Betrifft: Betreuung 10
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C. Wille des Betreuten und Handeln gegen den Willen<br />
3. Konkrete Vorgaben, keine Passgenauigkeit für aktuelle Situation:<br />
stellvertretende Entscheidung<br />
Die Patientenverfügung enthält konkrete Anhaltspunkte, die jedoch keine Aussage für<br />
die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen treffen. In dieser Konstellation<br />
ist die Patientenverfügung von besonderer Bedeutung bei der Ermittlung<br />
des mutmaßlichen Willens des Betroffenen als Maßstab für die stellvertretende Entscheidung<br />
des Betreuers oder Bevollmächtigten.<br />
4. Keine konkreten Vorgaben: stellvertretende Entscheidung<br />
Die Patientenverfügung enthält keine exakten Beschreibungen der Situationen, für<br />
die sie gelten soll, und der gewünschten oder abgelehnten ärztlichen Maßnahmen,<br />
sondern allein allgemein gehaltene Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen, da<br />
sich die in der Erklärung benutzen Formulierungen auch unter Hinzuziehen außerhalb<br />
der Erklärung liegender Umstände nicht konkretisieren ließen. Eine derartige<br />
Patientenverfügung bleibt ein wichtiger Anhaltspunkt für die Ermittlung des mutmaßlichen<br />
Willens des Betroffenen. Zur Feststellung des mutmaßlichen Willens eines<br />
Betroffenen werden jedoch weitere Anknüpfungspunkte erforderlich sein. Letztlich<br />
wird sein Ermitteln nicht immer möglich sein. Eine derartige Situation nahm beispielsweise<br />
das AG Siegen55 beim Vorliegen der beiden folgenden Erklärungen einer<br />
Betroffenen an: „Frau C erklärt hiermit in guter körperlicher und geistiger Verfassung,<br />
dass sie im Fall einer ernsthaften, lebensbedrohlichen Erkrankung keine lebensverlängernden<br />
Maßnahmen (wie z.B. parenterale Ernährung, maschinelle Beatmung<br />
etc.) haben möchte.“ und „Falls ich wegen Alters, Unfall oder Krankheit medizinisch<br />
behandelt werden muss, ist es mein unbedingter Wille, dass keine lebensverlängernden<br />
Maßnahmen ergriffen werden, wenn ein menschenwürdiges Weiterleben nicht<br />
gewährleistet ist. Gleiches gilt für die Anwendung von Behandlungen und Verabreichung<br />
von Medikamenten“. Nach Ansicht des Gerichts war insbesondere nicht mit<br />
hinreichender Sicherheit feststellbar, ob das Stadium der Demenz, in dem sich die<br />
Betroffene zum Entscheidungszeitpunkt befand, als eine „ernsthafte, lebensbedrohliche<br />
Erkrankung“ im Sinne der Betroffenen aufzufassen sei, und was die Betroffene<br />
unter „lebenserhaltenden Maßnahmen“ und „menschenwürdiges Weiterleben“ verstanden<br />
habe.<br />
Ergibt die Auslegung, dass eine bindende Patientenverfügung nicht vorliegt und lässt<br />
sich auch ein mutmaßlicher Wille nicht ermitteln, ist entsprechend dem Rang des<br />
Rechtsguts Leben dem Schutz des Lebens Vorrang einzuräumen, solange ein ärztliches<br />
Behandlungsangebot vorliegt, denn dem Rechtsgut Leben steht dann nicht ein<br />
Recht des Betroffenen auf Selbstbestimmung gegenüber. 56<br />
IX. Auslegung durch Gerichte<br />
1. Auslegung durch <strong>Betreuung</strong>srichter<br />
Nach § 1904 Abs. 4, 5 BGB-E Gesetzentwurf-Stünker et al. ist eine betreuungsgerichtliche<br />
Genehmigung nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer bzw. Bevollmächtigten<br />
und behandelndem Arzt ein Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung,<br />
die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten ent-<br />
55 AG Siegen, Beschluss v. 28.9.2007, Az. 33 XVII B 7<strong>10</strong>, BtMan 2008, 27 = GesR 2008, 247 = PflR<br />
2008, 183.<br />
56 So auch Gesetzentwurf-Stünker, BT-Drs. 16/8442, 16; AG Siegen, Beschluss v. 28.9.2007, Az. 33<br />
XVII B 7<strong>10</strong>, BtMan 2008, 27 = GesR 2008, 247 = PflR 2008, 183.<br />
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