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Gewalt und Geschlecht in der Schule

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<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Analysen, Positionen, Praxishilfen<br />

Vorabdruck<br />

für die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen des Workshops „<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“<br />

am 2./3. Juli 2010 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Pichelssee<br />

Gewerkschaft Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft


Impressum<br />

Gewerkschaft Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

Vorstandsbereich Frauenpolitik<br />

Reifenberger Str. 21<br />

60489 Frankfurt<br />

Tel. 069 78973-0<br />

Fax 069 78973-103<br />

E-Mail: sekretariat.frauenpolitik@gew.de<br />

www.gew.de<br />

Verantwortlich: Anne Jenter, Ulf Rödde<br />

Redaktion: Hilke Emig, Caren Groneberg, Frauke Gützkow, Ute Wiesenäcker<br />

Lektorat: Almut Koesl<strong>in</strong>g<br />

Gestaltung: Silvia Weil<br />

Foto: S. Hofschlaeger / pixelio.de<br />

August 2010<br />

ISBN-Nummer 978-3-939470-50-2


<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> an <strong>Schule</strong>n<br />

Analysen, Positionen, Praxishilfen<br />

Im Auftrag <strong>der</strong> Max-Traeger-Stiftung erstellt von Dr. Mirja Silkenbeumer unter Mitarbeit von<br />

Raquel Vazquez Perez an <strong>der</strong> Leibniz Universität Hannover


Inhalt<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> – <strong>Geschlecht</strong> Nebensache? Ausgangsfragen 3<br />

1. Was ist <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>? Inhaltliche <strong>und</strong> begriffliche Klärungen 6<br />

Kriterien für die Def<strong>in</strong>ition: Schädigungsabsicht, Normabweichung, sozialer<br />

Kontext 7<br />

Konstruktive <strong>und</strong> destruktive Aggression 8<br />

Vielfältige Ausdrucksformen von Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>: Lästern <strong>und</strong> leiden<br />

lassen 9<br />

„Institutionelle <strong>Gewalt</strong>“ – schulische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für <strong>Gewalt</strong> 10<br />

2. E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Schulgewaltforschung: <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> 11<br />

<strong>Gewalt</strong>förmiges Handeln von Mädchen <strong>und</strong> Jungen – Alter <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> 12<br />

Schulformspezifische Unterschiede – jede <strong>Schule</strong> <strong>und</strong> jede Klasse ist an<strong>der</strong>s! 14<br />

Unterschiedliche Rollen bei <strong>der</strong> Beteiligung an <strong>Gewalt</strong> 15<br />

Mehrfach gewalttätig auffällig gewordene Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler 18<br />

„Blöde Schlampe, pass bloß auf!“ – <strong>Gewalt</strong> gegen Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer 20<br />

„Wie kann man nur so blöd se<strong>in</strong>!“ <strong>Gewalt</strong> durch Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer 22<br />

3. Theoretische Perspektiven auf <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> 24<br />

<strong>Gewalt</strong> im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>sprüchliche Wandlungstendenzen 24<br />

Interaktionen <strong>und</strong> Demonstrationen von <strong>Geschlecht</strong> im Kontext von <strong>Gewalt</strong> 28<br />

Konflikttheoretische Perspektive: Aneignung von <strong>Geschlecht</strong> folgt<br />

Konfliktdynamik 29<br />

4. Praxisteil 32<br />

<strong>Geschlecht</strong>sbewusste <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> 33<br />

Spannungsfel<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> schulischen <strong>Gewalt</strong>präventation 33<br />

<strong>Geschlecht</strong>erreflexive Perspektiven <strong>in</strong> <strong>der</strong> schulischen <strong>Gewalt</strong>prävention 35<br />

Eckpfeiler e<strong>in</strong>er geschlechtsbezogenen <strong>Gewalt</strong>prävention mit Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen 38<br />

Arbeit <strong>in</strong> geschlechtshomogenen <strong>und</strong> gemischtgeschlechtlichen Gruppen 39<br />

2


<strong>Geschlecht</strong>sbezogene Inszenierungen lebensweltorientiert aufgreifen 41<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit geschlechtsbezogenen gewaltpräventiven Angeboten -<br />

e<strong>in</strong>e Orientierungshilfe 43<br />

Methodenbeispiele aus <strong>der</strong> geschlechtsbewussten Präventionsarbeit 45<br />

„Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zugehen“ o<strong>der</strong> „High Noon“ – Selbstbehauptungsübung 47<br />

„Stopp-Übung“ − Grenzen wahrnehmen <strong>und</strong> behaupten 48<br />

<strong>Gewalt</strong>verständnis <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>erperspektiven erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> thematisieren 49<br />

„E<strong>in</strong>e neue Stärke f<strong>in</strong>den“ – Übung zum Thema Selbstbehauptung 50<br />

Dom<strong>in</strong>antes Beziehungsverhalten - „Stopp-Geschichte Schulfest“ 52<br />

„Wie im richtigen Leben“ − Methode im Rahmen <strong>in</strong>tersektionaler <strong>Gewalt</strong>prävention 53<br />

Reflexionsanregungen 58<br />

Haltungen <strong>und</strong> Verstrickungen im Umgang mit aggressiven Verhaltensweisen <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

von Mädchen <strong>und</strong> Jungen 60<br />

Blick zurück nach vorn - Zum eigenen Umgang mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> 61<br />

5. Ausblick <strong>und</strong> Folgerungen 62<br />

Literaturverzeichnis 65<br />

Lesetipps 69<br />

Internetseiten 72<br />

3


<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> – <strong>Geschlecht</strong> Nebensache? Ausgangsfragen<br />

Während das Thema <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> <strong>in</strong> den letzten Jahren breit diskutiert wurde, fällt<br />

auf, dass e<strong>in</strong>e systematische Betrachtung von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> weitge-<br />

hend fehlt. Aus dem Umstand, dass Jungen weitaus häufiger durch körperliche Formen von<br />

<strong>Gewalt</strong> an <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> als Täter <strong>und</strong> Opfer auffällig werden, wird leicht die Formel „Schulge-<br />

walt ist Jungengewalt“ abgeleitet. E<strong>in</strong>erseits rücken Jungen noch immer als Störenfriede des<br />

schulischen Alltags <strong>in</strong> den Blick, an<strong>der</strong>erseits entfalten sich breite Debatten um Jungen als<br />

(Bildungs-)Verlierer. Damit verb<strong>und</strong>ene Ursachenzuschreibungen werden jeweils eng mit<br />

unterschiedlichsten Annahmen über <strong>Geschlecht</strong>erdifferenzen <strong>und</strong> geschlechtsbezogene Be-<br />

nachteiligungen verknüpft. Mitunter wird die Bedeutung <strong>der</strong> Kategorie <strong>Geschlecht</strong> gar nicht<br />

reflektiert − etwa dann, wenn das <strong>Geschlecht</strong> <strong>der</strong> Opfer <strong>und</strong> <strong>der</strong> gewalttätig Handelnden gänz-<br />

lich unerwähnt bleibt. Bedienen sich Schüler<strong>in</strong>nen bestimmter Formen von <strong>Gewalt</strong>, wird dies<br />

gerade bei körperlicher <strong>Gewalt</strong> als beson<strong>der</strong>s erklärungsbedürftig betrachtet. Dann tauchen<br />

Fragen auf wie: Holen Mädchen nun auch <strong>in</strong> dieser als männlich geltenden Domäne auf? Ha-<br />

ben wir es mit e<strong>in</strong>em neuen Phänomen brutaler werden<strong>der</strong> Mädchen zu tun, die Machtansprü-<br />

che dadurch geltend machen? Ist im Prozess <strong>der</strong> Sozialisation von Mädchen etwas schief ge-<br />

laufen?<br />

Unser Blick ist dabei dann e<strong>in</strong>seitig ausgerichtet auf alles, was <strong>in</strong> die Kategorien „Weiblich-<br />

keit“ („typisch Mädchen“) <strong>und</strong> „Männlichkeit („typisch Jungen“) passt. Damit s<strong>in</strong>d Normali-<br />

tätsannahmen verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> zugleich wird bestimmt, was ausgeschlossen ist <strong>und</strong> was das<br />

Abweichende ist, wenn sich Verhalten von Mädchen <strong>und</strong> Jungen im gelebten Alltag dieser<br />

schematischen Logik entzieht. Dies trägt dazu bei, dass e<strong>in</strong>ige Fragen lei<strong>der</strong> nicht gestellt<br />

werden. Umgekehrt werden manche erklärungsbedürftige Phänomene gar nicht erst h<strong>in</strong>ter-<br />

fragt: Wie kommt es dazu, dass weitaus mehr Jungen als Mädchen körperlich <strong>Gewalt</strong> aus-<br />

üben, die allermeisten Jungen aber nicht gewalttätig auffällig werden. Und: Warum prügeln<br />

manche Mädchen? In <strong>der</strong> sozialwissenschaftlichen Forschung zu <strong>Gewalt</strong> an <strong>Schule</strong>n f<strong>in</strong>den<br />

sich zwar Untersuchungen, die Aussagen über Häufigkeiten nach <strong>Geschlecht</strong> bei bestimmten<br />

<strong>Gewalt</strong>formen vornehmen. E<strong>in</strong>e Forschung <strong>und</strong> Praxis, die die Bedeutung von <strong>Geschlecht</strong> für<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsformen von <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> systematisch reflektiert, fehlt jedoch weitge-<br />

hend (vgl. Forschungsgruppe <strong>Schule</strong>valuation 1998; Popp 2002; Helsper 2006).<br />

H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> pädagogischen Praxis ist mit Blick auf <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> anzuregen, die<br />

Entscheidungskategorien zu h<strong>in</strong>terfragen, die unsere Wahrnehmung lenken, die sich auf unse-<br />

re Art, Verhalten zu beurteilen <strong>und</strong> zu bewerten, auswirken. Schauen wir e<strong>in</strong>ige Aussagen an,


die wir von Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> auch von Lehrern schon gehört haben <strong>und</strong> die sicherlich nicht<br />

annähernd die Fülle unterschiedlichster Deutungen von geschlechtsspezifischer <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong> e<strong>in</strong>fangen:<br />

�� „Jungen, die schlagen, s<strong>in</strong>d für mich asoziale Schlägertypen <strong>und</strong> Loser!“<br />

�� „Mädchen, die sich trauen, zuzuschlagen, s<strong>in</strong>d irgendwie mutige Powergirls!“<br />

�� „<strong>Gewalt</strong>tätige Schüler s<strong>in</strong>d eben Machos <strong>und</strong> wollen harte Männlichkeit <strong>und</strong> Überle-<br />

genheit demonstrieren!“<br />

�� „Wenn Jungen gewalttätig werden, b<strong>in</strong> ich nicht so geschockt wie bei Mädchen, da<br />

passt das gar nicht zusammen!“<br />

�� „Bei Mädchen wie bei Jungen ist <strong>Gewalt</strong> oft e<strong>in</strong> Ausdruck von Ohnmachts- <strong>und</strong> Ge-<br />

walterlebnissen <strong>in</strong> ihren Lebensgeschichten!“<br />

F<strong>in</strong>den wir das gleiche Verhalten bei dem e<strong>in</strong>en <strong>Geschlecht</strong> akzeptabler als bei dem an<strong>der</strong>en?<br />

Wenn ja, warum <strong>und</strong> mit welchen Folgen für die Betreffenden? Und von welchen Ursachen-<br />

zuschreibungen <strong>und</strong> Annahmen zum Verhältnis von <strong>Geschlecht</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> o<strong>der</strong> auch <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>und</strong> sozialer Herkunft gehen wir aus?<br />

Gängige Perspektiven auf Aggression/<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>, oft auch mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> kombi-<br />

niert, beherrschen die Diskussionen:<br />

�� Jungen s<strong>in</strong>d aggressiver als Mädchen (Aggressionspotential ist unterschiedlich);<br />

�� Jungen <strong>und</strong> Mädchen s<strong>in</strong>d an<strong>der</strong>s aggressiv, bevorzugen an<strong>der</strong>e Ausdrucksformen<br />

(lästernde Mädchen vs. prügelnde Jungen);<br />

�� Jungen <strong>und</strong> Mädchen haben an<strong>der</strong>e Motive, an<strong>der</strong>e Wahrnehmungen <strong>und</strong> Regeln von<br />

Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>.<br />

Wie lässt sich die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er systematischen Berücksichtigung <strong>der</strong> Bedeutung von<br />

<strong>Geschlecht</strong> für das Phänomen „<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“ begründen? Es liegt nahe, e<strong>in</strong>en engen<br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong> von Jungen <strong>und</strong> Männlichkeit anzunehmen. Wie an<br />

späterer Stelle noch gezeigt wird, fällt jedoch bei näherer Betrachtung auf, dass e<strong>in</strong>e schlichte<br />

Gleichsetzung von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Männlichkeit nicht aufgeht (vgl. Kap 3). Betrachten wir aus-<br />

schließlich Unterschiede im <strong>Gewalt</strong>handeln zwischen Mädchen <strong>und</strong> Jungen, ignorieren wir<br />

damit die durchaus vorhandenen Ähnlichkeiten, etwa h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Funktionen <strong>und</strong> Tiefen-<br />

strukturen von <strong>Gewalt</strong>. Dies bedeutet, dass <strong>der</strong> Blick auf <strong>Geschlecht</strong>erdifferenzen <strong>und</strong> die<br />

Bedeutung von <strong>Geschlecht</strong> im Kontext von <strong>Gewalt</strong>handeln differenziert erfolgen muss. Ge-<br />

walt <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> erklären sich nicht e<strong>in</strong>fach wechselseitig. <strong>Gewalt</strong> hat ke<strong>in</strong> <strong>Geschlecht</strong>.<br />

4


Doch <strong>Gewalt</strong> ist eng mit geschlechtsbezogenen Deutungs- <strong>und</strong> Handlungsmustern verwoben<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> unterschiedliche Lebenszusammenhänge von Mädchen <strong>und</strong> Jungen e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en (vgl.<br />

Bereswill 2010, S. 14).<br />

<strong>Gewalt</strong>förmiges Handeln ist auch als e<strong>in</strong> Ergebnis von Interaktionen im Sozialraum <strong>Schule</strong> zu<br />

verstehen. Die Thematik <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> umfasst nicht zuletzt die Frage danach, wie<br />

Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer <strong>in</strong>volviert s<strong>in</strong>d: „als Adressaten, Verursacher, Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>er o<strong>der</strong> Ak-<br />

teure“ (Melzer 2006, S. 15). Wie sich hier Ähnlichkeiten <strong>und</strong> Unterschiede je nach Ge-<br />

schlecht äußern, ist bislang erst selten näher betrachtet worden.<br />

Schließlich ist <strong>Schule</strong> als Institution <strong>in</strong> den Blick zu nehmen: In welcher H<strong>in</strong>sicht ist sie selbst<br />

e<strong>in</strong> Ort, <strong>der</strong> durch strukturelle Bed<strong>in</strong>gungen (Selektionsfunktion, Chancenstrukturen, Lernkul-<br />

tur, Sozialklima etc.) im Wechselspiel mit außerschulischen Faktoren zum Auftreten von Ge-<br />

walt bei Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler sowie Lehrkräften beitragen kann? <strong>Schule</strong> ist e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en<br />

<strong>in</strong> übergreifende gesellschaftliche Verhältnisse <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Wandlungstendenzen.<br />

Auch ist <strong>Schule</strong> e<strong>in</strong> Ort, an dem Weiblichkeits- <strong>und</strong> Männlichkeitsentwürfe hergestellt o<strong>der</strong><br />

auch <strong>in</strong> Frage gestellt werden, an dem bestimmte Formen von <strong>Geschlecht</strong> auf Zustimmung,<br />

an<strong>der</strong>e auf Ablehnung stoßen <strong>und</strong> Positionen zugewiesen werden. Diese Prozesse s<strong>in</strong>d eng<br />

verwoben mit milieuspezifischen, ethnischen <strong>und</strong> generationenspezifischen Mustern <strong>und</strong><br />

durch den schulischen Rahmen nahe gelegte Rollen, sich als Lehrkraft auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en <strong>und</strong> als<br />

Schüler o<strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong> auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite rollengemäß zu verhalten.<br />

Zudem ist <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> von <strong>Gewalt</strong>phänomenen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesell-<br />

schaft (häusliche <strong>Gewalt</strong>, <strong>Gewalt</strong> gegen K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> den Medien etc.) <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>zu-<br />

ordnen. Gr<strong>und</strong>sätzlich wäre, stärker als bislang erfolgt, sowohl vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Funktionsbestimmung von <strong>Schule</strong> als auch vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> des Professionsverständnis-<br />

ses des Lehrerberufs zu klären, <strong>in</strong> welcher H<strong>in</strong>sicht das Schulsystem e<strong>in</strong>en Beitrag zur Ge-<br />

waltprävention leisten kann <strong>und</strong> soll. Zahlreichen Präventionsaktivitäten an <strong>Schule</strong>n gegen<br />

<strong>Gewalt</strong> steht das weitgehende Fehlen e<strong>in</strong>es Reflexionspotenzials gegenüber, das Präventions-<br />

aktivitäten im schulischen Bereich h<strong>in</strong>terfragen <strong>und</strong> fachliche Orientierungen bieten könnte.<br />

5


1. Was ist <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>? Inhaltliche <strong>und</strong> begriffliche Klärungen<br />

Beim Versuch, den Begriff <strong>Gewalt</strong> zu def<strong>in</strong>ieren, fällt auf, dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige <strong>und</strong> e<strong>in</strong>heitli-<br />

che Festlegung schwierig ist. Der Umgang mit <strong>und</strong> die Thematisierung von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Ge-<br />

schlecht stehen <strong>in</strong> Zusammenhang mit sozialen, historischen <strong>und</strong> kulturellen Kontexten. In<br />

den letzten Jahrzehnten ist e<strong>in</strong>e deutliche Sensibilisierung für gewaltförmige Handlungen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong> festzustellen. Wenn wir heute von <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> sprechen, hören wir oft,<br />

früher seien Schüler viel seltener <strong>und</strong> Mädchen schon gar nicht <strong>in</strong> vergleichbaren Formen <strong>und</strong><br />

Maßen gewalttätig gewesen.<br />

Durch beson<strong>der</strong>s extreme <strong>und</strong> äußerst seltene Fälle von „School Shoot<strong>in</strong>g“ hat das Thema<br />

„<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“ etwa seit 1999 („Schüleramok“ <strong>in</strong> Meißen) <strong>und</strong> aktuell wie<strong>der</strong> durch<br />

den Amoklauf <strong>in</strong> W<strong>in</strong>nenden (2009) auch <strong>in</strong> Deutschland an Brisanz gewonnen. Dabei han-<br />

delt es sich um e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Phänomen, welches mit massiver <strong>Gewalt</strong> gegenüber möglichst<br />

vielen Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler sowie Lehrkräften e<strong>in</strong>hergeht. Täter s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den meisten Fäl-<br />

len männliche, auch ehemalige o<strong>der</strong> suspendierte Schüler. Bislang ist dieses <strong>Gewalt</strong>phänomen<br />

nur unzureichend analysiert worden. Es lässt sich ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiges Profil dieser Schüler <strong>und</strong><br />

Schüler<strong>in</strong>nen ausmachen (vgl. u.a. Robertz 2004). Auch hier taucht die Frage auf, warum es<br />

meistens junge Männer s<strong>in</strong>d, die diese Taten begehen. Doch die Relevanz von Männlichkeit,<br />

die Identifikation mit bestimmten gesellschaftlich nahe gelegten Männlichkeitsbil<strong>der</strong>n, ist<br />

auch <strong>in</strong> diesen Fällen mehrdeutig <strong>und</strong> steht <strong>in</strong> Zusammenhang mit weiteren Bed<strong>in</strong>gungsfakto-<br />

ren.<br />

Angesichts von Dramatisierungstendenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diskussion über <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> ver-<br />

gessen wir leicht, dass <strong>Schule</strong> lange Zeit e<strong>in</strong> Ort war, an dem <strong>Gewalt</strong> durch Lehrkräfte recht-<br />

lich <strong>und</strong> sozial legitimiert war. Erst 1973 ist das Züchtigungsrecht an deutschen <strong>Schule</strong>n ab-<br />

geschafft worden. Dies kann „als e<strong>in</strong>e fortschreitende Zivilisierung des ‚beson<strong>der</strong>en schuli-<br />

schen <strong>Gewalt</strong>verhältnisses’“ gedeutet werden (Helsper 2006, S. 209). In jüngster Zeit erfahren<br />

wir zunehmend von körperlichen Züchtigungen <strong>und</strong> sexuellen Übergriffen gegenüber Schü-<br />

lern <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen durch Lehrer an durchaus sehr unterschiedlichen Internatsschulen. Das<br />

Thema „<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“ erfährt hierdurch neue Brisanz <strong>und</strong> wirft zahlreiche neue Fra-<br />

gen auf, die es <strong>in</strong> empirischer <strong>und</strong> theoretischer H<strong>in</strong>sicht näher zu erhellen gilt.<br />

Lenken wir den Blick zurück auf die von Schülern <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen ausgeübten Formen von<br />

<strong>Gewalt</strong>, so fällt auf, dass die wichtige Sensibilisierung <strong>und</strong> <strong>in</strong>tensive Thematisierung von Ge-<br />

6


walt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> mit <strong>der</strong> Ausweitung e<strong>in</strong>es <strong>Gewalt</strong>begriffs e<strong>in</strong>hergeht. Immer mehr expres-<br />

sive <strong>und</strong> körperliche Äußerungsformen von Jungen <strong>und</strong> Mädchen werden mit dem emotional<br />

aufgeladenen Begriff „<strong>Gewalt</strong>“ belegt. Kritisch zu diskutieren wäre: Wollen wir e<strong>in</strong>e immer<br />

größere Schülerschaft als „<strong>Gewalt</strong>täter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>täter“ abstempeln <strong>und</strong> damit soziale<br />

Ausgrenzungsrisiken erhöhen?<br />

Kriterien für die Def<strong>in</strong>ition: Schädigungsabsicht, Normabweichung, sozialer Kontext<br />

Um e<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>er Person gezeigtes Verhalten als aggressiv o<strong>der</strong> gewalttätig e<strong>in</strong>zustufen, werden<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die Kriterien Schädigungsabsicht <strong>und</strong> Abweichung von e<strong>in</strong>er sozialen Norm he-<br />

rangezogen. Schauen wir uns dazu e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition von <strong>Gewalt</strong> an:<br />

„Insgesamt kann <strong>Gewalt</strong> als e<strong>in</strong>e zielgerichtete direkte Schädigung begriffen werden, die un-<br />

ter körperlichem E<strong>in</strong>satz <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> mit psychischen <strong>und</strong> verbalen Mitteln erfolgt <strong>und</strong> sich ge-<br />

gen Personen <strong>und</strong> Sachen richten kann“ (Melzer 2006, S. 15). Unter <strong>Gewalt</strong> werden dann<br />

Verhaltensweisen mit <strong>der</strong> Absicht zu schädigen bzw. mit e<strong>in</strong>er solchen Schädigung zu drohen<br />

gefasst, die sich auf Personen o<strong>der</strong> Objekte (Vandalismus) beziehen <strong>und</strong> vom Opfer als ver-<br />

letzend wahrgenommen werden.<br />

Doch wie lässt sich überhaupt feststellen, ob e<strong>in</strong>e Schädigungsabsicht vorlag? Die Absicht<br />

e<strong>in</strong>er Person, an<strong>der</strong>e zu schädigen, kann nur <strong>in</strong>direkt erschlossen, höchstens erfragt, aber nicht<br />

unbed<strong>in</strong>gt direkt beobachtet werden (Nolt<strong>in</strong>g 2005). Bei schädigenden Verhaltensmustern<br />

kann es sich auch um den Ausdruck von Hyperaktivität handeln. Und geht es um aggressives<br />

Verhalten, welches <strong>der</strong> Regulation von Emotionen (etwa Angst) dient, muss ebenfalls ke<strong>in</strong>e<br />

explizite Schädigungsabsicht vorliegen (vgl. dazu Petermann/Petermann 2000).<br />

Vorstellungen von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Regeln, wann <strong>der</strong> Rückgriff auf diese Hand-<br />

lungen sozial erlaubt ist <strong>und</strong> wann nicht, werden auch kontextabhängig wirksam. So können<br />

Mädchen, die <strong>Gewalt</strong> ausüben, geschlechtliche Diffamierungen („Mannweib“, ke<strong>in</strong> „richtiges<br />

Mädchen“; „Schlägerweib“) <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> durch Gleichaltrige o<strong>der</strong> auch Erwachsene erleben.<br />

In <strong>der</strong> Mädchenclique kann <strong>Gewalt</strong>akzeptanz <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>tätigkeit anerkanntes <strong>und</strong> auch er-<br />

wartetes Handeln se<strong>in</strong>, um Zusammenhalt zu beweisen, <strong>und</strong> sich von an<strong>der</strong>en Formen von<br />

Weiblichkeit abzugrenzen. Die E<strong>in</strong>schätzung von aggressivem Verhalten von Schüler<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Schüler sche<strong>in</strong>t bei Lehrkräften vielfach diffus zu erfolgen. Zudem verfügen sie über sehr<br />

heterogene subjektive Aggressionsdef<strong>in</strong>itionen (vgl. zusammenfassend: Wettste<strong>in</strong> 2008).<br />

Um e<strong>in</strong>e Handlung als gewaltförmig zu bestimmen, nehmen wir immer auch soziale Bewer-<br />

tungen bzw. Interpretationen vor. So ist die juristisch wichtige Differenzierung <strong>und</strong> klare E<strong>in</strong>-<br />

7


teilung <strong>in</strong> Täter <strong>und</strong> Opfer aus sozialwissenschaftlicher H<strong>in</strong>sicht nur schwer aufrechtzuerhal-<br />

ten. Betrachtet man die Tiefenstrukturen <strong>und</strong> unbewusste Bedeutungsdimensionen von Ge-<br />

walt, kann das Zuschlagen e<strong>in</strong>es Schülers o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong> Ausdruck des Versuchs se<strong>in</strong>,<br />

heilsame Grenzen zu setzen, gerade auch <strong>in</strong> Folge länger ertragener Demütigungen, Missach-<br />

tung <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>. Stellen wir uns e<strong>in</strong>e Schüler<strong>in</strong> vor, die reaktiv-expressives Aggressionsver-<br />

halten <strong>in</strong> Situationen zeigt, <strong>in</strong> denen sie sich bedroht fühlt <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Personen aufgr<strong>und</strong><br />

lebensgeschichtlicher Erfahrungen leicht e<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>dselige Absicht unterstellt. Dieses Mädchen<br />

erlebt sich selbst als Opfer − auch <strong>in</strong> Situationen, <strong>in</strong> denen es an<strong>der</strong>e körperlich schädigt <strong>und</strong><br />

von diesen als Täter<strong>in</strong> wahrgenommen wird. <strong>Gewalt</strong> kann dann als Mittel benutzt werden, um<br />

sich gegen „Angriffe“ an<strong>der</strong>er zu schützen <strong>und</strong> dem Versuch geschuldet se<strong>in</strong>, weitere <strong>Gewalt</strong><br />

gegen die eigene Person <strong>und</strong> die Wie<strong>der</strong>holung von Ohnmachtserfahrungen präventiv zu ver-<br />

h<strong>in</strong><strong>der</strong>n (vgl. Silkenbeumer 2007). Für das Opfer, welches von dem Mädchen <strong>Gewalt</strong> erfahren<br />

hat, stellt sich die Situation ganz an<strong>der</strong>s dar. Es erlebt sich klar als Opfer <strong>und</strong> das Gegenüber<br />

als Täter<strong>in</strong>; möglicherweise kommt es zum Gegenschlag <strong>und</strong> die Rollen wechseln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sze-<br />

ne.<br />

<strong>Gewalt</strong> kann subjektiv s<strong>in</strong>nvoll für e<strong>in</strong>e Gruppe o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Individuum se<strong>in</strong>. <strong>Gewalt</strong> folgt e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>neren <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er sozialen Logik, die den Handelnden selten bewusst zugänglich ist. Es ist<br />

wichtig, reale Ambivalenzen <strong>und</strong> Mehrdeutigkeiten nicht auszublenden, wenn wir mit Ge-<br />

waltphänomen konfrontiert s<strong>in</strong>d. Klare Regeln des <strong>Gewalt</strong>verzichts erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>deutige<br />

Grenzsetzungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Situation. Geht es um pädagogische Handlungskonzepte <strong>und</strong> Reaktio-<br />

nen auf <strong>Gewalt</strong>, ist es aber wichtig, den diesen Handlungen zugr<strong>und</strong>e liegenden „S<strong>in</strong>n“ am je<br />

konkreten Fall zu erschließen.<br />

Konstruktive <strong>und</strong> destruktive Aggression<br />

Die Begriffe Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> werden häufig synonym verwendet, sollen im Folgenden<br />

jedoch vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgrenzt werden. Das offene <strong>und</strong> direkte E<strong>in</strong>treten für <strong>in</strong>dividuelle Be-<br />

lange, Grenzsetzung, angemessene Selbstbehauptung <strong>und</strong> Durchsetzungsfähigkeit wird als<br />

„konstruktive Form <strong>der</strong> Aggression“ <strong>und</strong> als Gegenpol zum Destruktiv-Schädigenden ver-<br />

standen (Petermann/Petermann 2000). Dabei ist e<strong>in</strong> fließen<strong>der</strong> Übergang zwischen konstruk-<br />

tiver <strong>und</strong> destruktiver Aggression anzunehmen. Lediglich die destruktiven Formen von Ag-<br />

gression weisen e<strong>in</strong>e Schnittmenge mit dem oben vorgestellten <strong>Gewalt</strong>begriff (Melzer 2006)<br />

auf.<br />

Aggression umfasst nicht nur Absichten <strong>und</strong> Verhaltensweisen, son<strong>der</strong>n auch Emotionen wie<br />

8


z. B. Ärger, Wut <strong>und</strong> Hass, die sich nicht zwangsläufig <strong>in</strong> aggressiven Handlungen nie<strong>der</strong>-<br />

schlagen müssen. Ihre E<strong>in</strong>ordnung ist schwieriger als bei sichtbaren Verhaltensweisen <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Übergang zu nicht aggressiven Gefühlen fließend (Nolt<strong>in</strong>g 2005). Äußerst problematisch ist<br />

es, wenn die Verhaltensweisen zum umfassenden Beschreibungsmerkmal <strong>der</strong> Person e<strong>in</strong>es<br />

K<strong>in</strong>des gemacht werden. Aggression wird dann als stabile Persönlichkeitseigenschaft zuge-<br />

schrieben: „Peter ist aggressiv!“ Übersehen werden dann gerade auch kontextuelle Bed<strong>in</strong>gun-<br />

gen. Es empfiehlt sich dann u.a. folgenden Fragen nachzugehen:<br />

�� In welchen Situationen verhält er/sie sich aggressiv o<strong>der</strong> übt <strong>Gewalt</strong> aus? Wann greift<br />

er/sie auf an<strong>der</strong>e Verhaltensweisen zurück?<br />

�� Was macht er/sie ganz konkret?<br />

�� Wie reagieren an<strong>der</strong>e darauf?<br />

�� Worauf deutet das Verhalten h<strong>in</strong>, wenn wir es als Symptom für e<strong>in</strong>e Störung <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Klassengeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> zwischen Lehrkraft <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern<br />

<strong>in</strong>terpretieren?<br />

An<strong>der</strong>s formuliert: Wir benötigen also H<strong>in</strong>weise über die Beziehungen zwischen den han-<br />

delnden Personen, über situative o<strong>der</strong> auch gruppenbezogene Konstellationen sowie e<strong>in</strong>en<br />

geschlechtssensiblen Blick, um bestimmte Szenen aggressiven o<strong>der</strong> gewalttätigen Verhaltens<br />

zu verstehen.<br />

Vielfältige Ausdrucksformen von Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>: Lästern <strong>und</strong> leiden lassen<br />

Inzwischen werden stärker auch Formen wie „Beziehungsaggression“, „Mobb<strong>in</strong>g“ o<strong>der</strong> „psy-<br />

chische <strong>Gewalt</strong>“ <strong>in</strong> Theorie <strong>und</strong> Praxis berücksichtigt. Ob „verbale <strong>Gewalt</strong>“ o<strong>der</strong> „psychische<br />

<strong>Gewalt</strong>“ ausgeübt wurde ist nicht so leicht zu bestimmen wie bei körperlicher <strong>Gewalt</strong>. Auch<br />

kann aus „Sprüchen“ Ernst <strong>und</strong> dies als „<strong>Gewalt</strong>“ erfahren o<strong>der</strong> auch zum Anlass für körperli-<br />

che <strong>Gewalt</strong> werden. Gerade die <strong>in</strong>direkten Formen gewaltförmigen Handelns s<strong>in</strong>d vom sub-<br />

jektiven Empf<strong>in</strong>den <strong>der</strong> beteiligten Personen abhängig. Diese <strong>in</strong>direkten <strong>Gewalt</strong>formen, etwa<br />

<strong>in</strong> Form übler Nachrede <strong>und</strong> sozialem Ausschluss, überhaupt zu erfassen, stellt Lehrkräfte vor<br />

beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Sozial-manipulative Formen aggressiven Verhaltens o<strong>der</strong> auch Beziehungsaggression bzw.<br />

psychische <strong>Gewalt</strong> s<strong>in</strong>d durch die Absicht gekennzeichnet, an<strong>der</strong>e Personen <strong>und</strong> ihre Bezie-<br />

hungen ohne die Anwendung körperlicher Angriffe zu kontrollieren <strong>und</strong> emotional zu schädi-<br />

gen. Die Schädigung kann <strong>in</strong> verbaler direkter o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkter Form <strong>und</strong> auf <strong>der</strong> psychischen<br />

Ebene durch Beleidigungen <strong>und</strong> Demütigungen vollzogen werden (Scheithauer 2005).<br />

9


In den letzten Jahren ist „Mobb<strong>in</strong>g“ vermehrt als e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Ausprägung von <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong><br />

den Mittelpunkt <strong>der</strong> Fachdiskussion über schulische <strong>Gewalt</strong> gerückt. Die unter dem Begriff<br />

Mobb<strong>in</strong>g (auch Bully<strong>in</strong>g) gefassten Handlungsweisen weisen große Überschneidungen mit<br />

dem Aggressions- <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>begriff auf, beschreiben jedoch Phänomene, die darüber hi-<br />

nausgehen (vgl. Scheithauer et al. 2003, S. 19). Mobb<strong>in</strong>g geschieht nicht e<strong>in</strong>malig, son<strong>der</strong>n ist<br />

durch wie<strong>der</strong>holt ausgeführte Handlungen e<strong>in</strong>es breiten Verhaltensspektrums gekennzeichnet,<br />

die von e<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> mehreren Personen über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum (3-6 Monate) ausgehen<br />

