LandFrau-Aktuell 03 2008 - Deutscher LandFrauenverband e.V.
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Heft 3 Juni <strong>2008</strong> Y 9676 www.<strong>LandFrau</strong>en.info<br />
Mit Charme und scharfem Blick: Gräfin Leutrum<br />
Mit vollem Einsatz in die Zukunft: Brigitte Scherb<br />
Geschichte des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbandes<br />
Machtfaktor <strong>LandFrau</strong>en<br />
Interessenvertretung als Grundlage
In diesem Heft<br />
2<br />
Präsidentin Brigitte Scherb<br />
im Blumengarten<br />
Ankunft der Gäste<br />
auf dem Hawix-Hof<br />
Fireda Demski-Minssen<br />
als IT-Unternehmerin<br />
Titelthemen<br />
Mit Charme und scharfem Blick – Gräfin Leutrum gründete vor 60 Jahren den<br />
Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverband ............................................................................... 4<br />
Mit vollem Einsatz in die Zukunft – Brigitte Scherb setzt als Präsidentin des<br />
Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbandes auf Weiterentwicklung mit Profil ............................. 8<br />
Geschichte des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbandes – von den Gründerjahren<br />
bis zur heutigen Struktur ........................................................................................ 12<br />
Machtfaktor <strong>LandFrau</strong>en – Interessenvertretung als Grundlage der Verbandsarbeit ..... 15<br />
Einkommenskombinationen<br />
Wenn Schweine nicht mehr reichen – Der Tourismus als zweites Standbein ................ 17<br />
<strong>LandFrau</strong>en wissen, was gut ist! – Verkaufsförderfrauen machen sich für<br />
regionale Produkte stark ........................................................................................ 19<br />
Internationale Verantwortung<br />
Weltweit engagiert – <strong>LandFrau</strong>en für <strong>LandFrau</strong>en .................................................... 20<br />
Agrarsoziales<br />
Steter Tropfen höhlt den Stein! – <strong>LandFrau</strong>en setzen sich für soziale Absicherung ein ... 22<br />
Bildungsarbeit<br />
Harmonisch, kreativ und erfolgreich – <strong>LandFrau</strong>en im niedersächsischen<br />
Kreis Stade im Aufwind ........................................................................................... 24<br />
Basis Ortsverein<br />
Auf die Basis kommt es an – Der Ortsverein Rödinghausen auf Erfolgskurs ............... 26<br />
Aktive Politik<br />
Zukunft gestalten – <strong>LandFrau</strong>en machen Politik ....................................................... 30<br />
HausWirtschaft<br />
Von der Berufsausbildung für Bäuerinnen zur gesellschaftspolitischen Aufgabe<br />
– Verbandsthema des dlv 1948 bis heute ................................................................ 34<br />
Projekte<br />
Auf eigenen Füßen – <strong>LandFrau</strong>en werden erfolgreiche Unternehmerinnen .................. 36<br />
Neue Verbindungen – <strong>LandFrau</strong>en erobern das world wide web ................................. 37<br />
Ran an die Kartoffeln – <strong>LandFrau</strong>en machen Schüler fit für gesunde Ernährung ......... 38<br />
Impressum ........................................................................................................... 3<br />
Titelbild: Die erste Ausgabe der Verbandszeitung „Land und Frau“ vom 7. August 1948 im Hintergrund mit den<br />
insgesamt sechs dlv-Präsidentinnen (v. l.): Gräfin Leutrum, Adelheid Lindemann-Meyer zu Rhaden,<br />
Irmgard Reichhardt, Hedwig Keppelhoff-Wiechert, Erika Lenz und Brigitte Scherb
Impressum<br />
Brigitte Scherb<br />
Präsidentin<br />
Herausgeber: <strong>Deutscher</strong> <strong>LandFrau</strong>enverband e. V.<br />
Claire-Waldorff-Str. 7, 10117 Berlin<br />
Tel. 0 30/2 84 49 29 10, Fax 0 30/2 84 49 29 19<br />
E-Mail: info@<strong>LandFrau</strong>en.info, www.<strong>LandFrau</strong>en.info<br />
Verantwortlich: Dr. Evelyn Schmidtke<br />
Redaktion: Lilo Schön<br />
Titelfoto: KreaTec – Grafik, Konzeption und Datenmanagement<br />
im Landwirtschaftsverlag GmbH, Münster<br />
Verlag: Landwirtschaftsverlag GmbH, 48084 Münster<br />
Hülsebrockstr. 2–8, 48165 Münster<br />
Tel. 0 25 01/80 10, Fax 0 25 01/80 12 04<br />
E-Mail: zentrale@lv-h.de<br />
Hauptgeschäftsführer: Karl-Heinz Bonny<br />
Geschäftsführer: Hermann Bimberg, Werner Gehring<br />
Objektleitung Anzeigen: Reinhard Geissel<br />
Verkaufsleitung Anzeigen: Gabriele Wittkowski<br />
Layout: KreaTec – Grafik, Konzeption und Datenmanagement<br />
im Landwirtschaftsverlag GmbH, Münster<br />
Gesamtherstellung: LV Druck GmbH & Co.KG<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell erscheint vierteljährlich.<br />
Der Jahresbezugspreis beträgt inklusive Versand und Nebenkosten<br />
€ 7,50. Im Sammelabo beträgt der Jahresbezugspreis € 6,20.<br />
Das Abo kann mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines<br />
Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden.<br />
Editorial<br />
Liebe <strong>LandFrau</strong>en,<br />
liebe Leserinnen und Leser,<br />
„Stadt-<strong>LandFrau</strong> – Tradition mit frischem Wind“ lautet das<br />
Motto des Deutschen Landfrauenverbandes zu seinem<br />
60-jährigen Bestehen in diesem Jahr. Diesem Ereignis ist<br />
die vorliegende Ausgabe von <strong>LandFrau</strong>enAKTUELL gewid-<br />
met. Sie fällt aus dem gewohnten Rahmen, weil wir mit Hilfe<br />
einzelner Persönlichkeiten darstellen wollen, dass die Land-<br />
Frauen seit ihrer Gründung eine prägende gesellschaftliche<br />
Kraft im ländlichen Raum sind.<br />
Markenzeichen der Erfolgsstory <strong>LandFrau</strong>enarbeit sind Bo-<br />
denständigkeit, festes Bekenntnis zu Werten und Traditi-<br />
onen und das sichere Gespür für das Machbare. Das ma-<br />
chen die Beispiele deutlich, an denen wir zeigen, was ge-<br />
schieht, wenn tatkräftige <strong>LandFrau</strong>en Verbandsarbeit um-<br />
setzen. Dazu gehören die Einkommenskombinationen, die<br />
von den <strong>LandFrau</strong>en gefördert werden und auch die Agrar-<br />
sozialpolitik, die lange Jahre für die <strong>LandFrau</strong>en das wich-<br />
tigste politische Thema war. Wir stellen am Beispiel eines<br />
Kreisvereines erfolgreiche Bildungsarbeit vor und einen viel-<br />
seitigen Ortsverein, der von der <strong>LandFrau</strong> des Jahres 2007<br />
geführt wird. Wir werben für aktives politisches Engage-<br />
ment, indem wir <strong>LandFrau</strong>en in der Politik vorstellen. Unsere<br />
internationale Verantwortung und die Spendenfreudigkeit<br />
der <strong>LandFrau</strong>en für <strong>LandFrau</strong>en in Entwicklungsländern am<br />
phantasievollen Beispiel eines Landesverbandes ist ein wei-<br />
teres Thema dieses Heftes. Auch die drei großen Projekte<br />
der letzten Jahre und ihre Auswirkungen auf die Landfrauen<br />
und die Gesellschaft vor Ort werden vorgestellt.<br />
Mir persönlich und dem neuen Präsidium liegt die Interes-<br />
senvertretung als Grundlage unserer Verbandsarbeit beson-<br />
ders am Herzen. Wir sind ein ungeheuer aktiver Verband,<br />
der vor Ort viel leistet, nicht nur für uns Frauen im ländlichen<br />
Raum selbst, sondern auch für die Gemeinschaft. Das ma-<br />
chen wir zu wenig deutlich und sind uns oft dieser Tatsache<br />
selbst gar nicht bewusst.<br />
„Die Zukunft hat viele Namen:<br />
Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare<br />
Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte<br />
Für die Couragierten ist sie die Chance“.<br />
Die vergangenen 60 Jahre und die 110 Jahre nach Entste-<br />
hen der <strong>LandFrau</strong>enbewegung haben eindrucksvoll gezeigt,<br />
dass <strong>LandFrau</strong>en zu den Couragierten im Lande gehören.<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 3<br />
Ihre
Titelthema<br />
Gräfin<br />
Leutrum<br />
Mit Charme und<br />
scharfem Blick<br />
– Gräfin Leutrum gründete vor 60 Jahren<br />
den Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverband –<br />
Heute würde man Gräfin Leutrum wohl eine erfolgreiche Networkerin nennen.<br />
Sie war umtriebig, knüpfte ständig Kontakte und zwar zu neuen Nachbarn wie<br />
zu Entscheidungsträgern. Sie suchte die Gespräche zu Politikern aller Parteien,<br />
pflegte einen guten Draht zu Mitstreitern wie zu Kontrahenten. Marie-Luise Grä-<br />
fin Leutrum von Ertingen hatte Talent dazu. „Das öffentliche Leben war meiner<br />
Mutter auf den Leib geschrieben“, sagt ihr Sohn Karl Magnus Graf Leutrum von<br />
Ertingen. Dabei hatte sie stets ein offenes Ohr für die Sorgen ihrer Mit-<br />
menschen. Doch der Gräfin ging es um mehr als um gute Kontakte. Sie wollte<br />
verändern und gestalten. Ihre Offenheit, ihr Charme und ihr Durchsetzungsver-<br />
mögen halfen ihr dabei. Die Landfrauenarbeit entwickelte sich zu ihrer Herzens-<br />
angelegenheit. Sie setzte ihre ganze Energie in den Aufbau der Verbände, stets<br />
mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der Frauen auf dem Land und die Infra-<br />
struktur der Dörfer zu verbessern. „Sie hatte ihre große Zeit als Vorsitzende<br />
des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbands“, erzählt der älteste Sohn. Die Gräfin<br />
selbst habe oft gesagt, die Nachkriegszeit, in der wiederaufgebaut und ange-<br />
packt werden konnte, sei ihre beste Zeit gewesen.<br />
1947 gründete Grä-<br />
fin Leutrum bereits<br />
einen offenen und<br />
eigenständigen Land-<br />
Frauenverband Würt-<br />
temberg-Baden und<br />
legte damit die Basis<br />
für den Deutschen<br />
<strong>LandFrau</strong>enverband.<br />
Marie-Luise Gräfin Leutrum zu Ertingen<br />
„Man muss sich diese Zeit vorstellen“,<br />
betonte die Gräfin in einem ihrer letz-<br />
ten Interviews. Tausende Flüchtlinge<br />
kamen nach dem Zweiten Weltkrieg in<br />
die Umgebung von Unterriexingen,<br />
dem Wohnsitz der Familie Leutrum in<br />
Württemberg. Einige Familien nahmen<br />
die Leutrums in ihr Schloss auf. Große<br />
Not herrschte auf den Höfen. Viele<br />
Frauen mussten die ganze landwirt-<br />
schaftliche Arbeit allein stemmen, weil<br />
Männer und Söhne gefallen oder in<br />
Kriegsgefangenschaft waren. Die Grä-<br />
fin wollte helfen. „Es war das drin-<br />
gende Bedürfnis, die Menschen irgend-<br />
wie zusammenzubringen“, sagte sie.<br />
Aus dem Nebeneinander der Men-<br />
schen sollte wieder ein Miteinander<br />
werden. Um das zu erreichen, musste<br />
eine organisatorische Form her. Das<br />
war das Startsignal für die neuen Ver-<br />
eine. Die Hausfrauenvereine, die es<br />
vor dem Krieg gegeben hatte, reichten<br />
nicht mehr aus. Es sollten alle Frauen<br />
auf dem Lande erreicht werden und<br />
zwar mit Angeboten, die allen nützten.<br />
Mehr Bildungsmöglichkeiten für Frau-<br />
en auf dem Lande, so lautete die zen-<br />
trale Aufgabe. „Gräfin Leutrum war ei-<br />
ne realistische Frau, die sich der ver-<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
änderten Situation nach dem Krieg be-<br />
wusst war“, erinnert sich Annemarie<br />
Griesinger, die frühere Sozialministerin<br />
Baden-Württembergs.<br />
Die Gräfin sprach mit Offizieren der<br />
französischen und amerikanischen<br />
Besatzungsmächte und schaffte es<br />
schließlich, sie von ihren Plänen zu<br />
überzeugen. Kaum hatten diese das<br />
Vereinsverbot gelockert, schrieb sie<br />
an Landratsämter, an Bürgermeister,<br />
fuhr von Dorf zu Dorf und von Kreis zu<br />
Kreis, um Frauen über die neuen Ver-<br />
eine zu informieren. Die ersten grün-<br />
dete sie manchmal mit nur sieben<br />
Frauen. Doch es sprach sich herum<br />
und immer mehr kamen dazu. „Die<br />
Pfarrers-, Lehrer- und Beamtenfrauen<br />
kamen, ehemalige Mitglieder der alten<br />
Hausfrauenvereine, Ortsansässige oh-<br />
ne eigene Landwirtschaft, die aber<br />
aus landwirtschaftlichen Familien<br />
stammten und die neu Dazugezo-<br />
genen“, erinnert sich Griesinger. Grä-<br />
fin Leutrum wurde zur Vorsitzenden<br />
der Vereine in Unterriexingen, der<br />
Kreise Ludwigsburg und Leonberg und<br />
schließlich am 30. März 1947 des<br />
Landesverbandes des damaligen<br />
Württemberg-Baden.<br />
Die erste Geschäftsstelle richtete sie<br />
im Schloss in Unterriexingen ein. Eines<br />
von drei kleineren Zimmern im Oberge-<br />
schoss wurde zum Schlaf- und Arbeits-<br />
zimmer der künftigen Geschäftsführe-<br />
rin Regina Frankenfeld. Die aus Ost-<br />
deutschland stammende Hauswirt-<br />
schaftslehrerin war während des Natio-<br />
nalsozialismus im Reichsnährstand, in<br />
dem alle Verbände zwangsweise zu-<br />
sammengeschlossen wurden, aktiv. Sie<br />
wurde für viele Jahre zur wichtigsten<br />
Mitarbeiterin der Gräfin. Als Franken-<br />
feld das Zimmer betrat, war sie erstaunt<br />
über ihr neues Büro: Berge von Schrift-<br />
stücken türmten sich auf einem großen<br />
Bett, auf einem viel zu kleinen Tisch<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08<br />
standen eine ausgeborgte Schreibmaschine und ein paar Aktendeckel. Das Te-<br />
lefon war unten in der Halle.<br />
Damit war der Anfang gemacht und die Gräfin in ihrem unermüdlichen Engage-<br />
ment für die Landfrauenarbeit nicht mehr zu bremsen. Ihr nächstes Ziel war ein<br />
länderübergreifender Zusammenschluss der Verbände. Dazu lud sie die Vertre-<br />
terinnen der Bundesländer in ihr Schloss ein. Aus der im Sommer 1947 ent-<br />
standenen Arbeitsgemeinschaft entwickelte sich der Deutsche <strong>LandFrau</strong>enver-<br />
band (dlv), der im Oktober 1948 gegründet wurde. Wieder wird Gräfin Leutrum<br />
zur Vorsitzenden gewählt und bleibt es bis 1970. Von da an setzt sie sich auch<br />
für internationale Kontakte ein. Ein Jahr nach der Gründung wird der dlv Mit-<br />
glied im Weltlandfrauenverband und im Verband der Europäischen Landwirt-<br />
schaft, später auch im Internationalen Verband für Hauswirtschaft. Um die In-<br />
teressenvertretung zu stärken, initiierte sie auf internationaler Ebene in den<br />
Organisationen Arbeitsgruppen für Landfrauen und Landfrauenausschüsse.<br />
Die anfangs gemeinsame Geschäftsstelle des Landes- und Bundesvereins be-<br />
fand sich ab 1950 in Stuttgart, 1972 zog der Bundesverband nach Bonn.<br />
Die Angebotspalette der Landfrauen wuchs: Beratungen und Weiterbildungen<br />
in Land- und Hauswirtschaft kamen hinzu, Fachvorträge, Kurse zu Gartenbau,<br />
Geflügelhaltung, Gesundheit und Pflege sowie politischer Bildung. „Die Aus-<br />
und Weiterbildungsangebote waren ihr ein großes Anliegen, Frauen sollten be-<br />
rufstätig, anerkannt und unabhängig werden“, berichtet Weggefährtin Griesin-<br />
ger. Unter der Präsidentschaft von Gräfin Leutrum kämpfte der dlv ebenso für<br />
bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bäuerinnen. „Unentwegt hat sie<br />
den Landwirtschaftsministern vorgetragen, wie wichtig es ist, dass nicht nur<br />
Bauern staatliche Hilfe für ihre Landwirtschaft bekommen, sondern auch die<br />
Frauen für den Haushalt“, erinnert sich Griesinger. Die Gräfin äußerte ihre Kri-<br />
tik sehr anschaulich: „Für Arbeiter, Angestellte und Beamte werden moderne<br />
Wohnungen gebaut, aber die armen Bauernbuben können ihre Kameraden im<br />
Winter nicht mit heimbringen, weil nur die Küche geheizt ist, aber der Rest kalt<br />
bleibt“. Sie forderte, dass solche Ungleichheiten abgeschafft werden – zwi-<br />
schen Stadt und Land, aber auch auf dem Hof zwischen Mann und Frau.<br />
Titelthema<br />
Als begabte Rednerin benötigte sie nur wenige Notizen. Mit lebensnahen Bei-<br />
spielen überzeugte sie ihre Zuhörer von notwendigen Investitionen. In Baden-<br />
Württemberg nahm der damalige Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke<br />
(CDU), der spätere Bundespräsident, das sogenannte Bäuerinnenprogramm<br />
auf. Als der Bundesfinanzminister Rolf Dahlgrün (FDP) es kippen wollte, mach-<br />
te sich die Bundestagsabgeordnete und spätere Sozialministerin Annemarie<br />
Griesinger (CDU) dafür stark. „Da habe ich mich mit der Gräfin Leutrum und<br />
Hilda Potthoff, der zuständigen Referatsleiterin im Bundeslandwirtschaftsmi-<br />
nisterium eine halbe Nacht lang zusammengesetzt und meine Rede für das Ple-<br />
num vorbereitet“, erinnert sich Griesinger. Die guten Argumente führten 1966<br />
zum Erfolg: 450 000 Bauernhäuser wurden mit kleinen Staatszuschüssen ge-<br />
fördert. Gräfin Leutrum gab Griesinger folgende Worte mit auf den Weg: „Frie-<br />
den erhalten wir nur dort, wo wir um das Gleichgewicht der Kräfte ringen – in<br />
der Ehe, in der Familie, in den Dörfern, in den Ländern, im Bund und in den Völ-<br />
kern.“ Griesinger hat für den Umgang mit Kollegen viel von der Gräfin gelernt.<br />
„Versuchen Sie nicht, eine Sache allein durchzupauken, sondern geben Sie den
Titelthema<br />
Männern eine Chance, sich zu profilieren – dann sind die Aussichten auf Erfolg<br />
besser“, empfahl sie aus eigener Erfahrung. Griesinger imponierte die Art der<br />
19 Jahre älteren Gräfin politisch etwas durchzusetzen. Sie habe nie auf andere<br />
Menschen herabgeblickt, sondern stets die Meinungen anderer respektiert. So<br />
gewann sie ebenfalls großen Respekt bei verschiedenen Parteien sowie im<br />
Bonner Landwirtschaftsausschuss.<br />
Ihre Tochter, Prinzessin Irmela Huberta von Ratibor und Corvey fragt sich heute<br />
oft, wie ihre Mutter sich in die Situation der Bäuerin hineindenken konnte.<br />
Schließlich sei sie doch eine Theoretikerin gewesen. Außerdem führte sie ein<br />
ganz anderes Leben, sie studierte, heiratete und hatte anfangs noch Personal<br />
im Haus. Doch ihre Mutter besaß ein Auge dafür. Wenn sie in ein Bauernhaus<br />
kam, in dem der Herd die Küche heizte, aber Wohn- und Schlafzimmer kalt blie-<br />
ben, wusste sie, woran es mangelt. Auch entging ihr nicht, dass Frauen, die Ei-<br />
er oder Milch verkauften, kein Geld hatten, weil sie es ihren Männern gaben.<br />
Außerdem lernte sie Landwirtschaft wie Verbandsarbeit bereits in ihrer Kindheit<br />
kennen. Schließlich war es ihre Mutter Ruth Steiner, die landwirtschaftliche<br />
Hausfrauenvereine, die Vorläufer der <strong>LandFrau</strong>envereine, in Württemberg grün-<br />
dete. Die Mutter der Gräfin war für damalige Verhältnisse eine moderne Frau:<br />
Sie schloss eine Ausbildung zur Land- und Hauswirtschaftslehrerin ab, legte<br />
Wert auf Gleichberechtigung in der Ehe, ein eigenes Einkommen sowie auf eine<br />
eigene befriedigende Tätigkeit neben ihrer Mutterrolle. Die geborene Preußin<br />
von Kalckreuth wurde durch ihren Ehemann, den Diplom-Landwirt Wohlgemuth<br />
Steiner, Mitglied einer renommierten jüdischen Familie in Württemberg. Ein<br />
Jahr nach der Hochzeit kam Marie-Luise 1904 zur Welt. Während sich Vater<br />
Steiner um Vieh- und Dinkelzucht kümmerte, die Mutter neben der Molkerei ei-<br />
ne Leidenschaft für Geflügelzucht entwickelte, verlebte Marie-Luise auf dem<br />
Schlossgut in Laupheim eine glückliche Kindheit. Mit der Gründung der Haus-<br />
frauenvereine hatte die Tochter allerdings immer weniger von ihrer Mutter. Meis-<br />
tens fand Marie-Luise sie nach der Schule in der Verkaufsstelle in Laupheim<br />
vor unzähligen Abrechnungen. Wie später Gräfin Leutrum, so war auch Ruth<br />
Steiner viel unterwegs, um über die Landfrauenarbeit zu informieren und neue<br />
Vereine zu gründen. Marie-Luise wusste früh, dass sie in ihre Fußstapfen treten<br />
6<br />
Gräfin<br />
Leutrum<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Vorsitzende der <strong>LandFrau</strong>en in einer Weltstadt zu sein, ist für<br />
mich trotz allem eine traditionelle Aufgabe. Gerade dadurch<br />
gelingt es mir als aktiver Bäuerin neben der täglichen Arbeit<br />
Freundschaften zu pflegen und mich aktiv für die Dorfgemeinschaft<br />
in Berlin-Lübars einzusetzen und ehrenamtliche Aufgaben<br />
wahrzunehmen. In den <strong>LandFrau</strong>en und in dem, was sie<br />
bieten, trifft das moderne Berlin auf seine ländlichen Wurzeln.<br />
Ute Kühne-Sironski, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Berlin<br />
Im Jahr 20<strong>03</strong> wurde der erste „Marie-Luise<br />
Gräfin Leutrum zu Ertingen-Platz in Schwie-<br />
berdingen, Kreis Ludwigsburg eingeweiht<br />
wollte. Nach dem Abitur besuchte sie<br />
eine Landfrauenschule und studierte<br />
anschließend Land- und Volkswirtschaft<br />
in Hohenheim und München. Im Hör-<br />
saal lernte sie den Grafen Norwin Hu-<br />
bertus Leutrum kennen. Beide heirate-<br />
ten 1930 und zogen in das Schloss in<br />
Unterriexingen, dem damaligen Haupt-<br />
sitz der Leutrums.<br />
Nach der Machtergreifung der National-<br />
sozialisten zog sich Gräfin Leutrum aus<br />
der Öffentlichkeit zurück. Bis 1946 küm-<br />
