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LandFrau-Aktuell 03 2008 - Deutscher LandFrauenverband e.V.

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Heft 3 Juni <strong>2008</strong> Y 9676 www.<strong>LandFrau</strong>en.info<br />

Mit Charme und scharfem Blick: Gräfin Leutrum<br />

Mit vollem Einsatz in die Zukunft: Brigitte Scherb<br />

Geschichte des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbandes<br />

Machtfaktor <strong>LandFrau</strong>en<br />

Interessenvertretung als Grundlage


In diesem Heft<br />

2<br />

Präsidentin Brigitte Scherb<br />

im Blumengarten<br />

Ankunft der Gäste<br />

auf dem Hawix-Hof<br />

Fireda Demski-Minssen<br />

als IT-Unternehmerin<br />

Titelthemen<br />

Mit Charme und scharfem Blick – Gräfin Leutrum gründete vor 60 Jahren den<br />

Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverband ............................................................................... 4<br />

Mit vollem Einsatz in die Zukunft – Brigitte Scherb setzt als Präsidentin des<br />

Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbandes auf Weiterentwicklung mit Profil ............................. 8<br />

Geschichte des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbandes – von den Gründerjahren<br />

bis zur heutigen Struktur ........................................................................................ 12<br />

Machtfaktor <strong>LandFrau</strong>en – Interessenvertretung als Grundlage der Verbandsarbeit ..... 15<br />

Einkommenskombinationen<br />

Wenn Schweine nicht mehr reichen – Der Tourismus als zweites Standbein ................ 17<br />

<strong>LandFrau</strong>en wissen, was gut ist! – Verkaufsförderfrauen machen sich für<br />

regionale Produkte stark ........................................................................................ 19<br />

Internationale Verantwortung<br />

Weltweit engagiert – <strong>LandFrau</strong>en für <strong>LandFrau</strong>en .................................................... 20<br />

Agrarsoziales<br />

Steter Tropfen höhlt den Stein! – <strong>LandFrau</strong>en setzen sich für soziale Absicherung ein ... 22<br />

Bildungsarbeit<br />

Harmonisch, kreativ und erfolgreich – <strong>LandFrau</strong>en im niedersächsischen<br />

Kreis Stade im Aufwind ........................................................................................... 24<br />

Basis Ortsverein<br />

Auf die Basis kommt es an – Der Ortsverein Rödinghausen auf Erfolgskurs ............... 26<br />

Aktive Politik<br />

Zukunft gestalten – <strong>LandFrau</strong>en machen Politik ....................................................... 30<br />

HausWirtschaft<br />

Von der Berufsausbildung für Bäuerinnen zur gesellschaftspolitischen Aufgabe<br />

– Verbandsthema des dlv 1948 bis heute ................................................................ 34<br />

Projekte<br />

Auf eigenen Füßen – <strong>LandFrau</strong>en werden erfolgreiche Unternehmerinnen .................. 36<br />

Neue Verbindungen – <strong>LandFrau</strong>en erobern das world wide web ................................. 37<br />

Ran an die Kartoffeln – <strong>LandFrau</strong>en machen Schüler fit für gesunde Ernährung ......... 38<br />

Impressum ........................................................................................................... 3<br />

Titelbild: Die erste Ausgabe der Verbandszeitung „Land und Frau“ vom 7. August 1948 im Hintergrund mit den<br />

insgesamt sechs dlv-Präsidentinnen (v. l.): Gräfin Leutrum, Adelheid Lindemann-Meyer zu Rhaden,<br />

Irmgard Reichhardt, Hedwig Keppelhoff-Wiechert, Erika Lenz und Brigitte Scherb


Impressum<br />

Brigitte Scherb<br />

Präsidentin<br />

Herausgeber: <strong>Deutscher</strong> <strong>LandFrau</strong>enverband e. V.<br />

Claire-Waldorff-Str. 7, 10117 Berlin<br />

Tel. 0 30/2 84 49 29 10, Fax 0 30/2 84 49 29 19<br />

E-Mail: info@<strong>LandFrau</strong>en.info, www.<strong>LandFrau</strong>en.info<br />

Verantwortlich: Dr. Evelyn Schmidtke<br />

Redaktion: Lilo Schön<br />

Titelfoto: KreaTec – Grafik, Konzeption und Datenmanagement<br />

im Landwirtschaftsverlag GmbH, Münster<br />

Verlag: Landwirtschaftsverlag GmbH, 48084 Münster<br />

Hülsebrockstr. 2–8, 48165 Münster<br />

Tel. 0 25 01/80 10, Fax 0 25 01/80 12 04<br />

E-Mail: zentrale@lv-h.de<br />

Hauptgeschäftsführer: Karl-Heinz Bonny<br />

Geschäftsführer: Hermann Bimberg, Werner Gehring<br />

Objektleitung Anzeigen: Reinhard Geissel<br />

Verkaufsleitung Anzeigen: Gabriele Wittkowski<br />

Layout: KreaTec – Grafik, Konzeption und Datenmanagement<br />

im Landwirtschaftsverlag GmbH, Münster<br />

Gesamtherstellung: LV Druck GmbH & Co.KG<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell erscheint vierteljährlich.<br />

Der Jahresbezugspreis beträgt inklusive Versand und Nebenkosten<br />

€ 7,50. Im Sammelabo beträgt der Jahresbezugspreis € 6,20.<br />

Das Abo kann mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines<br />

Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden.<br />

Editorial<br />

Liebe <strong>LandFrau</strong>en,<br />

liebe Leserinnen und Leser,<br />

„Stadt-<strong>LandFrau</strong> – Tradition mit frischem Wind“ lautet das<br />

Motto des Deutschen Landfrauenverbandes zu seinem<br />

60-jährigen Bestehen in diesem Jahr. Diesem Ereignis ist<br />

die vorliegende Ausgabe von <strong>LandFrau</strong>enAKTUELL gewid-<br />

met. Sie fällt aus dem gewohnten Rahmen, weil wir mit Hilfe<br />

einzelner Persönlichkeiten darstellen wollen, dass die Land-<br />

Frauen seit ihrer Gründung eine prägende gesellschaftliche<br />

Kraft im ländlichen Raum sind.<br />

Markenzeichen der Erfolgsstory <strong>LandFrau</strong>enarbeit sind Bo-<br />

denständigkeit, festes Bekenntnis zu Werten und Traditi-<br />

onen und das sichere Gespür für das Machbare. Das ma-<br />

chen die Beispiele deutlich, an denen wir zeigen, was ge-<br />

schieht, wenn tatkräftige <strong>LandFrau</strong>en Verbandsarbeit um-<br />

setzen. Dazu gehören die Einkommenskombinationen, die<br />

von den <strong>LandFrau</strong>en gefördert werden und auch die Agrar-<br />

sozialpolitik, die lange Jahre für die <strong>LandFrau</strong>en das wich-<br />

tigste politische Thema war. Wir stellen am Beispiel eines<br />

Kreisvereines erfolgreiche Bildungsarbeit vor und einen viel-<br />

seitigen Ortsverein, der von der <strong>LandFrau</strong> des Jahres 2007<br />

geführt wird. Wir werben für aktives politisches Engage-<br />

ment, indem wir <strong>LandFrau</strong>en in der Politik vorstellen. Unsere<br />

internationale Verantwortung und die Spendenfreudigkeit<br />

der <strong>LandFrau</strong>en für <strong>LandFrau</strong>en in Entwicklungsländern am<br />

phantasievollen Beispiel eines Landesverbandes ist ein wei-<br />

teres Thema dieses Heftes. Auch die drei großen Projekte<br />

der letzten Jahre und ihre Auswirkungen auf die Landfrauen<br />

und die Gesellschaft vor Ort werden vorgestellt.<br />

Mir persönlich und dem neuen Präsidium liegt die Interes-<br />

senvertretung als Grundlage unserer Verbandsarbeit beson-<br />

ders am Herzen. Wir sind ein ungeheuer aktiver Verband,<br />

der vor Ort viel leistet, nicht nur für uns Frauen im ländlichen<br />

Raum selbst, sondern auch für die Gemeinschaft. Das ma-<br />

chen wir zu wenig deutlich und sind uns oft dieser Tatsache<br />

selbst gar nicht bewusst.<br />

„Die Zukunft hat viele Namen:<br />

Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare<br />

Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte<br />

Für die Couragierten ist sie die Chance“.<br />

Die vergangenen 60 Jahre und die 110 Jahre nach Entste-<br />

hen der <strong>LandFrau</strong>enbewegung haben eindrucksvoll gezeigt,<br />

dass <strong>LandFrau</strong>en zu den Couragierten im Lande gehören.<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 3<br />

Ihre


Titelthema<br />

Gräfin<br />

Leutrum<br />

Mit Charme und<br />

scharfem Blick<br />

– Gräfin Leutrum gründete vor 60 Jahren<br />

den Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverband –<br />

Heute würde man Gräfin Leutrum wohl eine erfolgreiche Networkerin nennen.<br />

Sie war umtriebig, knüpfte ständig Kontakte und zwar zu neuen Nachbarn wie<br />

zu Entscheidungsträgern. Sie suchte die Gespräche zu Politikern aller Parteien,<br />

pflegte einen guten Draht zu Mitstreitern wie zu Kontrahenten. Marie-Luise Grä-<br />

fin Leutrum von Ertingen hatte Talent dazu. „Das öffentliche Leben war meiner<br />

Mutter auf den Leib geschrieben“, sagt ihr Sohn Karl Magnus Graf Leutrum von<br />

Ertingen. Dabei hatte sie stets ein offenes Ohr für die Sorgen ihrer Mit-<br />

menschen. Doch der Gräfin ging es um mehr als um gute Kontakte. Sie wollte<br />

verändern und gestalten. Ihre Offenheit, ihr Charme und ihr Durchsetzungsver-<br />

mögen halfen ihr dabei. Die Landfrauenarbeit entwickelte sich zu ihrer Herzens-<br />

angelegenheit. Sie setzte ihre ganze Energie in den Aufbau der Verbände, stets<br />

mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der Frauen auf dem Land und die Infra-<br />

struktur der Dörfer zu verbessern. „Sie hatte ihre große Zeit als Vorsitzende<br />

des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbands“, erzählt der älteste Sohn. Die Gräfin<br />

selbst habe oft gesagt, die Nachkriegszeit, in der wiederaufgebaut und ange-<br />

packt werden konnte, sei ihre beste Zeit gewesen.<br />

1947 gründete Grä-<br />

fin Leutrum bereits<br />

einen offenen und<br />

eigenständigen Land-<br />

Frauenverband Würt-<br />

temberg-Baden und<br />

legte damit die Basis<br />

für den Deutschen<br />

<strong>LandFrau</strong>enverband.<br />

Marie-Luise Gräfin Leutrum zu Ertingen<br />

„Man muss sich diese Zeit vorstellen“,<br />

betonte die Gräfin in einem ihrer letz-<br />

ten Interviews. Tausende Flüchtlinge<br />

kamen nach dem Zweiten Weltkrieg in<br />

die Umgebung von Unterriexingen,<br />

dem Wohnsitz der Familie Leutrum in<br />

Württemberg. Einige Familien nahmen<br />

die Leutrums in ihr Schloss auf. Große<br />

Not herrschte auf den Höfen. Viele<br />

Frauen mussten die ganze landwirt-<br />

schaftliche Arbeit allein stemmen, weil<br />

Männer und Söhne gefallen oder in<br />

Kriegsgefangenschaft waren. Die Grä-<br />

fin wollte helfen. „Es war das drin-<br />

gende Bedürfnis, die Menschen irgend-<br />

wie zusammenzubringen“, sagte sie.<br />

Aus dem Nebeneinander der Men-<br />

schen sollte wieder ein Miteinander<br />

werden. Um das zu erreichen, musste<br />

eine organisatorische Form her. Das<br />

war das Startsignal für die neuen Ver-<br />

eine. Die Hausfrauenvereine, die es<br />

vor dem Krieg gegeben hatte, reichten<br />

nicht mehr aus. Es sollten alle Frauen<br />

auf dem Lande erreicht werden und<br />

zwar mit Angeboten, die allen nützten.<br />

Mehr Bildungsmöglichkeiten für Frau-<br />

en auf dem Lande, so lautete die zen-<br />

trale Aufgabe. „Gräfin Leutrum war ei-<br />

ne realistische Frau, die sich der ver-<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


änderten Situation nach dem Krieg be-<br />

wusst war“, erinnert sich Annemarie<br />

Griesinger, die frühere Sozialministerin<br />

Baden-Württembergs.<br />

Die Gräfin sprach mit Offizieren der<br />

französischen und amerikanischen<br />

Besatzungsmächte und schaffte es<br />

schließlich, sie von ihren Plänen zu<br />

überzeugen. Kaum hatten diese das<br />

Vereinsverbot gelockert, schrieb sie<br />

an Landratsämter, an Bürgermeister,<br />

fuhr von Dorf zu Dorf und von Kreis zu<br />

Kreis, um Frauen über die neuen Ver-<br />

eine zu informieren. Die ersten grün-<br />

dete sie manchmal mit nur sieben<br />

Frauen. Doch es sprach sich herum<br />

und immer mehr kamen dazu. „Die<br />

Pfarrers-, Lehrer- und Beamtenfrauen<br />

kamen, ehemalige Mitglieder der alten<br />

Hausfrauenvereine, Ortsansässige oh-<br />

ne eigene Landwirtschaft, die aber<br />

aus landwirtschaftlichen Familien<br />

stammten und die neu Dazugezo-<br />

genen“, erinnert sich Griesinger. Grä-<br />

fin Leutrum wurde zur Vorsitzenden<br />

der Vereine in Unterriexingen, der<br />

Kreise Ludwigsburg und Leonberg und<br />

schließlich am 30. März 1947 des<br />

Landesverbandes des damaligen<br />

Württemberg-Baden.<br />

Die erste Geschäftsstelle richtete sie<br />

im Schloss in Unterriexingen ein. Eines<br />

von drei kleineren Zimmern im Oberge-<br />

schoss wurde zum Schlaf- und Arbeits-<br />

zimmer der künftigen Geschäftsführe-<br />

rin Regina Frankenfeld. Die aus Ost-<br />

deutschland stammende Hauswirt-<br />

schaftslehrerin war während des Natio-<br />

nalsozialismus im Reichsnährstand, in<br />

dem alle Verbände zwangsweise zu-<br />

sammengeschlossen wurden, aktiv. Sie<br />

wurde für viele Jahre zur wichtigsten<br />

Mitarbeiterin der Gräfin. Als Franken-<br />

feld das Zimmer betrat, war sie erstaunt<br />

über ihr neues Büro: Berge von Schrift-<br />

stücken türmten sich auf einem großen<br />

Bett, auf einem viel zu kleinen Tisch<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08<br />

standen eine ausgeborgte Schreibmaschine und ein paar Aktendeckel. Das Te-<br />

lefon war unten in der Halle.<br />

Damit war der Anfang gemacht und die Gräfin in ihrem unermüdlichen Engage-<br />

ment für die Landfrauenarbeit nicht mehr zu bremsen. Ihr nächstes Ziel war ein<br />

länderübergreifender Zusammenschluss der Verbände. Dazu lud sie die Vertre-<br />

terinnen der Bundesländer in ihr Schloss ein. Aus der im Sommer 1947 ent-<br />

standenen Arbeitsgemeinschaft entwickelte sich der Deutsche <strong>LandFrau</strong>enver-<br />

band (dlv), der im Oktober 1948 gegründet wurde. Wieder wird Gräfin Leutrum<br />

zur Vorsitzenden gewählt und bleibt es bis 1970. Von da an setzt sie sich auch<br />

für internationale Kontakte ein. Ein Jahr nach der Gründung wird der dlv Mit-<br />

glied im Weltlandfrauenverband und im Verband der Europäischen Landwirt-<br />

schaft, später auch im Internationalen Verband für Hauswirtschaft. Um die In-<br />

teressenvertretung zu stärken, initiierte sie auf internationaler Ebene in den<br />

Organisationen Arbeitsgruppen für Landfrauen und Landfrauenausschüsse.<br />

Die anfangs gemeinsame Geschäftsstelle des Landes- und Bundesvereins be-<br />

fand sich ab 1950 in Stuttgart, 1972 zog der Bundesverband nach Bonn.<br />

Die Angebotspalette der Landfrauen wuchs: Beratungen und Weiterbildungen<br />

in Land- und Hauswirtschaft kamen hinzu, Fachvorträge, Kurse zu Gartenbau,<br />

Geflügelhaltung, Gesundheit und Pflege sowie politischer Bildung. „Die Aus-<br />

und Weiterbildungsangebote waren ihr ein großes Anliegen, Frauen sollten be-<br />

rufstätig, anerkannt und unabhängig werden“, berichtet Weggefährtin Griesin-<br />

ger. Unter der Präsidentschaft von Gräfin Leutrum kämpfte der dlv ebenso für<br />

bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bäuerinnen. „Unentwegt hat sie<br />

den Landwirtschaftsministern vorgetragen, wie wichtig es ist, dass nicht nur<br />

Bauern staatliche Hilfe für ihre Landwirtschaft bekommen, sondern auch die<br />

Frauen für den Haushalt“, erinnert sich Griesinger. Die Gräfin äußerte ihre Kri-<br />

tik sehr anschaulich: „Für Arbeiter, Angestellte und Beamte werden moderne<br />

Wohnungen gebaut, aber die armen Bauernbuben können ihre Kameraden im<br />

Winter nicht mit heimbringen, weil nur die Küche geheizt ist, aber der Rest kalt<br />

bleibt“. Sie forderte, dass solche Ungleichheiten abgeschafft werden – zwi-<br />

schen Stadt und Land, aber auch auf dem Hof zwischen Mann und Frau.<br />

Titelthema<br />

Als begabte Rednerin benötigte sie nur wenige Notizen. Mit lebensnahen Bei-<br />

spielen überzeugte sie ihre Zuhörer von notwendigen Investitionen. In Baden-<br />

Württemberg nahm der damalige Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke<br />

(CDU), der spätere Bundespräsident, das sogenannte Bäuerinnenprogramm<br />

auf. Als der Bundesfinanzminister Rolf Dahlgrün (FDP) es kippen wollte, mach-<br />

te sich die Bundestagsabgeordnete und spätere Sozialministerin Annemarie<br />

Griesinger (CDU) dafür stark. „Da habe ich mich mit der Gräfin Leutrum und<br />

Hilda Potthoff, der zuständigen Referatsleiterin im Bundeslandwirtschaftsmi-<br />

nisterium eine halbe Nacht lang zusammengesetzt und meine Rede für das Ple-<br />

num vorbereitet“, erinnert sich Griesinger. Die guten Argumente führten 1966<br />

zum Erfolg: 450 000 Bauernhäuser wurden mit kleinen Staatszuschüssen ge-<br />

fördert. Gräfin Leutrum gab Griesinger folgende Worte mit auf den Weg: „Frie-<br />

den erhalten wir nur dort, wo wir um das Gleichgewicht der Kräfte ringen – in<br />

der Ehe, in der Familie, in den Dörfern, in den Ländern, im Bund und in den Völ-<br />

kern.“ Griesinger hat für den Umgang mit Kollegen viel von der Gräfin gelernt.<br />

„Versuchen Sie nicht, eine Sache allein durchzupauken, sondern geben Sie den


Titelthema<br />

Männern eine Chance, sich zu profilieren – dann sind die Aussichten auf Erfolg<br />

besser“, empfahl sie aus eigener Erfahrung. Griesinger imponierte die Art der<br />

19 Jahre älteren Gräfin politisch etwas durchzusetzen. Sie habe nie auf andere<br />

Menschen herabgeblickt, sondern stets die Meinungen anderer respektiert. So<br />

gewann sie ebenfalls großen Respekt bei verschiedenen Parteien sowie im<br />

Bonner Landwirtschaftsausschuss.<br />

Ihre Tochter, Prinzessin Irmela Huberta von Ratibor und Corvey fragt sich heute<br />

oft, wie ihre Mutter sich in die Situation der Bäuerin hineindenken konnte.<br />

Schließlich sei sie doch eine Theoretikerin gewesen. Außerdem führte sie ein<br />

ganz anderes Leben, sie studierte, heiratete und hatte anfangs noch Personal<br />

im Haus. Doch ihre Mutter besaß ein Auge dafür. Wenn sie in ein Bauernhaus<br />

kam, in dem der Herd die Küche heizte, aber Wohn- und Schlafzimmer kalt blie-<br />

ben, wusste sie, woran es mangelt. Auch entging ihr nicht, dass Frauen, die Ei-<br />

er oder Milch verkauften, kein Geld hatten, weil sie es ihren Männern gaben.<br />

Außerdem lernte sie Landwirtschaft wie Verbandsarbeit bereits in ihrer Kindheit<br />

kennen. Schließlich war es ihre Mutter Ruth Steiner, die landwirtschaftliche<br />

Hausfrauenvereine, die Vorläufer der <strong>LandFrau</strong>envereine, in Württemberg grün-<br />

dete. Die Mutter der Gräfin war für damalige Verhältnisse eine moderne Frau:<br />

Sie schloss eine Ausbildung zur Land- und Hauswirtschaftslehrerin ab, legte<br />

Wert auf Gleichberechtigung in der Ehe, ein eigenes Einkommen sowie auf eine<br />

eigene befriedigende Tätigkeit neben ihrer Mutterrolle. Die geborene Preußin<br />

von Kalckreuth wurde durch ihren Ehemann, den Diplom-Landwirt Wohlgemuth<br />

Steiner, Mitglied einer renommierten jüdischen Familie in Württemberg. Ein<br />

Jahr nach der Hochzeit kam Marie-Luise 1904 zur Welt. Während sich Vater<br />

Steiner um Vieh- und Dinkelzucht kümmerte, die Mutter neben der Molkerei ei-<br />

ne Leidenschaft für Geflügelzucht entwickelte, verlebte Marie-Luise auf dem<br />

Schlossgut in Laupheim eine glückliche Kindheit. Mit der Gründung der Haus-<br />

frauenvereine hatte die Tochter allerdings immer weniger von ihrer Mutter. Meis-<br />

tens fand Marie-Luise sie nach der Schule in der Verkaufsstelle in Laupheim<br />

vor unzähligen Abrechnungen. Wie später Gräfin Leutrum, so war auch Ruth<br />

Steiner viel unterwegs, um über die Landfrauenarbeit zu informieren und neue<br />

Vereine zu gründen. Marie-Luise wusste früh, dass sie in ihre Fußstapfen treten<br />

6<br />

Gräfin<br />

Leutrum<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Vorsitzende der <strong>LandFrau</strong>en in einer Weltstadt zu sein, ist für<br />

mich trotz allem eine traditionelle Aufgabe. Gerade dadurch<br />

gelingt es mir als aktiver Bäuerin neben der täglichen Arbeit<br />

Freundschaften zu pflegen und mich aktiv für die Dorfgemeinschaft<br />

in Berlin-Lübars einzusetzen und ehrenamtliche Aufgaben<br />

wahrzunehmen. In den <strong>LandFrau</strong>en und in dem, was sie<br />

bieten, trifft das moderne Berlin auf seine ländlichen Wurzeln.<br />

Ute Kühne-Sironski, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Berlin<br />