<strong>und</strong> sich gegen e<strong>in</strong>e Person richten, die <strong>in</strong> Unterlegenheit gerät. Der Ursprung des Phänomens<br />

ist vor allem <strong>in</strong> den sozialen Beziehungen zu suchen. Mobb<strong>in</strong>g geschieht auch <strong>in</strong> außerschuli-<br />

schen <strong>und</strong> virtuellen Räumen, wenn etwa bei Schüler-VZ im Internet Verleumdungen verbrei-<br />

tet o<strong>der</strong> Drohungen gegen bestimmte Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler ausgesprochen werden. Mob-<br />

b<strong>in</strong>g umfasst auch das sog. „Happy Slapp<strong>in</strong>g“ (engl. etwa „fröhliches Schlagen“), bei dem<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>szenierte Schlägerei gefilmt wird o<strong>der</strong> bewusst e<strong>in</strong>e echte Schlägerei mit unbekannten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Jugendlichen o<strong>der</strong> Erwachsenen provoziert wird, um diese zu filmen (vgl. dazu auch<br />

Baier et al. 2009, S. 50 ff.). Diese Formen des Mobb<strong>in</strong>gs haben, abgesehen von den erhebli-<br />

chen Folgen für die jeweiligen Mobb<strong>in</strong>gopfer, auch Rückwirkungen auf das soziale Klima im<br />

Schulalltag.<br />

„Institutionelle <strong>Gewalt</strong>“ – schulische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für <strong>Gewalt</strong><br />

Für die Analyse schulischer <strong>Gewalt</strong> ist es bedeutsam, den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> dessen, was Galtung<br />

mit dem Begriff „strukturelle <strong>Gewalt</strong>“ (Galtung 1975) beschrieben hat, zu berücksichtigen. In<br />

<strong>der</strong> theoretischen Diskussion zur <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> hat sich <strong>der</strong> Begriff nicht durchsetzen<br />

können, auch weil die begriffliche <strong>und</strong> analytische Abgrenzung zu Konzepten wie Macht <strong>und</strong><br />

Herrschaft sonst unscharf wird. Dies bedeutet nicht, dass die <strong>in</strong> den 1970er Jahren noch im<br />

Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stehende Analyse <strong>der</strong> „<strong>in</strong>stitutionellen <strong>Gewalt</strong>“ bedeutungslos geworden ist.<br />

Strukturelle Ungleichheit, Chancenstrukturen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Ausgrenzungsrisiken<br />

werden hier als <strong>in</strong>stitutionelle Rahmenbed<strong>in</strong>gungen auf <strong>der</strong> Makroebene betrachtet, die sich<br />

gewaltför<strong>der</strong>nd auswirken können, nicht jedoch als Elemente von <strong>Gewalt</strong> selbst (vgl. auch<br />

Tillmann et al. 2007). Hier s<strong>in</strong>d jedoch höchst komplexe Verknüpfungen zwischen verschie-<br />

denen Ebenen außer- wie <strong>in</strong>nerschulischer Faktoren zu berücksichtigen <strong>und</strong> schlichte Ursa-<br />

che-Wirkungs-Annahmen zurückzuweisen. <strong>Schule</strong>n mit e<strong>in</strong>er hohen Lehrerprofessionalität,<br />

gutem Schulklima, entwickelter Partizipationsstruktur <strong>und</strong> positiven sozialökologischen Be-<br />

d<strong>in</strong>gungen können dazu beitragen, dass Leistungsdruck, Schulangst <strong>und</strong> Problemverhalten<br />

unter Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern weniger verbreitet s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Lernmotivation <strong>und</strong> „Schulfreu-<br />

10


de“ e<strong>in</strong>en breiteren Raum e<strong>in</strong>nehmen können (Melzer et al. 2004, S. 40).<br />

2. E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Schulgewaltforschung: <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong><br />

Im Folgenden geht es darum, E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Schulgewaltforschung zu geben, Schwierigkei-<br />

ten <strong>und</strong> Forschungslücken aufzuzeigen sowie zentrale Ergebnisse zum Thema <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> aus vorhandenen Studien zu extrahieren. Die Auswahl <strong>der</strong> hier vor-<br />

gestellten Untersuchungen erfolgt dabei nicht beliebig. Der Fokus liegt auch auf dem <strong>Gewalt</strong>-<br />

vorkommen an <strong>Schule</strong>n, <strong>und</strong> zwar unter e<strong>in</strong>em geschlechterdifferenzierten Blick, <strong>der</strong> auch<br />

Unterschiede nach Schulform <strong>und</strong> Alter <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen e<strong>in</strong>bezieht. Angaben<br />

von Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern werden zwar <strong>in</strong> den meisten Studien gleichermaßen erhoben,<br />

die Mädchen tauchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ergebnisdarstellung jedoch kaum als eigene Gruppe auf. Verglei-<br />

che <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> jeweiligen <strong>Geschlecht</strong>ergruppen erfolgen also selten. Die von Mädchen<br />

ausgeübten Formen von <strong>Gewalt</strong> werden, wenn überhaupt, nur <strong>in</strong> Abhängigkeit zu <strong>der</strong> von<br />

Jungen ausgeübten <strong>Gewalt</strong> untersucht (vgl. auch Herz 2006).<br />

Zur kontrovers diskutierten Frage, ob <strong>Gewalt</strong> an <strong>Schule</strong>n <strong>in</strong> den letzten Jahren <strong>und</strong> Jahrzehn-<br />

ten zugenommen hat, s<strong>in</strong>d aufgr<strong>und</strong> des Fehlens verlässlicher Vergleichsdaten kaum zuverläs-<br />

sige Aussagen möglich. 1 Insgesamt zeichnet sich e<strong>in</strong> Rückgang von schulischen <strong>Gewalt</strong>hand-<br />

lungen <strong>in</strong> den letzten fünfzehn Jahren ab. So meldet <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esverband <strong>der</strong> Unfallkassen bei-<br />

spielsweise e<strong>in</strong>en Rückgang von „Raufunfällen“ an <strong>Schule</strong>n, <strong>und</strong> auch die Häufigkeit selbst-<br />

berichteter <strong>Gewalt</strong> ist <strong>in</strong> den letzten Jahren, bis auf wenige Ausnahmen, zurückgegangen<br />

(Baier 2008, S. 30; vgl. auch Steffen 2007; Fuchs et al. 2009 2 ). Trotz dieser Daten, die dem<br />

E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>es zunehmend durch massive <strong>Gewalt</strong> geprägten Schulalltags entgegenstehen,<br />

dürften für das schulische Geschehen vor Ort die Wahrnehmung <strong>und</strong> das soziale Klima an <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen <strong>Schule</strong> jeweils entscheidend se<strong>in</strong>.<br />

In <strong>der</strong> Schülerstudie des Krim<strong>in</strong>ologischen Forschungs<strong>in</strong>stituts Nie<strong>der</strong>sachsen (KFN) 3 zeigte<br />

1<br />

Zu beachten ist, dass manche Fälle gar nicht zur Anzeige gelangen <strong>und</strong> daher gar nicht auftauchen. Beim B<strong>und</strong>esverband<br />

<strong>der</strong> Unfallkassen werden sogenannte „Raufunfälle“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> gemeldet. Hier s<strong>in</strong>d die Zahlen<br />

jedoch vom Anzeigeverhalten abhängig, welches variieren kann. Dies führt zu e<strong>in</strong>er Verzerrung <strong>der</strong> Daten, da<br />

e<strong>in</strong>erseits nicht je<strong>der</strong> Vorfall/jedes Delikt angezeigt wird, an<strong>der</strong>erseits Vorfälle gemeldet werden, die vor e<strong>in</strong>igen<br />

Jahren noch nicht als gewalttätig e<strong>in</strong>gestuft worden wären.<br />

2<br />

Fuchs et al. führten <strong>in</strong> den Jahren 1994, 1999 <strong>und</strong> 2004 e<strong>in</strong>e Längsschnittuntersuchung zum Thema „<strong>Gewalt</strong> an<br />

<strong>Schule</strong>n“ durch. Dazu wurden Daten <strong>der</strong> 5. - 13. Jahrgänge bayrischer Haupt-, Real-, Berufsschulen <strong>und</strong> Gymnasien<br />

mit Fragebögen erhoben. Im Jahr 2004 wurden 4523 Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler befragt.<br />

3<br />

Das KFN führt seit 1998 „Schülerbefragungen“ <strong>der</strong> 9. Jahrgänge durch <strong>und</strong> erhebt seit dem Jahr 2000 auch<br />

verschiedene <strong>Gewalt</strong>delikte (Opfer- <strong>und</strong> Tätererfahrungen) <strong>in</strong>nerhalb von För<strong>der</strong>-, Haupt-, Real-, Gesamtschulen<br />

<strong>und</strong> Gymnasien <strong>und</strong> befragte dazu <strong>in</strong> den Jahren 2007/2008 44610 Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler <strong>in</strong> 15 B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n.<br />

11


sich, dass e<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>handlungen außerhalb <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> erfolgt; dies ist auch auf<br />

die höhere soziale Kontrolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> zurückzuführen (vgl. auch Böttger 1998). Während<br />

80,1% <strong>der</strong> Mobb<strong>in</strong>gtaten <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> bzw. auf dem Weg dorth<strong>in</strong> stattf<strong>in</strong>den, so ist dies bei<br />

<strong>Gewalt</strong>taten nur zu 32,1% <strong>der</strong> Fall (Baier et al. 2009, S. 49). Die häufigste Übergriffsform <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong> ist das Hänseln, 43,9% <strong>der</strong> Schüler <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen berichten (bezogen auf das<br />

letzte Schuljahr) davon als Opfer betroffen gewesen zu se<strong>in</strong>. Immerh<strong>in</strong> 20,9% berichten da-<br />

von, im letzten Schuljahr von an<strong>der</strong>en getreten o<strong>der</strong> geschlagen worden zu se<strong>in</strong> (ebd., S. 57).<br />

Weiterh<strong>in</strong> gaben 5,3% <strong>der</strong> Schüler <strong>und</strong> 0,7% <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen an, im letzten Schulhalbjahr<br />

vor <strong>der</strong> Befragung mehrmals monatlich e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Schüler (o<strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>, das wird nicht<br />

deutlich) geschlagen o<strong>der</strong> getreten zu haben (ebd., S. 87). Schwere körperliche Übergriffe <strong>und</strong><br />

strafrechtlich relevante Delikte kommen <strong>in</strong> den <strong>Schule</strong>n weitaus seltener als Formen <strong>der</strong> <strong>in</strong>di-<br />

rekten <strong>Gewalt</strong> vor, die mit Ausgrenzungen, Hänseleien o<strong>der</strong> Nichtbeachtung e<strong>in</strong>hergehen.<br />

<strong>Gewalt</strong>förmiges Handeln von Mädchen <strong>und</strong> Jungen – Alter <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong><br />

In den diversen Studien wird deutlich, dass <strong>Gewalt</strong>bereitschaft <strong>und</strong> verschiedene Formen von<br />

Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> vom Alter <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen abhängig s<strong>in</strong>d. <strong>Gewalt</strong> an<br />

<strong>Schule</strong>n ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auf die Lebensphase „Jugend“ <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Entwicklungs-<br />

aufgaben <strong>und</strong> Konflikte bezogen <strong>und</strong> stellt sich <strong>in</strong> den allermeisten Fällen als vorübergehen-<br />

des Phänomen dar. Je nach <strong>Gewalt</strong>form nimmt die <strong>Gewalt</strong>rate an <strong>Schule</strong>n mit dem Alter von<br />

12 Jahren zu, erreicht im Alter zwischen 12 <strong>und</strong> 15 Jahren ihren Höhepunkt <strong>und</strong> fällt danach<br />

wie<strong>der</strong> ab. Dies gilt für fast alle Formen <strong>der</strong> körperlichen <strong>Gewalt</strong>. Bis auf wenige Ausnahmen,<br />

wie beispielsweise „<strong>Gewalt</strong> gegen Sachen“, lässt sich e<strong>in</strong> solcher „Altersgipfel“ o<strong>der</strong> auch<br />

e<strong>in</strong>e altersabhängige „<strong>Gewalt</strong>spitze“ ausmachen (Tillmann et al. 2007; Fuchs et al. 2009).<br />

Unter e<strong>in</strong>em geschlechterdifferenzierenden Blick auf das körperliche <strong>Gewalt</strong>vorkommen an<br />

<strong>Schule</strong>n stellen sich die genannten Forschungsbef<strong>und</strong>e zum Altersgipfel jedoch an<strong>der</strong>s dar. So<br />

hat Popp herausgef<strong>und</strong>en, dass Mädchen vor allem <strong>in</strong> jüngeren Jahrgängen (6. Klasse) durch<br />

<strong>Gewalt</strong>ausübung auffällig werden <strong>und</strong> früher als Jungen wie<strong>der</strong> damit aufhören, sich an Prü-<br />

geleien zu beteiligen (2002, S. 128). 4<br />

Diese Bef<strong>und</strong>e können unter Rückgriff auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse näher<br />

4 Popp (2002) hat die e<strong>in</strong>zige bislang vorliegende Studie zu „<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“ durchgeführt.<br />

Sie hat Daten e<strong>in</strong>er Fragebogenerhebung <strong>der</strong> 6., 8., 9., 10. Jahrgänge <strong>in</strong> hessischen (För<strong>der</strong>-)<strong>Schule</strong>n für<br />

Lernhilfen, Haupt-, Real-, Gesamtschulen <strong>und</strong> Gymnasien verwendet. Insgesamt wurden 3540 Fragebogenerhebungen<br />

(1995) <strong>und</strong> zusätzlich 24 mündliche Interviews mit Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern durchgeführt (1998).<br />

12


erklärt werden (Björkqvist et al. 1992, 118 f.; vgl. ähnlich auch Popp 2002). So wird ange-<br />

nommen, dass direkte körperliche, verbale <strong>und</strong> <strong>in</strong>direkte Aggression als aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> folgende<br />

Entwicklungsstufen aggressiven Verhaltens zu <strong>in</strong>terpretieren s<strong>in</strong>d. Jungen zeigen bereits im<br />

Alter von vier Jahren e<strong>in</strong>e ausgeprägtere körperliche Aggressivität als Mädchen, die jedoch<br />

im Laufe des Gr<strong>und</strong>schulalters zurückgeht (zusammenfassend: von Salisch et al. 2005). K<strong>in</strong>-<br />

<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d mit zunehmen<strong>der</strong> kognitiver Reife eher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, Konflikte mit verbalen <strong>und</strong> ande-<br />

ren Mitteln zu regeln. Direkte Aggressionsformen werden mit dem E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> das Jugendalter<br />

vom sozialen Umfeld zunehmend schärfer sanktioniert <strong>und</strong> zwar gerade auch bei Mädchen.<br />

Zudem wird Mädchen e<strong>in</strong> Entwicklungsvorsprung auch beim Erwerb von Strategien <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regulation von Gefühlen zugeschrieben (ebd.).<br />

Weiterh<strong>in</strong> wird angenommen, dass Mädchen aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Struktur <strong>und</strong> <strong>der</strong> Funk-<br />

tionen von Mädchenfre<strong>und</strong>schafen e<strong>in</strong>e höhere Verw<strong>und</strong>barkeit für sozial manipulative For-<br />

men von Aggression bzw. psychische <strong>Gewalt</strong> aufweisen. Möglicherweise nehmen sie deshalb<br />

entsprechende Phänomene sensibler wahr als Jungen. E<strong>in</strong>e weitere, gängige Erklärung zur<br />

Erklärung <strong>der</strong> geschlechtstypischen Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich bevorzugter <strong>Gewalt</strong>formen be-<br />

zieht stereotype Mädchen- <strong>und</strong> Jungenbil<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>. So wird angenommen, dass für Mädchen<br />

den Rückgriff auf verbale <strong>und</strong> psychische <strong>Gewalt</strong> eher als körperliche <strong>Gewalt</strong> sozial „erlaubt“<br />

<strong>und</strong> mit ihrem Selbstverständnis <strong>und</strong> sozialen Erwartungen eher <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d<br />

(Björkqvist et al. 1992; Popp 2002). Bei selbstberichteten Normenverstößen s<strong>in</strong>d die Ge-<br />

schlechterunterschiede beispielsweise relativ groß. Dies wird darauf zurückgeführt, dass<br />

Mädchen ihre Beteiligung an aggressiven Handlungen ungern zugeben würden <strong>und</strong> ver<strong>in</strong>ner-<br />

licht hätten, dass dieses Verhalten für sie sozial unerwünscht ist. H<strong>in</strong>gegen verr<strong>in</strong>gern sich die<br />

<strong>Geschlecht</strong>sunterschiede, wenn Eltern- o<strong>der</strong> Lehrerbefragungen durchgeführt werden o<strong>der</strong><br />

wenn die Wahrnehmung verschiedener aggressiver Handlungen (Sachbeschädigung, verbale<br />

Attacken, physische Angriffe, Bedrohung, Erpressung u. a.) aus Sicht von Schüler<strong>in</strong>nern <strong>und</strong><br />

Schülern erhoben wird.<br />

Die Diskussion zur geschlechtstypischen Entwicklung aggressiven Verhaltens steht noch am<br />

Anfang. Die These, dass Mädchen ebenso aggressiv s<strong>in</strong>d wie Jungen, wenn man alle Aggres-<br />

sionsformen betrachtet (Björkqvist et al. 1992; Björkqvist 1994), steht auf aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> dürf-<br />

tigen Bef<strong>und</strong>lage auf unsicherer Basis (Arnold / Bliesener 2005). H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Geschlech-<br />

terdifferenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahl verbaler, psychischer <strong>und</strong> sozial-manipulativer Formen von Ag-<br />

gression sowie <strong>in</strong> dem damit verb<strong>und</strong>enen Ausmaß zeigt sich damit e<strong>in</strong> äußerst une<strong>in</strong>heitli-<br />

ches Bild.<br />

13


Schulformspezifische Unterschiede – jede <strong>Schule</strong> <strong>und</strong> jede Klasse ist an<strong>der</strong>s!<br />

Bei <strong>der</strong> Differenzierung <strong>in</strong> Schulformen wird <strong>in</strong> etlichen Untersuchungen selten e<strong>in</strong>e für beide<br />

<strong>Geschlecht</strong>er getrennte Auswertung vorgenommen. So ergeben sich auf den ersten Blick zur<br />

Frage schulformspezifischer Unterschiede stimmige Bil<strong>der</strong>, die jedoch unter e<strong>in</strong>em geschlech-<br />

terdifferenzierenden Fokus noch weiter präzisiert werden müssen. Die <strong>Gewalt</strong>belastung an<br />

den <strong>Schule</strong>n ist jeweils unterschiedlich <strong>und</strong> nicht nur schulform-, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>zelschul-<br />

spezifisch (Melzer et al. 2004). E<strong>in</strong> deutlicher Unterschied lässt sich <strong>in</strong> Bezug auf körperliche<br />

<strong>Gewalt</strong> zwischen den Schulformen feststellen: Am Gymnasium wird am wenigsten, an Haupt-<br />

<strong>und</strong> För<strong>der</strong>schulen am meisten körperliche <strong>Gewalt</strong> ausgeübt. Verbale <strong>und</strong> psychische Formen<br />

von Aggression kommen jedoch <strong>in</strong> allen Schulformen gleichermaßen vor. In <strong>der</strong> KFN-Studie<br />

berichten Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler über alle Schulformen h<strong>in</strong>weg <strong>in</strong> etwa gleichem Maße<br />

von Opfererfahrungen durch <strong>in</strong>direkte <strong>Gewalt</strong> ihrer Mitschüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitschüler (Baier et<br />

al. 2009). An <strong>Schule</strong>n mit vielen Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern, die durch Schulversagen <strong>und</strong><br />

Lernprobleme auffallen, kann das Konfliktverhalten <strong>in</strong>sgesamt aggressiver se<strong>in</strong>. Außerdem<br />

erreichen die Sanktionen an Haupt- <strong>und</strong> Son<strong>der</strong>schulen e<strong>in</strong>ige Jugendliche kaum noch (Mel-<br />

zer et al. 2004). Dennoch ist e<strong>in</strong>e differenzierte Betrachtung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen <strong>Schule</strong>n <strong>und</strong> ihrer<br />

je konkreten Probleme <strong>und</strong> Entwicklungspotentiale unverzichtbar.<br />

Bis auf wenige Ausnahmen f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den Studien jedoch ke<strong>in</strong>e Trennung nach Schulfor-<br />

men <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>, nur vere<strong>in</strong>zelt lassen sich aufgeschlüsselte Daten f<strong>in</strong>den. Wie oben<br />

bereits angemerkt, s<strong>in</strong>d Hauptschulen häufiger gewaltbelastet als an<strong>der</strong>e Schulformen. Die<br />

Tatsache, dass die Angaben von Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern immer zusammengerechnet<br />

werden, verschweigt dabei, dass vor allem die Mädchen, auch an Gymnasien, für e<strong>in</strong><br />

ger<strong>in</strong>geres körperliches <strong>Gewalt</strong>vorkommen verantwortlich s<strong>in</strong>d. So lässt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Artikel<br />

zum Thema „Hauptschulen <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>“ folgendes Diagramm f<strong>in</strong>den (Baier/Pfeiffer 2007a,<br />

S. 18):<br />

14


Hauptschüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> -schüler gaben häufiger an, <strong>in</strong> den letzten 12 Monaten vor <strong>der</strong> Erhe-<br />

bung e<strong>in</strong>e <strong>Gewalt</strong>tat (Mitschüler bzw. Mitschüler<strong>in</strong> geschlagen, getreten, erpresst o<strong>der</strong> beraubt<br />

o<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er Waffe bedroht) <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> begangen zu haben: 29,6% im Vergleich zu<br />

Gymnasien <strong>und</strong> Waldorfschulen 18,6%. Es gaben 17,1% <strong>der</strong> Hauptschüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> vor al-<br />

lem lediglich 4,4% <strong>der</strong> Gymnasiast<strong>in</strong>nen gegenüber 39,9% <strong>der</strong> Hauptschüler <strong>und</strong> 34,2% <strong>der</strong><br />

Gymnasiasten e<strong>in</strong>e solche Tat zu (ebd., S. 19). Bei <strong>der</strong> Differenzierung nach <strong>Geschlecht</strong> zeigt<br />

sich deutlich, dass die Diskrepanz zwischen männlichen Hauptschülern <strong>und</strong> Gymnasiasten gar<br />

nicht so groß ist. Es zeigt sich aber vor allem e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Unterschied zwischen selbstbe-<br />

richteter <strong>Gewalt</strong> zwischen Gymnasiast<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Gymnasiasten. „Interessant s<strong>in</strong>d die Ge-<br />

schlechterunterschiede, die <strong>in</strong> Gymnasien sehr viel höher ausfallen als <strong>in</strong> Hauptschulen“<br />

(ebd.). Der bekannte Bef<strong>und</strong>, dass an Gymnasien deutlich weniger körperliche <strong>Gewalt</strong> vor-<br />

kommt, ist auch nach Popp <strong>in</strong> hohen Maße auf „das Verhalten <strong>der</strong> Mädchen zurückzuführen“<br />

(2002, S. 129). Hier drängt sich die Frage nach <strong>der</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Schulformen auf: Mädchen s<strong>in</strong>d an Gymnasien, Jungen an Haupt- <strong>und</strong> För<strong>der</strong>schulen überrep-<br />

räsentiert (ebd.).<br />

Unterschiedliche Rollen bei <strong>der</strong> Beteiligung an <strong>Gewalt</strong><br />

Fragt man nach den unterschiedlichen Rollen im Kontext von <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> zeigt sich,<br />

dass gegen allzu schlichte Vorstellungen von Täter<strong>in</strong>nen bzw. Tätern <strong>und</strong> Opfern <strong>der</strong> Bef<strong>und</strong><br />

spricht, dass etwa 50% <strong>der</strong> männlichen „Täter“ auch schon als „Opfer“ <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung getre-<br />

ten s<strong>in</strong>d − <strong>und</strong> umgekehrt (Melzer et al. 2004; vgl. auch Tillmann et al. 2007). Auch hier un-<br />

terscheiden sich Jungen <strong>und</strong> Mädchen im H<strong>in</strong>blick auf körperliche <strong>Gewalt</strong>. In <strong>der</strong> Untersu-<br />

15


chung von Baier et al. (2009) gaben 20,3% <strong>der</strong> Mädchen, aber 40,7% <strong>der</strong> Jungen an, selbst<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Gewalt</strong>tat verübt zu haben, <strong>und</strong> im selben Zeitraum ebenfalls Opfererfahrungen gemacht<br />

haben.<br />

Es gibt verschiedene Ansätze, Täter- <strong>und</strong> Opferrelationen zu betrachten o<strong>der</strong> Typologien zu<br />

erstellen, wobei die Rollen nicht immer so deutlich vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu unterscheiden s<strong>in</strong>d. Till-<br />

mann et al. (2007) sprechen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von „zwei <strong>in</strong>formellen ‚Kulturen’ <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schülerschaft“ <strong>und</strong> trennen die „Unbeteiligten“ von den „<strong>Gewalt</strong>-Beteiligten“ (ebd., S.<br />

17). Differenzieren lassen sich verschiedene Rollen nach dem Grad <strong>und</strong> <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Beteili-<br />

gung, z. B. jene Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler, die an<strong>der</strong>e <strong>in</strong> ihrem gewalttätigen Handeln ver-<br />

stärken, <strong>in</strong>dem sie diese ermuntern, o<strong>der</strong> auch jene, die die Opfer, gegen Angriffe an<strong>der</strong>er<br />

verteidigen, aber auch Personen, die Zuschauerrollen e<strong>in</strong>nehmen <strong>und</strong> jene die sich vom Ge-<br />

schehen passiv distanzieren. Schließlich wird auch e<strong>in</strong>e Gruppe <strong>der</strong> „Täter-Opfer“ benannt,<br />

das s<strong>in</strong>d Personen, die beide Rollen gleichermaßen e<strong>in</strong>nehmen. Für Fragen <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>präven-<br />

tion s<strong>in</strong>d diese Differenzierungen bedeutsam, sie zeigen Ansatzpunkte für Interventionen auf,<br />

weil z. B. auch die Gruppe <strong>der</strong> passiv Beteiligten <strong>in</strong> konkrete Maßnahmen e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en wer-<br />

den muss.<br />

Gegen wen richtet sich die <strong>Gewalt</strong>? Mädchen gegen Mädchen <strong>und</strong> Jungen gegen Jungen?<br />

Wir wissen wenig darüber, ob Jungen <strong>und</strong> Mädchen gewaltförmige Handlungen eher gegen<br />

das eigene <strong>Geschlecht</strong> richten o<strong>der</strong> nicht <strong>und</strong> welche Konstellationen <strong>und</strong> Faktoren gleich-<br />

<strong>und</strong> gegengeschlechtlichen Interaktionen im Kontext von <strong>Gewalt</strong>handlungen zugr<strong>und</strong>e liegen.<br />

In den großen Untersuchungen zu <strong>Gewalt</strong> an <strong>Schule</strong>n werden zwar Täter/<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Opfererfah-<br />

rungen erhoben, doch wird selten nach dem <strong>Geschlecht</strong> des Opfers bzw. des Täters gefragt.<br />

Bereits <strong>in</strong> den 1990er Jahren wurde festgehalten, dass Jungen häufiger als Täter <strong>und</strong> als Opfer<br />

im Vergleich zu Mädchen auffällig werden (u.a. Forschungsgruppe <strong>Schule</strong>valuation 1998, S.<br />

115). Diese Erkenntnis wird auch <strong>in</strong> neueren Studien immer wie<strong>der</strong> bestätigt (u.a. Baier et al.<br />

2009). Am Beispiel des Bully<strong>in</strong>gs an <strong>Schule</strong>n gibt es Untersuchungen, die herausstellen, dass<br />

Jungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> eher Opfer von Jungen werden (Scheithauer et al. 2003). Es gibt H<strong>in</strong>-<br />

weise darauf, dass Mädchen sowohl Jungen als auch Mädchen mobben <strong>und</strong> bei dieser <strong>Gewalt</strong>-<br />

form ebenso Opfer bei<strong>der</strong> <strong>Geschlecht</strong>er werden (ebd., S. 51).<br />

Die Angst von Mädchen, körperlich <strong>in</strong> die Unterlegenheit zu geraten bzw. die Überzeugung,<br />

Jungen seien körperlich stärker <strong>und</strong> wehrhafter als Mädchen könnte dazu führen, körperliche<br />

<strong>Gewalt</strong> eher gegen an<strong>der</strong>e Mädchen als gegen Jungen zu richten. In Situationen, <strong>in</strong> denen<br />

16


starke Gefühle e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Rolle spielen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> denen Beleidigungen gegen die eigene<br />

Person o<strong>der</strong> die Familie ausgesprochen werden, stellt sich die Frage für sie nach <strong>der</strong> mögli-<br />

chen Unterlegenheit jedoch nicht unbed<strong>in</strong>gt. Dann geht es darum, erlittenes Unrecht öffentlich<br />

zu vergelten (vgl. Böttger 1998; Silkenbeumer 2000; Bruhns/Wittmann 2002; Silkenbeumer<br />

2007). <strong>Gewalt</strong> gegen Mädchen zu richten, dient Jungen nicht unbed<strong>in</strong>gt dazu, sich damit zu<br />

brüsten. Vielmehr gilt dies mitunter als verpönt − Mädchen gelten eher als das schwächere<br />

<strong>Geschlecht</strong>, mit dem „Mann“ sich h<strong>in</strong>sichtlich körperlicher Kraft <strong>in</strong> Form von <strong>Gewalt</strong> nicht<br />

messen muss (ebd.).<br />

Bef<strong>und</strong>e aus Studien über beobachtete Konstruktionen von <strong>Geschlecht</strong> im Schulalltag machen<br />

uns aber auch auf Situationen aufmerksam, <strong>in</strong> denen Mädchen <strong>Gewalt</strong> gegen Jungen anwen-<br />

den <strong>und</strong> diese damit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ambivalente Handlungssituation br<strong>in</strong>gen. Den Jungen fehlen da-<br />

bei zum Teil, „e<strong>in</strong>geengt zwischen tradierten geschlechtlichen Erwartungen <strong>und</strong> dem realen<br />

Empf<strong>in</strong>den von Schmerz, adäquate Möglichkeiten <strong>der</strong> Reaktion. E<strong>in</strong> Junge ‚lacht <strong>und</strong> brüllt<br />

vor Schmerz zugleich, als er von e<strong>in</strong>er Mitschüler<strong>in</strong> getreten wird.’“ (Faulstich-Wieland et al.<br />

2004). Die Bef<strong>und</strong>e dieser Studien unterstreichen, wie vielschichtig die jeweiligen Motive,<br />

Ursachen, Anlässe <strong>und</strong> Formen gleich- <strong>und</strong> gegengeschlechtlicher <strong>Gewalt</strong>ausübung s<strong>in</strong>d.<br />

Welches Bild zeigt sich, wenn nun sexualisierte Übergriffe berücksichtigt werden? Popp<br />

(2002) hat Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler zu sexuellen Übergriffen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> befragt. Aus dem<br />

Datensatz von 1995 ergibt sich, dass sexuelle Übergriffe sowohl von Jungen als auch von<br />

Mädchen vorkommen. „E<strong>in</strong> o<strong>der</strong> mehrere Jungen bedrängen e<strong>in</strong> Mädchen <strong>und</strong> fassen es ge-<br />

gen ihren Willen an“ wurde von 4,7% <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> 7,8% <strong>der</strong> Schüler fast täglich<br />

wahrgenommen. „E<strong>in</strong> Junge wird von e<strong>in</strong>em Mädchen bedrängt <strong>und</strong> gegen se<strong>in</strong>en Willen an-<br />

gefasst“ wurde von 3% <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> 6,8% <strong>der</strong> Schüler fast täglich wahrgenommen<br />

(Popp 2002, S. 159). Sexuelle Übergriffe <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> allerd<strong>in</strong>gs werden von <strong>der</strong> Forschung<br />

entwe<strong>der</strong> gar nicht o<strong>der</strong> nur am Rande thematisiert − dementsprechend ist die Bef<strong>und</strong>lage<br />

hierzu sehr kle<strong>in</strong>. Elz (2004) fasst jedoch zusammen, dass verbale Formen sexueller Belästi-<br />

gung von Gleichaltrigen mit bis zu 40% im Alltag von Mädchen <strong>und</strong> Jungen im K<strong>in</strong>des- <strong>und</strong><br />

Jugendalter sehr häufig vorkommen. Ungefähr halb so oft kommen tätliche Angriffe o<strong>der</strong><br />

„begrapschen“ im Jugendalter, aber auch <strong>in</strong> jüngeren Jahrgängen, vor.<br />

Ingesamt s<strong>in</strong>d Mädchen hier weitaus häufiger als Jungen betroffen. Die Botschaft sexueller<br />

Verfügbarkeit von Mädchen <strong>und</strong> Frauen wird auf vielfältige Weise gesellschaftlich vermittelt.<br />

Schüler stellen durch Sexualisierungen e<strong>in</strong>e hierarchische Ordnung zwischen Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen her, mit <strong>der</strong> sich die Mädchen ihrerseits aktiv ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen. Problematisch ist,<br />

17


dass die Verantwortung für sexualisierte <strong>Gewalt</strong> auch durch Erwachsene vielfach den betrof-<br />

fenen Mädchen zugeschoben wird: „Zieht euch nicht so aufreizend an, dann machen die Jun-<br />

gen auch ke<strong>in</strong>e blöden Sprüche.“ Werden zudem entsprechende Grenzverletzungen nicht als<br />

solche durch Lehrkräfte markiert, so wird durch die Bagatellisierung o<strong>der</strong> Leugnung sexueller<br />

Übergriffe die Botschaft transportiert, dieses Handeln sei erlaubt.<br />

Während sexualisierte <strong>Gewalt</strong> gegen Mädchen durch Jungen <strong>in</strong>zwischen häufiger betrachtet<br />

wird, fällt auf, dass die Frage nach Jungen als Opfern hier noch immer selten gestellt wird.<br />

Weiblichkeit wird mit <strong>der</strong> Opferposition identifiziert, die Norm <strong>der</strong> Heterosexualität immer<br />

wie<strong>der</strong> hergestellt <strong>und</strong> davon Abweichendes <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Gruppe von Jungen, aber auch<br />

durch Mädchen, sozial sanktioniert. Für Jungen als Opfer sexueller <strong>Gewalt</strong> ist es beson<strong>der</strong>s<br />

schwer, dies öffentlich zu machen, gerade weil männliche Sexualität kaum mit dem Bild ver-<br />

e<strong>in</strong>bar ist, hier Opfer werden zu können.<br />

Werden sexistische „Sprüche“ als jugendtypische Umgangsformen gedeutet, so wäre zu fra-<br />

gen: Haben die Betroffenen vielleicht resigniert <strong>und</strong> können daher kaum sagen, dass sie es als<br />

verletzend empf<strong>in</strong>den, wenn jemand „schwule Sau“ o<strong>der</strong> „geile Schlampe“ zu ihnen sagt?<br />