merte sie sich um Haus und Garten und<br />
vor allem um die wachsende Familie.<br />
Sohn Norwin und Tochter Irmela wurden<br />
geboren. Bei ihren Eltern änderte sich<br />
vieles. Ihre Mutter wurde nach 17 Jah-<br />
ren Landfrauenarbeit dazu gedrängt, von<br />
ihrem Amt als Landesvorsitzende zu-<br />
rückzutreten. Die Hausfrauenvereine<br />
wurden aufgelöst und in den Reichsnähr-<br />
stand überführt. Um ihr Gut zu retten,<br />
überschrieben die Steiners es ihrem<br />
Sohn Urich. Doch als „Halbjude“ ge-<br />
hörte auch er bald zu den Denunzierten.<br />
Er konnte nicht studieren und wurde<br />
1944 von der Gestapo in ein Außenlager<br />
des KZ Buchenwald deportiert. Ruth<br />
Steiner wurde ebenfalls verhaftet und in<br />
Gestapogefängnisse gesperrt sowie in<br />
das Arbeitslager Rudersberg deportiert.<br />
Ihre Köchin hatte die 65-Jährige denun-<br />
ziert, weil Ruth Steiner das Misslingen<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944<br />
sehr bedauerte. Vergeblich fuhr Marie-<br />
Luise nach Berlin, um sich mit einem<br />
ranghohen SS-Schergen zu treffen und<br />
ihre Mutter freizubekommen. „Sie war<br />
eine couragierte Frau“, sagt Sohn Nor-<br />
win Graf Leutrum. In dieser Zeit wohnte<br />
sie mit den Kindern in Laupheim, um bei<br />
ihrem Vater zu sein.<br />
Zurück in Unterriexingen, im Winter<br />
1946/47, beginnt Gräfin Leutrum mit<br />
dem Aufbau der Landfrauenarbeit. Sie<br />
stürzte sich in die Arbeit und genoss die<br />
ersten Erfolge nach den Jahren der Zu-<br />
rückgezogenheit. Deutlich bemerkte sie<br />
das politische Desinteresse unter der<br />
Bevölkerung und besonders unter den<br />
Frauen. Anlässlich der Landtagswahl im<br />
damaligen Württemberg-Baden forderte<br />
sie in einem Artikel im Württember-<br />
gischen Wochenblatt für Landwirtschaft<br />
am 16.11.1946 zur Wahlbeteiligung<br />
auf. Sie schrieb: „Ich spüre wie sich<br />
beim Lesen dieser Zeilen die Gesichter<br />
abwenden. Wahl, Wählen, Politik und<br />
dann noch wir Frauen? ... Laßt uns zu-<br />
frieden mit allem, was mit diesen Din-<br />
gen zusammenhängt. Wir wollen Ruhe,<br />
wollen Ordnung, wir wollen Brot für un-<br />
ser armes gequältes Volk!“ Gräfin Leu-<br />
trum verlangte Bildung für ein politisches<br />
Bewusstsein und die gleichberechtigte<br />
Verantwortung von Frauen und Männern<br />
beim Aufbau der gemeinsamen Zukunft. Dabei war ihr Frauenbild eher ein kon-<br />
servatives, geprägt von christlichen Werten.<br />
Die Präsidentin des dlv fährt immer häufiger nach Bonn, auch zu den Weltland-<br />
frauentagen nach Hamburg, New York und Helsinki. In den folgenden Jahren<br />
stellte sie den Verband auf ein solides Fundament und setzte sich für den Aus-<br />
bau der Bildungsarbeit über die fachliche Aus- und Weiterbildung hinaus ein.<br />
Trotz schlechter Gesundheit führte Gräfin Leutrum ihr Amt fort. Kehrte sie von<br />
Terminen und Reisen nach Hause zurück, musste sie sich hinlegen und arbeitete<br />
per Telefon weiter. Seit der letzten Geburt litt sie unter einem starken Venenlei-<br />
den, dass sie zunehmend ans Bett fesselte. Neben den <strong>LandFrau</strong>en kümmerte<br />
sie sich außerdem um ihre Mutter und ihren Bruder, denen es gesundheitlich<br />
schlecht ging. Ständig fuhr sie hin und her. Sie war zerrissen, immer besorgt und<br />
nie zufrieden mit dem, was sie erreichen konnte. „Das hat sie fertig gemacht,<br />
wenn sie nach Hause kam, ging nichts mehr“, berichtet ihre Tochter.<br />
Als ihr Mann 1974 starb, erlosch ihre Energie. Es war das Ende einer sehr<br />
glücklichen Ehe, in der sie der Motor, die Lebhafte war und Norwin der Ruhigere.<br />
Er war ihr Halt. Nun hatte sie keine Freude mehr am Leben. „Das hätten wir nie<br />
gedacht, sie war immer so selbständig“, sagt ihre Tochter. Der Kontakt zur Kir-<br />
che bedeutete ihrer Mutter in dieser Zeit viel. Sie las, so weit es ihre Augen zu-<br />
ließen und besuchte mit ihrer Tochter Konzerte. Für Musik und Theater hatte<br />
sie sich immer begeistert, aber ihr ganzes Leben lang dafür keine Zeit gehabt.<br />
Im Mai 1980 erlitt sie einen Schlaganfall, zwei Wochen später starb sie.<br />
In einem ihrer letzten Interviews sagte Gräfin Leutrum zu der zukünftigen Bedeu-<br />
tung der Landfrauenarbeit: „Ich glaube, wir wissen alle, in welcher Zeit wir leben<br />
und welche Verantwortung jeder einzelne, auch jede Frau, für diese Zukunft hat.<br />
In unsere Hand ist es gelegt, in welche Richtung es gehen wird.“<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
... weil es mir am Herzen liegt, die Verbindung zur Basis zu<br />
stärken; Veränderungen wahrnehmen und Möglichkeiten zur<br />
aktiven Beteiligung bei der Gestaltung unseres ländlichen<br />
Raumes anbieten. Gemeinsam können wir uns dieser Herausforderung<br />
stellen, Bestehendes fortzuführen sowie neue<br />
Projekte und Ideen aufzugreifen und umzusetzen.<br />
Präsidentin Waltraud Allgäuer, Präsidentin des LFV Württemberg-Hohenzollern<br />
Titelthema<br />
Katja Gartz<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 7
Titelthema<br />
Mit vollem Einsatz<br />
in die Zukunft<br />
– Brigitte Scherb setzt als Präsidentin des Deutschen<br />
Zu ihrer Rechten sitzt Geschäftsführerin Evelyn Schmidtke,<br />
zu ihrer Linken die erste Vizepräsidentin Hannelore Wörz, in<br />
der gesamten Runde versammeln sich 27 <strong>LandFrau</strong>en.<br />
Neugierig erwarten die Vertreterinnen der verschiedenen<br />
Landesverbände das zweitägige Programm. Anregungen<br />
haben sie viele: Wir sollten mehr tun, um Mitglieder zu ge-<br />
winnen und zu behalten, uns verstärkt in der Politik enga-<br />
gieren, die Verbandsarbeit und die interne Kommunikation<br />
ausbauen. Auch das eigene Image treibt die <strong>LandFrau</strong>en<br />
um. Brigitte Scherb hakt nach, unterbricht, ergänzt das The-<br />
ma „Bildungsarbeit“, fragt nach Schwierigkeiten und Erfol-<br />
gen. Sie blickt wissend, nickt verständnisvoll. Die beiden<br />
Tage sind ihr wichtig: Zum ersten Mal tagt der von ihr neu<br />
gegründete Ausschuss Verbandsentwicklung in Berlin. „Wir<br />
haben uns als Bundesverband zu wenig, um unsere Vereins-<br />
und Verbandsarbeit gekümmert und uns viel zu selten mit<br />
unseren Strukturen beschäftigt“, sagt die Vorsitzende des<br />
Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbands. Die erste Sitzung des<br />
Ausschusses ist der Mitgliederentwicklung gewidmet. Bri-<br />
gitte Scherb hat die Zügel in der Hand. Bereits zu Beginn<br />
eröffnet sie ihren Mitstreiterinnen einen positiven Ausblick<br />
in die Zukunft: „Alle Anregungen lassen sich verwirklichen.“<br />
Entscheidend sei, das Bewusstsein für ein gutes Produkt<br />
zu wecken. Sie weiß, wie wichtig Motivation ist.<br />
Seit knapp einem Jahr leitet Brigitte Scherb das Präsidium<br />
des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbands. Das neue Amt hat für<br />
sie viele faszinierende Seiten: der Kontakt zu vielen enga-<br />
gierten Frauen, interessante Begegnungen und Gespräche<br />
mit Politikern sowie die Möglichkeit regeln und entscheiden<br />
zu können. Weite Wege und lange Bahnfahrten nimmt sie<br />
dafür gerne in Kauf. Nach sechs Jahren Landfrauenarbeit<br />
als Vorsitzende des Landesverbandes Niedersachsen weiß<br />
sie, wo die <strong>LandFrau</strong>en der Schuh drückt. Die Basis- und<br />
Vereinsarbeit sind ihr bestens vertraut. Jetzt geht es da-<br />
rum, neue Verbandsstrukturen kennenzulernen. Ein Besuch<br />
8<br />
<strong>LandFrau</strong>enverbandes auf Weiterentwicklung mit Profil –<br />
bei den <strong>LandFrau</strong>en in Brandenburg macht schnell deutlich,<br />
wie entscheidend und gleichzeitig, wie unterschiedlich die<br />
Arbeit in Ortsvereinen ist. Eine Vorsitzende beschreibt: Den<br />
Puls am Ohr der Zeit haben, den Menschen in abgelegenen,<br />
entvölkerten Regionen Hoffnung vermitteln und den Alten<br />
zeigen, wie sie Anträge stellen, das sind unsere Aufgaben.<br />
Ihr Verein zählt 15 Mitglieder. „Das zeigt mir Landfrauenar-<br />
beit von der allerbesten Seite“, sagt Brigitte Scherb, die ei-<br />
nen großen gut situierten Landesverband mit Mitgliederzu-<br />
wachs und eigenem Bildungshaus gewohnt ist.<br />
Für Brigitte Scherb<br />
ist der heimische<br />
Hof in Bredelem<br />
eine Station, an der<br />
sie Kraft tankt.<br />
Als Präsidentin hat sie viel vor: Ihr Ziel ist es, die Landfrau-<br />
enarbeit weiterzuentwickeln. Den zentralen Aufträgen des<br />
dlv, Interessenvertretung und Bildung will sie mehr Profil<br />
verleihen. Es soll sichtbarer werden, dass der Verband zu<br />
den größten Bildungsträgern gehört. Obwohl Qualifizie-<br />
rungen und Projekte, die Existenzgründungen unterstützen,<br />
Vorträge, Reisen, Bewegungs- und Kreativkurse Bildungs-<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
angebote sind, würden die Frauen ihr Mitwirken nicht als<br />
Bildungsarbeit ansehen. „Deshalb müssen wir das Be-<br />
wusstsein dafür wecken“, erklärt Scherb. Es sei Aufgabe<br />
des Verbands, den Austausch zu fördern, die Frauen weiter<br />
zu begleiten und neue Trends aufzuzeigen. „Der Bundesver-<br />
band ist Koordinator und Dienstleister, wir haben die Leute,<br />
die Entwicklungen und Möglichkeiten für Projekte und Qua-<br />
lifizierungen im Fokus haben“, berichtet die Präsidentin. Ob<br />
ein Angebot übernommen wird, entscheiden die Landesver-<br />
bände. Die föderale Struktur schafft „Einheit in Vielfalt“,<br />
das sei die Stärke der Landfrauenarbeit. Wichtig sei dabei,<br />
dass sich der dlv mit den Landesverbänden abstimmt.<br />
Um die Interessen der Frauen zu vertreten, sollten die Ver-<br />
bandsaktivitäten im gesellschaftlichen Kontext stehen.<br />
Deshalb sollten beispielsweise die freien Zeiten von Be-<br />
rufstätigen oder jungen Müttern stärker berücksichtigt wer-<br />
den. Scherbs Motto lautet: Diversifizieren, um Mitglieder zu<br />
binden und zu gewinnen. Denn überzeugender wirkt der Ver-<br />
band, wenn potentielle Mitglieder erfahren, dass die Land-<br />
Frauen nicht nur nachmittags mit Kindern kochen, sondern<br />
sich auch für gesunde saisonale und regionale Ernährung<br />
in Schulen einsetzen. Damit auch die Mitglieder die Aktivi-<br />
täten wahrnehmen, müssten sie besser informiert werden.<br />
Dafür ist laut Scherb vor allem das Bewusstsein der Vor-<br />
stände gefragt. Die alte Forderung, die Hauswirtschaft in<br />
den Schulen zu verankern, hält sie heute für wichtiger denn<br />
je, weil immer weniger Kinder zu Hause Alltagskompetenzen<br />
lernen.<br />
Den Blumengarten hält sie selbst in Ordnung.<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Landesbäuerin Annemarie Biechl,<br />
Landfrauen im Bayerischen Bauernverband<br />
Titelthema<br />
... weil mir die Lebens- und Arbeitssituation<br />
der Frauen auf dem Land sehr<br />
wichtig ist. Durch die Tätigkeit der Landfrauenorganisation<br />
erfahren die Frauen<br />
Unterstützung und gelebte Solidarität.<br />
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die<br />
Erhaltung der lebensnotwendigen Strukturen<br />
im ländlichen Raum. Darüber hinaus<br />
sind mir die vielen sozialen Aktivitäten<br />
unserer Bäuerinnen, die Gemeinschaft<br />
auf Ortsebene sowie die Arbeit<br />
im Bildungsbereich für die Aus- und Weiterbildung<br />
ein großes Anliegen.<br />
Da ihr die Entwicklung der ländlichen Regionen am Herzen<br />
liegt, fordert sie gleichwertige Lebensverhältnisse auf dem<br />
Land wie in den Städten. Schnelle Internetverbindungen<br />
verkürzen und erleichtern gerade auf dem Land viele Wege.<br />
Außerdem müssten die Infrastruktur verbessert und Ar-<br />
beitsplätze gesichert werden. Auf der Cebit, der Grünen Wo-<br />
che, auf Podien und beim Mittagessen lässt sie keine Ge-<br />
legenheit aus, sich in Gesprächen mit Politikern und ande-<br />
ren Partnern für bessere Lebensbedingungen stark zu ma-<br />
chen. „Wenn uns das nicht gelingt, wird abgewandert“, sagt<br />
die 53-jährige Präsidentin. Die Folgen sieht man bereits in<br />
den östlichen Bundesländern. Hier sind Aktivitäten der<br />
<strong>LandFrau</strong>en gefragt, beispielsweise weil zunehmend mehr
Titelthema<br />
Betriebe ein zweites Standbein brauchen, vor<br />
allem jene, die in landschaftlich schöner, aber<br />
wenig ertragreicher Gegend liegen. Trends im<br />
Tourismus sollten aufgegriffen werden, bei-<br />
spielsweise Wellness oder Kneippanwen-<br />
dungen. Ebenso kann das Angebot von Hoflä-<br />
den durch Halbfertigprodukte weiterentwickelt wer-<br />
den. Auch könnten Betriebe Eintrittsgelder verlangen,<br />
wenn sie im Rahmen von Veranstaltungen zeigen, wo die<br />
Lebensmittel herkommen und wie sie produziert werden.<br />
Die Vermietung von technisch ausgestatteten Seminarräu-<br />
men für Managertrainings auf den Höfen kann ebenfalls ei-<br />
ne Alternative schaffen.<br />
Das Leben auf dem Land will Brigitte Scherb nicht missen.<br />
Im Garten ihres alten Bauernhauses aus roten Backstei-<br />
nen sind Vögel, mal ein Hammer, aber selten ein Auto zu<br />
hören. Das bedeutet für sie hohe Lebensqualität. Unweit<br />
eines beruhigend plätschernden Wasserlaufs sitzt sie am<br />
liebsten auf der Terrasse, Zeitung lesend bei einem Stück<br />
ihrer köstlichen Kuchen. Gemeinsam mit ihrem Mann be-<br />
treibt sie einen reinen Ackerbaubetrieb. Beide waren daher<br />
immer auf dem Hof in Bredelem für ihre drei Kinder erreich-<br />
bar. „Ich habe mich bewusst für Familie und Hof entschie-<br />
den, und es nie bereut. sagt Scherb, die auf einem Hof in<br />
Kassel aufwuchs. Diese Wahlfreiheit Familie/und oder Be-<br />
ruf ist ihr wichtig, Kinderbetreuung, auch als Angebot der<br />
<strong>LandFrau</strong>en, ist Grundvoraussetzung, damit junge Mütter<br />
leichter in das Berufsleben zurückkehren können und bei<br />
einer Scheidung durch das geänderte Unterhaltsrecht nach<br />
drei Jahren nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Für<br />
10<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
... weil sie als größtes Frauennetzwerk<br />
und Weiterbildungsträger dazu beitragen,<br />
unseren ländlichen Raum in der<br />
Pfalz lebens- und liebenswert zu erhalten.<br />
Die vielfältigen Weiterbildungsangebote<br />
der <strong>LandFrau</strong>en helfen, Wissen zu<br />
transportieren und somit den Zusammenhalt<br />
unserer Gesellschaft generationsübergreifend<br />
zu stärken und Ausgrenzungen<br />
zu vermeiden. Unsere örtlichen<br />
Vereine übernehmen eine wichtige<br />
gesellschaftspolitische Aufgabe,<br />
sie geben unseren Frauen Raum und Gelegenheit zum Austausch<br />
und unterstützen den Erhalt der dörflichen Strukturen.<br />
Hannelore Steinhauser, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Pfalz<br />
Ohne einen Blick zur Uhr läuft<br />
für die Bäuerin mit den hoch-<br />
rangigen Ehrenämtern nichts.<br />
sie bedeutet Wahlfreiheit<br />
auch, dass die Familien, in<br />
denen ein Elternteil auf eine Be-<br />
rufstätigkeit ganz oder teilweise ver-<br />
zichtet, genauso unterstützt werden müssen, wie die, bei<br />
der beide erwerbstätig sind“, sagt sie.<br />
Wenn die Frühaufsteherin zu Hause in ihrem Büro arbeitet,<br />
beginnt sie um sieben Uhr morgens zu telefonieren, um<br />
sich mit ihrer Geschäftsführerin abzusprechen und Ent-<br />
scheidungen zu treffen. „Sie ist jederzeit ansprechbar und<br />
sehr verlässlich“, berichtet Evelyn Schmidtke. Die Ge-<br />
schäftsführerin spricht von einer sehr guten Zusammenar-<br />
beit und weiß, dass Vorschläge und Kritik jederzeit möglich<br />
sind. Stehen Termine an, ist Brigitte Scherb für die Land-<br />
Frauen sie die ganze Woche unterwegs. Ihr Mann Heinfried<br />
unterstützt sie, weil er weiß, dass ihr die Landfrauenarbeit<br />
wichtig ist. Für den Betrieb erledigt sie die Buchführung und<br />
die Büroarbeiten, kümmert sich um Haus, Hofgrundstück<br />
und Garten und arbeitet rund zehn Stunden pro Woche als<br />
Geschäftsführerin für den Gewässerunterhaltungsverband.<br />
Den Betrieb wird Sohn Christian übernehmen, der neben<br />
seinem Studium schon kräftig mitmischt. Aber es bleibt<br />
nicht aus, dass die Präsidentin auch mal auf den Trecker<br />
muss. „Ich habe gerne viel um die Ohren, außerdem bin ich<br />
gut organisiert.“ Ihr aufgeräumter Schreibtisch lässt daran<br />
keinen Zweifel. Aber sie weiß auch zu entspannen: Im Gar-<br />
ten rumwerkeln, Rüben hacken, einen Berg Bügelwäsche<br />
abarbeiten, dabei Musik hören und sich zwischendurch ein<br />
Stündchen auf der Liege lang machen.<br />
Jeder Tag mit den <strong>LandFrau</strong>en ist für sie ein guter Tag, seit<br />
rund 30 Jahren ist sie in der <strong>LandFrau</strong>enarbeit aktiv. Sich<br />
durchzusetzen fällt ihr leicht, schwer sich zurückzuhalten.<br />
„Ich mache mir immer wieder bewusst, dass die anderen<br />
auch Wege haben, die richtig sind“, gibt Brigitte Scherb<br />
selbstkritisch zu. Deshalb legt sie Wert auf Austausch und<br />
Annäherungen. „Ich bin schnell zu begeistern, das ist<br />
manchmal gut, aber nicht immer, weil ich dann zu sehr<br />
schnellen Entscheidungen neige“, fügt sie hinzu. Sie ist<br />
froh, dass die Kolleginnen im Präsidium ihre Schwachstel-<br />
len kennen und ein offenes Wort nicht scheuen. Sie lasse<br />
sich auch kritisieren, sagt aber ebenso anderen deutlich,<br />
wenn etwas nicht ihren Erwartungen entspricht. Hannelore<br />
Wörz arbeitet gern mit Scherb zusammen. „Wir verstehen<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
uns blind, aber hinterfragen uns immer gegenseitig“, er-<br />
zählt die Stellvertreterin und Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>en-<br />
verbands Württemberg-Baden.<br />
Die bunte Mischung von Charakteren und starken Persön-<br />
lichkeiten schätzt die führende <strong>LandFrau</strong> am Präsidium, da-<br />
bei sieht sie sich selbst als ‚prima inter pares’. „Wir errei-<br />
chen viel, haben ein prima Präsidium und eine Geschäfts-<br />
stelle, die gute Arbeit leistet“, sagt Scherb.<br />
Schwierigkeiten bleiben, so Scherb, bei der Verbandsarbeit<br />
nicht aus, beispielsweise, wenn sich Vereine melden und<br />
beklagen, dass sie zu wenige jungen Mitglieder haben.<br />
„Hier müssen wir selbstkritisch nach Gründen forschen, die<br />
wir in den Vereinen beeinflussen und ändern können“, er-<br />
klärt Scherb. Dazu zähle das überwiegend traditionelle Er-<br />
scheinungsbild sowie Angebot, das den inhaltlichen und<br />
zeiltlichen Vorstellungen junger Frauen nicht entspreche.<br />
Die Präsidentin ist realistisch: „Der Überalterung müssen<br />
wir aktiv begegnen, aber sie offensiv annehmen.“ Frauen<br />
65 plus seien wertvolle Mitglieder für alle Vereine. Dennoch<br />
ist „alt werden auf dem Land“ ein Thema, dem sich alle Ver-<br />
bände stellen müssen. Scherb bemängelt die fehlende Of-<br />
fenheit für andere Lebensweisen. Wenn die Vereine weiter-<br />
geführt werden sollen, müssten die <strong>LandFrau</strong>en auf andere<br />
in ihrer Umgebung zugehen. „Nur der beständige Wandel<br />
sichert uns Beständigkeit“, weiß Scherb. Sie wünscht sich<br />
auch, dass sich die Vereine stärker Frauen mit Migrations-<br />
hintergrund öffnen und deren Interessen und Bedürfnisse<br />
in ihre Programmgestaltung miteinbeziehen.<br />
Weiterentwickeln will sie die Landfrauenarbeit auch auf eu-<br />
ropäischer Ebene. „Wir wollen einen Wissens- und Erfah-<br />
rungsaustausch mit Frauen aus den ländlichen Regionen<br />
der jungen EU-Mitgliedstaaten aufbauen und gemeinsame<br />
Projekte durchführen“, berichtet die Präsidentin. Gerne vo-<br />
rantreiben würde sie außerdem eine Europäische Land-<br />
Frauenvereinigung für alle Frauen auf dem Lande, bisher<br />
gibt es nur die COPA für die Bäuerinnen und den Weltland-<br />
Frauenverband ACWW.<br />
Um all die Ziele des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbands reali-<br />
sieren zu können, fordert Brigitte Scherb intensivere Kon-<br />
takte zu Politikern. „Wir werden von der Politik zu wenig wahr-<br />
genommen“, sagt sie. Vor allem die persönlichen Gespräche<br />
kommen ihr zu kurz. „Mit Vertretern der Ministerien für Er-<br />
nährung, Familie und Arbeit müssten wir ständig im Gespräch<br />
sein, da können wir unsere Ideen einbringen, um gemeinsam<br />
Projekte zu entwickeln.“ So hatte ihre Vorgängerin Erika Lenz<br />
beim aid-Ernährungsführerschein den richtigen Riecher:<br />
„Das ist eine gute Sache, da haben wir die Unterstützung<br />
von Ernährungsminister Horst Seehofer (CSU)“, so die Präsi-<br />
Titelthema<br />
dentin. Es sollten nicht nur parlamentarische Abende, son-<br />
dern auch parlamentarische Gesprächsrunden zu Sachthe-<br />
