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Abstractband - GAL-Kongress 2012 in Erlangen - Friedrich ...

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Abstracts<br />

zum<br />

<strong>Kongress</strong> der Gesellschaft für Angewandte L<strong>in</strong>guistik e.V.<br />

Wörter – Wissen – Wörterbücher<br />

<strong>in</strong> <strong>Erlangen</strong><br />

vom 18. bis 21. September <strong>2012</strong><br />

Herausgeber<br />

Stefan J. Schierholz und Michael Mann<br />

<strong>Friedrich</strong>-Alexander-Universität <strong>Erlangen</strong>-Nürnberg


Inhaltsverzeichnis<br />

Plenarvorträge ........................................................................................................................ 3<br />

Symposium 1 .......................................................................................................................... 7<br />

Symposium 2 ........................................................................................................................ 13<br />

Symposium 3 ........................................................................................................................ 21<br />

Symposium 4 ........................................................................................................................ 30<br />

Symposium 5 ........................................................................................................................ 37<br />

Symposium 6 ........................................................................................................................ 52<br />

Symposium 7 ........................................................................................................................ 62<br />

Symposium 8 ........................................................................................................................ 74<br />

Symposium 9 ........................................................................................................................ 78<br />

Symposium 10 ...................................................................................................................... 93<br />

Symposium 11 .................................................................................................................... 104<br />

Symposium 12 .................................................................................................................... 113<br />

Symposium 13 .................................................................................................................... 122<br />

E<strong>in</strong>zelvorträge <strong>in</strong> Raum 5.052 ............................................................................................ 150<br />

E<strong>in</strong>zelvorträge <strong>in</strong> Raum 5.013 ............................................................................................ 161<br />

Impressum .......................................................................................................................... 174<br />

Innerhalb der Abschnitte s<strong>in</strong>d die Vorträge <strong>in</strong> der Reihenfolge angeordnet, <strong>in</strong> der sie im jeweiligen<br />

Symposium etc. gehalten werden.<br />

2


Plenarvorträge<br />

Hans C. Boas<br />

Wie viel Wissen steckt <strong>in</strong> Wörterbüchern? E<strong>in</strong>e frame-semantische Perspektive<br />

In den vergangenen 20 Jahren s<strong>in</strong>d zahlreiche theoretische Untersuchungen vorgelegt worden,<br />

die für e<strong>in</strong>e klare Trennung zwischen l<strong>in</strong>guistisch-relevantem Wissen und Weltwissen<br />

plädie-ren (vgl. Jackendoff 1990, Chomsky 1995). Bei näherer Betrachtung stellt man aber<br />

schnell fest, dass sich Weltwissen und l<strong>in</strong>guistisch-relevantes Wissen nur sehr schwer vone<strong>in</strong>ander<br />

trennen lassen (vgl. Taylor 1996, Boas 2003, Iwata 2008). In me<strong>in</strong>em Vortrag<br />

möchte ich zeigen, wie die von Fillmore (1985) entwickelten semantischen Frames benutzt<br />

worden s<strong>in</strong>d, um e<strong>in</strong> elektronisches Wörterbuch des Englischen zu erstellen<br />

(http://framenet.icsi.berkeley.edu), welches sowohl l<strong>in</strong>guistisch-relevantes Wissen als auch<br />

Weltwissen mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>gt. Am Beispiel von Frames aus drei semantischen<br />

Domänen soll dabei auch gezeigt werden, <strong>in</strong>wieweit Frames zur Strukturierung von<br />

mehrsprachigen Wörterbüchern verwendet werden können.<br />

3


Plenarvorträge<br />

Dmitrij Dobrovol’skij<br />

Phraseologie im Wörterbuch<br />

Die Spezifik der lexikographischen Darstellung der Phraseologie wird am Material von Idiomen<br />

diskutiert, d.h. anhand polylexikalischer figurativer E<strong>in</strong>heiten wie jmdn. h<strong>in</strong>ters Licht führen,<br />

sich die Be<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Bauch stehen oder böhmische Dörfer. Dabei unterscheiden sich<br />

die Pr<strong>in</strong>zipien der Beschreibung von Phrasemen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>sprachigen Wörterbuch grundsätzlich<br />

von ihrer Darstellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweisprachigen Wörterbuch.<br />