Im Jahr 20<strong>03</strong> wurde der erste „Marie-Luise<br />

Gräfin Leutrum zu Ertingen-Platz in Schwie-<br />

berdingen, Kreis Ludwigsburg eingeweiht<br />

wollte. Nach dem Abitur besuchte sie<br />

eine Landfrauenschule und studierte<br />

anschließend Land- und Volkswirtschaft<br />

in Hohenheim und München. Im Hör-<br />

saal lernte sie den Grafen Norwin Hu-<br />

bertus Leutrum kennen. Beide heirate-<br />

ten 1930 und zogen in das Schloss in<br />

Unterriexingen, dem damaligen Haupt-<br />

sitz der Leutrums.<br />

Nach der Machtergreifung der National-<br />

sozialisten zog sich Gräfin Leutrum aus<br />

der Öffentlichkeit zurück. Bis 1946 küm-<br />

merte sie sich um Haus und Garten und<br />

vor allem um die wachsende Familie.<br />

Sohn Norwin und Tochter Irmela wurden<br />

geboren. Bei ihren Eltern änderte sich<br />

vieles. Ihre Mutter wurde nach 17 Jah-<br />

ren Landfrauenarbeit dazu gedrängt, von<br />

ihrem Amt als Landesvorsitzende zu-<br />

rückzutreten. Die Hausfrauenvereine<br />

wurden aufgelöst und in den Reichsnähr-<br />

stand überführt. Um ihr Gut zu retten,<br />

überschrieben die Steiners es ihrem<br />

Sohn Urich. Doch als „Halbjude“ ge-<br />

hörte auch er bald zu den Denunzierten.<br />

Er konnte nicht studieren und wurde<br />

1944 von der Gestapo in ein Außenlager<br />

des KZ Buchenwald deportiert. Ruth<br />

Steiner wurde ebenfalls verhaftet und in<br />

Gestapogefängnisse gesperrt sowie in<br />

das Arbeitslager Rudersberg deportiert.<br />

Ihre Köchin hatte die 65-Jährige denun-<br />

ziert, weil Ruth Steiner das Misslingen<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944<br />

sehr bedauerte. Vergeblich fuhr Marie-<br />

Luise nach Berlin, um sich mit einem<br />

ranghohen SS-Schergen zu treffen und<br />

ihre Mutter freizubekommen. „Sie war<br />

eine couragierte Frau“, sagt Sohn Nor-<br />

win Graf Leutrum. In dieser Zeit wohnte<br />

sie mit den Kindern in Laupheim, um bei<br />

ihrem Vater zu sein.<br />

Zurück in Unterriexingen, im Winter<br />

1946/47, beginnt Gräfin Leutrum mit<br />

dem Aufbau der Landfrauenarbeit. Sie<br />

stürzte sich in die Arbeit und genoss die<br />

ersten Erfolge nach den Jahren der Zu-<br />

rückgezogenheit. Deutlich bemerkte sie<br />

das politische Desinteresse unter der<br />

Bevölkerung und besonders unter den<br />

Frauen. Anlässlich der Landtagswahl im<br />

damaligen Württemberg-Baden forderte<br />

sie in einem Artikel im Württember-<br />

gischen Wochenblatt für Landwirtschaft<br />

am 16.11.1946 zur Wahlbeteiligung<br />

auf. Sie schrieb: „Ich spüre wie sich<br />

beim Lesen dieser Zeilen die Gesichter<br />

abwenden. Wahl, Wählen, Politik und<br />

dann noch wir Frauen? ... Laßt uns zu-<br />

frieden mit allem, was mit diesen Din-<br />

gen zusammenhängt. Wir wollen Ruhe,<br />

wollen Ordnung, wir wollen Brot für un-<br />

ser armes gequältes Volk!“ Gräfin Leu-<br />

trum verlangte Bildung für ein politisches<br />

Bewusstsein und die gleichberechtigte<br />

Verantwortung von Frauen und Männern<br />

beim Aufbau der gemeinsamen Zukunft. Dabei war ihr Frauenbild eher ein kon-<br />

servatives, geprägt von christlichen Werten.<br />

Die Präsidentin des dlv fährt immer häufiger nach Bonn, auch zu den Weltland-<br />

frauentagen nach Hamburg, New York und Helsinki. In den folgenden Jahren<br />

stellte sie den Verband auf ein solides Fundament und setzte sich für den Aus-<br />

bau der Bildungsarbeit über die fachliche Aus- und Weiterbildung hinaus ein.<br />

Trotz schlechter Gesundheit führte Gräfin Leutrum ihr Amt fort. Kehrte sie von<br />

Terminen und Reisen nach Hause zurück, musste sie sich hinlegen und arbeitete<br />

per Telefon weiter. Seit der letzten Geburt litt sie unter einem starken Venenlei-<br />

den, dass sie zunehmend ans Bett fesselte. Neben den <strong>LandFrau</strong>en kümmerte<br />

sie sich außerdem um ihre Mutter und ihren Bruder, denen es gesundheitlich<br />

schlecht ging. Ständig fuhr sie hin und her. Sie war zerrissen, immer besorgt und<br />

nie zufrieden mit dem, was sie erreichen konnte. „Das hat sie fertig gemacht,<br />

wenn sie nach Hause kam, ging nichts mehr“, berichtet ihre Tochter.<br />

Als ihr Mann 1974 starb, erlosch ihre Energie. Es war das Ende einer sehr<br />

glücklichen Ehe, in der sie der Motor, die Lebhafte war und Norwin der Ruhigere.<br />

Er war ihr Halt. Nun hatte sie keine Freude mehr am Leben. „Das hätten wir nie<br />

gedacht, sie war immer so selbständig“, sagt ihre Tochter. Der Kontakt zur Kir-<br />

che bedeutete ihrer Mutter in dieser Zeit viel. Sie las, so weit es ihre Augen zu-<br />

ließen und besuchte mit ihrer Tochter Konzerte. Für Musik und Theater hatte<br />

sie sich immer begeistert, aber ihr ganzes Leben lang dafür keine Zeit gehabt.<br />

Im Mai 1980 erlitt sie einen Schlaganfall, zwei Wochen später starb sie.<br />

In einem ihrer letzten Interviews sagte Gräfin Leutrum zu der zukünftigen Bedeu-<br />

tung der Landfrauenarbeit: „Ich glaube, wir wissen alle, in welcher Zeit wir leben<br />

und welche Verantwortung jeder einzelne, auch jede Frau, für diese Zukunft hat.<br />

In unsere Hand ist es gelegt, in welche Richtung es gehen wird.“<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

... weil es mir am Herzen liegt, die Verbindung zur Basis zu<br />

stärken; Veränderungen wahrnehmen und Möglichkeiten zur<br />

aktiven Beteiligung bei der Gestaltung unseres ländlichen<br />

Raumes anbieten. Gemeinsam können wir uns dieser Herausforderung<br />

stellen, Bestehendes fortzuführen sowie neue<br />

Projekte und Ideen aufzugreifen und umzusetzen.<br />

Präsidentin Waltraud Allgäuer, Präsidentin des LFV Württemberg-Hohenzollern<br />

Titelthema<br />

Katja Gartz<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 7


Titelthema<br />

Mit vollem Einsatz<br />

in die Zukunft<br />

– Brigitte Scherb setzt als Präsidentin des Deutschen<br />

Zu ihrer Rechten sitzt Geschäftsführerin Evelyn Schmidtke,<br />

zu ihrer Linken die erste Vizepräsidentin Hannelore Wörz, in<br />

der gesamten Runde versammeln sich 27 <strong>LandFrau</strong>en.<br />

Neugierig erwarten die Vertreterinnen der verschiedenen<br />

Landesverbände das zweitägige Programm. Anregungen<br />

haben sie viele: Wir sollten mehr tun, um Mitglieder zu ge-<br />

winnen und zu behalten, uns verstärkt in der Politik enga-<br />

gieren, die Verbandsarbeit und die interne Kommunikation<br />

ausbauen. Auch das eigene Image treibt die <strong>LandFrau</strong>en<br />

um. Brigitte Scherb hakt nach, unterbricht, ergänzt das The-<br />

ma „Bildungsarbeit“, fragt nach Schwierigkeiten und Erfol-<br />

gen. Sie blickt wissend, nickt verständnisvoll. Die beiden<br />

Tage sind ihr wichtig: Zum ersten Mal tagt der von ihr neu<br />

gegründete Ausschuss Verbandsentwicklung in Berlin. „Wir<br />

haben uns als Bundesverband zu wenig, um unsere Vereins-<br />

und Verbandsarbeit gekümmert und uns viel zu selten mit<br />

unseren Strukturen beschäftigt“, sagt die Vorsitzende des<br />

Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbands. Die erste Sitzung des<br />

Ausschusses ist der Mitgliederentwicklung gewidmet. Bri-<br />

gitte Scherb hat die Zügel in der Hand. Bereits zu Beginn<br />

eröffnet sie ihren Mitstreiterinnen einen positiven Ausblick<br />

in die Zukunft: „Alle Anregungen lassen sich verwirklichen.“<br />

Entscheidend sei, das Bewusstsein für ein gutes Produkt<br />

zu wecken. Sie weiß, wie wichtig Motivation ist.<br />

Seit knapp einem Jahr leitet Brigitte Scherb das Präsidium<br />

des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbands. Das neue Amt hat für<br />

sie viele faszinierende Seiten: der Kontakt zu vielen enga-<br />

gierten Frauen, interessante Begegnungen und Gespräche<br />

mit Politikern sowie die Möglichkeit regeln und entscheiden<br />

zu können. Weite Wege und lange Bahnfahrten nimmt sie<br />

dafür gerne in Kauf. Nach sechs Jahren Landfrauenarbeit<br />

als Vorsitzende des Landesverbandes Niedersachsen weiß<br />

sie, wo die <strong>LandFrau</strong>en der Schuh drückt. Die Basis- und<br />

Vereinsarbeit sind ihr bestens vertraut. Jetzt geht es da-<br />

rum, neue Verbandsstrukturen kennenzulernen. Ein Besuch<br />

8<br />

<strong>LandFrau</strong>enverbandes auf Weiterentwicklung mit Profil –<br />

bei den <strong>LandFrau</strong>en in Brandenburg macht schnell deutlich,<br />

wie entscheidend und gleichzeitig, wie unterschiedlich die<br />

Arbeit in Ortsvereinen ist. Eine Vorsitzende beschreibt: Den<br />

Puls am Ohr der Zeit haben, den Menschen in abgelegenen,<br />

entvölkerten Regionen Hoffnung vermitteln und den Alten<br />

zeigen, wie sie Anträge stellen, das sind unsere Aufgaben.<br />

Ihr Verein zählt 15 Mitglieder. „Das zeigt mir Landfrauenar-<br />

beit von der allerbesten Seite“, sagt Brigitte Scherb, die ei-<br />

nen großen gut situierten Landesverband mit Mitgliederzu-<br />

wachs und eigenem Bildungshaus gewohnt ist.<br />

Für Brigitte Scherb<br />

ist der heimische<br />

Hof in Bredelem<br />

eine Station, an der<br />

sie Kraft tankt.<br />

Als Präsidentin hat sie viel vor: Ihr Ziel ist es, die Landfrau-<br />

enarbeit weiterzuentwickeln. Den zentralen Aufträgen des<br />

dlv, Interessenvertretung und Bildung will sie mehr Profil<br />

verleihen. Es soll sichtbarer werden, dass der Verband zu<br />

den größten Bildungsträgern gehört. Obwohl Qualifizie-<br />

rungen und Projekte, die Existenzgründungen unterstützen,<br />

Vorträge, Reisen, Bewegungs- und Kreativkurse Bildungs-<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


angebote sind, würden die Frauen ihr Mitwirken nicht als<br />

Bildungsarbeit ansehen. „Deshalb müssen wir das Be-<br />

wusstsein dafür wecken“, erklärt Scherb. Es sei Aufgabe<br />

des Verbands, den Austausch zu fördern, die Frauen weiter<br />

zu begleiten und neue Trends aufzuzeigen. „Der Bundesver-<br />

band ist Koordinator und Dienstleister, wir haben die Leute,<br />

die Entwicklungen und Möglichkeiten für Projekte und Qua-<br />

lifizierungen im Fokus haben“, berichtet die Präsidentin. Ob<br />

ein Angebot übernommen wird, entscheiden die Landesver-<br />

bände. Die föderale Struktur schafft „Einheit in Vielfalt“,<br />

das sei die Stärke der Landfrauenarbeit. Wichtig sei dabei,<br />

dass sich der dlv mit den Landesverbänden abstimmt.<br />

Um die Interessen der Frauen zu vertreten, sollten die Ver-<br />

bandsaktivitäten im gesellschaftlichen Kontext stehen.<br />

Deshalb sollten beispielsweise die freien Zeiten von Be-<br />

rufstätigen oder jungen Müttern stärker berücksichtigt wer-<br />

den. Scherbs Motto lautet: Diversifizieren, um Mitglieder zu<br />

binden und zu gewinnen. Denn überzeugender wirkt der Ver-<br />

band, wenn potentielle Mitglieder erfahren, dass die Land-<br />

Frauen nicht nur nachmittags mit Kindern kochen, sondern<br />

sich auch für gesunde saisonale und regionale Ernährung<br />

in Schulen einsetzen. Damit auch die Mitglieder die Aktivi-<br />

täten wahrnehmen, müssten sie besser informiert werden.<br />

Dafür ist laut Scherb vor allem das Bewusstsein der Vor-<br />

stände gefragt. Die alte Forderung, die Hauswirtschaft in<br />

den Schulen zu verankern, hält sie heute für wichtiger denn<br />

je, weil immer weniger Kinder zu Hause Alltagskompetenzen<br />

lernen.<br />

Den Blumengarten hält sie selbst in Ordnung.<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Landesbäuerin Annemarie Biechl,<br />

Landfrauen im Bayerischen Bauernverband<br />

Titelthema<br />

... weil mir die Lebens- und Arbeitssituation<br />

der Frauen auf dem Land sehr<br />

wichtig ist. Durch die Tätigkeit der Landfrauenorganisation<br />

erfahren die Frauen<br />

Unterstützung und gelebte Solidarität.<br />

Ein weiterer wichtiger Baustein ist die<br />

Erhaltung der lebensnotwendigen Strukturen<br />

im ländlichen Raum. Darüber hinaus<br />

sind mir die vielen sozialen Aktivitäten<br />

unserer Bäuerinnen, die Gemeinschaft<br />

auf Ortsebene sowie die Arbeit<br />

im Bildungsbereich für die Aus- und Weiterbildung<br />

ein großes Anliegen.<br />

Da ihr die Entwicklung der ländlichen Regionen am Herzen<br />

liegt, fordert sie gleichwertige Lebensverhältnisse auf dem<br />

Land wie in den Städten. Schnelle Internetverbindungen<br />

verkürzen und erleichtern gerade auf dem Land viele Wege.<br />

Außerdem müssten die Infrastruktur verbessert und Ar-<br />

beitsplätze gesichert werden. Auf der Cebit, der Grünen Wo-<br />

che, auf Podien und beim Mittagessen lässt sie keine Ge-<br />

legenheit aus, sich in Gesprächen mit Politikern und ande-<br />

ren Partnern für bessere Lebensbedingungen stark zu ma-<br />

chen. „Wenn uns das nicht gelingt, wird abgewandert“, sagt<br />

die 53-jährige Präsidentin. Die Folgen sieht man bereits in<br />

den östlichen Bundesländern. Hier sind Aktivitäten der<br />

<strong>LandFrau</strong>en gefragt, beispielsweise weil zunehmend mehr


Titelthema<br />

Betriebe ein zweites Standbein brauchen, vor<br />

allem jene, die in landschaftlich schöner, aber<br />

wenig ertragreicher Gegend liegen. Trends im<br />

Tourismus sollten aufgegriffen werden, bei-<br />

spielsweise Wellness oder Kneippanwen-<br />

dungen. Ebenso kann das Angebot von Hoflä-<br />

den durch Halbfertigprodukte weiterentwickelt wer-<br />

den. Auch könnten Betriebe Eintrittsgelder verlangen,<br />

wenn sie im Rahmen von Veranstaltungen zeigen, wo die<br />

Lebensmittel herkommen und wie sie produziert werden.<br />

Die Vermietung von technisch ausgestatteten Seminarräu-<br />

men für Managertrainings auf den Höfen kann ebenfalls ei-<br />

ne Alternative schaffen.<br />

Das Leben auf dem Land will Brigitte Scherb nicht missen.<br />

Im Garten ihres alten Bauernhauses aus roten Backstei-<br />

nen sind Vögel, mal ein Hammer, aber selten ein Auto zu<br />

hören. Das bedeutet für sie hohe Lebensqualität. Unweit<br />

eines beruhigend plätschernden Wasserlaufs sitzt sie am<br />

liebsten auf der Terrasse, Zeitung lesend bei einem Stück<br />

ihrer köstlichen Kuchen. Gemeinsam mit ihrem Mann be-<br />

treibt sie einen reinen Ackerbaubetrieb. Beide waren daher<br />

immer auf dem Hof in Bredelem für ihre drei Kinder erreich-<br />

bar. „Ich habe mich bewusst für Familie und Hof entschie-<br />

den, und es nie bereut. sagt Scherb, die auf einem Hof in<br />

Kassel aufwuchs. Diese Wahlfreiheit Familie/und oder Be-<br />

ruf ist ihr wichtig, Kinderbetreuung, auch als Angebot der<br />

<strong>LandFrau</strong>en, ist Grundvoraussetzung, damit junge Mütter<br />

leichter in das Berufsleben zurückkehren können und bei<br />

einer Scheidung durch das geänderte Unterhaltsrecht nach<br />

drei Jahren nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Für<br />

10<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

... weil sie als größtes Frauennetzwerk<br />

und Weiterbildungsträger dazu beitragen,<br />

unseren ländlichen Raum in der<br />

Pfalz lebens- und liebenswert zu erhalten.<br />

Die vielfältigen Weiterbildungsangebote<br />

der <strong>LandFrau</strong>en helfen, Wissen zu<br />

transportieren und somit den Zusammenhalt<br />

unserer Gesellschaft generationsübergreifend<br />

zu stärken und Ausgrenzungen<br />

zu vermeiden. Unsere örtlichen<br />

Vereine übernehmen eine wichtige<br />

gesellschaftspolitische Aufgabe,<br />

sie geben unseren Frauen Raum und Gelegenheit zum Austausch<br />

und unterstützen den Erhalt der dörflichen Strukturen.<br />

Hannelore Steinhauser, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Pfalz<br />

Ohne einen Blick zur Uhr läuft<br />

für die Bäuerin mit den hoch-<br />

rangigen Ehrenämtern nichts.<br />

sie bedeutet Wahlfreiheit<br />

auch, dass die Familien, in<br />

denen ein Elternteil auf eine Be-<br />

rufstätigkeit ganz oder teilweise ver-<br />

zichtet, genauso unterstützt werden müssen, wie die, bei<br />

der beide erwerbstätig sind“, sagt sie.<br />

Wenn die Frühaufsteherin zu Hause in ihrem Büro arbeitet,<br />

beginnt sie um sieben Uhr morgens zu telefonieren, um<br />

sich mit ihrer Geschäftsführerin abzusprechen und Ent-<br />

scheidungen zu treffen. „Sie ist jederzeit ansprechbar und<br />

sehr verlässlich“, berichtet Evelyn Schmidtke. Die Ge-<br />

schäftsführerin spricht von einer sehr guten Zusammenar-<br />

beit und weiß, dass Vorschläge und Kritik jederzeit möglich<br />

sind. Stehen Termine an, ist Brigitte Scherb für die Land-<br />

Frauen sie die ganze Woche unterwegs. Ihr Mann Heinfried<br />

unterstützt sie, weil er weiß, dass ihr die Landfrauenarbeit<br />

wichtig ist. Für den Betrieb erledigt sie die Buchführung und<br />

die Büroarbeiten, kümmert sich um Haus, Hofgrundstück<br />

und Garten und arbeitet rund zehn Stunden pro Woche als<br />

Geschäftsführerin für den Gewässerunterhaltungsverband.<br />

Den Betrieb wird Sohn Christian übernehmen, der neben<br />

seinem Studium schon kräftig mitmischt. Aber es bleibt<br />

nicht aus, dass die Präsidentin auch mal auf den Trecker<br />

muss. „Ich habe gerne viel um die Ohren, außerdem bin ich<br />

gut organisiert.“ Ihr aufgeräumter Schreibtisch lässt daran<br />

keinen Zweifel. Aber sie weiß auch zu entspannen: Im Gar-<br />

ten rumwerkeln, Rüben hacken, einen Berg Bügelwäsche<br />

abarbeiten, dabei Musik hören und sich zwischendurch ein<br />

Stündchen auf der Liege lang machen.<br />

Jeder Tag mit den <strong>LandFrau</strong>en ist für sie ein guter Tag, seit<br />

rund 30 Jahren ist sie in der <strong>LandFrau</strong>enarbeit aktiv. Sich<br />

durchzusetzen fällt ihr leicht, schwer sich zurückzuhalten.<br />

„Ich mache mir immer wieder bewusst, dass die anderen<br />

auch Wege haben, die richtig sind“, gibt Brigitte Scherb<br />

selbstkritisch zu. Deshalb legt sie Wert auf Austausch und<br />

Annäherungen. „Ich bin schnell zu begeistern, das ist<br />

manchmal gut, aber nicht immer, weil ich dann zu sehr<br />

schnellen Entscheidungen neige“, fügt sie hinzu. Sie ist<br />

froh, dass die Kolleginnen im Präsidium ihre Schwachstel-<br />

len kennen und ein offenes Wort nicht scheuen. Sie lasse<br />

sich auch kritisieren, sagt aber ebenso anderen deutlich,<br />

wenn etwas nicht ihren Erwartungen entspricht. Hannelore<br />

Wörz arbeitet gern mit Scherb zusammen. „Wir verstehen<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


uns blind, aber hinterfragen uns immer gegenseitig“, er-<br />

zählt die Stellvertreterin und Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>en-<br />

verbands Württemberg-Baden.<br />

Die bunte Mischung von Charakteren und starken Persön-<br />

lichkeiten schätzt die führende <strong>LandFrau</strong> am Präsidium, da-<br />

bei sieht sie sich selbst als ‚prima inter pares’. „Wir errei-<br />

chen viel, haben ein prima Präsidium und eine Geschäfts-<br />

stelle, die gute Arbeit leistet“, sagt Scherb.<br />

Schwierigkeiten bleiben, so Scherb, bei der Verbandsarbeit<br />

nicht aus, beispielsweise, wenn sich Vereine melden und<br />

beklagen, dass sie zu wenige jungen Mitglieder haben.<br />

„Hier müssen wir selbstkritisch nach Gründen forschen, die<br />

wir in den Vereinen beeinflussen und ändern können“, er-<br />

klärt Scherb. Dazu zähle das überwiegend traditionelle Er-<br />

scheinungsbild sowie Angebot, das den inhaltlichen und<br />

zeiltlichen Vorstellungen junger Frauen nicht entspreche.<br />

Die Präsidentin ist realistisch: „Der Überalterung müssen<br />

wir aktiv begegnen, aber sie offensiv annehmen.“ Frauen<br />

65 plus seien wertvolle Mitglieder für alle Vereine. Dennoch<br />

ist „alt werden auf dem Land“ ein Thema, dem sich alle Ver-<br />

bände stellen müssen. Scherb bemängelt die fehlende Of-<br />

fenheit für andere Lebensweisen. Wenn die Vereine weiter-<br />

geführt werden sollen, müssten die <strong>LandFrau</strong>en auf andere<br />

in ihrer Umgebung zugehen. „Nur der beständige Wandel<br />

sichert uns Beständigkeit“, weiß Scherb. Sie wünscht sich<br />

auch, dass sich die Vereine stärker Frauen mit Migrations-<br />

hintergrund öffnen und deren Interessen und Bedürfnisse<br />

in ihre Programmgestaltung miteinbeziehen.<br />

Weiterentwickeln will sie die Landfrauenarbeit auch auf eu-<br />

ropäischer Ebene. „Wir wollen einen Wissens- und Erfah-<br />

rungsaustausch mit Frauen aus den ländlichen Regionen<br />

der jungen EU-Mitgliedstaaten aufbauen und gemeinsame<br />

Projekte durchführen“, berichtet die Präsidentin. Gerne vo-<br />

rantreiben würde sie außerdem eine Europäische Land-<br />

Frauenvereinigung für alle Frauen auf dem Lande, bisher<br />

gibt es nur die COPA für die Bäuerinnen und den Weltland-<br />

Frauenverband ACWW.<br />

Um all die Ziele des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbands reali-<br />

sieren zu können, fordert Brigitte Scherb intensivere Kon-<br />

takte zu Politikern. „Wir werden von der Politik zu wenig wahr-<br />

genommen“, sagt sie. Vor allem die persönlichen Gespräche<br />

kommen ihr zu kurz. „Mit Vertretern der Ministerien für Er-<br />

nährung, Familie und Arbeit müssten wir ständig im Gespräch<br />

sein, da können wir unsere Ideen einbringen, um gemeinsam<br />

Projekte zu entwickeln.“ So hatte ihre Vorgängerin Erika Lenz<br />

beim aid-Ernährungsführerschein den richtigen Riecher:<br />

„Das ist eine gute Sache, da haben wir die Unterstützung<br />

von Ernährungsminister Horst Seehofer (CSU)“, so die Präsi-<br />

Titelthema<br />

dentin. Es sollten nicht nur parlamentarische Abende, son-<br />

dern auch parlamentarische Gesprächsrunden zu Sachthe-<br />

men im kleinen Kreis genutzt werden. Zu begrüßen wären<br />

ebenso mehr Politikerinnen in den Reihen der <strong>LandFrau</strong>en.<br />

Zulegen soll außerdem die Öffentlichkeitsarbeit des Ver-<br />

bands. Scherb wünscht sich, dass sich <strong>LandFrau</strong>en überall<br />

einmischen, wo ihre Interessen berührt werden. „Wir könnten<br />

ja wirklich ein Machtfaktor sein, allein aufgrund unserer<br />

550.000 Mitglieder.“ Ein Schritt zu mehr Präsenz soll ein<br />

neuer Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit sein.<br />

Damit die Landfrauenarbeit weiterhin erfolgreich fortge-<br />

setzt werden kann, hofft Brigitte Scherb auf steigende Mit-<br />

gliedsbeiträge. Viele Vereine schrecken vor einer Erhöhung<br />

zurück, weil sie befürchten, die Mitglieder blieben aus.<br />

Doch nur wer über Mittel verfügt, kann gute Programme re-<br />

alisieren und Referenten bezahlen. „<strong>LandFrau</strong>en müssen<br />

sich selbst etwas wert sein“, betont Scherb. Katja Gartz<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Die Begegnung und der Kontakt mit<br />