men im kleinen Kreis genutzt werden. Zu begrüßen wären<br />
ebenso mehr Politikerinnen in den Reihen der <strong>LandFrau</strong>en.<br />
Zulegen soll außerdem die Öffentlichkeitsarbeit des Ver-<br />
bands. Scherb wünscht sich, dass sich <strong>LandFrau</strong>en überall<br />
einmischen, wo ihre Interessen berührt werden. „Wir könnten<br />
ja wirklich ein Machtfaktor sein, allein aufgrund unserer<br />
550.000 Mitglieder.“ Ein Schritt zu mehr Präsenz soll ein<br />
neuer Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit sein.<br />
Damit die Landfrauenarbeit weiterhin erfolgreich fortge-<br />
setzt werden kann, hofft Brigitte Scherb auf steigende Mit-<br />
gliedsbeiträge. Viele Vereine schrecken vor einer Erhöhung<br />
zurück, weil sie befürchten, die Mitglieder blieben aus.<br />
Doch nur wer über Mittel verfügt, kann gute Programme re-<br />
alisieren und Referenten bezahlen. „<strong>LandFrau</strong>en müssen<br />
sich selbst etwas wert sein“, betont Scherb. Katja Gartz<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Die Begegnung und der Kontakt mit<br />
Menschen machen mir viel Freude. Voneinander<br />
lernen, gemeinsam Ideen entwickeln<br />
und umsetzen, etwas bewegen<br />
für die Frauen, für den Berufsstand, für<br />
die Dörfer – diese Möglichkeiten bietet<br />
mir die <strong>LandFrau</strong>enverbandsarbeit. Als<br />
stellvertretende Bürgermeisterin ist mir<br />
politisches Engagement der <strong>LandFrau</strong>en<br />
sehr wichtig. Gern möchte ich mehr<br />
Frauen dafür begeistern.<br />
Margret Vosseler, Präsidentin des Rheinischen <strong>LandFrau</strong>enverbandes<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 11
Titelthema<br />
Geschichte des<br />
Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbandes (dlv)<br />
Der Impuls zur Gründung der <strong>LandFrau</strong>enbewegung am Ende des 19. Jahrhun-<br />
derts ging von einer Frau aus, die sich kritisch mit der gesellschaftlichen Reali-<br />
tät der Frauen auf dem Land auseinandergesetzt hat. Elisabet Boehm, Gutsfrau<br />
aus Ostpreußen hatte die Erfahrung machen müssen, dass es zwischen Män-<br />
nern und Frauen in der Landwirtschaft große Ausbildungsunterschiede gab.<br />
Die Frauen waren damals völlig unzureichend auf ihr Aufgabenfeld, die ländliche<br />
Hauswirtschaft, vorbereitet. Dagegen hatte die Tätigkeit des Landwirtes durch<br />
die damals umwälzenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse mit Auswir-<br />
kungen auf Ackerbau und Viehzucht bereits eine Professionalisierung erfahren.<br />
Während also Landwirtschaft fachkundig gelehrt wurde, war von einer hauswirt-<br />
schaftlichen Ausbildung der Frau noch keine Rede. Die Frau auf dem landwirt-<br />
schaftlichen Betrieb, die Bäuerin, hatte keinen Beruf.<br />
Die historische Entwicklung der <strong>LandFrau</strong>enbewegung ist an die weitreichenden<br />
Veränderungen innerhalb des Agrarsektors im letzten Jahrhundert geknüpft.<br />
Die deutsche Landwirtschaft musste sich immer mehr am Weltmarkt orientie-<br />
ren lernen. Sinkende Getreidepreise bei gleichzeitig hohen Investitionskosten<br />
für die Modernisierung der Betriebe und für Betriebsmittel wie Kunstdünger und<br />
Pflanzenschutz führten zu hohen Verschuldungen. Sorgsame Wirtschaftsweise<br />
im Haushalt, aber auch zusätzliche Verdienstquellen waren dringend nötig. Da-<br />
mit mussten die Frauen zwangsläufig einen wichtigen Part sowohl im Betrieb<br />
als auch in der Öffentlichkeit übernehmen.<br />
Der erste landwirtschaftliche Hausfrauenverein wurde 1898 in Rastenburg, Ost-<br />
preußen gegründet. Bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts folgten viele<br />
Gründungen in ganz Deutschland. Ziel des Verbandes war, das Bewusstsein<br />
12<br />
– von den Gründerjahren bis heute –<br />
Brigitte Scherb Erika Lenz Hedwig Keppelhoff-Wiechert<br />
für die Lebenssituation der <strong>LandFrau</strong>en<br />
und für ihren bisher weit unterschätzten<br />
Beitrag in Land- und Volkswirtschaft<br />
zu stärken. Die Arbeitsschwerpunkte<br />
der landwirtschaftlichen Hausfrauen-<br />
vereine dienten im Wesentlichen dem<br />
ländlichen und hauswirtschaftlichen<br />
Ausbildungswesen. Der ursprüngliche<br />
Ansatz, Erfahrungen und Wissen über<br />
Herstellung und Vermarktung landwirt-<br />
schaftlicher Produkte auszutauschen<br />
und sich weiterzubilden, hat sich im-<br />
mer weiterentwickelt und den Anforde-<br />
rungen der Zeit angepasst, so dass die<br />
<strong>LandFrau</strong>en sehr bald auch die gesell-<br />
schaftliche Entwicklung auf dem Lande<br />
beeinflusst und mitgestaltet haben.<br />
Nach Krieg und Zusammenbruch waren<br />
viele Männer und Söhne gefallen oder<br />
in Kriegsgefangenschaft. Die Frauen<br />
mussten die Höfe bewirtschaften. Ein<br />
unendlicher Flüchtlingsstrom ergoss<br />
sich über das Land. Angesichts dieser<br />
Situation belebte Marie-Luise Gräfin<br />
Leutrum von Ertingen den Gedanken<br />
der <strong>LandFrau</strong>enarbeit neu. Am 20. Ok-<br />
tober 1948 wurde der Deutsche Land-<br />
Frauenverband (dlv) gegründet und die<br />
Gräfin zur Präsidentin gewählt. Bis<br />
1970 stand sie dem Verband als Prä-<br />
sidentin vor und stellte ihn auf ein soli-<br />
des organisatorisches Fundament. Die<br />
Geschäftsstelle des dlv war bis 1973<br />
in Stuttgart. Die Neuorientierung auf<br />
internationaler Ebene, der Aufbau na-<br />
tionaler Kontakte und der Ausbau der<br />
Bildungsarbeit über die fachliche Aus-<br />
und Weiterbildung hinaus sind wesent-<br />
liche Verdienste ihrer Amtszeit. Sie hat<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
Der dlv und seine Mitgliedsorganisationen<br />
20. Oktober 1 8:<br />
Gründung des dlv mit den<br />
Mitgliedsorganisationen Württem-<br />
berg-Baden, Bayern, Bremen,<br />
Hessen-Nassau und Kurhessen<br />
(1973 zum LFV Hessen vereint),<br />
Niedersachsen-Hannover, Weser-<br />
Ems, Rheinische <strong>LandFrau</strong>enver-<br />
einigung, Westfalen, Schleswig-<br />
Holstein<br />
1 8: Hamburg<br />
1 1: Pfalz, Rheinhessen<br />
1 7: Berlin, Saarland<br />
1 60: Rheinland-Nassau<br />
1 6 : Südbaden<br />
1 8 : Württemberg-Hohenzollern<br />
1 1: Mecklenburg-<br />
Vorpommern,<br />
Sachsen-Anhalt<br />
1 2: Sachsen, Thüringen<br />
1 3: Brandenburg<br />
den <strong>LandFrau</strong>enverband von Anfang an<br />
bewusst geöffnet für alle Frauen, die im<br />
ländlichen Raum leben. Bereits 1949<br />
wurde der Verband Mitglied im Welt-<br />
landFrauenverband (ACWW) und im Ver-<br />
band der Europäischen Landwirtschaft<br />
(CEA), 1950 Mitglied im Internationalen<br />
Verband für HausWirtschaft (IVHW) und<br />
1968 im <strong>LandFrau</strong>enausschuss der be-<br />
rufsständischen Organisationen der Eu-<br />
ropäischen Gemeinschaft (COPA). Seit<br />
1968 unterstützt das damalige Bundes-<br />
ministerium für Ernährung, Landwirt-<br />
schaft und Forsten die Bildungsarbeit<br />
des Verbandes über bundeszentrale In-<br />
formationsveranstaltungen (ZIV). In die<br />
Präsidentschaft von Gräfin Leutrum fiel<br />
auch der Aufbau einer hauswirtschaft-<br />
lichen Forschung und die Errichtung der<br />
Bundesforschungsanstalt für Hauswirt-<br />
schaft. Die <strong>LandFrau</strong>en erreichten ein<br />
Förderprogramm zur Verbesserung der<br />
Irmgard Reichhardt Adelheid Lindemann-Meyer<br />
arbeitswirtschaftlichen Situation in den Haushalten der Bäuerinnen und spä-<br />
ter ein Förderprogramm zur Modernisierung und Sanierung von landwirtschaft-<br />
lichen Gebäuden.<br />
zu Rhaden<br />
Titelthema<br />
Im Jahr 1970 übernahm Adelheid Lindemann-Meyer zu Rhaden den Vorsitz<br />
im Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverband, der nun schon feste Strukturen hatte und<br />
225.000 Mitglieder zählte. In ihrer Amtszeit wurde die Geschäftsstelle des dlv<br />
nach Bonn verlegt wegen der besseren Möglichkeiten, in der Bundeshauptstadt<br />
mit Regierung, Parlament und Interessenvertretungen zusammenzuarbeiten.<br />
Dadurch wurde der Verband gesellschaftspolitisch verstärkt wahrgenommen,<br />
er wurde zu einer unverzichtbaren Vertretung für die <strong>LandFrau</strong>en. Höhepunkt<br />
ihrer Amtszeit war für Adelheid Lindemann-Meyer zu Rhaden die Ausrichtung<br />
des Kongresses des WeltlandFrauenverbandes 1980 in Hamburg. Diese Ver-<br />
anstaltung war ein großer öffentlicher Erfolg, der das weltweite Verständnis von<br />
Frauen für Frauen in hohem Maße gestärkt und wesentlichen Einfluss genom-<br />
men hat auf das Engagement der deutschen <strong>LandFrau</strong>en in der Entwicklungs-<br />
zusammenarbeit. Im gleichen Jahr begann die offizielle Zusammenarbeit des<br />
dlv mit der Deutschen Welthungerhilfe (DWHH). Die soziale Absicherung von<br />
jüngeren Witwen in der Landwirtschaft und eine Qualifizierung der beruflichen<br />
Ausbildung in der ländlichen HausWirtschaft wurde unter Adelheid Lindemann-<br />
Meyer zu Rhaden von den <strong>LandFrau</strong>en vorangetrieben. In ihrer Amtszeit hat sich<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
... weil ich Freude daran habe, als Frau mit Frauen in unseren<br />
ländlichen Räumen etwas zu bewegen. Der Umgang mit Menschen<br />
und die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, engagiert<br />
mitzuarbeiten und andere für die Mitwirkung in einem<br />
Verband zu motivieren, der besonders die Belange der Frauen<br />
– unserer Frauen – vertritt, sind mir persönlich wichtig. Ich gratuliere<br />
allen <strong>LandFrau</strong>en zu diesem großartigen Jubiläum und<br />
wünsche mir, dass noch viele solcher Ehrentage folgen.<br />
Brunhilde Jakobi, <strong>LandFrau</strong>enverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />
Marie-Luise Gräfin Leutrum<br />
zu Ertingen<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 13
Titelthema<br />
die Mitgliederzahl bei den <strong>LandFrau</strong>en mehr als verdoppelt auf ca. 500.000.<br />
Die dritte Präsidentin des dlv wurde 1986 Irmgard Reichhardt, die mit ihrer<br />
Karriere den Anspruch der <strong>LandFrau</strong>en auf politische Teilhabe unterstrich. Sie<br />
wurde 1987, nach nur einem Jahr als dlv-Präsidentin, Ministerin für Landwirt-<br />
schaft, Forsten und Naturschutz in Hessen. Sie war für viele <strong>LandFrau</strong>en An-<br />
sporn sich zu engagieren und aktive Interessenvertretung zu betreiben. Nicht<br />
umsonst war für sie die Erwachsenenbildung eine vorrangige Aufgabe des dlv.<br />
Die Bildungsangebote sollten den Teilnehmerinnen vor allem auch Sicherheit<br />
und Selbstvertrauen vermitteln und sie dazu befähigen, ihre Anliegen offensiv<br />
zu vertreten.<br />
Von 1987 bis 1999 war Hedwig Keppelhoff-Wiechert die Präsidentin des Deut-<br />
schen <strong>LandFrau</strong>enverbandes. Auch sie übernahm neben der <strong>LandFrau</strong>enarbeit<br />
politische Ämter und wurde 1989 zur Europaabgeordneten gewählt. Wie ihre<br />
Vorgängerin vertrat sie die Meinung, dass eine wirksame Interessenvertretung<br />
nur möglich ist, wenn der Verband auch politisch präsent ist. Diese Überzeu-<br />
gung setzte sich bei den <strong>LandFrau</strong>en während ihrer Präsidentschaft immer<br />
stärker durch. Gleichzeitig begann der Verband, sich mit den eigenen Strukturen<br />
zu beschäftigen und seine Mitglieder zu unterstützen, ihren Aufgaben in Beruf,<br />
Familie und Ehrenamt gerecht zu werden. Ein eigenes Einkommen der Bäue-<br />
rinnen durch Einkommenskombinationen im landwirtschaftlichen Umfeld ge-<br />
wann an Bedeutung. Mit Hilfe des Projektes „Landideen“ wurde dieser Bereich<br />
gefördert und die Bedeutung der Einkommenskombinationen in der Öffentlich-<br />
keit bewusst gemacht. In die Amtszeit von Hedwig Keppelhoff-Wiechert fiel die<br />
deutsch-deutsche Vereinigung und der Aufbau der LandeslandFrauenverbände<br />
in den fünf neuen Bundesländern. Ein viel beachtetes Modellprojekt „SELF-<br />
Frauen gestalten Strukturentwicklungen ländlicher Regionen“ hat die Frauen<br />
in den neuen Bundesländern bei der Suche nach einer gesicherten Existenz<br />
erfolgreich unterstützt.<br />
Von 1999 bis 2007 war Erika Lenz Präsidentin des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enver-<br />
bandes. Zu Beginn ihrer Amtszeit wurde die Geschäftsstelle des dlv nach Berlin<br />
verlegt, so dass die politische Interessenvertretung der <strong>LandFrau</strong>en nach dem<br />
Umzug von Parlament und Regierung nahtlos fortgesetzt werden konnte. In<br />
einer zunehmend globalisierten Welt mussten sich die <strong>LandFrau</strong>en mit den mo-<br />
dernen Kommunikations- und Informationstechnologien vertraut machen. Das<br />
Projekt „IT-<strong>LandFrau</strong>en“ brachte nicht nur Medienkompetenz in den ländlichen<br />
1<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
... weil ich gerne auf dem Land lebe und meine Lebensfreude<br />
weitergeben möchte.<br />
Immer noch sind viele Frauen ohne Arbeit, sozial an den Rand<br />
gedrängt und oft auf sich allein gestellt. Dagegen unternehme<br />
ich etwas. Zusammen mit vielen anderen Mitstreiterinnen habe<br />
ich mir das Ziel gestellt, diese Frauen aus der Isolation he-<br />
rauszuholen und Gemeinschaftssinn zu wecken.<br />
Diese Aufgabe ist für mich eine Herausforderung.<br />
Heidemarie Becker, Vorsitzende LandfFrauenverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.<br />
Raum, es öffnete den <strong>LandFrau</strong>en auch<br />
das weltweite Netz für ihre Aktivitäten.<br />
Zu Beginn des neuen Jahrtausends ha-<br />
ben sich die <strong>LandFrau</strong>en als Bindeglied<br />
zwischen Erzeugern und Verbrauchern<br />
positioniert und dabei eine entschei-<br />
dende Fehlentwicklung der Gesellschaft<br />
erkannt: Fehlende hauswirtschaftliche<br />
Kenntnisse. In den letzten Jahren ent-<br />
wickelten sich deshalb auf allen Ebenen<br />
des Verbandes Aktivitäten und Projekte,<br />
die zum Ziel haben, die Bedeutung von<br />
„HausWirtschaft als Alltagskompetenz“<br />
anzuerkennen und HausWirtschaft an<br />
allgemein bildenden Schulen wieder<br />
als Lehrfach einzuführen. Bundesweit<br />
beginnt das Projekt „Umsetzung des<br />
aid-Ernährungsführerscheins durch die<br />
<strong>LandFrau</strong>en in der Grundschule“.<br />
Im Jahr 2007 wurde ein neues Präsidi-<br />
um mit Brigitte Scherb an der Spitze ge-<br />
wählt. Sie werden sich neben fachlichen<br />
Themen auch mit der Mitgliederentwick-<br />
lung befassen und die Verbandsstruk-<br />
tur und ihre Finanzierung neuen Erfor-<br />
dernissen anpassen. Weitere Schwer-<br />
punkte der neuen Amtszeit werden die<br />
Interessenvertretung und die Auswei-<br />
tung des <strong>LandFrau</strong>en-Netzwerkes auf<br />
die europäische Ebene sein.<br />
Lilo Schön<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
Machtfaktor <strong>LandFrau</strong>en<br />
– Interessenvertretung als Grundlage der Verbandsarbeit –<br />
»Frau sein und Ansprüche der Welt gegenüber haben – das sind<br />
zwei Dinge, die jedes für sich genommen, etwas Normales für ein<br />
menschliches Verhalten darstellen – doch zusammen ergeben sie<br />
eine Kombination, der die menschliche Gesellschaft in ihrer symbolischen<br />
Ordnung keinen Wert zuerkennt.«<br />
Als Interessenvertretung für Frauen<br />
und Familien im ländlichen Raum steht<br />
der Deutsche <strong>LandFrau</strong>enverband in ei-<br />
ner großen Verantwortung. Anfang des<br />
20. Jahrhunderts begannen Frauen, ei-<br />
gene Organisationen zu gründen und<br />
meldeten damit ihren Anspruch an,<br />
Politik und gesellschaftliches Leben<br />
zu beeinflussen. Sie wollten Verant-<br />
wortung übernehmen und nicht länger<br />
nur Zuschauerinnen des Geschehens<br />
sein. Elisabet Boehm steht für den<br />
Aufbruch der <strong>LandFrau</strong>en in diese<br />
neue Zeit.<br />
Mit ihr begann der lange und mühevolle<br />
Weg der <strong>LandFrau</strong>en zu mehr Anerken-<br />
nung, Bildung, Selbstbestimmung, Ein-<br />
flussnahme und Gleichberechtigung.<br />
Die neuen Vereine bildeten eine erste<br />
Instanz, um die Interessen der Frauen<br />
auf dem Lande zu bündeln und als po-<br />
litische Forderungen zu artikulieren.<br />
Immer ist es Ziel der <strong>LandFrau</strong>enarbeit<br />
gewesen, Frauen bei ihren familiären<br />
und beruflichen Aufgaben zu unterstüt-<br />
zen sowie durch ein breitgefächertes<br />
Bildungs- und Weiterbildungsangebot<br />
dazu beizutragen, die Lebensbedin-<br />
gungen im ländlichen Raum zu verbes-<br />
sern. Vieles ist nach wie vor noch zu<br />
tun, insbesondere beim Abbau frau-<br />
enspezifischer Vorurteile und Rollen-<br />
klischees, der besseren Vereinbarkeit<br />
von Familie, Karriere, Beruf und Eh-<br />
renamt, aber auch der Verbesserung<br />
der Einkommenssituation, der stärke-<br />
ren Absicherung von Frauen und der<br />
Unterstützung von Unternehmen und<br />
Existenzgründungen.<br />
Die Erwerbssituation für Frauen in<br />
ländlichen Regionen leidet in beson-<br />
derer Weise unter der globalen wirt-<br />
schaftlichen und technologischen und<br />
demografischen Entwicklung. Die Fol-<br />
ge ist, dass der ländliche Raum als<br />
Wirtschaftsstandort immer seltener in<br />
Frage kommt. Deshalb reduzieren sich<br />
gerade für gut qualifizierte Frauen die<br />
beruflichen Perspektiven auf ein Mini-<br />
mum. Auch deswegen wandern immer<br />
mehr junge Frauen ab.<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass eine<br />
flächendeckende Infrastruktur von Ein-<br />
kaufsmöglichkeiten, Schulen, Ärzten,<br />
und Betreuungsmöglichkeiten nicht<br />
mehr gewährleistet ist. Eine Entwick-<br />
lung, die wiederum vor allem zu Lasten<br />
von Frauen geht.<br />
Hier muss unsere verbandliche Inte-<br />
ressenvertretung ansetzen. Aber Über-<br />
zeugungsarbeit allein reicht nicht aus.<br />
Konkrete Maßnahmen sind vonnöten,<br />
die der dlv gemeinsam mit seinen Lan-<br />
desverbänden einfordert und für die<br />
wir kämpfen:<br />
Liberia delle donne di Milano. 1989<br />
● Um einer Lebensplanung von Familie<br />
und Beruf gerecht zu werden, brauchen<br />
wir noch weitaus mehr als bisher die<br />
Titelthema<br />
Flexibilität von Arbeitszeiten und eine<br />
Stärkung der Teilzeitarbeit. Dies gilt<br />
insbesondere für Führungspositionen,<br />
die bei den meisten Arbeitgebern als<br />
ungeeignet für Teilzeit eingestuft wer-<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 1<br />
den.<br />
● nach wie vor gehören dazu Frauen-<br />
förderpläne, spezifisch für Frauen aus-<br />
gelegte Projekte und auch Quoten und<br />
Quoren, wenn es denn nicht anders<br />
geht.<br />
● Und es gilt im Rahmen der rasanten<br />
Entwicklung im IT-Bereich die Chancen<br />
zu nutzen. Hiermit könnten gerade in<br />
den ländlichen Regionen strukturbe-<br />
dingte Defizite ausgeglichen werden.<br />
Attraktive Arbeitsplätze über Compu-<br />
tervernetzung könnten verhindern,<br />
dass gerade die jungen, gut ausgebil-<br />
deten Frauen in die Ballungsgebiete<br />
abwandern.<br />
● Darüber hinaus sind Netzwerke un-<br />
verzichtbar, denn noch immer ist der<br />
Aufstieg im Alleingang eine Selten-<br />
heit. Wir brauchen gegenseitige Unter-<br />
stützung, Informations- und Ideenaus-<br />
tausch, wie es die Männer seit Jahren<br />
und Jahrzehnten in ihren Seilschaften<br />
praktizieren.<br />
● Wir brauchen einen Bewusstseinwan-<br />
del in unserer Gesellschaft, der wirk-<br />
lich dazu führt, dass die Gleichstellung<br />
von Frauen in den Köpfen der Männer<br />
und auch der Frauen ankommt.<br />
Dazu bedarf es auch eines neuen Rol-<br />
lenverständnisses der Männer.<br />
Denn wenn wir das Thema „Frau und<br />
Beruf“ voranbringen wollen, dann ge-<br />
hört dazu unbedingt das Thema „Mann<br />
und Familie“. Der Soziologe Ulrich Beck<br />
hat die bestehende Kluft zwischen
Titelthema<br />
Anspruch und Wirklichkeit bei den<br />
Männern sehr treffend als „verbale<br />
Aufgeschlossenheit bei weitgehender<br />
Verhaltensstarre“ gekennzeichnet.<br />
Als dlv legen wir einen besonderen<br />
Schwerpunkt auf die Entwicklung<br />
ländlicher Räume und sind davon<br />
überzeugt, dass es ohne die Berück-<br />
sichtigung der speziellen Lebens- und<br />
Arbeitssituation von Frauen keine posi-<br />
tive Zukunft für diese Regionen geben<br />
kann. „Man kann nicht in die Zukunft<br />
schauen, aber man kann den Grund<br />
für etwas Zukünftiges legen – denn Zu-<br />
kunft kann man bauen.“<br />
Ganz im Sinne der Worte von Antoine<br />
de Saint-Exupéry kommt der Interes-<br />
senvertretung in der <strong>LandFrau</strong>enver-<br />
bandsarbeit eine hohe Bedeutung zu<br />
und sie ist nötiger denn je. Defizite und<br />