1. Was die e<strong>in</strong>sprachige Lexikographie betrifft, spielt hier die Entwicklung adäquater Def<strong>in</strong>itionstechniken<br />

e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Die wichtigste Besonderheit der Idiom-Semantik besteht<br />

dar<strong>in</strong>, dass sie neben dem Bedeutungskern bestimmte Spuren des zugrunde liegenden mentalen<br />

Bildes aufweist. Dementsprechend muss die lexikographische Def<strong>in</strong>ition nicht nur die<br />

lexikalisierte Bedeutung des betreffenden Idioms erfassen, sondern auch se<strong>in</strong>e bildliche Bedeutungskomponente.<br />

So reicht es nicht aus, wenn z.B. das Idiom jmdm. Sand <strong>in</strong> die Augen<br />

streuen als ‘jmdn. täuschen’ def<strong>in</strong>iert wird. Da diesem Idiom e<strong>in</strong>e klar nachvollziehbare Metapher<br />

zugrunde liegt, die <strong>in</strong> manchen Kontexten mit aktualisiert wird, muss se<strong>in</strong>e Bedeutungserklärung<br />

den entsprechenden Verweis enthalten; vgl. ‘jmdn. täuschen, als würde se<strong>in</strong><br />

Sehvermögen durch e<strong>in</strong>e gewaltsame Störung der Sicht bee<strong>in</strong>trächtigt’.<br />

Die Natur der bildlichen Bedeutungskomponente hängt von der Motivationsart des betreffenden<br />

Idioms ab. Es handelt sich dabei nicht nur um Metaphern oder Symbole, sondern auch<br />

u.a. um relevantes Textwissen. So wird die Bedeutung des Idioms gegen/mit W<strong>in</strong>dmühlen<br />

kämpfen mit Cervantes berühmtem Roman „Don Quixote“ <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht (und nicht<br />

etwa mit dem Versuch, das Wort W<strong>in</strong>dmühlen metaphorisch oder symbolisch zu <strong>in</strong>terpretieren).<br />

Dementsprechend muss die Bedeutungserklärung dieses Idioms e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tertextuellen<br />

Verweis enthalten: ‘e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>nlosen, von vornhere<strong>in</strong> aussichtslosen Kampf führen (gegen<br />

e<strong>in</strong>gebildete Gegner), als wäre das Agens Don Quixote, der die Realität <strong>in</strong>adäquat wahrnimmt<br />

und <strong>in</strong> W<strong>in</strong>dmühlen Gegner sieht, gegen die er kämpfen muss’. Ausführlicher dazu<br />

vgl. (Dobrovol’skij & Piira<strong>in</strong>en 2009).<br />

2. Die Besonderheiten der Phraseologie-Darstellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweisprachigen Wörterbuch<br />

werden vorwiegend am Beispiel des Projekts „Moderne deutsch-russische Idiomatik: E<strong>in</strong><br />

Korpus-Wörterbuch“ aufgezeigt. Das Projekt ist auch <strong>in</strong>zwischen über die Homepage des<br />

Instituts für Deutsche Sprache <strong>in</strong> Mannheim <strong>in</strong> Auszügen onl<strong>in</strong>e zugänglich; vgl. „Deutschrussische<br />

Idiome onl<strong>in</strong>e“ http://wvonl<strong>in</strong>e.ids-mannheim.de/idiome_russ/<strong>in</strong>dex.htm.<br />

E<strong>in</strong> gutes zweisprachiges Wörterbuch muss sich an der funktionalen Äquivalenz orientieren.<br />

Funktionale Äquivalente können als E<strong>in</strong>heiten def<strong>in</strong>iert werden, die <strong>in</strong> sich <strong>in</strong> ihrer lexikalisierten<br />