Hier die Deutungen <strong>und</strong> das Erleben <strong>der</strong> Betroffenen zu erfahren <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sam zu reflektie-<br />

ren, wor<strong>in</strong> hier die Grenzüberschreitungen liegen können, ist e<strong>in</strong> wichtiger Prozess. Die Be-<br />

deutung e<strong>in</strong>er geschlechterreflektierenden Arbeit als Ansatzpunkt sozialen Lernens liegt dabei<br />

auf <strong>der</strong> Hand. Dabei ist es wichtig, zunächst die eigene Haltung als e<strong>in</strong>zelne Person, aber auch<br />

im Kollegium <strong>in</strong> Bezug auf <strong>Geschlecht</strong>erbil<strong>der</strong>, Sexismus, sexualisierte <strong>Gewalt</strong>, Heteronor-<br />

mativität, sexuelle, herkunftsbezogene <strong>und</strong> weitere Diskrim<strong>in</strong>ierungen zu reflektieren.<br />

Mehrfach gewalttätig auffällig gewordene Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler<br />

Forschungsergebnisse zum Thema <strong>Gewalt</strong> an <strong>Schule</strong>n zeigen, dass es mit etwa 3% bis 10%<br />

e<strong>in</strong>en „harten Kern“ von Schülern <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en noch kle<strong>in</strong>eren Teil von Schüler<strong>in</strong>nen gibt, <strong>der</strong><br />

für e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>phänomene an <strong>Schule</strong>n verantwortlich ist. Es zeigt sich, dass so-<br />

wohl bei den Jungen als auch bei den Mädchen die Mehrfachauffälligen deutlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> M<strong>in</strong>-<br />

<strong>der</strong>heit s<strong>in</strong>d. Nach <strong>Geschlecht</strong> differenziert wird deutlich, dass diese M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten unter-<br />

schiedlich groß s<strong>in</strong>d. „Etwa je<strong>der</strong> 10. Junge, aber nur jedes 25. Mädchen gehört zu denjeni-<br />

gen, die häufig zuschlagen, Sachen kaputt machen, an<strong>der</strong>e erpressen <strong>und</strong> bedrohen. Betrachtet<br />

man die Schulformen im Vergleich, fällt zunächst vor allem die Ausnahmestellung <strong>der</strong> Son-<br />

<strong>der</strong>schule für Lernhilfe auf: Dort gehören mehr als 20% <strong>der</strong> Schüler(<strong>in</strong>nen) zur Gruppe <strong>der</strong><br />

‚Mehrfachtäter(<strong>in</strong>nen)’, während es im Gymnasium (…) nur 4% s<strong>in</strong>d.“ (Popp 2002, S. 187) In<br />

18


an<strong>der</strong>en Studien wird die Gruppe <strong>der</strong> mehrfachauffälligen Schüler, je nach zugr<strong>und</strong>e gelegten<br />

Kriterien mit 3,5% bis 6% angegeben, während die <strong>der</strong> mehrfachauffälligen Mädchen zwi-<br />

schen 0,6% <strong>und</strong> 1,5% schwankt (Fuchs et al. 2009, S. 122; Baier et al. 2009, S. 87). Hierbei<br />

ist darauf zu achten, wie diese Gruppe <strong>der</strong> „Mehrfachtäter“ <strong>und</strong> „Mehrfachtäter<strong>in</strong>nen“ jeweils<br />

bestimmt wird. In <strong>der</strong> Untersuchung von Popp wurden die Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler u.a. nach<br />

<strong>der</strong> Beteiligung an acht verschiedenen körperlichen <strong>Gewalt</strong>handlungen gefragt 5 :<br />

Tabelle 1<br />

Handlungen<br />

Selbstberichtete körperliche <strong>Gewalt</strong> nach <strong>Geschlecht</strong><br />

<strong>und</strong> Schüler(<strong>in</strong>nen)jahrgang<br />

In den letzten 12 Monaten habe ich m<strong>in</strong>destens alle paar Monate…<br />

mich mit e<strong>in</strong>em<br />

(e<strong>in</strong>er) an<strong>der</strong>en<br />

geprügelt<br />

an<strong>der</strong>en gewaltsam<br />

etwas weggenommen<br />

im Schulgebäude<br />

etwas absichtlich<br />

beschädigt<br />

Jungen<br />

(n=577)<br />

6. Jahrgang 8. Jahrgang 9./10. Jahrgang<br />

Mädchen<br />

(n=546)<br />

Jungen<br />

(n=601)<br />

Mädchen<br />

(n=598)<br />

Jungen<br />

(n=581)<br />

Mädchen<br />

(n=558)<br />

51,6% 18,2% 52% 16,2% 37% 8,8%<br />

22,3% 12% 32,9% 15,5% 30,5% 9,9%<br />

15,9% 7,1% 25% 16,4% 30,6% 11,3%<br />

Schulsachen (Bücher,<br />

Stühle) absichtlich<br />

zerstört<br />

mit an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong>en<br />

11,6% 5,8% 20,7% 12,7% 25,7% 8,8%<br />

Jungen/e<strong>in</strong> Mädchen<br />

verprügelt<br />

Sachen von ande-<br />

21,4% 9,8% 21,7% 8,8% 17,8% 4,5%<br />

ren absichtlich<br />

kaputtgemacht<br />

14,1% 7,3% 22,4% 9,2% 21,6% 5,9%<br />

an<strong>der</strong>en aufgelauert,<br />

sie bedroht<br />

14,7% 8% 18,8% 6,5% 14,3% 4,5%<br />

Waffen mit <strong>in</strong> die<br />

<strong>Schule</strong> gebracht<br />

11,7% 4,6% 20,3% 4,5% 18,8% 5%<br />

(Aus: Popp 2002, S. 127)<br />

5<br />

In <strong>der</strong> Studie s<strong>in</strong>d „Gelegenheitstäter(<strong>in</strong>nen)“ bei Popp jene Mädchen <strong>und</strong> Jungen, die m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> acht<br />

körperlichen <strong>Gewalt</strong>handlungen alle paar Monate <strong>und</strong> höchstes vier <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Skala aufgezählten Handlungen<br />

mehrmals wöchentlich berichtet haben. Auch, wenn befragte Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler e<strong>in</strong>räumten, nur e<strong>in</strong>e<br />

dieser acht <strong>Gewalt</strong>handlungen begangenen zu haben, wurden sie <strong>in</strong> diese Gruppe e<strong>in</strong>sortiert. Zur Bestimmung<br />

<strong>der</strong> Mehrfachtäter <strong>und</strong> -täter<strong>in</strong>nen nahm Popp (2002, S. 186) folgende Setzung vor: „Wer von den acht <strong>Gewalt</strong>handlungen<br />

vier überhaupt nicht vorgenommen hat, die an<strong>der</strong>en vier h<strong>in</strong>gegen häufiger, wurde noch als ‚Gelegenheitstäter(<strong>in</strong>)’<br />

e<strong>in</strong>geordnet. Geht das Ausmaß <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuell verübten <strong>Gewalt</strong>handlungen über dieses Maß<br />

h<strong>in</strong>aus, erfolgte e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung als ‚Mehrfachtäter(<strong>in</strong>)’.“<br />

19


Tabelle 2<br />

Täter(<strong>in</strong>nen) körperlicher <strong>Gewalt</strong> nach <strong>Geschlecht</strong><br />

<strong>und</strong> besuchter Schulform<br />

<strong>Geschlecht</strong> Schulform<br />

gesamt männlich weiblich SfL HR KGS IGS Gym<br />

Status (n=3540) (n=1796) (n=1722) (n=120) (n=716) (n=1130) (n=676) (n=898)<br />

Unbeteiligte 51,9% 37,3% 67,2% 24,2% 52,4% 49,8% 50% 59,4%<br />

Gelegenheitstäter(<strong>in</strong>nen) 40,3% 51,6% 28,6% 55% 38,4% 41,9% 42,2% 36,6%<br />

Mehrfachtäter(<strong>in</strong>nen) 7,8% 11,1% 4,2% 20,8% 9,2% 8,3% 7,8% 4%<br />

GESAMT 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100%<br />

(Aus: Popp 2002, S. 187)<br />

Popp hat mögliche Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Risikokonstellationen für Mehrauffälligkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> durch gewaltförmige Handlungen zwischen Mädchen <strong>und</strong> Jungen <strong>in</strong> den Blick<br />

genommen <strong>und</strong> danach gefragt, welche Sozialisationsbed<strong>in</strong>gungen die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

erhöhen, dass jemand zum „Mehrfachtäter“, zur „Mehrfachtäter<strong>in</strong>“ wird. Es f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> den<br />

untersuchten schulischen <strong>und</strong> außerschulischen Lebenswelten große Ähnlichkeiten zwischen<br />

den männlichen <strong>und</strong> weiblichen mehrfach auffällig <strong>Gewalt</strong>tätigen. Im H<strong>in</strong>blick auf die Per-<br />

sönlichkeitsmerkmale <strong>und</strong> die sozialen Umwelten f<strong>in</strong>den sich unabhängig von <strong>der</strong> Ge-<br />

schlechtszugehörigkeit jedoch deutliche Unterschiede zwischen denen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> nie<br />

gewalttätig s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> denjenigen, die häufig <strong>Gewalt</strong> anwenden. <strong>Geschlecht</strong>erdifferenzen <strong>und</strong> -<br />

gleichheiten greifen bei hochaggressiven Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern offenbar stark <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

(ebd.). Beide weisen überproportional häufig <strong>Gewalt</strong> billigende E<strong>in</strong>stellungen auf <strong>und</strong> haben<br />

e<strong>in</strong>e niedrige Hemmschwelle gegenüber <strong>Gewalt</strong>. Weiterh<strong>in</strong> erwies sich für beide <strong>Geschlecht</strong>er<br />

<strong>der</strong> Faktor sozialer Etikettierung im schulischen Kontext <strong>und</strong> die Zugehörigkeit zu <strong>Gewalt</strong><br />

akzeptierenden Fre<strong>und</strong>esgruppen im außerschulischen Bereich als relevant (ebd., S. 279).<br />

Diese M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit <strong>der</strong> häufig durch <strong>Gewalt</strong>aktivitäten auffälligen Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler<br />

zeigt vielfach auch weitere Problemverhaltensweisen (z. B. schlechte Schulleistungen, Schu-<br />

labsentismus, Drogenkonsum) <strong>und</strong> wird mitunter auch <strong>in</strong> strafrechtlich relevanter H<strong>in</strong>sicht<br />

(Körperverletzung, Erpressung) auffällig.<br />

„Blöde Schlampe, pass bloß auf!“ – <strong>Gewalt</strong> gegen Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer<br />

In den meisten großen Studien zu <strong>Gewalt</strong> an <strong>Schule</strong>n wird „Schülergewalt“ gegen Lehrkräfte<br />

nur am Rande berücksichtigt. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wenigen Untersuchungen zu diesem Thema, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die<br />

Opferperspektive <strong>der</strong> Lehrkräfte im Mittelpunkt steht, ist die Arbeit „Lehrer als Opfer von<br />

Schülergewalt“ von Varbelow (2003). Es handelt sich um e<strong>in</strong>e Erhebung im B<strong>und</strong>esgebiet,<br />

bei <strong>der</strong> Lehrkräfte aller Schulformen ohne Berufsschulen berücksichtigt worden s<strong>in</strong>d. In die-<br />

20


ser Studie s<strong>in</strong>d 1338 Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> 948 Lehrer zu ihren Erfahrungen mit gewalttätigen <strong>und</strong><br />

sexualisierten Übergriffen durch Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler befragt worden. 4,7% <strong>der</strong> Lehre-<br />

r<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> 3,5% <strong>der</strong> Lehrer gaben an, bereits Opfer körperlicher Angriffe durch Schüler<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Schüler geworden zu se<strong>in</strong> (ebd., S. 129). Außerdem berichteten 9,9% <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> 4,6% <strong>der</strong> Lehrer von sexualisierten Übergriffen durch Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler. Nach<br />

dem <strong>Geschlecht</strong> des/<strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>ausübenden bei solchen Übergriffen wurde auch <strong>in</strong> dieser Un-<br />

tersuchung nicht gefragt. Während sexuelle Übergriffe gegen Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur<br />

sporadisch thematisiert werden, s<strong>in</strong>d sexuelle Übergriffe gegen Lehrer offenbar noch stärker<br />

tabuisiert (ebd., S. 173).<br />

Baier et al. haben Selbstaussagen von Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern zu körperlichen Übergriffen<br />

(„Lehrkraft schlagen“) <strong>und</strong> Formen psychischer <strong>Gewalt</strong> („Lehrkraft lächerlich machen o<strong>der</strong><br />

geme<strong>in</strong> behandeln“) erhoben (2009). Es gaben 1,2% <strong>der</strong> Schüler <strong>und</strong> 0,2% <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen<br />

an, im Schulhalbjahr mehrmals im Monat e<strong>in</strong>e Lehrkraft geschlagen zu haben, 6,6% zu 2,0%<br />

gaben an, e<strong>in</strong>e Lehrkraft lächerlich gemacht zu haben (ebd., S. 88).<br />

Körperliche Übergriffe gegen Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer kommen offenbar äußerst selten vor.<br />

Insgesamt wurden solche Übergriffe von 1,7% <strong>der</strong> befragten Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler unab-<br />

hängig von <strong>der</strong> Häufigkeit im Schulhalbjahr zuvor bestätigt. Dagegen gaben <strong>in</strong>sgesamt 20,5%<br />

<strong>der</strong> Befragten an, e<strong>in</strong>e Lehrkraft vor an<strong>der</strong>en Schülern im Schulhalbjahr lächerlich gemacht zu<br />

haben (ebd., S. 87). Etwa 10% <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler berichten davon, regelmäßig<br />

beim Mobb<strong>in</strong>g gegen ihre Lehrkräfte mitzumachen. In „kollektivierten Zwangsgruppierun-<br />

gen“ wie <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> bzw. Schulklassen kann es zu Situationen kommen, <strong>in</strong> denen bestimmte<br />

Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler als stärkere Partei ihre Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer als „hilf- <strong>und</strong> wehr-<br />

lose Interaktionspartner systematisch <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>holt drangsalieren“ (Hayer et al. 2005, S.<br />

249).<br />

E<strong>in</strong>e weitere Untersuchung zum Thema „Lehrerges<strong>und</strong>heit“ wurde am Unikl<strong>in</strong>ikum Freiburg<br />

von Bauer et al. (2007) durchgeführt. Hier wurden <strong>in</strong>sgesamt 949 Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Region Freiburg befragt, <strong>in</strong> welcher Form sie <strong>in</strong> den letzten 12 Monaten von Übergriffen<br />

(verbale <strong>Gewalt</strong>, Androhung von <strong>Gewalt</strong>, körperliche <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Beschädigung von persön-<br />

lichem Eigentum) durch Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler betroffen waren. Zudem wurde erhoben, <strong>in</strong><br />

welcher H<strong>in</strong>sicht auch durch Eltern Beleidigungen o<strong>der</strong> körperliche <strong>Gewalt</strong> erfahren wurde.<br />

Lei<strong>der</strong> ist nicht nach <strong>Geschlecht</strong> differenziert worden. Die Autoren dieser Studie kommen<br />

zusammenfassend zu dem Schluss, dass aggressive Verhaltensweisen von Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Schülern, zum Teil auch durch Eltern, e<strong>in</strong>en bisher nicht beachteten Aspekt <strong>der</strong> Bee<strong>in</strong>trächti-<br />

21


gung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit von Lehrkräften ausmachen. Die Forschergruppe hat e<strong>in</strong> Manual für<br />

Lehrer-Coach<strong>in</strong>ggruppen vorgelegt, die dem Erhalt <strong>und</strong> <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Ges<strong>und</strong>heit dienen<br />

soll (Bauer et al. 2007). In dieser Studie wird dafür plädiert, dass <strong>der</strong> Umgang mit diesen<br />

Schwierigkeiten bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehrerausbildung thematisiert werden sollte. In <strong>der</strong> Zusammen-<br />

schau dieser Bef<strong>und</strong>e wird Handlungsbedarf deutlich − Lehrkräften muss die Möglichkeit<br />

gegeben werden, Beziehungskompetenzen zu erwerben, die es ihnen ermöglichen, besser mit<br />

Konflikten umzugehen. Zudem benötigen sie konkrete Unterstützung <strong>und</strong> vertrauliche Bera-<br />

tung, wenn sie von Übergriffen betroffen s<strong>in</strong>d (vgl. dazu Bezirksregierung Münster 2005).<br />

„Wie kann man nur so blöd se<strong>in</strong>!“ <strong>Gewalt</strong> durch Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer<br />

Es gibt bislang kaum Untersuchungen zu <strong>der</strong> Frage, <strong>in</strong> welchem Ausmaß Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Lehrer gegenüber Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern gewalttätig werden <strong>und</strong> sich aggressiv verhal-<br />

ten. Die „oftmals noch stärker negierte Rolle des Lehrers als Täter“ ist dabei auch äußerst<br />

schwierig zu erheben (Varbelow 2001, S. 54). Es wird angenommen, dass entsprechende<br />

Vorkommnisse von Seiten <strong>der</strong> Schulleitungen mitunter verschwiegen werden. Hier muss be-<br />

rücksichtigt werden, dass gewalttätige Übergriffe strafrechtliche Konsequenzen für Lehrkräfte<br />

nach sich ziehen können. Dass es solche Übergriffe gibt, darauf weisen die von Baier et al.<br />

erhobenen Daten h<strong>in</strong> (2009, S. 57 f.). Auf die Frage, ob <strong>und</strong> wie oft Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler<br />

im letzten Schulhalbjahr von Lehrpersonen e<strong>in</strong>- o<strong>der</strong> mehrmalig geschlagen wurden, antwor-<br />

teten 97,5%, dass ihnen das nicht wi<strong>der</strong>fahren sei. Immerh<strong>in</strong> 2,5% haben die Frage mit „Ja“<br />

beantwortet. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Opferseite lediglich <strong>in</strong> Selbstberichte e<strong>in</strong>be-<br />

zogen wurde <strong>und</strong> die Lehrkräfte nicht dazu befragt wurden.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich psychischer Formen von <strong>Gewalt</strong> zeigt sich, dass diese an allen Schulformen vor-<br />

kommt. Von För<strong>der</strong>schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> -schülern wurde am wenigsten angegeben, entsprechen-<br />

de Opfererfahrungen gemacht zu haben (ebd.). Insgesamt fühlen sich Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schü-<br />

ler von ihren Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrern relativ häufig lächerlich gemacht o<strong>der</strong> geme<strong>in</strong> behan-<br />

delt, sie geben zu gut 5% an, dass ihnen das mehrfach monatlich passiert ist. Jungen geben<br />

deutlich öfter als Mädchen an, geme<strong>in</strong> von Lehrkräften behandelt, von diesen lächerlich ge-<br />

macht o<strong>der</strong> auch geschlagen worden zu se<strong>in</strong>. Zudem s<strong>in</strong>d sie es auch, die deutlich häufiger als<br />

Mädchen angeben, ihrerseits Lehrkräfte geme<strong>in</strong> behandelt, lächerlich gemacht o<strong>der</strong> sogar<br />

geschlagen zu haben. Dies deutet auf bestimmte Eskalationsdynamiken durch beidseitige Ge-<br />

walt (Lehrkräfte <strong>und</strong> Schüler, deutlich seltener Schüler<strong>in</strong>nen) h<strong>in</strong>, die jedoch erst <strong>in</strong> weiteren<br />

Studien näher untersucht werden müsste (ebd., S. 58). Körperliche Übergriffe durch Lehrkräf-<br />

22


te dürfte es eigentlich auf Gr<strong>und</strong> rechtlicher <strong>und</strong> pädagogischer Bestimmungen nicht geben<br />

(Fuchs et al. 2009, S. 46). Viele Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler deuten bestimmte Verhaltenswei-<br />

sen ihrer Lehrkräfte teilweise auch als „normal“ <strong>und</strong> alltäglich o<strong>der</strong> als Vorstufe von <strong>Gewalt</strong><br />

(Fuchs 2009; Popp 2002; Melzer et al. 2004).<br />

Auch hier wäre näher danach zu fragen, ob bestimmte aggressive Verhaltensweisen von<br />

Lehrkräften e<strong>in</strong>e Normalisierung erfahren haben, wenn sie von Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern als<br />

„normal“ gedeutet werden. Problematische Wechselwirkungen zwischen aggressiven Verhal-<br />

tensweisen gegenüber Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern <strong>und</strong> von diesen gegenüber ihren Lehrkräf-<br />

ten <strong>und</strong> gegenüber Gleichaltrigen s<strong>in</strong>d bedeutsam für diesen Kontext.<br />

23


3. Theoretische Perspektiven auf <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong><br />

Bevor nun verschiedene theoretische Perspektiven auf das Verhältnis von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Ge-<br />

schlecht <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> dargestellt werden, kann festgehalten werden: Verschiedene Ge-<br />

schlechtertheorien erklären den Zusammenhang von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> aus theoretisch<br />

unterscheidbaren Perspektiven, wobei sich diese Ansätze gegenseitig nicht ausschließen.<br />

Wir leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „Kultur <strong>der</strong> Zweigeschlechtlichkeit“ (Hagemann-White) <strong>und</strong> ordnen die<br />

Welt, uns selbst <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ausschließenden Kategorien „männlich“ o<strong>der</strong><br />

„weiblich“ e<strong>in</strong>. Dieses Ordnungssystem hat e<strong>in</strong> beachtliches Beharrungsvermögen entgegen<br />

real gelebter Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit <strong>und</strong> dient auch dazu, Verhaltenserwartungen<br />

zuzuschreiben <strong>und</strong> Orientierung zu erlangen. <strong>Gewalt</strong> ist dabei eng mit Vorstellungen von<br />

Männlichkeit verknüpft. Doch wie eignen sich Mädchen <strong>und</strong> Jungen jeweils <strong>Geschlecht</strong> an<br />

<strong>und</strong> warum ist <strong>Geschlecht</strong> nicht identisch mit dem, was Mädchen <strong>und</strong> Jungen tun? Und was<br />

ist mit dem vieldiskutierten Wandel im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis im H<strong>in</strong>blick auf den Zusam-<br />

menhang von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>? Verliert <strong>Geschlecht</strong> se<strong>in</strong>e strukturierende Wirkung?<br />

Und warum geht es nicht, sich „geschlechtsneutral“ zu verhalten? Diesen Fragen soll nun<br />

überblicksartig unter Rückgriff auf unterschiedliche theoretische Modelle näher nachgegan-<br />

gen werden.<br />

<strong>Gewalt</strong> im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>sprüchliche Wandlungstendenzen<br />

Unsere Gesellschaft ist durch soziale Schichtung, Hierarchisierung <strong>und</strong> Entfremdungsphäno-<br />

me gekennzeichnet (Becker-Schmidt/Knapp 1987, S. 42). Soziale Trennl<strong>in</strong>ien markieren<br />

Grenzen <strong>der</strong> Teilhabe an Macht <strong>und</strong> Privilegien <strong>und</strong> erschweren soziale Durchlässigkeit. Die<br />

Selbstverortung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft ist maßgeblich durch die Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> bei-<br />

den <strong>Geschlecht</strong>er, aber auch zu e<strong>in</strong>em sozialen Milieu strukturiert. <strong>Geschlecht</strong> ist e<strong>in</strong>e soziale<br />

Strukturkategorie, die Frauen <strong>und</strong> Männern e<strong>in</strong>en unterschiedlichen sozialen Status zuweist.<br />

So unterschiedlich, wir jeweils <strong>in</strong> soziale Konstellationen − je nach Alter <strong>und</strong> Herkunft, Bil-<br />

dungsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> etc. − auch e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong> mögen: Die Stellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Hierarchie ist für Frauen <strong>und</strong> Männern asymmetrisch.<br />

Das <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis ist höchst wi<strong>der</strong>sprüchlich <strong>und</strong> komplex, entsprechende Zeitdiag-<br />

nosen müssen deshalb mehrdeutig ausfallen (vgl. dazu auch Bereswill 2010, S. 5). Die struk-<br />

turierende Wirkung von <strong>Geschlecht</strong>erhierarchien mit ihren ambivalenten Botschaften bleibt<br />

häufig verdeckt. Selbstverständlichkeiten <strong>und</strong> Normalitätsansprüche an Frauen <strong>und</strong> Männer,<br />

24


Mädchen <strong>und</strong> Jungen bilden den Verdeckungszusammenhang im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis.<br />

Wichtig ist gerade auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> geschlechtsbezogenen Bildungsarbeit, die unausgesprochenen<br />

Erwartungen an Mädchen <strong>und</strong> Jungen, ihre Verhaltensweisen, Lebensentwürfe <strong>und</strong> „Sprech-<br />

verbote“ wie<strong>der</strong> sichtbar zu machen.<br />

In <strong>der</strong> weiblichen Sozialisation äußert sich <strong>der</strong> Verdeckungszusammenhang unter an<strong>der</strong>em im<br />

Sprechverbot über Verletzungen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Aggressionen wie über weibliche<br />

Täter<strong>in</strong>nenschaft. Die <strong>Geschlecht</strong>erordnung f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> den <strong>Gewalt</strong>verhältnissen wie-<br />

<strong>der</strong>. <strong>Gewalt</strong>bereitschaft <strong>und</strong> Aggression wi<strong>der</strong>sprechen unseren kulturellen Idealen von Weib-<br />

lichkeit, das bedeutet jedoch nicht, dass es ke<strong>in</strong>e <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Aggression bei Frauen gibt.<br />

In <strong>der</strong> männlichen Sozialisation äußert sich das Sprechverbot auf an<strong>der</strong>e Weise: Jungen dür-<br />

fen nicht über Gefühle des Schwach-Se<strong>in</strong>s <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ohnmacht sprechen, zum<strong>in</strong>dest nicht <strong>in</strong><br />

dem Maße, <strong>in</strong> dem das Bil<strong>der</strong> von Unverletzbarkeit <strong>und</strong> Verletzungsmächtigkeit („Sei ke<strong>in</strong><br />

Angsthase!“) gefährdet. In e<strong>in</strong>er männlichen Dom<strong>in</strong>anzkultur wird Jungen e<strong>in</strong>e Opferidentität<br />

verweigert.<br />

Gr<strong>und</strong>muster geschlechtstypischer Sozialisation s<strong>in</strong>d rückgeb<strong>und</strong>en an gesellschaftliche Ver-<br />

hältnisse <strong>und</strong> zugleich <strong>in</strong>nere Ordnungsmodelle, die geschlechtsstereotype Bewältigungsmus-<br />

ter hervorbr<strong>in</strong>gen (e<strong>in</strong>gehend dazu Böhnisch/Funk 2002; Voigt-Kehlenbeck 2008). Sowohl <strong>in</strong><br />

ihrer gesellschaftlichen als auch <strong>in</strong> ihrer tiefenpsychologischen Dimension s<strong>in</strong>d diese Gr<strong>und</strong>-<br />

muster une<strong>in</strong>deutig. Das Spannungsverhältnis zwischen <strong>der</strong> Innenorientierung <strong>und</strong> Außenori-<br />

entierung betrifft Mädchen <strong>und</strong> Jungen, beide haben immer auch Anteile des jeweils an<strong>der</strong>en<br />

Musters entwickelt. Deshalb ist es problematisch, die Sozialisation von Mädchen unter dem<br />

Stichwort „Innenorientierung“ <strong>und</strong> jene von Jungen unter dem Stichwort „Außenorientierung“<br />

schematisch zu denken. Es geht deshalb darum, beide Seiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Balance zu br<strong>in</strong>gen. Ge-<br />

walttätiges Handeln von Jungen <strong>und</strong> Männern spiegelt tendenziell die Außenorientierung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Konfliktbewältigung wie<strong>der</strong>, den Abspaltungsdruck, aber auch versagte Wünsche nach<br />

Anerkennung <strong>und</strong> Geborgenheit (Böhnisch/Funk 2002, S. 53f.). Umgekehrt können Selbstzu-<br />

rücknahme <strong>und</strong> manipulative Formen von Macht bei Mädchen <strong>und</strong> Frauen auch als Ausdruck<br />

verwehrter sozialer Selbstbehauptung <strong>und</strong> Aggressivität gelesen werden (ebd., S. 77).<br />

Sowohl die äußeren Verhaltensweisen als auch die <strong>in</strong>neren ambivalenten Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Spaltungen lassen sich nicht auf Kompetenzprobleme von Mädchen <strong>und</strong> Jungen reduzieren.<br />

Vielmehr verbergen sich dah<strong>in</strong>ter gesellschaftliche <strong>Geschlecht</strong>erkonflikte.<br />

Überzeugungen, dass Frauen nicht <strong>in</strong> dem Maße wie Männer zur Ausübung von <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

25


Lage seien, Männer als Beschützer <strong>und</strong> Frauen als das zu beschützende <strong>Geschlecht</strong> gedacht<br />

werden, s<strong>in</strong>d historisch <strong>und</strong> kulturell tief verwurzelt. Frauen <strong>und</strong> Männer besitzen dasselbe<br />

Potential, sich aggressiv <strong>und</strong> gewalttätig zu verhalten. Kulturell-historisch haben sich jedoch<br />

<strong>in</strong> den unterschiedlichen Gesellschaften „geschlechtstypische Zuständigkeiten“ ausgeprägt.<br />

Männliche <strong>Gewalt</strong> ist durch das gesellschaftliche <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis strukturell an<strong>der</strong>s<br />

abgesichert als weibliche <strong>Gewalt</strong>. Je nach <strong>Geschlecht</strong> ist die Verfügbarkeit über die Machtres-<br />

source <strong>Gewalt</strong> unterschiedlich verteilt. Das <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis macht <strong>Gewalt</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />

illegitimen Handlungsressource für Frauen. <strong>Gewalt</strong> von Mädchen <strong>und</strong> Frauen verstößt damit<br />

gegen die Rechts- <strong>und</strong> gegen die <strong>Geschlecht</strong>erordnung (Meuser 2003). Diese Doppelstandards<br />

bee<strong>in</strong>flussen die Interpretation <strong>und</strong> Bewertung gewalttätigen Handelns bei Mädchen <strong>und</strong> Jun-<br />

gen.<br />

<strong>Gewalt</strong> zwischen Männern <strong>und</strong> auch von Männern gegen Frauen gerichtete <strong>Gewalt</strong> folgen <strong>der</strong><br />

Logik hegemonialer Männlichkeit (gr<strong>und</strong>legend dazu: Connell 2006). Männer haben aufgr<strong>und</strong><br />

des strukturellen Machtungleichgewichts zu Gunsten von Männern e<strong>in</strong>en privilegierten Zu-<br />

gang zu Machtressourcen, dieser beruht jedoch auch auf Verteilungskämpfen zwischen Män-<br />

nern. Die Vorherrschaft von Männern wird nicht nur gegenüber Frauen, son<strong>der</strong>n auch gegen-<br />

über an<strong>der</strong>en Männern durch gängige kulturelle <strong>und</strong> soziale Praktiken legitimiert. Männliche<br />

Identität wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er patriarchal strukturierten Gesellschaft durch Abgrenzung <strong>und</strong> Entwer-<br />

tung An<strong>der</strong>er (Frauen, „Homosexuelle“, „Auslän<strong>der</strong>“, „Loser“ etc.) gestützt. Damit verbun-<br />

dene Ideologien von Männlichkeit werden von Jungen, aber teilweise auch von Mädchen<br />

durch sexistische <strong>und</strong> heterosexistische Verhaltensweisen reproduziert (vgl. dazu auch<br />

Jantz/Brandes 2006: 156).<br />

Wenden nun Mädchen verstärkt <strong>Gewalt</strong> an, <strong>in</strong>tegrieren sie gar, wenn auch höchst konflikthaft,<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> ihr Weiblichkeitskonzept, kann dies als Angriff auf die bestehende asymmetrisch<br />

strukturierte <strong>Geschlecht</strong>erordnung betrachtet werden. Zudem taucht die Frage auf, ob dar<strong>in</strong><br />

Anzeichen für Wandlungstendenzen im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis gesehen werden können (u.a.<br />

Bruhns/Wittmann 2002; Meuser 2003).<br />

Individualisierung wird immer wie<strong>der</strong> als vorherrschendes Vergesellschaftungsmuster gehan-<br />

delt <strong>und</strong> als Ablösung benachteiligen<strong>der</strong> Handlungsbeschränkungen gesehen. Strukturelle <strong>und</strong><br />

hierarchische Arrangements unterliegen dem gesellschaftlichen Deutungsmuster, für Mäd-<br />

chen <strong>und</strong> Jungen sei jeweils alles möglich (Gleichheitsversprechen), wenn sie sich h<strong>in</strong>rei-<br />

chend anstrengen. Bei genauerem H<strong>in</strong>sehen zeigt sich jedoch, dass es sich eher um e<strong>in</strong>e Vari-<br />

ation von geschlechtsbezogenen Benachteiligungen als um ihre Auflösung handelt.<br />

26


In dem Maße, <strong>in</strong> dem sich <strong>Geschlecht</strong>erbil<strong>der</strong> im Strukturwandel <strong>der</strong> Arbeitsgesellschaft ent-<br />

grenzt haben <strong>und</strong> Mädchen stärker an jugendkulturellen Räumen teilhaben, verliert auch e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>deutiges Bild von <strong>Geschlecht</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> an Kontur. Angleichungstendenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> weib-<br />

lichen <strong>und</strong> männlichen Jugendphase werden heute vor allem dar<strong>in</strong> gesehen, dass sich Jungen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Situation gleich- <strong>und</strong> gegengeschlechtlicher Konkurrenz bef<strong>in</strong>den. Mädchen<br />

haben die Jungen im schulischen Bildungssystem überholt, bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>mündung <strong>in</strong> das Er-<br />

werbsleben <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf zeigen sich jedoch für junge Frauen<br />

weiterh<strong>in</strong> verschiedenste Barrieren. Im Bildungsprozess von Mädchen <strong>und</strong> Jungen sehen wir,<br />

dass das Verhältnis zwischen Wandel <strong>und</strong> Beharrungsvermögen im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis<br />

sich als höchst wi<strong>der</strong>sprüchlich erweist (vgl. auch Bereswill 2010).<br />

Mädchen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Cliquen nicht auf die Rolle als „Anhängsel“ ihres Fre<strong>und</strong>es zu reduzieren,<br />

sie nehmen zum Teil aktive Rollen e<strong>in</strong> <strong>und</strong> beanspruchen auch gewaltaktive Positionen<br />

(Bruhns/Wittmann 2002). Sie trifft <strong>der</strong> Zorn <strong>der</strong> Gesellschaft nicht mehr <strong>in</strong> dem Maße wie<br />

früher, wenn sie offen aggressiv s<strong>in</strong>d. Mitunter werden sie dar<strong>in</strong> bestärkt, zurück zu schlagen,<br />

aufzubegehren <strong>und</strong> werden als mutige Powergirls bew<strong>und</strong>ert. Es ist nicht mehr e<strong>in</strong>deutig, was<br />

gesellschaftlich <strong>in</strong>akzeptables Verhalten ist, da die mo<strong>der</strong>nisierten Anfor<strong>der</strong>ungen an Mäd-<br />

chen gleichzeitig auch von ihnen verlangen, ihre Rolle zu brechen. Die heutige Mädchengene-<br />

ration <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendphase ist vielfach beides zugleich: „weiblich zurückgenommen“ <strong>und</strong><br />