Missstände zu formulieren ist eine Sa-<br />
che. Ihre Behebung durch soziales und<br />
politisches Engagement tatsächlich zu<br />
bewirken eine ganz andere.<br />
Unser Erfolg liegt in der konkreten Um-<br />
setzung unserer Ziele. Natürlich nicht<br />
immer sofort. Aber mit vorausschau-<br />
endem Blick und kontinuierlichem<br />
Einsatz haben wir bereits viel erreicht.<br />
Und unsere zukünftigen Aufgaben ha-<br />
ben wir schon jetzt fest im Blick.<br />
„Es gibt viele Vereine in Deutschland.<br />
Reden dürfen diese Vereine, zu sagen<br />
16<br />
haben sie nichts. Mit Anregungen ist<br />
nichts geschehen in dieser Welt. Nie-<br />
mand sollte etwas anregen, der nicht<br />
entschlossen ist, es auch durchzufüh-<br />
ren.“ Die Analyse von Max Eyth aus<br />
dem Jahre 1885 beschreibt sehr ziel-<br />
führend unsere Aufgabe:<br />
Der dlv ist ein wichtiger Verband und<br />
im öffentlichen Leben durchaus ein<br />
Machtfaktor, den wir zu wenig nutzen.<br />
Es muss in unserem Verband wesent-<br />
lich stärker als bisher der Wunsch aus-<br />
geprägt werden, mehr<br />
Einfluss zu nehmen auf politische<br />
Entscheidungen. Dies müssen wir<br />
versuchen durch eine stärkere öffent-<br />
liche Wahrnehmung unserer Interes-<br />
senvertretung. Nur durch permanente<br />
verbandspolitische Einmischung er-<br />
reichen wir die Wahrnehmung der<br />
Verantwortungsträger in Politik, Wirt-<br />
schaft und Gesellschaft. Nur wer seine<br />
Belange öffentlichkeitswirksam und<br />
nachdrücklich ins Spiel bringt, setzt<br />
sich durch. Dazu kann <strong>LandFrau</strong>enpo-<br />
litik nicht immer nur „nett“ sein, sie<br />
muss auch kämpferisch sein, da wo<br />
es nötig ist.<br />
Verstärkte Lobbyarbeit tut Not! Mehr<br />
politischen Einfluss erreichen wir aber<br />
auch durch Frauen in der Politik, die<br />
aus den Reihen der <strong>LandFrau</strong>en stam-<br />
men. Wir müssen verstärkt Netzwerke<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
weil ich die Gemeinschaft der <strong>LandFrau</strong>en sehr schätze. Es<br />
macht viel Freude, mit anderen Frauen etwas zu bewegen und<br />
voranzubringen. Bei den <strong>LandFrau</strong>en finden sich Jung und Alt, für<br />
jede wird etwas geboten, jede wird angesprochen. Außerdem ist<br />
der <strong>LandFrau</strong>enverband ein tolles Netzwerk mit vielen engagierten<br />
Frauen, von deren Erfahrungen wir profitieren. Und natürlich<br />
verbindet mich mit dem <strong>LandFrau</strong>enverband auch das Interesse<br />
an der Landwirtschaft und am ländlichen Raum. Ohne die Interessenvertretung<br />
und ohne das Engagement der <strong>LandFrau</strong>en<br />
wäre der ländliche Raum sicher um einiges ärmer.<br />
Agnes Witschen, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Weser-Ems<br />
knüpfen, die in Verwaltung und Politik<br />
münden. Das bedeutet, dass wir Frau-<br />
en in der Politik grundsätzlich fördern<br />
und die Vorbehalte in den eigenen<br />
Reihen von Frauen gegen Frauen über-<br />
winden müssen. Hier sollten wir uns<br />
solidarischer zeigen.<br />
Eine starke Interessenvertretung er-<br />
fordert auf allen Verbandsebenen aber<br />
zunächst eine realistische Wahrneh-<br />
mung der aktuellen Entwicklungen.<br />
Ein breitgefächertes Bildungsangebot<br />
ist die beste Grundlage, unsere Mit-<br />
glieder zu sensibilisieren und zu moti-<br />
vieren, ihre Verantwortung im Hinblick<br />
auf neue, zukunftsorientierte Aufga-<br />
ben wahrzunehmen, die dann ihren<br />
Niederschlag in einer engagierten In-<br />
teressenvertretung finden kann.<br />
Allerdings muss das Bewusstsein für<br />
die interessenpolitische Bedeutung<br />
des eigenen Engagements gerade auf<br />
Orts- und Kreisebene gestärkt wer-<br />
den.<br />
550.000 <strong>LandFrau</strong>en sind ehrenamt-<br />
lich tätig, bewegen etwas und setzen<br />
sich ein. Das müssen Politik und Ge-<br />
sellschaft nicht nur in Sonntagsreden<br />
anerkennen! Was wäre unsere Gesell-<br />
schaft, was wäre die Landwirtschaft<br />
und der ländliche Raum ohne das En-<br />
gagement der <strong>LandFrau</strong>en?<br />
Brigitte Scherb<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
Gisbert Grundig springt aus dem Auto,<br />
holt den Wäschekorb voller Kleidung<br />
aus dem Kofferraum und richtet sich<br />
mit Ehefrau Ingrid im Feriendomizil<br />
„Sonnenaufgang“ ein. „Schön, dass<br />
wir wieder hier sind“, sagt der begeis-<br />
terte Radfahrer. Zur Begrüßung hat<br />
Gastgeberin Hanna Hawix einen Ku-<br />
chen gebacken, passend zum Hof in<br />
der Form eines Schweins. „Wir fühlen<br />
uns so wohl hier, dass wir jedes Jahr<br />
wiederkommen“, erzählt Ellie Laschet,<br />
die gerade mit ihrem Mann die Ferien-<br />
wohnung „Sonnenuntergang“ bezieht.<br />
Seit sieben Jahren machen die beiden<br />
Paare aus Aachen über die Pfingstfeier-<br />
tage Radferien und quartieren sich auf<br />
dem Hof in Sonsbeck am Niederrhein<br />
ein. Mit ihren Gastgebern genießen die<br />
Urlauber abends auch gerne ein Glas<br />
Wein.<br />
– Der Tourismus als zweites Standbein –<br />
Der Hof von Familie Hawix könnte für<br />
Ferien auf dem Bauernhof kaum bes-<br />
ser gelegen sein. Auf einer Anhöhe in<br />
der Sonsbecker Schweiz im Kreis We-<br />
sel in Nordrhein-Westfalen mit weitem<br />
Ausblick über Wiesen und Felder bietet<br />
er eine gute Ausgangslage für viele Akti-<br />
vitäten: Radfahren, Wandern, nach rund<br />
25 Kilometern ist das Holländische<br />
Dorf Arcen mit Thermalbad erreichbar,<br />
das Kulturangebot des Ruhrgebiets und<br />
auch der Wallfahrtsort Kevelaer sind in<br />
der Nähe. Zum Frühstück versorgen die<br />
Gäste sich selbst, frische Brötchen hängt <strong>LandFrau</strong> Hawix jeden Morgen an die<br />
Tür. Zum Abendessen wird auf dem Hof gegrillt oder in zehn Minuten zu den<br />
Restaurants in Sonsbeck spaziert.<br />
Machen Kinder Ferien auf dem Hof, müssen sie zuerst nachsehen wie es den<br />
Tieren geht. „Viele sind mit Begeisterung stundenlang bei ihnen“, berichtet<br />
Landwirt Gerd Hawix. Zum Streichelzoo gehören Bergziegen, Ponys und ein Hän-<br />
gebauchschwein. Außerdem können die Ferkel der 125 Zuchtsauen bestaunt<br />
werden. Den großen Garten mit Strandkorb, Schaukeln, einem Trampolin und<br />
einem Holzhaus voller Spielsachen mögen Eltern und Kinder. Viele Familien und<br />
über 50-Jährige machen hier Urlaub auf dem Bauernhof.<br />
Als die Schweinepreise in den Keller sanken und Hanna Hawix von Renate<br />
Carstens, der Geschäftsführerin des Rheinischen <strong>LandFrau</strong>enverbands, einen<br />
Vortrag über Einkommensalternativen hörte, bekam sie die Idee, Zimmer an<br />
Feriengäste zu vermieten. „Mein Mann verdrehte skeptisch die Augen, meine<br />
Mutter meinte, versuch es doch“, erzählt die gelernte Bankkauffrau. Sie ließ<br />
sich von der Landwirtschaftskammer beraten und richtete mit ihrem Mann zwei<br />
Zimmer im Haus her – 1994 kamen die ersten Gäste. Optimal war die Situation<br />
nicht: Ein separater Eingang fehlte, das Ehepaar Hawix traute sich nicht mehr<br />
im Schlafanzug vor den Fernseher und bald wurden die Zimmer für ihre Mutter<br />
gebraucht. Sechs Jahre später rückte Gerd Hawix seine Maschinen in der Halle<br />
zusammen. Den vorderen Teil bauten sie zu drei geräumigen Ferienwohnungen<br />
aus. Hanna Hawix gestaltete die mit Küche, Schlaf- und Wohnzimmer komplett<br />
eingerichteten Wohnungen mit viel Liebe zum Detail: Auf 45 Quadratmetern<br />
Gisbert Grundig freut sich auf die Pfingst-<br />
tage in der gemütlichen Ferienwohnung<br />
Einkommenskombinationen<br />
Wenn Schweine<br />
nicht mehr reichen<br />
Die Wohnung<br />
daneben bezieht<br />
Ellie Laschet<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 17
Einkommenskombinationen<br />
Am Bauernhaus weist ein Schild auch<br />
Wanderer und Radfahrer auf „Ur-<br />
laub auf dem Bauernhof“ hin<br />
„Sonnenaufgang“ mit Morgensonne und Ausblick stehen helle Holzmöbel, Sofa<br />
und Kissen sind in Blau gehalten, in „Sonnenuntergang“ gibt Grün den Ton an<br />
und darüber, im „Sternenhimmel“, wo früher auf 70 Quadratmetern Getreide<br />
getrocknet wurde, können Kinder unter mit Schäfchen bedruckten Bettdecken<br />
träumen, ein zweites Schlafzimmer ist nebenan. Alle Wohnungen wurden vom<br />
Deutschen Tourismusverband mit vier Sternen ausgezeichnet. „Man muss den<br />
Gästen etwas bieten, sonst kommen sie nicht“, sagt die 50-Jährige. Damit<br />
ihre Unterkünfte wahrgenommen werden, schaltet sie Anzeigen in speziellen<br />
Katalogen für „Urlaub auf dem Bauernhof“, ist im Internet präsent und wirbt<br />
gemeinsam mit sechs Betrieben aus der Nachbarschaft auf einem Flyer für<br />
„Urlaub auf dem Bauernhof“ in Sonsbeck.<br />
Neben der Landwirtschaft, der Schweinezucht und Tourismus bot Hanna Hawix<br />
vier Jahre lang auch noch „Kindergeburtstage auf dem Bauernhof“ an. Als ihre<br />
Mutter vor drei Jahren pflegebedürftig wurde, musste sie diesen <strong>LandFrau</strong>en-<br />
service aufgeben. „Heute kommen immer noch Anfragen, aber alles zusammen<br />
schaffe ich einfach nicht“, sagt die dreifache Mutter, die ihre Mutter pflegt,<br />
in der Landwirtschaft hilft, Ferienwohnungen putzt und den eigenen Haushalt<br />
führt. Die Ferienwohnungen möchte sie aber nicht mehr missen: Durch die Gäs-<br />
te ist mehr Leben auf dem Hof, außerdem hilft die Einkommenskombination,<br />
ihre Existenz zu sichern.<br />
Wegen der schwieriger werdenden finanziellen Lage vieler landwirtschaftlicher<br />
Betriebe werden zunehmend weitere Einkommensmöglichkeiten benötigt. Bereits<br />
im Jahr 20<strong>03</strong> hat eine Erhebung der Rheinischen Landfrauenvereinigung und der<br />
18<br />
Helga Klindt, Präsidentin des LFV Schleswig-Holstein<br />
Felder und Landschaft so weit das Auge<br />
reicht – rund um den Hawix-Hof<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Interessen von Frauen vertreten, mitarbeiten – mitentscheiden<br />
– mitgestalten, gleichwertige Lebensbedingungen für Frauen<br />
im ländlichen Raum schaffen, Frauen zu sensibilisieren, zu motivieren<br />
und zu schulen, um aktiv in politischen Gremien mitzuarbeiten<br />
– das war und ist die Motivation, mich aktiv in die<br />
Landfrauenarbeit einzubringen. Sich ändernde Rahmenbedingungen,<br />
ob gesellschaftlich, politisch oder wirtschaftlich, sind<br />
dabei eine ständige Herausforderung.<br />
Hanna und Gerd Hawix<br />
Landwirtschaftskammer ergeben, dass<br />
33 Prozent aller landwirtschaftlichen<br />
Betriebe eine Einkommenskombinati-<br />
on besitzen. Deshalb unterstützt der<br />
<strong>LandFrau</strong>enverband Frauen bei unter-<br />
nehmerischen Initiativen mit Bildungs-<br />
programmen. Vermittelt werden Inhalte<br />
der künftigen Einkommenskombination<br />
und Wissen zur Existenzgründung. Da-<br />
bei werden Steuerrecht, Versicherungs-<br />
fragen, Marketing und Werbung behan-<br />
delt, damit die Teilnehmerinnen die<br />
Basis selbständigen Unternehmertums<br />
kennen. Nebenbei entstehen daraus<br />
auch hilfreiche Netzwerke und Treffen<br />
zum Erfahrungsaustausch. So werden<br />
ländliche Gebiete attraktiver und häufig<br />
mittelfristig Arbeitsplätze geschaffen.<br />
Einkommenskombinationen gibt es heu-<br />
te in den verschiedensten Bereichen:<br />
Durch Direktvermarktung von frischen<br />
regionalen Lebensmitteln und Kunstge-<br />
werbe, im Tourismus durch Urlaub auf<br />
dem Bauernhof und Bauernhof-Cafes.<br />
<strong>LandFrau</strong>en nutzen ihr Wissen als Gäs-<br />
teführerin oder Kräuterexpertin und<br />
bieten mit Service-Agenturen Veran-<br />
staltungsorganisation und Catering an.<br />
Qualifizierungen zur Agrarbürofachfrau<br />
und zur Agrarmanagerin sowie Weiter-<br />
bildungen zur Tagesmutter oder Alten-<br />
betreuerin unterstützen weitere Exis-<br />
tenzalternativen.<br />
Katja Gartz<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
Einkommenskombinationen<br />
<strong>LandFrau</strong>en wissen, was gut ist!<br />
– Rosa Karcher macht sich für regionale Produkte stark –<br />
Mit dem Ziel, die Vermarktung mit fundierten Kenntnissen<br />
über die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte zu verbin-<br />
den, wurde die Botschafterin heimischer Agrarprodukte<br />
oder auch Fachfrau für Verkaufsförderung ins Leben geru-<br />
fen. Diese Tätigkeit entstand aus der Not nach der Tscher-<br />
nobyl-Katastrophe, um Zwetschgen in Südbaden verkaufen<br />
zu können. In fast allen LandeslandFrauenverbänden wur-<br />
den mit Unterstützung der jeweiligen Landwirtschaftsmi-<br />
nisterien, Einzelhandelsvertretern, der CMA und der regio-<br />
nalen Marketinggesellschaften <strong>LandFrau</strong>en ausgebildet,<br />
die in Supermärkten ihr Wissen über regionale Lebensmit-<br />
tel bis hin zur Verarbeitung weitergeben.<br />
Eine dieser Verkaufsförderfrauen in Südbaden ist Rosa Kar-<br />
cher. Um das Bewusstsein der Verbraucher für gesunde und<br />
umweltbewusste Ernährung zu stärken, informiert sie in Le-<br />
bensmittelmärkten regelmäßig über regionale und saisona-<br />
le Produkte. „Wir betreiben Aufklärungsarbeit, die auch der<br />
heimischen Landwirtschaft zugute kommt“, sagt die gelern-<br />
te Hauswirtschaftsleiterin. Schließlich sei es gesünder, Erd-<br />
beeren aus der Umgebung zu essen, die besser schmecken<br />
und einen höheren Vitamingehalt haben, als welche, die<br />
Tausende von Kilometern Transportweg hinter sich haben.<br />
Deshalb stellt sich die 45-Jährige gerne mit Erdbeeren,<br />
Spargel oder Zwetschgen an einen Stand in den Super-<br />
markt, um über Herkunft, Inhaltstoffe und Zubereitung zu<br />
berichten und Obst, Gemüse oder Fleisch aus der Region zu<br />
verkaufen. Probieren dürfen die Kunden natürlich auch –<br />
Früchte pur, mit Quark, als Kuchen oder eingelegt in Edel-<br />
brand. „Die Aktionen kommen gut an“, berichtet die über-<br />
zeugte Verkaufsförderfrau, die mit einem Landwirt verheira-<br />
tet ist. Mit Früchten kennt sich die <strong>LandFrau</strong> besonders gut<br />
aus. Gemeinsam mit ihrem Ehemann erntet sie jährlich ne-<br />
ben Kirschen und Wein rund 15 Tonnen Erdbeeren und<br />
18 Tonnen Zwetschgen. Auch Obstbrände produzieren sie<br />
auf ihrem Hof. Um sich für die regionale Landwirtschaft<br />
und deren Produkte einzusetzen, nahm Rosa Karcher<br />
an dem Projekt „<strong>LandFrau</strong>en informieren über<br />
heimische Produkte“ teil. „Auslö-<br />
ser war das Jahr 1993, als wir in<br />
Südbaden eine Zwetschgen-<br />
schwemme hatten, in vielen Super-<br />
märkten aber nur Zwetschgen aus dem Ausland zu bekom-<br />
men waren“, berichtet Marianne Anselm, Vorsitzende des<br />
<strong>LandFrau</strong>enverbands Südbaden. Bevor die Fachfrauen für<br />
heimische Produkte in Lebensmittelgeschäften, auf Mes-<br />
sen und weiteren Veranstaltungen Verbraucheraufklärung<br />
betreiben, werden sie in Schulungen darauf vorbereitet. Da-<br />
bei geht es um gesunde Ernährung, Warenkunde und Ver-<br />
marktung, außerdem lernen die Frauen, wie sie auf Kunden<br />
zugehen und diese beraten. Anschließend informieren sie<br />
sich in Erzeugerbetrieben über die Herstellung und Weiter-<br />
verarbeitung von Lebensmitteln. Zu aktuellen Themen fin-<br />
den regelmäßig Weiterbildungen statt. „Anfangs waren es<br />
nur wenige Partner, wie EDEKA, Breisgaumilch oder das<br />
Marktkontor Obst und Gemüse“, berichtet Marianne An-<br />
selm. Inzwischen seien viele dazu gekommen. Mittlerweile<br />
sind in Südbaden rund 50 Fachfrauen regelmäßig im Ein-<br />
satz, ca. 750 Einsätze finden in der Region jährlich statt.<br />
Die Erfolge des Projekts tragen Früchte: Heute setzten sich<br />
über 500 <strong>LandFrau</strong>en in ganz Deutschland als Botschafte-<br />
rinnen für regionale Lebensmittel ein.<br />
Die Einsätze von Rosa<br />
Karcher sind vielfältig so<br />
wie hier mit der süd-<br />
badischen Präsidentin<br />
Anselm, Eva-Luise Köh-<br />
ler, PSt Dr. Gerd Müller,<br />
Bundesministerin Ulla<br />
Schmidt und Margret<br />
Büning-Fesel (v. l.) bei einer EU-Konferenz in Badenweiler<br />
Katja Gartz<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 1
Internationale Verantwortung<br />
Etwa eine halbe Milliarde Menschen<br />
leiden weltweit an Hunger, rund 800<br />
Millionen leben in extremer Armut. Be-<br />
sonders betroffen sind die Menschen<br />
in ländlichen Gebieten. In 15 Pro-<br />
jekten, in sogenannten „Millienniums-<br />
dörfern“ in Afrika, Lateinamerika und<br />
Asien, will die Deutsche Welthungerhil-<br />
fe zeigen, dass es möglich ist, die Le-<br />
bensverhältnisse von Menschen in<br />
Not dauerhaft zu verbessern. Eines<br />
dieser Projekte kommt der Landbevöl-<br />
kerung und damit den <strong>LandFrau</strong>en in<br />
Ruanda zugute - dafür hat der Deut-<br />
sche <strong>LandFrau</strong>enverband für drei Jah-<br />
re bis 2010 die Patenschaft übernom-<br />
men.<br />
Seit über 30 Jahren fördert der dlv un-<br />
ter dem Motto „<strong>LandFrau</strong>en für Land-<br />
Frauen“ Projekte der Welthungerhilfe.<br />
In vielen verschiedenen Aktionen auf<br />
Bundes-, Landes-, Kreis- und Regional-<br />
ebene werben <strong>LandFrau</strong>en für Solidari-<br />
tät und Engagement für die Land-<br />
Frauen in armen Ländern. So unter-<br />
stützten sie in Südindien die ländliche<br />
Entwicklung sowie Frauen beim Auf-<br />
bauen einer Existenz, in Kolumbien<br />
den Aufbau von 15 Landschulheimen,<br />
in der Dominikanischen Republik die<br />
Ausbildung von 300 <strong>LandFrau</strong>engrup-<br />
pen mit über 10.000 Frauen, in Leso-<br />
tho ein landwirtschaftliches Projekt<br />
mit acht Dorfgemeinschaften sowie in<br />
Äthiopien die Wasserversorgung für<br />
3.000 Bauernfamilien.<br />
Ulrike Siegel, <strong>LandFrau</strong> aus dem Kreis<br />
Heilbronn, hatte während mehrerer<br />
20<br />
Als Initiatorin des Sternlaufs erhält<br />
Ilse Langmaack-Hopmann einen Son-<br />
derpreis im Rahmen der Ehrung der<br />
„<strong>LandFrau</strong> des Jahres 2005“<br />
25.000 Euro für die Welthungerhilfe ist<br />
die größte Einzelspende bisher<br />
Reisen durch Indien zweimal Gelegen-<br />
heit, das Projekt der Welthungerhilfe in<br />
Südindien zu besuchen. Auf vielen Vor-<br />
trägen für <strong>LandFrau</strong>en erzählte sie von<br />
ihren Eindrücken und berichtete über<br />
aktuelle Entwicklungen und das Leben<br />
der Frauen vor Ort. „Dabei bin ich vie-<br />
len aufgeschlossenen Frauen begeg-<br />
net, das Interesse an Frauenbiogra-<br />
fien aus anderen Ländern und Kultur-<br />
kreisen ist sehr groß“, berichtet die<br />
Referentin, die auch Bücher über Bau-<br />
erntöchter in Deutschland geschrie-<br />
ben hat. Die pragmatischen Land-<br />
Frauen, die es gewohnt sind anzu-<br />
packen, waren gerne bereit, die<br />
Frauen in Indien zu unterstützen. Um<br />
weitere Spenden zu sammeln, wurde<br />
das Projekt beispielsweise in Ausstel-<br />
lungen und auf dem Landwirtschaft-<br />
lichen Hauptfest in Stuttgart vorge-<br />
stellt.<br />
Die 43-jährige<br />
Mutter Domitille<br />
profitiert<br />
vom Land-<br />
Weltweit engagiert<br />
– <strong>LandFrau</strong>en für <strong>LandFrau</strong>en –<br />
Frauen-Projekt<br />
Auch Ilse Landmaack-Hopmann, Land-<br />
Frau aus Kappeln in Schleswig-Hol-<br />
stein, setzte sich für das Indienprojekt<br />
ein. Sie organisierte anlässlich des In-<br />
ternationalen Frauentages 2004 in<br />
Schleswig-Holstein einen Sternlauf un-<br />
ter dem Motto „<strong>LandFrau</strong>en bewegen<br />
das Land“, an dem an einem einzi-<br />
gen Tag 25.000 € als Spende für die<br />
Deutsche Welthungerhilfe zusammen-<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
kamen. Sie plant weitere Aktionen, um<br />
nun auch das Projekt in Afrika zu un-<br />
terstützen.<br />
Die Verbesserung der Lebensbedin-<br />
gungen der <strong>LandFrau</strong>en ist ebenfalls<br />
ein wesentliches Ziel des aktuellen<br />
Patenschaftsprojektes des Deutschen<br />
<strong>LandFrau</strong>enverbandes in Ruanda. Die<br />
Förderung der Frauen hilft der wirt-<br />
schaftlichen Situation der gesamten<br />
Familie und trägt in großem Maße da-<br />
zu bei, die Ernährungs- und Einkom-<br />
menssituation aller Menschen in der<br />
Region nachhaltig zu verbessern.<br />
Seit der Übernahme der Patenschaft<br />
im vergangenen Jahr spendeten Land-<br />
Frauen 4.687 € für das Millenniums-<br />
dorf im Base-Kiryango Tal. Bereits klei-<br />
ne Summen bringen die Menschen<br />
dort einen Schritt weiter: Für 116 €<br />
kann ein ar Fläche urbar gemacht, für<br />
23 € Terrassen gebaut und für<br />
10 € Bepflanzungen gedüngt werden,<br />