Menschen machen mir viel Freude. Voneinander<br />

lernen, gemeinsam Ideen entwickeln<br />

und umsetzen, etwas bewegen<br />

für die Frauen, für den Berufsstand, für<br />

die Dörfer – diese Möglichkeiten bietet<br />

mir die <strong>LandFrau</strong>enverbandsarbeit. Als<br />

stellvertretende Bürgermeisterin ist mir<br />

politisches Engagement der <strong>LandFrau</strong>en<br />

sehr wichtig. Gern möchte ich mehr<br />

Frauen dafür begeistern.<br />

Margret Vosseler, Präsidentin des Rheinischen <strong>LandFrau</strong>enverbandes<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 11


Titelthema<br />

Geschichte des<br />

Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverbandes (dlv)<br />

Der Impuls zur Gründung der <strong>LandFrau</strong>enbewegung am Ende des 19. Jahrhun-<br />

derts ging von einer Frau aus, die sich kritisch mit der gesellschaftlichen Reali-<br />

tät der Frauen auf dem Land auseinandergesetzt hat. Elisabet Boehm, Gutsfrau<br />

aus Ostpreußen hatte die Erfahrung machen müssen, dass es zwischen Män-<br />

nern und Frauen in der Landwirtschaft große Ausbildungsunterschiede gab.<br />

Die Frauen waren damals völlig unzureichend auf ihr Aufgabenfeld, die ländliche<br />

Hauswirtschaft, vorbereitet. Dagegen hatte die Tätigkeit des Landwirtes durch<br />

die damals umwälzenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse mit Auswir-<br />

kungen auf Ackerbau und Viehzucht bereits eine Professionalisierung erfahren.<br />

Während also Landwirtschaft fachkundig gelehrt wurde, war von einer hauswirt-<br />

schaftlichen Ausbildung der Frau noch keine Rede. Die Frau auf dem landwirt-<br />

schaftlichen Betrieb, die Bäuerin, hatte keinen Beruf.<br />

Die historische Entwicklung der <strong>LandFrau</strong>enbewegung ist an die weitreichenden<br />

Veränderungen innerhalb des Agrarsektors im letzten Jahrhundert geknüpft.<br />

Die deutsche Landwirtschaft musste sich immer mehr am Weltmarkt orientie-<br />

ren lernen. Sinkende Getreidepreise bei gleichzeitig hohen Investitionskosten<br />

für die Modernisierung der Betriebe und für Betriebsmittel wie Kunstdünger und<br />

Pflanzenschutz führten zu hohen Verschuldungen. Sorgsame Wirtschaftsweise<br />

im Haushalt, aber auch zusätzliche Verdienstquellen waren dringend nötig. Da-<br />

mit mussten die Frauen zwangsläufig einen wichtigen Part sowohl im Betrieb<br />

als auch in der Öffentlichkeit übernehmen.<br />

Der erste landwirtschaftliche Hausfrauenverein wurde 1898 in Rastenburg, Ost-<br />

preußen gegründet. Bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts folgten viele<br />

Gründungen in ganz Deutschland. Ziel des Verbandes war, das Bewusstsein<br />

12<br />

– von den Gründerjahren bis heute –<br />

Brigitte Scherb Erika Lenz Hedwig Keppelhoff-Wiechert<br />

für die Lebenssituation der <strong>LandFrau</strong>en<br />

und für ihren bisher weit unterschätzten<br />

Beitrag in Land- und Volkswirtschaft<br />

zu stärken. Die Arbeitsschwerpunkte<br />

der landwirtschaftlichen Hausfrauen-<br />

vereine dienten im Wesentlichen dem<br />

ländlichen und hauswirtschaftlichen<br />

Ausbildungswesen. Der ursprüngliche<br />

Ansatz, Erfahrungen und Wissen über<br />

Herstellung und Vermarktung landwirt-<br />

schaftlicher Produkte auszutauschen<br />

und sich weiterzubilden, hat sich im-<br />

mer weiterentwickelt und den Anforde-<br />

rungen der Zeit angepasst, so dass die<br />

<strong>LandFrau</strong>en sehr bald auch die gesell-<br />

schaftliche Entwicklung auf dem Lande<br />

beeinflusst und mitgestaltet haben.<br />

Nach Krieg und Zusammenbruch waren<br />

viele Männer und Söhne gefallen oder<br />

in Kriegsgefangenschaft. Die Frauen<br />

mussten die Höfe bewirtschaften. Ein<br />

unendlicher Flüchtlingsstrom ergoss<br />

sich über das Land. Angesichts dieser<br />

Situation belebte Marie-Luise Gräfin<br />

Leutrum von Ertingen den Gedanken<br />

der <strong>LandFrau</strong>enarbeit neu. Am 20. Ok-<br />

tober 1948 wurde der Deutsche Land-<br />

Frauenverband (dlv) gegründet und die<br />

Gräfin zur Präsidentin gewählt. Bis<br />

1970 stand sie dem Verband als Prä-<br />

sidentin vor und stellte ihn auf ein soli-<br />

des organisatorisches Fundament. Die<br />

Geschäftsstelle des dlv war bis 1973<br />

in Stuttgart. Die Neuorientierung auf<br />

internationaler Ebene, der Aufbau na-<br />

tionaler Kontakte und der Ausbau der<br />

Bildungsarbeit über die fachliche Aus-<br />

und Weiterbildung hinaus sind wesent-<br />

liche Verdienste ihrer Amtszeit. Sie hat<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


Der dlv und seine Mitgliedsorganisationen<br />

20. Oktober 1 8:<br />

Gründung des dlv mit den<br />

Mitgliedsorganisationen Württem-<br />

berg-Baden, Bayern, Bremen,<br />

Hessen-Nassau und Kurhessen<br />

(1973 zum LFV Hessen vereint),<br />

Niedersachsen-Hannover, Weser-<br />

Ems, Rheinische <strong>LandFrau</strong>enver-<br />

einigung, Westfalen, Schleswig-<br />

Holstein<br />

1 8: Hamburg<br />

1 1: Pfalz, Rheinhessen<br />

1 7: Berlin, Saarland<br />

1 60: Rheinland-Nassau<br />

1 6 : Südbaden<br />

1 8 : Württemberg-Hohenzollern<br />

1 1: Mecklenburg-<br />

Vorpommern,<br />

Sachsen-Anhalt<br />

1 2: Sachsen, Thüringen<br />

1 3: Brandenburg<br />

den <strong>LandFrau</strong>enverband von Anfang an<br />

bewusst geöffnet für alle Frauen, die im<br />

ländlichen Raum leben. Bereits 1949<br />

wurde der Verband Mitglied im Welt-<br />

landFrauenverband (ACWW) und im Ver-<br />

band der Europäischen Landwirtschaft<br />

(CEA), 1950 Mitglied im Internationalen<br />

Verband für HausWirtschaft (IVHW) und<br />

1968 im <strong>LandFrau</strong>enausschuss der be-<br />

rufsständischen Organisationen der Eu-<br />

ropäischen Gemeinschaft (COPA). Seit<br />

1968 unterstützt das damalige Bundes-<br />

ministerium für Ernährung, Landwirt-<br />

schaft und Forsten die Bildungsarbeit<br />

des Verbandes über bundeszentrale In-<br />

formationsveranstaltungen (ZIV). In die<br />

Präsidentschaft von Gräfin Leutrum fiel<br />

auch der Aufbau einer hauswirtschaft-<br />

lichen Forschung und die Errichtung der<br />

Bundesforschungsanstalt für Hauswirt-<br />

schaft. Die <strong>LandFrau</strong>en erreichten ein<br />

Förderprogramm zur Verbesserung der<br />

Irmgard Reichhardt Adelheid Lindemann-Meyer<br />

arbeitswirtschaftlichen Situation in den Haushalten der Bäuerinnen und spä-<br />

ter ein Förderprogramm zur Modernisierung und Sanierung von landwirtschaft-<br />

lichen Gebäuden.<br />

zu Rhaden<br />

Titelthema<br />

Im Jahr 1970 übernahm Adelheid Lindemann-Meyer zu Rhaden den Vorsitz<br />

im Deutschen <strong>LandFrau</strong>enverband, der nun schon feste Strukturen hatte und<br />

225.000 Mitglieder zählte. In ihrer Amtszeit wurde die Geschäftsstelle des dlv<br />

nach Bonn verlegt wegen der besseren Möglichkeiten, in der Bundeshauptstadt<br />

mit Regierung, Parlament und Interessenvertretungen zusammenzuarbeiten.<br />

Dadurch wurde der Verband gesellschaftspolitisch verstärkt wahrgenommen,<br />

er wurde zu einer unverzichtbaren Vertretung für die <strong>LandFrau</strong>en. Höhepunkt<br />

ihrer Amtszeit war für Adelheid Lindemann-Meyer zu Rhaden die Ausrichtung<br />

des Kongresses des WeltlandFrauenverbandes 1980 in Hamburg. Diese Ver-<br />

anstaltung war ein großer öffentlicher Erfolg, der das weltweite Verständnis von<br />

Frauen für Frauen in hohem Maße gestärkt und wesentlichen Einfluss genom-<br />

men hat auf das Engagement der deutschen <strong>LandFrau</strong>en in der Entwicklungs-<br />

zusammenarbeit. Im gleichen Jahr begann die offizielle Zusammenarbeit des<br />

dlv mit der Deutschen Welthungerhilfe (DWHH). Die soziale Absicherung von<br />

jüngeren Witwen in der Landwirtschaft und eine Qualifizierung der beruflichen<br />

Ausbildung in der ländlichen HausWirtschaft wurde unter Adelheid Lindemann-<br />

Meyer zu Rhaden von den <strong>LandFrau</strong>en vorangetrieben. In ihrer Amtszeit hat sich<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

... weil ich Freude daran habe, als Frau mit Frauen in unseren<br />

ländlichen Räumen etwas zu bewegen. Der Umgang mit Menschen<br />

und die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, engagiert<br />

mitzuarbeiten und andere für die Mitwirkung in einem<br />

Verband zu motivieren, der besonders die Belange der Frauen<br />

– unserer Frauen – vertritt, sind mir persönlich wichtig. Ich gratuliere<br />

allen <strong>LandFrau</strong>en zu diesem großartigen Jubiläum und<br />

wünsche mir, dass noch viele solcher Ehrentage folgen.<br />

Brunhilde Jakobi, <strong>LandFrau</strong>enverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />

Marie-Luise Gräfin Leutrum<br />

zu Ertingen<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 13


Titelthema<br />

die Mitgliederzahl bei den <strong>LandFrau</strong>en mehr als verdoppelt auf ca. 500.000.<br />

Die dritte Präsidentin des dlv wurde 1986 Irmgard Reichhardt, die mit ihrer<br />

Karriere den Anspruch der <strong>LandFrau</strong>en auf politische Teilhabe unterstrich. Sie<br />

wurde 1987, nach nur einem Jahr als dlv-Präsidentin, Ministerin für Landwirt-<br />

schaft, Forsten und Naturschutz in Hessen. Sie war für viele <strong>LandFrau</strong>en An-<br />

sporn sich zu engagieren und aktive Interessenvertretung zu betreiben. Nicht<br />

umsonst war für sie die Erwachsenenbildung eine vorrangige Aufgabe des dlv.<br />

Die Bildungsangebote sollten den Teilnehmerinnen vor allem auch Sicherheit<br />

und Selbstvertrauen vermitteln und sie dazu befähigen, ihre Anliegen offensiv<br />

zu vertreten.<br />

Von 1987 bis 1999 war Hedwig Keppelhoff-Wiechert die Präsidentin des Deut-<br />

schen <strong>LandFrau</strong>enverbandes. Auch sie übernahm neben der <strong>LandFrau</strong>enarbeit<br />

politische Ämter und wurde 1989 zur Europaabgeordneten gewählt. Wie ihre<br />

Vorgängerin vertrat sie die Meinung, dass eine wirksame Interessenvertretung<br />

nur möglich ist, wenn der Verband auch politisch präsent ist. Diese Überzeu-<br />

gung setzte sich bei den <strong>LandFrau</strong>en während ihrer Präsidentschaft immer<br />

stärker durch. Gleichzeitig begann der Verband, sich mit den eigenen Strukturen<br />

zu beschäftigen und seine Mitglieder zu unterstützen, ihren Aufgaben in Beruf,<br />

Familie und Ehrenamt gerecht zu werden. Ein eigenes Einkommen der Bäue-<br />

rinnen durch Einkommenskombinationen im landwirtschaftlichen Umfeld ge-<br />

wann an Bedeutung. Mit Hilfe des Projektes „Landideen“ wurde dieser Bereich<br />

gefördert und die Bedeutung der Einkommenskombinationen in der Öffentlich-<br />

keit bewusst gemacht. In die Amtszeit von Hedwig Keppelhoff-Wiechert fiel die<br />

deutsch-deutsche Vereinigung und der Aufbau der LandeslandFrauenverbände<br />

in den fünf neuen Bundesländern. Ein viel beachtetes Modellprojekt „SELF-<br />

Frauen gestalten Strukturentwicklungen ländlicher Regionen“ hat die Frauen<br />

in den neuen Bundesländern bei der Suche nach einer gesicherten Existenz<br />

erfolgreich unterstützt.<br />

Von 1999 bis 2007 war Erika Lenz Präsidentin des Deutschen <strong>LandFrau</strong>enver-<br />

bandes. Zu Beginn ihrer Amtszeit wurde die Geschäftsstelle des dlv nach Berlin<br />

verlegt, so dass die politische Interessenvertretung der <strong>LandFrau</strong>en nach dem<br />

Umzug von Parlament und Regierung nahtlos fortgesetzt werden konnte. In<br />

einer zunehmend globalisierten Welt mussten sich die <strong>LandFrau</strong>en mit den mo-<br />

dernen Kommunikations- und Informationstechnologien vertraut machen. Das<br />

Projekt „IT-<strong>LandFrau</strong>en“ brachte nicht nur Medienkompetenz in den ländlichen<br />

1<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

... weil ich gerne auf dem Land lebe und meine Lebensfreude<br />

weitergeben möchte.<br />

Immer noch sind viele Frauen ohne Arbeit, sozial an den Rand<br />

gedrängt und oft auf sich allein gestellt. Dagegen unternehme<br />

ich etwas. Zusammen mit vielen anderen Mitstreiterinnen habe<br />

ich mir das Ziel gestellt, diese Frauen aus der Isolation he-<br />

rauszuholen und Gemeinschaftssinn zu wecken.<br />

Diese Aufgabe ist für mich eine Herausforderung.<br />

Heidemarie Becker, Vorsitzende LandfFrauenverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.<br />

Raum, es öffnete den <strong>LandFrau</strong>en auch<br />

das weltweite Netz für ihre Aktivitäten.<br />

Zu Beginn des neuen Jahrtausends ha-<br />

ben sich die <strong>LandFrau</strong>en als Bindeglied<br />

zwischen Erzeugern und Verbrauchern<br />

positioniert und dabei eine entschei-<br />

dende Fehlentwicklung der Gesellschaft<br />

erkannt: Fehlende hauswirtschaftliche<br />

Kenntnisse. In den letzten Jahren ent-<br />

wickelten sich deshalb auf allen Ebenen<br />

des Verbandes Aktivitäten und Projekte,<br />

die zum Ziel haben, die Bedeutung von<br />

„HausWirtschaft als Alltagskompetenz“<br />

anzuerkennen und HausWirtschaft an<br />

allgemein bildenden Schulen wieder<br />

als Lehrfach einzuführen. Bundesweit<br />

beginnt das Projekt „Umsetzung des<br />

aid-Ernährungsführerscheins durch die<br />

<strong>LandFrau</strong>en in der Grundschule“.<br />

Im Jahr 2007 wurde ein neues Präsidi-<br />

um mit Brigitte Scherb an der Spitze ge-<br />

wählt. Sie werden sich neben fachlichen<br />

Themen auch mit der Mitgliederentwick-<br />

lung befassen und die Verbandsstruk-<br />

tur und ihre Finanzierung neuen Erfor-<br />

dernissen anpassen. Weitere Schwer-<br />

punkte der neuen Amtszeit werden die<br />

Interessenvertretung und die Auswei-<br />

tung des <strong>LandFrau</strong>en-Netzwerkes auf<br />

die europäische Ebene sein.<br />

Lilo Schön<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


Machtfaktor <strong>LandFrau</strong>en<br />

– Interessenvertretung als Grundlage der Verbandsarbeit –<br />

»Frau sein und Ansprüche der Welt gegenüber haben – das sind<br />

zwei Dinge, die jedes für sich genommen, etwas Normales für ein<br />

menschliches Verhalten darstellen – doch zusammen ergeben sie<br />

eine Kombination, der die menschliche Gesellschaft in ihrer symbolischen<br />

Ordnung keinen Wert zuerkennt.«<br />

Als Interessenvertretung für Frauen<br />

und Familien im ländlichen Raum steht<br />

der Deutsche <strong>LandFrau</strong>enverband in ei-<br />

ner großen Verantwortung. Anfang des<br />

20. Jahrhunderts begannen Frauen, ei-<br />

gene Organisationen zu gründen und<br />

meldeten damit ihren Anspruch an,<br />

Politik und gesellschaftliches Leben<br />

zu beeinflussen. Sie wollten Verant-<br />

wortung übernehmen und nicht länger<br />

nur Zuschauerinnen des Geschehens<br />

sein. Elisabet Boehm steht für den<br />

Aufbruch der <strong>LandFrau</strong>en in diese<br />

neue Zeit.<br />

Mit ihr begann der lange und mühevolle<br />

Weg der <strong>LandFrau</strong>en zu mehr Anerken-<br />

nung, Bildung, Selbstbestimmung, Ein-<br />

flussnahme und Gleichberechtigung.<br />

Die neuen Vereine bildeten eine erste<br />

Instanz, um die Interessen der Frauen<br />

auf dem Lande zu bündeln und als po-<br />

litische Forderungen zu artikulieren.<br />

Immer ist es Ziel der <strong>LandFrau</strong>enarbeit<br />

gewesen, Frauen bei ihren familiären<br />

und beruflichen Aufgaben zu unterstüt-<br />

zen sowie durch ein breitgefächertes<br />

Bildungs- und Weiterbildungsangebot<br />

dazu beizutragen, die Lebensbedin-<br />

gungen im ländlichen Raum zu verbes-<br />

sern. Vieles ist nach wie vor noch zu<br />

tun, insbesondere beim Abbau frau-<br />

enspezifischer Vorurteile und Rollen-<br />

klischees, der besseren Vereinbarkeit<br />

von Familie, Karriere, Beruf und Eh-<br />

renamt, aber auch der Verbesserung<br />

der Einkommenssituation, der stärke-<br />

ren Absicherung von Frauen und der<br />

Unterstützung von Unternehmen und<br />

Existenzgründungen.<br />

Die Erwerbssituation für Frauen in<br />

ländlichen Regionen leidet in beson-<br />

derer Weise unter der globalen wirt-<br />

schaftlichen und technologischen und<br />

demografischen Entwicklung. Die Fol-<br />

ge ist, dass der ländliche Raum als<br />

Wirtschaftsstandort immer seltener in<br />

Frage kommt. Deshalb reduzieren sich<br />

gerade für gut qualifizierte Frauen die<br />

beruflichen Perspektiven auf ein Mini-<br />

mum. Auch deswegen wandern immer<br />

mehr junge Frauen ab.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass eine<br />

flächendeckende Infrastruktur von Ein-<br />

kaufsmöglichkeiten, Schulen, Ärzten,<br />

und Betreuungsmöglichkeiten nicht<br />

mehr gewährleistet ist. Eine Entwick-<br />

lung, die wiederum vor allem zu Lasten<br />

von Frauen geht.<br />

Hier muss unsere verbandliche Inte-<br />

ressenvertretung ansetzen. Aber Über-<br />

zeugungsarbeit allein reicht nicht aus.<br />

Konkrete Maßnahmen sind vonnöten,<br />

die der dlv gemeinsam mit seinen Lan-<br />

desverbänden einfordert und für die<br />

wir kämpfen:<br />

Liberia delle donne di Milano. 1989<br />

● Um einer Lebensplanung von Familie<br />

und Beruf gerecht zu werden, brauchen<br />

wir noch weitaus mehr als bisher die<br />

Titelthema<br />

Flexibilität von Arbeitszeiten und eine<br />

Stärkung der Teilzeitarbeit. Dies gilt<br />

insbesondere für Führungspositionen,<br />

die bei den meisten Arbeitgebern als<br />

ungeeignet für Teilzeit eingestuft wer-<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 1<br />

den.<br />

● nach wie vor gehören dazu Frauen-<br />

förderpläne, spezifisch für Frauen aus-<br />

gelegte Projekte und auch Quoten und<br />

Quoren, wenn es denn nicht anders<br />

geht.<br />

● Und es gilt im Rahmen der rasanten<br />

Entwicklung im IT-Bereich die Chancen<br />

zu nutzen. Hiermit könnten gerade in<br />

den ländlichen Regionen strukturbe-<br />

dingte Defizite ausgeglichen werden.<br />

Attraktive Arbeitsplätze über Compu-<br />

tervernetzung könnten verhindern,<br />

dass gerade die jungen, gut ausgebil-<br />

deten Frauen in die Ballungsgebiete<br />

abwandern.<br />

● Darüber hinaus sind Netzwerke un-<br />

verzichtbar, denn noch immer ist der<br />

Aufstieg im Alleingang eine Selten-<br />

heit. Wir brauchen gegenseitige Unter-<br />

stützung, Informations- und Ideenaus-<br />

tausch, wie es die Männer seit Jahren<br />

und Jahrzehnten in ihren Seilschaften<br />

praktizieren.<br />

● Wir brauchen einen Bewusstseinwan-<br />

del in unserer Gesellschaft, der wirk-<br />

lich dazu führt, dass die Gleichstellung<br />

von Frauen in den Köpfen der Männer<br />

und auch der Frauen ankommt.<br />

Dazu bedarf es auch eines neuen Rol-<br />

lenverständnisses der Männer.<br />

Denn wenn wir das Thema „Frau und<br />

Beruf“ voranbringen wollen, dann ge-<br />

hört dazu unbedingt das Thema „Mann<br />

und Familie“. Der Soziologe Ulrich Beck<br />

hat die bestehende Kluft zwischen


Titelthema<br />

Anspruch und Wirklichkeit bei den<br />

Männern sehr treffend als „verbale<br />

Aufgeschlossenheit bei weitgehender<br />

Verhaltensstarre“ gekennzeichnet.<br />

Als dlv legen wir einen besonderen<br />

Schwerpunkt auf die Entwicklung<br />

ländlicher Räume und sind davon<br />

überzeugt, dass es ohne die Berück-<br />

sichtigung der speziellen Lebens- und<br />

Arbeitssituation von Frauen keine posi-<br />

tive Zukunft für diese Regionen geben<br />

kann. „Man kann nicht in die Zukunft<br />

schauen, aber man kann den Grund<br />

für etwas Zukünftiges legen – denn Zu-<br />

kunft kann man bauen.“<br />

Ganz im Sinne der Worte von Antoine<br />

de Saint-Exupéry kommt der Interes-<br />

senvertretung in der <strong>LandFrau</strong>enver-<br />

bandsarbeit eine hohe Bedeutung zu<br />

und sie ist nötiger denn je. Defizite und<br />

Missstände zu formulieren ist eine Sa-<br />

che. Ihre Behebung durch soziales und<br />

politisches Engagement tatsächlich zu<br />

bewirken eine ganz andere.<br />

Unser Erfolg liegt in der konkreten Um-<br />

setzung unserer Ziele. Natürlich nicht<br />

immer sofort. Aber mit vorausschau-<br />

endem Blick und kontinuierlichem<br />

Einsatz haben wir bereits viel erreicht.<br />

Und unsere zukünftigen Aufgaben ha-<br />

ben wir schon jetzt fest im Blick.<br />

„Es gibt viele Vereine in Deutschland.<br />

Reden dürfen diese Vereine, zu sagen<br />

16<br />

haben sie nichts. Mit Anregungen ist<br />

nichts geschehen in dieser Welt. Nie-<br />

mand sollte etwas anregen, der nicht<br />

entschlossen ist, es auch durchzufüh-<br />

ren.“ Die Analyse von Max Eyth aus<br />

dem Jahre 1885 beschreibt sehr ziel-<br />

führend unsere Aufgabe:<br />

Der dlv ist ein wichtiger Verband und<br />

im öffentlichen Leben durchaus ein<br />

Machtfaktor, den wir zu wenig nutzen.<br />

Es muss in unserem Verband wesent-<br />

lich stärker als bisher der Wunsch aus-<br />

geprägt werden, mehr<br />

Einfluss zu nehmen auf politische<br />

Entscheidungen. Dies müssen wir<br />

versuchen durch eine stärkere öffent-<br />

liche Wahrnehmung unserer Interes-<br />

senvertretung. Nur durch permanente<br />

verbandspolitische Einmischung er-<br />

reichen wir die Wahrnehmung der<br />

Verantwortungsträger in Politik, Wirt-<br />

schaft und Gesellschaft. Nur wer seine<br />

Belange öffentlichkeitswirksam und<br />

nachdrücklich ins Spiel bringt, setzt<br />

sich durch. Dazu kann <strong>LandFrau</strong>enpo-<br />

litik nicht immer nur „nett“ sein, sie<br />

muss auch kämpferisch sein, da wo<br />

es nötig ist.<br />

Verstärkte Lobbyarbeit tut Not! Mehr<br />

politischen Einfluss erreichen wir aber<br />

auch durch Frauen in der Politik, die<br />

aus den Reihen der <strong>LandFrau</strong>en stam-<br />

men. Wir müssen verstärkt Netzwerke<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

weil ich die Gemeinschaft der <strong>LandFrau</strong>en sehr schätze. Es<br />

macht viel Freude, mit anderen Frauen etwas zu bewegen und<br />

voranzubringen. Bei den <strong>LandFrau</strong>en finden sich Jung und Alt, für<br />

jede wird etwas geboten, jede wird angesprochen. Außerdem ist<br />

der <strong>LandFrau</strong>enverband ein tolles Netzwerk mit vielen engagierten<br />

