patienten unterliegenden ärztlichen Heileingriff, der<br />

nach der Judikatur tatbestandsmäßig als eine Körperverletzung im Sinne des § 223<br />

StGB zu qualifizieren ist. 8 Eine gegen den Willen des Betreuten durchgeführte künstliche<br />

Ernährung ist somit als unzulässige und schadensersatzbegründende Zwangsbehandlung<br />

im Sinne des § 823 BGB anzusehen. Wird eine bereits begonnene künstliche<br />

Ernährung gegen den Willen eines Patienten/Betreuten fortgesetzt, hat dieser<br />

einen Anspruch auf Unterlassung nach § <strong>10</strong>04 BGB. Es obliegt dem Betreuer, dem<br />

Willen des Betreuten nach Maßgabe des § 1901 BGB Geltung zu verschaffen. Die<br />

Gewissensfreiheit der Pflegekräfte, Art. 4 GG, kann dahinstehen. Eine Kontrollzuständigkeit<br />

des Vormundschafts-/<strong>Betreuung</strong>sgerichts nach § 1904 BGB ist nur im Falle<br />

eines Dissenses zwischen Betreuer und behandelnden Arzt gegeben. Insoweit kam<br />

der Bundesgerichtshof auf die Rechtsgrundsätze seiner Vorgängerentscheidung aus<br />

dem Jahre 2003 zurück.<br />

Die vorstehende Rechtsprechung hat folgende Konsequenzen für die einzelnen<br />

Akteure :<br />

• Die Pflegekräfte haben den Willen des Patienten zu respektieren. Beschließen der<br />

Arzt und der Betreuer einvernehmlich, die künstliche Ernährung eines Betreuten<br />

einzustellen, ist dies pflegerisch umzusetzen. Ist dies mit konfessionellen Grundsätzen<br />

nicht zu vereinbaren, liegt unter Umständen ein wichtiger Grund vor, den<br />

Heimvertrag zu kündigen.<br />

• Angehörigen und Vertrauenspersonen kommt eine wichtige Rolle zu bei der<br />

Ermittlung des mutmaßlichen Willens eines Patienten /Betreuten, insbesondere<br />

dann, wenn dieser keine schriftliche Patientenverfügung verfasste beziehungsweise<br />

eine solche vorliegt, diese aber nicht die konkrete Behandlungssituation<br />

beschreibt.<br />

• Der Arzt unterbreitet dem Betreuer im Falle eines einwilligungsunfähigen Betreuten<br />

ein Behandlungsangebot nach Maßgabe des fachärztlichen Standards in der<br />

jeweiligen Weiterbildungsdisziplin.<br />

• Der Betreuer hat die Wünsche des Betreuten nach § 1901 Abs. 3 BGB zu wahren.<br />

Es ist zu fragen, welche Entscheidung der Betreute getroffen hätte. Danach<br />

bemisst sich Annahme oder Ablehnung des ärztlichen Behandlungsangebotes.<br />

Liegt eine wirksame schriftliche Patientenverfügung vor, die auf die Behandlungssituation<br />

zutrifft und nicht widerrufen wurde, ist diese von dem Betreuer umzusetzen.<br />

8 BGHSt 11, 111, 113 (Myom-Urteil).<br />

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