der Monatslohn einer Arbeiterin be-<br />
trägt 30 €.<br />
Das Millenniumsprojekt<br />
in Ruanda<br />
Im Base-Kiryango Tal im Hochland Ru-<br />
andas realisiert die Welthungerhilfe<br />
eines der größten landwirtschaftlichen<br />
Entwicklungsprojekte Afrikas. Unter<br />
dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ un-<br />
terstützt sie Menschen dabei, die Le-<br />
bensbedingungen in ländlichen Gebie-<br />
ten zu verbessern. Wegen knapper<br />
Nutzflächen ist das Ziel, die Erosion<br />
der bestehenden Felder durch die Ter-<br />
rassierung der Hügel zu stoppen und<br />
neue Anbauflächen für Reis, Maniok<br />
oder Süßkartoffeln durch nutzbar ge-<br />
machte Sumpfgebiete im Tal zu er-<br />
schließen. Mit Hilfe von Drainagen<br />
und Wehren soll das Land künftig kon-<br />
trolliert be- und entwässert werden. Mit<br />
besseren Bedingungen in der Land-<br />
wirtschaft soll die Ernährung der Men-<br />
schen sichergestellt werden. Zudem<br />
erhalten vor allem Frauen Erwerbs-<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Hedwig Garbade, Landesvorsitzende Saarland<br />
möglichkeiten, um ihre Familien ver-<br />
sorgen zu können.<br />
Unter diesen ist auch Domitille. Jeden<br />
Morgen um sechs Uhr verlässt sie ihre<br />
kleine Hütte im Bananenwald und läuft<br />
über eine Stunde zur Baustelle. Sie-<br />
ben Stunden pro Tag arbeitet sie mit<br />
Hacke und Schaufel bei der Begradi-<br />
gung des neuen Kanals mit. Ihr Tages-<br />
lohn von 500 Ruandischen Francs ent-<br />
spricht 80 Cent. Für diesen Knochen-<br />
job würde die 43-jährige Mutter von<br />
sieben Kindern auch drei Stunden lau-<br />
fen. Der monatliche Lohn von 10.000<br />
Ruandischen Francs, ausgezahlt von<br />
der Welthungerhilfe, reicht für das<br />
Schulgeld einer der beiden älteren<br />
Töchter und zum Überleben der Fami-<br />
lie. Domitille weiß, was Hunger bedeu-<br />
tet. Ihr Mann ist arbeitslos, Kapital be-<br />
sitzen sie nicht, da ist es ohne ihr Ein-<br />
kommen schwer, die Kinder zu versor-<br />
gen. Tochter Anastasia wiegt mit elf<br />
Jahren nur 16 Kilo und ist viel zu klein<br />
für ihr Alter. Mit etwa 90 Kindern drän-<br />
gelt sie sich auf kleinen Bänken und<br />
Stühlen in einem völlig überfüllten<br />
Klassenraum. Das Schulgebäude wur-<br />
de 1994 während des Völkermordes<br />
zerstört. Doch auch die Bildungssitua-<br />
tion verbessert sich: Mit Unterstüt-<br />
zung der Welthungerhilfe konnte be-<br />
Internationale Verantwortung<br />
... weil mir die Arbeit Freude bereitet, man über den eigenen<br />
Tellerrand hinausschaut, mit vielen gleichgesinnten Frauen gesellschaftliche<br />
Themen erörtert und gemeinsam Stellungnahmen<br />
erarbeitet. Ich verstehe es als meinen gesellschaftlichen<br />
Auftrag, die Ziele der <strong>LandFrau</strong>en voranzubringen und so zur<br />
Verbesserung und zur Steigerung der Lebensqualität der Menschen<br />
beizutragen. Für mich bedeutet die Freiheit in unserer<br />
Gesellschaft nicht nur das große Glück, dass jeder sich selbst<br />
verantwortlich ist, sondern es ist auch ein ständiger Kampf gegen<br />
negative Einflüsse aus den Medien und der Werbung, dem<br />
viele Menschen hilflos gegenüberstehen.<br />
reits eine Primarschule mit zehn neu-<br />
en Klassenzimmern eingerichtet wer-<br />
den, eine zweite Schule folgt in die-<br />
sem Jahr.<br />
Hintergrund der Initiative der Welthun-<br />
gerhilfe ist die Millenniumserklärung<br />
aus dem Jahr 2000, in der sich 189<br />
Staats- und Regierungschefs unter an-<br />
derem zum Ziel gesetzt haben, den An-<br />
teil der Hungernden bis zum Jahr 2015<br />
zu halbieren.<br />
Die Ziele lauten:<br />
1. Bekämpfung von extremer<br />
Armut und Hunger<br />
2. Primarschulbildung für alle<br />
Katja Gartz<br />
3. Gleichstellung der Geschlechter<br />
und Stärkung der Rolle der<br />
Frauen<br />
4. Senkung der Kindersterblichkeit<br />
5. Verbesserung der Gesundheitsversorgung<br />
der Mütter<br />
6. Bekämpfung von HIV/AIDS,<br />
Malaria und anderen schweren<br />
Krankheiten<br />
7. Ökologische Nachhaltigkeit<br />
8. Aufbau einer globalen Partnerschaft<br />
für Entwicklung<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 21
Agrarsoziales<br />
Als Sie 1958 als Bäuerin auf einem Hof anfingen, welche persönlichen sozi-<br />
alen Absicherungen hatten Sie damals? Waren Sie krankenversichert? Wie ha-<br />
ben Sie für das Alter vorgesorgt?<br />
Ich hatte eine Freiwillige Krankenversicherung bei der Schwäbischen Bauern-<br />
krankenkasse und eine kleine Lebensversicherung (10.000,- DM).<br />
Der Deutsche <strong>LandFrau</strong>enverband (dlv) forderte 1980 eine angemessene Teil-<br />
habe der Frau an der Alterssicherung des Mannes. Das dritte Agrarsoziale Er-<br />
gänzungsgesetz ermöglichte schließlich ab dem 1. Jan. 1986 den eigenen Aus-<br />
zahlungsanspruch der Bäuerin auf den Ehegattenzuschlag. Was änderte sich<br />
dadurch für die Frauen?<br />
Die Arbeitsgemeinschaft der drei <strong>LandFrau</strong>enverbände Baden-Württembergs for-<br />
derte 1980 für die Bäuerinnen einen eigenständigen Anspruch auf Altersrente<br />
und Erwerbsunfähigkeitsrente. Wir, die <strong>LandFrau</strong>en haben es geschafft, dass we-<br />
nigstens das Altersgeldsplitting durchgesetzt wurde – das heißt eigene Auszah-<br />
lung des Ehegattenzuschlags an die Bäuerinnen, auf Antrag. Wir ermutigten die<br />
Bäuerinnen den Antrag zu stellen, um endlich ein wenig eigenes Geld zu besitzen.<br />
22<br />
Ehrenpräsidentin Ruth Wößner erinnert sich noch gut daran, wie sich die <strong>LandFrau</strong>en<br />
für die Bäuerinnenrente einsetzten. Als frühere Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes<br />
Württemberg-Hohenzollern vor 1981 und 1994 hat sie die Entwicklung mitverfolgt.<br />
Steter Tropfen<br />
höhlt den Stein!<br />
– <strong>LandFrau</strong>en setzen sich für soziale<br />
Absicherung ein –<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
„Ich engagiere mich gern im <strong>LandFrau</strong>enverband, weil dieser<br />
ein offener, äußerst vielfältiger, lebendiger und starker Verband<br />
ist. Sehr wichtig für mich ist das Wirken des Verbandes als Interessenvertretung<br />
für Frauen und Familien im ländlichen<br />
Raum. Besonders am Herzen liegt mir dabei, der Politik immer<br />
wieder klarzumachen, dass eine gut ausgewogene Strukturförderung<br />
für Stadt und Land realisiert werden muss. Denn<br />
auch die Menschen auf dem Lande wollen gleichwertige Lebensverhältnisse,<br />
Arbeitsplätze, die Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf, die Kita und die Schule vor Ort sowie eine gute ärztliche<br />
Versorgung. Sich dafür einzusetzen und manchmal auch<br />
laut zu werden, lohnt sich!“<br />
Jutta Quoos, Vorsitzende des Brandenburger <strong>LandFrau</strong>enverbandes e.V.<br />
Es gab viele soziale Probleme im länd-<br />
lichen Raum. Viele intensive Gespräche<br />
folgten, mit den Bäuerinnen, der landwirt-<br />
schaftlichen Sozialversicherung (LSV),<br />
den bäuerlichen Organisationen und vor<br />
allem mit den Politikern. Stolz waren wir,<br />
dass der dlv 1986 die Kindererziehungs-<br />
zeiten (Anrechnung in der Rentenversi-<br />
cherung) auf den Weg gebracht haben,<br />
ebenso die Forderung nach einem Kin-<br />
dergartenplatz für alle Kinder ab drei Jah-<br />
re. Kleine Verbesserungen schafften wir<br />
im Bereich der Pflege.<br />
Was unternahmen die <strong>LandFrau</strong>en,<br />
um die Situation der Bäuerinnen weiter<br />
zu verbessern?<br />
Ruth Wössner<br />
1991 folgte die Gemeinsame Erklärung<br />
des dlv und seiner Landesverbände zur<br />
Agrarsozialreform (nach innen und au-<br />
ßen) und 1992 die Bundesratsinitiative<br />
Baden-Württembergs mit Unterschriften-<br />
aktion der <strong>LandFrau</strong>en zur Agrarsozialre-<br />
form. Da dachten wir: Es tut sich was,<br />
es geht was voran! Am 1. Juli 1993 kam<br />
dann die große Bestürzung. Die Reform<br />
wurde kurzfristig von der Tagesordnung<br />
bei der Kabinettsitzung der Bundesre-<br />
gierung gestrichen. Die Enttäuschung<br />
war sehr groß! Wir, die Verantwortlichen<br />
des dlv waren uns sicher gewesen, dass<br />
die guten Voraussetzungen diesmal für<br />
unsere Bäuerinnen umgesetzt würden.<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08<br />
<strong>LandFrau</strong>en für Agrarsoziale<br />
Sicherung<br />
1957 Gesetz über eine Altershilfe<br />
für Landwirte<br />
1972 Errichtung der LandwirtschaftlichenKrankenversicherung<br />
und Vervollständigung<br />
des agrarsozialen<br />
Sicherungssystems<br />
1980 <strong>LandFrau</strong>en streben eigene<br />
bis Rente an und fordern eine<br />
1994 angemessene Teilhabe der<br />
Frau an der Alterssicherung<br />
des Mannes<br />
1986 3. Agrarsoziales Ergänzungsgesetz<br />
mit Festlegung<br />
eines eigenen Auszahlungsanspruches<br />
der Bäuerin auf<br />
den Ehegattenzuschlag<br />
1986 Erstellung eines „Lückenkataloges“<br />
durch den dlv<br />
1986 Anrechnung der Kindererziehungszeiten<br />
in der gesetzlichen<br />
Rentenvers.<br />
1992 Erhöhung der Kindererziehungszeiten<br />
von 1 auf 3<br />
Jahre pro Kind<br />
1995 Gesetz über die Alterssicherung<br />
der Landwirte mit<br />
eigenständiger sozialrechtlicher<br />
Absicherung der<br />
Bäuerin u. Einführung der<br />
Defizithaftung<br />
1995 Gesetz zur gesetzlichen<br />
Pflegeversicherung mit<br />
Entgelt für häusliche Pflege<br />
sowie Anrechnung der<br />
Pflegezeiten in der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung<br />
2007 Elterngeld auch für Bäuerinnen<br />
<strong>2008</strong> Zusage, dass ab 2009 die<br />
landwirtschaftliche Krankenkasse<br />
an den Steuermitteln<br />
für die versicherungsfremden<br />
Leistungen<br />
aus dem geplanten Gesundheitsfonds<br />
beteiligt<br />
wird<br />
<strong>2008</strong> Pflege-Weiterentwicklungsgesetz<br />
Mit der Agrarsozialgesetzreform 1995 kam endlich die Bäuerinnenrente. Seit-<br />
dem sind die Bäuerinnen im Fall der Erwerbsunfähigkeit versichert und haben<br />
einen eigenen Anspruch auf eine Altersrente bei entsprechenden Beitragsleis-<br />
tungen. Sind Sie damit zufrieden? Fühlen Sie sich dadurch für Krankheit, Pflege<br />
und Alter gut abgesichert?<br />
Das Ergebnis des neuen Gesetzes ist aus Geldmangel des Bundes für Bäue-<br />
rinnen enttäuschend ausgefallen. Positiv war immerhin die sofortige, eigen-<br />
ständige Sicherung in der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) unter Berück-<br />
sichtigung der gemeinsam erworbenen Anrechnungszeiten und auch, dass die<br />
Familienversicherung in der Krankenkasse erhalten bleibt.<br />
Haben Sie den Eindruck, dass sich die <strong>LandFrau</strong>en für die Interessen der Bäu-<br />
erinnen einsetzen?<br />
Die <strong>LandFrau</strong>en setzen sich sehr für Interessen der Bäuerinnen ein, sie haben<br />
Priorität im Verband. Der soziale Bereich ist ja eine sehr schwierige Materie. In<br />
Baden-Württemberg haben viele Frauen sich sachkundig gemacht mit Schu-<br />
lungen, Seminaren, Infoveranstaltungen usw., um sich eine Meinung bilden und<br />
um mitreden zu können.<br />
Wie haben Sie die Entwicklung der sozialen Absicherung persönlich empfun-<br />
den? Was waren für Sie die wesentlichen Fortschritte für die Bäuerinnen? Hat<br />
es Ihnen zu lange gedauert, bis sich etwas für die Bäuerinnen verbesserte?<br />
Heute bin ich noch stolz darauf, wie viele Dinge wir, die <strong>LandFrau</strong>en, auf den Weg<br />
gebracht haben, mit wasserdichten, handfesten Argumenten und Sachverstand.<br />
Nur die soziale Absicherung der Bäuerinnen kam zu spät. Sie ist außerdem nur<br />
eine Minimalrente. Durch den großen Strukturwandel gingen viele Vorausset-<br />
zungen für die Absicherung verloren, so auch in vielen Fällen der Hofnachfolger.<br />
Sollten sich die <strong>LandFrau</strong>en stärker für die Bäuerinnen einsetzen? Was wün-<br />
schen Sie sich von den <strong>LandFrau</strong>en?<br />
Agrarsoziales<br />
Es zeigt sich, dass die <strong>LandFrau</strong>en sehr vorausschauend waren und noch sind.<br />
Sie kümmern sich um die Wurzeln, und das sind die Bäuerinnen. Vieles, was die<br />
Politik heute verwirklichen will, sind alte Forderungen der <strong>LandFrau</strong>en. Darum sa-<br />
ge ich immer: Liebe <strong>LandFrau</strong>en, bleibt dran, meldet euch zu Wort, macht euch<br />
sachkundig, legt den Finger in die Wunden. Nur gemeinsam sind wir stark!<br />
Das Gespräch führte Katja Gartz<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
weil Stadt<strong>LandFrau</strong>en im Bremer Landfrauenverein eine aktive<br />
Gemeinschaft bilden. Tief verwurzelt mit einer traditionsreichen<br />
Hansestadt kann man die Nähe zum Verbraucher und der Politik<br />
nutzen und den ländlichen Raum mitgestalten. Mit frischem<br />
Wind sehe ich der globalen Zukunft positiv entgegen.<br />
Marianne Schilling, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Bremen<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 23
Bildungsarbeit<br />
Harmonisch, kreativ und erfolgreich<br />
Die <strong>LandFrau</strong>en im Niedersächsischen Stade<br />
sind im Aufwärtstrend. Renate Kühlcke-Schmoldt,<br />
die Vorsitzende des Kreisverbands, weiß, worauf<br />
es bei der Bildungsarbeit ankommt.<br />
24<br />
Welche Bildungsveranstaltungen bietet der Verband der Land<br />
frauenvereine Stade an, welche Themen und Veranstaltungs<br />
arten? Was ist das Besondere an den Bildungsangeboten?<br />
Der Kreisverband bietet ausschließlich Fortbildungen an für<br />
Vorstandsdamen oder Landfrauen, die eine Arbeitsgemein-<br />
schaft leiten, z. B. im Floristikbereich. Weiterhin Rhetorik-<br />
kurse, Bausteine „Fit fürs Ehrenamt“, PC-Kurse u.a. Zusätz-<br />
lich laufen in diesem Jahr drei Schulungen à 16 Teilneh-<br />
merinnen zur „Seniorenbegleiterin“. In der Landwirtschafts-<br />
kammer sind bereits 50 Landfrauen für das Projekt „Kochen<br />
mit Kindern“ an Grundschulen von unserer Beraterin, der<br />
Dipl. Oecotrophologin Frau Karin Reinking, geschult worden.<br />
Thema: „Milch“, „Kartoffeln“, „Getreide“ und in nächster Zeit<br />
„Obst und Gemüse“. Diese Aktionen werden durch die Ver-<br />
eine und durch die Presse beworben. Alle Frauen, die mitma-<br />
chen, werden gebeten, in die Vereine einzutreten. Zusätzlich<br />
findet auf Kreisebene für alle Mitglieder, jährlich ein Besuch<br />
in der Hamburger Staatsoper statt, natürlich mit einem Ein-<br />
führungsabend unter der Leitung eines Musikpädagogen. In<br />
der Regel fahren 150 Frauen mit. Jedes zweite Jahr findet im<br />
Wechsel eine Kreisfahrt oder der Kreislandfrauentag statt.<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
... weil ich hier viele Freunde gefunden<br />
habe. Im direkten Kontakt mit den<br />
Frauen kann ich die besten Informationen<br />
über die Chancen und Risiken des<br />
Lebens auf dem Lande erhalten. Es ist<br />
das gemeinsame Ziel der <strong>LandFrau</strong>en<br />
und der Verantwortlichen in Politik und<br />
Gesellschaft, dass der ländliche Raum<br />
als Arbeits- und Lebensraum erhalten<br />
bleibt und an Attraktivität gewinnt. Land-<br />
Frauen übernehmen Verantwortung und<br />
engagieren sich für bessere Rahmenbedingungen<br />
in den Dörfern. Diese Bemühungen werde ich auf allen<br />
mir möglichen Ebenen auch künftig vorantreiben.<br />
Christa Klaß, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Rheinland-Nassau<br />
Die Vereinsvorsitzenden des Kreisverbandes Stade v.l.:<br />
Gundi Wist (Nordkehdingen), Anke Tiedemann (Oldendorf), Chris-<br />
ta Schliecker für Monika Stüven (Großenwörden), Anke Tiemann<br />
(Mulsum), Adelheid Rehder (Altes Land), Elke v. Holt (Kehdinger<br />
Moor), Anke Alpers (Stade), Anke Büther (Südkehdingen), Pe-<br />
tra Dammann (Auf dem Delm), Renate Wölfel (Harsefeld)<br />
Wie entwickeln und gestalten Sie das Bildungspro<br />
gramm?<br />
Das Bildungsangebot in den Vereinen ist vielseitig, aktuell<br />
und bunt gemischt. Für alle Altersgruppen müssen wir et-<br />
was bieten: Kurse, Arbeitsgemeinschaften, Seminare aus<br />
folgenden Themenbereichen:<br />
● Sprachen, z. B. English for countrywomen, Plattdeusch,<br />
Spanisch für den Urlaub<br />
● Neue Medien, PC, digitale Fotobearbeitung, Excel, usw.<br />
● Sport und Gesundheit z. B. Yoga, Walking, Rückenschule,<br />
Beckenbodengymnastik<br />
● Kreatives, z. B. Malkurse, Schmuckherstellung, Floristik,<br />
Filzen, Wohneinrichtung<br />
● Ernährung, Kochen z. B. „Das perfekte Dinner“ für junge<br />
Leute, Kräuterküche, Mediterran genießen, „Mit gesun-<br />
der Ernährung abnehmen“<br />
● Singen: Sisa-Singe-Maus, neue Kinderlieder für Mütter,<br />
Großmütter und Kinder, Singkreise zu Ostern oder Weih-<br />
nachten<br />
● Unterhaltung: neue Gesellschaftsspiele, Doppelkopf-,<br />
Skat-, oder Bridge, Filmabende. Regelmäßig findet im<br />
Frühjahr auf einer erweiterten Vorstandssitzung ein reger<br />
Austausch statt. Wir berichten von unseren Erfahrungen,<br />
Tops und Flops, Empfehlungen werden weitergegeben.<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
Der Kreisvorstand Stade v. l.: Renate Kühlcke-Schmoldt, Käthe Höft,<br />
Karin Reinking, Ina Osterholz, Karin Kaminsky, Heide v. Limburg<br />
Mit welchen Partnern arbeiten Sie zusammen?<br />
1. LEB, ländliche Erwachsenen Bildung, Bezirksstelle Be-<br />
derkesa<br />
2. LWK, Landwirtschaftskammer, Beraterin Karin Reinking<br />
3. NLV, Niedersächsischer <strong>LandFrau</strong>enverband Hannover<br />
4. AHA, Andreas Hermes Akademie Bonn<br />
Die LEB ist unser wichtigster Partner, häufig werden vom<br />
NLV und der LEB gemeinsam Schulungen und Lehrgänge<br />
entwickelt, z. B. Seniorenbegleiterin. Für die Beratung der<br />
LWK bezahlen wir zwei Aufbaupakete jährlich.<br />
Haben sich die Inhalte des Bildungsprogramms in den ver<br />
gangenen Jahren verändert?<br />
Die Themen der Vorträge und der Arbeitsgemeinschaften<br />
müssen aktuell, zeitgemäß und hochwertig sein!<br />
Vortragsthemen sind von aktuellen Tagesthemen abzuleiten,<br />
z.B. Klimaveränderungen, Tibet, neue Energien, Demografie,<br />
Frauenthemen, Gewalt gegen Frauen, Ernährung, gesell-<br />
schaftspolitische Themen und „Seelenfutter“ für Frauen.<br />
Welchen Einfluss hat das Bildungsprogramm auf die Ent<br />
wicklung der Mitgliederzahlen? Welche Veranstaltungen<br />
wirken sich besonders stark aus?<br />
Zu den Arbeitsgemeinschaften kommen oft jüngere Frauen<br />
und auch neue Mitglieder, ebenfalls zu interessanten Vorträ-<br />
gen. Die Anfangszeiten müssen wechseln; vormittags, abends<br />
und nachmittags, auch am Wochenende findet etwas statt.<br />
Wie hoch sind Ihre Mitgliedsbeiträge? Wurden diese in<br />
letzter Zeit erhöht? Wenn ja, wie haben die Mitglieder da<br />
rauf reagiert?<br />
Die Mitgliedsbeiträge sind in der Regel 16,– Euro, vier Ver-<br />
eine haben auf 20,– erhöht. Es gab bis jetzt keine großen<br />
Diskussionen, die Erhöhung wurde auf den Hauptversamm-<br />
lungen einstimmig beschlossen.<br />
Bildungsarbeit<br />
Reichen die Beiträge, um das Programm zu realisieren<br />
oder nutzen Sie noch andere Finanzierungsmöglichkeiten?<br />
In der Regel reichen die Beiträge. Die kleinen Vereine wer-<br />
den vom Kreisverband etwas stärker finanziell unterstützt.<br />
Die Vereine nehmen häufig an Aktionen teil, z.B. am Tag<br />
des offenen Hofes, Dorf- und Hoffesten, Regionalmessen<br />
u. a. Es wird nicht nur für soziale Zwecke gespendet, ein Teil<br />
darf durchaus in der eigenen Kasse bleiben.<br />
Der Kreisverband zehrt noch von einigen Kochbuchpro-<br />
jekten, und wir suchen oft Sponsoren und Partner, die uns<br />
bei Projekten und Vorhaben unterstützen.<br />
Sind Sie mit den Programmen des Kreisverbandes und<br />
der <strong>LandFrau</strong>envereine im Kreis Stade zufrieden?<br />
Auf Grund ständiger Mitgliederzuwächse in allen Vereinen<br />
sind wir, vom Kreisverband, zufrieden mit den Programmen.<br />
Wir hatten 1997 im Kreis Stade 3594 Mitglieder, und heute<br />
haben wird 5160! Viele Programme sind vorbildlich. Der An-<br />
teil der Arbeitsgemeinschaften sollte in mehreren Vereinen<br />
noch größer werden, denn dort gewinnen wir die meisten<br />
neuen Mitglieder. Aber daran werden wir gemeinsam arbei-<br />
ten. Insgesamt bieten die 10 Vereine ca. 250 Angebote!<br />
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Haben Sie Ideen,<br />
die sie gerne umsetzen möchten?<br />
Ich möchte weiterhin harmonisch, kreativ und erfolgreich<br />
mit meinem Vorstand, den Vorsitzenden und Vereinen zu-<br />
sammenarbeiten. Wir werden ständig neue Ideen aufgrei-<br />
fen, umsetzen und weiterempfehlen. Wir müssen aber be-<br />