Frauen, von deren Erfahrungen wir profitieren. Und natürlich<br />

verbindet mich mit dem <strong>LandFrau</strong>enverband auch das Interesse<br />

an der Landwirtschaft und am ländlichen Raum. Ohne die Interessenvertretung<br />

und ohne das Engagement der <strong>LandFrau</strong>en<br />

wäre der ländliche Raum sicher um einiges ärmer.<br />

Agnes Witschen, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Weser-Ems<br />

knüpfen, die in Verwaltung und Politik<br />

münden. Das bedeutet, dass wir Frau-<br />

en in der Politik grundsätzlich fördern<br />

und die Vorbehalte in den eigenen<br />

Reihen von Frauen gegen Frauen über-<br />

winden müssen. Hier sollten wir uns<br />

solidarischer zeigen.<br />

Eine starke Interessenvertretung er-<br />

fordert auf allen Verbandsebenen aber<br />

zunächst eine realistische Wahrneh-<br />

mung der aktuellen Entwicklungen.<br />

Ein breitgefächertes Bildungsangebot<br />

ist die beste Grundlage, unsere Mit-<br />

glieder zu sensibilisieren und zu moti-<br />

vieren, ihre Verantwortung im Hinblick<br />

auf neue, zukunftsorientierte Aufga-<br />

ben wahrzunehmen, die dann ihren<br />

Niederschlag in einer engagierten In-<br />

teressenvertretung finden kann.<br />

Allerdings muss das Bewusstsein für<br />

die interessenpolitische Bedeutung<br />

des eigenen Engagements gerade auf<br />

Orts- und Kreisebene gestärkt wer-<br />

den.<br />

550.000 <strong>LandFrau</strong>en sind ehrenamt-<br />

lich tätig, bewegen etwas und setzen<br />

sich ein. Das müssen Politik und Ge-<br />

sellschaft nicht nur in Sonntagsreden<br />

anerkennen! Was wäre unsere Gesell-<br />

schaft, was wäre die Landwirtschaft<br />

und der ländliche Raum ohne das En-<br />

gagement der <strong>LandFrau</strong>en?<br />

Brigitte Scherb<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


Gisbert Grundig springt aus dem Auto,<br />

holt den Wäschekorb voller Kleidung<br />

aus dem Kofferraum und richtet sich<br />

mit Ehefrau Ingrid im Feriendomizil<br />

„Sonnenaufgang“ ein. „Schön, dass<br />

wir wieder hier sind“, sagt der begeis-<br />

terte Radfahrer. Zur Begrüßung hat<br />

Gastgeberin Hanna Hawix einen Ku-<br />

chen gebacken, passend zum Hof in<br />

der Form eines Schweins. „Wir fühlen<br />

uns so wohl hier, dass wir jedes Jahr<br />

wiederkommen“, erzählt Ellie Laschet,<br />

die gerade mit ihrem Mann die Ferien-<br />

wohnung „Sonnenuntergang“ bezieht.<br />

Seit sieben Jahren machen die beiden<br />

Paare aus Aachen über die Pfingstfeier-<br />

tage Radferien und quartieren sich auf<br />

dem Hof in Sonsbeck am Niederrhein<br />

ein. Mit ihren Gastgebern genießen die<br />

Urlauber abends auch gerne ein Glas<br />

Wein.<br />

– Der Tourismus als zweites Standbein –<br />

Der Hof von Familie Hawix könnte für<br />

Ferien auf dem Bauernhof kaum bes-<br />

ser gelegen sein. Auf einer Anhöhe in<br />

der Sonsbecker Schweiz im Kreis We-<br />

sel in Nordrhein-Westfalen mit weitem<br />

Ausblick über Wiesen und Felder bietet<br />

er eine gute Ausgangslage für viele Akti-<br />

vitäten: Radfahren, Wandern, nach rund<br />

25 Kilometern ist das Holländische<br />

Dorf Arcen mit Thermalbad erreichbar,<br />

das Kulturangebot des Ruhrgebiets und<br />

auch der Wallfahrtsort Kevelaer sind in<br />

der Nähe. Zum Frühstück versorgen die<br />

Gäste sich selbst, frische Brötchen hängt <strong>LandFrau</strong> Hawix jeden Morgen an die<br />

Tür. Zum Abendessen wird auf dem Hof gegrillt oder in zehn Minuten zu den<br />

Restaurants in Sonsbeck spaziert.<br />

Machen Kinder Ferien auf dem Hof, müssen sie zuerst nachsehen wie es den<br />

Tieren geht. „Viele sind mit Begeisterung stundenlang bei ihnen“, berichtet<br />

Landwirt Gerd Hawix. Zum Streichelzoo gehören Bergziegen, Ponys und ein Hän-<br />

gebauchschwein. Außerdem können die Ferkel der 125 Zuchtsauen bestaunt<br />

werden. Den großen Garten mit Strandkorb, Schaukeln, einem Trampolin und<br />

einem Holzhaus voller Spielsachen mögen Eltern und Kinder. Viele Familien und<br />

über 50-Jährige machen hier Urlaub auf dem Bauernhof.<br />

Als die Schweinepreise in den Keller sanken und Hanna Hawix von Renate<br />

Carstens, der Geschäftsführerin des Rheinischen <strong>LandFrau</strong>enverbands, einen<br />

Vortrag über Einkommensalternativen hörte, bekam sie die Idee, Zimmer an<br />

Feriengäste zu vermieten. „Mein Mann verdrehte skeptisch die Augen, meine<br />

Mutter meinte, versuch es doch“, erzählt die gelernte Bankkauffrau. Sie ließ<br />

sich von der Landwirtschaftskammer beraten und richtete mit ihrem Mann zwei<br />

Zimmer im Haus her – 1994 kamen die ersten Gäste. Optimal war die Situation<br />

nicht: Ein separater Eingang fehlte, das Ehepaar Hawix traute sich nicht mehr<br />

im Schlafanzug vor den Fernseher und bald wurden die Zimmer für ihre Mutter<br />

gebraucht. Sechs Jahre später rückte Gerd Hawix seine Maschinen in der Halle<br />

zusammen. Den vorderen Teil bauten sie zu drei geräumigen Ferienwohnungen<br />

aus. Hanna Hawix gestaltete die mit Küche, Schlaf- und Wohnzimmer komplett<br />

eingerichteten Wohnungen mit viel Liebe zum Detail: Auf 45 Quadratmetern<br />

Gisbert Grundig freut sich auf die Pfingst-<br />

tage in der gemütlichen Ferienwohnung<br />

Einkommenskombinationen<br />

Wenn Schweine<br />

nicht mehr reichen<br />

Die Wohnung<br />

daneben bezieht<br />

Ellie Laschet<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 17


Einkommenskombinationen<br />

Am Bauernhaus weist ein Schild auch<br />

Wanderer und Radfahrer auf „Ur-<br />

laub auf dem Bauernhof“ hin<br />

„Sonnenaufgang“ mit Morgensonne und Ausblick stehen helle Holzmöbel, Sofa<br />

und Kissen sind in Blau gehalten, in „Sonnenuntergang“ gibt Grün den Ton an<br />

und darüber, im „Sternenhimmel“, wo früher auf 70 Quadratmetern Getreide<br />

getrocknet wurde, können Kinder unter mit Schäfchen bedruckten Bettdecken<br />

träumen, ein zweites Schlafzimmer ist nebenan. Alle Wohnungen wurden vom<br />

Deutschen Tourismusverband mit vier Sternen ausgezeichnet. „Man muss den<br />

Gästen etwas bieten, sonst kommen sie nicht“, sagt die 50-Jährige. Damit<br />

ihre Unterkünfte wahrgenommen werden, schaltet sie Anzeigen in speziellen<br />

Katalogen für „Urlaub auf dem Bauernhof“, ist im Internet präsent und wirbt<br />

gemeinsam mit sechs Betrieben aus der Nachbarschaft auf einem Flyer für<br />

„Urlaub auf dem Bauernhof“ in Sonsbeck.<br />

Neben der Landwirtschaft, der Schweinezucht und Tourismus bot Hanna Hawix<br />

vier Jahre lang auch noch „Kindergeburtstage auf dem Bauernhof“ an. Als ihre<br />

Mutter vor drei Jahren pflegebedürftig wurde, musste sie diesen <strong>LandFrau</strong>en-<br />

service aufgeben. „Heute kommen immer noch Anfragen, aber alles zusammen<br />

schaffe ich einfach nicht“, sagt die dreifache Mutter, die ihre Mutter pflegt,<br />

in der Landwirtschaft hilft, Ferienwohnungen putzt und den eigenen Haushalt<br />

führt. Die Ferienwohnungen möchte sie aber nicht mehr missen: Durch die Gäs-<br />

te ist mehr Leben auf dem Hof, außerdem hilft die Einkommenskombination,<br />

ihre Existenz zu sichern.<br />

Wegen der schwieriger werdenden finanziellen Lage vieler landwirtschaftlicher<br />

Betriebe werden zunehmend weitere Einkommensmöglichkeiten benötigt. Bereits<br />

im Jahr 20<strong>03</strong> hat eine Erhebung der Rheinischen Landfrauenvereinigung und der<br />

18<br />

Helga Klindt, Präsidentin des LFV Schleswig-Holstein<br />

Felder und Landschaft so weit das Auge<br />

reicht – rund um den Hawix-Hof<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Interessen von Frauen vertreten, mitarbeiten – mitentscheiden<br />

– mitgestalten, gleichwertige Lebensbedingungen für Frauen<br />

im ländlichen Raum schaffen, Frauen zu sensibilisieren, zu motivieren<br />

und zu schulen, um aktiv in politischen Gremien mitzuarbeiten<br />

– das war und ist die Motivation, mich aktiv in die<br />

Landfrauenarbeit einzubringen. Sich ändernde Rahmenbedingungen,<br />

ob gesellschaftlich, politisch oder wirtschaftlich, sind<br />

dabei eine ständige Herausforderung.<br />

Hanna und Gerd Hawix<br />

Landwirtschaftskammer ergeben, dass<br />

33 Prozent aller landwirtschaftlichen<br />

Betriebe eine Einkommenskombinati-<br />

on besitzen. Deshalb unterstützt der<br />

<strong>LandFrau</strong>enverband Frauen bei unter-<br />

nehmerischen Initiativen mit Bildungs-<br />

programmen. Vermittelt werden Inhalte<br />

der künftigen Einkommenskombination<br />

und Wissen zur Existenzgründung. Da-<br />

bei werden Steuerrecht, Versicherungs-<br />

fragen, Marketing und Werbung behan-<br />

delt, damit die Teilnehmerinnen die<br />

Basis selbständigen Unternehmertums<br />

kennen. Nebenbei entstehen daraus<br />

auch hilfreiche Netzwerke und Treffen<br />

zum Erfahrungsaustausch. So werden<br />

ländliche Gebiete attraktiver und häufig<br />

mittelfristig Arbeitsplätze geschaffen.<br />

Einkommenskombinationen gibt es heu-<br />

te in den verschiedensten Bereichen:<br />

Durch Direktvermarktung von frischen<br />

regionalen Lebensmitteln und Kunstge-<br />

werbe, im Tourismus durch Urlaub auf<br />

dem Bauernhof und Bauernhof-Cafes.<br />

<strong>LandFrau</strong>en nutzen ihr Wissen als Gäs-<br />

teführerin oder Kräuterexpertin und<br />

bieten mit Service-Agenturen Veran-<br />

staltungsorganisation und Catering an.<br />

Qualifizierungen zur Agrarbürofachfrau<br />

und zur Agrarmanagerin sowie Weiter-<br />

bildungen zur Tagesmutter oder Alten-<br />

betreuerin unterstützen weitere Exis-<br />

tenzalternativen.<br />

Katja Gartz<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


Einkommenskombinationen<br />

<strong>LandFrau</strong>en wissen, was gut ist!<br />

– Rosa Karcher macht sich für regionale Produkte stark –<br />

Mit dem Ziel, die Vermarktung mit fundierten Kenntnissen<br />

über die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte zu verbin-<br />

den, wurde die Botschafterin heimischer Agrarprodukte<br />

oder auch Fachfrau für Verkaufsförderung ins Leben geru-<br />

fen. Diese Tätigkeit entstand aus der Not nach der Tscher-<br />

nobyl-Katastrophe, um Zwetschgen in Südbaden verkaufen<br />

zu können. In fast allen LandeslandFrauenverbänden wur-<br />

den mit Unterstützung der jeweiligen Landwirtschaftsmi-<br />

nisterien, Einzelhandelsvertretern, der CMA und der regio-<br />

nalen Marketinggesellschaften <strong>LandFrau</strong>en ausgebildet,<br />

die in Supermärkten ihr Wissen über regionale Lebensmit-<br />

tel bis hin zur Verarbeitung weitergeben.<br />

Eine dieser Verkaufsförderfrauen in Südbaden ist Rosa Kar-<br />

cher. Um das Bewusstsein der Verbraucher für gesunde und<br />

umweltbewusste Ernährung zu stärken, informiert sie in Le-<br />

bensmittelmärkten regelmäßig über regionale und saisona-<br />

le Produkte. „Wir betreiben Aufklärungsarbeit, die auch der<br />

heimischen Landwirtschaft zugute kommt“, sagt die gelern-<br />

te Hauswirtschaftsleiterin. Schließlich sei es gesünder, Erd-<br />

beeren aus der Umgebung zu essen, die besser schmecken<br />

und einen höheren Vitamingehalt haben, als welche, die<br />

Tausende von Kilometern Transportweg hinter sich haben.<br />

Deshalb stellt sich die 45-Jährige gerne mit Erdbeeren,<br />

Spargel oder Zwetschgen an einen Stand in den Super-<br />

markt, um über Herkunft, Inhaltstoffe und Zubereitung zu<br />

berichten und Obst, Gemüse oder Fleisch aus der Region zu<br />

verkaufen. Probieren dürfen die Kunden natürlich auch –<br />

Früchte pur, mit Quark, als Kuchen oder eingelegt in Edel-<br />

brand. „Die Aktionen kommen gut an“, berichtet die über-<br />

zeugte Verkaufsförderfrau, die mit einem Landwirt verheira-<br />

tet ist. Mit Früchten kennt sich die <strong>LandFrau</strong> besonders gut<br />

aus. Gemeinsam mit ihrem Ehemann erntet sie jährlich ne-<br />

ben Kirschen und Wein rund 15 Tonnen Erdbeeren und<br />

18 Tonnen Zwetschgen. Auch Obstbrände produzieren sie<br />

auf ihrem Hof. Um sich für die regionale Landwirtschaft<br />

und deren Produkte einzusetzen, nahm Rosa Karcher<br />

an dem Projekt „<strong>LandFrau</strong>en informieren über<br />

heimische Produkte“ teil. „Auslö-<br />

ser war das Jahr 1993, als wir in<br />

Südbaden eine Zwetschgen-<br />

schwemme hatten, in vielen Super-<br />

märkten aber nur Zwetschgen aus dem Ausland zu bekom-<br />

men waren“, berichtet Marianne Anselm, Vorsitzende des<br />

<strong>LandFrau</strong>enverbands Südbaden. Bevor die Fachfrauen für<br />

heimische Produkte in Lebensmittelgeschäften, auf Mes-<br />

sen und weiteren Veranstaltungen Verbraucheraufklärung<br />

betreiben, werden sie in Schulungen darauf vorbereitet. Da-<br />

bei geht es um gesunde Ernährung, Warenkunde und Ver-<br />

marktung, außerdem lernen die Frauen, wie sie auf Kunden<br />

zugehen und diese beraten. Anschließend informieren sie<br />

sich in Erzeugerbetrieben über die Herstellung und Weiter-<br />

verarbeitung von Lebensmitteln. Zu aktuellen Themen fin-<br />

den regelmäßig Weiterbildungen statt. „Anfangs waren es<br />

nur wenige Partner, wie EDEKA, Breisgaumilch oder das<br />

Marktkontor Obst und Gemüse“, berichtet Marianne An-<br />

selm. Inzwischen seien viele dazu gekommen. Mittlerweile<br />

sind in Südbaden rund 50 Fachfrauen regelmäßig im Ein-<br />

satz, ca. 750 Einsätze finden in der Region jährlich statt.<br />

Die Erfolge des Projekts tragen Früchte: Heute setzten sich<br />

über 500 <strong>LandFrau</strong>en in ganz Deutschland als Botschafte-<br />

rinnen für regionale Lebensmittel ein.<br />

Die Einsätze von Rosa<br />

Karcher sind vielfältig so<br />

wie hier mit der süd-<br />

badischen Präsidentin<br />

Anselm, Eva-Luise Köh-<br />

ler, PSt Dr. Gerd Müller,<br />

Bundesministerin Ulla<br />

Schmidt und Margret<br />

Büning-Fesel (v. l.) bei einer EU-Konferenz in Badenweiler<br />

Katja Gartz<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 1


Internationale Verantwortung<br />

Etwa eine halbe Milliarde Menschen<br />

leiden weltweit an Hunger, rund 800<br />

Millionen leben in extremer Armut. Be-<br />

sonders betroffen sind die Menschen<br />

in ländlichen Gebieten. In 15 Pro-<br />

jekten, in sogenannten „Millienniums-<br />

dörfern“ in Afrika, Lateinamerika und<br />

Asien, will die Deutsche Welthungerhil-<br />

fe zeigen, dass es möglich ist, die Le-<br />

bensverhältnisse von Menschen in<br />

Not dauerhaft zu verbessern. Eines<br />

dieser Projekte kommt der Landbevöl-<br />

kerung und damit den <strong>LandFrau</strong>en in<br />

Ruanda zugute - dafür hat der Deut-<br />

sche <strong>LandFrau</strong>enverband für drei Jah-<br />

re bis 2010 die Patenschaft übernom-<br />

men.<br />

Seit über 30 Jahren fördert der dlv un-<br />

ter dem Motto „<strong>LandFrau</strong>en für Land-<br />

Frauen“ Projekte der Welthungerhilfe.<br />

In vielen verschiedenen Aktionen auf<br />

Bundes-, Landes-, Kreis- und Regional-<br />

ebene werben <strong>LandFrau</strong>en für Solidari-<br />

tät und Engagement für die Land-<br />

Frauen in armen Ländern. So unter-<br />

stützten sie in Südindien die ländliche<br />

Entwicklung sowie Frauen beim Auf-<br />

bauen einer Existenz, in Kolumbien<br />

den Aufbau von 15 Landschulheimen,<br />

in der Dominikanischen Republik die<br />

Ausbildung von 300 <strong>LandFrau</strong>engrup-<br />

pen mit über 10.000 Frauen, in Leso-<br />

tho ein landwirtschaftliches Projekt<br />

mit acht Dorfgemeinschaften sowie in<br />

Äthiopien die Wasserversorgung für<br />

3.000 Bauernfamilien.<br />

Ulrike Siegel, <strong>LandFrau</strong> aus dem Kreis<br />

Heilbronn, hatte während mehrerer<br />

20<br />

Als Initiatorin des Sternlaufs erhält<br />

Ilse Langmaack-Hopmann einen Son-<br />

derpreis im Rahmen der Ehrung der<br />

„<strong>LandFrau</strong> des Jahres 2005“<br />

25.000 Euro für die Welthungerhilfe ist<br />

die größte Einzelspende bisher<br />

Reisen durch Indien zweimal Gelegen-<br />

heit, das Projekt der Welthungerhilfe in<br />

Südindien zu besuchen. Auf vielen Vor-<br />

trägen für <strong>LandFrau</strong>en erzählte sie von<br />

ihren Eindrücken und berichtete über<br />

aktuelle Entwicklungen und das Leben<br />

der Frauen vor Ort. „Dabei bin ich vie-<br />

len aufgeschlossenen Frauen begeg-<br />

net, das Interesse an Frauenbiogra-<br />

fien aus anderen Ländern und Kultur-<br />

kreisen ist sehr groß“, berichtet die<br />

Referentin, die auch Bücher über Bau-<br />

erntöchter in Deutschland geschrie-<br />

ben hat. Die pragmatischen Land-<br />

Frauen, die es gewohnt sind anzu-<br />

packen, waren gerne bereit, die<br />

Frauen in Indien zu unterstützen. Um<br />

weitere Spenden zu sammeln, wurde<br />

das Projekt beispielsweise in Ausstel-<br />

lungen und auf dem Landwirtschaft-<br />

lichen Hauptfest in Stuttgart vorge-<br />

stellt.<br />

Die 43-jährige<br />

Mutter Domitille<br />

profitiert<br />

vom Land-<br />

Weltweit engagiert<br />

– <strong>LandFrau</strong>en für <strong>LandFrau</strong>en –<br />

Frauen-Projekt<br />

Auch Ilse Landmaack-Hopmann, Land-<br />

Frau aus Kappeln in Schleswig-Hol-<br />

stein, setzte sich für das Indienprojekt<br />

ein. Sie organisierte anlässlich des In-<br />

ternationalen Frauentages 2004 in<br />

Schleswig-Holstein einen Sternlauf un-<br />

ter dem Motto „<strong>LandFrau</strong>en bewegen<br />

das Land“, an dem an einem einzi-<br />

gen Tag 25.000 € als Spende für die<br />

Deutsche Welthungerhilfe zusammen-<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


kamen. Sie plant weitere Aktionen, um<br />

nun auch das Projekt in Afrika zu un-<br />

terstützen.<br />

Die Verbesserung der Lebensbedin-<br />

gungen der <strong>LandFrau</strong>en ist ebenfalls<br />

ein wesentliches Ziel des aktuellen<br />

Patenschaftsprojektes des Deutschen<br />

<strong>LandFrau</strong>enverbandes in Ruanda. Die<br />

Förderung der Frauen hilft der wirt-<br />

schaftlichen Situation der gesamten<br />

Familie und trägt in großem Maße da-<br />

zu bei, die Ernährungs- und Einkom-<br />

menssituation aller Menschen in der<br />

Region nachhaltig zu verbessern.<br />

Seit der Übernahme der Patenschaft<br />

im vergangenen Jahr spendeten Land-<br />

Frauen 4.687 € für das Millenniums-<br />

dorf im Base-Kiryango Tal. Bereits klei-<br />

ne Summen bringen die Menschen<br />

dort einen Schritt weiter: Für 116 €<br />

kann ein ar Fläche urbar gemacht, für<br />

23 € Terrassen gebaut und für<br />

10 € Bepflanzungen gedüngt werden,<br />

der Monatslohn einer Arbeiterin be-<br />

trägt 30 €.<br />

Das Millenniumsprojekt<br />

in Ruanda<br />

Im Base-Kiryango Tal im Hochland Ru-<br />

andas realisiert die Welthungerhilfe<br />

eines der größten landwirtschaftlichen<br />

Entwicklungsprojekte Afrikas. Unter<br />

dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ un-<br />

terstützt sie Menschen dabei, die Le-<br />

bensbedingungen in ländlichen Gebie-<br />

ten zu verbessern. Wegen knapper<br />

Nutzflächen ist das Ziel, die Erosion<br />

der bestehenden Felder durch die Ter-<br />

rassierung der Hügel zu stoppen und<br />

neue Anbauflächen für Reis, Maniok<br />

oder Süßkartoffeln durch nutzbar ge-<br />

machte Sumpfgebiete im Tal zu er-<br />

schließen. Mit Hilfe von Drainagen<br />

und Wehren soll das Land künftig kon-<br />

trolliert be- und entwässert werden. Mit<br />

besseren Bedingungen in der Land-<br />

wirtschaft soll die Ernährung der Men-<br />

schen sichergestellt werden. Zudem<br />

erhalten vor allem Frauen Erwerbs-<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Hedwig Garbade, Landesvorsitzende Saarland<br />

möglichkeiten, um ihre Familien ver-<br />

sorgen zu können.<br />

Unter diesen ist auch Domitille. Jeden<br />

Morgen um sechs Uhr verlässt sie ihre<br />

kleine Hütte im Bananenwald und läuft<br />

über eine Stunde zur Baustelle. Sie-<br />

ben Stunden pro Tag arbeitet sie mit<br />

Hacke und Schaufel bei der Begradi-<br />

gung des neuen Kanals mit. Ihr Tages-<br />

lohn von 500 Ruandischen Francs ent-<br />

spricht 80 Cent. Für diesen Knochen-<br />

job würde die 43-jährige Mutter von<br />

sieben Kindern auch drei Stunden lau-<br />

fen. Der monatliche Lohn von 10.000<br />

Ruandischen Francs, ausgezahlt von<br />

der Welthungerhilfe, reicht für das<br />

Schulgeld einer der beiden älteren<br />

Töchter und zum Überleben der Fami-<br />

lie. Domitille weiß, was Hunger bedeu-<br />

tet. Ihr Mann ist arbeitslos, Kapital be-<br />

sitzen sie nicht, da ist es ohne ihr Ein-<br />

kommen schwer, die Kinder zu versor-<br />

gen. Tochter Anastasia wiegt mit elf<br />

Jahren nur 16 Kilo und ist viel zu klein<br />

für ihr Alter. Mit etwa 90 Kindern drän-<br />

gelt sie sich auf kleinen Bänken und<br />

Stühlen in einem völlig überfüllten<br />

Klassenraum. Das Schulgebäude wur-<br />

de 1994 während des Völkermordes<br />

zerstört. Doch auch die Bildungssitua-<br />

tion verbessert sich: Mit Unterstüt-<br />

zung der Welthungerhilfe konnte be-<br />

Internationale Verantwortung<br />

... weil mir die Arbeit Freude bereitet, man über den eigenen<br />

Tellerrand hinausschaut, mit vielen gleichgesinnten Frauen gesellschaftliche<br />