Semantik und im Idealfall auch <strong>in</strong> ihrer bildlichen Bedeutungskomponente maximal ähnlich<br />

s<strong>in</strong>d und die <strong>in</strong> analogen Situationstypen ohne Informationsverlust gebraucht werden<br />

können. Dabei handelt es sich bei weitem nicht immer um die Relation „Phrasem–Phrasem“.<br />

E<strong>in</strong> wichtiges Problem bei der Suche nach funktionalen Äquivalenten besteht dar<strong>in</strong>, dass<br />

verschiedene Teile des semantischen Bereichs, der durch das L1-Idiom abgedeckt wird,<br />

unter den L2-Entsprechungen aufgeteilt werden. Denn e<strong>in</strong> L1-Idiom, ohne polysem zu se<strong>in</strong>,<br />

hat oft mehrere L2-Korrelate, die untere<strong>in</strong>ander nicht synonym s<strong>in</strong>d. Die brauchbare Lösung<br />

liegt <strong>in</strong> der Anreicherung der Struktur des Wörterbuchartikels durch verschiedenartige Kommentare.<br />

Literatur:<br />

Dobrovol’skij, D. & Piira<strong>in</strong>en, E. (2009): Zur Theorie der Phraseologie: kognitive und kulturelle<br />

Aspekte. Tüb<strong>in</strong>gen: Stauffenburg.<br />

4


Plenarvorträge<br />

Rosamund Moon<br />

Corpus, dictionary, discourse: ‘age’ adjectives <strong>in</strong> English<br />

In this talk, I will focus on English adjectives which <strong>in</strong>dicate age or life stage. Some do so<br />

directly (young, old, middle-aged; octogenarian, teenage, thirty-someth<strong>in</strong>g; N-years-old).<br />

Others are more oblique, referr<strong>in</strong>g to age by referenc<strong>in</strong>g physical or behavioural qualities<br />

associated with younger and older people (smooth-sk<strong>in</strong>ned, blonde, slim, gorgeous, ambitious,<br />

bright; wr<strong>in</strong>kled, silver-haired, bald, sprightly, frail, cantankerous). Sets of such adjectives<br />

can be identified through corpus evidence, which also reveals much about their evaluations.<br />

This k<strong>in</strong>d of data can then be used to explore gender and age stereotypes, and to unpack<br />

and critique the ways <strong>in</strong> which younger and older people are represented <strong>in</strong> media and<br />

other discourses.<br />

In the first part of the talk, I will review what corpus evidence shows about the k<strong>in</strong>ds of adjective<br />

applied to men and women <strong>in</strong> different age groups. I will also look at contexts where age<br />

stereotypes are contested or resisted, as well as deviant usages where ‘young’ adjectives<br />

are applied to older people, and vice versa (usages often signalled or foregrounded with still,<br />

but, for one’s age, prematurely, etc.). I will then look at ways <strong>in</strong> which ‘age’ adjectives are<br />

treated <strong>in</strong> dictionaries: whether entries comment on ageist stereotypes, or <strong>in</strong>stead ma<strong>in</strong>ta<strong>in</strong><br />

those stereotypes; and how far they say anyth<strong>in</strong>g at all about age-related collocational restrictions<br />

(potentially important <strong>in</strong>formation for learners of English). In the f<strong>in</strong>al part of the talk,<br />

I will discuss applications <strong>in</strong> critical analysis, and then wider implications for studies of gender<br />

and age, sexism and ageism, <strong>in</strong> language.<br />

5


Plenarvorträge<br />

Herbert Ernst Wiegand<br />

Lexikographie und Angewandte L<strong>in</strong>guistik<br />

E<strong>in</strong>leitend wird kurz dargelegt, warum ältere Statusbestimmungen der Sprachlexikographie<br />

wie z.B. Lexikographie als Zweig der Lexikologie oder als Teilgebiet der Angewandten L<strong>in</strong>guistik<br />