denken, dass wir ehrenamtlich arbeiten und eine Familie<br />
hinter uns steht, die unser Ehrenamt mitträgt. Aber das<br />
wird uns gelingen!<br />
Das Gespräch führte Katja Gartz<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
„Unser zukunftsweisendes Netzwerk<br />
mit politischer Interessenvertretung,<br />
umfassendem Bildungsangebot und<br />
ehrenamtlichem Engagement, bietet<br />
enorme Chancen und vielfältige Möglichkeiten<br />
für alle Frauen jeder Generation.<br />
Mir sind als Vorstandsmitglied in<br />
der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung<br />
die soziale Absicherung sowie praxistaugliche<br />
Lösungen bei Existenzgründungen<br />
und Erwerbskombinationen ein<br />
besonderes Anliegen.“<br />
Marianne Anselm, Präsidentin des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Südbaden<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 25
Basis Ortsverein<br />
Auf die Basis kommt es an<br />
– Der Ortsverein Rödinghausen auf Erfolgskurs –<br />
Das ganze Jahr über sammelt Birgit<br />
Steinmeier Ideen für neue Veranstal-<br />
tungen: mündlich erzählte, eigene Vor-<br />
schläge sowie Wünsche, die ihre Mit-<br />
glieder aufgeschrieben haben. Damit<br />
das neue Programm im August er-<br />
scheinen kann, nimmt die Vorsitzende<br />
des Ortsvereins Rödinghausen jedes<br />
Jahr im Juni zwei Wochen Urlaub, um<br />
alles zu sortieren und zu gestalten.<br />
„Wir wählen nicht aus, wir versuchen<br />
alles umzusetzen“, sagt die <strong>LandFrau</strong><br />
des Jahres 2007. Dreimal vorgeschla-<br />
gen, aber nicht angeboten – das gibt<br />
es in ihrem Verein nicht. Das Pro-<br />
gramm ist bunt, vielseitig und ab-<br />
wechslungsreich, aber nicht beliebig.<br />
Die Vorstandsfrauen legen Wert auf<br />
Niveau und gute Arbeit mit Kontinui-<br />
tät. Ihr Konzept ist erfolgreich. Unter<br />
der Vorsitzenden Birgit Steinmeier ist<br />
die Mitgliederzahl von 198 auf 426 ge-<br />
stiegen. Seit 1990 übt sie das Amt<br />
mit viel Freude und Spaß aus. Stein-<br />
meiers Zauberwort lautet: Ausprobie-<br />
26<br />
ren. Viele Vereine trauen sich das<br />
nicht, meint die Vorsitzende.<br />
Im Zentrum ihrer <strong>LandFrau</strong>enarbeit<br />
steht das Interesse an Frauen in ver-<br />
schiedenen Lebenslagen, Offenheit<br />
und Respekt gegenüber unterschied-<br />
lichen Lebensmodellen und ein ge-<br />
meinschaftliches Miteinander. Sepa-<br />
rate Gruppen für Seniorinnen gibt es<br />
deshalb nicht, die Angebote sind im-<br />
mer offen für alle Frauen. So schauen<br />
sich bei einer Dessous-Party 26- und<br />
über 70-Jährige zusammen schöne<br />
Unterwäsche an. „Bei uns treffen sich<br />
junge und alte Frauen, Singles, Allein-<br />
erziehende und Witwen“, berichtet<br />
Steinmeier. Die Interessen aller wer-<br />
den vom Ortsverein berücksichtigt,<br />
Gäste sind jederzeit willkommen.<br />
Wichtiger Bestandteil des Programms<br />
ist die Bildungsarbeit in Form von<br />
Kursen, Vorträgen, Fahrten und regel-<br />
mäßigen Gruppentreffen. Zur Förde-<br />
rung der beruflichen und allgemeinen<br />
Weiterbildung bietet der Verein bei-<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
... weil es Spaß macht, etwas zu bewegen. Durch meine langjährige<br />
Tätigkeit als ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde<br />
Rammenau erhalte ich regelmäßig Eindrücke des oft zurückgezogenen<br />
Lebens der Frauen und Mädchen auf dem Land. Mit<br />
meinen Erfahrungen will ich dazu beitragen, dass es sich auch<br />
für die Zukunft lohnt, auf dem Lande zu leben.<br />
Meine Schwerpunkte setze ich darauf, die Projekte zur gesunden<br />
Ernährung, zur Gesundheitsvorsorge und Stärkung des bürgerschaftlichen<br />
Engagements der Landfrauen in Sachsen bekannt<br />
zu machen. Der große Zuspruch in den Gemeinden und<br />
Dörfern macht mir Mut, dass wir auf dem richtigen Weg sind.<br />
Hiltrud Snelinski, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Sachsen<br />
Ein Motorsägenführerschein für <strong>LandFrau</strong>en<br />
ist erfolgreiches Angebot in Rödinghausen<br />
spielsweise: Computerkurse, einen<br />
Motorsägeführerschein für Frauen,<br />
Wissenswertes über Venenerkran-<br />
kungen, über Vorsorgevollmachten,<br />
über Rechte am Arbeitsplatz sowie<br />
über Strategien zur Haushaltsorgani-<br />
sation. In Kreativkursen werden Mode-<br />
schmuck, Bücher und Aromaseifen<br />
selbst hergestellt. Diavorträge infor-<br />
mieren über Andalusien, eine Studien-<br />
reise führt nach Südengland, eine<br />
Radwanderung nach Berlin. Die Be-<br />
sichtigung des Druck- und Verlags-<br />
hauses der Zeitung „Neue Westfä-<br />
lische“ gehört ebenso zum Programm<br />
wie Bastelkurse für Mütter und Kinder<br />
oder Kochkurse für Männer.<br />
Die Aktivitäten der <strong>LandFrau</strong>en sind<br />
gefragt: Im Jahr 2006 nahmen 2702<br />
Teilnehmer an insgesamt 122 Veran-<br />
staltungen teil. „Der <strong>LandFrau</strong>enver-<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
and ist unsere Volkshochschule“, so<br />
Ernst-Wilhelm Vortmeyer (SPD), der<br />
Bürgermeister von Rödinghausen.<br />
Birgit Steinmeier setzt vor allem auf<br />
die aktive Beteiligung der Mitglieder,<br />
nur ein geringer Teil der Veranstaltun-<br />
gen besteht aus Vorträgen, an denen<br />
die <strong>LandFrau</strong>en passiv teilnehmen.<br />
Neben der Bildungsarbeit macht sich<br />
der Ortsverein Rödinghausen im Lan-<br />
desverband Westfalen-Lippe auch für<br />
die Vertretung der berufsständischen<br />
Interessen der Frauen in der Landwirt-<br />
schaft und die Öffnung der Höfe stark.<br />
Jährlich finden Besuche ländlicher Be-<br />
triebe und Biogasanlagen statt, um<br />
den Austausch von Erzeugern und Ver-<br />
brauchern zu fördern. Außerdem wer-<br />
den die Betriebe als Veranstaltungsort<br />
genutzt, beispielsweise für den Kurs<br />
„Woher kommt die Wolle?“, für Vorträ-<br />
ge über Riester-Rente oder Erbrecht.<br />
Auf Ortsebene wird ebenso die allge-<br />
meine Weiterbildung von Kindern und<br />
Jugendlichen gefördert. So finden für<br />
14- bis 17-Jährige Babysitterkurse statt,<br />
für Kinder Erlebnistage rund um die<br />
Kartoffel sowie Strickgruppen. Außer-<br />
dem engagieren sich die <strong>LandFrau</strong>en<br />
an einer offenen Ganztagsschule in<br />
der Nachbarschaft. Sie backen, ko-<br />
chen, spielen, basteln mit den Schü-<br />
lern oder lesen vor. Auch in den Ferien<br />
bieten die Frauen Nachmittagspro-<br />
gramme an.<br />
Aktiv ist der Verein ebenfalls bei der<br />
Mitgestaltung des sozialpolitischen<br />
Lebens. Ein Beitrag dazu ist das Dorf-<br />
marketing, um den ländlichen Raum<br />
attraktiver zu gestalten. Die Land-<br />
Frauen riefen 2005 mit der Grund-<br />
steinlegung ein Backhaus ins Leben,<br />
das zum Lichterfest am zehnten Au-<br />
gust dieses Jahres eingeweiht werden<br />
soll. „Wir wollen Spuren hinterlassen“,<br />
sagt Birgit Steinmeier, die eine halbe<br />
Stelle beim Evangelischen Dorfhelfe-<br />
rinnenwerk besitzt. Sie setzte sich für<br />
eine <strong>LandFrau</strong>enallee in Rödinghausen<br />
ein, in der jährlich zum Tag der Region<br />
ein Baum gepflanzt wird. Außerdem<br />
gestalteten die <strong>LandFrau</strong>en einen Gar-<br />
ten im Ortskern und verhinderten die<br />
Errichtung einer Spielhalle. Damit der<br />
Bürgermeister die <strong>LandFrau</strong>en gleich<br />
zu Beginn seiner Amtszeit kennen-<br />
lernt, bekommt er von ihnen eine Ern-<br />
tekrone überreicht.<br />
Präsenz zeigt der <strong>LandFrau</strong>enverein<br />
zudem durch die Zusammenarbeit mit<br />
anderen Verbänden und Institutionen,<br />
beispielsweise mit Kirchengemeinden,<br />
dem Roten Kreuz und Naturschutzver-<br />
bänden. Kontakte werden auch zu den<br />
<strong>LandFrau</strong>enverbänden in Mussbach-<br />
Pfalz, Thüringen und in Polen ge-<br />
pflegt.<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Evelyn Moscherosch, Präsidentin des LFV Hessen<br />
Besonders beliebt sind bei den Land-<br />
Frauen aus Rödinghausen Kreativ-<br />
kurse wie Vogelhäuschen basteln oder<br />
Malen mit Acrylfarben sowie Wellness-<br />
und Bewegungsangebote – Qi Gong,<br />
Basis Ortsverein<br />
weil ich die Arbeit für die Frauen auf dem Lande für unverzichtbar<br />
halte! Kein Verband kann dies besser, weil wir in nahezu allen<br />
Städten und Gemeinden durch starke Ortsvereine repräsentiert<br />
sind und von starken Frauen „vor Ort“ die genau wissen, worauf<br />
es ankommt. Mit unseren 53.000 Mitgliedern sind wir der mitgliederstärkste<br />
Frauenverband und deshalb nicht nur berechtigt,<br />
sondern verpflichtet, die Interessen der Frauen zu vertreten.<br />
Hierfür stehe ich ganz persönlich. Ich habe mich seit 31 Jahren<br />
der <strong>LandFrau</strong>enarbeit verschrieben und dazu beigetragen, dass<br />
unsere Organisation in Hessen großen Einfluss gewonnen hat.<br />
Die unterschiedlichen<br />
Angebote des Ortsver-<br />
eins bilden zusammen<br />
einen bunten Strauß,<br />
der die gemeinsamen<br />
Veranstaltungen belebt<br />
Wirbelsäulengymnastik, Stretching.<br />
Für Frühaufsteherinnen und Frauen,<br />
die vor der Arbeit Sport treiben wollen,<br />
findet um sechs Uhr morgens Sonnen-<br />
aufgangsfitness statt. Passend zum<br />
Tagesablauf der Zielgruppe finden die<br />
Veranstaltungen von früh bis spät und<br />
auch am Wochenende statt. „Wir ha-<br />
ben lange an einem funktionierenden<br />
Programm gearbeitet“, berichtet Stein-<br />
meier. Die obligatorische Versamm-<br />
lung um 14.30 Uhr laufe heute nicht<br />
mehr. Erforderlich seien Strategien,<br />
um Frauen mit unterschiedlichen Zeit-<br />
fenstern zu erreichen. Bei der Pro-<br />
grammgestaltung nutzt die Vorsitzen-<br />
de auch die Qualifikationen ihrer Mit-<br />
glieder. So informiert eine Innenarchi-<br />
tektin über Raumgestaltung, eine<br />
Deutschlehrerin veranstaltet Literatu-<br />
rabende. Neben einem ansprechenden<br />
Programm ist für Steinmeier auch die<br />
Stimmung im Verein entscheidend.<br />
„Wir sind im Vorstand ein gutes Team<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 27
Basis Ortsverein<br />
mit zwölf Frauen und haben Spaß<br />
bei der Landfrauenarbeit“, sagt die<br />
55-Jährige. Das wirke sich auch auf ih-<br />
re Aktivitäten aus. Wichtig sei es, pas-<br />
sende Orte und Gelegenheiten zu<br />
schaffen, zu denen andere gerne kom-<br />
men.<br />
Da in der Region viele Nebenerwerbs-<br />
landwirte ansässig sind und somit we-<br />
nig Bäuerinnen, hat sich der Ortsver-<br />
ein gegenüber anderen Frauen sehr<br />
früh geöffnet. Neben der Gattin des<br />
Bürgermeisters sind Geschäftsfrauen,<br />
die Leiterin des Kinderhauses sowie<br />
die der Bücherei und viele andere ver-<br />
treten. Dabei zu sein gilt als schick,<br />
die <strong>LandFrau</strong>en in Rödinghausen sind<br />
in. Damit hat der Ortsverband eine ho-<br />
he Stellung in der Gemeinde.<br />
Neue Mitglieder kommen, weil sie mit-<br />
machen wollen und von dem Verein<br />
überzeugt sind. „Ich habe noch nie ei-<br />
ne Frau gefragt, ob sie bei uns eintre-<br />
ten will“, sagt Steinmeier. Viele kom-<br />
men dreimal gucken, sind erst als<br />
Gast dabei und wollen dann Mitglied<br />
werden. „Sobald die Mitgliederwer-<br />
bung krampfhaft wird, ist sie erfolg-<br />
los“, berichtet die diplomierte Oeco-<br />
trophologin. Obwohl die jüngste Land-<br />
Frau in Rödinghausen 26 Jahre alt ist,<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
<strong>LandFrau</strong>enarbeit ist für mich soziales Engagement. Ohne die<br />
Bildungsangebote des <strong>LandFrau</strong>enverbandes, würde den Hamburger<br />
Landgebieten eine großartige Institution verloren gehen<br />
und viele Chancen unbemerkt bleiben. Als Brückenschlag zwischen<br />
Tradition und Moderne, veranstaltet der Verband regelmäßige<br />
Begegnungen der Landfrauen mit Vertreterinnen aus Politik,<br />
Kirche und den grünen Verbänden. Ich würde mich freuen,<br />
wenn sich noch viele Frauen unseren Ortsvereinen anschließen<br />
würden, um die Weiterbildungsmöglichkeiten im ländlichen<br />
Raum zu nutzen.<br />
Elke Stubbe, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Hamburg<br />
Als Vorsitzende des Ortsvereines Rödinghausen wurde Birgit Steinmeier <strong>LandFrau</strong> des<br />
Jahres 2007. Dazu gratulierte auch Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Die Erhaltung und Stärkung des ländlichen Raumes im Kontext<br />
mit der Interessenvertretung der Frauen, der Dorfgestaltung, der<br />
Entwicklung der Infrastruktur, der Erhaltung der Umwelt sowie<br />
der Kultur- und Brauchtumspflege ist für mich eine wichtige Aufgabe.<br />
Dabei kommt es mir darauf an, die Stellung der Landfrauen<br />
im gesellschaftlichen und berufsständischen Leben zu<br />
fördern, ihre Belange auf sozialem, kulturellem und wirtschaftlichen<br />
Gebiet zu vertreten und für ihre Betreuung und Unterstützung<br />
auch im privaten Bereich zu sorgen.<br />
Gerlind Bartl, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Thüringen<br />
28<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
zählen zu den jüngeren Mitliedern vor<br />
allem die 30- bis 40-Jährigen, die größ-<br />
te Gruppe ist zwischen 50 und 65 Jah-<br />
re alt.<br />
Um verstärkt jüngere Frauen zu gewin-<br />
nen, entwickelten die zwölf Vorstands-<br />
frauen maßgeschneiderte Angebote<br />
und gingen auf Wünsche ein. So hat-<br />
ten beispielsweise drei Frauen die<br />
Idee einer Seifenwasser-Party für Kin-<br />
der. Veranstaltet wurde diese anschlie-<br />
ßend mit acht Müttern und zwölf Kin-<br />
dern ab zwei Jahren auf dem Hof von<br />
Birgit Steinmeier. Mit Seifenwasser<br />
können sich Mütter und Kinder seit-<br />
dem regelmäßig vergnügen. Außer-<br />
dem gibt es Bollerwagenrennen für El-<br />
tern mit Kindern ab drei Jahren sowie<br />
Märchenabende, Schatzsuchen und<br />
Familienausflüge. Informationsabende<br />
mit Politkern zum Kinderbetreuungs-<br />
gesetz gehören auch zum Programm.<br />
Da diese Angebote gut angenommen<br />
werden, haben sich die Veranstal-<br />
tungen für Frauen mit Kindern und de-<br />
ren Familien zu einem Schwerpunkt<br />
der Vereinsarbeit entwickelt. Ganz ne-<br />
benbei wirken sich diese positiv auf<br />
das Image des <strong>LandFrau</strong>envereins<br />
aus, ebenso wie die Betreuung von<br />
Tschernobyl-Kindern auf Bauernhöfen,<br />
die Teilnahme am Kliver Markt mit Ro-<br />
te-Grütze-Verkauf, die Wanderungen<br />
„<strong>LandFrau</strong>en erkunden ihre Dörfer“,<br />
das 70-jährige <strong>LandFrau</strong>en-Jubiläum<br />
2005 und die Einrichtung einer Ver-<br />
eins-Homepage. Eine gute Öffentlich-<br />
keitsarbeit und Medienpräsenz in lo-<br />
kalen Zeitungen, Radio- und Fernseh-<br />
sendungen unterstützen den Ortsver-<br />
ein zusätzlich.<br />
Wegen der breiten Anerkennung der<br />
<strong>LandFrau</strong>enarbeit stieß eine Beitrags-<br />
erhöhung vor vier Jahren von 20 auf<br />
25 Euro nicht auf Widerstand. „Da hat<br />
keiner gemosert“, sagt Steinmeier.<br />
Sie betrachtet dies als Wertschätzung,<br />
ebenso die Spenden von Gemeinde-<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Basis Ortsverein<br />
Die gesellschaftlich und politisch relevanten Aktivitäten des<br />
<strong>LandFrau</strong>enverbandes sind für mich eine maßgebliche Motivation,<br />
da sie entscheidende Weichen für die Zukunft stellen. Aber<br />
auch die identitätsstiftende Funktion unserer Organisation, unter<br />
deren Dach sich Frauen jeden Alters und aller Berufe zusammenfinden,<br />
ist für mich ein wichtiger Grund für meine Arbeit im<br />
Verband.<br />
Silvia Zöller, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Rheinhessen<br />
vertretern, die helfen, eine attraktive<br />
Vereinsarbeit zu finanzieren.<br />
Nach ihrem Rücktritt als Vorsitzende<br />
in zwei Jahren, will sie anderen Verei-<br />
nen bei Bedarf beratend zu Seite ste-<br />
hen. Doch bis dahin hat die aktive<br />
<strong>LandFrau</strong> noch viele Ideen, beispiels-<br />
weise einen Reitkurs für Frauen über<br />
50 Jahre oder „Management at Home“,<br />
um die Alltagskompetenz junger Frau-<br />
en zu stärken.<br />
Katja Gartz<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 29
Aktive Politik<br />
Zukunft gestalten<br />
– <strong>LandFrau</strong>en machen Politik –<br />
Mit dem Ziel, die Lebensbedingungen<br />
der Frauen auf dem Land und die Infra-<br />
struktur der Dörfer zu verbessern, setzte<br />
sich Marie-Luise Gräfin Leutrum für die<br />
<strong>LandFrau</strong>enarbeit ein. Sie wäre sicher<br />
stolz darauf, dass der von ihr gegründe-<br />
te Deutsche <strong>LandFrau</strong>enverband sein<br />
60-jähriges Bestehen feiert. Ob Gräfin<br />
Leutrum ahnte, dass ihre Ziele bis heu-<br />
te nichts an Aktualität einbüßen wür-<br />
den? Vielleicht. Schließlich gilt es da-<br />
mals wie heute Antworten auf die zen-<br />
tralen Fragen zu finden: Wie wollen wir in<br />
ländlichen Regionen leben? Was fehlt<br />
uns? Und was wollen wir ändern oder<br />
verbessern?<br />
Die Antworten darauf mit Leben zu fül-<br />
len, Initiativen, Projekte und Programme<br />
zu entwickeln und umzusetzen, den Aus-<br />
tausch und die Zusammenarbeit mit Partnern und Politikern zu fördern, bedeu-<br />
tet stets die Interessen der Frauen im ländlichen Raum auf vielen verschie-<br />
denen Wegen zu vertreten. Hier ist der Einsatz des Bundesverbandes, der<br />
Landes- und Ortsgruppen sowie der Mitglieder gefragt. Da die Ziele bleiben,<br />
aber sich die Herausforderungen ändern, spielen für die Weiterentwicklung der<br />
<strong>LandFrau</strong>enarbeit Kontakte zu Politikern eine entscheidende Rolle. Besonders<br />
nah am Geschehen in Parteien, Landtagen oder Ministerien sind die Politike-<br />
rinnen unter den <strong>LandFrau</strong>en, die sich mit ihren Möglichkeiten für die Interes-<br />
sen von Frauen in ländlichen Regionen stark machen.<br />
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zählt für Maria Westerhorstmann zu<br />
den wichtigsten Themen. Sie ist als Landwirtin und Vorstandsmitglied des<br />
30<br />
Die Abgeordnete im Europaparlament Christa Klaß gratuliert mit Kollegen aus<br />
dem Europaparlament Angela Merkel zur Wahl als Bundeskanzlerin<br />
Westfälisch-Lippischen <strong>LandFrau</strong>enver-<br />
band aktiv sowie Landtagsabgeordnete<br />
in Nordrein-Westfalen. „Damit junge<br />
Mütter in die Berufstätigkeit zurückkeh-<br />
ren können, müssen sich die Land-<br />
Fauen um Kinderbetreuung kümmern“,<br />
sagt Westerhorstmann. Um die Be-<br />
schäftigung von Frauen zu fördern, legt<br />
sie Wert auf berufliche Qualifizierungen<br />
und Unterstützung beim Aufbau von Exis-<br />
tenzgründungen oder Einkommens-<br />
kombinationen. Deshalb setzte sie sich<br />
beispielsweise für die Weiterbildungs-<br />
angebote zur Agrarbürofachfrau und<br />
den Aufbau des <strong>LandFrau</strong>enservice ein,<br />
der mit Bauerncafés und anderen<br />
Aktivitäten Einkommensalternativen<br />
schafft. „Damit besetzten wir auf dem<br />
Arbeitsmarkt Nischen, setzten aber ein<br />
Umdenken in Gang, das für die Zukunft<br />
wichtig ist“, sagt CDU-Politikerin Wes-<br />
terhorstmann. So sollten die Land-<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
Frauenverbände mehr Bildungspro-<br />
gramme anbieten, die Frauen auch be-<br />
ruflich nützen und weiterbringen.<br />
Schließlich ist der ländliche Raum für<br />
Frauen und Familien nur attraktiv, wenn<br />
Einkommensmöglichkeiten vorhanden<br />
sind. Damit Alltagskompetenzen in un-<br />
serer Gesellschaft nicht verloren ge-<br />
hen, haben der Westfälisch-Lippische<br />
<strong>LandFrau</strong>enverband und die Rheinische<br />
Landfrauenvereinigung das Aktionspro-<br />
gramm „management@home – Familie<br />
gewinnt Zukunft“ ins Leben gerufen.<br />
Ziel ist, ein Umdenken in der Gesell-<br />
schaft in Gang zu setzen: Die vielfäl-<br />
tigen Aufgaben im Haushalt sollen eine<br />
höhere Anerkennung erfahren und die<br />
Kompetenzen der Haus- und Familien-<br />
arbeit verbessert werden.<br />
Bei ihren Tätigkeiten für Politik und<br />
<strong>LandFrau</strong>en sieht Maria Westerhorst-<br />
mann viele Querschnittsaufgaben. So<br />
engagiert sie sich politisch im Arbeits-<br />
kreis Ländlicher Raum beispielsweise<br />
für generationenübergreifendes Zusam-<br />
menleben. „Frauen, die Beruf und Fami-<br />
lie verbinden wollen, werden stärker<br />
vom demografischen Wandel betroffen<br />
sein“, erklärt Westerhorstmann. Wenn<br />
die Infrastruktur schwächer wird, sei es<br />