Themen erörtert und gemeinsam Stellungnahmen<br />

erarbeitet. Ich verstehe es als meinen gesellschaftlichen<br />

Auftrag, die Ziele der <strong>LandFrau</strong>en voranzubringen und so zur<br />

Verbesserung und zur Steigerung der Lebensqualität der Menschen<br />

beizutragen. Für mich bedeutet die Freiheit in unserer<br />

Gesellschaft nicht nur das große Glück, dass jeder sich selbst<br />

verantwortlich ist, sondern es ist auch ein ständiger Kampf gegen<br />

negative Einflüsse aus den Medien und der Werbung, dem<br />

viele Menschen hilflos gegenüberstehen.<br />

reits eine Primarschule mit zehn neu-<br />

en Klassenzimmern eingerichtet wer-<br />

den, eine zweite Schule folgt in die-<br />

sem Jahr.<br />

Hintergrund der Initiative der Welthun-<br />

gerhilfe ist die Millenniumserklärung<br />

aus dem Jahr 2000, in der sich 189<br />

Staats- und Regierungschefs unter an-<br />

derem zum Ziel gesetzt haben, den An-<br />

teil der Hungernden bis zum Jahr 2015<br />

zu halbieren.<br />

Die Ziele lauten:<br />

1. Bekämpfung von extremer<br />

Armut und Hunger<br />

2. Primarschulbildung für alle<br />

Katja Gartz<br />

3. Gleichstellung der Geschlechter<br />

und Stärkung der Rolle der<br />

Frauen<br />

4. Senkung der Kindersterblichkeit<br />

5. Verbesserung der Gesundheitsversorgung<br />

der Mütter<br />

6. Bekämpfung von HIV/AIDS,<br />

Malaria und anderen schweren<br />

Krankheiten<br />

7. Ökologische Nachhaltigkeit<br />

8. Aufbau einer globalen Partnerschaft<br />

für Entwicklung<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 21


Agrarsoziales<br />

Als Sie 1958 als Bäuerin auf einem Hof anfingen, welche persönlichen sozi-<br />

alen Absicherungen hatten Sie damals? Waren Sie krankenversichert? Wie ha-<br />

ben Sie für das Alter vorgesorgt?<br />

Ich hatte eine Freiwillige Krankenversicherung bei der Schwäbischen Bauern-<br />

krankenkasse und eine kleine Lebensversicherung (10.000,- DM).<br />

Der Deutsche <strong>LandFrau</strong>enverband (dlv) forderte 1980 eine angemessene Teil-<br />

habe der Frau an der Alterssicherung des Mannes. Das dritte Agrarsoziale Er-<br />

gänzungsgesetz ermöglichte schließlich ab dem 1. Jan. 1986 den eigenen Aus-<br />

zahlungsanspruch der Bäuerin auf den Ehegattenzuschlag. Was änderte sich<br />

dadurch für die Frauen?<br />

Die Arbeitsgemeinschaft der drei <strong>LandFrau</strong>enverbände Baden-Württembergs for-<br />

derte 1980 für die Bäuerinnen einen eigenständigen Anspruch auf Altersrente<br />

und Erwerbsunfähigkeitsrente. Wir, die <strong>LandFrau</strong>en haben es geschafft, dass we-<br />

nigstens das Altersgeldsplitting durchgesetzt wurde – das heißt eigene Auszah-<br />

lung des Ehegattenzuschlags an die Bäuerinnen, auf Antrag. Wir ermutigten die<br />

Bäuerinnen den Antrag zu stellen, um endlich ein wenig eigenes Geld zu besitzen.<br />

22<br />

Ehrenpräsidentin Ruth Wößner erinnert sich noch gut daran, wie sich die <strong>LandFrau</strong>en<br />

für die Bäuerinnenrente einsetzten. Als frühere Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes<br />

Württemberg-Hohenzollern vor 1981 und 1994 hat sie die Entwicklung mitverfolgt.<br />

Steter Tropfen<br />

höhlt den Stein!<br />

– <strong>LandFrau</strong>en setzen sich für soziale<br />

Absicherung ein –<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

„Ich engagiere mich gern im <strong>LandFrau</strong>enverband, weil dieser<br />

ein offener, äußerst vielfältiger, lebendiger und starker Verband<br />

ist. Sehr wichtig für mich ist das Wirken des Verbandes als Interessenvertretung<br />

für Frauen und Familien im ländlichen<br />

Raum. Besonders am Herzen liegt mir dabei, der Politik immer<br />

wieder klarzumachen, dass eine gut ausgewogene Strukturförderung<br />

für Stadt und Land realisiert werden muss. Denn<br />

auch die Menschen auf dem Lande wollen gleichwertige Lebensverhältnisse,<br />

Arbeitsplätze, die Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf, die Kita und die Schule vor Ort sowie eine gute ärztliche<br />

Versorgung. Sich dafür einzusetzen und manchmal auch<br />

laut zu werden, lohnt sich!“<br />

Jutta Quoos, Vorsitzende des Brandenburger <strong>LandFrau</strong>enverbandes e.V.<br />

Es gab viele soziale Probleme im länd-<br />

lichen Raum. Viele intensive Gespräche<br />

folgten, mit den Bäuerinnen, der landwirt-<br />

schaftlichen Sozialversicherung (LSV),<br />

den bäuerlichen Organisationen und vor<br />

allem mit den Politikern. Stolz waren wir,<br />

dass der dlv 1986 die Kindererziehungs-<br />

zeiten (Anrechnung in der Rentenversi-<br />

cherung) auf den Weg gebracht haben,<br />

ebenso die Forderung nach einem Kin-<br />

dergartenplatz für alle Kinder ab drei Jah-<br />

re. Kleine Verbesserungen schafften wir<br />

im Bereich der Pflege.<br />

Was unternahmen die <strong>LandFrau</strong>en,<br />

um die Situation der Bäuerinnen weiter<br />

zu verbessern?<br />

Ruth Wössner<br />

1991 folgte die Gemeinsame Erklärung<br />

des dlv und seiner Landesverbände zur<br />

Agrarsozialreform (nach innen und au-<br />

ßen) und 1992 die Bundesratsinitiative<br />

Baden-Württembergs mit Unterschriften-<br />

aktion der <strong>LandFrau</strong>en zur Agrarsozialre-<br />

form. Da dachten wir: Es tut sich was,<br />

es geht was voran! Am 1. Juli 1993 kam<br />

dann die große Bestürzung. Die Reform<br />

wurde kurzfristig von der Tagesordnung<br />

bei der Kabinettsitzung der Bundesre-<br />

gierung gestrichen. Die Enttäuschung<br />

war sehr groß! Wir, die Verantwortlichen<br />

des dlv waren uns sicher gewesen, dass<br />

die guten Voraussetzungen diesmal für<br />

unsere Bäuerinnen umgesetzt würden.<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08<br />

<strong>LandFrau</strong>en für Agrarsoziale<br />

Sicherung<br />

1957 Gesetz über eine Altershilfe<br />

für Landwirte<br />

1972 Errichtung der LandwirtschaftlichenKrankenversicherung<br />

und Vervollständigung<br />

des agrarsozialen<br />

Sicherungssystems<br />

1980 <strong>LandFrau</strong>en streben eigene<br />

bis Rente an und fordern eine<br />

1994 angemessene Teilhabe der<br />

Frau an der Alterssicherung<br />

des Mannes<br />

1986 3. Agrarsoziales Ergänzungsgesetz<br />

mit Festlegung<br />

eines eigenen Auszahlungsanspruches<br />

der Bäuerin auf<br />

den Ehegattenzuschlag<br />

1986 Erstellung eines „Lückenkataloges“<br />

durch den dlv<br />

1986 Anrechnung der Kindererziehungszeiten<br />

in der gesetzlichen<br />

Rentenvers.<br />

1992 Erhöhung der Kindererziehungszeiten<br />

von 1 auf 3<br />

Jahre pro Kind<br />

1995 Gesetz über die Alterssicherung<br />

der Landwirte mit<br />

eigenständiger sozialrechtlicher<br />

Absicherung der<br />

Bäuerin u. Einführung der<br />

Defizithaftung<br />

1995 Gesetz zur gesetzlichen<br />

Pflegeversicherung mit<br />

Entgelt für häusliche Pflege<br />

sowie Anrechnung der<br />

Pflegezeiten in der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung<br />

2007 Elterngeld auch für Bäuerinnen<br />

<strong>2008</strong> Zusage, dass ab 2009 die<br />

landwirtschaftliche Krankenkasse<br />

an den Steuermitteln<br />

für die versicherungsfremden<br />

Leistungen<br />

aus dem geplanten Gesundheitsfonds<br />

beteiligt<br />

wird<br />

<strong>2008</strong> Pflege-Weiterentwicklungsgesetz<br />

Mit der Agrarsozialgesetzreform 1995 kam endlich die Bäuerinnenrente. Seit-<br />

dem sind die Bäuerinnen im Fall der Erwerbsunfähigkeit versichert und haben<br />

einen eigenen Anspruch auf eine Altersrente bei entsprechenden Beitragsleis-<br />

tungen. Sind Sie damit zufrieden? Fühlen Sie sich dadurch für Krankheit, Pflege<br />

und Alter gut abgesichert?<br />

Das Ergebnis des neuen Gesetzes ist aus Geldmangel des Bundes für Bäue-<br />

rinnen enttäuschend ausgefallen. Positiv war immerhin die sofortige, eigen-<br />

ständige Sicherung in der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) unter Berück-<br />

sichtigung der gemeinsam erworbenen Anrechnungszeiten und auch, dass die<br />

Familienversicherung in der Krankenkasse erhalten bleibt.<br />

Haben Sie den Eindruck, dass sich die <strong>LandFrau</strong>en für die Interessen der Bäu-<br />

erinnen einsetzen?<br />

Die <strong>LandFrau</strong>en setzen sich sehr für Interessen der Bäuerinnen ein, sie haben<br />

Priorität im Verband. Der soziale Bereich ist ja eine sehr schwierige Materie. In<br />

Baden-Württemberg haben viele Frauen sich sachkundig gemacht mit Schu-<br />

lungen, Seminaren, Infoveranstaltungen usw., um sich eine Meinung bilden und<br />

um mitreden zu können.<br />

Wie haben Sie die Entwicklung der sozialen Absicherung persönlich empfun-<br />

den? Was waren für Sie die wesentlichen Fortschritte für die Bäuerinnen? Hat<br />

es Ihnen zu lange gedauert, bis sich etwas für die Bäuerinnen verbesserte?<br />

Heute bin ich noch stolz darauf, wie viele Dinge wir, die <strong>LandFrau</strong>en, auf den Weg<br />

gebracht haben, mit wasserdichten, handfesten Argumenten und Sachverstand.<br />

Nur die soziale Absicherung der Bäuerinnen kam zu spät. Sie ist außerdem nur<br />

eine Minimalrente. Durch den großen Strukturwandel gingen viele Vorausset-<br />

zungen für die Absicherung verloren, so auch in vielen Fällen der Hofnachfolger.<br />

Sollten sich die <strong>LandFrau</strong>en stärker für die Bäuerinnen einsetzen? Was wün-<br />

schen Sie sich von den <strong>LandFrau</strong>en?<br />

Agrarsoziales<br />

Es zeigt sich, dass die <strong>LandFrau</strong>en sehr vorausschauend waren und noch sind.<br />

Sie kümmern sich um die Wurzeln, und das sind die Bäuerinnen. Vieles, was die<br />

Politik heute verwirklichen will, sind alte Forderungen der <strong>LandFrau</strong>en. Darum sa-<br />

ge ich immer: Liebe <strong>LandFrau</strong>en, bleibt dran, meldet euch zu Wort, macht euch<br />

sachkundig, legt den Finger in die Wunden. Nur gemeinsam sind wir stark!<br />

Das Gespräch führte Katja Gartz<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

weil Stadt<strong>LandFrau</strong>en im Bremer Landfrauenverein eine aktive<br />

Gemeinschaft bilden. Tief verwurzelt mit einer traditionsreichen<br />

Hansestadt kann man die Nähe zum Verbraucher und der Politik<br />

nutzen und den ländlichen Raum mitgestalten. Mit frischem<br />

Wind sehe ich der globalen Zukunft positiv entgegen.<br />

Marianne Schilling, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Bremen<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 23


Bildungsarbeit<br />

Harmonisch, kreativ und erfolgreich<br />

Die <strong>LandFrau</strong>en im Niedersächsischen Stade<br />

sind im Aufwärtstrend. Renate Kühlcke-Schmoldt,<br />

die Vorsitzende des Kreisverbands, weiß, worauf<br />

es bei der Bildungsarbeit ankommt.<br />

24<br />

Welche Bildungsveranstaltungen bietet der Verband der Land­<br />

frauenvereine Stade an, welche Themen und Veranstaltungs­<br />

arten? Was ist das Besondere an den Bildungsangeboten?<br />

Der Kreisverband bietet ausschließlich Fortbildungen an für<br />

Vorstandsdamen oder Landfrauen, die eine Arbeitsgemein-<br />

schaft leiten, z. B. im Floristikbereich. Weiterhin Rhetorik-<br />

kurse, Bausteine „Fit fürs Ehrenamt“, PC-Kurse u.a. Zusätz-<br />

lich laufen in diesem Jahr drei Schulungen à 16 Teilneh-<br />

merinnen zur „Seniorenbegleiterin“. In der Landwirtschafts-<br />

kammer sind bereits 50 Landfrauen für das Projekt „Kochen<br />

mit Kindern“ an Grundschulen von unserer Beraterin, der<br />

Dipl. Oecotrophologin Frau Karin Reinking, geschult worden.<br />

Thema: „Milch“, „Kartoffeln“, „Getreide“ und in nächster Zeit<br />

„Obst und Gemüse“. Diese Aktionen werden durch die Ver-<br />

eine und durch die Presse beworben. Alle Frauen, die mitma-<br />

chen, werden gebeten, in die Vereine einzutreten. Zusätzlich<br />

findet auf Kreisebene für alle Mitglieder, jährlich ein Besuch<br />

in der Hamburger Staatsoper statt, natürlich mit einem Ein-<br />

führungsabend unter der Leitung eines Musikpädagogen. In<br />

der Regel fahren 150 Frauen mit. Jedes zweite Jahr findet im<br />

Wechsel eine Kreisfahrt oder der Kreislandfrauentag statt.<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

... weil ich hier viele Freunde gefunden<br />

habe. Im direkten Kontakt mit den<br />

Frauen kann ich die besten Informationen<br />

über die Chancen und Risiken des<br />

Lebens auf dem Lande erhalten. Es ist<br />

das gemeinsame Ziel der <strong>LandFrau</strong>en<br />

und der Verantwortlichen in Politik und<br />

Gesellschaft, dass der ländliche Raum<br />

als Arbeits- und Lebensraum erhalten<br />

bleibt und an Attraktivität gewinnt. Land-<br />

Frauen übernehmen Verantwortung und<br />

engagieren sich für bessere Rahmenbedingungen<br />

in den Dörfern. Diese Bemühungen werde ich auf allen<br />

mir möglichen Ebenen auch künftig vorantreiben.<br />

Christa Klaß, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Rheinland-Nassau<br />

Die Vereinsvorsitzenden des Kreisverbandes Stade v.l.:<br />

Gundi Wist (Nordkehdingen), Anke Tiedemann (Oldendorf), Chris-<br />

ta Schliecker für Monika Stüven (Großenwörden), Anke Tiemann<br />

(Mulsum), Adelheid Rehder (Altes Land), Elke v. Holt (Kehdinger<br />

Moor), Anke Alpers (Stade), Anke Büther (Südkehdingen), Pe-<br />

tra Dammann (Auf dem Delm), Renate Wölfel (Harsefeld)<br />

Wie entwickeln und gestalten Sie das Bildungspro­<br />

gramm?<br />

Das Bildungsangebot in den Vereinen ist vielseitig, aktuell<br />

und bunt gemischt. Für alle Altersgruppen müssen wir et-<br />

was bieten: Kurse, Arbeitsgemeinschaften, Seminare aus<br />

folgenden Themenbereichen:<br />

● Sprachen, z. B. English for countrywomen, Plattdeusch,<br />

Spanisch für den Urlaub<br />

● Neue Medien, PC, digitale Fotobearbeitung, Excel, usw.<br />

● Sport und Gesundheit z. B. Yoga, Walking, Rückenschule,<br />

Beckenbodengymnastik<br />

● Kreatives, z. B. Malkurse, Schmuckherstellung, Floristik,<br />

Filzen, Wohneinrichtung<br />

● Ernährung, Kochen z. B. „Das perfekte Dinner“ für junge<br />

Leute, Kräuterküche, Mediterran genießen, „Mit gesun-<br />

der Ernährung abnehmen“<br />

● Singen: Sisa-Singe-Maus, neue Kinderlieder für Mütter,<br />

Großmütter und Kinder, Singkreise zu Ostern oder Weih-<br />

nachten<br />

● Unterhaltung: neue Gesellschaftsspiele, Doppelkopf-,<br />

Skat-, oder Bridge, Filmabende. Regelmäßig findet im<br />

Frühjahr auf einer erweiterten Vorstandssitzung ein reger<br />

Austausch statt. Wir berichten von unseren Erfahrungen,<br />

Tops und Flops, Empfehlungen werden weitergegeben.<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


Der Kreisvorstand Stade v. l.: Renate Kühlcke-Schmoldt, Käthe Höft,<br />

Karin Reinking, Ina Osterholz, Karin Kaminsky, Heide v. Limburg<br />

Mit welchen Partnern arbeiten Sie zusammen?<br />

1. LEB, ländliche Erwachsenen Bildung, Bezirksstelle Be-<br />

derkesa<br />

2. LWK, Landwirtschaftskammer, Beraterin Karin Reinking<br />

3. NLV, Niedersächsischer <strong>LandFrau</strong>enverband Hannover<br />

4. AHA, Andreas Hermes Akademie Bonn<br />

Die LEB ist unser wichtigster Partner, häufig werden vom<br />

NLV und der LEB gemeinsam Schulungen und Lehrgänge<br />

entwickelt, z. B. Seniorenbegleiterin. Für die Beratung der<br />

LWK bezahlen wir zwei Aufbaupakete jährlich.<br />

Haben sich die Inhalte des Bildungsprogramms in den ver­<br />

gangenen Jahren verändert?<br />

Die Themen der Vorträge und der Arbeitsgemeinschaften<br />

müssen aktuell, zeitgemäß und hochwertig sein!<br />

Vortragsthemen sind von aktuellen Tagesthemen abzuleiten,<br />

z.B. Klimaveränderungen, Tibet, neue Energien, Demografie,<br />

Frauenthemen, Gewalt gegen Frauen, Ernährung, gesell-<br />

schaftspolitische Themen und „Seelenfutter“ für Frauen.<br />

Welchen Einfluss hat das Bildungsprogramm auf die Ent­<br />

wicklung der Mitgliederzahlen? Welche Veranstaltungen<br />

wirken sich besonders stark aus?<br />

Zu den Arbeitsgemeinschaften kommen oft jüngere Frauen<br />

und auch neue Mitglieder, ebenfalls zu interessanten Vorträ-<br />

gen. Die Anfangszeiten müssen wechseln; vormittags, abends<br />

und nachmittags, auch am Wochenende findet etwas statt.<br />

Wie hoch sind Ihre Mitgliedsbeiträge? Wurden diese in<br />

letzter Zeit erhöht? Wenn ja, wie haben die Mitglieder da­<br />

rauf reagiert?<br />

Die Mitgliedsbeiträge sind in der Regel 16,– Euro, vier Ver-<br />

eine haben auf 20,– erhöht. Es gab bis jetzt keine großen<br />

Diskussionen, die Erhöhung wurde auf den Hauptversamm-<br />

lungen einstimmig beschlossen.<br />

Bildungsarbeit<br />

Reichen die Beiträge, um das Programm zu realisieren<br />

oder nutzen Sie noch andere Finanzierungsmöglichkeiten?<br />

In der Regel reichen die Beiträge. Die kleinen Vereine wer-<br />

den vom Kreisverband etwas stärker finanziell unterstützt.<br />

Die Vereine nehmen häufig an Aktionen teil, z.B. am Tag<br />

des offenen Hofes, Dorf- und Hoffesten, Regionalmessen<br />

u. a. Es wird nicht nur für soziale Zwecke gespendet, ein Teil<br />

darf durchaus in der eigenen Kasse bleiben.<br />

Der Kreisverband zehrt noch von einigen Kochbuchpro-<br />

jekten, und wir suchen oft Sponsoren und Partner, die uns<br />

bei Projekten und Vorhaben unterstützen.<br />

Sind Sie mit den Programmen des Kreisverbandes und<br />

der <strong>LandFrau</strong>envereine im Kreis Stade zufrieden?<br />

Auf Grund ständiger Mitgliederzuwächse in allen Vereinen<br />

sind wir, vom Kreisverband, zufrieden mit den Programmen.<br />

Wir hatten 1997 im Kreis Stade 3594 Mitglieder, und heute<br />

haben wird 5160! Viele Programme sind vorbildlich. Der An-<br />

teil der Arbeitsgemeinschaften sollte in mehreren Vereinen<br />

noch größer werden, denn dort gewinnen wir die meisten<br />

neuen Mitglieder. Aber daran werden wir gemeinsam arbei-<br />

ten. Insgesamt bieten die 10 Vereine ca. 250 Angebote!<br />

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Haben Sie Ideen,<br />

die sie gerne umsetzen möchten?<br />

Ich möchte weiterhin harmonisch, kreativ und erfolgreich<br />

mit meinem Vorstand, den Vorsitzenden und Vereinen zu-<br />

sammenarbeiten. Wir werden ständig neue Ideen aufgrei-<br />

fen, umsetzen und weiterempfehlen. Wir müssen aber be-<br />

denken, dass wir ehrenamtlich arbeiten und eine Familie<br />

hinter uns steht, die unser Ehrenamt mitträgt. Aber das<br />

wird uns gelingen!<br />

Das Gespräch führte Katja Gartz<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

