27.02.2013 Aufrufe

Betrifft: Betreuung 10

Betrifft: Betreuung 10

Betrifft: Betreuung 10

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

C. Wille des Betreuten und Handeln gegen den Willen<br />

Unter Berufung auf die vorgenannte Kemptener Entscheidung sprach sich das OLG<br />

Frankfurt am Main für eine analoge Anwendung des § 1904 BGB auf Fallgestaltungen<br />

der passiven Sterbehilfe aus.<br />

Im Jahre 2003 hatte der BGH in einem ähnlich gelagerten Fall über eine betreuerseits<br />

beantragte vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zum Abbruch der künstlichen<br />

Ernährung zu entscheiden. Die betreute Person hatte einen hypoxischen Gehirnschaden<br />

erlitten. In einwilligungsfähigem Zustand hatte der Betreute eine Patientenverfügung<br />

verfasst, in dem er sich für den Fall der Entscheidungsunfähigkeit gegen weitere<br />

medizinische Behandlungen aussprach.<br />

Der Bundesgerichtshof stellte folgende Rechtsgrundsätze auf: 6<br />

Eine vormundschaftsgerichtliches Genehmigungsverfahren zum Abbruch oder<br />

Unterbleiben lebenserhaltender oder –verlängernder Maßnahmen (analog § 1904<br />

BGB) ist bei Vorliegen folgender Voraussetzungen zu initiieren:<br />

• Einwilligungsunfähigkeit des Betreuten,<br />

• Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsangebots,<br />

• Dissens zwischen Betreuer und Arzt über die weitere Behandlung,<br />

• Krankheit des Betroffenen muss einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen<br />

haben.<br />

Wegen der zuletzt genannten Voraussetzung unterlag die Entscheidung großer Kritik.<br />

Insbesondere wurde moniert, dass bei der großen Gruppe der Wachkomapatienten<br />

und der dementen Patienten kein Behandlungsabbruch vorgenommen werden<br />

könne – mangels Vorliegens eines Krankheitsbildes, das einen irreversiblen tödlichen<br />

Verlauf genommen habe. Entscheidend aber war, dass der Bundesgerichtshof das<br />

Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bei einem Fall des Vorliegens<br />

eines Konsenses zwischen Arzt und Betreuer dahingehend, keine weitere<br />

Behandlung/künstliche Ernährung mehr durchzuführen sei, einschränkte. Die Anrufung<br />

des Vormundschaftsgerichts wurde damit auf das Vorliegen einer Dissenssituation<br />

zwischen Arzt und Betreuer beschränkt.<br />

Die vorstehenden Rechtsgrundsätze präzisierte der Bundesgerichtshof in dem so<br />

genannten Kiefernfelder Fall. 7 Dort heißt es im Leitsatz:<br />

„Verlangt der Betreuer in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt, dass die<br />

künstliche Ernährung des betreuten einwilligungsunfähigen Patienten eingestellt<br />

wird, so kann das Pflegeheim diesem Verlangen jedenfalls nicht den Heimvertrag<br />

entgegensetzen. Auch die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals rechtfertigt für<br />

sich genommen die Fortsetzung der künstlichen Ernährung in einem solchen Fall<br />

nicht (im Anschluss an BGHZ 154, 205).“<br />

Der Betreute war nach einem fehlgeschlagenen Selbstmordversuch Wachkomapatient<br />

und befand sich in einem Pflegeheim. Sein Vater, der Betreuer, verlangte in Übereinstimmung<br />

mit dem behandelnden Arzt von dem Pflegepersonal des Heimes die<br />

Einstellung der künstlichen Ernährung. Das Pflegeheim lehnte dies ab mit Hinblick<br />

auf die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals, Art. 4 GG. Der Betreuer unterlag prozessual<br />

in beiden Vorinstanzen (LG Traunstein und OLG München). Zwischenzeitlich<br />

war die Betreute an einer natürlichen Ursache verstorbenen. Der BGH fällte von daher<br />

nur noch einen Beschluss über die Kosten des Rechtsstreits, nahm den Fall jedoch<br />

6 BGHZ 154, 205 ff. = BtPrax 2003, 123 ff.<br />

7 BGH, Beschluss vom 8.6.2005 – XII ZB 173/03; www.bundesgerichtshof.de.<br />

111

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!