schwieriger, beides unter einen Hut zu<br />
bekommen. Um dem entgegenzuwirken,<br />
gibt es für Westerhorstmann viele klei-<br />
ne Stellschrauben. Sie bedauert, dass<br />
die <strong>LandFrau</strong>en ihr Potential nicht aus-<br />
schöpfen. „Sie sollten ihre Positionen<br />
stärker in politische Gremien und in<br />
den Landtag einbringen“, sagt die Poli-<br />
tikerin. Die Frauen, die auf dem Land<br />
leben, wüssten, woran es mangelt, was<br />
bei Infrastruktur, Mobilität, Bildung und<br />
Beruf geändert und verbessert werden<br />
muss. Um ihr Wissen einzubringen und<br />
den ländlichen Raum mitzugestalten,<br />
sollten sie Kontakte zu Abgeordneten<br />
persönlich wie schriftlich intensiver nut-<br />
zen. Stattdessen würden sich Land-<br />
Frauen zu häufig mit sich selbst, mit ihren eigenen Strukturen und ihren Hobbys<br />
beschäftigen. „Viele Frauen sind sehr gut informiert, engagieren sich sehr in<br />
Schulen und Kirchengemeinden, nur nicht in der Politik“, beklagt Westerhorst-<br />
mann. Dabei sei dort Basis- und keine abgehobene Arbeit gefragt und Klinken-<br />
putzen gehöre zu vielen Tätigkeiten dazu.<br />
Auch für Marlene Mortler, Mitglied des Deutschen Bundestags, gehört die Ver-<br />
einbarkeit von Familie und Beruf im ländlichen Raum zu den größten und wich-<br />
tigsten Herausforderungen. Die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin setzt sich<br />
in zahlreichen Funktionen als <strong>LandFrau</strong> und CSU-Politikerin für die Lebensbe-<br />
dingungen in ländlichen Regionen ein. Sie ist Mitglied des Ausschusses Ernäh-<br />
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Vorsitzende des Tourismusaus-<br />
schusses sowie stellvertretende Vorsitzende der <strong>LandFrau</strong>en in Bayern und<br />
Vorsitzende der <strong>LandFrau</strong>en in Mittelfranken. „Als Politikerin kann ich mich kon-<br />
kret für die Belange der <strong>LandFrau</strong>en einsetzen und eher Erfolge erreichen“,<br />
sagt die 52-Jährige. Mortler lebt im ländlichen Raum, kommt aus der Landwirt-<br />
schaft und weiß aus eigener Erfahrung um die Herausforderungen der Regi-<br />
onen. „Sie sind der Wirtschafts- und Lebensraum für zwei Drittel der Bayrischen<br />
Bevölkerung, deshalb mache ich mich in zuständigen Ausschüssen dafür stark,<br />
dass die Interessen der Menschen im ländlichen Raum gewahrt werden“, sagt<br />
die <strong>LandFrau</strong>, die ebenfalls Kreisrätin im Nürnberger Land und Präsidiumsmit-<br />
glied des Deutschen Bauernverbands ist. So konnte sie eine Reform der Land-<br />
wirtschaftlichen Unfallversicherung auf den Weg bringen, um diese beitragssta-<br />
bil und zukunftssicher zu halten. Auch für die Landwirtschaftliche Krankenver-<br />
sicherung (LKV) machte sie sich stark. „Mit Inkrafttreten des Gesundheits-<br />
fonds sollte die LKV ab 2009 als einzige gesetzliche Krankenversicherung von<br />
den Bundeszuschüssen ausgenommen werden“, erklärt Mortler. Um dies zu<br />
verhindern, wandte sie sich an Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer<br />
(CSU), damit er sich im Bundeskabinett dagegen einsetzt. „Er konnte Bundes-<br />
gesundheitsministern Ulla Schmidt (SPD) überzeugen, im Kabinett ist die Än-<br />
derung bereits beschlossen, jetzt muss sie nur noch in Kraft treten“, berichtet<br />
Mortler.<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Aktive Politik<br />
... weil <strong>LandFrau</strong>en bereit sind, couragiert Verantwortung zu übernehmen.<br />
Mit Können, Charme und Nachdruck geben sie dem<br />
ländlichen Raum neue Impulse durch das Erkennen und Nutzen<br />
eigener Potentiale. Mit einem breitgefächerten Informations–<br />
und Bildungsangebot, profilierter Interessenvertretung und innovativen<br />
Aktivitäten, aber auch mit der Pflege und Weitergabe von<br />
Gemeinschaftssinn, Miteinander, Kultur und Brauchtum sind<br />
<strong>LandFrau</strong>en Herz und Motor für aktives und attraktives Leben<br />
auf dem Land. Mit ihrer weltweiten Vernetzung wirken sie aktiv<br />
mit am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dialog.<br />
<strong>LandFrau</strong>en und ihr ehrenamtliches Engagement gehören<br />
für mich mit zu dem Wertvollsten, was diese Gesellschaft hat.<br />
Brigitte Scherb, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Niedersachen-Hannover (NLV)<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 31
Aktive Politik<br />
Besondere Chancen sieht sie für den ländlichen Raum in der Reise- und Tou-<br />
rismuswirtschaft, weil die Beschäftigungsverhältnisse in dieser Branche nicht<br />
exportierbar sind. Bereits heute sichert das Geschäft mit dem Urlaub von der<br />
Ostsee bis zu den Alpen knapp drei Millionen Arbeitsplätze. „Wir sind gut bera-<br />
ten, die Rahmenbedingungen für die Wachstumsbranche Tourismus so zu ge-<br />
stalten, dass sie im globalen Ringen um die Gunst der Reisenden wettbewerbs-<br />
fähig ist und bleibt“, so Marlene Mortler. Um beispielsweise den Tourismus-<br />
zweig „Urlaub auf dem Bauernhof“ in Deutschland zu stärken, bringt sie einen<br />
Antrag in den entsprechenden Ausschuss ein. „Der Städtetourismus boomt,<br />
die Zahlen in ländlichen Regionen stagnieren, um diese zu verbessern, brau-<br />
chen wir ein anderes Bewusstsein“, sagt die Bundestagsabgeordnete. Als<br />
<strong>LandFrau</strong> setzt sie sich zudem für ein anderes Bewusstsein im Umgang mit den<br />
Ressourcen ein, beispielsweise durch Hauswirtschaft in den Schulen. Von den<br />
<strong>LandFrau</strong>en wünscht auch sie sich, dass sie stärker zu Themen, die sie und die<br />
Familien betreffen, Stellung nehmen und aktuelle Diskussionen dazu als An-<br />
lass nutzen. Laut Mortler wäre es ein Vorteil, wenn die Bereiche Agrar- und So-<br />
zialpolitik, Ernährung und Öffentlichkeitsarbeit durch mehr hauptamtliche Mit-<br />
arbeiter verstärkt würden.<br />
„Frauen sind der Motor im ländlichen Raum“, sagt Christina Lehmann, die<br />
Vorsitzende des KreislandFrauenverbandes Elbe-Elster in Südbrandenburg.<br />
Ihr Ziel ist es, das Leben in den Dörfern lebenswert und sozial gerecht zu ge-<br />
stalten, den Menschen eine Perspektive zu geben und zu zeigen, dass sie<br />
noch gebraucht werden. Dabei ist ihre Zielgruppe weit über 50 Jahre alt. Ihre<br />
eigenen Kinder sind wie viele andere jüngere Menschen weggezogen, dahin,<br />
wo es Arbeitsplätze gibt. Für die, die noch da sind, heißt es Schadensbegren-<br />
zung zu betreiben. Als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung Schöne-<br />
walde und Politikerin der Kreistagsfragktion (Die Linke) engagiert sie sich im<br />
Entwicklungsausschuss, nutzt ihre Kontakte zur Gleichstellungsbeauftrag-<br />
ten, engagiert sich in dem von der Bundesanstalt für Arbeit geförderten Netz-<br />
werk Chancengleichheit für Arbeitsplätze, Frauen und Familien sowie in loka-<br />
le Aktionsgruppen im Rahmen des LEADER-Programms. Das von der Europä-<br />
ischen Union geförderte Programm der Deutschen Vernetzungsstelle Länd-<br />
liche Räume in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ermög-<br />
licht Projekte zur Vermarktung regionaler Produkte, zu Einsatzmöglichkeiten<br />
neuer Informationstechnologien, zu Landtourismus und Regionalentwick-<br />
lung. Bei dem Einsatz für bessere Lebensbedingungen der <strong>LandFrau</strong>en ist für<br />
Christina Lehmann die Person entscheidend und nicht die politische Funkti-<br />
on. Als Veranstaltungsort nutzen die <strong>LandFrau</strong>en einen alten Bauernhof, der<br />
zu einem Naturschutzzentrum umgewandelt wurde. Hier machte sich die di-<br />
plomierte Landwirtin Lehmann auch für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
oder Kombi-Lohn-Stellen für Frauen stark. „Durch ihre Arbeit im Naturschutz-<br />
zentrum haben sie Erfolgserlebnisse, spüren, dass sie gebraucht werden<br />
und haben Kontakt zu anderen“, erzählt die <strong>LandFrau</strong>. Ansonsten sei der<br />
Friedhof der einzige Treffpunkt. Eine Post und einen Kindergarten gibt es<br />
nicht mehr. Die Angebote der Ortsvereine will sie vorantreiben, um die Infra-<br />
struktur zu verbessern. Eine Strategie dafür hat sie mit ihren Mitsteiterinnen<br />
bereits entwickelt.<br />
32<br />
Maria Westerhorstmann ist Abgeordnete<br />
im Landtag von Nordrhein-Westfalen<br />
Marlene Mortler ist Bundestagsabgeordnete<br />
Auf Kreis- und auf europäischer Ebene<br />
engagiert sich Christa Klaß für die Situ-<br />
ation von Frauen in ländlichen Regi-<br />
onen. Die CDU-Politikerin ist Mitglied im<br />
Europäischen Parlament und Vorsitzen-<br />
de des <strong>LandFrau</strong>enverbands Rheinland-<br />
Nassau. In Rheinland-Pfalz setzte sich<br />
die Mitunternehmerin in einem selb-<br />
ständigen Weinbaubetrieb beispiels-<br />
weise für den Erhalt der Ernährungsbe-<br />
ratungen ein. „Als das Beratungsfach-<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
personal eingespart werden sollte,<br />
konnte ich die Stimmen der FDP gewin-<br />
nen, um die Einsparung abzuwenden“,<br />
berichtet die 56-Jährige. Damit war den<br />
<strong>LandFrau</strong>enverbänden sehr geholfen.<br />
Schließlich blieben ihnen so die Refe-<br />
rentinnen und Schulungsleiterinnen für<br />
Kinderkochkurse und andere Veranstal-<br />
tung zum Thema Ernähung erhalten.<br />
Christa Klaß bedauert ebenfalls, dass<br />
sich immer noch zu wenige Frauen in<br />
der Politik engagieren. „Viele trauen<br />
sich nicht“, sagt die <strong>LandFrau</strong>, die auch<br />
Präsidiumsmitglied des Bauern- und<br />
Winzerverbands Rheinland-Nassau und<br />
Vorstandsmitglied der Landwirtschafts-<br />
kammer Rheinland-Pfalz ist. Um die po-<br />
litische Motivation der Frauen in länd-<br />
lichen Regionen zu wecken, veranstal-<br />
tet ihr <strong>LandFrau</strong>enverband zum dritten<br />
Mal parallel zum <strong>LandFrau</strong>entag auf<br />
Landesebene die Aktion „Frauen in Par-<br />
lamenten“ mit Ministerinnen und Abge-<br />
ordneten. Fragen zu politischen Funkti-<br />
onen oder dazu, wie Frauen auf eine<br />
Liste kommen, werden in einer Wunsch-<br />
box gesammelt. „Als <strong>LandFrau</strong>en<br />
sollten wir Themen spielen, die wir kön-<br />
nen und uns dazu politisch zu Wort mel-<br />
den“, sagt die dreifache Mutter Klaß.<br />
So sollte sich der Deutsche <strong>LandFrau</strong>-<br />
enverband, wenn beispielsweise die<br />
Bundesfamilienministerin Ursula von<br />
der Leyen (CDU) Debatten über Erzie-<br />
hungszeiten von Vätern eröffnet, einmi-<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Das traditionelle Frauenbild hat sich gewaltig verändert. Wir<br />
Frauen nehmen neue Herausforderungen im Bereich unserer<br />
persönlichen Möglichkeiten wahr, werden aber auch von Familie<br />
und Gesellschaft gefordert. <strong>LandFrau</strong> zu sein ermöglicht mir<br />
vielfältige Begegnung und Austausch, gemeinsame Fortbildung,<br />
Entdeckung von Neuem und persönliche Weiterentwicklung.<br />
Dafür lohnt es sich einzusetzen.<br />
Hannelore Wörz, Präsidentin des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Württemberg-Baden<br />
schen, Stellungnahmen veröffentlichen und Forderungen deutlich machen. Von<br />
den aktuellen Bestimmungen zu Pflanzenschutzmitteln sind <strong>LandFrau</strong>en in der<br />
Landwirtschaft, im Garten und beim Einkaufen ebenfalls betroffen und hätten<br />
Grund genug, mitzureden. Laut Christa Klaß bräuchte der Deutsche Land-<br />
Frauenverband eine ständige Beobachterin im Bundestag, um bei politischen<br />
Debatten auf dem Laufenden zu sein.<br />
Im Europäischen Parlament engagiert sich Christa Klaß im Ausschuss für Um-<br />
weltfragen, Volksgesundheit, Verbraucherpolitik, Landwirtschaft und ländliche<br />
Entwicklung sowie für Frauenrechte und Chancengleichheit. Als Abgeordnete<br />
konnte sie einen Initiativbericht zur Lage der Frau in den ländlichen Gebieten<br />
der Europäischen Union auf den Weg bringen. Um die Situation der Frauen im<br />
ländlichen Raum zu verbessern, reiche es nicht aus, wenn ihre Zukunft im Rah-<br />
men der Agrarpolitik behandelt werde. Zu berücksichtigen seien vielfältige Le-<br />
bensmuster. „Wenn die gut ausgebildeten Frauen die ländlichen Regionen ver-<br />
lassen, weil sie dort keine Arbeit und keine Infrastruktur für ihre Familien fin-<br />
den, dann geht mit ihnen auch die Zukunft“, warnt Klaß.<br />
Nach der Politikerin benötigen die <strong>LandFrau</strong>enverbände mehr professionelle<br />
Hauptkräfte, um politisch mitreden zu können. Und auch die Präsidentin brau-<br />
che die Zuarbeit, um Politikern gegenüber schlagkräftig zu sein.<br />
Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />
Aktive Politik<br />
Katja Gartz<br />
… weil ich besonders den Austausch mit anderen <strong>LandFrau</strong>en<br />
sehr schätze. Wir sind ein offener und vielfältiger Verband für<br />
alle Frauen im ländlichen Raum. Ziel meiner Arbeit ist es, die<br />
Situation von Frauen nachhaltig zu verbessern und die berufständischen<br />
Interessen nachdrücklich zu vertreten. Ich bin<br />
beeindruckt von der Bildungsarbeit, die gekennzeichnet ist<br />
durch eine große thematische Bandbreite und methodische<br />
Vielfalt.<br />
Gerti Engels, Präsidentin des Westfälisch-Lippischen <strong>LandFrau</strong>enverbandes<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 33
HausWirtschaft<br />
Verbandsthema des<br />
dlv 1948 bis heute<br />
– Von der Berufsausbildung für Bäuerinnen zur<br />
gesellschaftspolitischen Aufgabe –<br />
Am Anfang war die HausWirtschaft<br />
Die HausWirtschaft stand am Anfang der <strong>LandFrau</strong>enar-<br />
beit: Bereits der „Reichsverband landwirtschaftlicher Haus-<br />
frauenvereine“, der 1898 in Rastenburg/Ostpreußen ge-<br />
gründet wurde und Vorgängerverband des Deutschen Land-<br />
Frauenverbandes (dlv) war, verankerte die HausWirtschaft<br />
als Kernelement in seiner Satzung. Als zentraler Vereins-<br />
zweck wurde die hauswirtschaftliche Aus- und Weiterbil-<br />
dung von Frauen festgelegt. Ziel war, der HausWirtschaft<br />
den Status eines anerkannten Berufes mit Erwerbscharak-<br />
ter zu verschaffen. Die Frauen auf den Höfen sollten in die<br />
Lage versetzt werden, mit dem Verkauf landwirtschaftlicher<br />
Erzeugnisse ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften.<br />
HausWirtschaft wurde vom <strong>LandFrau</strong>enverband von Anfang<br />
an als ökonomisches Handeln gesehen.<br />
HausWirtschaft als Kontinuitätselement<br />
Im Jahr 1948 wurde der dlv in Stuttgart gegründet. Die<br />
Nachkriegszeit war für Vereine keine einfache Zeit: Es galt,<br />
das Misstrauen der Menschen zu überwinden, sich vor dem<br />
34<br />
Hintergrund der Diktaturerfahrung wieder in Vereinen zu or-<br />
ganisieren. Die erste Präsidentin des dlv, Gräfin Leutrum,<br />
setzte u. a. auf hauswirtschaftliche Fortbildung als Vereins-<br />
angebot.<br />
Allen historischen Zäsuren zum Trotz blieb die HausWirt-<br />
schaft bis heute eines der zentralen Verbandsthemen. Die<br />
Arbeitsschwerpunkte des Verbandes innerhalb des The-<br />
menfeldes HausWirtschaft haben sich in der vergangenen<br />
60 Jahren aber gewandelt. Dabei ist der dlv dem gesell-<br />
schaftlichen Wandel nicht nur gefolgt, sondern hat diesen<br />
vorgedacht und mitgestaltet.<br />
HausWirtschaft in der Nachkriegszeit:<br />
Mittel zum Überleben<br />
HausWirtschaft diente in der Nachkriegszeit dazu, die Not-<br />
und Mangelsituation durch Hilfe zur Selbsthilfe zu bewälti-<br />
gen. Dafür gab der dlv mit seiner Verbandszeitschrift „Land<br />
und Frau“ praktische Hilfestellung: Ausführlich wurde z. B.<br />
über das fachgerechte Ausbessern von Kleidungsstücken<br />
und die Zubereitung preiswerter Gerichte berichtet. Dem<br />
dlv gelang es dadurch, neue Mitglieder zu gewinnen und<br />
heimatlos gewordene Frauen und ihre Familien im länd-<br />
lichen Raum zu integrieren.<br />
Bereits in diesen frühen Jahren dachte der dlv in die Zu-<br />
kunft und wirkte daran mit, hauswirtschaftliche Ausbil-<br />
dungsstätten zu schaffen. HausWirtschaft als Berufsbil-<br />
dung war also schon 1948 wieder ein zentrales Verbands-<br />
thema. Der Verband baute in den Dörfern eine hauswirt-<br />
schaftliche Beratungsinfrastruktur auf. Durch die materiel-<br />
le Not und die Notwendigkeit zum Sparen wurde der Zusam-<br />
menhang zwischen HausWirtschaft und Betriebswirtschaft<br />
unmittelbarer deutlicher als in späteren Jahren: Nur mit ei-<br />
ner funktionierenden HausWirtschaft konnten nach dem<br />
Krieg die täglichen Bedürfnisse wie Nahrung und Kleidung<br />
erfüllt werden.<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
HausWirtschaft in den 50er und 60er Jahren:<br />
Privatisierung und Emotionalisierung<br />
In den 50er und 60er Jahren wurde HausWirtschaft als pri-<br />
vate Fürsorge von Frauen für ihre Familien gesehen, die mit<br />
einer stark emotionalen Komponente belegt war.<br />
Frauen wurde die alleinige Verantwortung für die hauswirt-<br />
schaftliche Versorgung zugewiesen. Für sich genommen ist<br />
dies nicht neu. Neu und charakteristisch für diese Zeit ist<br />
aber die emotionale Belegung der HausWirtschaft mit Be-<br />
griffen wie Fürsorge und Geborgenheit in der Familie. Die<br />
ökonomischen Aspekte der HausWirtschaft traten hinter<br />
dieser Privatisierung und Emotionalisierung zurück. Diese<br />
Sichtweise auf die HausWirtschaft als „natürliche Aufgabe“<br />
der Frau ist bis heute nicht völlig überwunden.<br />
Der dlv folgte diesem Trend, wenn es um HausWirtschaft in<br />
Privathaushalten außerhalb der Landwirtschaft ging. Für<br />
landwirtschaftliche Familien stellte der dlv aber fest: „Die<br />
teilweise vertretene Forderung, die Frau eines Landwirts<br />
ganz aus dem Betriebsgeschehen herauszulösen und sie<br />
auf ihre Aufgaben als Hausfrau und Mutter zu beschränken,<br />
entspricht nicht dem geschichtlichen Entwicklungsbild des<br />
landwirtschaftlichen Familienbetriebes.“ (Die Aufgaben der<br />
Frau in Familie, Betrieb und Gesellschaft, in: Land und Frau<br />
vom 7.10.1967, S. 490). Die ländliche HausWirtschaft im<br />
landwirtschaftlichen Betrieb wurde weiterhin als betriebs-<br />
wirtschaftliche Größe gesehen.<br />
HausWirtschaft in den 70er Jahren:<br />
Gegen den Trend<br />
Bereits 1974 stellte dlv-Präsidentin Adelheid Lindemann-<br />
Meyer zu Rahden fest: „Die allgemeine Tendenz zur Gering-<br />
schätzung des hauswirtschaftlichen Bereichs führte be-<br />
reits zu schwerwiegenden Problemen innerhalb unserer Ge-<br />
sellschaft.“ Früher als andere erkannten die <strong>LandFrau</strong>en,<br />
was HausWirtschaft ist und was sie leistet. Sie taten das<br />
in den 70er Jahren in einem gesellschaftlichen Umfeld, in<br />
dem sie oft als rückständig belächelt wurden.<br />
In den 70erJahren zeigte sich deutlich das Dilemma der<br />
HausWirtschaft: Früher war eine Ausbildung in der länd-<br />
lichen HausWirtschaft die klassische Berufsausbildung für<br />
junge Frauen auf dem Land, die sich auf eine Zukunft als<br />
Ehefrau eines Landwirts und Bäuerin vorbereiten wollten.<br />
Eine Ausbildung in der ländlichen HausWirtschaft, die auf<br />
die Tätigkeit als Mitunternehmerin auf dem Betrieb des<br />
Ehemannes vorbereitete, war nur in eingeschränktem Ma-<br />
ße eine arbeitsmarktfähige Qualifikation. HausWirtschaft<br />
als Beruf außerhalb der Landwirtschaft bot nur in einem en-<br />
gen Segment Zugang zum Arbeitsmarkt.<br />
Die 80er Jahre:<br />
HausWirtschaft auf der „grünen Welle“<br />
HausWirtschaft<br />
Im Jahr 1986 forderte der dlv eine „verstärkte Vermittlung<br />
umweltschonender Arbeitsweisen in Betrieb und Haushalt“.<br />
Die 80er Jahre waren das Jahrzehnt, in dem die Umweltbe-<br />
wegung sich politisch organisierte und etablierte. Die Land-<br />
Frauen griffen das gestiegene Umweltbewusstsein auf und<br />
legten damit den Grundstock für die mit der HausWirtschaft<br />
bis heute untrennbar verknüpfte Nachhaltigkeitsdebatte.<br />
Das Besondere an der Umweltbewegung innerhalb des<br />
<strong>LandFrau</strong>enverbandes war, dass das Umweltschutzthema<br />
in das Traditionsthema HausWirtschaft eingeordnet und<br />
der Begriff der HausWirtschaft dadurch erweitert wurde.<br />
Die 90er Jahre:<br />
Trendwende von der Berufsausbildung zur gesellschaftspolitischen<br />
Forderung<br />
In den 90er Jahren verlagerte sich das Engagement des Land-<br />
Frauenverbandes von der Förderung der hauswirtschaftlichen<br />
Berufsbildung auf die Förderung der HausWirtschaft als All-<br />
tagskompetenz. Weiterhin stritten die <strong>LandFrau</strong>en nach wie vor<br />
für den Erhalt der dreijährigen betrieblichen Ausbildung in der<br />