„männlich aggressiv“ (Böhnisch/Funk 2002, S. 108). Dadurch werden „doppelte Botschaften“<br />

transportiert <strong>und</strong> für jene weiblichen Jugendlichen, die kaum Unterstützung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewälti-<br />

gung von Identitätsbalancen erhalten, entstehen prekäre Situationen.<br />

<strong>Gewalt</strong>tätiges Handeln von Mädchen kann auch als Konstruktion gelesen werden, um e<strong>in</strong>e<br />

bestimmte Form von Weiblichkeit <strong>in</strong> bestimmten Situationen zu entwerfen. Konventionelle<br />

<strong>und</strong> mo<strong>der</strong>nisierte Mädchenbil<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d dabei eng mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verwoben, was auch als e<strong>in</strong>e<br />

Erweiterung <strong>der</strong> Selbstbil<strong>der</strong> von (manchen) Mädchen betrachtet <strong>und</strong> als Zuwachs an Hand-<br />

lungsoptionen gesehen werden kann. Damit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, welche<br />

Konflikte gewalttätiges Handeln für Mädchen mit sich br<strong>in</strong>gt. Nur knapp können entspre-<br />

chende Mädchen biografisch erworbene Verletzungen <strong>und</strong> ungelöste Autonomie- <strong>und</strong> Abhän-<br />

gigkeitskonflikte <strong>in</strong> lebensgeschichtlichen Erzählungen überdecken (Silkenbeumer 2007).<br />

Diese Ambivalenz im Umgang mit <strong>Gewalt</strong>erfahrungen als Opfer <strong>und</strong> Täter/<strong>in</strong> f<strong>in</strong>det sich bei<br />

jungen Frauen <strong>und</strong> Männern (Bereswill 2010).<br />

Für Mädchen <strong>und</strong> Jungen bedeuten verän<strong>der</strong>te gesellschaftliche Möglichkeiten <strong>und</strong> mo<strong>der</strong>ni-<br />

sierte <strong>Geschlecht</strong>erbil<strong>der</strong> durchaus Unterschiedliches. Beschränkungen von Mädchen <strong>und</strong><br />

27


Jungen s<strong>in</strong>d heute nicht mehr so normativ-repressiv, aber sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nisierten Formen<br />

weiterh<strong>in</strong> vorhanden. Neue Geme<strong>in</strong>samkeiten haben neben neuen Chancen auch neue Diffe-<br />

renzen <strong>und</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen bzw. verän<strong>der</strong>te Entwicklungsaufgaben hervorgebracht. Für<br />

Mädchen stellt sich <strong>in</strong>zwischen wie für Jungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Art als früher die Herausfor-<br />

<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendphase, das Spannungsverhältnis zwischen den Polen B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Auto-<br />

nomie zu <strong>in</strong>tegrieren (K<strong>in</strong>g 2002, S. 249).<br />

Interaktionen <strong>und</strong> Demonstrationen von <strong>Geschlecht</strong> im Kontext von <strong>Gewalt</strong><br />

Konstruktivistisch <strong>und</strong> handlungstheoretisch f<strong>und</strong>ierte Theorieansätze legen den Fokus weni-<br />

ger darauf, wie die Sozialisation von Mädchen <strong>und</strong> Jungen jeweils verläuft. Sie rücken statt-<br />

dessen die sozialen Praktiken <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Gr<strong>und</strong>legend ist die Frage: Wie handeln<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen sowie Frauen <strong>und</strong> Männer, um <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> sozialen Interaktionen her-<br />

<strong>und</strong> darzustellen? Soziale Ordnungen <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>erkonstruktionen s<strong>in</strong>d nicht schon gege-<br />

ben, son<strong>der</strong>n werden immer wie<strong>der</strong> kollektiv hervorgebracht <strong>und</strong> bestätigt. Wie werden zwi-<br />

schen Mädchen <strong>und</strong> Jungen Regeln darüber verhandelt, wer für das Lästern zuständig ist, wer<br />

wen beschützt <strong>und</strong> wer vor wem Angst haben muss? Auch Lehrkräfte s<strong>in</strong>d an diesen weitge-<br />

hend unbewussten Prozessen des Aufbaus <strong>und</strong> Erhalts von <strong>Geschlecht</strong>erstereotypen <strong>und</strong> Kon-<br />

struktionen beteiligt.<br />

Wo <strong>Geschlecht</strong>erunterschiede <strong>in</strong> Theorie <strong>und</strong> Praxis den ausschließlichen Fokus des Interes-<br />

ses bilden, werden Ähnlichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausübung von <strong>Gewalt</strong> zwischen den <strong>Geschlecht</strong>ern<br />

ignoriert. <strong>Geschlecht</strong>sspezifische Muster des Umgangs mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> können<br />

von Situation zu Situation variieren, <strong>und</strong> gelegentlich s<strong>in</strong>d Mädchen <strong>und</strong> Jungen <strong>in</strong> ähnlichen<br />

Formen <strong>und</strong> Ausmaß <strong>in</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong>volviert. <strong>Gewalt</strong>handlungen junger Frauen <strong>und</strong> Männer<br />

können als Ausdruck von Konstruktions- <strong>und</strong> Reproduktionsprozessen von <strong>Geschlecht</strong> <strong>und</strong><br />

als Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um verschiedene Formen von <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong>terpretiert werden. Im<br />

Kontext von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Konflikten wird e<strong>in</strong> „Arrangement <strong>der</strong> <strong>Geschlecht</strong>er“ (re-)produziert,<br />

<strong>und</strong> es werden <strong>Geschlecht</strong>erkonzepte aktiv ausgestaltet (vgl. Popp 2002). So s<strong>in</strong>d beispiels-<br />

weise Jungen eher als Mädchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gleichaltrigengruppe mit <strong>der</strong> Verhaltenserwartung kon-<br />

frontiert, sich gewalttätig <strong>in</strong> Konfliktsituationen zu verhalten.<br />

Gerade sozial beson<strong>der</strong>s sozial benachteiligte Mädchen <strong>und</strong> Jungen greifen eher auf rigide<br />

<strong>Geschlecht</strong>erkonstruktionen <strong>und</strong> geschlechtstypische Bewältigungsmuster zurück. In mittel-<br />

schichtigen Milieus ersche<strong>in</strong>en die <strong>Geschlecht</strong>erstereotype im Alltagsverhalten dabei nivel-<br />

liert, <strong>in</strong> Konflikt- <strong>und</strong> Krisensituationen treten sie jedoch umso unerwarteter hervor (Böh-<br />

28


nisch/Funk 2002, S. 26).<br />

Mit Blick auf die <strong>Gewalt</strong> junger Männer ist schon <strong>in</strong> den 1950er Jahren die funktionalistische<br />

Position vertreten worden, es handele sich dabei um e<strong>in</strong> Mittel <strong>der</strong> Bewerkstelligung von<br />

Männlichkeit. <strong>Gewalt</strong>ausübung junger Männer ist eng mit herkunftsbezogenen Benachteili-<br />

gungserfahrungen verknüpft <strong>und</strong> verschärft letztlich Ausgrenzungsrisiken. Das Phänomen,<br />

dass <strong>Gewalt</strong> im Jugendalter vor allem zwischen männlichen Jugendlichen stattf<strong>in</strong>det, wird<br />

von Michael Meuser auch als Ausdruck „kollektiver Strukturübungen“ erwachsener Männ-<br />

lichkeit junger Männer <strong>in</strong>terpretiert: Hierdurch werden männliche Dom<strong>in</strong>anz <strong>und</strong> Männlich-<br />

keit e<strong>in</strong>geübt. <strong>Gewalt</strong> kann e<strong>in</strong> Mechanismus se<strong>in</strong>, sich <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft zu <strong>in</strong>tegrieren <strong>und</strong><br />

Anerkennung zu erlangen (2003). In welcher H<strong>in</strong>sicht die Möglichkeit für Jungen, sich an<br />

rigiden <strong>und</strong> gesellschaftlich letztlich doch verpönten Männlichkeitsbil<strong>der</strong>n zu orientieren, zu<br />

bestimmten Ambivalenzkonflikten führt, bleibt <strong>in</strong> diesen Ansätzen unbeantwortet (zusam-<br />

menfassend: Bereswill 2010).<br />

Doch ob e<strong>in</strong>e soziale Situation überhaupt zur Bühne für <strong>Geschlecht</strong>erkonstruktionen für Mäd-<br />

chen <strong>und</strong> Jungen wird kann nicht immer schon vorab entschieden werden. <strong>Geschlecht</strong>sbezo-<br />

gene Selbstidentifikationen s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Handlungssituation, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es zur Ausübung<br />

von <strong>Gewalt</strong> kommt, gleichermaßen relevant. Wichtig ist danach zu fragen, wie sich Aneig-<br />

nungsprozesse kultureller Weiblichkeits- <strong>und</strong> Männlichkeitsbil<strong>der</strong> vollziehen. Denn die <strong>in</strong>ter-<br />

aktiven Herstellungsprozesse von <strong>Geschlecht</strong> setzen an früheren Konstruktionen an, bekräfti-<br />

gen o<strong>der</strong> erweitern diese. Die aktuelle Praxis wird durch über die Situation h<strong>in</strong>ausgehenden<br />

Erfahrungen beteiligter Mädchen <strong>und</strong> Jungen bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Popp (2002) plädiert dafür, <strong>Gewalt</strong> nicht als „<strong>Geschlecht</strong>smerkmal“ zu betrachten <strong>und</strong> nicht<br />

von e<strong>in</strong>deutigen Täter-Opferpositionen (Jungen = Täter, Mädchen = Opfer) <strong>in</strong> <strong>Gewalt</strong>konflik-<br />

ten auszugehen. Sonst gerät aus dem Blick, dass <strong>Gewalt</strong> als männlich besetztes Phänomen<br />

auch für Mädchen zur Handlungsressource wird <strong>und</strong> zwar gerade auch als gruppenbezogenes<br />

Phänomen, um Anerkennung zu erlangen (Bruhns/Wittmann 2002). Festzuhalten ist, dass<br />

zwischen Männlichkeit <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> zwar e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung herrscht, diese jedoch höchst<br />

komplex <strong>und</strong> nicht bruchlos ist (Bereswill 2010; Neuber 2009). Wichtig ist <strong>in</strong> diesem Zu-<br />

sammenhang, gerade auch unbewusste Bedeutungsdimensionen von <strong>Geschlecht</strong> <strong>und</strong> affektive<br />

Tiefenstrukturen von <strong>Gewalt</strong> stärker <strong>in</strong> den Blick zu rücken.<br />

Konflikttheoretische Perspektive: Aneignung von <strong>Geschlecht</strong> folgt Konfliktdynamik<br />

E<strong>in</strong>e konflikttheoretische Perspektive auf das Verhältnis zwischen <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong><br />

29


ermöglicht die Unterscheidung zwischen dem, was strukturell vorliegt (<strong>Geschlecht</strong>erverhält-<br />

nis, Konstrukt des <strong>Geschlecht</strong>erdualismus), <strong>und</strong> dem, was Mädchen <strong>und</strong> Jungen sich kon-<br />

flikthaft aneignen <strong>und</strong> ausgestalten (vgl. dazu gr<strong>und</strong>legend Becker-Schmidt/Knapp 1987; sie-<br />

he auch Bereswill 2009). Durch e<strong>in</strong> solches Verständnis von <strong>Geschlecht</strong> kann die Kluft zwi-<br />

schen gesellschaftlichen Rollenvorgaben <strong>und</strong> sozialen Identitätszwängen sowie den Selbst-<br />

wahrnehmungen von Mädchen <strong>und</strong> Jungen näher ausgelotet werden:<br />

�� Weiblichkeit <strong>und</strong> Männlichkeit s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e wesenhaften Eigenschaften, ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitli-<br />

chen <strong>und</strong> stabilen Identitätsmerkmale o<strong>der</strong> klare Rollenskripte, die lediglich über-<br />

nommen <strong>und</strong> ausgebildet werden.<br />

�� Die aktive Aneignung von <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> verschiedenen Sozialräumen (Familie, Cli-<br />

quen, <strong>Schule</strong> etc.) folgt e<strong>in</strong>er lebenslangen Konfliktdynamik durch das Zusammenspiel<br />

zwischen <strong>in</strong>neren <strong>und</strong> äußeren Wi<strong>der</strong>sprüchen.<br />

�� Dadurch entstehen immer wie<strong>der</strong> neue Variationen von Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>und</strong> Nicht-<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen sozialen Identitätszwängen, die sich an <strong>Geschlecht</strong>erste-<br />

reotypen ausrichten, <strong>und</strong> gelebten Erfahrungen. Identität erweist sich damit als immer<br />

wie<strong>der</strong> auszubalancierende Konfliktkategorie.<br />

�� Die Kultur <strong>der</strong> Zweigeschlechtlichkeit <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Konstrukte des Ge-<br />

schlechterdualismus bilden Idealtypen ab. Diese decken sich nicht mit <strong>der</strong> gelebten<br />

Realität <strong>und</strong> den konkreten Erfahrungen von Mädchen <strong>und</strong> Jungen.<br />

Die deskriptiven <strong>und</strong> quantitativen Unterschiede zwischen Mädchen <strong>und</strong> Jungen im Zugang<br />

zu <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Bewältigungsverhalten „sollten nicht dazu verleiten, Differenz bereits voraus<br />

zu setzen – sobald aus e<strong>in</strong>er biographischen Perspektive nach <strong>der</strong> fall- <strong>und</strong> kontextspezifi-<br />

schen Bedeutung von <strong>Gewalt</strong> gefragt, verschwimmen die Unterschiede zwischen den Ge-<br />

schlechtern“ (Bereswill 2010, S. 4). <strong>Gewalt</strong> ist eng verknüpft mit geschlechtsbezogenen Deu-<br />

tungs- <strong>und</strong> Bewältigungsmustern <strong>und</strong> <strong>in</strong> unterschiedliche Lebenszusammenhänge <strong>und</strong> Le-<br />

benslagen von Mädchen <strong>und</strong> Jungen e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en. Doch <strong>Gewalt</strong> hat ke<strong>in</strong> <strong>Geschlecht</strong>.<br />

Diese Perspektive wird durch neuere Studien, die die lebensgeschichtlichen Erzählungen ge-<br />

waltauffälliger junger Frauen <strong>und</strong> Männer näher untersucht haben, untermauert. Hier wird<br />

gezeigt, dass es erstaunliche Ähnlichkeiten <strong>in</strong> den Handlungs- <strong>und</strong> Konfliktmustern zwischen<br />

den <strong>Geschlecht</strong>ern gibt (Silkenbeumer 2000; Silkenbeumer 2007; Neuber 2009; Bereswill<br />

2009, 2010).<br />

Als hochbedeutsam für die Entwicklung <strong>der</strong> eigenen späteren <strong>Gewalt</strong>tätigkeit erweist sich die<br />

30


Dynamik <strong>der</strong> Missachtung <strong>in</strong> <strong>der</strong> familiären Sozialisation dieser jungen Frauen <strong>und</strong> Männer.<br />

Erniedrigungsrituale, Vernachlässigung bis h<strong>in</strong> zu körperlichen Misshandlungen tragen zur<br />

Entwicklung von negativen Selbstbil<strong>der</strong>n bei. Die Kehrseite <strong>der</strong> nicht erfahrenen zwischen-<br />

menschlichen Anerkennung wird zum Problem <strong>der</strong> eigenen Selbstachtung (Sutterlüty 2002).<br />

Bereits früh <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebensgeschichte entsteht e<strong>in</strong>e Disposition, Ohnmachtserfahrungen <strong>in</strong><br />

Macht- <strong>und</strong> Überlegenheitsgefühle umzukehren. Mit <strong>der</strong> Ausübung <strong>der</strong> ersten <strong>Gewalt</strong>taten<br />

geht e<strong>in</strong>e Neudef<strong>in</strong>ition des Selbst e<strong>in</strong>her: <strong>Gewalt</strong> wird zum identitätsstiftenden Akt. Für<br />

Mädchen wie für Jungen geht damit die Erfahrung e<strong>in</strong>er Handlungsmacht e<strong>in</strong>her, die ihnen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Familie fehlt. Nun s<strong>in</strong>d die Erfahrungen solcher Sozialisation nicht mit e<strong>in</strong>em „Befrei-<br />

ungsschlag“ aus <strong>der</strong> Welt zu schaffen. Die Opfergeschichte <strong>der</strong> Betroffenen wirkt h<strong>in</strong>ter ih-<br />

rem Rücken fort <strong>und</strong> drängt sich ihnen <strong>in</strong> bestimmten Handlungssituationen auf, gerade dann,<br />

wenn sich Missachtungserfahrungen zu wie<strong>der</strong>holen drohen. Sutterlüty zeigt auch, dass ge-<br />

walttätige junge Frauen <strong>und</strong> junge Männer gewisse Situationen im Lichte vergangener Ereig-<br />

nisse deuten, ohne dass sie sich <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en darüber Rechenschaft abgeben könnten. Es han-<br />

delt sich um Versuche, biografisch erworbene Anerkennungsprobleme mittels <strong>Gewalt</strong> zu lö-<br />

sen, die jedoch missl<strong>in</strong>gen müssen. Anerkennung an<strong>der</strong>er, die mit <strong>der</strong> Anerkennung des eige-<br />

nen Selbst verwoben ist, kann nicht erzwungen werden (ebd.).<br />

„Wenn wir die lebensgeschichtlichen Selbstthematisierungen <strong>und</strong> den dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gebetteten<br />

subjektiven S<strong>in</strong>n <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>bereitschaft von jungen Frauen <strong>und</strong> Männern betrachten, ver-<br />

schwimmen die klaren Grenzen <strong>der</strong> <strong>Geschlecht</strong>erdifferenz <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> tritt e<strong>in</strong>e<br />

Geme<strong>in</strong>samkeit: die Abwehr <strong>der</strong> Opfer-Position <strong>und</strong> die schmerzhafte Bedeutung von Opfer-<br />

Täter-Ambivalenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Lebensgeschichte. (…) Die augensche<strong>in</strong>lichen Bewälti-<br />

gungsmuster im Umgang mit diesen Erfahrungen s<strong>in</strong>d eng mit <strong>Geschlecht</strong>erdifferenz verwo-<br />

ben, die Tiefenstrukturen <strong>der</strong> Handlungsmuster von Jungen <strong>und</strong> Mädchen s<strong>in</strong>d es eher nicht.“<br />

(Bereswill 2010, S. 31)<br />

31


4. Praxisteil<br />

Nach <strong>der</strong> vorangegangen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit theoretischen Positionen <strong>und</strong> Analysen zum<br />

Phänomen <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>, erfolgt nun e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den Zielen <strong>und</strong><br />

Inhalten geschlechterbewusster <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Hier werden Kriterien be-<br />

nannt, die e<strong>in</strong>e Orientierung bei <strong>der</strong> Auswahl von Kursen <strong>und</strong> Projekten bieten. Zudem möch-<br />

ten wir anregen, kritische Nachfragen an präventive Konzepte zu stellen <strong>und</strong> darauf e<strong>in</strong>gehen,<br />

dass mit Prävention durchaus Verschiedenes geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong> kann.<br />

Mittlerweile kann auf e<strong>in</strong>e Fülle an Anbietern im Bereich <strong>der</strong> außerschulischen <strong>Gewalt</strong>prä-<br />

vention, die Projekttage o<strong>der</strong> fortlaufende Kurse über mehrere Wochen o<strong>der</strong> Monate anbieten<br />

zurückgegriffen werden. Auch wenn e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Forschung, Qualitätssicherung <strong>und</strong><br />

systematische Erfolgskontrollen im Bereich schulischer <strong>Gewalt</strong>prävention noch immer nur <strong>in</strong><br />

Ansätzen vorhanden s<strong>in</strong>d, liegen doch <strong>in</strong>zwischen wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierte <strong>und</strong> evaluierte<br />

Programme für <strong>Gewalt</strong>prävention an <strong>Schule</strong>n vor. 6 Allerd<strong>in</strong>gs spielen geschlechterreflexive<br />

Perspektiven <strong>in</strong> diesen Programmen <strong>und</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmaßnahmen bislang ke<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> lediglich<br />

e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Nun werden zwar von Seiten <strong>der</strong> Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit seit<br />

Jahren Projekte <strong>und</strong> Kurse <strong>in</strong> geschlechtshomogenen, zum Teil auch geschlechtsheterogenen<br />

Gruppen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> durchgeführt, ausgearbeitete Manuale <strong>und</strong> wissenschaftliche Evaluati-<br />

onen <strong>und</strong> Forschung sowie follow-up-Studien fehlen hier jedoch weitgehend.<br />

Unstrittig ist, dass Lehrkräfte auf vielfältige Weise mit gewaltförmigem Handeln konfrontiert<br />

s<strong>in</strong>d: Sie müssen e<strong>in</strong>greifen, wenn Eskalationen drohen o<strong>der</strong> bereits e<strong>in</strong>getreten s<strong>in</strong>d, um die<br />

Norm des <strong>Gewalt</strong>verzichts zu verdeutlichen <strong>und</strong> das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu<br />

schützen. Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer erfahren selbst, dass sie <strong>in</strong> verbaler <strong>und</strong> mitunter auch <strong>in</strong><br />

körperlicher H<strong>in</strong>sicht angegriffen werden o<strong>der</strong> dass Gerüchte über sie verbreitet werden. Wie<br />

wird das Verhalten <strong>in</strong>terpretiert <strong>und</strong> bewertet, wenn es sich um e<strong>in</strong>e Schlägerei unter Jungen<br />

o<strong>der</strong> unter Mädchen handelt, um <strong>Gewalt</strong>ausübung durch Jungen gegenüber Mädchen o<strong>der</strong> um<br />

<strong>Gewalt</strong>tätigkeit von Mädchen gegenüber Jungen? Wie wird jeweils auf dieses Verhalten rea-<br />

giert <strong>und</strong> was hat das mit <strong>der</strong> eigenen biografischen Erfahrung des Frau- o<strong>der</strong> Mannse<strong>in</strong>s <strong>und</strong><br />

geschlechterstereotypen Def<strong>in</strong>itionen zu tun? Welche Verhaltenszumutungen werden Mäd-<br />

chen <strong>und</strong> Junge nahe gelegt <strong>und</strong> welche Bil<strong>der</strong> von Normalität <strong>und</strong> Abweichung damit herge-<br />

6 E<strong>in</strong>en guten Überblick über Wirkungen von Programmen bieten u.a.: BMI 2009; Eisner/Ribeaud 2007, Arbeitsstelle<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendkrim<strong>in</strong>alitätsprävention 2007.<br />

32


stellt? Anknüpfend an diese Fragen wird <strong>der</strong> Praxisteil mit Anregungen zur Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>set-<br />

zung mit eigenen Haltungen <strong>und</strong> Verstrickungen abgeschlossen. Die Bedeutung von Reflexi-<br />

vität <strong>der</strong> Fachkräfte im schulischen Alltag wird mit Blick auf die gewaltpräventive Arbeit <strong>in</strong><br />

diesem Zusammenhang hervorgehoben.<br />

<strong>Geschlecht</strong>sbewusste <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

Bevor es im Folgenden um Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen geschlechtbezogener<br />

<strong>Gewalt</strong>prävention geht, ist danach zu fragen, was genau überhaupt ‚geschlechtsbezogene<br />

<strong>Gewalt</strong>prävention‘ me<strong>in</strong>t. Ähnlich wie oben mit Blick auf die Def<strong>in</strong>itionsschwierigkeiten des<br />

<strong>Gewalt</strong>begriff, sche<strong>in</strong>t auch die Def<strong>in</strong>ition von <strong>Gewalt</strong>prävention mit Problemen behaftet zu<br />

se<strong>in</strong>. Bisweilen sche<strong>in</strong>t es so, als würden jegliche Maßnahmen <strong>und</strong> Methoden, die früher unter<br />

dem Begriff „soziales Lernen“ stärker thematisiert wurden (siehe dazu u.a. Bönsch 1994), nun<br />

auch für „<strong>Gewalt</strong>prävention“ <strong>in</strong> Anspruch genommen zu werden. Auch Schrö<strong>der</strong> <strong>und</strong> Merkle<br />

halten fest, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendarbeit Projekte <strong>und</strong> Mittelanträge häufig mit zunehmen<strong>der</strong><br />

<strong>Gewalt</strong>bereitschaft begründet werden <strong>und</strong> Anträge auf f<strong>in</strong>anzielle Mittel vor allem dann<br />

aussichtsreich sche<strong>in</strong>en, „wenn die Maßnahmen präventiv <strong>und</strong> vor allem gewaltpräventiv<br />

verortet s<strong>in</strong>d“ (2008, S. 17).<br />

Spannungsfel<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> schulischen <strong>Gewalt</strong>präventation<br />

Wenn Präventionsprogramme wirksam <strong>und</strong> nachhaltig se<strong>in</strong> sollen, dann ist es unverzichtbar,<br />

sich bereits vorher damit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen, was mit bestimmten Maßnahmen erreicht<br />

werden soll. E<strong>in</strong> wichtiges Kriterium sollte se<strong>in</strong>, welche Formen von <strong>Gewalt</strong> ganz genau ver-<br />

r<strong>in</strong>gert o<strong>der</strong> verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden <strong>und</strong> welche positiven Ziele verfolgt werden. Auf die Frage,<br />

wann <strong>und</strong> an welcher Stelle welche gewaltpräventiven Maßnahmen greifen, gibt es ke<strong>in</strong>e re-<br />

zeptförmigen Antworten. Vielmehr muss je nach <strong>Schule</strong>, betroffener Klasse, auffällig gewor-<br />

dener Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler o<strong>der</strong> auch nach Vorkommnissen, also am E<strong>in</strong>zelfall, <strong>der</strong> Be-<br />

darf geprüft werden. Hanke (2004) schlägt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em konfliktorientierten Ansatz für den Be-<br />

g<strong>in</strong>n <strong>der</strong> anlass- <strong>und</strong> problembezogenen Arbeit mit e<strong>in</strong>er gewaltbelasteten Klasse e<strong>in</strong>e anony-<br />

me Befragung <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler über ihr momentanes Problemerleben <strong>und</strong> ihre<br />

Belastungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse vor. Auch Gugel hebt die Bedeutung e<strong>in</strong>er Bestandsaufnahme <strong>der</strong><br />

Situation vor Ort vor, um s<strong>in</strong>nvolle Maßnahmen entwickeln zu können <strong>und</strong> unterbreitet Vor-<br />

schläge dafür (2010, S. 108; S. 115ff.). Die Analyse <strong>der</strong> erhobenen Daten <strong>und</strong> damit verbun-<br />

dene Schlussfolgerungen sollten <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit externen Fachleuten vorgenommen<br />

werden (ebd.).<br />

33


<strong>Gewalt</strong>prävention sollte langfristige Projekte im schulischen <strong>und</strong> außerschulischen Alltag<br />

umfassen. <strong>Gewalt</strong>prävention als Teil von <strong>Schule</strong>ntwicklung wird <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

vielfach gefor<strong>der</strong>t. Das Gel<strong>in</strong>gen gewaltpräventiver Maßnahmen an <strong>Schule</strong>n wird von <strong>der</strong><br />

Integration entsprechen<strong>der</strong> Bemühungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Prozess <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>ntwicklung abhängig<br />

gemacht (vgl. dazu u.a. Gugel 2006, Hanke 2007). Entsprechend wird von Melzer et al.<br />

Vorbeugung mit Hilfe e<strong>in</strong>er Doppelstrategie empfohlen: „Es ist richtig <strong>und</strong> wichtig, geeignete<br />

Präventionsprogramme e<strong>in</strong>zusetzen, um die sozialen Verhaltensweisen <strong>und</strong><br />

Lebensbewältigungskompetenzen zu steigern; es ist ebenso richtig <strong>und</strong> wichtig, gegen <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Schule</strong>n mit Hilfen von Unterrichtse<strong>in</strong>heiten <strong>und</strong> Projektwochen vorgehen zu wollen. E<strong>in</strong>e<br />

genau so wichtige Strategie ist die Verbesserung <strong>der</strong> Qualität von <strong>Schule</strong> <strong>und</strong> Unterricht im<br />

S<strong>in</strong>ne des Lebensweltansatzes <strong>und</strong> die Herstellung e<strong>in</strong>er Kommunikationskultur, die den<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>er demokratischen Gesellschaft gerecht wird.“ (2004, S. 41f.)<br />

Bei <strong>Gewalt</strong>prävention geht es immer auch darum, junge Menschen zu befähigen, Konflikte<br />

vernunftgemäß <strong>und</strong> situationsangemessen zu lösen, dazu gehört zu erlernen, Konflikte,<br />

Aggression <strong>und</strong> Wut als notwendige Bestandteile zwischenmenschlicher Beziehungen zu<br />

akzeptieren <strong>und</strong> zu verstehen. E<strong>in</strong>e Annäherung an diese Ziele ist nur durch langfristig<br />

angelegte, vom Kollegium anerkannte <strong>und</strong> im Alltag gelebte Formen des Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s<br />

erreichbar.<br />

Dabei spielt es auch e<strong>in</strong>e Rolle, ob gewaltpräventive Maßnahmen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividualisierende<br />

Perspektive auf Phänomene wie Konflikte <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> verfolgen <strong>und</strong> Ursachen dafür vorran-<br />

gig an <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Person festmachen o<strong>der</strong> ob sie auch die Lebenswelt <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Schüler sowie strukturelle Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong>ner- <strong>und</strong> außerhalb von <strong>Schule</strong> mit e<strong>in</strong>beziehen.<br />

Geht es vorrangig darum, dass Anpassung an verhaltensbezogene <strong>und</strong> immer auch ge-<br />

schlechtsbezogene Normierungen verfolgt wird − o<strong>der</strong> überwiegt e<strong>in</strong>e Perspektive, bei <strong>der</strong><br />

Subjekte lebensweltorientiert so begleitet werden können, dass es ihnen gel<strong>in</strong>gt, „die eigenen<br />

(Bildungs-)Wünsche bzw. Lebensgestaltungspotenziale zu formulieren <strong>und</strong> weiterzuentwi-<br />

ckeln“ (Voigt-Kehlenbeck 2008, S. 216)?<br />

E<strong>in</strong> Dilemma <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präventionsarbeit, welches es zu reflektieren gilt, bezieht sich darauf,<br />

dass sie sich an dem Bild ausrichtet, e<strong>in</strong> potentiell e<strong>in</strong>tretendes Unheil abzuwenden. Genau<br />

genommen handelt es sich um e<strong>in</strong>e vorverlagerte Intervention, die zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n sucht, was<br />

noch nicht e<strong>in</strong>getreten ist (vgl. auch Schrö<strong>der</strong>/Merkle 2008, S. 17). Problematisch ist es, wenn<br />

e<strong>in</strong>e Logik des Verdachts pädagogisches Handeln <strong>und</strong> Erwartungshorizonte leitet <strong>und</strong> Bil<strong>der</strong><br />

„potentieller“ Abweichler konstruiert werden. E<strong>in</strong>e solche könnte wie<strong>der</strong>um Ausgrenzungsri-<br />

34


siken produzieren. Wie oben bereits erläutert, ist zu bedenken, dass die Mehrheit <strong>der</strong> Schüle-<br />

r<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler gerade nicht durch gravierende <strong>Gewalt</strong>handlungen auffällig werden, dass<br />

beide <strong>Geschlecht</strong>er nach wie vor weitaus häufiger Opfer von <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene wer-<br />

den <strong>und</strong> die Rollen zwischen Täter <strong>und</strong> Opfer auch wechseln können.<br />

<strong>Geschlecht</strong>erreflexive Perspektiven <strong>in</strong> <strong>der</strong> schulischen <strong>Gewalt</strong>prävention<br />

<strong>Geschlecht</strong>sbezogene Zusammenhänge s<strong>in</strong>d wichtig für das Verständnis aggressiven <strong>und</strong> ge-<br />

walttätigen Verhaltens bei Mädchen <strong>und</strong> bei Jungen, aber auch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> jeweiligen Ge-<br />

schlechtergruppen. Das Ziel, Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler <strong>in</strong> ihren geschlechtsbezogenen Selbst-<br />

entwürfen <strong>und</strong> ihrem Umgang mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> zu verstehen sowie Konflikte auch<br />

aus dieser Perspektive heraus zu analysieren, stellt e<strong>in</strong>e konzeptionell für den Raum <strong>Schule</strong><br />

bislang nur <strong>in</strong> Ansätzen entwickelte fachliche Herausfor<strong>der</strong>ung dar.<br />

E<strong>in</strong>e gewaltpräventive Arbeit, die geschlechterreflexiv angelegt ist, bewegt sich im Span-<br />

nungsfeld zwischen Dramatisierung <strong>und</strong> Entdramatisierung von <strong>Geschlecht</strong>erdifferenz. Sie<br />

muss auch die Differenzen zwischen Jungen <strong>und</strong> jene zwischen Mädchen <strong>in</strong> den Blick be-<br />

kommen <strong>und</strong> die Verschränkung <strong>der</strong> Kategorie <strong>Geschlecht</strong> mit weiteren Differenzkategorien<br />

wie Ethnie, Sexualität <strong>und</strong> sozialem Milieu. Dabei stellt sich immer wie<strong>der</strong> das Problem, an<br />

<strong>der</strong> Verfestigung von Stereotypen <strong>und</strong> Normierungen mitzuwirken, obwohl es gerade darum<br />

geht, diese aufzugreifen <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihrem S<strong>in</strong>n für die Mädchen <strong>und</strong> Jungen zu h<strong>in</strong>terfragen. Ge-<br />

schlechterreflexive Perspektiven <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er diversitätsbewussten <strong>Gewalt</strong>prävention e<strong>in</strong>zuneh-<br />

men bedeutet dann gerade nicht, immer schon e<strong>in</strong>en bestimmten Zusammenhang zwischen<br />

Männlichkeit, Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er bestimmten Ethnie <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> zu unterstellen. Ethni-<br />

sierung <strong>und</strong> Sexismus f<strong>in</strong>den wir dann, wenn eigens Angebote für „Auslän<strong>der</strong>jungen“<br />

angeboten werden. Dann werden Kulturen als E<strong>in</strong>heiten gedacht bzw. kulturelle Identität als<br />

statisch <strong>und</strong> mit wesenhaften Eigenschaften verb<strong>und</strong>en. Die Unterscheidung nach essentiellen<br />