„Unser zukunftsweisendes Netzwerk<br />

mit politischer Interessenvertretung,<br />

umfassendem Bildungsangebot und<br />

ehrenamtlichem Engagement, bietet<br />

enorme Chancen und vielfältige Möglichkeiten<br />

für alle Frauen jeder Generation.<br />

Mir sind als Vorstandsmitglied in<br />

der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung<br />

die soziale Absicherung sowie praxistaugliche<br />

Lösungen bei Existenzgründungen<br />

und Erwerbskombinationen ein<br />

besonderes Anliegen.“<br />

Marianne Anselm, Präsidentin des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Südbaden<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 25


Basis Ortsverein<br />

Auf die Basis kommt es an<br />

– Der Ortsverein Rödinghausen auf Erfolgskurs –<br />

Das ganze Jahr über sammelt Birgit<br />

Steinmeier Ideen für neue Veranstal-<br />

tungen: mündlich erzählte, eigene Vor-<br />

schläge sowie Wünsche, die ihre Mit-<br />

glieder aufgeschrieben haben. Damit<br />

das neue Programm im August er-<br />

scheinen kann, nimmt die Vorsitzende<br />

des Ortsvereins Rödinghausen jedes<br />

Jahr im Juni zwei Wochen Urlaub, um<br />

alles zu sortieren und zu gestalten.<br />

„Wir wählen nicht aus, wir versuchen<br />

alles umzusetzen“, sagt die <strong>LandFrau</strong><br />

des Jahres 2007. Dreimal vorgeschla-<br />

gen, aber nicht angeboten – das gibt<br />

es in ihrem Verein nicht. Das Pro-<br />

gramm ist bunt, vielseitig und ab-<br />

wechslungsreich, aber nicht beliebig.<br />

Die Vorstandsfrauen legen Wert auf<br />

Niveau und gute Arbeit mit Kontinui-<br />

tät. Ihr Konzept ist erfolgreich. Unter<br />

der Vorsitzenden Birgit Steinmeier ist<br />

die Mitgliederzahl von 198 auf 426 ge-<br />

stiegen. Seit 1990 übt sie das Amt<br />

mit viel Freude und Spaß aus. Stein-<br />

meiers Zauberwort lautet: Ausprobie-<br />

26<br />

ren. Viele Vereine trauen sich das<br />

nicht, meint die Vorsitzende.<br />

Im Zentrum ihrer <strong>LandFrau</strong>enarbeit<br />

steht das Interesse an Frauen in ver-<br />

schiedenen Lebenslagen, Offenheit<br />

und Respekt gegenüber unterschied-<br />

lichen Lebensmodellen und ein ge-<br />

meinschaftliches Miteinander. Sepa-<br />

rate Gruppen für Seniorinnen gibt es<br />

deshalb nicht, die Angebote sind im-<br />

mer offen für alle Frauen. So schauen<br />

sich bei einer Dessous-Party 26- und<br />

über 70-Jährige zusammen schöne<br />

Unterwäsche an. „Bei uns treffen sich<br />

junge und alte Frauen, Singles, Allein-<br />

erziehende und Witwen“, berichtet<br />

Steinmeier. Die Interessen aller wer-<br />

den vom Ortsverein berücksichtigt,<br />

Gäste sind jederzeit willkommen.<br />

Wichtiger Bestandteil des Programms<br />

ist die Bildungsarbeit in Form von<br />

Kursen, Vorträgen, Fahrten und regel-<br />

mäßigen Gruppentreffen. Zur Förde-<br />

rung der beruflichen und allgemeinen<br />

Weiterbildung bietet der Verein bei-<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

... weil es Spaß macht, etwas zu bewegen. Durch meine langjährige<br />

Tätigkeit als ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde<br />

Rammenau erhalte ich regelmäßig Eindrücke des oft zurückgezogenen<br />

Lebens der Frauen und Mädchen auf dem Land. Mit<br />

meinen Erfahrungen will ich dazu beitragen, dass es sich auch<br />

für die Zukunft lohnt, auf dem Lande zu leben.<br />

Meine Schwerpunkte setze ich darauf, die Projekte zur gesunden<br />

Ernährung, zur Gesundheitsvorsorge und Stärkung des bürgerschaftlichen<br />

Engagements der Landfrauen in Sachsen bekannt<br />

zu machen. Der große Zuspruch in den Gemeinden und<br />

Dörfern macht mir Mut, dass wir auf dem richtigen Weg sind.<br />

Hiltrud Snelinski, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Sachsen<br />

Ein Motorsägenführerschein für <strong>LandFrau</strong>en<br />

ist erfolgreiches Angebot in Rödinghausen<br />

spielsweise: Computerkurse, einen<br />

Motorsägeführerschein für Frauen,<br />

Wissenswertes über Venenerkran-<br />

kungen, über Vorsorgevollmachten,<br />

über Rechte am Arbeitsplatz sowie<br />

über Strategien zur Haushaltsorgani-<br />

sation. In Kreativkursen werden Mode-<br />

schmuck, Bücher und Aromaseifen<br />

selbst hergestellt. Diavorträge infor-<br />

mieren über Andalusien, eine Studien-<br />

reise führt nach Südengland, eine<br />

Radwanderung nach Berlin. Die Be-<br />

sichtigung des Druck- und Verlags-<br />

hauses der Zeitung „Neue Westfä-<br />

lische“ gehört ebenso zum Programm<br />

wie Bastelkurse für Mütter und Kinder<br />

oder Kochkurse für Männer.<br />

Die Aktivitäten der <strong>LandFrau</strong>en sind<br />

gefragt: Im Jahr 2006 nahmen 2702<br />

Teilnehmer an insgesamt 122 Veran-<br />

staltungen teil. „Der <strong>LandFrau</strong>enver-<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


and ist unsere Volkshochschule“, so<br />

Ernst-Wilhelm Vortmeyer (SPD), der<br />

Bürgermeister von Rödinghausen.<br />

Birgit Steinmeier setzt vor allem auf<br />

die aktive Beteiligung der Mitglieder,<br />

nur ein geringer Teil der Veranstaltun-<br />

gen besteht aus Vorträgen, an denen<br />

die <strong>LandFrau</strong>en passiv teilnehmen.<br />

Neben der Bildungsarbeit macht sich<br />

der Ortsverein Rödinghausen im Lan-<br />

desverband Westfalen-Lippe auch für<br />

die Vertretung der berufsständischen<br />

Interessen der Frauen in der Landwirt-<br />

schaft und die Öffnung der Höfe stark.<br />

Jährlich finden Besuche ländlicher Be-<br />

triebe und Biogasanlagen statt, um<br />

den Austausch von Erzeugern und Ver-<br />

brauchern zu fördern. Außerdem wer-<br />

den die Betriebe als Veranstaltungsort<br />

genutzt, beispielsweise für den Kurs<br />

„Woher kommt die Wolle?“, für Vorträ-<br />

ge über Riester-Rente oder Erbrecht.<br />

Auf Ortsebene wird ebenso die allge-<br />

meine Weiterbildung von Kindern und<br />

Jugendlichen gefördert. So finden für<br />

14- bis 17-Jährige Babysitterkurse statt,<br />

für Kinder Erlebnistage rund um die<br />

Kartoffel sowie Strickgruppen. Außer-<br />

dem engagieren sich die <strong>LandFrau</strong>en<br />

an einer offenen Ganztagsschule in<br />

der Nachbarschaft. Sie backen, ko-<br />

chen, spielen, basteln mit den Schü-<br />

lern oder lesen vor. Auch in den Ferien<br />

bieten die Frauen Nachmittagspro-<br />

gramme an.<br />

Aktiv ist der Verein ebenfalls bei der<br />

Mitgestaltung des sozialpolitischen<br />

Lebens. Ein Beitrag dazu ist das Dorf-<br />

marketing, um den ländlichen Raum<br />

attraktiver zu gestalten. Die Land-<br />

Frauen riefen 2005 mit der Grund-<br />

steinlegung ein Backhaus ins Leben,<br />

das zum Lichterfest am zehnten Au-<br />

gust dieses Jahres eingeweiht werden<br />

soll. „Wir wollen Spuren hinterlassen“,<br />

sagt Birgit Steinmeier, die eine halbe<br />

Stelle beim Evangelischen Dorfhelfe-<br />

rinnenwerk besitzt. Sie setzte sich für<br />

eine <strong>LandFrau</strong>enallee in Rödinghausen<br />

ein, in der jährlich zum Tag der Region<br />

ein Baum gepflanzt wird. Außerdem<br />

gestalteten die <strong>LandFrau</strong>en einen Gar-<br />

ten im Ortskern und verhinderten die<br />

Errichtung einer Spielhalle. Damit der<br />

Bürgermeister die <strong>LandFrau</strong>en gleich<br />

zu Beginn seiner Amtszeit kennen-<br />

lernt, bekommt er von ihnen eine Ern-<br />

tekrone überreicht.<br />

Präsenz zeigt der <strong>LandFrau</strong>enverein<br />

zudem durch die Zusammenarbeit mit<br />

anderen Verbänden und Institutionen,<br />

beispielsweise mit Kirchengemeinden,<br />

dem Roten Kreuz und Naturschutzver-<br />

bänden. Kontakte werden auch zu den<br />

<strong>LandFrau</strong>enverbänden in Mussbach-<br />

Pfalz, Thüringen und in Polen ge-<br />

pflegt.<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Evelyn Moscherosch, Präsidentin des LFV Hessen<br />

Besonders beliebt sind bei den Land-<br />

Frauen aus Rödinghausen Kreativ-<br />

kurse wie Vogelhäuschen basteln oder<br />

Malen mit Acrylfarben sowie Wellness-<br />

und Bewegungsangebote – Qi Gong,<br />

Basis Ortsverein<br />

weil ich die Arbeit für die Frauen auf dem Lande für unverzichtbar<br />

halte! Kein Verband kann dies besser, weil wir in nahezu allen<br />

Städten und Gemeinden durch starke Ortsvereine repräsentiert<br />

sind und von starken Frauen „vor Ort“ die genau wissen, worauf<br />

es ankommt. Mit unseren 53.000 Mitgliedern sind wir der mitgliederstärkste<br />

Frauenverband und deshalb nicht nur berechtigt,<br />

sondern verpflichtet, die Interessen der Frauen zu vertreten.<br />

Hierfür stehe ich ganz persönlich. Ich habe mich seit 31 Jahren<br />

der <strong>LandFrau</strong>enarbeit verschrieben und dazu beigetragen, dass<br />

unsere Organisation in Hessen großen Einfluss gewonnen hat.<br />

Die unterschiedlichen<br />

Angebote des Ortsver-<br />

eins bilden zusammen<br />

einen bunten Strauß,<br />

der die gemeinsamen<br />

Veranstaltungen belebt<br />

Wirbelsäulengymnastik, Stretching.<br />

Für Frühaufsteherinnen und Frauen,<br />

die vor der Arbeit Sport treiben wollen,<br />

findet um sechs Uhr morgens Sonnen-<br />

aufgangsfitness statt. Passend zum<br />

Tagesablauf der Zielgruppe finden die<br />

Veranstaltungen von früh bis spät und<br />

auch am Wochenende statt. „Wir ha-<br />

ben lange an einem funktionierenden<br />

Programm gearbeitet“, berichtet Stein-<br />

meier. Die obligatorische Versamm-<br />

lung um 14.30 Uhr laufe heute nicht<br />

mehr. Erforderlich seien Strategien,<br />

um Frauen mit unterschiedlichen Zeit-<br />

fenstern zu erreichen. Bei der Pro-<br />

grammgestaltung nutzt die Vorsitzen-<br />

de auch die Qualifikationen ihrer Mit-<br />

glieder. So informiert eine Innenarchi-<br />

tektin über Raumgestaltung, eine<br />

Deutschlehrerin veranstaltet Literatu-<br />

rabende. Neben einem ansprechenden<br />

Programm ist für Steinmeier auch die<br />

Stimmung im Verein entscheidend.<br />

„Wir sind im Vorstand ein gutes Team<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 27


Basis Ortsverein<br />

mit zwölf Frauen und haben Spaß<br />

bei der Landfrauenarbeit“, sagt die<br />

55-Jährige. Das wirke sich auch auf ih-<br />

re Aktivitäten aus. Wichtig sei es, pas-<br />

sende Orte und Gelegenheiten zu<br />

schaffen, zu denen andere gerne kom-<br />

men.<br />

Da in der Region viele Nebenerwerbs-<br />

landwirte ansässig sind und somit we-<br />

nig Bäuerinnen, hat sich der Ortsver-<br />

ein gegenüber anderen Frauen sehr<br />

früh geöffnet. Neben der Gattin des<br />

Bürgermeisters sind Geschäftsfrauen,<br />

die Leiterin des Kinderhauses sowie<br />

die der Bücherei und viele andere ver-<br />

treten. Dabei zu sein gilt als schick,<br />

die <strong>LandFrau</strong>en in Rödinghausen sind<br />

in. Damit hat der Ortsverband eine ho-<br />

he Stellung in der Gemeinde.<br />

Neue Mitglieder kommen, weil sie mit-<br />

machen wollen und von dem Verein<br />

überzeugt sind. „Ich habe noch nie ei-<br />

ne Frau gefragt, ob sie bei uns eintre-<br />

ten will“, sagt Steinmeier. Viele kom-<br />

men dreimal gucken, sind erst als<br />

Gast dabei und wollen dann Mitglied<br />

werden. „Sobald die Mitgliederwer-<br />

bung krampfhaft wird, ist sie erfolg-<br />

los“, berichtet die diplomierte Oeco-<br />

trophologin. Obwohl die jüngste Land-<br />

Frau in Rödinghausen 26 Jahre alt ist,<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

<strong>LandFrau</strong>enarbeit ist für mich soziales Engagement. Ohne die<br />

Bildungsangebote des <strong>LandFrau</strong>enverbandes, würde den Hamburger<br />

Landgebieten eine großartige Institution verloren gehen<br />

und viele Chancen unbemerkt bleiben. Als Brückenschlag zwischen<br />

Tradition und Moderne, veranstaltet der Verband regelmäßige<br />

Begegnungen der Landfrauen mit Vertreterinnen aus Politik,<br />

Kirche und den grünen Verbänden. Ich würde mich freuen,<br />

wenn sich noch viele Frauen unseren Ortsvereinen anschließen<br />

würden, um die Weiterbildungsmöglichkeiten im ländlichen<br />

Raum zu nutzen.<br />

Elke Stubbe, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Hamburg<br />

Als Vorsitzende des Ortsvereines Rödinghausen wurde Birgit Steinmeier <strong>LandFrau</strong> des<br />

Jahres 2007. Dazu gratulierte auch Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Die Erhaltung und Stärkung des ländlichen Raumes im Kontext<br />

mit der Interessenvertretung der Frauen, der Dorfgestaltung, der<br />

Entwicklung der Infrastruktur, der Erhaltung der Umwelt sowie<br />

der Kultur- und Brauchtumspflege ist für mich eine wichtige Aufgabe.<br />

Dabei kommt es mir darauf an, die Stellung der Landfrauen<br />

im gesellschaftlichen und berufsständischen Leben zu<br />

fördern, ihre Belange auf sozialem, kulturellem und wirtschaftlichen<br />

Gebiet zu vertreten und für ihre Betreuung und Unterstützung<br />

auch im privaten Bereich zu sorgen.<br />

Gerlind Bartl, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Thüringen<br />

28<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


zählen zu den jüngeren Mitliedern vor<br />

allem die 30- bis 40-Jährigen, die größ-<br />

te Gruppe ist zwischen 50 und 65 Jah-<br />

re alt.<br />

Um verstärkt jüngere Frauen zu gewin-<br />

nen, entwickelten die zwölf Vorstands-<br />

frauen maßgeschneiderte Angebote<br />

und gingen auf Wünsche ein. So hat-<br />

ten beispielsweise drei Frauen die<br />

Idee einer Seifenwasser-Party für Kin-<br />

der. Veranstaltet wurde diese anschlie-<br />

ßend mit acht Müttern und zwölf Kin-<br />

dern ab zwei Jahren auf dem Hof von<br />

Birgit Steinmeier. Mit Seifenwasser<br />

können sich Mütter und Kinder seit-<br />

dem regelmäßig vergnügen. Außer-<br />

dem gibt es Bollerwagenrennen für El-<br />

tern mit Kindern ab drei Jahren sowie<br />

Märchenabende, Schatzsuchen und<br />

Familienausflüge. Informationsabende<br />

mit Politkern zum Kinderbetreuungs-<br />

gesetz gehören auch zum Programm.<br />

Da diese Angebote gut angenommen<br />

werden, haben sich die Veranstal-<br />

tungen für Frauen mit Kindern und de-<br />

ren Familien zu einem Schwerpunkt<br />

der Vereinsarbeit entwickelt. Ganz ne-<br />

benbei wirken sich diese positiv auf<br />

das Image des <strong>LandFrau</strong>envereins<br />

aus, ebenso wie die Betreuung von<br />

Tschernobyl-Kindern auf Bauernhöfen,<br />

die Teilnahme am Kliver Markt mit Ro-<br />

te-Grütze-Verkauf, die Wanderungen<br />

„<strong>LandFrau</strong>en erkunden ihre Dörfer“,<br />

das 70-jährige <strong>LandFrau</strong>en-Jubiläum<br />

2005 und die Einrichtung einer Ver-<br />

eins-Homepage. Eine gute Öffentlich-<br />

keitsarbeit und Medienpräsenz in lo-<br />

kalen Zeitungen, Radio- und Fernseh-<br />

sendungen unterstützen den Ortsver-<br />

ein zusätzlich.<br />

Wegen der breiten Anerkennung der<br />

<strong>LandFrau</strong>enarbeit stieß eine Beitrags-<br />

erhöhung vor vier Jahren von 20 auf<br />

25 Euro nicht auf Widerstand. „Da hat<br />

keiner gemosert“, sagt Steinmeier.<br />

Sie betrachtet dies als Wertschätzung,<br />

ebenso die Spenden von Gemeinde-<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Basis Ortsverein<br />

Die gesellschaftlich und politisch relevanten Aktivitäten des<br />

<strong>LandFrau</strong>enverbandes sind für mich eine maßgebliche Motivation,<br />

da sie entscheidende Weichen für die Zukunft stellen. Aber<br />

auch die identitätsstiftende Funktion unserer Organisation, unter<br />

deren Dach sich Frauen jeden Alters und aller Berufe zusammenfinden,<br />

ist für mich ein wichtiger Grund für meine Arbeit im<br />

Verband.<br />

Silvia Zöller, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Rheinhessen<br />

vertretern, die helfen, eine attraktive<br />

Vereinsarbeit zu finanzieren.<br />

Nach ihrem Rücktritt als Vorsitzende<br />

in zwei Jahren, will sie anderen Verei-<br />

nen bei Bedarf beratend zu Seite ste-<br />

hen. Doch bis dahin hat die aktive<br />

<strong>LandFrau</strong> noch viele Ideen, beispiels-<br />

weise einen Reitkurs für Frauen über<br />

50 Jahre oder „Management at Home“,<br />

um die Alltagskompetenz junger Frau-<br />

en zu stärken.<br />

Katja Gartz<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 29


Aktive Politik<br />

Zukunft gestalten<br />

– <strong>LandFrau</strong>en machen Politik –<br />

Mit dem Ziel, die Lebensbedingungen<br />

der Frauen auf dem Land und die Infra-<br />

struktur der Dörfer zu verbessern, setzte<br />

sich Marie-Luise Gräfin Leutrum für die<br />

<strong>LandFrau</strong>enarbeit ein. Sie wäre sicher<br />

stolz darauf, dass der von ihr gegründe-<br />

te Deutsche <strong>LandFrau</strong>enverband sein<br />

60-jähriges Bestehen feiert. Ob Gräfin<br />

Leutrum ahnte, dass ihre Ziele bis heu-<br />

te nichts an Aktualität einbüßen wür-<br />

den? Vielleicht. Schließlich gilt es da-<br />

mals wie heute Antworten auf die zen-<br />

tralen Fragen zu finden: Wie wollen wir in<br />

ländlichen Regionen leben? Was fehlt<br />

uns? Und was wollen wir ändern oder<br />

verbessern?<br />

Die Antworten darauf mit Leben zu fül-<br />

len, Initiativen, Projekte und Programme<br />

zu entwickeln und umzusetzen, den Aus-<br />

tausch und die Zusammenarbeit mit Partnern und Politikern zu fördern, bedeu-<br />

tet stets die Interessen der Frauen im ländlichen Raum auf vielen verschie-<br />

denen Wegen zu vertreten. Hier ist der Einsatz des Bundesverbandes, der<br />

Landes- und Ortsgruppen sowie der Mitglieder gefragt. Da die Ziele bleiben,<br />

aber sich die Herausforderungen ändern, spielen für die Weiterentwicklung der<br />

<strong>LandFrau</strong>enarbeit Kontakte zu Politikern eine entscheidende Rolle. Besonders<br />

nah am Geschehen in Parteien, Landtagen oder Ministerien sind die Politike-<br />

rinnen unter den <strong>LandFrau</strong>en, die sich mit ihren Möglichkeiten für die Interes-<br />

sen von Frauen in ländlichen Regionen stark machen.<br />

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zählt für Maria Westerhorstmann zu<br />

den wichtigsten Themen. Sie ist als Landwirtin und Vorstandsmitglied des<br />

30<br />

Die Abgeordnete im Europaparlament Christa Klaß gratuliert mit Kollegen aus<br />

dem Europaparlament Angela Merkel zur Wahl als Bundeskanzlerin<br />

Westfälisch-Lippischen <strong>LandFrau</strong>enver-<br />

band aktiv sowie Landtagsabgeordnete<br />

in Nordrein-Westfalen. „Damit junge<br />

Mütter in die Berufstätigkeit zurückkeh-<br />

ren können, müssen sich die Land-<br />

Fauen um Kinderbetreuung kümmern“,<br />

sagt Westerhorstmann. Um die Be-<br />

schäftigung von Frauen zu fördern, legt<br />

sie Wert auf berufliche Qualifizierungen<br />

und Unterstützung beim Aufbau von Exis-<br />

tenzgründungen oder Einkommens-<br />

kombinationen. Deshalb setzte sie sich<br />

beispielsweise für die Weiterbildungs-<br />

angebote zur Agrarbürofachfrau und<br />

den Aufbau des <strong>LandFrau</strong>enservice ein,<br />

der mit Bauerncafés und anderen<br />

Aktivitäten Einkommensalternativen<br />

schafft. „Damit besetzten wir auf dem<br />

Arbeitsmarkt Nischen, setzten aber ein<br />

Umdenken in Gang, das für die Zukunft<br />

wichtig ist“, sagt CDU-Politikerin Wes-<br />

terhorstmann. So sollten die Land-<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


Frauenverbände mehr Bildungspro-<br />

gramme anbieten, die Frauen auch be-<br />

ruflich nützen und weiterbringen.<br />

Schließlich ist der ländliche Raum für<br />

Frauen und Familien nur attraktiv, wenn<br />

Einkommensmöglichkeiten vorhanden<br />

sind. Damit Alltagskompetenzen in un-<br />

serer Gesellschaft nicht verloren ge-<br />

hen, haben der Westfälisch-Lippische<br />

<strong>LandFrau</strong>enverband und die Rheinische<br />

Landfrauenvereinigung das Aktionspro-<br />

gramm „management@home – Familie<br />

gewinnt Zukunft“ ins Leben gerufen.<br />

Ziel ist, ein Umdenken in der Gesell-<br />

schaft in Gang zu setzen: Die vielfäl-<br />

tigen Aufgaben im Haushalt sollen eine<br />

höhere Anerkennung erfahren und die<br />

Kompetenzen der Haus- und Familien-<br />

arbeit verbessert werden.<br />

Bei ihren Tätigkeiten für Politik und<br />

<strong>LandFrau</strong>en sieht Maria Westerhorst-<br />

mann viele Querschnittsaufgaben. So<br />

engagiert sie sich politisch im Arbeits-<br />

kreis Ländlicher Raum beispielsweise<br />

für generationenübergreifendes Zusam-<br />

menleben. „Frauen, die Beruf und Fami-<br />

lie verbinden wollen, werden stärker<br />

vom demografischen Wandel betroffen<br />

sein“, erklärt Westerhorstmann. Wenn<br />

die Infrastruktur schwächer wird, sei es<br />

schwieriger, beides unter einen Hut zu<br />

bekommen. Um dem entgegenzuwirken,<br />

gibt es für Westerhorstmann viele klei-<br />

ne Stellschrauben. Sie bedauert, dass<br />

die <strong>LandFrau</strong>en ihr Potential nicht aus-<br />

schöpfen. „Sie sollten ihre Positionen<br />

stärker in politische Gremien und in<br />

den Landtag einbringen“, sagt die Poli-<br />

tikerin. Die Frauen, die auf dem Land<br />

leben, wüssten, woran es mangelt, was<br />

bei Infrastruktur, Mobilität, Bildung und<br />

Beruf geändert und verbessert werden<br />

muss. Um ihr Wissen einzubringen und<br />

den ländlichen Raum mitzugestalten,<br />

sollten sie Kontakte zu Abgeordneten<br />

persönlich wie schriftlich intensiver nut-<br />

zen. Stattdessen würden sich Land-<br />

Frauen zu häufig mit sich selbst, mit ihren eigenen Strukturen und ihren Hobbys<br />

beschäftigen. „Viele Frauen sind sehr gut informiert, engagieren sich sehr in<br />

