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Betrifft: Betreuung 10

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Teil I Der 11. VGT Diskussionsbeiträge und Arbeitsergebnisse<br />

einer Maximaltherapie wird juristisch gesehen die Patientenautonomie missachtet<br />

und moralisch dem Patienten Unrecht getan.<br />

II. Haftungsrechtliche Entscheidungen zum Recht am Lebensende<br />

In einem zweiten, juristischen Teil wurden die Entwicklungslinien der Rechtsprechung<br />

zum Recht am Lebensende vorgestellt. Das Dritte Gesetz zur Änderung des<br />

<strong>Betreuung</strong>srechts fußt auf den nachstehenden Entscheidungen und greift diese explizit<br />

auf. Die Rechtsentwicklung nahm ihren Ausgang mit der so genannten Kemptener<br />

Entscheidung des Bundesgerichtshofes (im Folgenden: BGH). Dem Sachverhalt lag<br />

die Konstellation zu Grunde, dass der Sohn einer äußerungsunfähigen Betreuten sich<br />

mit dem behandelnden Arzt verständigte, die künstliche Ernährung der Betroffenen<br />

mittels einer PEG-Sonde einzustellen, wobei beiden bewusst war, dass dies unweigerlich<br />

zum Tode führen würde. Das Pflegepersonal des Pflegeheimes, in dem sich<br />

die Betroffene aufhielt, erstattete gegen den Sohn und den Arzt Strafanzeige. Der<br />

Bundesgerichtshof statuierte in seinen Leitsätzen: 4<br />

„Bei einem unheilbar erkrankten, nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten kann der<br />

Abbruch einer ärztlichen Behandlung oder Maßnahme ausnahmsweise auch dann<br />

zulässig sein, wenn die Voraussetzungen der von der Bundesärztekammer verabschiedeten<br />

Richtlinien für die Sterbehilfe nicht vorliegen, weil der Sterbevorgang noch<br />

nicht eingesetzt hat. Entscheidend ist der mutmaßliche Wille des Kranken.<br />

An die Voraussetzungen für die Annahme eines mutmaßlichen Einverständnisses sind<br />

strenge Anforderungen zu stellen. Hierzu kommt es auf frühere mündliche oder schriftliche<br />

Äußerungen des Patienten, seine religiöse Überzeugung, seine sonstigen persönlichen<br />

Wertvorstellungen, seine altersbedingte Lebenserwartung oder das Erleiden<br />

von Schmerzen an.“<br />

Das Dritte Gesetz zur Änderung des <strong>Betreuung</strong>srechts vom 29. Juli 2009 und nimmt<br />

in § 1901a Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB diese Rechtsprechung auf. Allerdings wird auf<br />

das Kriterium „Erleiden von Schmerzen“ verzichtet.<br />

Eine weitere, wichtige Entscheidung stellt der Beschluss des OLG Frankfurt am Main5 dar. Die demente Betreute befand sich seit mehreren Jahren in einem äußerungsunfähigen<br />

Zustand. Die Tochter, ihre Betreuerin, beantragte bei dem zuständigen Vormundschaftsgericht<br />

die Genehmigung zum Abbruch der künstlichen Ernährung. Die<br />

Vorinstanzen, das Amtsgericht Frankfurt und das Landgericht Frankfurt am Main,<br />

lehnten eine Entscheidung ab mit Hinblick auf § 1904 BGB. Dieser regele nicht die<br />

Genehmigung eines Eingriffs, der das Ziel des Todes verfolge. Diese Vorschrift<br />

bezwecke vielmehr den Schutz der betreuten Personen vor gefährlichen ärztlichen<br />

Heileingriffen, die zum Tode führen könnten. Das OLG Frankfurt am Main hob die Vorentscheidungen<br />

auf. Entscheidend waren die eidesstattliche Versicherungen der<br />

Tochter und des Sohnes, die bekundeten, die Betroffene habe sich anlässlich des<br />

Todes von Angehörigen gegen ein langes Siechtum und eine künstliche Lebensverlängerung<br />

ausgesprochen. Nun befinde sie sich exakt in einem solchen Zustand. Das<br />

OLG Frankfurt am Main statuierte in seinem Leitsatz:<br />

„Bei einem irreversibel hirngeschädigten Betroffenen ist der Abbruch der Ernährung<br />

durch eine PEG-Magensonde in entsprechender Anwendung des § 1904<br />

BGB vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen. Hierbei ist insbesondere eine<br />

mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen zu berücksichtigen.“<br />

4 BGHSt NJW 1995, 204.<br />

5 BtPrax 1998, 186 f.<br />

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