Kulturen selbst wird dann nicht <strong>in</strong> Frage gestellt. Dadurch werden Differenzen erneut repro-<br />

duziert <strong>und</strong> e<strong>in</strong>deutige Zusammenhänge unterstellt. Hypermaskul<strong>in</strong>e Inszenierungen von jun-<br />

gen Männern mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> sollten vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> rassistischer <strong>und</strong> sozia-<br />

ler Ausgrenzungserfahrungen betrachtet werden (Busche/Stuve 2007). Migration o<strong>der</strong> Ethni-<br />

zität o<strong>der</strong> die Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>em bestimmten sozialen Milieu <strong>und</strong> Männlichkeit s<strong>in</strong>d<br />

nicht kausal verknüpft mit <strong>Gewalt</strong>tätigkeit. Folgen mehrfacher Marg<strong>in</strong>alisierung durch Bil-<br />

dungsbenachteiligung <strong>und</strong> unzureichende Integrationsleistungen des sozialen Umfelds (vgl.<br />

dazu auch Neubauer et al. 2007) s<strong>in</strong>d demgegenüber zu betrachten. Zudem ist danach zu fra-<br />

35


gen, wie Prozesse von Fremdethnisierung <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Identitätszwängen mit geschlechtsbe-<br />

zogenen Selbstverortungen <strong>und</strong> Selbstethnisierungen im Kontext von <strong>Gewalt</strong> verschränkt<br />

s<strong>in</strong>d. <strong>Geschlecht</strong>erfragen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention s<strong>in</strong>d daher immer auch um weitere Dimen-<br />

sionen <strong>und</strong> Herstellungsmechanismen von Verschiedenheit <strong>und</strong> sozialer Ungleichheit zu er-<br />

gänzen.<br />

Das präventive Ziel, e<strong>in</strong>er verme<strong>in</strong>tlich „gewaltnahen Jungenkultur“ mit Hilfe gewaltpräven-<br />

tiver Jungenarbeit entgegenzuwirken, erweist sich als <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht problematisch.<br />

Denn hier wird unterstellt, dass geschlechtsbezogene Arbeit mit Jungen präventiv gegen Ge-<br />

walt wirksam se<strong>in</strong> soll. Die Reduktion von „männlich“ = „(potentiell) gewalttätig“ ist damit<br />

verknüpft. Ausgeblendet wird die Frage, ob <strong>Gewalt</strong>prävention im je konkreten Fall überhaupt<br />

notwendiger Bestandteil jungenpädagogischer Angebote se<strong>in</strong> muss. Problematisch kann es<br />

überdies se<strong>in</strong>, wenn Jungen die Erfahrung machen, dass bestimmte Angebote für sie deshalb<br />

gemacht werden, weil man sie als „schwierig“ o<strong>der</strong> potenziell gewalttätig wahrnimmt. Ge-<br />

schlechtsbezogene Pädagogik hat h<strong>in</strong>gegen zum Ziel, Mädchen <strong>und</strong> Jungen bei <strong>der</strong> Erweite-<br />

rung ihres Erlebens- <strong>und</strong> Handlungsspektrums zu unterstützen (vgl. dazu u.a. van Die-<br />

ken/Rohrmann/Sommerfeld 2005; Voigt-Kehlenbeck 2008; Brandes/Jantz 2006).<br />

Wichtig ist es, offen dafür zu se<strong>in</strong>, was Mädchen <strong>und</strong> Jungen für Konfliktlagen, Potenziale<br />

<strong>und</strong> Unterstützungsbedarfe haben, diese können sich durchaus von den von außen unterstell-<br />

ten Problemlagen unterscheiden. H<strong>in</strong>sichtlich konkreter Handlungssituationen im Umgang<br />

mit <strong>Gewalt</strong>ausübung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> stellen sich geschlechtsübergreifende Fragen danach, was<br />

konkret zu tun ist, wenn es zur Ausübung von <strong>Gewalt</strong> durch Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler<br />

kommt. So gilt es, Regeln wie die Norm gewaltfreier Kommunikation o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>losig-<br />

keit bei Konfliktlösungen zu verdeutlichen, unabhängig davon, ob es sich um e<strong>in</strong> Mädchen<br />

o<strong>der</strong> Jungen handelt. Im Weiteren ist durch den Nachvollzug <strong>der</strong> Handlungslogik <strong>der</strong> Subjekte<br />

<strong>und</strong> die Analyse kontextueller Bed<strong>in</strong>gungen weitergehen<strong>der</strong> Handlungsbedarf auszuloten.<br />

<strong>Geschlecht</strong>sbezogene gewaltpräventive Arbeit ist ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Methode o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Set<br />

spezieller Methoden, son<strong>der</strong>n zunächst e<strong>in</strong>e bestimmte Perspektive sowie professionelle Hal-<br />

tung, die <strong>in</strong> geschlechtshomogenen wie koedukativen Praxisfel<strong>der</strong>n wirksam wird. Inhaltlich<br />

wird auf Erfahrungen <strong>und</strong> Qualitätsstandards aus <strong>der</strong> Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit <strong>und</strong> Ge-<br />

waltprävention sowie auf Erkenntnissen <strong>der</strong> <strong>Geschlecht</strong>er- <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>forschung aufgebaut.<br />

Jungenarbeit <strong>und</strong> Mädchenarbeit be<strong>in</strong>halten durchaus auch Schwerpunktsetzungen <strong>in</strong> den Be-<br />

reichen <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>und</strong> Selbstbehauptung, sie sollten aber nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie damit<br />

begründet werden. Das bedeutet, dass Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit an <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> ihren eige-<br />

36


nen Stellenwert hat <strong>und</strong> thematisch nicht auf die <strong>Gewalt</strong>thematik verengt werden sollte; Sexu-<br />

alpädagogik, Lebens- <strong>und</strong> Berufsplanung etc. s<strong>in</strong>d weitere wichtige Themenschwerpunkte.<br />

Vorhandene gewaltpräventive Angebote <strong>und</strong> Programme sollten h<strong>in</strong>gegen um geschlechtsbe-<br />

zogene Perspektiven erweitert bzw. entsprechend f<strong>und</strong>iert werden. <strong>Geschlecht</strong>sbezogene Ge-<br />

waltprävention sollte zudem <strong>in</strong> e<strong>in</strong> umfassendes Konzept von Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit an<br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong> e<strong>in</strong>gebettet werden.<br />

Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit werden im Rahmen geschlechtsbezogener <strong>Gewalt</strong>prävention<br />

nicht als naturhaft gegeben <strong>und</strong> unverän<strong>der</strong>lich verstanden. <strong>Geschlecht</strong> wird als e<strong>in</strong>e soziale<br />

Strukturkategorie <strong>und</strong> als etwas, was <strong>in</strong> Interaktionen immer auch erzeugt wird <strong>und</strong> lebens-<br />

lang konflikthaft angeeignet wird, konsequent <strong>in</strong> verschiedenen Arbeitsformen <strong>und</strong> Hand-<br />

lungsansätzen berücksichtigt. Das, was Mädchen <strong>und</strong> Jungen tun, ist an<strong>der</strong>s <strong>und</strong> mehr als an-<br />

geeignete Männlichkeits- <strong>und</strong> Weiblichkeitsbil<strong>der</strong>. E<strong>in</strong> geschlechtsneutraler Blick ist deshalb<br />

nicht möglich. In pädagogischen Prozessen wie im alltäglichen Handeln führt dies zu e<strong>in</strong>er<br />

unlösbaren Paradoxie: Konstruktionen von <strong>Geschlecht</strong>erdifferenz sollen verflüssigt werden,<br />

gleichzeitig wird <strong>Geschlecht</strong> dabei vorausgesetzt <strong>und</strong> rahmt unsere Wahrnehmung, bietet Ori-<br />

entierung.<br />

Gesellschaftliche Ordnungsmuster wie <strong>Geschlecht</strong> wirken auch „unter <strong>der</strong> Haut“ von Indivi-<br />

duen, berühren das leibseelische Empf<strong>in</strong>den des Mann- <strong>und</strong> Frause<strong>in</strong>s (Böhnisch/Funk 2002,<br />

S. 39). <strong>Geschlecht</strong>sbezogene Diskrepanzerfahrungen (für Mädchen z.B. durch die Doppelbot-<br />

schaft: „Wehr dich, sei durchsetzungsstark! Aber wenn du dich aggressiv wehrst, dann wirkst<br />

du unweiblich o<strong>der</strong> hysterisch!“) s<strong>in</strong>d auch deshalb nicht e<strong>in</strong>fach auflösbar, weil sie auf ge-<br />

sellschaftliche <strong>Geschlecht</strong>erkonflikte verweisen. In geschlechtsbezogener präventiver Arbeit<br />

geht es daher eher darum, von Konfliktkonstellation zu entlasten als diese aufzulösen (ebd., S.<br />

184).<br />

Für geschlechtsbewusste Erziehung <strong>und</strong> Bildung bedeutet dies, „Suchbewegungen sozialen<br />

Lernens“ anzuregen: Wo s<strong>in</strong>d wir dem <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>erbil<strong>der</strong>n <strong>der</strong>art<br />

verhaftet, dass es uns <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e beschädigt/verletzt? „Flucht aus dem Identitätszwang“ heißt<br />

dann nach Becker-Schmidt <strong>und</strong> Knapp gerade auch, soziale Erwartungen zu frustrieren (1987,<br />

S. 184). Das Schwanken zwischen eigenen Selbstempf<strong>in</strong>dungen, verschiedenen Zugehörig-<br />

keitsoptionen, Anerkennungsbedürfnissen sowie Autonomiewünschen so auszubalancieren,<br />

erfor<strong>der</strong>t Konfliktbereitschaft <strong>und</strong> Ambivalenztoleranz. E<strong>in</strong> Zuwachs an <strong>in</strong>nerer Flexibilität<br />

im Umgang mit äußeren Verhaltenszumutungen ist e<strong>in</strong>e wichtige Ressource zur Überw<strong>in</strong>dung<br />

rigi<strong>der</strong> Selbst- <strong>und</strong> Fremdbil<strong>der</strong> (Bereswill 2010, S. 23).<br />

37


<strong>Geschlecht</strong>sbezogene <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> sollte sich ihres begrenzten E<strong>in</strong>flusses<br />

<strong>und</strong> ihrer Reichweite angesichts <strong>der</strong> vielschichtigen Verursachungsstruktur von <strong>Gewalt</strong> be-<br />

wusst se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> soziales Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>und</strong> konstruktive Konfliktlösungsfähigkeiten können als<br />

Bildungsziele ebenso wenig normativ verordnet <strong>und</strong> kognitiv e<strong>in</strong>gelöst werden wie alternative<br />

Männlichkeits- <strong>und</strong> Weiblichkeitsentwürfe. Alle<strong>in</strong> auf die Lernpotenziale von Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er geschlechtssensiblen Erziehung zu setzen, ohne die unterschiedlichen Lebens-<br />

lagen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mitzureflektieren, <strong>in</strong>dividualisiert (e<strong>in</strong>mal mehr) gesellschaftliche Verhält-<br />

nisse. Deshalb ist immer auch danach zu fragen, welche unterschiedlichen Handlungsressour-<br />

cen K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> solche Lernprozesse mitbr<strong>in</strong>gen (ebd., S. 24). Dies verweist auf den <strong>in</strong>terdepen-<br />

denten Zusammenhang zwischen <strong>in</strong>neren <strong>und</strong> äußeren Strukturen, die den jeweiligen Hand-<br />

lungsspielraum mehr o<strong>der</strong> weniger e<strong>in</strong>engen <strong>und</strong> Möglichkeiten für Verän<strong>der</strong>ungsprozesse<br />

rahmen.<br />

Fragen wir nun danach, welches Verständnis von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> gr<strong>und</strong>legend für<br />

„geschlechtsbezogenen <strong>Gewalt</strong>prävention“ ist <strong>und</strong> welche Ziele formuliert werden können,<br />

lassen sich verschiedene Eckpfeiler benennen.<br />

Eckpfeiler e<strong>in</strong>er geschlechtsbezogenen <strong>Gewalt</strong>prävention mit Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />

�� Als übergeordnete Lernziele für beide <strong>Geschlecht</strong>er können <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie das Erler-<br />

nen von Strategien für e<strong>in</strong>en konstruktiven, d.h. auch nicht selbstdestruktiven Umgang<br />

mit Aggression <strong>und</strong> Konflikten, die Stärkung des Vertrauens <strong>in</strong> die eigene mentale <strong>und</strong><br />

körperliche Stärke, das Erwerben von Handlungssicherheit im Umgang mit <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>und</strong> Konflikten formuliert werden. Dabei geht es beson<strong>der</strong>s darum, eigene <strong>und</strong> fremde<br />

Grenzen wahrzunehmen <strong>und</strong> zu akzeptieren.<br />

�� Es gilt, Lern- <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse anzuregen, durch die Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />

e<strong>in</strong> differenziertes Verhaltensrepertoire im Umgang mit Emotionen wie Wut <strong>und</strong> Är-<br />

ger erwerben <strong>und</strong> erweitern können.<br />

�� Mädchen <strong>und</strong> Jungen sollten die Gelegenheit erhalten, ihre Erlebnisse <strong>und</strong> Erfahrun-<br />

gen mit Phänomenen wie Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> zu artikulieren − <strong>und</strong> zwar als Op-<br />

fer, Täter<strong>in</strong>nen/Täter, Mittäter<strong>in</strong>nen/Mittäter <strong>und</strong> passiv Beteiligte (Zuschauer/<strong>in</strong>nen).<br />

<strong>Gewalt</strong>akzeptanz <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>tätigkeit werden genauso wie Ängste, Opfer von <strong>Gewalt</strong><br />

zu werden (Täter-Opfer-Ambivalenzen) thematisiert.<br />

�� Gleichheit <strong>und</strong> Differenzen sowie Vielfalt zwischen <strong>und</strong> <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> <strong>Geschlecht</strong>er-<br />

Gruppen im Zugang zu Aggression <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Äußerungsformen von Aggression<br />

38


werden berücksichtigt.<br />

�� <strong>Gewalt</strong> wird vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> persönlichen Geschichte, lebenslagenspezifi-<br />

scher <strong>und</strong> situativer Faktoren <strong>und</strong> vorherrschen<strong>der</strong> gesellschaftlicher Normen <strong>und</strong> den<br />

Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten des <strong>Geschlecht</strong>erverhältnisses reflektiert.<br />

�� <strong>Gewalt</strong> von Mädchen <strong>und</strong> Jungen werden ke<strong>in</strong>e geschlechterstereotypisierenden Attri-<br />

bute zugeordnet (z.B. „gewalttätige Mädchen s<strong>in</strong>d unweiblich <strong>und</strong> männlichkeitsorien-<br />

tiert“ o<strong>der</strong> „gewalttätige Jungen haben e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Männlichkeitsproblem“). Viel-<br />

mehr sollte es darum gehen, den Zusammenhang von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> am je-<br />

weiligen Fall differenziert auszuloten.<br />

�� Räume <strong>und</strong> Ermunterungen für konstruktive Formen von Aggression werden auf viel-<br />

fältige Weise geför<strong>der</strong>t (Selbstbehauptung etc.). Zugleich wird e<strong>in</strong>e punktuelle Entlas-<br />

tung vom <strong>in</strong>neren <strong>und</strong> äußeren Druck, „stark zu se<strong>in</strong>“ <strong>und</strong> Autonomie <strong>und</strong> Dom<strong>in</strong>anz<br />

zu demonstrieren, ermöglicht.<br />

�� Erwünschte, sozialverträgliche <strong>und</strong> konstruktive Verhaltensweisen sowie Empathiefä-<br />

higkeit, die Mädchen <strong>und</strong> Jungen im Umgang mit Konflikten im Alltag bereits zeigen,<br />

werden nicht e<strong>in</strong>fach vorausgesetzt, son<strong>der</strong>n als solche benannt, gewürdigt <strong>und</strong> geför-<br />

<strong>der</strong>t.<br />

Arbeit <strong>in</strong> geschlechtshomogenen <strong>und</strong> gemischtgeschlechtlichen Gruppen<br />

Vielfach wird e<strong>in</strong>e geschlechtsgetrennte Arbeit im Rahmen gewaltpräventiver Maßnahmen<br />

favorisiert. Dabei wird jedoch <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n geschlechtshomogener Gruppen nicht absolut gesetzt.<br />

<strong>Geschlecht</strong>ertrennungen sollten zudem durch geschlechtsbezogene Arbeitsweisen <strong>in</strong> Gruppen<br />

mit Mädchen <strong>und</strong> Jungen ergänzt werden. Zudem sollten geschlechtsgetrennte Maßnahmen<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogen stattf<strong>in</strong>den. Gerade bei <strong>der</strong> Thematisierung sexueller <strong>Gewalt</strong>erfahrungen<br />

o<strong>der</strong> wenn aus weiblichen <strong>und</strong> männlichen Lebenszusammenhängen spezifische Konfliktla-<br />

gen resultieren, bietet sich e<strong>in</strong>e geschlechtshomogene Gruppe zur Bearbeitung vielfach an.<br />

Inhalte <strong>und</strong> Methoden ähneln sich <strong>in</strong> den Kursen für Mädchen <strong>und</strong> für Jungen. Die Differenz<br />

besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bezugnahme auf geschlechtstypische Sozialisationsverläufe <strong>und</strong> tieferliegende<br />

strukturelle Weiblichkeits- <strong>und</strong> Männlichkeitskonflikte, die von Mädchen <strong>und</strong> Jungen aller-<br />

d<strong>in</strong>gs jeweils auf vielfältige Weise bewältigt werden.<br />

Wie e<strong>in</strong> Junge bzw. e<strong>in</strong> Mädchen zu se<strong>in</strong> hat, dies lernen Mädchen <strong>und</strong> Jungen gerade auch <strong>in</strong><br />

gleichgeschlechtlichen Gruppen. Nicht übersehen werden sollte dabei, dass Konstruktionen<br />

von „Jungese<strong>in</strong>“ <strong>und</strong> „Mädchense<strong>in</strong>“ auch hier <strong>in</strong> Interaktionen hergestellt <strong>und</strong> reproduziert<br />

39


werden − dabei werden Positionierungen <strong>und</strong> Hierarchisierungen vor- <strong>und</strong> e<strong>in</strong>genommen<br />

(„Macker“ vs. „Loser“; „Powergirls“ vs. „Heulsusen“). E<strong>in</strong>e Ressource für die Arbeit an Jun-<br />

gen- <strong>und</strong> Mädchenbil<strong>der</strong>n stellen Jungen <strong>und</strong> Mädchen <strong>in</strong> geschlechtshomogenen Gruppen<br />

dar, die Positionierungen <strong>und</strong> Wege (abseits spezieller Maßnahmen) für sich jenseits e<strong>in</strong>en-<br />

gen<strong>der</strong> <strong>Geschlecht</strong>erentwürfe entwickeln konnten.<br />

Bei Angeboten, die gezielt die Mädchen stärken sollen, ist zu bedenken, dass damit auch die<br />

Botschaft vom „Defizit“, dies (noch) nicht h<strong>in</strong>reichend zu können, transportiert wird <strong>und</strong><br />

Selbstideale <strong>der</strong> Mädchen (z.B. auf ihre Art stark zu se<strong>in</strong>) verletzt werden. Die Jungen wie-<br />

<strong>der</strong>um könnten die Erfahrung machen, dass die Teilung <strong>der</strong> Gruppen mit dem Dom<strong>in</strong>anzver-<br />

halten e<strong>in</strong>iger Jungen zusammenhängt <strong>und</strong> könnten sich dagegen wehren. Rohrmann (2002)<br />

hält mit Blick auf diese Problematik fest, dass diese E<strong>in</strong>wände nicht gr<strong>und</strong>sätzlich gegen sol-<br />

che Angebote sprechen, aber zum<strong>in</strong>dest mit bedacht werden müssen. Er führt dazu folgendes<br />

Beispiel aus se<strong>in</strong>er Praxis an: „Zum Thema Konfliktverhalten geht es dabei meist darum,<br />

Mädchen zu stärken <strong>und</strong> zu ermutigen. So lernten die ‚Kampfkatzen’ <strong>in</strong> ihrer Kita-<br />

Mädchengruppe, zu kämpfen <strong>und</strong> sich zu wehren, wenn Jungen sie ärgern. Es gab zwar e<strong>in</strong>e<br />

parallele Jungengruppe, aber dort wurde nicht gekämpft. Die Jungen fühlten sich durch das<br />

Mädchenprojekt benachteiligt. … Möglicherweise kann es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge solcher Projekte dazu<br />

kommen, dass Jungen sich stigmatisiert fühlen <strong>und</strong> Konflikte zwischen Jungen <strong>und</strong> Mädchen<br />

zunehmen.“ (ebd., S. 5)<br />

Hagemann-White hält h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendarbeit vielfach anzutreffenden Haltung,<br />

man müsse Jungen körperliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen als notwendigen Teil ihrer jugendli-<br />

chen Identitätsentwicklung zugestehen <strong>und</strong> entsprechende Angebote vorhalten, fest: „Richtig<br />

ist, dass nicht jede Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung gleich <strong>Gewalt</strong> ist – aber worauf beruht die Idee,<br />

männliche Jugendliche hätten e<strong>in</strong> natürliches <strong>und</strong> berechtigtes Bedürfnis, sich <strong>in</strong> körperlichen<br />

Kampftechniken zu üben, sich daran zu messen, <strong>und</strong> sich damit im Streitfall durchsetzen zu<br />

können, während dies für Mädchen ebenso ‚natürlich’ unterbleiben kann <strong>und</strong> soll? Welche<br />

Aggressionskompetenzen <strong>und</strong> welche Repertoires <strong>der</strong> Selbstbehauptung brauchen Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen, <strong>und</strong> was steht ihnen jeweils im Wege, dass sie nur solche beengten Repertoires<br />

erlernen?“ (2010, S. 132)<br />

Wichtig ist es <strong>in</strong> <strong>der</strong> gewaltpräventiven Arbeit mit Mädchen wie Jungen, die Attraktivität <strong>und</strong><br />

Fasz<strong>in</strong>ation, die <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Aggression (neben <strong>der</strong> Angst vor ihrer zerstörerischen Kraft)<br />

ausüben können, als wichtige Themen auch vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> unterschiedlicher ge-<br />

schlechtsbezogener Normalitätskonstruktionen über „angemessenes Aggressionsverhalten“<br />

40


aufzugreifen. Gerade aus <strong>der</strong> pädagogischen Arbeit mit Mädchen wie aus <strong>der</strong> Mädchenfor-<br />

schung ist bekannt, dass Mädchen vielfach erst versuchen Normalität zu beweisen, bevor sie<br />

davon Abweichendes, wie Aggressionsfantasien, eigene Beteiligung an <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Machtbe-<br />

dürfnisse zur Sprache br<strong>in</strong>gen (Silkenbeumer 2007; siehe auch Bitzan/Daigler 2002).<br />

Neben <strong>der</strong> bereits mehrfach erwähnten Problematik, Mädchen leicht auf die Rolle als poten-<br />

tielle Opfer <strong>und</strong> Jungen auf jene potentieller Täter <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention festzulegen, f<strong>in</strong>-<br />

den sich auch Überschneidungen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Methoden gewaltpräventiver Angebote für<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen. So bieten etwa Jantz <strong>und</strong> Brandes (2006, S. 180) Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />

die gleichen Methoden zur För<strong>der</strong>ung sozialer Kompetenz (Konfliktbewältigung, Selbstbe-<br />

hauptung, Wahrnehmungsübungen, Kooperationsübungen etc.) an. Sie setzen nicht schon<br />

immer e<strong>in</strong>en unterschiedlichen Umgang mit bestimmten Inhalten voraus, son<strong>der</strong>n beobachten<br />

geschlechtertheoretisch sensibilisiert, <strong>in</strong> welcher H<strong>in</strong>sicht Mädchen <strong>und</strong> Jungen die angebote-<br />

nen Methoden <strong>und</strong> Übungen bewältigen.<br />

Reflektiert wird <strong>in</strong> entsprechenden Konzepten, dass das Erleiden von <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Tiefen-<br />

struktur ähnlich, <strong>in</strong> den Bewältigungsformen jedoch tendenziell nach <strong>Geschlecht</strong> unterschied-<br />

lich verläuft. Für Jungen stellt sich die Problematik <strong>der</strong> Grenzsetzung wie für Mädchen, ihnen<br />

wird jedoch auf <strong>der</strong> Ebene kultureller Leitbil<strong>der</strong> von Männlichkeit mit an<strong>der</strong>en wi<strong>der</strong>sprüchli-<br />

chen <strong>Geschlecht</strong>ernormierungen <strong>und</strong> Botschaften über angemessenes Konflikt- <strong>und</strong> Domi-<br />

nanzverhalten begegnet. Jungen als Erleidende von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> als Opfer benötigen e<strong>in</strong>en<br />

Raum, an dem sie die Möglichkeit sehen, über damit verb<strong>und</strong>ene Verletzungen zu sprechen,<br />

ohne als unmännlich abgewertet zu werden. Mädchen h<strong>in</strong>gegen erleben vielfach, dass Jungen<br />

<strong>und</strong> Männern das Recht zugestanden wird, Mädchen- <strong>und</strong> Frauenkörper zu bewerten <strong>und</strong> „<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em abgesteckten Rahmen legitim über sie zu verfügen“ (Brandes/Jantz 2006, S. 75). Dies<br />

wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>in</strong> den vielerorts etablierten Selbstbehauptungskursen für Mädchen<br />

berücksichtigt.<br />

<strong>Geschlecht</strong>sbezogene Inszenierungen lebensweltorientiert aufgreifen<br />

Für das Verständnis geschlechtsbezogener Verhaltensweisen ist es s<strong>in</strong>nvoll, gleich- <strong>und</strong> ge-<br />

gengeschlechtliche Interaktionen <strong>und</strong> Herstellungsprozesse von <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> konkreten<br />

Handlungssituationen lebensweltadäquat <strong>und</strong> nicht normativ <strong>und</strong> erzieherisch aufzugreifen.<br />

<strong>Geschlecht</strong>sbezogene Erwartungen <strong>und</strong> Inszenierungen können spontan <strong>und</strong> direkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Situation des pädagogischen Alltags aufgenommen werden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> z.B. e<strong>in</strong>ige Mädchen äu-<br />

ßern, dass sie jene Jungen als „unmännlich“ ablehnen, die auf <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzun-<br />

41


gen verzichten. Es ist relativ leicht, diese Äußerungen zurückzuweisen <strong>und</strong> kritische Reflexi-<br />

on e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n, aber dies ist nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e vielversprechende Strategie. Aufklärung<br />

<strong>und</strong> Wissensvermittlung über Stereotype <strong>und</strong> Ambivalenzen im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis s<strong>in</strong>d<br />

fachlich wenig s<strong>in</strong>nvoll, wenn vermittelt werden soll, wie e<strong>in</strong>e verän<strong>der</strong>te <strong>Geschlecht</strong>errolle<br />

zu praktizieren sei (vgl. dazu auch Voigt-Kehlenbeck 2008).<br />

Wie beziehen sich Mädchen auf an- o<strong>der</strong> abwesende Jungen <strong>und</strong> umgekehrt, wie beziehen sie<br />

sich auf das jeweils eigene <strong>Geschlecht</strong> <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Differenzkonstruktionen wie Sexualität,<br />

Ethnizität o<strong>der</strong> auch Alter, um darüber bestimmte Weiblichkeits- <strong>und</strong> Männlichkeitsentwürfe<br />

herzustellen? Wie diese Bezugnahme geschieht ist auch abhängig davon, wie K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Ju-<br />

gendliche auf angeeignete Bil<strong>der</strong> von Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit <strong>und</strong> Regeln über <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>und</strong> Aggression zurückgreifen. Sie können dabei diese Bil<strong>der</strong> reproduzieren, aber auch zu-<br />

rückweisen <strong>und</strong> überschreiten. Dies ist abhängig von ihrem jeweiligen bisher entwickelten<br />

Handlungsspielraum, ist aber auch Umständen <strong>der</strong> je konkreten Situation <strong>und</strong> des Kontextes<br />

geschuldet. <strong>Gewalt</strong> kann im geme<strong>in</strong>samen Handeln zurückgewiesen, bew<strong>und</strong>ert o<strong>der</strong> delegiert<br />

werden. Transportiert <strong>und</strong> verhandelt werden auch Regeln darüber, wer für das „Lästern“, das<br />

„Schlichten“, das „Trösten“ o<strong>der</strong> auch das „E<strong>in</strong>schüchtern“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse zuständig ist. Durch<br />

Abgrenzungen vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wird das eigene Selbstbild konturiert. Mädchen, die sich über<br />

an<strong>der</strong>e Mädchen lustig machen, weil diese sich nicht adäquat wehren können <strong>und</strong> leicht zum<br />

We<strong>in</strong>en zu br<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d, können sich im Kontrast zu den „Heulsusen“ als selbstbewusstere<br />

Mädchen positionieren <strong>und</strong> vom K<strong>in</strong>dheitsstatus abgrenzen. Wichtig ist es, gerade auch auf<br />

die Brüche <strong>in</strong> den verme<strong>in</strong>tlich beson<strong>der</strong>s e<strong>in</strong>deutig konturierten Männlichkeits- <strong>und</strong> Weib-<br />

lichkeitsdarstellungen zu achten. Wo ist <strong>der</strong> sonst so auf Coolness <strong>und</strong> Härte setzende Schüler<br />

an<strong>der</strong>s, wo hält er diesen Entwurf nicht durch <strong>und</strong> welche Bed<strong>in</strong>gungen tragen dazu bei, dass<br />

er nicht von an<strong>der</strong>en darauf festgelegt wird? Was wird überdeckt <strong>und</strong> was wäre, wenn verbor-<br />

gene Verletzbarkeiten von Jungen, aber auch von Mädchen im schulischen Kontext <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Klasse <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> engeren sozialen Bezugsgruppen wie <strong>der</strong> Jungenclique o<strong>der</strong> Mädchenclique<br />

gezeigt werden?<br />

Der Rückgriff auf sozial vorgef<strong>und</strong>ene Weiblichkeits- <strong>und</strong> Männlichkeitsbil<strong>der</strong> mit scharfen<br />

Konturen o<strong>der</strong> auch <strong>Geschlecht</strong>erklischees ist immer auch im H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>nhaftig-<br />

keit im Entwicklungskontext <strong>der</strong> Mädchen <strong>und</strong> Jungen zu h<strong>in</strong>terfragen. Männlichkeit <strong>und</strong><br />

Weiblichkeit werden unter bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen relevant. Es handelt sich um vielschich-<br />

tige <strong>und</strong> teilweise mehrdeutige geschlechtliche Inszenierungen. Dies wird jedoch leicht durch<br />

stereotypisierende Alltagstheorien <strong>und</strong> vorschnelle Deutungen von „Mädchenverhalten“ <strong>und</strong><br />

42


„Jungenverhalten“ übersehen.<br />

Oftmals wird von Pädagog<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Pädagogen das eigene Wissen nur noch dazu genutzt,<br />

das Gesehene <strong>in</strong> die eigenen Deutungsschablonen e<strong>in</strong>zuordnen <strong>und</strong> Bekanntes zu identifizie-<br />

ren (vgl. dazu auch Rose 2003). Es geht jedoch gerade darum, diese Verhaltensweisen zu res-<br />

pektieren, ohne die Mädchen <strong>und</strong> Jungen darauf festzulegen <strong>und</strong> Räume zur Verfügung stel-<br />

len, <strong>in</strong> denen Gegenerfahrungen möglich werden.<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit geschlechtsbezogenen gewaltpräventiven Angeboten - e<strong>in</strong>e Orien-<br />

tierungshilfe<br />

Zahlreiche Angebote aus dem Bereich <strong>der</strong> Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit liegen <strong>in</strong>zwischen vor<br />

<strong>und</strong> seit Jahren werden an <strong>Schule</strong>n schon verschiedene Maßnahmen von außerschulischen<br />

Kooperationspartnern aus <strong>der</strong> Jugendarbeit durchgeführt. Beim Blick auf zielgerichtete Ange-<br />

bote, die sich an den Bedürfnissen <strong>und</strong> Konfliktlagen von Mädchen orientieren, dom<strong>in</strong>ieren<br />

Selbstbehauptungskurse. Für den Bereich gewaltpräventiver Ansätze, die sich an Jungen rich-<br />

ten, wird ebenfalls noch deutlicher Entwicklungsbedarf benannt (vgl. dazu Neubauer et al.<br />

2007; Arbeitsstelle K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendkrim<strong>in</strong>alitätsprävention 2006; Luedtke/Geiß 2007).<br />

Geht es nun darum, sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fülle <strong>der</strong> Angebote zu orientieren <strong>und</strong> an <strong>der</strong> eigenen <strong>Schule</strong><br />

e<strong>in</strong> Konzept für geschlechtsbezogene <strong>Gewalt</strong>prävention zu entwickeln, sollten u.a. folgende<br />

Fragen beantwortet werden:<br />

Welche (Teil-)Ziele, welche Inhalte sowie methodisch-didaktische Vorgehensweisen <strong>und</strong><br />

pädagogische Pr<strong>in</strong>zipien werden <strong>in</strong> den angebotenen Maßnahmen formuliert?<br />

Erklärt <strong>und</strong> begründet werden muss, was überhaupt konkret verän<strong>der</strong>t werden soll (Wissen,<br />

E<strong>in</strong>stellungen, soziale Kompetenzen, Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung bestimmter <strong>Gewalt</strong>formen etc.). H<strong>in</strong>-<br />

sichtlich <strong>der</strong> Überprüfung des Passungsverhältnisses von Maßnahme <strong>und</strong> Zielgruppe ist auch<br />

zu reflektieren, ob die oft aus an<strong>der</strong>en Kontexten übernommenen Modelle auf den schulischen<br />

Kontext <strong>und</strong> den je konkreten Bedarf übertragbar s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> modifiziert werden müssen.<br />

In welcher H<strong>in</strong>sicht werden die Erreichbarkeit, Teilnahmemotivation o<strong>der</strong> auch Teilhabe-<br />

h<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse <strong>der</strong> jeweiligen Zielgruppe(n) näher expliziert <strong>und</strong> <strong>der</strong> konkrete Bedarf <strong>und</strong> die<br />

Bedürfnisse <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jungendlichen ausgelotet?<br />

Haben die Mädchen <strong>und</strong> Jungen an <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> überhaupt e<strong>in</strong> Interesse an Angeboten nur für<br />

Mädchen bzw. nur für Jungen <strong>und</strong> wie werden <strong>Geschlecht</strong>ertrennung o<strong>der</strong> auch homosoziale<br />

Gruppen <strong>in</strong>haltlich begründet? Welches s<strong>in</strong>d die Bedürfnisse <strong>der</strong> jeweiligen Zielgruppen, wie<br />

werden diese überhaupt erhoben <strong>und</strong> praktisch <strong>in</strong> entsprechenden Maßnahmen zur <strong>Gewalt</strong>-<br />

43


prävention berücksichtigt? Gibt es ergänzende Angebote für die Zusammenarbeit mit Eltern?<br />

Welche theoretischen Perspektiven auf <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>, Mädchen- <strong>und</strong> Jungenför-<br />