Schulen und Kirchengemeinden, nur nicht in der Politik“, beklagt Westerhorst-<br />

mann. Dabei sei dort Basis- und keine abgehobene Arbeit gefragt und Klinken-<br />

putzen gehöre zu vielen Tätigkeiten dazu.<br />

Auch für Marlene Mortler, Mitglied des Deutschen Bundestags, gehört die Ver-<br />

einbarkeit von Familie und Beruf im ländlichen Raum zu den größten und wich-<br />

tigsten Herausforderungen. Die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin setzt sich<br />

in zahlreichen Funktionen als <strong>LandFrau</strong> und CSU-Politikerin für die Lebensbe-<br />

dingungen in ländlichen Regionen ein. Sie ist Mitglied des Ausschusses Ernäh-<br />

rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Vorsitzende des Tourismusaus-<br />

schusses sowie stellvertretende Vorsitzende der <strong>LandFrau</strong>en in Bayern und<br />

Vorsitzende der <strong>LandFrau</strong>en in Mittelfranken. „Als Politikerin kann ich mich kon-<br />

kret für die Belange der <strong>LandFrau</strong>en einsetzen und eher Erfolge erreichen“,<br />

sagt die 52-Jährige. Mortler lebt im ländlichen Raum, kommt aus der Landwirt-<br />

schaft und weiß aus eigener Erfahrung um die Herausforderungen der Regi-<br />

onen. „Sie sind der Wirtschafts- und Lebensraum für zwei Drittel der Bayrischen<br />

Bevölkerung, deshalb mache ich mich in zuständigen Ausschüssen dafür stark,<br />

dass die Interessen der Menschen im ländlichen Raum gewahrt werden“, sagt<br />

die <strong>LandFrau</strong>, die ebenfalls Kreisrätin im Nürnberger Land und Präsidiumsmit-<br />

glied des Deutschen Bauernverbands ist. So konnte sie eine Reform der Land-<br />

wirtschaftlichen Unfallversicherung auf den Weg bringen, um diese beitragssta-<br />

bil und zukunftssicher zu halten. Auch für die Landwirtschaftliche Krankenver-<br />

sicherung (LKV) machte sie sich stark. „Mit Inkrafttreten des Gesundheits-<br />

fonds sollte die LKV ab 2009 als einzige gesetzliche Krankenversicherung von<br />

den Bundeszuschüssen ausgenommen werden“, erklärt Mortler. Um dies zu<br />

verhindern, wandte sie sich an Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer<br />

(CSU), damit er sich im Bundeskabinett dagegen einsetzt. „Er konnte Bundes-<br />

gesundheitsministern Ulla Schmidt (SPD) überzeugen, im Kabinett ist die Än-<br />

derung bereits beschlossen, jetzt muss sie nur noch in Kraft treten“, berichtet<br />

Mortler.<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Aktive Politik<br />

... weil <strong>LandFrau</strong>en bereit sind, couragiert Verantwortung zu übernehmen.<br />

Mit Können, Charme und Nachdruck geben sie dem<br />

ländlichen Raum neue Impulse durch das Erkennen und Nutzen<br />

eigener Potentiale. Mit einem breitgefächerten Informations–<br />

und Bildungsangebot, profilierter Interessenvertretung und innovativen<br />

Aktivitäten, aber auch mit der Pflege und Weitergabe von<br />

Gemeinschaftssinn, Miteinander, Kultur und Brauchtum sind<br />

<strong>LandFrau</strong>en Herz und Motor für aktives und attraktives Leben<br />

auf dem Land. Mit ihrer weltweiten Vernetzung wirken sie aktiv<br />

mit am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dialog.<br />

<strong>LandFrau</strong>en und ihr ehrenamtliches Engagement gehören<br />

für mich mit zu dem Wertvollsten, was diese Gesellschaft hat.<br />

Brigitte Scherb, Vorsitzende des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Niedersachen-Hannover (NLV)<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 31


Aktive Politik<br />

Besondere Chancen sieht sie für den ländlichen Raum in der Reise- und Tou-<br />

rismuswirtschaft, weil die Beschäftigungsverhältnisse in dieser Branche nicht<br />

exportierbar sind. Bereits heute sichert das Geschäft mit dem Urlaub von der<br />

Ostsee bis zu den Alpen knapp drei Millionen Arbeitsplätze. „Wir sind gut bera-<br />

ten, die Rahmenbedingungen für die Wachstumsbranche Tourismus so zu ge-<br />

stalten, dass sie im globalen Ringen um die Gunst der Reisenden wettbewerbs-<br />

fähig ist und bleibt“, so Marlene Mortler. Um beispielsweise den Tourismus-<br />

zweig „Urlaub auf dem Bauernhof“ in Deutschland zu stärken, bringt sie einen<br />

Antrag in den entsprechenden Ausschuss ein. „Der Städtetourismus boomt,<br />

die Zahlen in ländlichen Regionen stagnieren, um diese zu verbessern, brau-<br />

chen wir ein anderes Bewusstsein“, sagt die Bundestagsabgeordnete. Als<br />

<strong>LandFrau</strong> setzt sie sich zudem für ein anderes Bewusstsein im Umgang mit den<br />

Ressourcen ein, beispielsweise durch Hauswirtschaft in den Schulen. Von den<br />

<strong>LandFrau</strong>en wünscht auch sie sich, dass sie stärker zu Themen, die sie und die<br />

Familien betreffen, Stellung nehmen und aktuelle Diskussionen dazu als An-<br />

lass nutzen. Laut Mortler wäre es ein Vorteil, wenn die Bereiche Agrar- und So-<br />

zialpolitik, Ernährung und Öffentlichkeitsarbeit durch mehr hauptamtliche Mit-<br />

arbeiter verstärkt würden.<br />

„Frauen sind der Motor im ländlichen Raum“, sagt Christina Lehmann, die<br />

Vorsitzende des KreislandFrauenverbandes Elbe-Elster in Südbrandenburg.<br />

Ihr Ziel ist es, das Leben in den Dörfern lebenswert und sozial gerecht zu ge-<br />

stalten, den Menschen eine Perspektive zu geben und zu zeigen, dass sie<br />

noch gebraucht werden. Dabei ist ihre Zielgruppe weit über 50 Jahre alt. Ihre<br />

eigenen Kinder sind wie viele andere jüngere Menschen weggezogen, dahin,<br />

wo es Arbeitsplätze gibt. Für die, die noch da sind, heißt es Schadensbegren-<br />

zung zu betreiben. Als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung Schöne-<br />

walde und Politikerin der Kreistagsfragktion (Die Linke) engagiert sie sich im<br />

Entwicklungsausschuss, nutzt ihre Kontakte zur Gleichstellungsbeauftrag-<br />

ten, engagiert sich in dem von der Bundesanstalt für Arbeit geförderten Netz-<br />

werk Chancengleichheit für Arbeitsplätze, Frauen und Familien sowie in loka-<br />

le Aktionsgruppen im Rahmen des LEADER-Programms. Das von der Europä-<br />

ischen Union geförderte Programm der Deutschen Vernetzungsstelle Länd-<br />

liche Räume in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ermög-<br />

licht Projekte zur Vermarktung regionaler Produkte, zu Einsatzmöglichkeiten<br />

neuer Informationstechnologien, zu Landtourismus und Regionalentwick-<br />

lung. Bei dem Einsatz für bessere Lebensbedingungen der <strong>LandFrau</strong>en ist für<br />

Christina Lehmann die Person entscheidend und nicht die politische Funkti-<br />

on. Als Veranstaltungsort nutzen die <strong>LandFrau</strong>en einen alten Bauernhof, der<br />

zu einem Naturschutzzentrum umgewandelt wurde. Hier machte sich die di-<br />

plomierte Landwirtin Lehmann auch für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />

oder Kombi-Lohn-Stellen für Frauen stark. „Durch ihre Arbeit im Naturschutz-<br />

zentrum haben sie Erfolgserlebnisse, spüren, dass sie gebraucht werden<br />

und haben Kontakt zu anderen“, erzählt die <strong>LandFrau</strong>. Ansonsten sei der<br />

Friedhof der einzige Treffpunkt. Eine Post und einen Kindergarten gibt es<br />

nicht mehr. Die Angebote der Ortsvereine will sie vorantreiben, um die Infra-<br />

struktur zu verbessern. Eine Strategie dafür hat sie mit ihren Mitsteiterinnen<br />

bereits entwickelt.<br />

32<br />

Maria Westerhorstmann ist Abgeordnete<br />

im Landtag von Nordrhein-Westfalen<br />

Marlene Mortler ist Bundestagsabgeordnete<br />

Auf Kreis- und auf europäischer Ebene<br />

engagiert sich Christa Klaß für die Situ-<br />

ation von Frauen in ländlichen Regi-<br />

onen. Die CDU-Politikerin ist Mitglied im<br />

Europäischen Parlament und Vorsitzen-<br />

de des <strong>LandFrau</strong>enverbands Rheinland-<br />

Nassau. In Rheinland-Pfalz setzte sich<br />

die Mitunternehmerin in einem selb-<br />

ständigen Weinbaubetrieb beispiels-<br />

weise für den Erhalt der Ernährungsbe-<br />

ratungen ein. „Als das Beratungsfach-<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


personal eingespart werden sollte,<br />

konnte ich die Stimmen der FDP gewin-<br />

nen, um die Einsparung abzuwenden“,<br />

berichtet die 56-Jährige. Damit war den<br />

<strong>LandFrau</strong>enverbänden sehr geholfen.<br />

Schließlich blieben ihnen so die Refe-<br />

rentinnen und Schulungsleiterinnen für<br />

Kinderkochkurse und andere Veranstal-<br />

tung zum Thema Ernähung erhalten.<br />

Christa Klaß bedauert ebenfalls, dass<br />

sich immer noch zu wenige Frauen in<br />

der Politik engagieren. „Viele trauen<br />

sich nicht“, sagt die <strong>LandFrau</strong>, die auch<br />

Präsidiumsmitglied des Bauern- und<br />

Winzerverbands Rheinland-Nassau und<br />

Vorstandsmitglied der Landwirtschafts-<br />

kammer Rheinland-Pfalz ist. Um die po-<br />

litische Motivation der Frauen in länd-<br />

lichen Regionen zu wecken, veranstal-<br />

tet ihr <strong>LandFrau</strong>enverband zum dritten<br />

Mal parallel zum <strong>LandFrau</strong>entag auf<br />

Landesebene die Aktion „Frauen in Par-<br />

lamenten“ mit Ministerinnen und Abge-<br />

ordneten. Fragen zu politischen Funkti-<br />

onen oder dazu, wie Frauen auf eine<br />

Liste kommen, werden in einer Wunsch-<br />

box gesammelt. „Als <strong>LandFrau</strong>en<br />

sollten wir Themen spielen, die wir kön-<br />

nen und uns dazu politisch zu Wort mel-<br />

den“, sagt die dreifache Mutter Klaß.<br />

So sollte sich der Deutsche <strong>LandFrau</strong>-<br />

enverband, wenn beispielsweise die<br />

Bundesfamilienministerin Ursula von<br />

der Leyen (CDU) Debatten über Erzie-<br />

hungszeiten von Vätern eröffnet, einmi-<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Das traditionelle Frauenbild hat sich gewaltig verändert. Wir<br />

Frauen nehmen neue Herausforderungen im Bereich unserer<br />

persönlichen Möglichkeiten wahr, werden aber auch von Familie<br />

und Gesellschaft gefordert. <strong>LandFrau</strong> zu sein ermöglicht mir<br />

vielfältige Begegnung und Austausch, gemeinsame Fortbildung,<br />

Entdeckung von Neuem und persönliche Weiterentwicklung.<br />

Dafür lohnt es sich einzusetzen.<br />

Hannelore Wörz, Präsidentin des <strong>LandFrau</strong>enverbandes Württemberg-Baden<br />

schen, Stellungnahmen veröffentlichen und Forderungen deutlich machen. Von<br />

den aktuellen Bestimmungen zu Pflanzenschutzmitteln sind <strong>LandFrau</strong>en in der<br />

Landwirtschaft, im Garten und beim Einkaufen ebenfalls betroffen und hätten<br />

Grund genug, mitzureden. Laut Christa Klaß bräuchte der Deutsche Land-<br />

Frauenverband eine ständige Beobachterin im Bundestag, um bei politischen<br />

Debatten auf dem Laufenden zu sein.<br />

Im Europäischen Parlament engagiert sich Christa Klaß im Ausschuss für Um-<br />

weltfragen, Volksgesundheit, Verbraucherpolitik, Landwirtschaft und ländliche<br />

Entwicklung sowie für Frauenrechte und Chancengleichheit. Als Abgeordnete<br />

konnte sie einen Initiativbericht zur Lage der Frau in den ländlichen Gebieten<br />

der Europäischen Union auf den Weg bringen. Um die Situation der Frauen im<br />

ländlichen Raum zu verbessern, reiche es nicht aus, wenn ihre Zukunft im Rah-<br />

men der Agrarpolitik behandelt werde. Zu berücksichtigen seien vielfältige Le-<br />

bensmuster. „Wenn die gut ausgebildeten Frauen die ländlichen Regionen ver-<br />

lassen, weil sie dort keine Arbeit und keine Infrastruktur für ihre Familien fin-<br />

den, dann geht mit ihnen auch die Zukunft“, warnt Klaß.<br />

Nach der Politikerin benötigen die <strong>LandFrau</strong>enverbände mehr professionelle<br />

Hauptkräfte, um politisch mitreden zu können. Und auch die Präsidentin brau-<br />

che die Zuarbeit, um Politikern gegenüber schlagkräftig zu sein.<br />

Ich engagiere mich für die <strong>LandFrau</strong>en ...<br />

Aktive Politik<br />

Katja Gartz<br />

… weil ich besonders den Austausch mit anderen <strong>LandFrau</strong>en<br />

sehr schätze. Wir sind ein offener und vielfältiger Verband für<br />

alle Frauen im ländlichen Raum. Ziel meiner Arbeit ist es, die<br />

Situation von Frauen nachhaltig zu verbessern und die berufständischen<br />

Interessen nachdrücklich zu vertreten. Ich bin<br />

beeindruckt von der Bildungsarbeit, die gekennzeichnet ist<br />

durch eine große thematische Bandbreite und methodische<br />

Vielfalt.<br />

Gerti Engels, Präsidentin des Westfälisch-Lippischen <strong>LandFrau</strong>enverbandes<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 33


HausWirtschaft<br />

Verbandsthema des<br />

dlv 1948 bis heute<br />

– Von der Berufsausbildung für Bäuerinnen zur<br />

gesellschaftspolitischen Aufgabe –<br />

Am Anfang war die HausWirtschaft<br />

Die HausWirtschaft stand am Anfang der <strong>LandFrau</strong>enar-<br />

beit: Bereits der „Reichsverband landwirtschaftlicher Haus-<br />

frauenvereine“, der 1898 in Rastenburg/Ostpreußen ge-<br />

gründet wurde und Vorgängerverband des Deutschen Land-<br />

Frauenverbandes (dlv) war, verankerte die HausWirtschaft<br />

als Kernelement in seiner Satzung. Als zentraler Vereins-<br />

zweck wurde die hauswirtschaftliche Aus- und Weiterbil-<br />

dung von Frauen festgelegt. Ziel war, der HausWirtschaft<br />

den Status eines anerkannten Berufes mit Erwerbscharak-<br />

ter zu verschaffen. Die Frauen auf den Höfen sollten in die<br />

Lage versetzt werden, mit dem Verkauf landwirtschaftlicher<br />

Erzeugnisse ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften.<br />

HausWirtschaft wurde vom <strong>LandFrau</strong>enverband von Anfang<br />

an als ökonomisches Handeln gesehen.<br />

HausWirtschaft als Kontinuitätselement<br />

Im Jahr 1948 wurde der dlv in Stuttgart gegründet. Die<br />

Nachkriegszeit war für Vereine keine einfache Zeit: Es galt,<br />

das Misstrauen der Menschen zu überwinden, sich vor dem<br />

34<br />

Hintergrund der Diktaturerfahrung wieder in Vereinen zu or-<br />

ganisieren. Die erste Präsidentin des dlv, Gräfin Leutrum,<br />

setzte u. a. auf hauswirtschaftliche Fortbildung als Vereins-<br />

angebot.<br />

Allen historischen Zäsuren zum Trotz blieb die HausWirt-<br />

schaft bis heute eines der zentralen Verbandsthemen. Die<br />

Arbeitsschwerpunkte des Verbandes innerhalb des The-<br />

menfeldes HausWirtschaft haben sich in der vergangenen<br />

60 Jahren aber gewandelt. Dabei ist der dlv dem gesell-<br />

schaftlichen Wandel nicht nur gefolgt, sondern hat diesen<br />

vorgedacht und mitgestaltet.<br />

HausWirtschaft in der Nachkriegszeit:<br />

Mittel zum Überleben<br />

HausWirtschaft diente in der Nachkriegszeit dazu, die Not-<br />

und Mangelsituation durch Hilfe zur Selbsthilfe zu bewälti-<br />

gen. Dafür gab der dlv mit seiner Verbandszeitschrift „Land<br />

und Frau“ praktische Hilfestellung: Ausführlich wurde z. B.<br />

über das fachgerechte Ausbessern von Kleidungsstücken<br />

und die Zubereitung preiswerter Gerichte berichtet. Dem<br />

dlv gelang es dadurch, neue Mitglieder zu gewinnen und<br />

heimatlos gewordene Frauen und ihre Familien im länd-<br />

lichen Raum zu integrieren.<br />

Bereits in diesen frühen Jahren dachte der dlv in die Zu-<br />

kunft und wirkte daran mit, hauswirtschaftliche Ausbil-<br />

dungsstätten zu schaffen. HausWirtschaft als Berufsbil-<br />

dung war also schon 1948 wieder ein zentrales Verbands-<br />

thema. Der Verband baute in den Dörfern eine hauswirt-<br />

schaftliche Beratungsinfrastruktur auf. Durch die materiel-<br />

le Not und die Notwendigkeit zum Sparen wurde der Zusam-<br />

menhang zwischen HausWirtschaft und Betriebswirtschaft<br />

unmittelbarer deutlicher als in späteren Jahren: Nur mit ei-<br />

ner funktionierenden HausWirtschaft konnten nach dem<br />

Krieg die täglichen Bedürfnisse wie Nahrung und Kleidung<br />

erfüllt werden.<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


HausWirtschaft in den 50er und 60er Jahren:<br />

Privatisierung und Emotionalisierung<br />

In den 50er und 60er Jahren wurde HausWirtschaft als pri-<br />

vate Fürsorge von Frauen für ihre Familien gesehen, die mit<br />

einer stark emotionalen Komponente belegt war.<br />

Frauen wurde die alleinige Verantwortung für die hauswirt-<br />

schaftliche Versorgung zugewiesen. Für sich genommen ist<br />

dies nicht neu. Neu und charakteristisch für diese Zeit ist<br />

aber die emotionale Belegung der HausWirtschaft mit Be-<br />

griffen wie Fürsorge und Geborgenheit in der Familie. Die<br />

ökonomischen Aspekte der HausWirtschaft traten hinter<br />

dieser Privatisierung und Emotionalisierung zurück. Diese<br />

Sichtweise auf die HausWirtschaft als „natürliche Aufgabe“<br />

der Frau ist bis heute nicht völlig überwunden.<br />

Der dlv folgte diesem Trend, wenn es um HausWirtschaft in<br />

Privathaushalten außerhalb der Landwirtschaft ging. Für<br />

landwirtschaftliche Familien stellte der dlv aber fest: „Die<br />

teilweise vertretene Forderung, die Frau eines Landwirts<br />

ganz aus dem Betriebsgeschehen herauszulösen und sie<br />

auf ihre Aufgaben als Hausfrau und Mutter zu beschränken,<br />

entspricht nicht dem geschichtlichen Entwicklungsbild des<br />

landwirtschaftlichen Familienbetriebes.“ (Die Aufgaben der<br />

Frau in Familie, Betrieb und Gesellschaft, in: Land und Frau<br />

vom 7.10.1967, S. 490). Die ländliche HausWirtschaft im<br />

landwirtschaftlichen Betrieb wurde weiterhin als betriebs-<br />

wirtschaftliche Größe gesehen.<br />

HausWirtschaft in den 70er Jahren:<br />

Gegen den Trend<br />

Bereits 1974 stellte dlv-Präsidentin Adelheid Lindemann-<br />

Meyer zu Rahden fest: „Die allgemeine Tendenz zur Gering-<br />

schätzung des hauswirtschaftlichen Bereichs führte be-<br />

reits zu schwerwiegenden Problemen innerhalb unserer Ge-<br />

sellschaft.“ Früher als andere erkannten die <strong>LandFrau</strong>en,<br />

was HausWirtschaft ist und was sie leistet. Sie taten das<br />

in den 70er Jahren in einem gesellschaftlichen Umfeld, in<br />

dem sie oft als rückständig belächelt wurden.<br />

In den 70erJahren zeigte sich deutlich das Dilemma der<br />

HausWirtschaft: Früher war eine Ausbildung in der länd-<br />

lichen HausWirtschaft die klassische Berufsausbildung für<br />

junge Frauen auf dem Land, die sich auf eine Zukunft als<br />

Ehefrau eines Landwirts und Bäuerin vorbereiten wollten.<br />

Eine Ausbildung in der ländlichen HausWirtschaft, die auf<br />

die Tätigkeit als Mitunternehmerin auf dem Betrieb des<br />

Ehemannes vorbereitete, war nur in eingeschränktem Ma-<br />

ße eine arbeitsmarktfähige Qualifikation. HausWirtschaft<br />

als Beruf außerhalb der Landwirtschaft bot nur in einem en-<br />

gen Segment Zugang zum Arbeitsmarkt.<br />

Die 80er Jahre:<br />

HausWirtschaft auf der „grünen Welle“<br />

HausWirtschaft<br />

Im Jahr 1986 forderte der dlv eine „verstärkte Vermittlung<br />

umweltschonender Arbeitsweisen in Betrieb und Haushalt“.<br />

Die 80er Jahre waren das Jahrzehnt, in dem die Umweltbe-<br />

wegung sich politisch organisierte und etablierte. Die Land-<br />

Frauen griffen das gestiegene Umweltbewusstsein auf und<br />

legten damit den Grundstock für die mit der HausWirtschaft<br />

bis heute untrennbar verknüpfte Nachhaltigkeitsdebatte.<br />

Das Besondere an der Umweltbewegung innerhalb des<br />

<strong>LandFrau</strong>enverbandes war, dass das Umweltschutzthema<br />

in das Traditionsthema HausWirtschaft eingeordnet und<br />

der Begriff der HausWirtschaft dadurch erweitert wurde.<br />

Die 90er Jahre:<br />

Trendwende von der Berufsausbildung zur gesellschaftspolitischen<br />

Forderung<br />

In den 90er Jahren verlagerte sich das Engagement des Land-<br />

Frauenverbandes von der Förderung der hauswirtschaftlichen<br />

Berufsbildung auf die Förderung der HausWirtschaft als All-<br />

tagskompetenz. Weiterhin stritten die <strong>LandFrau</strong>en nach wie vor<br />

für den Erhalt der dreijährigen betrieblichen Ausbildung in der<br />

HausWirtschaft, für den Erhalt landwirtschaftlicher Inhalte in<br />

der hauswirtschaftlichen Ausbildung und eine eigenständige<br />

ländliche HausWirtschaft. Mit dem Engagement für HausWirt-<br />

schaft als Alltagskompetenz setzen sich die <strong>LandFrau</strong>en dafür<br />