überholt s<strong>in</strong>d. Dann wird darauf h<strong>in</strong>gewiesen, <strong>in</strong> welchen unterschiedlichen Ausprägungen<br />

moderne Sprach-, Fach- und Sachlexikographie gegenwärtig existieren, nämlich u.a. als<br />

Akademie-, als universitäre, kommerzielle, <strong>in</strong>stitutionenspezifische sowie als <strong>in</strong>dividuelle und<br />

kollektive Laienlexikographie (z.B.Wikipedia), so dass für die jeweils zugehörigen lexikographischen<br />

Prozesse sehr unterschiedliche Bed<strong>in</strong>gungen gegeben s<strong>in</strong>d, die sich auf die Qualität<br />

und die Selektion der Inhalte auswirken. Dann wird gezeigt, warum die wissenschaftliche<br />

Pr<strong>in</strong>t- und e-Lexikographie als eigenständige wissenschaftlich Praxis zu gelten haben, die<br />

kritisch und theoretisch unterstützt von der Metalexikographie als e<strong>in</strong>er eigenständigen wissenschaftlichen<br />

Diszipl<strong>in</strong>, darauf ausgerichtet s<strong>in</strong>d, dass für jeweils spezifische Benutzergruppen<br />

konzipierte mono- und polyfunktionale lexikographische Werkzeuge, darunter Pr<strong>in</strong>t-<br />

und digitale Wörterbücher aller Typen, hergestellt werden, so dass e<strong>in</strong>e kulturelle Praxis der<br />

gezielten Wissensbeschaffung ermöglicht wird, nämlich das gezielte, möglichst rasche Zugreifen<br />

auf akzessiv organisierte, gedruckte oder digitale Datenbestände, wozu auch die<br />

Praxis der Benutzung von gedruckten und digitalen Wörterbüchern aller Typen gehört. Danach<br />

werden die Beziehungen dargestellt, <strong>in</strong> denen die moderne Lexikographie <strong>in</strong> ihren verschiedenen<br />

Ausprägungen zu anderen Diszipl<strong>in</strong>en steht mit besonderer Berücksichtigung<br />

der Metalexikographie und dem Verhältnis von Sprachlexikographie und Angewandter L<strong>in</strong>guistik.<br />

Dabei wird u.a. typisierend zwischen bereichsabdeckenden, bereichsverwandten und<br />

gegenstandsspezifischen Diszipl<strong>in</strong>en unterschieden. Schließlich wird abschließend gefragt,<br />

ob es angemessen ist, wenn metalexikographische Kenntnisse, <strong>in</strong>sbesondere solche über<br />

Datenakzessivität, Zugriffsstrukturen und Zugriffspfade auf andere Nachschlagewerke anzuwenden,<br />

wie z.B. Reiseführer, Grammatiken, E<strong>in</strong>führungsbücher, Kataloge etc. und ob man<br />

daraus schließen darf, dass die moderne Metalexikographie als Teil der Informationswissenschaft<br />

betrachtet werden kann.<br />

6


Symposium 1<br />

Peter Colliander<br />

Ausspracheangaben <strong>in</strong> Wörterbüchern aus Sicht der Auslandsgermanistik<br />

Im Ausland Studierende und Lehrende, die nicht ständig mit der deutschen Sprache <strong>in</strong> Kontakt<br />

s<strong>in</strong>d und oft auch nicht beurteilen können, ob etwas <strong>in</strong> deutscher Sprache Gesprochenes<br />

e<strong>in</strong>er oder der Aussprachenorm entspricht, s<strong>in</strong>d ganz besonders auf Ausspracheangaben <strong>in</strong><br />

Wörterbüchern angewiesen. Jeder Deutschlernende ist bestrebt, e<strong>in</strong>e Aussprache zu erwerben<br />

– und jeder Deutschlehrende, e<strong>in</strong>e Aussprache zu vermitteln, die als überregionaler<br />