<strong>der</strong>ung sowie das <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis bilden die Gr<strong>und</strong>legung gewaltpräventiver <strong>und</strong><br />

geschlechtsbezogener Maßnahmen?<br />

Wird e<strong>in</strong>e Balance zwischen Dramatisierung <strong>und</strong> Entdramatisierung von <strong>Geschlecht</strong>erdiffe-<br />

renz angestrebt, <strong>und</strong> wenn ja, wie wird dies zu erreichen versucht, ohne für Dom<strong>in</strong>anzverhält-<br />

nisse <strong>und</strong> unterschiedliche Konfliktskonstellationen bl<strong>in</strong>d zu se<strong>in</strong>? Werden beispielsweise<br />

lebensphasenspezifische Dynamiken im Umgang mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> weibli-<br />

chen <strong>und</strong> männlichen Adoleszenz berücksichtigt?<br />

Welche Auffassungen über Bed<strong>in</strong>gungs- <strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten von Verhaltens-<br />

weisen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en bevorzugte Ansatzpunkte liegen den Konzepten zugr<strong>und</strong>e?<br />

Vielfach wird an dem konkreten Verhalten <strong>und</strong> den Handlungsorientierungen angesetzt, wo-<br />

bei z.B. gängige Verhaltensorientierungen <strong>und</strong> Reaktionsmuster durch alternative Verhaltens-<br />

elemente schrittweise erlernt <strong>und</strong> erprobt werden sollen. Wird e<strong>in</strong>e Verknüpfung von kogniti-<br />

ven, emotionalen, psychischen <strong>und</strong> körperlichen Aspekten <strong>in</strong> <strong>der</strong> praktischen Arbeit ange-<br />

strebt? Hierbei ist immer auch nach dem Transfer des Gelernten <strong>in</strong> die Lebenswelt <strong>und</strong> den<br />

Alltag <strong>der</strong> betreffenden Mädchen <strong>und</strong> Jungen zu fragen (Schrö<strong>der</strong>/Merkle 2008, S. 32 ff.):<br />

Gerade dort muss sich die Umsetzbarkeit des Erlernten bewähren.<br />

Welche konkreten Interessen <strong>und</strong> Ziele h<strong>in</strong>sichtlich geschlechtsbezogener <strong>Gewalt</strong>präventi-<br />

on e<strong>in</strong>zelner Lehrkräfte, des Kollegiums, <strong>der</strong> Schulleitung können formuliert werden <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong> welchem Zusammenhang stehen sie zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong>?<br />

Wie werden geschlechtsbezogene gewaltpräventive Maßnahmen <strong>in</strong> Form von Programmen,<br />

Projekten o<strong>der</strong> Unterrichtse<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Gesamtzusammenhang „<strong>Gewalt</strong>prävention“ <strong>und</strong><br />

Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit an <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>gebettet? In welcher H<strong>in</strong>sicht <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

welchem Rahmen muss sich das Kollegium zu den Themen Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit so-<br />

wie <strong>Gewalt</strong>prävention (z.B. im Rahmen e<strong>in</strong>er schul<strong>in</strong>ternen Lehrerfortbildung) qualifizieren?<br />

44


Methodenbeispiele aus <strong>der</strong> geschlechtsbewussten Präventionsarbeit<br />

Für die folgende Darstellung haben wir zur Illustration sowohl Beispiele für den Unterricht<br />

als auch für die Arbeit im Rahmen von Projekten, die von externen Fachkräften angeboten<br />

werden, ausgewählt. Es handelt sich dabei um Bestandteile von <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mädchen- <strong>und</strong> Jungen-<br />

arbeit erprobten Übungen mit thematischem Bezug zur <strong>Gewalt</strong>prävention. Diese Beispiele<br />

dienen lediglich dazu, Anregungen <strong>und</strong> E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e solche Arbeit zu geben. Sie erfüllen<br />

nicht gleichzeitig alle Ansprüche an e<strong>in</strong>e geschlechtsbezogene <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schu-<br />

le, son<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d nur als e<strong>in</strong>zelne Inhalte umfassen<strong>der</strong>er Konzepte (Selbstbehauptungskurse,<br />

Soziale Kompetenztra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, Deeskalationstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g etc.) zu verstehen.<br />

Wie oben dargestellt, können die für die Jungenarbeit o<strong>der</strong> die Mädchenarbeit ausgewiesenen<br />

Übungen <strong>und</strong> Methoden u.E. durchaus auch mit <strong>der</strong> jeweils an<strong>der</strong>en <strong>Geschlecht</strong>ergruppe<br />

durchgeführt werden. Hier gilt es zu beobachten, wie die entsprechenden Übungen von Mäd-<br />

chen <strong>und</strong> Jungen aufgenommen <strong>und</strong> umgesetzt werden, ohne immer schon bestimmte Zugän-<br />

ge zu unterstellen. Das bedeutet nicht, das Wissen um geschlechtsbezogene Konfliktlagen im<br />

Kontext von <strong>Gewalt</strong> zu übersehen, son<strong>der</strong>n nur, dass Differenzen nicht als statische Perso-<br />

nenmerkmale betrachtet werden <strong>und</strong> nach Bestätigung für unterstellte Unterschiede gesucht<br />

wird. Der kreative Eigens<strong>in</strong>n von Mädchen <strong>und</strong> Jungen im Umgang mit geschlechtsbezoge-<br />

nen Zuschreibungen <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>verhältnissen <strong>in</strong> bestimmten Entwicklungs- <strong>und</strong> Altersphasen<br />

sowie verschiedenen sozialen Situationen sollte <strong>in</strong> den Blick rücken können.<br />

Wenn Lehrkräfte selbst Methoden <strong>und</strong> Übungen zum Thema <strong>Geschlecht</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> durch-<br />

führen möchten, sollten sie daran denken, dass sie sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Lehrkraft bef<strong>in</strong>den.<br />

Wenn sie die Mädchen <strong>und</strong> Jungen nun im Rahmen von bestimmten Maßnahmen im Bereich<br />

geschlechtsbezogener <strong>Gewalt</strong>prävention begegnen erfolgt e<strong>in</strong>e „Entgrenzung“ <strong>der</strong> Lehrerrolle<br />

<strong>in</strong> Richtung <strong>der</strong> Übernahme von Anteilen diffuser Sozialbeziehungen, die neben dem Unter-<br />

richt stattf<strong>in</strong>den. Gut zu begründen <strong>und</strong> mit an<strong>der</strong>en Fachkräften abzustimmen ist u.E. daher<br />

das Bedürfnis, als Lehrkraft selbst an den von externen Fachkräften angebotenen Projekten<br />

<strong>und</strong> Kursen teilzunehmen, etwa um dadurch Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler „noch mal an<strong>der</strong>s“<br />

kennen zu lernen. Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler benötigen gerade im Bereich Prävention e<strong>in</strong>en<br />

weitgehend angstfreien Raum, <strong>in</strong> dem sie so begleitet werden, dass es ihnen gel<strong>in</strong>gt, eigene<br />

Gestaltungspotenziale zu formulieren <strong>und</strong> weiterzuentwickeln, persönliche Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Ängste zu thematisieren. Zudem öffnen sich Mädchen <strong>und</strong> Jungen möglicherweise eher ge-<br />

genüber e<strong>in</strong>er pädagogischen Fachkraft, die nicht e<strong>in</strong>ige Tage später wie<strong>der</strong> unterrichtet, be-<br />

45


wertet <strong>und</strong> sie auf ihre gewonnnen E<strong>in</strong>blicke − <strong>und</strong> dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganz an<strong>der</strong>s strukturierten<br />

Rahmen − ansprechen kann. Gerade deshalb ist es wichtig, mit externen <strong>und</strong> fachlich für diese<br />

Aufgabe qualifizierten Fachkräften zusammen zu arbeiten <strong>und</strong> zum<strong>in</strong>dest selbst Fortbildungen<br />

zu diesen Themenbereichen zu absolvieren.<br />

Die Freiwilligkeit <strong>der</strong> Teilnahme ist bei <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>Gewalt</strong> e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Voraussetzung für das Gel<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Maßnahmen. Jedes Mädchen <strong>und</strong> je<strong>der</strong> Junge sollte die<br />

Möglichkeit haben, bei Übungen o<strong>der</strong> Spielen nicht mitzumachen. Niemand sollte bedrängt<br />

werden, von <strong>Gewalt</strong>erfahrungen zu sprechen, son<strong>der</strong>n die Erfahrung machen, dass ihre/se<strong>in</strong>e<br />

Grenzen respektiert werden.<br />

Wichtig s<strong>in</strong>d vor allem das Interesse <strong>der</strong> Mädchen <strong>und</strong> Jungen an bestimmten Themen <strong>und</strong><br />

Übungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kontakt zwischen pädagogischer Fachkraft <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gruppe. Die Übungen<br />

müssen immer daraufh<strong>in</strong> geprüft werden, ob sie h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> konkreten Ziel- <strong>und</strong> Alters-<br />

gruppe, aber auch nach Gruppengröße <strong>und</strong> Zeitbudget zu modifizieren s<strong>in</strong>d. Nicht zuletzt ist<br />

zu prüfen, ob die Methode für die Zielgruppe verständlich ist. E<strong>in</strong> prozess- <strong>und</strong> zielgruppen-<br />

orientiertes Vorgehen sollte demnach selbstverständlich se<strong>in</strong>.<br />

Es sei noch h<strong>in</strong>zuzufügen, dass bei e<strong>in</strong>zelnen Methoden <strong>und</strong> Spielen nicht immer die eigentli-<br />

che Durchführung, son<strong>der</strong>n gerade auch e<strong>in</strong>e Nachbesprechung/Auswertung e<strong>in</strong>en zentralen<br />

Bestandteil des Prozesses ausmacht. Lei<strong>der</strong> zählt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präventionsarbeit mit Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen oftmals nur „Handfestes“, gefragt s<strong>in</strong>d leicht handhabbare Methoden – notwendige<br />

fachliche Analysen, geschlechterbezogenes fallreflexives Vorgehen, pädagogische Beziehung<br />

<strong>und</strong> konzeptionelle Arbeit rücken dagegen <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> (vgl. dazu auch Neubauer et al.<br />

2007).<br />

46


„Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zugehen“ o<strong>der</strong> „High Noon“ – Selbstbehauptungsübung 7<br />

Quelle Jantz, Olaf / Brandes, Susanne (2006): <strong>Geschlecht</strong>sbezogene Pädagogik an Gr<strong>und</strong>-<br />

schulen. Basiswissen <strong>und</strong> Modelle zur För<strong>der</strong>ung sozialer Kompetenzen bei Jungen<br />

<strong>und</strong> Mädchen. Wiesbaden: VS-Verlag. S. 173; siehe auch Drägeste<strong>in</strong>, Bernd / Grote,<br />

Christoph 2004, S. 32<br />

Ziele Wahrnehmung eigener Grenzen <strong>und</strong> Achtung <strong>der</strong> Grenzen an<strong>der</strong>er, Wahrnehmen<br />

von eigenen Gefühlen <strong>und</strong> Zuordnen zu körperlichen Reaktionen, Vertrauen <strong>in</strong> Sig-<br />

nale des Körpers gew<strong>in</strong>nen<br />

Zielgruppe Gr<strong>und</strong>schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> -schüler, aber auch für Sek<strong>und</strong>arstufe I geeignet<br />

Durchfüh-<br />

rung<br />

Materia-<br />

lien<br />

„Zwei Freiwillige teilen sich e<strong>in</strong>ige Meter vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> entfernt auf; die an<strong>der</strong>en<br />

Jungen bzw. Mädchen beobachten von außen. Beide gehen langsam aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu<br />

<strong>und</strong> sollen dann stoppen, wenn sie e<strong>in</strong>e angemessene Nähe erreicht haben. Dabei<br />

schauen sich beide Mädchen bzw. Jungen kont<strong>in</strong>uierlich <strong>in</strong> die Augen, ohne wegzu-<br />

schauen, ohne zu starren <strong>und</strong> ohne zu sprechen / lachen. Dann werden beide nach-<br />

e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> befragt, wo es für sie am Angenehmsten ist. Beide tarieren noch mal aus,<br />

<strong>in</strong>dem sie nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Schritt vor <strong>und</strong> dann zwei Schritte zurückgehen. Es<br />

entsteht zumeist die Situation, dass beide e<strong>in</strong>e unterschiedliche Distanz als angenehm<br />

empf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> dass sie die Grenzüberschreitung <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Körperregionen wahr-<br />

nehmen: die e<strong>in</strong>e spürt es im Magen, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Brust. Oftmals überschreiten<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Grenze des eigenen Wohlempf<strong>in</strong>dens. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wird e<strong>in</strong><br />

sehr weiter Abstand zumeist als langweilig erlebt. Es geht also um e<strong>in</strong>en ganz per-<br />

sönlichen Abstand, <strong>der</strong> jedoch mit dem Gegenüber verhandelt werden will. Gar nicht<br />

so e<strong>in</strong>fach, Grenzen zu respektieren <strong>und</strong> sie zu behaupten.“<br />

werden nicht benötigt<br />

Kommentar: Es handelt sich um e<strong>in</strong>e gerade für den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die übergreifende Thematik Konflikt-<br />

verhalten, Selbstbehauptung <strong>und</strong> Grenzsetzung geeignete erfahrungsorientierte Übung. Hierbei werden<br />

die Gruppen oftmals nach <strong>Geschlecht</strong> getrennt. Es geht darum, weitere Handlungsperspektiven zu<br />

erwerben, um adäquater <strong>und</strong> passen<strong>der</strong> auf Situationen zu reagieren. Dabei ist es wichtig, dass die<br />

beteiligten Jungen bzw. Mädchen auch jene als „mädchenhaft“ o<strong>der</strong> feige abgewertete Handlungswei-<br />

sen gr<strong>und</strong>sätzlich als s<strong>in</strong>nvoll erachten können. Welche Strategien sie e<strong>in</strong>setzen können <strong>und</strong> möchten,<br />

7 Die Angaben über die Durchführung <strong>und</strong> die Ziele s<strong>in</strong>d den jeweils angegebenen Quellen entnommen, zusätzlich<br />

s<strong>in</strong>d die Praxisbeispiele durch eigene Kommentare ergänzt worden.<br />

47


müssen die Mädchen <strong>und</strong> Jungen selbst entscheiden.<br />

Diese Übung kann für sich stehen, ist aber auch dazu geeignet, um Gegenstand für weitere thematisch<br />

relevante Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen zu werden. Hilfreich ist auch hier, dass Fragen zu den Gefühlen <strong>und</strong><br />

Gedanken <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong> nach <strong>der</strong> Übung von <strong>der</strong> Leitung gestellt werden. Zunächst<br />

sollte die Leitung nach Beobachtungen fragen, erst dann nach den Beweggründen, warum er/sie stehen<br />

geblieben ist. Wichtig ist es, Gefühle herauszuarbeiten. Auch <strong>der</strong> zweite Junge/das zweite Mädchen<br />

sollte nach se<strong>in</strong>en/ihren Gefühlsregungen gefragt werden. Die Antworten <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schü-<br />

ler sollten dabei nicht bewertet werden. Hier ist e<strong>in</strong>e von Vertrauen geprägte Atmosphäre erfor<strong>der</strong>lich,<br />

weshalb solche Übungen beson<strong>der</strong>s gut durch externe Fachkräfte im Rahmen von Projekten durchge-<br />

führt werden. Jantz <strong>und</strong> Brandes weisen darauf h<strong>in</strong>, dass Mädchen vielfach erst lernen müssen, ihre<br />

Grenzen überhaupt zu akzeptieren <strong>und</strong> Jungen lernen müssen, diejenigen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu respektieren,<br />

weshalb diese Übung häufig <strong>in</strong> geschlechtshomogenen Gruppen durchgeführt wird. Doch auch hierbei<br />

s<strong>in</strong>d Differenzen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> <strong>Geschlecht</strong>ergruppen zu berücksichtigen.<br />

„Stopp-Übung“ − Grenzen wahrnehmen <strong>und</strong> behaupten<br />

Quelle Jantz, Olaf / Brandes, Susanne (2006): <strong>Geschlecht</strong>sbezogene Pädagogik an Gr<strong>und</strong>schu-<br />

len. Basiswissen <strong>und</strong> Modelle zur För<strong>der</strong>ung sozialer Kompetenzen bei Jungen <strong>und</strong><br />

Mädchen. Wiesbaden: VS-Verlag. S. 174.<br />

Ziele Selbstbehauptung <strong>und</strong> Grenzsetzung, Kommunikations- <strong>und</strong> Deeskalationsstrategien<br />

werden tra<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> dadurch Handlungsmöglichkeiten erweitert<br />

Zielgruppe Gr<strong>und</strong>schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> -schüler, jedoch auch für Sek<strong>und</strong>arstufe I geeignet<br />

Durchfüh-<br />

rung<br />

(Verlauf)<br />

Materia-<br />

lien<br />

„Alle Mädchen bzw. Jungen stellen sich <strong>in</strong> zwei Reihen gegenüber auf. Die e<strong>in</strong>e Reihe<br />

geht nun auf die an<strong>der</strong>e zu. Diese bekommt die Aufgabe, e<strong>in</strong> kurzes Stopp zu schreien,<br />

so dass ihr jeweiliges gegenüber stehen bleibt (wenn er/sie überzeugt ist!). Die Erfah-<br />

rung zeigt, dass Jungen wie Mädchen nicht die resolute <strong>und</strong> damit überzeugende Form<br />

f<strong>in</strong>den. Entwe<strong>der</strong> sie helfen sich mithilfe körperlicher Aggression o<strong>der</strong> aber sie lassen<br />

es ‚über sich ergehen’. Also üben wir das angemessene Schreien, <strong>in</strong>dem wir Hand, Fuß<br />

<strong>und</strong> Stoppschrei zusammen koord<strong>in</strong>ieren <strong>und</strong> wirklich nur e<strong>in</strong> Stopp rufen. Aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Hand- <strong>und</strong> Fußbewegung ähnelt dies auch e<strong>in</strong>em Karateschlag, <strong>der</strong> jedoch auf die<br />

Absteckung <strong>der</strong> eigenen Intimsphäre (persönliche Aura) nach unten <strong>und</strong> nicht offensiv<br />

gegen den verme<strong>in</strong>tlichen Gegner gerichtet ist. Jungen s<strong>in</strong>d oft erstaunt, wie leicht es<br />

gel<strong>in</strong>gt, den an<strong>der</strong>en ohne <strong>Gewalt</strong>eskalation zum Stehen zu bewegen. Mädchen s<strong>in</strong>d<br />

überrascht, dass sie mit ihrer eigenen Stimme so wirkungsvoll se<strong>in</strong> können.“<br />

werden nicht benötigt<br />

48


Kommentar: Auch diese an den Bedürfnissen <strong>der</strong> teilnehmenden Mädchen <strong>und</strong> Jungen orientierte<br />

Übung zielt darauf, Grenzen zu setzen <strong>und</strong> Aspekte von Selbstbehauptung auszuprobieren. Ähnlich<br />

wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorher beschriebenen Übung geht es auch hier darum, „Kontakt <strong>und</strong> Grenze“ – oft <strong>in</strong> ge-<br />

schlechtsgetrennten Gruppen - zu erproben <strong>und</strong> zu thematisieren, welche Strategien erfolgreich s<strong>in</strong>d<br />

<strong>und</strong> deeskalierend wirken <strong>und</strong> welche Verhaltenweisen eher zur Eskalation beitragen. Die Schüler<strong>in</strong>-<br />

nen <strong>und</strong> Schüler lernen, auf ihre Wahrnehmung, ihre Körpersprache <strong>und</strong> ihre Stimme zu achten <strong>und</strong><br />

diese bewusst e<strong>in</strong>zusetzen. Die Mädchen <strong>und</strong> Jungen, die hierbei eher auf die „leisen“ Signale setzen,<br />

um sich abzugrenzen, die aber dabei oft vom Gegenüber nicht richtig erkannt werden, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem<br />

Ausprobieren an<strong>der</strong>er Strategien zu ermutigen. Umgekehrt können Schüler <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen, die zwar<br />

deutlich <strong>und</strong> klar Signale setzen, damit jedoch auf ihr Gegenüber provozierend wirken <strong>und</strong> somit zur<br />

<strong>Gewalt</strong>eskalation beitragen, ebenfalls dar<strong>in</strong> unterstützt werden, an<strong>der</strong>e Strategien zu erproben.<br />

<strong>Gewalt</strong>verständnis <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>erperspektiven erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> thematisieren<br />

Quelle Jantz, Olaf / Brandes, Susanne (2006): <strong>Geschlecht</strong>sbezogene Pädagogik an Gr<strong>und</strong>-<br />

schulen. Basiswissen <strong>und</strong> Modelle zur För<strong>der</strong>ung sozialer Kompetenzen bei Jungen<br />

<strong>und</strong> Mädchen. Wiesbaden: VS-Verlag. S. 64 f.<br />

Ziele <strong>Gewalt</strong>verständnis <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>erperspektiven <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler er-<br />

k<strong>und</strong>en, gesellschaftliche <strong>Geschlecht</strong>ernormierungen <strong>und</strong> Stereotype h<strong>in</strong>terfragen<br />

Zielgruppe Gr<strong>und</strong>schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> –schüler<br />

Durchfüh-<br />

rung<br />

(Verlauf)<br />

„Lesen Sie den SchülerInnen Ihrer Klasse bzw. Gruppe folgende Geschichte vor:<br />

‚Als ich gestern <strong>in</strong> den Schulbus stieg, s<strong>in</strong>d mir diese beiden aufgefallen. Sie haben<br />

sich lauthals gestritten <strong>und</strong> als sie mich erblickten, haben sie mich geme<strong>in</strong>sam beschimpft.<br />

Auf e<strong>in</strong>mal waren sie e<strong>in</strong> Herz <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Seele. Als ich versuchte, mich bei<br />

den Größeren zu verstecken, haben sie mich dann noch geschubst, aber ke<strong>in</strong>er hat<br />

mir geholfen. Und dann als ich dachte, dass alles wie<strong>der</strong> vorbei war, haben sie mich<br />

bei <strong>der</strong> Haltestelle an <strong>der</strong> Königsallee e<strong>in</strong>fach aus dem Bus geschubst <strong>und</strong> haben<br />

mich nicht wie<strong>der</strong> re<strong>in</strong> gelassen. Der Busfahrer ist e<strong>in</strong>fach weitergefahren, als hätte<br />

er nichts bemerkt. Jetzt habe ich me<strong>in</strong>e Hausaufgaben nicht mit, weil me<strong>in</strong> Ranzen<br />

im Bus geblieben ist.’<br />

(Möglicherweise sollte <strong>der</strong> Text den Bed<strong>in</strong>gungen an Ihrer <strong>Schule</strong> angepasst werden,<br />

v.a. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sprache <strong>und</strong> den Details.)<br />

Lassen sie die Jungen <strong>und</strong> Mädchen getrennt darüber abstimmen, welches Ge-<br />

schlecht die e<strong>in</strong>zelnen Akteure/Akteur<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Episode haben könnten. Tauschen<br />

Sie dann wechselweise das <strong>Geschlecht</strong> <strong>der</strong> Akteure <strong>in</strong> <strong>der</strong> Episode aus <strong>und</strong> lassen Sie<br />

sich erklären, was das für die SchülerInnen jeweils bedeuten würde: Ist die Ge-<br />

schichte dann jeweils noch realistisch? Was wären das für Mädchen, die prügeln?<br />

Usw.<br />

Achten Sie dann auf die Begründungen <strong>der</strong> Jungen im Vergleich zu <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong><br />

49


Mädchen <strong>und</strong> halten Sie die Kernelemente ihrer Argumentation an <strong>der</strong> Tafel fest.<br />

Notieren Sie,<br />

�� was Ihnen beson<strong>der</strong>s auffällt;<br />

�� ob es <strong>Geschlecht</strong>erunterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begründung gibt;<br />

�� <strong>in</strong>wiefern Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung zu beobachten s<strong>in</strong>d, wie das<br />

Handeln bewertet wird, wenn es sich um Jungen o<strong>der</strong> Mädchen handeln<br />

würde.“<br />

Materialien werden nicht benötigt<br />

Kommentar: Um das <strong>Gewalt</strong>verständnis <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler zu thematisieren <strong>und</strong> Ge-<br />

schlechterperspektiven näher zu erk<strong>und</strong>en, eignet sich dieser Zugang auch für den projektorientierten<br />

Unterricht. Ausgehend von den Deutungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wird darauf zu achten se<strong>in</strong>, Stereotype nicht<br />

überzustülpen, son<strong>der</strong>n durchaus auch heterogene <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuelle Perspektiven aufzugreifen. Der<br />

Blick wird auf die Klasse selbst gelenkt, da die Mädchen <strong>und</strong> Jungen ihre Perspektiven mit denen an-<br />

<strong>der</strong>er wechselseitig kontrastieren. Je nach Schulstufe <strong>und</strong> zur Verfügung stehendem zeitlichem Rah-<br />

men ist es möglich, Themen wie <strong>Geschlecht</strong>ernormierungen h<strong>in</strong>sichtlich des Umgangs mit <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong><br />

Aggression näher zu thematisieren <strong>und</strong> dabei eigene Erfahrungsh<strong>in</strong>tergründe <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Schüler aufzugreifen. Mädchen <strong>und</strong> Jungen haben die Gelegenheit, ihre persönlichen Vorstellungen<br />

mit den an<strong>der</strong>en zu diskutieren <strong>und</strong> sche<strong>in</strong>bare Selbstverständlichkeiten zu h<strong>in</strong>terfragen.<br />

„E<strong>in</strong>e neue Stärke f<strong>in</strong>den“ – Übung zum Thema Selbstbehauptung<br />

Quelle Bissuti, Romeo / Wagner, Günter / Wölfl, Georg (2002): Stark! Aber wie? Metho-<br />

densammlung <strong>und</strong> Arbeitsunterlagen zu Jungenarbeit mit dem Schwerpunkt Ge-<br />

waltprävention. Hrsg. vom B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium für Bildung, Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Kultur. Wien, S. 43.<br />

Ziele Grenzverletzungen <strong>und</strong> dom<strong>in</strong>antes Verhalten <strong>in</strong> Beziehungen thematisieren<br />

Zeit Ca. 60-90 M<strong>in</strong>uten<br />

Zielgruppe Für Jungen ab Klasse 6 von den Autoren empfohlen; unseres Erachtens durchaus<br />

Durchführung<br />

(Verlauf)<br />

anwendbar <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit Mädchen<br />

„Teilen Sie die Jungengruppe <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen. Jede Gruppe bekommt nun e<strong>in</strong>e <strong>der</strong><br />

unten stehenden Situationen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> Problem zu lösen ist. Als Übungsleiter<br />

empfiehlt es sich, selbst im Vorfeld Szenen zu aktuellen Themen o<strong>der</strong> Konflikten<br />

zu entwickeln. Jede Gruppe bekommt die Aufgabe, sich für die Szene (m<strong>in</strong>destens)<br />

zwei verschiedene Möglichkeiten zu überlegen, wie sich die Situation weiterentwi-<br />

ckeln könnte. Anschließend spielen die Gruppen diese beiden Szenen vor. Disku-<br />

tieren Sie danach den Verlauf <strong>der</strong> Szenen, was die e<strong>in</strong>zelnen Personen <strong>in</strong> ihren<br />

50


Material<br />

Rollen zur weiteren Entwicklung beigetragen haben usw.<br />

Wichtige Fragen können hier se<strong>in</strong>:<br />

�� Was s<strong>in</strong>d die Vorteile <strong>der</strong> ersten <strong>und</strong> zweiten Lösung?<br />

�� Was haben die Personen erreicht <strong>und</strong> auf welche Weise?<br />

�� War <strong>Gewalt</strong> im Spiel? Wenn ja, wo <strong>und</strong> von wem?<br />

�� Von welcher Figur <strong>in</strong> welcher Szene könnte man sich was ‚abschauen’?“<br />

„Was nun?“-Szenen o<strong>der</strong> eigene vorbereitete Szenen<br />

�� De<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> telefoniert gerade <strong>und</strong> du musst e<strong>in</strong>en wichtigen <strong>und</strong> dr<strong>in</strong>genden<br />

Anruf machen.<br />

�� Du hast dich schon seit St<strong>und</strong>en für Konzerttickets angestellt, als sich jemand<br />

vor dir <strong>in</strong> die Reihe drängeln will.<br />

�� E<strong>in</strong> Lehrer beschuldigt dich, ungerechterweise, dass du bei e<strong>in</strong>em Test geschummelt<br />

hast – <strong>und</strong> nimmt ihn dir weg.<br />

�� De<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong>e drängen dich e<strong>in</strong>e Party bei dir zu Hause zu feiern, weil<br />

de<strong>in</strong>e Eltern gerade im Urlaub s<strong>in</strong>d. Du hast den Eltern aber versprochen,<br />

das nicht zu tun.<br />

�� Du freust dich schon seit Tagen auf e<strong>in</strong>en Film im Fernsehen. Am Abend<br />

kommt de<strong>in</strong>e Schwester mit Fre<strong>und</strong>en/ Fre<strong>und</strong><strong>in</strong>nen nach Hause, die sich<br />

auf eurem Fernseher e<strong>in</strong> Video ansehen wollen.<br />

Kommentar: Diese Übung ist gut geeignet, um das Thema „Abgrenzung“ <strong>und</strong> Herstellung von Balan-<br />

cen zwischen (verme<strong>in</strong>tlichen/tatsächlichen) Bedürfnissen An<strong>der</strong>er <strong>und</strong> dem Vertreten eigener Be-<br />

dürfnisse <strong>und</strong> Grenzen zu behandeln. Wichtige Voraussetzung dafür ist jedoch, eigene Bedürfnisse<br />

<strong>und</strong> Grenzen überhaupt wahrnehmen zu können. Weiterh<strong>in</strong> spielt die Sorge, soziale Beziehungen<br />

durch Abgrenzung, auch aggressiv-konstruktiver Art, zu gefährden, gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> weiblichen Soziali-<br />

sation e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle. Es empfiehlt sich hier, auch nach Szenen aus dem Alltag <strong>der</strong> Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen zu fragen <strong>und</strong> diese zum Gegenstand entsprechen<strong>der</strong> Fragestellungen zu machen. Ergän-<br />

zend können solche Szenen im Rollenspiel mit unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten erprobt wer-<br />

den. Hier ist darauf zu achten, dass <strong>der</strong> Verhaltensspielraum mancher Mädchen <strong>und</strong> Jungen zwischen<br />

den Polen völliger Selbstzurücknahme <strong>und</strong> extremer Selbstbehauptung verengt se<strong>in</strong> kann. Die von den<br />

Autoren angebotenen Nachfragen zu den Szenen sollten u.E. noch erweitert werden: Wie mögen sich<br />

die jeweiligen Personen wohl gefühlt haben? Welche Bedürfnisse hatten sie (eigentlich)? Welche Lö-<br />

sungen könnten hier nahe liegen <strong>und</strong> welche Konsequenzen hätten diese vermutlich (für wen)? Ken-<br />

nen die Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler ähnliche Situationen, <strong>in</strong> denen sie selbst schon mal ähnlich/an<strong>der</strong>s<br />

reagiert haben, <strong>und</strong> was war ihnen dabei hilfreich? Zwar heißt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Überschrift zu <strong>der</strong> Übung „ei-<br />

ne neue Stärke f<strong>in</strong>den“, aber hier sollte auch danach gesucht werden, was bereits an Handlungskompe-<br />

tenzen vorhanden ist.<br />

51


Dom<strong>in</strong>antes Beziehungsverhalten - „Stopp-Geschichte Schulfest“<br />

Quelle Bissuti, Romeo / Wagner, Günter / Wölfl, Georg (2002): Stark! Aber wie? Metho-<br />

densammlung <strong>und</strong> Arbeitsunterlagen zu Jungenarbeit mit dem Schwerpunkt Ge-<br />

waltprävention. Hrsg. vom B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium für Bildung, Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Kultur. Wien, S. 60.<br />

Ziele Grenzverletzungen <strong>und</strong> dom<strong>in</strong>antes Verhalten <strong>in</strong> Beziehungen thematisieren<br />

Zeit etwa 60 M<strong>in</strong>uten<br />

Zielgruppe Für Jungen ab Klasse 6 von den Autoren empfohlen; unseres Erachtens durchaus<br />

Durchführung<br />

(Verlauf)<br />

auch anwendbar <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit Mädchen, wenn die Fragestellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aus-<br />

wertung entsprechend modifiziert werden (siehe dazu Kommentar)<br />

„Bilden Sie drei Kle<strong>in</strong>gruppen, die sich jeweils <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ecke des Raumes aufstel-<br />

len. Diese drei Positionen stehen für drei Personen: Sab<strong>in</strong>e, Karl <strong>und</strong> Gerhard.<br />

Erklären Sie den Jungen, dass Sie nun e<strong>in</strong>e Geschichte vorlesen werden, wobei Sie<br />

diese immer wie<strong>der</strong> kurz unterbrechen werden. Die Gruppen haben die Aufgabe,<br />

sich <strong>in</strong> ihre Figur h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen, d. h. sich zu überlegen, wie es <strong>der</strong> Person<br />

wohl geht usw. Sie werden bei je<strong>der</strong> Unterbrechung die Me<strong>in</strong>ungen zum Bef<strong>in</strong>den<br />

<strong>der</strong> Personen erfragen. Beg<strong>in</strong>nen Sie nun die Geschichte bis zum ersten Stopp vor-<br />

zulesen. Fragen Sie anschließend jede Gruppe:<br />

Wie geht es <strong>der</strong> Person wohl gerade? Was würde sie gerne als nächstes tun? Wie<br />

könnte die Geschichte weitergehen?<br />

Wenn Sie alle drei Positionen befragt haben, setzen Sie die Geschichte bis zum<br />

nächsten Stopp fort, <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>holen Sie das Befragen. Wenn die Geschichte zu<br />

Ende ist, kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Großgruppe noch e<strong>in</strong>mal über die Szene diskutiert werden:<br />

Was genau ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Szene passiert? Welche Grenzverletzungen s<strong>in</strong>d passiert?<br />

War <strong>Gewalt</strong> im Spiel <strong>und</strong> wo war das? Ist die Geschichte zu e<strong>in</strong>em „guten“ Ende<br />

gekommen? Wann <strong>und</strong> wo hättet ihr euch an<strong>der</strong>s verhalten?<br />

Die Diskussion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Großgruppe kann zu e<strong>in</strong>igen „Aha“-Erlebnissen <strong>in</strong> Bezug<br />

auf Grenzverletzungen <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> führen. Sie können mit den Jungen auch dar-<br />

über reden, ob sie selbst solche o<strong>der</strong> ähnliche Situationen schon erlebt haben.“<br />

Material „Sab<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Karl s<strong>in</strong>d seit e<strong>in</strong>iger Zeit zusammen. Diesen Freitag gehen sie zu<br />

e<strong>in</strong>em Fest. Karl verbr<strong>in</strong>gt an diesem Abend die meiste Zeit mit se<strong>in</strong>en Fre<strong>und</strong>en.<br />