ein, HausWirtschaft in einem umfassenden Sinne als ein Bün-<br />

del von Kernkompetenzen für eine erfolgreiche Alltagsbewälti-<br />

gung in Beruf und Familie zu vermitteln. Damit waren und sind<br />

die <strong>LandFrau</strong>en Trendsetter in Sachen HausWirtschaft.<br />

Mit HausWirtschaft in die Zukunft<br />

In der Gegenwart zeigen sich in der HausWirtschaft zwei<br />

Trends: Bei der HausWirtschaft als Beruf steigt der Perso-<br />

nal- und Ausbildungsbedarf. Bei der HausWirtschaft als All-<br />

tagskompetenz zeigt sich steigender Bedarf bei der Vermitt-<br />

lung hauswirtschaftlicher Kenntnisse bei Kindern, Jugend-<br />

lichen und Erwachsenen. Vor allem bei HausWirtschaft als<br />

Alltagskompetenz muss der <strong>LandFrau</strong>enverband auf allen<br />

Verbandsebenen weiterarbeiten. Viel zu lange wurden haus-<br />

wirtschaftliche Kenntnisse als selbstverständlich erachtet<br />

und nicht wertgeschätzt. Erst jetzt, wo diese Kenntnisse<br />

vielen Menschen fehlen, wird die Bedeutung klar. HausWirt-<br />

schaft ist ein wichtiger Teil unserer Zukunft als Einzelper-<br />

sonen und als Gesellschaft. Für den <strong>LandFrau</strong>enverband<br />

verklammert die HausWirtschaft als Verbandsthema Ver-<br />

gangenheit, Gegenwart und Zukunft der <strong>LandFrau</strong>enarbeit.<br />

Dr. Evelyn Schmidtke<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 35


Projekte<br />

Während die Blaue Malve und der Dra-<br />

chenkopf ganz vorsichtig die ersten<br />

kleinen Blätter aus der Erde strecken,<br />

Basilikum und Oregano erst noch ge-<br />

pflanzt werden müssen, stehen Oran-<br />

gen, Apfel- und Pfefferminze schon in<br />

voller Pracht duftend auf dem Feld. Ne-<br />

ben den Minzen sind auch Spitzwege-<br />

rich und Zitronenmelisse bereits im<br />

Frühjahr reif für die Ernte. Christine<br />

Eger nimmt einen Korb und arbeitet<br />

Reihe für Reihe ab. Dabei ist ein star-<br />

ker Rücken gefragt, schließlich pflückt<br />

sie jede Blüte einzeln. „Würden wir ma-<br />

schinell ernten, wäre Unkraut dabei<br />

und die Kräuter kein Bioprodukt mehr“,<br />

sagt die Inhaberin der Tee- und Kräuter-<br />

manufaktur. Außerdem würde ein<br />

Häcksler die Blüten zerfetzen. Anschlie-<br />

ßend wird die Ernte auf Tüchern und<br />

feinen Netzen in Regalen ausgebreitet<br />

und in der Scheune getrocknet. Jeden<br />

zweiten Tag müssen die Kräuter mit<br />

den Händen gewendet werden. Ist die<br />

Witterung zu feucht, muss eine Maschi-<br />

ne nachhelfen. Abgefüllt in großen Pa-<br />

piertüten lagern die getrockneten Kräu-<br />

ter in der Scheune bis sie gemischt<br />

und schön verpackt als Tee oder Kräut-<br />

ersalz ihre Käufer erreichen.<br />

Seit über zehn Jahren nehmen Dra-<br />

chenköpfe, Brennnesseln und Ringel-<br />

blumen einen wichtigen Platz im Leben<br />

der Diplomagraringenieurin ein. Wie<br />

viele Menschen in den östlichen Bun-<br />

36<br />

Auf eigenen Füßen<br />

– <strong>LandFrau</strong>en werden erfolgreiche Unternehmerinnen –<br />

desländern war auch sie nach der Wen-<br />

de arbeitslos, machte eine Umschu-<br />

lung zur Umwelttechnologieberaterin<br />

und hangelte sich von einer Arbeitsbe-<br />

schaffungsmaßnahme zur nächsten.<br />

Die letzte brachte Christine Eger zu den<br />

Kräutern, die ihr als ehemalige Mitar-<br />

beiterin des Sortenamtes sehr vertraut<br />

waren. Gemeinsam mit acht Frauen<br />

baute sie verschiedene Sorten an, um<br />

diese als Teemischungen zu verkaufen.<br />

Zehn Prozent aller Kosten mussten sie<br />

selbst erwirtschaften, alles andere be-<br />

zahlte das Arbeitsamt, so die Bestim-<br />

mungen des Freistaats Thüringen. Mit<br />

dem Ziel, Frauen in östlichen Regionen<br />

bei der Existenzgründung zu unterstüt-<br />

zen, startete der Deutsche <strong>LandFrau</strong>en-<br />

verband 1998 in Kooperation mit dem<br />

Frauenministerium das Self-Projekt. Als<br />

dafür geförderte Maßnahmen gesucht<br />

wurden, die sich zur Übernahme in die<br />

Trägerschaft der ostdeutschen Land-<br />

Frauenverbände eigneten, waren die<br />

Teefrauen schnell dabei. „Was die Frau-<br />

en in Herbsleben aufgebaut hatten,<br />

sollte erhalten bleiben“, berichtete Pro-<br />

jektberaterin Monika Michael.<br />

Für eine tragfähige Existenzgründung<br />

musste zunächst analysiert werden,<br />

welche Einnahmen mit der Tee- und<br />

Kräuterproduktion zu erzielen sind. Au-<br />

ßerdem musste die Arbeitsorganisati-<br />

on verbessert und in neue Technik in-<br />

vestiert werden. Anschließend wurden<br />

Marktsituation und potentielle Kunden<br />

unter die Lupe genommen. Die Ver-<br />

kaufsstrategie lautete: Zu je einem<br />

Drittel über Märkte, den Großhandel,<br />

über verschiedene Ladengeschäfte<br />

und per Versandhandel über das Inter-<br />

net. „Wir hatten uns als Ziel gesetzt,<br />

eigene Kräutertee-Mischungen zu kre-<br />

ieren, um als <strong>LandFrau</strong>en etwas Be-<br />

sonderes anzubieten“, erzählt Christi-<br />

ne Eger. Ihr Slogan lautete: „Für jedes<br />

Wehwehchen ein Teechen“. Seit 1999<br />

ist der Betrieb ökologisch zertifiziert.<br />

„Als das Self-Projekt im Oktober 2000<br />

auslief, lag eine ganz wichtige Lern-<br />

und Lehrzeit hinter mir, ohne die geför-<br />

derte Anlaufphase wäre ich sicherlich<br />

nie so weit gekommen“, erinnert sich<br />

die engagierte <strong>LandFrau</strong>. Nun ging es<br />

für sie erst richtig los. Schließlich<br />

musste sie am Markt bestehen, ihre<br />

Kunden halten und zwei Mitarbeiter<br />

bezahlen.<br />

Christine Eger<br />

mit Mitarbei-<br />

terinnen unter<br />

der Landes-<br />

vorsitzenden<br />

Das Angebot<br />

der Thüringer<br />

Tee- und Kräu-<br />

termanufaktur<br />

ist reichhaltig<br />

Die Pflege der<br />

Kräuterfelder<br />

erfordert viel<br />

Handarbeit<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


Bis heute hat Christine Eger es nicht<br />

bereut, auch wenn es nicht immer<br />

leicht sei, für alles verantwortlich zu<br />

sein. „Die Hände in den Schoß legen<br />

und nichts tun, das liegt mir nicht“,<br />

sagt die 56-Jährige. Für ihre Familie ist<br />

das nichts Neues, deshalb fassen<br />

Ehemann und Sohn bei der Bodenar-<br />

beit und beim Verkauf mit an.<br />

Zu ihren Abnehmern zählen bundes-<br />

weit siebzig Geschäfte - Bio- und Na-<br />

turkostläden, Reformhäuser und Tee-<br />

geschäfte. Etwa zweihundert Stamm-<br />

kunden bestellen ihre Drogen regel-<br />

mäßig im Internet. Ihr Sortiment um-<br />

fasst über zwanzig Kräuter, Teemi-<br />

schungen, Kräutersalze und Kräuter-<br />

öle. Einen Großteil ihres Absatzes wi-<br />

ckelt sie auf Verbrauchermessen ab,<br />

außerdem verkauft sie ihre Produkte<br />

auf Bauernmärkten.<br />

Jedes Jahr erweitert <strong>LandFrau</strong> Eger,<br />

die am liebsten Tee mit Johanneskraut<br />

und Zitronenmelisse trinkt, ihr Ange-<br />

bot mit neuen Kreationen. Derzeit ent-<br />

wickelt sie mit ihren Mitarbeiterinnen<br />

Teemischungen mit Sanddorn und<br />

Cranberries, die sie in Bio-Qualität da-<br />

zukauft. Für Gerlind Bartl, die Vorsit-<br />

zende des <strong>LandFrau</strong>enverbands Thü-<br />

ringen, ist Christine Eger ein positives<br />

Beispiel für eine gelungene Existenz-<br />

gründung. Bei Veranstaltungen der<br />

<strong>LandFrau</strong>en ist die Kräuterfrau ein<br />

gern gesehener Gast. Sowohl ihre Er-<br />

fahrungen als Unternehmerin als auch<br />

ihr Wissen über Kräuter und deren Wir-<br />

kung sind sehr gefragt.<br />

Die positive Bilanz des Modellpro-<br />

jektes SELF – Frauen gestalten Struk-<br />

turentwicklungen ländlicher Regionen<br />

kann sich sehen lassen: 40 Arbeits-<br />

plätze wurden geschaffen, 25 Frauen<br />

gelang die Existenzgründung. In der<br />

Laufzeit von 1998 bis 2001 förderte<br />

das Frauenministerium das Projekt<br />

mit 1,253 Mio. DM.<br />

Katja Gartz<br />

Computerkurse<br />

auf dem Bauernhof<br />

Auf ihrem Bauernhof in Groß-Depen-<br />

hausen in Ostfriesland bietet Frieda<br />

Dembski-Minssen seit vier Jahren<br />

Computerkurse in kleinen Gruppen<br />

an. Wer bislang Angst hatte, die<br />

falsche Taste zu drücken, sich an<br />

Computer nicht herantraute oder sei-<br />

ne PC-Kenntnisse ausbauen möchte,<br />

ist bei ihr richtig. „Wenn jemand bei<br />

mir anruft, frage ich genau nach den<br />

Wünschen und Vorkenntnissen und<br />

stelle die Kurse dann passend zu-<br />

sammen“, sagt die IT-Fachfrau. Ihr<br />

Programm enthält: Einsteigerkurse,<br />

Textverarbeitung am PC, sicher Sur-<br />

fen im Internet, E-Mails verschicken<br />

und empfangen sowie Kurse zur Ver-<br />

wendung von Digitalfotos.<br />

Die gelernte Meisterin der ländlichen<br />

Hauswirtschaft arbeitete mit ihrem<br />

Mann im eigenen landwirtschaft-<br />

lichen Betrieb bis dieser im Jahr<br />

2000 an die Nachbarn verpachtet<br />

wurde. „Danach wollte ich etwas<br />

Neues machen“, erzählt Demski-<br />

Minssen. Zwei Jahre später bewarb<br />

sie sich für das Modellpro-<br />

jekt „IT-<strong>LandFrau</strong>“ des <strong>LandFrau</strong>en-<br />

verbands. Gemeinsam mit 43 ande-<br />

ren <strong>LandFrau</strong>en wurde sie innerhalb<br />

eines Jahres intensiv am Computer<br />

geschult. Während der Fortbildung<br />

entstand die Idee, ihre neuen Quali-<br />

fikationen beruflich zu nutzen.<br />

Schließlich hatten nicht nur ältere<br />

Projekte<br />

Frieda Demski-Minssen vertritt das IT-Land-<br />

Frauen-Projekt auch in der Öffentlichkeit:<br />

Mit dlv-Präsidentin Brigitte Scherb wirbt<br />

sie um ESF-Mittel für <strong>LandFrau</strong>enpro-<br />

jekte bei Bundesminister Olaf Scholz<br />

Frauen einen IT-Schulungsbedarf, son-<br />

dern auch die Frauen, die wieder in<br />

den Beruf einsteigen wollten. Mit ih-<br />

rem Zertifikat in der Hand bot Frieda<br />

Dembski-Minssen anschließend IT-<br />

Kurse für <strong>LandFrau</strong>en in der Berufsbil-<br />

denden Schule in Jever an. Da es auch<br />

auf ihrem Hof geeignete Räumlich-<br />

keiten gab, überlegte sie, sich selb-<br />

ständig zu machen. Mit Unterstützung<br />

ihres Mannes stellte sie einen Kosten-<br />

plan auf und informierte sich bei der<br />

IHK über Existenzgründungen. Gut vor-<br />

bereitet, entschloss sie sich für den<br />

Neustart als Unternehmerin. Mit Hilfe<br />

eines Bankkredits wurde ein ehema-<br />

liges Kinderzimmer mit sechs Compu-<br />

terarbeitsplätzen ausgestattet und ei-<br />

ne Satellitenverbindung eingerichtet,<br />

weil auf dem Land kein DSL-Anschluss<br />

verfügbar ist. Sie beantragte 2004 ih-<br />

ren Gewerbeschein, erstellte mit einer<br />

Grafikerin Flyer, um auf sich aufmerk-<br />

sam zu machen und startete am ers-<br />

ten Oktober des Jahres ihr Unterneh-<br />

men mit einer Eröffnungsfeier. Die ers-<br />

ten Kursteilnehmer kamen über Mund-<br />

propaganda, später wurden viele Men-<br />

schen durch einen Artikel in einem lo-<br />

kalen Anzeigenblatt auf die neuen<br />

Computerkurse aufmerksam. Für per-<br />

sönliche Betreuung in angenehmer At-<br />

mosphäre nehmen ihre Teilnehmer ei-<br />

ne bis zu 30 Kilometer lange Anfahrt<br />

gerne in Kauf.<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 37


Projekte<br />

Frieda Dembski-Minssen bietet pro<br />

Woche etwa zwei Kurse an. Ihr Ange-<br />

bot nutzen überwiegend Frauen im Al-<br />

ter zwischen 50 und 70 Jahren, doch<br />

auch jüngere, die PC-Anwendungen<br />

noch nicht gelernt haben, sind unter<br />

ihren Schülern, ebenso Ehepaare im<br />

Ruhestand. „Die Leute merken, dass<br />

man heute ohne IT-Kenntnisse nicht<br />

mehr zurechtkommt“, sagt die 61-<br />

Jährige. Eine Teilnehmerin hat es auf<br />

den Punkt gebracht: Wir wollen keine<br />

Analphabeten im Alter sein!<br />

Sind ihre Teilnehmer aus dem Haus,<br />

kümmert sich Frieda Dembski-Mins-<br />

sen um die Rechner oder eignet sich<br />

selber neues Wissen an. „Hätte mir<br />

jemand vor zehn Jahren gesagt, was<br />

ich heute mache, ich hätte es nie ge-<br />

glaubt“, sagt die zufriedene Unterneh-<br />

merin. Ihre Kursangebote entwickelt<br />

sie ständig weiter, neu dazugekom-<br />

men sind Hausbesuche, Einzelunter-<br />

richt und PowerPoint-Präsentationen.<br />

Auch ein Kurs zum Grußkartenerstel-<br />

len ist geplant. Um auf dem Lau-<br />

fenden zu bleiben, tauscht sie sich re-<br />

gelmäßig mit anderen IT-Landfrauen<br />

aus und fachsimpelt mit ihrem Sohn<br />

über IT-Themen. Das Projekt „IT-Land-<br />

Frauen“ wurde durch Mittel des Euro-<br />

päischen Sozialfonds und dem Bun-<br />

desministerium für Familie, Senioren,<br />

Frauen und Jugend gefördert. Die Bi-<br />

lanz kann sich sehen lassen: Ein Drit-<br />

tel der IT-<strong>LandFrau</strong>en baute sich eine<br />

neue Existenz auf, etwa zwei Drittel<br />

kombinierten diese Tätigkeit mit an-<br />

deren Einkommens- und Erwerbs-<br />

formen. Von 20<strong>03</strong> bis 2005 be-<br />

suchten rund 120.000 Teilneh-<br />

merinnen an knapp 6000 Bildungs-<br />

veranstaltungen zum Thema Medien-<br />

kompetenz. Durch die IT-<strong>LandFrau</strong>en<br />

entstanden über 500 Internetpräsen-<br />

tationen und im LandPortal sind die<br />

<strong>LandFrau</strong>en mit über 1000 Produkten<br />

vertreten. Katja Gartz<br />

38<br />

Willkommene<br />

Herausforderungen<br />

– Ob mit Kindern, am Computer oder mit Kräutermischungen:<br />

Die Projekte der <strong>LandFrau</strong>en schreiben Erfolgsgeschichten –<br />

Landfrauen machen Schüler fit<br />

für gesunde Ernährung<br />

Nachdem die Hände gewaschen, die<br />

Schürzen umgebunden und alle Koch-<br />

mützen aufgesetzt sind, stellt sich Nik-<br />

las in der Schulküche vor seine Klas-<br />

se und liest laut ein Rezept vor: Back-<br />

kartoffeln mit Kräutern und Salat mit<br />

Joghurtsoße stehen auf dem Programm<br />

der Doppelstunde. Wenig später hält<br />

Anna bereits ein Küchenmesser in der<br />

Hand und schält langsam eine Kartof-<br />

fel. „Mit einem Schäler geht es viel<br />

besser“, sagt die Achtjährige und wech-<br />

selt ihr Werkzeug. Anschließend kommt<br />

der Krallengriff zum Einsatz. „Die Fin-<br />

ger einer Hand zur Kralle formen und<br />

so die Kartoffel festhalten“, erklärt Re-<br />

nate Zimmermann, damit sich die Dritt-<br />

klässler der Berliner Hermann-Gemei-<br />

ner-Schule nicht schneiden.<br />

Renate Zimmermann ist Mitglied im<br />

KreislandFrauenverein Havelland und<br />

betreibt in Kriele einen Erlebnishof.<br />

Zweimal pro Woche fährt die Bran-<br />

denburgerin rund 200 Kilometer, um<br />

Schüler über Ernährung aufzuklären. Sie<br />

ist eine von vielen <strong>LandFrau</strong>en,<br />

die sich seit Beginn des bundeswei-<br />

ten Projektes „aid-Ernährungsführer-<br />

schein“ für die Vermittlung von hauswirt-<br />

schaftlichem Wissen in Schulen stark<br />

macht. In sechs bis sieben Unterrichts-<br />

einheiten lernen die Schüler Lebensmit-<br />

tel und deren Verarbeitung, Hygienere-<br />

geln und Küchengeräte kennen und be-<br />

reiten gemeinsam kleine Gerichte zu.<br />

Ziel ist es, bei Kindern das Interesse für<br />

eine gesunde Ernährung zu wecken.<br />

„Viele Kinder haben noch nie eine Kar-<br />

toffel geschält oder eine Reibe benutzt“,<br />

sagt Renate Zimmermann. Sie wüssten<br />

häufig auch nicht, wie welches Gemüse<br />

schmeckt. Doch die <strong>LandFrau</strong> weiß das<br />

zu ändern: Schnell sind die Schüler bei<br />

der Sache. Während eine Gruppe die<br />

letzten Kartoffeln vorbereitet, zerklei-<br />

nern andere bereits den Salat.<br />

„Die Kinder lernen viel über gesunde<br />

Kost, das beeinflusst auch die Eltern“,<br />

sagt Klassenlehrerin Petra Köhler. Da-<br />

mit die Schüler ihre Eltern nicht nur auf<br />

gesundes Essen aufmerksam machen,<br />

legt jeder einen Hefter mit günstigen<br />

Rezepten zum Nachkochen an. Außer-<br />

dem werden Elternbriefe verschickt, die<br />

über das Programm und eine ausgewo-<br />

gene Ernährung informieren. „An eini-<br />

gen Schulen kommen bis zu fünf Müt-<br />

ter oder Väter in den Unterricht“, be-<br />

richtet die Fachfrau aus Brandenburg.<br />

Dass Ernährung ein wichtiges Thema<br />

ist, weiß auch Schulleiterin Uta Schrö-<br />

der. Viele Kinder äßen zu viele Chips<br />

und Süßigkeiten. Bei einer steigenden<br />

Anzahl von Übergewichtigen betreiben<br />

die <strong>LandFrau</strong>en zudem Gesundheits-<br />

prävention. Weil gesunde Ernährung<br />

ein wichtiger Aspekt der hauswirtschaft-<br />

lichen Bildung ist, fordert der Deutsche<br />

<strong>LandFrau</strong>enverband längst, diese an al-<br />

len allgemein bildenden Schulen in<br />

Theorie und Praxis zu vermitteln. Bevor<br />

die Backkartoffeln aus dem Ofen müs-<br />

sen, will Zimmermann wissen, wie ein<br />

Tisch gedeckt wird. In wenigen Minuten<br />

stehen 28 Teller mit Besteck und Pa-<br />

pierservietten auf dem großen Tisch.<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08


Wo Gabel, Messer und der kleine Löffel<br />

hingehören, wissen die meisten Schü-<br />

ler, aber wo das Besteck nach dem Es-<br />

sen liegt, lernen an diesem Tag alle da-<br />

zu. Begleitend erhält jede Schule Unter-<br />

richtsmaterialien und Übungshefte. Zu<br />

jeder Einheit gehören auch Hausaufga-<br />

ben, beispielsweise Brotsorten, Ge-<br />

tränke und Nährstoffe bestimmen. Die<br />

Schüler schließen das Programm mit<br />

einer schriftlichen und einer prak-<br />

tischen Prüfung – einem kalten Buffet<br />

für Gäste – ab. Wer das geschafft hat,<br />

weiß über wichtige Alltagskompetenzen<br />

bescheid und erhält einen Ernährungs-<br />

führerschein mit Foto und Stempel.<br />

Als die heißen, nach Kräutern duf-<br />

tenden Backkartoffeln und der Salat in<br />

großen Schüsseln am Tisch herumge-<br />

reicht werden, spricht Servan das Tisch-<br />

ritual: „Jeder isst so viel er kann, nur<br />

nicht das vom Nebenmann – Guten Ap-<br />

<strong>LandFrau</strong><br />

Renate Zimmer-<br />

mannzusam- men mit den<br />

ersten stolzen<br />

Führerschein-<br />

Inhabern<br />

petit.“ Jakob schmecken die Kartoffeln<br />

besonders gut. Er stellt fest, dass sie<br />

viel leckerer sind als Pommes Frites.<br />

Nachdem alle zusammen das Geschirr<br />

abgewaschen und abgetrocknet haben,<br />

packt Renate Zimmermann ihre Schüs-<br />

seln, Schürzen, Kochmützen und Kräu-<br />

ter ein. An jeweils drei Schulen in Berlin<br />

und Brandenburg hat sie bereits acht<br />

Klassen zu den Ernährungsführerschei-<br />

nen geleitet. Pro Klasse erhält sie ein<br />

Honorar von 340 Euro. „Mir macht die<br />

Arbeit mit den Kindern Spaß, die sind<br />

jedes Mal mit so viel Begeisterung da-<br />

bei“, erzählt die umtriebige 57-Jährige,<br />

die auf ihrem Hof mit Gästen im tra-<br />

ditionellen Holzbackofen Brot backt,<br />

Weinverkostungen und Basteln mit Na-<br />

turmaterialien anbietet. Als das Bil-<br />

dungsprogramm des <strong>LandFrau</strong>enver-<br />

bands im vergangenen Jahr auf der<br />

Grünen Woche vorgestellt wurde, wuss-<br />

Projekte<br />

te Renate Zimmermann gleich, dass<br />

sie mitmachen will.<br />

Alle <strong>LandFrau</strong>en, die den Schulen zur<br />

Seite gestellt werden, verfügen über ei-<br />

ne hauswirtschaftliche Ausbildung und<br />

eine pädagogische Grundqualifikation.<br />

Im Projekt arbeiten zurzeit 165 Land-<br />

Frauen aus ganz Deutschland, die zur<br />

Vorbereitung an einem Methoden- und<br />

Argumentationstraining sowie einem<br />

Seminar zu den Inhalten des aid-Ernäh-<br />

rungsführerscheins teilnahmen. Entwi-<br />

ckelt wurde dieser vom aid Infodienst<br />

und gemeinsam mit Lehrkräften der<br />

Hillerschule Bietigheim-Bissingen und<br />

dem Ernährungszentrum Mittlerer Ne-<br />

cker in Ludwigsburg erprobt. Bis 2009<br />

wird der Einsatz der <strong>LandFrau</strong>en durch<br />

das Ernährungsministerium und Spon-<br />

soren gefördert. Diese Mittel reichen<br />

für etwa 1.650 Schulklassen, so kön-<br />

nen über 40.000 Grundschüler stolze<br />

Besitzer des aid-Ernährungsführer-<br />

scheins werden. Wegen der großen<br />

Nachfrage fährt Renate Zimmermann<br />

weiter von Schule zu Schule, um Dritt-<br />

klässler fit für gesunde Kost zu ma-<br />

chen. Erfolgserlebnisse bleiben nicht<br />

aus: „Einige Schüler überprüfen schon<br />

von ganz alleine, ob ihr Pausenfrüh-<br />

stück auch der Ernährungspyramide<br />

entspricht“, erzählt die <strong>LandFrau</strong><br />

schmunzelnd. Katja Gartz<br />

<strong>LandFrau</strong>en aktuell 3/08 39

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