HausWirtschaft, für den Erhalt landwirtschaftlicher Inhalte in<br />
der hauswirtschaftlichen Ausbildung und eine eigenständige<br />
ländliche HausWirtschaft. Mit dem Engagement für HausWirt-<br />
schaft als Alltagskompetenz setzen sich die <strong>LandFrau</strong>en dafür<br />
ein, HausWirtschaft in einem umfassenden Sinne als ein Bün-<br />
del von Kernkompetenzen für eine erfolgreiche Alltagsbewälti-<br />
gung in Beruf und Familie zu vermitteln. Damit waren und sind<br />
die <strong>LandFrau</strong>en Trendsetter in Sachen HausWirtschaft.<br />
Mit HausWirtschaft in die Zukunft<br />
In der Gegenwart zeigen sich in der HausWirtschaft zwei<br />
Trends: Bei der HausWirtschaft als Beruf steigt der Perso-<br />
nal- und Ausbildungsbedarf. Bei der HausWirtschaft als All-<br />
tagskompetenz zeigt sich steigender Bedarf bei der Vermitt-<br />
lung hauswirtschaftlicher Kenntnisse bei Kindern, Jugend-<br />
lichen und Erwachsenen. Vor allem bei HausWirtschaft als<br />
Alltagskompetenz muss der <strong>LandFrau</strong>enverband auf allen<br />
Verbandsebenen weiterarbeiten. Viel zu lange wurden haus-<br />
wirtschaftliche Kenntnisse als selbstverständlich erachtet<br />
und nicht wertgeschätzt. Erst jetzt, wo diese Kenntnisse<br />
vielen Menschen fehlen, wird die Bedeutung klar. HausWirt-<br />
schaft ist ein wichtiger Teil unserer Zukunft als Einzelper-<br />
sonen und als Gesellschaft. Für den <strong>LandFrau</strong>enverband<br />
verklammert die HausWirtschaft als Verbandsthema Ver-<br />
gangenheit, Gegenwart und Zukunft der <strong>LandFrau</strong>enarbeit.<br />
Dr. Evelyn Schmidtke<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 35
Projekte<br />
Während die Blaue Malve und der Dra-<br />
chenkopf ganz vorsichtig die ersten<br />
kleinen Blätter aus der Erde strecken,<br />
Basilikum und Oregano erst noch ge-<br />
pflanzt werden müssen, stehen Oran-<br />
gen, Apfel- und Pfefferminze schon in<br />
voller Pracht duftend auf dem Feld. Ne-<br />
ben den Minzen sind auch Spitzwege-<br />
rich und Zitronenmelisse bereits im<br />
Frühjahr reif für die Ernte. Christine<br />
Eger nimmt einen Korb und arbeitet<br />
Reihe für Reihe ab. Dabei ist ein star-<br />
ker Rücken gefragt, schließlich pflückt<br />
sie jede Blüte einzeln. „Würden wir ma-<br />
schinell ernten, wäre Unkraut dabei<br />
und die Kräuter kein Bioprodukt mehr“,<br />
sagt die Inhaberin der Tee- und Kräuter-<br />
manufaktur. Außerdem würde ein<br />
Häcksler die Blüten zerfetzen. Anschlie-<br />
ßend wird die Ernte auf Tüchern und<br />
feinen Netzen in Regalen ausgebreitet<br />
und in der Scheune getrocknet. Jeden<br />
zweiten Tag müssen die Kräuter mit<br />
den Händen gewendet werden. Ist die<br />
Witterung zu feucht, muss eine Maschi-<br />
ne nachhelfen. Abgefüllt in großen Pa-<br />
piertüten lagern die getrockneten Kräu-<br />
ter in der Scheune bis sie gemischt<br />
und schön verpackt als Tee oder Kräut-<br />
ersalz ihre Käufer erreichen.<br />
Seit über zehn Jahren nehmen Dra-<br />
chenköpfe, Brennnesseln und Ringel-<br />
blumen einen wichtigen Platz im Leben<br />
der Diplomagraringenieurin ein. Wie<br />
viele Menschen in den östlichen Bun-<br />
36<br />
Auf eigenen Füßen<br />
– <strong>LandFrau</strong>en werden erfolgreiche Unternehmerinnen –<br />
desländern war auch sie nach der Wen-<br />
de arbeitslos, machte eine Umschu-<br />
lung zur Umwelttechnologieberaterin<br />
und hangelte sich von einer Arbeitsbe-<br />
schaffungsmaßnahme zur nächsten.<br />
Die letzte brachte Christine Eger zu den<br />
Kräutern, die ihr als ehemalige Mitar-<br />
beiterin des Sortenamtes sehr vertraut<br />
waren. Gemeinsam mit acht Frauen<br />
baute sie verschiedene Sorten an, um<br />
diese als Teemischungen zu verkaufen.<br />
Zehn Prozent aller Kosten mussten sie<br />
selbst erwirtschaften, alles andere be-<br />
zahlte das Arbeitsamt, so die Bestim-<br />
mungen des Freistaats Thüringen. Mit<br />
dem Ziel, Frauen in östlichen Regionen<br />
bei der Existenzgründung zu unterstüt-<br />
zen, startete der Deutsche <strong>LandFrau</strong>en-<br />
verband 1998 in Kooperation mit dem<br />
Frauenministerium das Self-Projekt. Als<br />
dafür geförderte Maßnahmen gesucht<br />
wurden, die sich zur Übernahme in die<br />
Trägerschaft der ostdeutschen Land-<br />
Frauenverbände eigneten, waren die<br />
Teefrauen schnell dabei. „Was die Frau-<br />
en in Herbsleben aufgebaut hatten,<br />
sollte erhalten bleiben“, berichtete Pro-<br />
jektberaterin Monika Michael.<br />
Für eine tragfähige Existenzgründung<br />
musste zunächst analysiert werden,<br />
welche Einnahmen mit der Tee- und<br />
Kräuterproduktion zu erzielen sind. Au-<br />
ßerdem musste die Arbeitsorganisati-<br />
on verbessert und in neue Technik in-<br />
vestiert werden. Anschließend wurden<br />
Marktsituation und potentielle Kunden<br />
unter die Lupe genommen. Die Ver-<br />
kaufsstrategie lautete: Zu je einem<br />
Drittel über Märkte, den Großhandel,<br />
über verschiedene Ladengeschäfte<br />
und per Versandhandel über das Inter-<br />
net. „Wir hatten uns als Ziel gesetzt,<br />
eigene Kräutertee-Mischungen zu kre-<br />
ieren, um als <strong>LandFrau</strong>en etwas Be-<br />
sonderes anzubieten“, erzählt Christi-<br />
ne Eger. Ihr Slogan lautete: „Für jedes<br />
Wehwehchen ein Teechen“. Seit 1999<br />
ist der Betrieb ökologisch zertifiziert.<br />
„Als das Self-Projekt im Oktober 2000<br />
auslief, lag eine ganz wichtige Lern-<br />
und Lehrzeit hinter mir, ohne die geför-<br />
derte Anlaufphase wäre ich sicherlich<br />
nie so weit gekommen“, erinnert sich<br />
die engagierte <strong>LandFrau</strong>. Nun ging es<br />
für sie erst richtig los. Schließlich<br />
musste sie am Markt bestehen, ihre<br />
Kunden halten und zwei Mitarbeiter<br />
bezahlen.<br />
Christine Eger<br />
mit Mitarbei-<br />
terinnen unter<br />
der Landes-<br />
vorsitzenden<br />
Das Angebot<br />
der Thüringer<br />
Tee- und Kräu-<br />
termanufaktur<br />
ist reichhaltig<br />
Die Pflege der<br />
Kräuterfelder<br />
erfordert viel<br />
Handarbeit<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
Bis heute hat Christine Eger es nicht<br />
bereut, auch wenn es nicht immer<br />
leicht sei, für alles verantwortlich zu<br />
sein. „Die Hände in den Schoß legen<br />
und nichts tun, das liegt mir nicht“,<br />
sagt die 56-Jährige. Für ihre Familie ist<br />
das nichts Neues, deshalb fassen<br />
Ehemann und Sohn bei der Bodenar-<br />
beit und beim Verkauf mit an.<br />
Zu ihren Abnehmern zählen bundes-<br />
weit siebzig Geschäfte - Bio- und Na-<br />
turkostläden, Reformhäuser und Tee-<br />
geschäfte. Etwa zweihundert Stamm-<br />
kunden bestellen ihre Drogen regel-<br />
mäßig im Internet. Ihr Sortiment um-<br />
fasst über zwanzig Kräuter, Teemi-<br />
schungen, Kräutersalze und Kräuter-<br />
öle. Einen Großteil ihres Absatzes wi-<br />
ckelt sie auf Verbrauchermessen ab,<br />
außerdem verkauft sie ihre Produkte<br />
auf Bauernmärkten.<br />
Jedes Jahr erweitert <strong>LandFrau</strong> Eger,<br />
die am liebsten Tee mit Johanneskraut<br />
und Zitronenmelisse trinkt, ihr Ange-<br />
bot mit neuen Kreationen. Derzeit ent-<br />
wickelt sie mit ihren Mitarbeiterinnen<br />
Teemischungen mit Sanddorn und<br />
Cranberries, die sie in Bio-Qualität da-<br />
zukauft. Für Gerlind Bartl, die Vorsit-<br />
zende des <strong>LandFrau</strong>enverbands Thü-<br />
ringen, ist Christine Eger ein positives<br />
Beispiel für eine gelungene Existenz-<br />
gründung. Bei Veranstaltungen der<br />
<strong>LandFrau</strong>en ist die Kräuterfrau ein<br />
gern gesehener Gast. Sowohl ihre Er-<br />
fahrungen als Unternehmerin als auch<br />
ihr Wissen über Kräuter und deren Wir-<br />
kung sind sehr gefragt.<br />
Die positive Bilanz des Modellpro-<br />
jektes SELF – Frauen gestalten Struk-<br />
turentwicklungen ländlicher Regionen<br />
kann sich sehen lassen: 40 Arbeits-<br />
plätze wurden geschaffen, 25 Frauen<br />
gelang die Existenzgründung. In der<br />
Laufzeit von 1998 bis 2001 förderte<br />
das Frauenministerium das Projekt<br />
mit 1,253 Mio. DM.<br />
Katja Gartz<br />
Computerkurse<br />
auf dem Bauernhof<br />
Auf ihrem Bauernhof in Groß-Depen-<br />
hausen in Ostfriesland bietet Frieda<br />
Dembski-Minssen seit vier Jahren<br />
Computerkurse in kleinen Gruppen<br />
an. Wer bislang Angst hatte, die<br />
falsche Taste zu drücken, sich an<br />
Computer nicht herantraute oder sei-<br />
ne PC-Kenntnisse ausbauen möchte,<br />
ist bei ihr richtig. „Wenn jemand bei<br />
mir anruft, frage ich genau nach den<br />
Wünschen und Vorkenntnissen und<br />
stelle die Kurse dann passend zu-<br />
sammen“, sagt die IT-Fachfrau. Ihr<br />
Programm enthält: Einsteigerkurse,<br />
Textverarbeitung am PC, sicher Sur-<br />
fen im Internet, E-Mails verschicken<br />
und empfangen sowie Kurse zur Ver-<br />
wendung von Digitalfotos.<br />
Die gelernte Meisterin der ländlichen<br />
Hauswirtschaft arbeitete mit ihrem<br />
Mann im eigenen landwirtschaft-<br />
lichen Betrieb bis dieser im Jahr<br />
2000 an die Nachbarn verpachtet<br />
wurde. „Danach wollte ich etwas<br />
Neues machen“, erzählt Demski-<br />
Minssen. Zwei Jahre später bewarb<br />
sie sich für das Modellpro-<br />
jekt „IT-<strong>LandFrau</strong>“ des <strong>LandFrau</strong>en-<br />
verbands. Gemeinsam mit 43 ande-<br />
ren <strong>LandFrau</strong>en wurde sie innerhalb<br />
eines Jahres intensiv am Computer<br />
geschult. Während der Fortbildung<br />
entstand die Idee, ihre neuen Quali-<br />
fikationen beruflich zu nutzen.<br />
Schließlich hatten nicht nur ältere<br />
Projekte<br />
Frieda Demski-Minssen vertritt das IT-Land-<br />
Frauen-Projekt auch in der Öffentlichkeit:<br />
Mit dlv-Präsidentin Brigitte Scherb wirbt<br />
sie um ESF-Mittel für <strong>LandFrau</strong>enpro-<br />
jekte bei Bundesminister Olaf Scholz<br />
Frauen einen IT-Schulungsbedarf, son-<br />
dern auch die Frauen, die wieder in<br />
den Beruf einsteigen wollten. Mit ih-<br />
rem Zertifikat in der Hand bot Frieda<br />
Dembski-Minssen anschließend IT-<br />
Kurse für <strong>LandFrau</strong>en in der Berufsbil-<br />
denden Schule in Jever an. Da es auch<br />
auf ihrem Hof geeignete Räumlich-<br />
keiten gab, überlegte sie, sich selb-<br />
ständig zu machen. Mit Unterstützung<br />
ihres Mannes stellte sie einen Kosten-<br />
plan auf und informierte sich bei der<br />
IHK über Existenzgründungen. Gut vor-<br />
bereitet, entschloss sie sich für den<br />
Neustart als Unternehmerin. Mit Hilfe<br />
eines Bankkredits wurde ein ehema-<br />
liges Kinderzimmer mit sechs Compu-<br />
terarbeitsplätzen ausgestattet und ei-<br />
ne Satellitenverbindung eingerichtet,<br />
weil auf dem Land kein DSL-Anschluss<br />
verfügbar ist. Sie beantragte 2004 ih-<br />
ren Gewerbeschein, erstellte mit einer<br />
Grafikerin Flyer, um auf sich aufmerk-<br />
sam zu machen und startete am ers-<br />
ten Oktober des Jahres ihr Unterneh-<br />
men mit einer Eröffnungsfeier. Die ers-<br />
ten Kursteilnehmer kamen über Mund-<br />
propaganda, später wurden viele Men-<br />
schen durch einen Artikel in einem lo-<br />
kalen Anzeigenblatt auf die neuen<br />
Computerkurse aufmerksam. Für per-<br />
sönliche Betreuung in angenehmer At-<br />
mosphäre nehmen ihre Teilnehmer ei-<br />
ne bis zu 30 Kilometer lange Anfahrt<br />
gerne in Kauf.<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 37
Projekte<br />
Frieda Dembski-Minssen bietet pro<br />
Woche etwa zwei Kurse an. Ihr Ange-<br />
bot nutzen überwiegend Frauen im Al-<br />
ter zwischen 50 und 70 Jahren, doch<br />
auch jüngere, die PC-Anwendungen<br />
noch nicht gelernt haben, sind unter<br />
ihren Schülern, ebenso Ehepaare im<br />
Ruhestand. „Die Leute merken, dass<br />
man heute ohne IT-Kenntnisse nicht<br />
mehr zurechtkommt“, sagt die 61-<br />
Jährige. Eine Teilnehmerin hat es auf<br />
den Punkt gebracht: Wir wollen keine<br />
Analphabeten im Alter sein!<br />
Sind ihre Teilnehmer aus dem Haus,<br />
kümmert sich Frieda Dembski-Mins-<br />
sen um die Rechner oder eignet sich<br />
selber neues Wissen an. „Hätte mir<br />
jemand vor zehn Jahren gesagt, was<br />
ich heute mache, ich hätte es nie ge-<br />
glaubt“, sagt die zufriedene Unterneh-<br />
merin. Ihre Kursangebote entwickelt<br />
sie ständig weiter, neu dazugekom-<br />
men sind Hausbesuche, Einzelunter-<br />
richt und PowerPoint-Präsentationen.<br />
Auch ein Kurs zum Grußkartenerstel-<br />
len ist geplant. Um auf dem Lau-<br />
fenden zu bleiben, tauscht sie sich re-<br />
gelmäßig mit anderen IT-Landfrauen<br />
aus und fachsimpelt mit ihrem Sohn<br />
über IT-Themen. Das Projekt „IT-Land-<br />
Frauen“ wurde durch Mittel des Euro-<br />
päischen Sozialfonds und dem Bun-<br />
desministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend gefördert. Die Bi-<br />
lanz kann sich sehen lassen: Ein Drit-<br />
tel der IT-<strong>LandFrau</strong>en baute sich eine<br />
neue Existenz auf, etwa zwei Drittel<br />
kombinierten diese Tätigkeit mit an-<br />
deren Einkommens- und Erwerbs-<br />
formen. Von 20<strong>03</strong> bis 2005 be-<br />
suchten rund 120.000 Teilneh-<br />
merinnen an knapp 6000 Bildungs-<br />
veranstaltungen zum Thema Medien-<br />
kompetenz. Durch die IT-<strong>LandFrau</strong>en<br />
entstanden über 500 Internetpräsen-<br />
tationen und im LandPortal sind die<br />
<strong>LandFrau</strong>en mit über 1000 Produkten<br />
vertreten. Katja Gartz<br />
38<br />
Willkommene<br />
Herausforderungen<br />
– Ob mit Kindern, am Computer oder mit Kräutermischungen:<br />
Die Projekte der <strong>LandFrau</strong>en schreiben Erfolgsgeschichten –<br />
Landfrauen machen Schüler fit<br />
für gesunde Ernährung<br />
Nachdem die Hände gewaschen, die<br />
Schürzen umgebunden und alle Koch-<br />
mützen aufgesetzt sind, stellt sich Nik-<br />
las in der Schulküche vor seine Klas-<br />
se und liest laut ein Rezept vor: Back-<br />
kartoffeln mit Kräutern und Salat mit<br />
Joghurtsoße stehen auf dem Programm<br />
der Doppelstunde. Wenig später hält<br />
Anna bereits ein Küchenmesser in der<br />
Hand und schält langsam eine Kartof-<br />
fel. „Mit einem Schäler geht es viel<br />
besser“, sagt die Achtjährige und wech-<br />
selt ihr Werkzeug. Anschließend kommt<br />
der Krallengriff zum Einsatz. „Die Fin-<br />
ger einer Hand zur Kralle formen und<br />
so die Kartoffel festhalten“, erklärt Re-<br />
nate Zimmermann, damit sich die Dritt-<br />
klässler der Berliner Hermann-Gemei-<br />
ner-Schule nicht schneiden.<br />
Renate Zimmermann ist Mitglied im<br />
KreislandFrauenverein Havelland und<br />
betreibt in Kriele einen Erlebnishof.<br />
Zweimal pro Woche fährt die Bran-<br />
denburgerin rund 200 Kilometer, um<br />
Schüler über Ernährung aufzuklären. Sie<br />
ist eine von vielen <strong>LandFrau</strong>en,<br />
die sich seit Beginn des bundeswei-<br />
ten Projektes „aid-Ernährungsführer-<br />
schein“ für die Vermittlung von hauswirt-<br />
schaftlichem Wissen in Schulen stark<br />
macht. In sechs bis sieben Unterrichts-<br />
einheiten lernen die Schüler Lebensmit-<br />
tel und deren Verarbeitung, Hygienere-<br />
geln und Küchengeräte kennen und be-<br />
reiten gemeinsam kleine Gerichte zu.<br />
Ziel ist es, bei Kindern das Interesse für<br />
eine gesunde Ernährung zu wecken.<br />
„Viele Kinder haben noch nie eine Kar-<br />
toffel geschält oder eine Reibe benutzt“,<br />
sagt Renate Zimmermann. Sie wüssten<br />
häufig auch nicht, wie welches Gemüse<br />
schmeckt. Doch die <strong>LandFrau</strong> weiß das<br />
zu ändern: Schnell sind die Schüler bei<br />
der Sache. Während eine Gruppe die<br />
letzten Kartoffeln vorbereitet, zerklei-<br />
nern andere bereits den Salat.<br />
„Die Kinder lernen viel über gesunde<br />
Kost, das beeinflusst auch die Eltern“,<br />
sagt Klassenlehrerin Petra Köhler. Da-<br />
mit die Schüler ihre Eltern nicht nur auf<br />
gesundes Essen aufmerksam machen,<br />
legt jeder einen Hefter mit günstigen<br />
Rezepten zum Nachkochen an. Außer-<br />
dem werden Elternbriefe verschickt, die<br />
über das Programm und eine ausgewo-<br />
gene Ernährung informieren. „An eini-<br />
gen Schulen kommen bis zu fünf Müt-<br />
ter oder Väter in den Unterricht“, be-<br />
richtet die Fachfrau aus Brandenburg.<br />
Dass Ernährung ein wichtiges Thema<br />
ist, weiß auch Schulleiterin Uta Schrö-<br />
der. Viele Kinder äßen zu viele Chips<br />
und Süßigkeiten. Bei einer steigenden<br />
Anzahl von Übergewichtigen betreiben<br />
die <strong>LandFrau</strong>en zudem Gesundheits-<br />
prävention. Weil gesunde Ernährung<br />
ein wichtiger Aspekt der hauswirtschaft-<br />
lichen Bildung ist, fordert der Deutsche<br />
<strong>LandFrau</strong>enverband längst, diese an al-<br />
len allgemein bildenden Schulen in<br />
Theorie und Praxis zu vermitteln. Bevor<br />
die Backkartoffeln aus dem Ofen müs-<br />
sen, will Zimmermann wissen, wie ein<br />
Tisch gedeckt wird. In wenigen Minuten<br />
stehen 28 Teller mit Besteck und Pa-<br />
pierservietten auf dem großen Tisch.<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08
Wo Gabel, Messer und der kleine Löffel<br />
hingehören, wissen die meisten Schü-<br />
ler, aber wo das Besteck nach dem Es-<br />
sen liegt, lernen an diesem Tag alle da-<br />
zu. Begleitend erhält jede Schule Unter-<br />
richtsmaterialien und Übungshefte. Zu<br />
jeder Einheit gehören auch Hausaufga-<br />
ben, beispielsweise Brotsorten, Ge-<br />
tränke und Nährstoffe bestimmen. Die<br />
Schüler schließen das Programm mit<br />
einer schriftlichen und einer prak-<br />
tischen Prüfung – einem kalten Buffet<br />
für Gäste – ab. Wer das geschafft hat,<br />
weiß über wichtige Alltagskompetenzen<br />
bescheid und erhält einen Ernährungs-<br />
führerschein mit Foto und Stempel.<br />
Als die heißen, nach Kräutern duf-<br />
tenden Backkartoffeln und der Salat in<br />
großen Schüsseln am Tisch herumge-<br />
reicht werden, spricht Servan das Tisch-<br />
ritual: „Jeder isst so viel er kann, nur<br />
nicht das vom Nebenmann – Guten Ap-<br />
<strong>LandFrau</strong><br />
Renate Zimmer-<br />
mannzusam- men mit den<br />
ersten stolzen<br />
Führerschein-<br />
Inhabern<br />
petit.“ Jakob schmecken die Kartoffeln<br />
besonders gut. Er stellt fest, dass sie<br />
viel leckerer sind als Pommes Frites.<br />
Nachdem alle zusammen das Geschirr<br />
abgewaschen und abgetrocknet haben,<br />
packt Renate Zimmermann ihre Schüs-<br />
seln, Schürzen, Kochmützen und Kräu-<br />
ter ein. An jeweils drei Schulen in Berlin<br />
und Brandenburg hat sie bereits acht<br />
Klassen zu den Ernährungsführerschei-<br />
nen geleitet. Pro Klasse erhält sie ein<br />
Honorar von 340 Euro. „Mir macht die<br />
Arbeit mit den Kindern Spaß, die sind<br />
jedes Mal mit so viel Begeisterung da-<br />
bei“, erzählt die umtriebige 57-Jährige,<br />
die auf ihrem Hof mit Gästen im tra-<br />
ditionellen Holzbackofen Brot backt,<br />
Weinverkostungen und Basteln mit Na-<br />
turmaterialien anbietet. Als das Bil-<br />
dungsprogramm des <strong>LandFrau</strong>enver-<br />
bands im vergangenen Jahr auf der<br />
Grünen Woche vorgestellt wurde, wuss-<br />
Projekte<br />
te Renate Zimmermann gleich, dass<br />
sie mitmachen will.<br />
Alle <strong>LandFrau</strong>en, die den Schulen zur<br />
Seite gestellt werden, verfügen über ei-<br />
ne hauswirtschaftliche Ausbildung und<br />
eine pädagogische Grundqualifikation.<br />
Im Projekt arbeiten zurzeit 165 Land-<br />
Frauen aus ganz Deutschland, die zur<br />
Vorbereitung an einem Methoden- und<br />
Argumentationstraining sowie einem<br />
Seminar zu den Inhalten des aid-Ernäh-<br />
rungsführerscheins teilnahmen. Entwi-<br />
ckelt wurde dieser vom aid Infodienst<br />
und gemeinsam mit Lehrkräften der<br />
Hillerschule Bietigheim-Bissingen und<br />
dem Ernährungszentrum Mittlerer Ne-<br />
cker in Ludwigsburg erprobt. Bis 2009<br />
wird der Einsatz der <strong>LandFrau</strong>en durch<br />
das Ernährungsministerium und Spon-<br />
soren gefördert. Diese Mittel reichen<br />
für etwa 1.650 Schulklassen, so kön-<br />
nen über 40.000 Grundschüler stolze<br />
Besitzer des aid-Ernährungsführer-<br />
scheins werden. Wegen der großen<br />
Nachfrage fährt Renate Zimmermann<br />
weiter von Schule zu Schule, um Dritt-<br />
klässler fit für gesunde Kost zu ma-<br />
chen. Erfolgserlebnisse bleiben nicht<br />
aus: „Einige Schüler überprüfen schon<br />
von ganz alleine, ob ihr Pausenfrüh-<br />
stück auch der Ernährungspyramide<br />
entspricht“, erzählt die <strong>LandFrau</strong><br />
schmunzelnd. Katja Gartz<br />
<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 39