Als Sab<strong>in</strong>e gerade mit ihren Fre<strong>und</strong><strong>in</strong>nen spricht, for<strong>der</strong>t sie ihr Schulkollege Gerhard<br />

zum Tanzen auf. STOPP<br />

Sie tanzen zu e<strong>in</strong>em schnellen Lied. Danach besorgt sich Sab<strong>in</strong>e Popcorn <strong>und</strong> setzt<br />

sich zu Fre<strong>und</strong>en an den Tisch. Gerhard blickt ihr nach, bleibt aber auf <strong>der</strong> Tanzfläche.<br />

STOPP<br />

Karl setzt sich zu Sab<strong>in</strong>e. Er befiehlt ihr ihren Pullover anzuziehen, da ihre Bluse<br />

zu eng sei. STOPP<br />

52


Sab<strong>in</strong>e gehorcht <strong>und</strong> zieht ihren Pullover an. Karl fragt, ob sie diese Bluse für Gerhard<br />

trägt. STOPP<br />

Sab<strong>in</strong>e sagt ihm, er soll aufhören, sich wie e<strong>in</strong> Trottel zu benehmen. Als sie aufsteht,<br />

um zu gehen, hält sie Karl am Arm fest. Sab<strong>in</strong>e reißt sich los <strong>und</strong> verlässt das<br />

Lokal. Gerhard beobachtet die Szene aus e<strong>in</strong>iger Entfernung. STOPP<br />

Kurz darauf läuft ihr Karl nach <strong>und</strong> bittet sie um Verzeihung <strong>und</strong> sagt, dass er das<br />

nicht so geme<strong>in</strong>t habe, aber er hat gesehen, wie Gerhard sie angestarrt hat. Karl<br />

verspricht, dass das nie wie<strong>der</strong> passiert. STOPP<br />

Sie umarmen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Beim Weitergehen sagt Karl: ‚Wenn du mich nicht so verrückt<br />

machen würdest, würde ich nicht so ausrasten.’ STOPP“<br />

Kommentar: Diese für die Jungenarbeit zum Thema Grenzverletzung <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> Beziehungen<br />

konzipierte Übung regt zur Perspektivübernahme an <strong>und</strong> lässt die Jungen mit ihren Vorstellungen über<br />

<strong>Geschlecht</strong>, männliche Dom<strong>in</strong>anz/Machtverhältnis im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis (Macht gegenüber Frau-<br />

en <strong>und</strong> gegenüber untergeordneten Männlichkeiten) <strong>und</strong> den Umgang zwischen Männern <strong>und</strong> gegen-<br />

über Frauen zur Sprache kommen. Die angegebene Zeitvorgabe sche<strong>in</strong>t uns sehr knapp gewählt, da<br />

h<strong>in</strong>reichend Zeit für die Auswertung <strong>der</strong> Übung, möglicherweise auch zeitweilig <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen,<br />

vorhanden se<strong>in</strong> sollte. Wichtig ersche<strong>in</strong>en uns auch noch Fragen danach, was alternative Verhaltens-<br />

weisen möglicherweise verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t hat, welche Ängste <strong>und</strong> Befürchtungen e<strong>in</strong>e Rolle gespielt haben<br />

<strong>und</strong> was geholfen hätte, diese Situation an<strong>der</strong>s zu bewältigen. Also: Wie hätte sich Karl noch verhalten<br />

können <strong>und</strong> worum hat er dies nicht getan? Was hat ihn daran geh<strong>in</strong><strong>der</strong>t <strong>und</strong> was war se<strong>in</strong>e Absicht?<br />

Problematisch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umsetzung solcher Übung kann es dann werden, wenn (ungewollt) Stereotype<br />

verfestigt werden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Defizitperspektive auf die Jungen dom<strong>in</strong>iert.<br />

Diese Übung kann durchaus auch im Rahmen von Mädchenarbeit durchgeführt werden. Für die Aus-<br />

wertung wäre auch hier <strong>in</strong>teressant: Welches Mädchen hat so ähnliche Situationen schon mal erlebt?<br />

Wie hat sie sich gefühlt? Was hätte ihr geholfen? Was könnte sie zukünftig <strong>in</strong> ähnlichen Situationen<br />

(noch) tun <strong>und</strong> mit welchem Ziel? Was könnte dann passieren? Das Mädchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte hat<br />

sich <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung ihres Fre<strong>und</strong>es gebeugt (den Pullover angezogen). Die letzte Äußerung ihres<br />

Fre<strong>und</strong>es enthält e<strong>in</strong>e Zuschreibung von Verantwortung an se<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong><strong>in</strong>, auch diese sollte h<strong>in</strong>ter-<br />

fragt werden. Wie könnte es mit <strong>der</strong> Geschichte weitergehen?<br />

„Wie im richtigen Leben“ − Methode im Rahmen <strong>in</strong>tersektionaler <strong>Gewalt</strong>prävention<br />

Quelle Bauste<strong>in</strong> zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit (http://bauste<strong>in</strong>.dgb-bwt.de), ent-<br />

nommen aus: Dissens e.V. 2008<br />

(http://www.dissens.de/isgp/methoden2.php#leben)<br />

Ziele Es handelt sich um e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fach simuliertes Rollenspiel, mit dem gesellschaftliche<br />

Dom<strong>in</strong>anzverhältnisse <strong>in</strong> ihren subjektiven Konsequenzen räumlich anschaulich<br />

<strong>und</strong> besprechbar gemacht werden. Folgende Ziele verfolgen die Autoren:<br />

�� e<strong>in</strong>e Analyse gesellschaftlich ungleicher Verteilung von Möglichkeiten<br />

vornehmen<br />

53


�� Erkennen von gesellschaftlichen Dom<strong>in</strong>anzverhältnissen för<strong>der</strong>n<br />

�� den Gedanken, dass bestehende Normen, Werte <strong>und</strong> symbolische Repräsentationen<br />

immer auch bestehenden Dom<strong>in</strong>anzverhältnisse festigen<br />

�� e<strong>in</strong>e Vorstellung von struktureller <strong>Gewalt</strong> bekommen<br />

�� für unterschiedlichen H<strong>in</strong>tergründe von Menschen sensibel werden<br />

�� Empathie für gesellschaftlich diskrim<strong>in</strong>ierte Gruppen von Menschen entwickeln<br />

�� die Fähigkeit schulen, unterschiedliche gesellschaftliche Dom<strong>in</strong>anzverhältnisse<br />

zu analysieren<br />

�� die Fähigkeit entwickeln, <strong>in</strong>dividuelle Erfahrungen mit gesellschaftlichen<br />

Strukturen <strong>in</strong> Zusammenhang stellen zu können<br />

Zeit / Dauer 90 - 120 M<strong>in</strong>uten<br />

Zielgruppe Jugendliche ab 14 Jahren, die Gruppe sollte nicht größer als 16, aber nicht kle<strong>in</strong>er<br />

als 10 Personen se<strong>in</strong><br />

Material Rollenkarten <strong>und</strong> Fragen (siehe unten) bezüglich unterschiedlicher gesellschaftli-<br />

Durchführung<br />

(Verlauf)<br />

cher Diskrim<strong>in</strong>ierungen <strong>und</strong> Privilegierungen; <strong>der</strong> Raum sollte so groß se<strong>in</strong>, dass<br />

die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe stehen können <strong>und</strong> sich entsprechend <strong>der</strong> An-<br />

zahl <strong>der</strong> Fragen nach vorn bewegen können.<br />

Vorbereitung<br />

„Die Methode kann als zentrale Übung zur Thematisierung <strong>und</strong> Bearbeitung fol-<br />

gen<strong>der</strong> Fragen e<strong>in</strong>gesetzt werden: Wer ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft wie diskrim<strong>in</strong>iert <strong>und</strong><br />

wer privilegiert? Wer ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft adäquat repräsentiert <strong>und</strong> wer nicht?<br />

Wie gehen Menschen auf <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Ebene mit Privilegierungen <strong>und</strong> Dis-<br />

krim<strong>in</strong>ierungen um?<br />

Die Rollenkarten <strong>und</strong> Fragen sollten gut an das Alter <strong>und</strong> Wissen <strong>der</strong> Teilnehmen-<br />

den angepasst se<strong>in</strong>. Für die Auswertung ist es wichtig, <strong>in</strong> den angesprochenen<br />

Themenfel<strong>der</strong> gut vorbereitet zu se<strong>in</strong>.<br />

Anleitung:<br />

Wie im richtigen Leben ist e<strong>in</strong> sehr reduziertes Rollenspiel mit kurzen Rollenbe-<br />

schreibungen; die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit auf Fragen, die von <strong>der</strong> Spielleitung gestellt<br />

werden, zu antworten, ist sich vor zu bewegen o<strong>der</strong> stehen zu bleiben. Wird e<strong>in</strong>e<br />

Frage mit JA beantwortet, kann sich vorwärts bewegt werden, wenn die Antwort<br />

NEIN ist, so bleibt die Person an <strong>der</strong> Stelle. Am Ende <strong>der</strong> Übung zeigt sich e<strong>in</strong><br />

räumlich vermitteltes Bild gesellschaftlicher Dom<strong>in</strong>anzverhältnisse.<br />

(Beispiele für Rollenkarten <strong>und</strong> Fragen<br />

f<strong>in</strong>den sich am Ende des Methodenblatts)<br />

1. Zu Beg<strong>in</strong>n vermitteln Sie den Teilnehmenden, dass Sie nun e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Rol-<br />

lenspiel machen, <strong>in</strong> dem die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit zu agieren das vorwärts Bewegen<br />

(für JA) o<strong>der</strong> Stehen Bleiben (für NEIN) ist.<br />

54


Material: Fra-<br />

gen <strong>und</strong> Rol-<br />

lenkarten<br />

2. Bitten Sie die Teilnehmenden, sich an e<strong>in</strong>em Ende des Raums aufzureihen. Von<br />

diesem Zeitpunkt an darf nicht mehr geredet werden. Alle bekommen e<strong>in</strong>e Rollen-<br />

Karte, mit <strong>der</strong> sie sich für zwei M<strong>in</strong>uten beschäftigen <strong>und</strong> <strong>in</strong> sie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>versetzen<br />

sollen. Für den Fall, dass die Rolle unklar ist, können die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen sie<br />

sich von <strong>der</strong> Spielleitung erklären lassen. Bei <strong>der</strong> Zuteilung <strong>der</strong> Rollenkarten sollte<br />

versucht werden, darauf zu achten, dass Teilnehmer/<strong>in</strong>nen aus e<strong>in</strong>er diskrim<strong>in</strong>ier-<br />

ten Gruppe nicht jene Rollenkarte zugeteilt bekommen, die sehr nah an <strong>der</strong> persön-<br />

lichen Situation ist, was nicht immer mit Sicherheit zu gewährleisten ist.<br />

3. Wenn sich alle <strong>in</strong> ihre Rolle h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>versetzt haben, kann mit den Fragen begon-<br />

nen werden. Weisen Sie an dieser Stelle noch mal darauf h<strong>in</strong>, dass die Fragen so<br />

beantwortet werden sollen, wie sie denken, dass die Person im wirklichen Leben<br />

antworten würde o<strong>der</strong> müsste. Falls Unklarheiten darüber bestehen, so sollen diese<br />

für die Auswertung er<strong>in</strong>nert werden. Die Teilnehmenden können sich zur Er<strong>in</strong>ne-<br />

rung auch Notizen machen. Während <strong>der</strong> Übung selbst sollen die Unsicherheiten<br />

jedoch nicht besprochen werden. Die Anzahl <strong>der</strong> Fragen kann variieren, sollte<br />

jedoch nicht unter 12 liegen.“<br />

Auswertung/Bewertung<br />

„Die Auswertung ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegraler <strong>und</strong> wichtiger Teil <strong>der</strong> Methode. Die Teilneh-<br />

menden bleiben zunächst dort, wo sie nach <strong>der</strong> letzten Frage waren. Zu Beg<strong>in</strong>n<br />

fragen Sie, wie es sich anfühlt, an <strong>der</strong> Stelle zu se<strong>in</strong>, wo jede/r sich bef<strong>in</strong>det. Sie<br />

können die an<strong>der</strong>en fragen, ob sie e<strong>in</strong>e Idee haben, um was für e<strong>in</strong>e Person es sich<br />

handeln könnte. Dann bitten Sie darum, die Rollenkarte vorzulesen. So befragen<br />

Sie alle Teilnehmer/<strong>in</strong>nen. Fragen Sie auch nach Unsicherheiten <strong>in</strong> Bezug auf die<br />

Beantwortung e<strong>in</strong>zelner Fragen. Achten Sie auch darauf, dass alle Fragen e<strong>in</strong>mal<br />

öffentlich diskutiert worden s<strong>in</strong>d. Falls falsche Fakten im Raum s<strong>in</strong>d, korrigieren<br />

Sie diese. So können z.B. falsche Informationen <strong>in</strong> Bezug auf die Rechte von Men-<br />

schen mit unterschiedlichem Aufenthaltstatus vorliegen. Danach kann e<strong>in</strong>e weitere<br />

Auswertungsfrage se<strong>in</strong>: Wer ist vorwärts gekommen, wer ist zurückgeblieben?“<br />

Mögliche Fragen zur Auswertung:<br />

„Warum s<strong>in</strong>d verschiedene Gruppen von Menschen unterschiedlich vorwärts ge-<br />

kommen o<strong>der</strong> mussten zurückblieben? Welche Gruppen von Menschen wurden<br />

stärker e<strong>in</strong>geschränkt? Macht die Übung sozialen Hierarchien sichtbar? Anhand<br />

welcher Differenzl<strong>in</strong>ien taucht Ungleichheit auf? Wie <strong>in</strong>teragieren die verschiede-<br />

nen Formen von Ungleichheit mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>?“<br />

Fragen:<br />

1. Kannst du dich frei bewegen, zum Beispiel die Stadt verlassen o<strong>der</strong> reisen?<br />

(Bewegungsfreiheit)<br />

2. Steht dir genügend Geld für die Basisgüter des alltäglichen Lebens (Wohnen, Essen etc.)<br />

55


lenkarten<br />

zur Verfügung? (ökonomische Basisversorgung)<br />

3. Hast du e<strong>in</strong>en sicheren Ort, wo du se<strong>in</strong> kannst, wo du dich sicher fühlst? (Wohnen)<br />

4. Gehst du e<strong>in</strong>er befriedigenden Beschäftigung nach, durch die du auch Anerkennung<br />

erfährst? (Arbeit)<br />

5. Kannst du die nächsten 5 Jahre de<strong>in</strong> Leben planen? (Arbeit, Sicherheit)<br />

6. Hast du e<strong>in</strong>e Krankenversicherung o<strong>der</strong> kannst du je<strong>der</strong>zeit, wenn es nötig ist, e<strong>in</strong>e/n<br />

Arzt/Ärzt<strong>in</strong> aufsuchen? (Ges<strong>und</strong>heitsversorgung)<br />

7. Kannst du dich nachts ohne Furcht auf <strong>der</strong> Straße bewegen? (persönliche Sicherheit)<br />

8. Kannst du die Polizei rufen, wenn es für dich nötig se<strong>in</strong> sollte? (staatlicher Schutz)<br />

9. Kannst du mit de<strong>in</strong>er/m Liebespartner/<strong>in</strong> Hand <strong>in</strong> Hand auf <strong>der</strong> Straße gehen, ohne Angst<br />

vor negative Reaktionen zu haben? (öffentliche Anerkennung)<br />

10. Kannst du bei den nächsten Wahlen mit abstimmen <strong>und</strong> dich wählen lassen?<br />

(politische Partizipation)<br />

11. Fühlst du dich im Fernsehen <strong>und</strong> <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Medien angemessen dargestellt/repräsentiert?<br />

(mediale Repräsentation)<br />

12. Kannst du <strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Freizeit das tun, was du dir wünschst – bist du frei von Verpflichtungen,<br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Person zu versorgen? (soziale Verpflichtungen)<br />

13. Gibt es jemanden, <strong>der</strong>/die für Dich die alltäglichen Haushaltstätigkeiten übernimmt?<br />

(kochen, sauber machen, waschen)<br />

14. Kannst du – wenn du möchtest – den ganzen Tag e<strong>in</strong>kaufen gehen (shoppen) o<strong>der</strong> ihn<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ges<strong>und</strong>heits- o<strong>der</strong> Schönheitsfarm verbr<strong>in</strong>gen? (Luxus)<br />

15. Hast du Zugang zu Bildung, hast du Möglichkeiten de<strong>in</strong> Wissen <strong>und</strong> de<strong>in</strong>e Fähigkeiten<br />

zu erweitern? (Bildung)<br />

Rollenkarten (Auswahl)<br />

H<strong>in</strong>weis: Die Rollen s<strong>in</strong>d Beispiele. Für jede Gruppe müssen die Rollen den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Teilnehmer/<strong>in</strong>nen berücksichtigen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gruppensituation berücksichtigend angepasst<br />

werden.<br />

- 16 Jahre alte Schüler<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em religiösen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, <strong>der</strong> nicht die Mehrheitsreligion<br />

darstellt (zum Beispiel muslimisch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em christlichen Umfeld). Sie lebt mit ihren Eltern,<br />

die e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Gemüseladen betreiben. Sie ist sehr sportlich <strong>und</strong> spielt seit kurzem <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Fußballteam. Derzeit hat sie ke<strong>in</strong>en Fre<strong>und</strong>.<br />

- 40 Jahre alter, weißer deutscher Mann, <strong>der</strong> wohnungslos <strong>und</strong> alkoholabhängig ist. Se<strong>in</strong>en<br />

Lebensunterhalt verdient er mit Betteln o<strong>der</strong> Gelegenheitsjobs.<br />

- 23 Jahre alter Mann aus Sri Lanka, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Deutschland Asyl beantragt hat. Das Verfahren<br />

ist seit e<strong>in</strong>em Jahr am Laufen. Er ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Asylbewerberheim <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe von Berl<strong>in</strong><br />

untergebracht. Se<strong>in</strong>e Familie lebt <strong>in</strong> Sri Lanka.<br />

- 21 Jahre alte Student<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em muslimischen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>. Sie hat e<strong>in</strong>en Fre<strong>und</strong>, <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en religiösen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> hat, von dem ihre Familie bisher nichts weiß.<br />

- 25 Jahre alte Student<strong>in</strong> mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>. Sie ist lesbisch <strong>und</strong> lebt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Wohngeme<strong>in</strong>schaft. Um ihr Studium zu f<strong>in</strong>anzieren kellnert sie.<br />

- 19 Jahre alter Roma, <strong>der</strong> schon früher <strong>in</strong> Deutschland gelebt hat, jedoch vor zwei Jahren<br />

ausgewiesen worden ist. Er versuchte wie<strong>der</strong> nach Deutschland e<strong>in</strong>zureisen, wurde jedoch<br />

wie<strong>der</strong> ausgewiesen. Er hat ke<strong>in</strong>e Berufsausbildung. Er lebt mit se<strong>in</strong>er Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Wohngeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> ist auf <strong>der</strong> Suche nach e<strong>in</strong>em festen Job o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Ausbildung.<br />

- 19 Jahre alte, weiße deutsche Frau, wohnungslos <strong>und</strong> seit zwei Jahren drogenabhängig.<br />

Ihren Drogenkonsum f<strong>in</strong>anziert sie durch Diebstähle. Sie ist sehr dünn <strong>und</strong> sieht krank aus.<br />

- 23 Jahre alter, weißer deutscher Student, <strong>der</strong> mit se<strong>in</strong>en Eltern lebt, die seit langem wissen,<br />

dass er schwul ist. Er hat e<strong>in</strong>en festen Fre<strong>und</strong>, <strong>der</strong> von den Eltern als solcher auch<br />

anerkannt wird.<br />

- 18 Jahre alte, weiße deutsche Student<strong>in</strong>, die mit ihren Eltern lebt. Sie geht gerne aus. Ihre<br />

Eltern arbeiten viel <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d wohlhabend. Sie hat Streit mit ihren Eltern, da sie sich seit<br />

e<strong>in</strong>iger Zeit mit e<strong>in</strong>em Jungen trifft, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> hat.<br />

Kommentar: Die Autor<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Autoren weisen darauf h<strong>in</strong>, dass die/<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator/<strong>in</strong> die Gruppe<br />

e<strong>in</strong>schätzen können sollte. Auch die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen sollten bereits Vertrauen zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aufgebaut<br />

haben. Die Rollenkarten <strong>und</strong> die Fragen sollten altersgerecht se<strong>in</strong>. Beim Durchführen <strong>der</strong> Methode<br />

haben die Autor<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Autoren die Erfahrung gemacht, dass Teilnehmer/<strong>in</strong>nen aus diskrim<strong>in</strong>ierten<br />

56


gesellschaftlichen Gruppen starke Wi<strong>der</strong>stände entwickelt haben, wenn sich ihre persönliche Situation<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Rollenkarte wi<strong>der</strong>gespiegelt hat. Wichtig ist es daher, niemandem e<strong>in</strong>e Karte zuzuteilen, die<br />

sehr nah an dem wirklichen Leben <strong>der</strong> Personen ist bzw. immer auch die Zurückweisung <strong>der</strong> Karte zu<br />

ermöglichen.<br />

Das Potenzial dieser Methode liegt dar<strong>in</strong>, dass hier verschiedene Dom<strong>in</strong>anzverhältnisse zur Analyse<br />

angeboten werden <strong>und</strong> die strukturelle, <strong>in</strong>stitutionelle <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuelle Ebene angesprochen wird. Für<br />

diese Übung muss relativ viel Vor- <strong>und</strong> Nachbereitungszeit e<strong>in</strong>geplant werden.<br />

57


Reflexionsanregungen<br />

Voraussetzung für geschlechtsbezogene gewaltpräventive Arbeit ist die Bereitschaft, hand-<br />

lungsleitende Entscheidungs- <strong>und</strong> Bewertungskategorien, eigene <strong>Geschlecht</strong>erbil<strong>der</strong> <strong>und</strong> den<br />

eigenen Umgang mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> zu reflektieren (u.a. Böhnisch/Funk 2002; Drär-<br />

geste<strong>in</strong>/Grote 2004; Rohrmann et al. 2006; Jantz/Brandes 2006; Neubauer et al. 2007; Silken-<br />

beumer 2007). Es ist wichtig Lehrkräfte dafür zu sensibilisieren, dass Gefühle wie Angst,<br />

Unsicherheit, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit Mädchen <strong>und</strong> Jungen, die verbal o<strong>der</strong> auch physisch ag-<br />

gressiv gegen Gleichaltrige o<strong>der</strong> auch die eigene Person vorgehen, an sich zu akzeptieren <strong>und</strong><br />

anzunehmen. Nur dann kann h<strong>in</strong>terfragt werden, woher abgewehrte Gefühle <strong>und</strong> mitunter<br />

auch die eigene Konfliktangst kommen <strong>und</strong> wie damit im Kontakt mit Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Schülern umgegangen werden kann (vgl. dazu He<strong>in</strong>emann/Rauchfleisch/Grüttner 1992). Bei-<br />

spielsweise können Sarkasmus <strong>und</strong> Verachtungen Reaktionen se<strong>in</strong>, die auch <strong>der</strong> Abwehr von<br />

Verunsicherungsgefühlen geschuldet s<strong>in</strong>d.<br />

Welche Kontroll- <strong>und</strong> Diszipl<strong>in</strong>ierungsmuster werden Mädchen <strong>und</strong> Jungen jeweils entgegen-<br />

gebracht <strong>und</strong> welche Bil<strong>der</strong> <strong>und</strong> Normalitätsvorstellungen von Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit<br />

werden dabei wirksam? Die <strong>Geschlecht</strong>erdimension ist neben an<strong>der</strong>en Differenzl<strong>in</strong>ien (wie<br />

Ethnizität, soziales Milieu etc.) e<strong>in</strong> Thema, welches die Fachkräfte immer selbst betrifft <strong>und</strong><br />

auch Generationenspannungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> pädagogischen Arbeit berührt. Gleiches gilt für Fragen<br />

danach, welche Botschaften <strong>und</strong> Regeln über den Umgang mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialisation <strong>der</strong> Pädagog<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Pädagogen angeeignet wurden <strong>und</strong> wie damit im heutigen<br />

Leben umgegangen wird.<br />

Wichtig ist dabei e<strong>in</strong>e Sensibilisierung dafür, <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong>seitige Orientierungen an Stärken<br />

bzw. Schwächen <strong>der</strong> Mädchen <strong>und</strong> Jungen Projektionen <strong>in</strong> Bezug auf verh<strong>in</strong><strong>der</strong>tes Stark-<br />

bzw. Schwach-Se<strong>in</strong> im eigenen Leben darstellen. Das Verhalten von Lehrkräften Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen gegenüber folgt dabei immer auch unbewussten <strong>in</strong>neren Arrangements. Erfor<strong>der</strong>-<br />

lich ist deshalb die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem eigenen Umgang mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>und</strong> dem eigenen Konfliktverhalten auch deshalb, da gerade aggressives Verhalten <strong>in</strong> beson-<br />

<strong>der</strong>er Weise zu e<strong>in</strong>er Beziehungsaufnahme zw<strong>in</strong>gt. Die Fähigkeit zur Selbstdistanzierung ist<br />

ebenso wichtig wie die Bereitschaft, fachlich auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage von theoretischen Wissensbe-<br />

ständen über <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> kollegialen Dialog zu treten. Gerade <strong>der</strong> kollegiale<br />

gleich- <strong>und</strong> gegengeschlechtliche Austausch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> ist produktiv nutzbar zu machen.<br />

Was Voigt-Kehlenbeck mit Blick auf sozialpädagogische Fachkräfte formuliert, gilt <strong>in</strong> ähnli-<br />

58


cher Weise auch für Lehrkräfte:<br />

„Nur dort, wo e<strong>in</strong>e angemessene Rahmung, e<strong>in</strong> dritter Ort <strong>der</strong> Reflexion, <strong>in</strong>stitutionell ge-<br />

währleistet wird, kann faktisch e<strong>in</strong>e qualifizierte Begleitung bereitgestellt werden. Sozialpä-<br />

dagogische Fachkräfte s<strong>in</strong>d angewiesen auf das Recht, auch mal verwirrt zu se<strong>in</strong>, ja sich sogar<br />

provoziert zu fühlen – <strong>und</strong> darüber nachdenken zu wollen. Gen<strong>der</strong>reflexivität entwickelt sich<br />

dort, wo kollegiale Fallberatung, gen<strong>der</strong>sensibilisierte Formen <strong>der</strong> Supervision <strong>und</strong> Team-<br />

<strong>und</strong> Leitungs<strong>in</strong>tervisionsformen praktiziert <strong>und</strong> entwickelt werden. Diese Orte profitieren<br />

nachhaltig von <strong>der</strong> Anerkennung geschlechtsbezogener Aufladungen, vor allem aber von ei-<br />

nem produktiven Umgang mit Irritationen.“ (2008, S. 218)<br />

Hiermit soll jedoch nicht e<strong>in</strong>er bekenntnishaften Identitätsarbeit von Lehrkräften das Wort<br />

geredet werden − vielmehr wird die Verankerung e<strong>in</strong>es Orts kommunikativer Reflexivität <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Organisation <strong>Schule</strong> für erfor<strong>der</strong>lich erachtet, um spezifische Fachlichkeit durch professi-<br />

onellen Austausch <strong>und</strong> fachliche Unterstützung zu garantieren.<br />

Daher haben wir im Folgenden e<strong>in</strong>ige Fragen bereitgestellt, die Lehrkräfte als Anregung<br />

nehmen können, über ihre Haltungen, Verstrickungen <strong>und</strong> ihren Umgang mit <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Ge-<br />

schlecht zu reflektieren.<br />

59


Haltungen <strong>und</strong> Verstrickungen im Umgang mit aggressiven Verhaltensweisen <strong>und</strong> Ge-<br />

walt von Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />

�� Wie reagiere ich auf welche Formen aggressiven <strong>und</strong> gewalttätigen Verhaltens <strong>und</strong><br />

wie bewerte ich sie?<br />

�� Wie gehe ich mit aggressivem Verhalten von Mädchen <strong>und</strong> wie mit aggressivem Ver-<br />

halten von Jungen um? Ist das immer so <strong>und</strong> wo gibt es ggf. Ausnahmen?<br />

�� In welcher H<strong>in</strong>sicht spielen die <strong>Geschlecht</strong>szugehörigkeit <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> auch weitere<br />

Merkmale (Leistungsvermögen, Bildungsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, soziales Milieu, ethnischer H<strong>in</strong>-<br />

tergr<strong>und</strong> etc.) e<strong>in</strong>e Rolle für me<strong>in</strong>e Wahrnehmung <strong>und</strong> Bewertung bestimmten Verhal-<br />

tens?<br />

�� Wo liegen me<strong>in</strong>e „Wutknöpfe“, die Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler o<strong>der</strong> auch Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Kollegen bei mir leicht drücken können?<br />

�� Was hat mir bislang <strong>in</strong> solchen Situationen geholfen, dass Konflikte nicht eskaliert<br />

s<strong>in</strong>d?<br />

�� Was löst aggressives <strong>und</strong> gewalttätiges Verhalten von Mädchen <strong>und</strong> Jungen <strong>in</strong> mir<br />

aus? Wo liegen die „Knackpunkte“, die mich berühren, ängstigen, selbst aggressiv<br />

machen?<br />

�� Was ist es genau, was mich stört, wütend macht o<strong>der</strong> erschreckt?<br />

�� Wo fühle ich mich überfor<strong>der</strong>t, ratlos, ängstlich <strong>und</strong> vielleicht selbst wütend <strong>in</strong> <strong>der</strong> di-<br />

rekten Konfrontation mit aggressiv agierenden Mädchen <strong>und</strong> Jungen?<br />

�� Was ist <strong>in</strong> diesen Situationen für mich hilfreich? Was brauche ich?<br />

60


Blick zurück nach vorn - Zum eigenen Umgang mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Versuchen Sie sich an die Zeit, als Sie selbst e<strong>in</strong> Mädchen / e<strong>in</strong> Junge waren, zu er<strong>in</strong>nern <strong>und</strong><br />

an Ihren Umgang mit Aggression/<strong>Gewalt</strong>. Vielleicht fertigen Sie dafür e<strong>in</strong>e Lebensalterl<strong>in</strong>ie<br />

an.<br />

Früher<br />

�� Wie b<strong>in</strong> ich als K<strong>in</strong>d mit Gefühlen wie Wut <strong>und</strong> Ärger umgegangen, wie hat sich dies im<br />

Laufe me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit <strong>und</strong> Jugend ggfs. verän<strong>der</strong>t?<br />

�� Was war, wenn ich laut, störend <strong>und</strong> wütend war?<br />

�� Wie ist auf me<strong>in</strong> Verhalten reagiert worden? Wer hat wie reagiert?<br />

�� Welche Muster des Umgangs mit Aggression, <strong>Gewalt</strong>, Konflikten <strong>und</strong> Frustrationen habe<br />

ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Herkunftsfamilie erlebt?<br />

�� Welche Formen des Umgangs mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> wurden von wem akzeptiert,<br />

welche nicht?<br />

Heute<br />

�� Wo fängt <strong>Gewalt</strong> an?<br />

�� Welche Formen von <strong>Gewalt</strong> akzeptiere ich bei mir <strong>und</strong> bei an<strong>der</strong>en?<br />

�� Welche gerade noch? Wo ist me<strong>in</strong>e Grenze?<br />

�� Welche Formen von Aggression agiere ich aus <strong>und</strong> wo werde ich gewalttätig?<br />

�� Was hat sich im Laufe me<strong>in</strong>es Lebens dabei verän<strong>der</strong>t?<br />

�� Was macht mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Alltag aggressiv?<br />

�� Wie gehe ich mit eigenen aggressiven Impulsen um?<br />

Was heißt das für mich?<br />

�� Welche Modelle für me<strong>in</strong> eigenes Konfliktverhalten <strong>und</strong> den Umgang mit Aggression<br />

werden deutlich?<br />

�� Wie lauten me<strong>in</strong>e wichtigsten Regeln im Umgang mit Aggression <strong>und</strong> Konflikte? Wie hilf-<br />

reich s<strong>in</strong>d die gelernten Regeln?<br />

�� Wo liegen me<strong>in</strong>e Ressourcen im Umgang mit (eigener/frem<strong>der</strong>) Aggression?<br />

�� Was möchte ich verän<strong>der</strong>n?<br />

�� Was brauche ich dafür? Was s<strong>in</strong>d die nächsten konkreten Schritte?<br />

61


5. Ausblick <strong>und</strong> Folgerungen<br />

Pädagogische Fachkräfte an <strong>Schule</strong>n können bislang kaum auf zum Feld <strong>Schule</strong> zugeschnitte-<br />

ne <strong>und</strong> erprobte Konzepte zurückgreifen, wenn sie mit Jungen, aber auch Mädchen <strong>in</strong> umfas-<br />

sen<strong>der</strong> H<strong>in</strong>sicht gewaltpräventiv arbeiten wollen. Zwar gibt es Angebote von externen Fach-<br />

kräften aus <strong>der</strong> Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit, die bestimmte Projekte im Rahmen von <strong>Gewalt</strong>-<br />

prävention an <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> anbieten. Auch liegt e<strong>in</strong>en Fülle an Programmen <strong>und</strong> Konzepten<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>Gewalt</strong>prävention an <strong>Schule</strong>n vor, allerd<strong>in</strong>gs selten geschlechtsbezogen differen-<br />

ziert (vgl. auch Melzer et al. 2004). Zudem erweist sich nicht jedes Angebot, welches für sich<br />

beansprucht „gewaltpräventiv“ zu arbeiten, bei näherem H<strong>in</strong>sehen als gewaltpräventiv, son-<br />

<strong>der</strong>n ist häufig an<strong>der</strong>s zugeschnitten.<br />

<strong>Geschlecht</strong>sbezogene <strong>Gewalt</strong>prävention braucht f<strong>und</strong>ierte Forschung<br />

Wie oben dargelegt, ist auch die umfangreiche Forschung über <strong>Gewalt</strong> an <strong>Schule</strong>n bislang<br />

selten geschlechtertheoretisch f<strong>und</strong>iert. Über sexuelle <strong>Gewalt</strong> zwischen Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Schülern, <strong>Gewalt</strong> von <strong>und</strong> gegen Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer wissen wir bislang ebenfalls zu we-<br />

nig.<br />

Angesichts <strong>der</strong> offenk<strong>und</strong>igen Bedeutung von <strong>Geschlecht</strong> im Kontext von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Ag-<br />

gression ist vermehrte Forschung zum Verhältnis von Prävention <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> anzuraten.<br />

E<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zwischen theoriegeleiteter Forschung <strong>und</strong> Praxis ist weiter auszubauen, ge-<br />

rade auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Erprobung von Konzepten wie <strong>der</strong> Analyse von<br />

Bedürfnissen von Mädchen <strong>und</strong> Jungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Institution <strong>Schule</strong>. Die Möglichkeiten <strong>und</strong><br />

Grenzen des <strong>in</strong>stitutionellen Rahmens <strong>Schule</strong> für geschlechterreflexive gewaltpräventive<br />

Maßnahmen müssten h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Reichweite <strong>und</strong> Nachhaltigkeit ausgelotet werden.<br />

Dies sollte auch im H<strong>in</strong>blick auf die Profession des Lehrerberufs <strong>und</strong> die Funktionsbestim-<br />

mung von <strong>Schule</strong> geschehen.<br />

So notwendig Evaluation <strong>und</strong> Wirkungsforschung s<strong>in</strong>d, so problematisch s<strong>in</strong>d Machbarkeitsil-<br />

lusionen im Feld von schulischer <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>zuschätzen. Erziehung <strong>und</strong><br />

pädagogische Arbeit s<strong>in</strong>d ergebnisoffen <strong>und</strong> h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Wirkungen kaum planbar, ge-<br />

nau dies steht im Kontrast zu Vorstellungen von Technologie <strong>in</strong> diesem Feld. Und dennoch<br />

kann auf entsprechende Begleitforschung nicht verzichtet werden, nicht zuletzt deshalb, weil<br />

jede noch so gut geme<strong>in</strong>te Präventionspraxis auch unerwünschte Nebenwirkungen haben<br />

könnte o<strong>der</strong> auch ke<strong>in</strong>erlei Wirkung h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> postulierten Ziele.<br />

62


<strong>Geschlecht</strong>sbezogene <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> erfor<strong>der</strong>t die Integration von Wissens-<br />

beständen <strong>in</strong> vorhandene Ansätze<br />

Angesichts <strong>der</strong> oben dargestellten Unübersichtlichkeit <strong>und</strong> vielfach noch nicht h<strong>in</strong>reichend<br />

entwickelten Konzepte bedeutet dies, dass momentan viel konzeptionelle Arbeit <strong>in</strong> Eigenregie<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit externen Fachkräften an <strong>Schule</strong>n geleistet werden muss. Ge-<br />

schlechterreflexive <strong>und</strong> vor allem auch jungenspezifische Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> werden fast<br />

ausschließlich vom Engagement e<strong>in</strong>zelner Lehrkräfte getragen <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d selten Inhalt systema-<br />

tischer <strong>Schule</strong>ntwicklung (Neubauer et al. 2007). E<strong>in</strong>e umfassende Expertise <strong>und</strong> Recherche<br />

h<strong>in</strong>sichtlich vorhandener <strong>und</strong> erprobter Konzepte gewaltpräventiver Maßnahmen für Mädchen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ner- <strong>und</strong> außerschulischen Jugendarbeit – ähnlich wie jene des Deutschen Jugend<strong>in</strong>-<br />

stituts für Jungenarbeit – liegt unseres Wissen bislang nicht vor. Es wäre jedoch <strong>der</strong> falsche<br />

Weg, nun gänzlich neue Konzepte zu entwickeln. Vielmehr empfiehlt es sich, <strong>Geschlecht</strong>er-<br />

perspektiven <strong>in</strong> die vorhandene Praxislandschaft gut evaluierter <strong>und</strong> wissenschaftlich f<strong>und</strong>ier-<br />

ter Konzepte <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention zu <strong>in</strong>tegrieren (vgl. auch Bereswill 2010, S. 26). Mäd-<br />

chen- <strong>und</strong> Jungenarbeit können durchaus den positiven Nebeneffekt haben, dass sie gewalt-<br />

präventiv wirken. Allerd<strong>in</strong>gs wäre dies durch Forschung erst näher zu untersuchen; denn, das<br />

was üblicherweise unter <strong>Gewalt</strong>prävention läuft, genügt diesem Anspruch kaum (vgl. Neuber<br />

et al. 2007). Zudem ist <strong>Gewalt</strong>prävention nicht primäres Anliegen geschlechtsbezogener Bil-<br />

dungsarbeit. Differenzierte Ansätze <strong>und</strong> Konzepte für geschlechtsbezogene <strong>Gewalt</strong>prävention<br />

s<strong>in</strong>d erfor<strong>der</strong>lich, die sich gerade auch an Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler im Jugendalter richten<br />

<strong>und</strong> die Dynamik dieser Lebensphase reflektieren.<br />

<strong>Geschlecht</strong>erreflexives Wissen als Professionsanfor<strong>der</strong>ung<br />

Es ist nicht neu, dass das Schulsystem vielfach für die Bearbeitung von gesellschaftlich verur-<br />

sachten Problemlagen <strong>und</strong> Krisenersche<strong>in</strong>ungen wie <strong>Gewalt</strong> für zuständig erklärt wird. Der<br />

Druck für Lehrkräfte <strong>und</strong> pädagogische Fachkräfte an <strong>Schule</strong>n zur Lösung entsprechen<strong>der</strong><br />

Phänomene wird auch dadurch erhöht. Bislang wissen wir wenig darüber, welche Perspektive<br />

Lehrkräfte selbst auf ihnen zugewiesene Mandate als Auftrag für die professionelle Hand-<br />

lungspraxis im Bereich <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>und</strong> geschlechtsbezogener Pädagogik <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong><br />

haben. Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Lehrer s<strong>in</strong>d bislang unzureichend auf die ihnen vielfach zugewiesene<br />

Rolle als „allgeme<strong>in</strong>e Sozialisationsbegleiter/<strong>in</strong>“ vorbereitet.<br />

Daher wäre die Ausbildung von Lehrkräften <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten <strong>und</strong> zweiten Phase stärker dah<strong>in</strong>ge-<br />

hend zu befragen, welchen Anteil sie Schwerpunkten wie Konfliktbearbeitung, <strong>Gewalt</strong>präven-<br />

63


tion sowie geschlechtsbezogener Pädagogik vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Klärung <strong>der</strong> Funktions-<br />

bestimmung von <strong>Schule</strong> <strong>und</strong> des Professionsverständnisses beimisst. <strong>Geschlecht</strong>erreflexives<br />

Fallverstehen wird daher als e<strong>in</strong> gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Ansatz <strong>der</strong> Professionalisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lehrerbildung betrachtet. E<strong>in</strong>e kasuistisch orientierte Lehrerbildung ist e<strong>in</strong> Ansatzpunkt, um<br />

theoriegeleitet Prozesse (geschlechter-)reflexiven Verstehens bereits im Studium e<strong>in</strong>zuüben.<br />

Die Notwendigkeit <strong>der</strong> Weiterqualifikation im berufsbiografischen Entwicklungsprozess ist <strong>in</strong><br />

diesem Zusammenhang jedoch ebenfalls hervorzuheben.<br />

Etablierung von Fortbildungen <strong>und</strong> Orten fachlicher Reflexivität<br />

Der ungebrochene Boom an gewaltpräventiven Maßnahmen auch im schulischen Bereich<br />

sollte nicht darüber h<strong>in</strong>wegtäuschen, dass die Durchführung von Übungen, Projekten <strong>und</strong><br />

Programmen nur die e<strong>in</strong>e Seite ist, wobei hier immer auch zu prüfen ist, welche Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen beson<strong>der</strong>s von den Angeboten profitieren können <strong>und</strong> welche Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schü-<br />

ler entsprechende Voraussetzungen gar nicht erst mitbr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Unterstützung benö-<br />

tigen o<strong>der</strong> auch überhaupt nicht dadurch erreicht werden. Die an<strong>der</strong>e Seite sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> zahlrei-<br />

chen Dokumentationen <strong>und</strong> Publikationen zu kurz zu kommen: das voraussetzungsvolle, aber<br />

notwendige Fallverstehen konkreter Szenen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begegnung mit e<strong>in</strong>em o<strong>der</strong> mehreren Mäd-<br />

chen <strong>und</strong> Jungen als nicht zu unterschätzende professionelle Kompetenz. Um Ansatzpunkte<br />

für Interventionen auszuloten, die den <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnissen <strong>und</strong> Voraussetzungen <strong>der</strong><br />

jeweiligen Mädchen o<strong>der</strong> Jungen entsprechen, ist <strong>der</strong> verstehende Nachvollzug auffälligen<br />

Verhaltens unter e<strong>in</strong>er geschlechterreflexiven Perspektive erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Strategien <strong>der</strong> Qualifikation von Lehrkräften für die geschlechtsbezogene <strong>und</strong> gewaltpräven-<br />

tive Arbeit sehen wir dar<strong>in</strong>, dass diese mit Hilfe von kollegialer Fallberatung <strong>und</strong> durch exter-<br />

ne Supervision, e<strong>in</strong>zeln o<strong>der</strong> im Team, ihre <strong>Gewalt</strong>erlebnisse o<strong>der</strong> auch gewaltpräventive Ak-<br />

tivitäten reflektieren (vgl. auch Hanke 2007, S. 115). Fallverstehen im schulischen Kontext ist<br />

darauf angewiesen, von Handlungsdruck <strong>in</strong> <strong>der</strong> konkreten Situation entlastet, <strong>in</strong> Form von<br />

Fall- <strong>und</strong> Teamsupervision unterstützt zu werden. Organisatorische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d<br />

dah<strong>in</strong>gehend zu verän<strong>der</strong>n, dass e<strong>in</strong>e Teilnahme an Angeboten <strong>der</strong> Weiter- <strong>und</strong> Fortbildung zu<br />

Themen geschlechtsbezogener Pädagogik <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention ohne große Hürden möglich<br />

wird.<br />

64


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Nolt<strong>in</strong>g, Peter (2008): Lernfall Aggression. Re<strong>in</strong>beck: Rowohlt. 3. Auflage.<br />

Olweus, Dan (2002): <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>: Was Lehrer <strong>und</strong> Eltern wissen sollten – <strong>und</strong> tun können. Bern: Huber.<br />

3. korrigierte Auflage<br />

Petermann, Franz / Petermann, Ulrike (2000): Aggressionsdiagnostik. Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe.<br />

Petermann, Franz / Döpfner, Manfred / Schmidt, Mart<strong>in</strong> H. (2008): Ratgeber. Aggressives Verhalten. Informationen<br />

für Betroffene, Eltern, Lehrer <strong>und</strong> Erzieher. Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe. 2. aktualisierte Auflage.<br />

Popp, Ulrike (2006): <strong>Gewalt</strong>prävention im schulischen Kontext. In: Heitmeyer, Wilhelm / Schröttle, Monika<br />

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331.<br />

Popp, Ulrike (2002): <strong>Geschlecht</strong>ersozialisation <strong>und</strong> schulische <strong>Gewalt</strong>. <strong>Geschlecht</strong>stypische Ausdrucksformen<br />

<strong>und</strong> konflikthafte Interaktionen von Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern. We<strong>in</strong>heim: Juventa.<br />

Resch, Franz / Parzer, Peter (2005): Aggressionsentwicklung zwischen Normalität <strong>und</strong> Pathologie. In: Seiffge-<br />

Krenke, Inge (Hrsg.): Aggressionsentwicklung zwischen Normalität <strong>und</strong> Pathologie. Gött<strong>in</strong>gen: Vandenhoeck<br />

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Robertz, Frank (2004): School Shoot<strong>in</strong>gs. Frankfurt a. Ma<strong>in</strong>: Verlag für Polizeiwissenschaft.<br />

Rohrmann, Tim (2002): <strong>Gewalt</strong>prävention durch geschlechtsbewusste Pädagogik / Jungenarbeit? Überarbeitete<br />

Fassung e<strong>in</strong>es Vortrags auf <strong>der</strong> Fachtagung „Heldenspiele(r) – Leben mit Jungen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten“,<br />

23.2.2001 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Verfügbar über: http://www.wechselspielonl<strong>in</strong>e.de/literatur/Texte_TR/gewaltpraevention.pdf<br />

[23.1.2010]<br />

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Scheithauer, Herbert / Hayer, Tobias / Petermann, Franz (2003): Bully<strong>in</strong>g unter Schülern. Ersche<strong>in</strong>ungsformen,<br />

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Scheithauer, Herbert (2005): Lästern, soziale Manipulation, Gerüchte verbreiten, Ausschließen. In: Seiffge-<br />

Krenke, Inge (Hrsg.): Aggressionsentwicklung zwischen Normalität <strong>und</strong> Pathologie. Gött<strong>in</strong>gen: Vandenhoeck<br />

& Ruprecht, S. 66-87.<br />

Schrö<strong>der</strong>, Achim (2008): <strong>Geschlecht</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>. Zur Relevanz von Gen<strong>der</strong> <strong>in</strong> Verfahren zur <strong>Gewalt</strong>prävention.<br />

In: Deutsche Jugend. Zeitschrift für Jugendfragen <strong>und</strong> Jugendarbeit. Bd. 56, 12, S. 521-529.<br />

67


Schubarth, Wilfried (2000): <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong> <strong>Schule</strong> <strong>und</strong> Jugendhilfe: Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen, Empirische<br />

Ergebnisse, Praxismodelle. Neuwied: Luchterhand.<br />

Schubarth, Wilfried (2010): <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Mobb<strong>in</strong>g an <strong>Schule</strong>n. Möglichkeiten <strong>der</strong> Prävention <strong>und</strong> Intervention.<br />

Stuttgart: Kohlhammer.<br />

Silkenbeumer, Mirja (2000): Im Spiegel ihrer Lebensgeschichten. <strong>Gewalt</strong>tätiges Verhalten Jugendlicher <strong>und</strong><br />

<strong>Geschlecht</strong>szugehörigkeit. Münster: Lit.<br />

Silkenbeumer, Mirja (2006): Entwicklungswege weiblicher Jugendlicher <strong>in</strong> die <strong>Gewalt</strong>bereitschaft. In: Heitmeyer,<br />

Wilhelm / Schröttle, Monika (Hrsg.): <strong>Gewalt</strong>. Beschreibungen Analysen, Prävention. Bonn: B<strong>und</strong>eszentrale<br />

für politische Bildung, S. 318-324.<br />

Silkenbeumer, Mirja (2007): Biografische Selbstentwürfe <strong>und</strong> Weiblichkeitskonstruktionen aggressiver Mädchen.<br />

Münster: Lit Verlag.<br />

Steffen, Wiebke (2007): Jugendkrim<strong>in</strong>alität <strong>und</strong> ihre Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung zwischen Wahrnehmung <strong>und</strong> empirischen<br />

Bef<strong>und</strong>en. Gutachten zum 12. Deutscher Präventionstag am 18. <strong>und</strong> 19. Juni 2007 <strong>in</strong> Wiesbaden. Verfügbar<br />

über: http://www.praeventionstag.de/Dokumentation.cms/222 �23.02.2008�.<br />

Sutterlüty, Ferd<strong>in</strong>and (2002): <strong>Gewalt</strong>karrieren. Jugendliche im Kreislauf von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Missachtung. Frankfurt<br />

& Ma<strong>in</strong>: Campus.<br />

Tillmann, Klaus-Jürgen / Holler-Nowitzki, Birgit / Holtappels, He<strong>in</strong>z G. / Meier, Ulrich / Popp, Ulrike (2007):<br />

Schülergewalt als Schulproblem: Verursachende Bed<strong>in</strong>gungen, Ersche<strong>in</strong>ungsformen <strong>und</strong> pädagogische<br />

Handlungsperspektiven. Basel: Beltz. 3. Auflage.<br />

Ummel. H. / Wettste<strong>in</strong>, A. / Thommen, B. (2009). Der verh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Unterricht. Verhaltensbeobachtende <strong>und</strong><br />

sequenzanalytische Sondierungen zu Formen <strong>und</strong> Ursachen gestörter Lehr-Lernprozesse. Empirische Son<strong>der</strong>pädagogik,<br />

1, S. 80–95.<br />

van Dieken, Christel / Sommerfeld, Verena / Rohrmann Tim (2003): Starke Jungen, liebe Mädchen? <strong>Geschlecht</strong>sbewusste<br />

<strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen. In: kle<strong>in</strong> & groß, 4, S. 28-31.<br />

Varbelow, Dirk (2001): Tabuthematisierung?! – Schülergewalt gegen Lehrer. Verkanntes o<strong>der</strong> verdrängtes Phänomen?<br />

In: K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Jugend, Gesellschaft, 46, 2, S. 54-58.<br />

Varbelow, Dirk (2003): Lehrer als Opfer von Schülergewalt. E<strong>in</strong>e quantitative Studie. Marburg: Tectum.<br />

Voigt-Kehlenbeck, Cor<strong>in</strong>na (2010): <strong>Geschlecht</strong> als Orientierungsverheißung. Neue methodische Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

(nicht nur) für die K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe. In: Baer, Susanne / Smykalla, Sandra / Hildebrandt, Kar<strong>in</strong>.<br />

(Hrsg.): Schubladen, Schablonen, Schema F. Stereotype als Heraufor<strong>der</strong>ung für Gleichstellungspolitik, S.<br />

89-106.<br />

Voigt-Kehlenbeck, Cor<strong>in</strong>na (2008): Flankieren <strong>und</strong> Begleiten. <strong>Geschlecht</strong>erreflexive Perspektiven <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er diversitätsbewussten<br />

Sozialarbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Welz, Eberhard / Dussa, Ulla (1998): Mädchen s<strong>in</strong>d besser – Jungen auch. Konfliktbewältigung für Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen – e<strong>in</strong> Beitrag zur För<strong>der</strong>ung sozialer Kompetenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>schule. Herausgegeben im Auftrag<br />

<strong>der</strong> Senatsverwaltung für <strong>Schule</strong>, Jugend <strong>und</strong> Sport. Berl<strong>in</strong>: Paetec.<br />

Wettste<strong>in</strong>, Alexan<strong>der</strong> (2008): Aggression im schulischen Kontext. Die Lehrperson als Diagnostiker? In: Psychologie<br />

<strong>in</strong> Erziehung <strong>und</strong> Unterricht, 55, S. 175-188.<br />

68


Lesetipps<br />

Gunter Neubauer / Ra<strong>in</strong>hard W<strong>in</strong>ter (unter Mitarbeit von Jutta Sachs <strong>und</strong> Conrad Ziel-<br />

ler) (2007): <strong>Geschlecht</strong>er differenzierende Aspekte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> au-<br />

ßerschulischen Jugendarbeit. Hrsg. vom Deutschen Jugend<strong>in</strong>stitut, München. Verfügbar<br />

über: http://www.dji.de/bibs/jugendkrim<strong>in</strong>alitaet/Jungenspezifische_Ansaetze1.pdf<br />

In dieser von <strong>der</strong> Arbeitsstelle K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendkrim<strong>in</strong>alitätsprävention im Deutschen Ju-<br />

gend<strong>in</strong>stitut e.V. <strong>in</strong> Auftrag gegebenen Expertise erfolgt e<strong>in</strong>e umfassende Recherche h<strong>in</strong>sicht-<br />

lich vorhandener gewaltpräventiver <strong>und</strong> geschlechtssensibler Konzepte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit Jun-<br />

gen. Der Ertrag dieser Expertise besteht vor allem dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en f<strong>und</strong>ierten E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die<br />

Fachdiskussion zur „jungenbezogenen <strong>Gewalt</strong>prävention“ sowie e<strong>in</strong>en Überblick über Inhalte<br />

<strong>und</strong> Methoden vorhandener Projekte <strong>und</strong> Konzepte zu geben. H<strong>in</strong>gewiesen wird darauf, dass<br />

es zwar zahlreiche Veröffentlichungen <strong>und</strong> Broschüren zu dem Thema „jungenbezogener<br />

<strong>Gewalt</strong>prävention“ gibt, e<strong>in</strong>e qualifizierte <strong>und</strong> reflektierte Praxis <strong>und</strong> vor Ort entwickelte<br />

Konzeptionen sowie <strong>der</strong>en Evaluation jedoch fehlt. Überprüft wird zum e<strong>in</strong>en, <strong>in</strong> welcher<br />

H<strong>in</strong>sicht gewaltpräventive Angebote geschlechtsspezifische Aspekte fokussieren <strong>und</strong> entspre-<br />

chend auch jungenspezifische Ansätze entwickelt wurden. Ansätze <strong>und</strong> aktuelle Themen jun-<br />

genspezifischer <strong>Gewalt</strong>prävention werden <strong>in</strong> unterschiedlichen Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> außerschulischen<br />

Jugendarbeit beleuchtet, dabei erfolgen immer wie<strong>der</strong> auch Bezugnahmen auf Maßnahmen,<br />

die an <strong>Schule</strong>n durchgeführt werden. Fehlentwicklungen werden benannt <strong>und</strong> weitere Ent-<br />

wicklungsschritte mit dem Ziel <strong>der</strong> konzeptionellen Weiterentwicklung <strong>und</strong> Klärung offener<br />

Fragen empfohlen.<br />

Jens Luedtke / Birgit Geiß (2007): Jungenspezifische Ansätze <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention an<br />

<strong>Schule</strong>. Hrsg. vom Deutschen Jugend<strong>in</strong>stitut, München.<br />

In dieser von <strong>der</strong> Arbeitsstelle K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendkrim<strong>in</strong>alitätsprävention im Deutschen Ju-<br />

gend<strong>in</strong>stitut e.V. <strong>in</strong> Auftrag gegebenen Expertise erfolgt e<strong>in</strong>e umfassende Recherche über<br />

ausgewählte gewaltpräventive jungenspezifische Ansätze, die <strong>in</strong> den <strong>Schule</strong>n fester verankert<br />

s<strong>in</strong>d. Dargelegt wird, dass präventive Strategien für den Umgang mit <strong>Gewalt</strong> von Jungen <strong>in</strong><br />

den <strong>Schule</strong>n nicht weit verbreitet s<strong>in</strong>d. Die Broschüre rekapituliert zunächst „geschlechts-<br />

gruppenspezifische Ergebnisse aus <strong>der</strong> Schulgewaltforschung“ <strong>und</strong> gibt im Anschluss e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> theoretische Perspektiven auf die Entwicklung männlicher Identität. Im zweiten<br />

69


Teil erfolgt e<strong>in</strong> strukturierter Überblick über „gen<strong>der</strong>- <strong>und</strong> jungenorientierte <strong>Schule</strong>ntwick-<br />

lungsplanung“. Vorgestellt werden drei an <strong>Schule</strong>n verankerte jungenbezogene Angebote zur<br />

<strong>Gewalt</strong>prävention. Zudem wird die Arbeit von drei Jugendhilfeträgern <strong>in</strong> Kooperation mit<br />

<strong>Schule</strong>n veranschaulicht. Abschließend wird e<strong>in</strong> kurzer E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Lehrerfortbildung zu<br />

<strong>Gewalt</strong>prävention mit Jungen gegeben.<br />

Landesjugendr<strong>in</strong>g Baden-Württemberg (Hrsg.) (2007): „Am liebsten hätte ich sechs<br />

St<strong>und</strong>en Mädchen-AG am Stück“ Arbeitshilfe zur Kooperation von Mädchenarbeit <strong>und</strong><br />

<strong>Schule</strong>. Stuttgart. Verfügbar über:<br />

http://www.agjf.de/aktuell/artikel/frauen/arbeitshilfe_koop_maedchenarbeit.pdf.<br />

Diese Arbeitshilfe enthält zunächst zwei <strong>in</strong>teressante <strong>und</strong> aktuelle theoretische E<strong>in</strong>führungen<br />

zum Themenfeld Mädchenarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>, e<strong>in</strong>mal aus Sicht <strong>der</strong> Mädchenarbeit <strong>und</strong> e<strong>in</strong>-<br />

mal aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Im Praxisteil wird auf die Potentiale e<strong>in</strong>er Kooperation<br />

von Mädchenarbeit mit <strong>Schule</strong> ausführlich e<strong>in</strong>gegangen, verschiedene „Gew<strong>in</strong>ndimensionen“<br />

werden erörtert. Handlungsempfehlungen zur Kooperation werden wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>mal an die<br />

Mädchenarbeit/-politik <strong>und</strong> e<strong>in</strong>mal an die <strong>Schule</strong> gerichtet vorgestellt. Interessant s<strong>in</strong>d die<br />

Steckbriefe von Projekten aus <strong>der</strong> Praxis im Anhang <strong>der</strong> Broschüre. Der thematische Schwer-<br />

punkt liegt auf Mädchenarbeit <strong>in</strong>sgesamt <strong>und</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> Kooperation zwischen Ju-<br />

gendarbeit <strong>und</strong> <strong>Schule</strong>.<br />

Bernd Drägeste<strong>in</strong> / Christoph Grote (2005): Halbe Hemden – Ganze Kerle. Jungenar-<br />

beit als <strong>Gewalt</strong>prävention. Hrsg. von mannigfaltig e.V. <strong>und</strong> Landesstelle Jugendschutz<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen.<br />

In dieser Broschüre f<strong>in</strong>den Pädagog<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Pädagogen Informationen <strong>und</strong> Anregungen für<br />

die geschlechtsspezifische Präventionsarbeit mit Jungen. Theoretische Perspektiven auf<br />

männliche Sozialisation <strong>und</strong> Probleme von Jungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung von Identität werden<br />

dargestellt. Zudem werden Herausfor<strong>der</strong>ungen für Jungen beim Umgang mit Aggressionen<br />

<strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> erläutert. Im zweiten Teil stellen die Autoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Arbeit erprobte prak-<br />

tische Übungen <strong>und</strong> Arbeitse<strong>in</strong>heiten anschaulich vor, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jungenarbeit mit 6- bis<br />

18jährigen Jungen, auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>, e<strong>in</strong>gesetzt werden können.<br />

70


Maria Bitzan / Claudia Daigler (2004): Eigens<strong>in</strong>n <strong>und</strong> E<strong>in</strong>mischung. E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong><br />

Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Perspektiven parteilicher Mädchenarbeit. We<strong>in</strong>heim: Juventa. 2. Auf-<br />

lage.<br />

In diesem Standardwerk f<strong>in</strong>den pädagogische Fachkräfte aktuelle Impulse zu Gestaltung <strong>und</strong><br />

Entwicklungstendenzen von Mädchenarbeit. Es führt exemplarisch <strong>in</strong> die Theorie <strong>und</strong> Praxis<br />

e<strong>in</strong>. Neue Herausfor<strong>der</strong>ungen an die Mädchenarbeit angesichts verän<strong>der</strong>ter Lebenssituationen<br />

von Mädchen werden theoriegeleitet ebenso behandelt wie Arbeitspr<strong>in</strong>zipien <strong>und</strong> Organisati-<br />

onsformen von Mädchenarbeit. Verschiedene Aspekte von Mädchensozialisation werden<br />

thematisiert; gezeigt wird außerdem unter Rückgriff auf neuere Studien aus <strong>der</strong> Mädchen- <strong>und</strong><br />

Jugendforschung, wie Mädchen nach Wegen suchen, mit − auch gesellschaftlich bed<strong>in</strong>gten<br />

Konfliktkonstellationen − umzugehen. E<strong>in</strong> Gesamtüberblick über das Arbeitsfeld wird gebo-<br />

ten, wobei Jugendhilfe <strong>und</strong> Jugendarbeit im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stehen. Für Mädchenarbeit, die <strong>in</strong>-<br />

nerhalb von <strong>Schule</strong> stattf<strong>in</strong>det, bieten sich <strong>der</strong> <strong>in</strong>teressierten Leser<strong>in</strong>/dem <strong>in</strong>teressierten Leser<br />

wertvolle E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> gr<strong>und</strong>legende Fragen e<strong>in</strong>er pädagogischen Arbeit gezielt mit <strong>und</strong> für<br />

Mädchen. Auch kritische Fragen an Mädchenarbeit, etwa, ob diese heute noch zeitgemäß sei,<br />

werden aufgegriffen <strong>und</strong> f<strong>und</strong>iert beantwortet.<br />

Olaf Jantz / Susanne Brandes (2006): <strong>Geschlecht</strong>sbezogene Pädagogik an Gr<strong>und</strong>schu-<br />

len. Basiswissen <strong>und</strong> Modelle zur För<strong>der</strong>ung sozialer Kompetenzen bei Jungen <strong>und</strong><br />

Mädchen. Wiesbaden: VS-Verlag.<br />

Dieses Lehrbuch zeigt am Beispiel <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>schule, wie geschlechtsbezogene Pädagogik <strong>in</strong><br />

den schulischen Alltag <strong>in</strong>tegriert werden kann. Aus über 20 Jahren Berufserfahrung werden<br />

dabei theoretische L<strong>in</strong>ien zum <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis (<strong>in</strong> <strong>Schule</strong>n) <strong>in</strong> praktische Übungen <strong>und</strong><br />

Methoden <strong>und</strong> anhand von Praxisbeispielen übertragen. Dabei wird immer wie<strong>der</strong> deutlich,<br />

dass bestimmte Strukturen auf die soziale Kategorie, das soziale Aushandeln von <strong>Geschlecht</strong><br />

wirken. Entlang separater Kapitel zum Prozess <strong>der</strong> Mann- bzw. Frauwerdung entwickeln Au-<br />

tor <strong>und</strong> Autor<strong>in</strong> Modelle, die die jeweiligen Spannungen verdeutlichen (z.B. Dom<strong>in</strong>anz vs.<br />

Bedürftigkeit bei Jungen; Karriere vs. Tradition bei Mädchen). Dies dient dem Verständnis<br />

<strong>und</strong> soll Lehrkräften helfen, geschlechtsbezogene Kompetenzen zu entwickeln <strong>und</strong> zwar<br />

maßgeblich unter E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> eigenen Rolle <strong>und</strong> <strong>der</strong> Selbstreflexion e<strong>in</strong>er eben nicht<br />

geschlechtsneutralen (Lehr-)Person.<br />

71


Internetseiten<br />

L<strong>in</strong>ks zu Institutionen geschlechtsbezogener Bildungsarbeit <strong>und</strong> Prävention sowie Fach<strong>in</strong>-<br />

formationen (Auswahl, Stand: 05/2010)<br />

http://www.gen<strong>der</strong>-<strong>in</strong>stitut.de (Das Gen<strong>der</strong> Institut fokussiert se<strong>in</strong>e Arbeit auf den Transfer<br />

zwischen Theorie <strong>und</strong> Praxis. Schwerpunkte richten sich auf die gen<strong>der</strong>reflexive Soziale Arbeit)<br />

http://www.spass-o<strong>der</strong>-gewalt.de (<strong>Geschlecht</strong>sspezifische Lernplattform: E<strong>in</strong>e Hilfestellung<br />

für pädagogische Fachkräfte zur Thematisierung von sexuell übergriffigem Verhalten <strong>und</strong><br />

sexualisierter Sprache im Jugendalter; mit Fachartikeln <strong>und</strong> weiteren Informationen. Für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

ab 12 Jahren: Spiele für Jungen <strong>und</strong> Mädchen <strong>und</strong> für die Gruppenarbeit)<br />

http://www.mannigfaltig.de (Institut <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong> für Jungen- <strong>und</strong> Männerarbeit, u.a. "Jungen<br />

stärken" - Selbstbehauptungs- <strong>und</strong> Identitätskurse für Jungen, Fortbildungen <strong>und</strong> Praxiskurse<br />

für männliche Fachkräfte aus <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendarbeit, Workshops, Projekttage <strong>in</strong> <strong>Schule</strong>,<br />

Bildungsarbeit, auch <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Mädchenarbeiter<strong>in</strong>nen)<br />

http://www.anstoss.maennerbuero-hannover.de (Beratungsstelle gegen sexualisierte <strong>Gewalt</strong><br />

an Jungen <strong>und</strong> männlichen Jugendlichen, u.a. Präventionsprojekte <strong>in</strong> <strong>Schule</strong>n <strong>und</strong> Fortbildung<br />

für Fachkräfte)<br />

http://www.neue-wege-fuer-jungs.de (Initiative: Lebensplanung von Jungen. E<strong>in</strong> B<strong>und</strong>esweites<br />

Netzwerk zur Eröffnung neuer persönlicher Möglichkeiten <strong>und</strong> beruflicher Perspektiven<br />

für Jungen vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> sich verän<strong>der</strong>n<strong>der</strong> (männlicher) Rollenbil<strong>der</strong>)<br />

http://www.tima-ev.de (Tüb<strong>in</strong>ger Initiative für Mädchenarbeit. Der Vere<strong>in</strong> arbeitet mit Mädchen,<br />

Schulklassen <strong>und</strong> Fachkräften zu den Themen sexualisierte <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Prävention,<br />

<strong>Gewalt</strong>prävention, Essstörungen u.a.m.)<br />

http://www.pfunzkerle.de (Fachstelle Jungen- <strong>und</strong> Männerarbeit Tüb<strong>in</strong>gen. Der Vere<strong>in</strong> arbeitet<br />

mit Jungen, Männern <strong>und</strong> Fachkräften zu den Themen <strong>Gewalt</strong>, Lebensplanung, Körpererfahrungen<br />

u.a.m.)<br />

http://www.hvhs-frille.de (Heimvolkshochschule „Alte Molkerei Frille“: Gen<strong>der</strong> Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g<br />

<strong>und</strong> politische Bildung, geschlechtersensible Sem<strong>in</strong>are <strong>und</strong> Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

für junge Menschen <strong>und</strong> Fachkräfte <strong>in</strong> den Bereichen Jungenarbeit, Mädchenarbeit, reflexive<br />

Koedukation, gen<strong>der</strong>kompetente Erwachsenenbildung <strong>und</strong> Beratung; Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit<br />

an <strong>Schule</strong>n.)<br />

http://www.dissens.de (Dissens e.V. Beratungs-, Bildungs- <strong>und</strong> Forschungs<strong>in</strong>stitut zur geschlechterreflektierenden<br />

pädagogischen Arbeit, u.a. <strong>in</strong>tersektionale <strong>Gewalt</strong>prävention)<br />

http://www.gen<strong>der</strong>nrw.de (Fachstelle Gen<strong>der</strong> NRW: arbeitet für <strong>und</strong> mit Mädchen, Jungen,<br />

Fachkräften, öffentlichen <strong>und</strong> freien Trägern zum Thema Gen<strong>der</strong> Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>ergerechtigkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe)<br />

http://www.maedchenarbeit-nrw.de (Landesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Mädchenarbeit <strong>in</strong> NRW e.V.:<br />

Kooperation mit Jungenarbeit, <strong>in</strong>terkulturelle Öffnung von Mädchenarbeit, Fortbildung <strong>und</strong><br />

Beratung zu Fragen <strong>der</strong> Mädchenarbeit; Vernetzungsarbeit; Adressen für Mädchenarbeit, Informationen<br />

über Qualitätsmerkmale <strong>und</strong> Tipps zur Organisation von Selbstbehauptungskursen<br />

für Mädchen; Herausgeber<strong>in</strong> <strong>der</strong> b<strong>und</strong>esweiten Fachzeitschrift „Betrifft Mädchen“)<br />

http://www.bremer-jungenbuero.de (Informations- <strong>und</strong> Beratungsstelle für Jungen, die <strong>Gewalt</strong><br />

erleben; Durchführung e<strong>in</strong>es Projekts zum Thema Antirassistische Mädchen- <strong>und</strong> Jungenarbeit<br />

vom Jungenbüro Bremen)<br />

72

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