Standard angesehen wird und mit der man im gesamten deutschsprachigen Raum gut verstanden<br />

und als Kommunikationspartner akzeptiert wird. Aus Sicht der Auslandsgermanistik<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Wörterbüchern also die phonetischen Merkmale der Standardaussprache anzugeben,<br />

und zwar <strong>in</strong> übere<strong>in</strong>stimmender, e<strong>in</strong>heitlicher Form. Uns s<strong>in</strong>d die Schwierigkeiten bewusst,<br />

Standardaussprache zu def<strong>in</strong>ieren, zu untersuchen und zu kodifizieren. Dennoch erwarten<br />

und brauchen wir dies für das Lehren und Erlernen des Deutschen.<br />

Die Wörterbuchrealität sieht jedoch ganz anders aus. Es fällt auf, dass die Wörterbücher, die<br />

man nicht zuletzt als Nichtmuttersprachler zu Rate zieht, wenn man sich über die Aussprache<br />

e<strong>in</strong>es Wortes erkundigen möchte, deutliche Unterschiede aufweisen. Ganz besonders<br />

eklatant s<strong>in</strong>d diese Unterschiede im H<strong>in</strong>blick auf die E<strong>in</strong>deutschung fremder Wörter und Namen<br />

– und kurios im H<strong>in</strong>blick auf die E<strong>in</strong>deutschung dänischer Wörter und Namen, die uns<br />

teilweise bekannt vorkommen, weil die Ausspracheangabe nah am Dänischen geblieben ist,<br />

teilweise aber auch fast nicht erkennbar s<strong>in</strong>d, weil ihre Aussprache am Deutschen orientiert<br />

ist.<br />

Der Beitrag will an ausgewählten Beispielen zeigen, welche Unterschiede, Widersprüche und<br />

Artefakte <strong>in</strong> den Aussprachangaben von Wörterbüchern zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d und dafür zuständigen<br />

Personen und Institutionen Empfehlungen für Abstimmungen, Vere<strong>in</strong>fachungen und<br />

Vere<strong>in</strong>heitlichungen geben, die den Umgang mit Wörterbüchern im Ausland erleichtern können.<br />

Er konzentriert sich auf die „expliziten“ DaF-Wörterbücher von Hueber, Duden, Langenscheidt,<br />

Wahrig und de Gruyter und zieht weitere, von Deutschlernenden oft benutzte Wörterbücher<br />

wie das Duden-Universalwörterbuch zum Vergleich heran.<br />

7


Symposium 1<br />

Alexandra Ebel, Friderike Lange und Robert Skoczek<br />

Ausspracheangaben zu e<strong>in</strong>gedeutschten Namen und Wörtern <strong>in</strong> Wörterbüchern<br />

Wie Wörter standardgemäß ausgesprochen werden, wird <strong>in</strong> Wörterbüchern oftmals mit Hilfe<br />

des Internationalen Phonetischen Alphabets (IPA) angegeben. Nicht immer werden alle<br />

Stichwörter lautschriftlich transkribiert, oftmals s<strong>in</strong>d es nur diejenigen, bei denen Ausspracheschwierigkeiten<br />

zu erwarten s<strong>in</strong>d. Das betrifft ältere Entlehnungen aus anderen Sprachen<br />

und <strong>in</strong>sbesondere solche Wörter, die <strong>in</strong>folge wirtschaftlich-politischer Beziehungen oder Ereignisse<br />

besonders populär wurden und E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> den aktuellen Sprachgebrauch gefunden<br />

haben. Bed<strong>in</strong>gt durch die Globalisierung gelangen kont<strong>in</strong>uierlich neue fremde Wörter und<br />

auch Namen <strong>in</strong>s Deutsche. Die Aussprache dieser Wörter und Namen kann aus verschiedenen<br />

Gründen problematisch für deutsche Sprecher se<strong>in</strong>:<br />

• abweichende Phonem-Graphem-Beziehungen,<br />

• ungewöhnliche Vokal- und Konsonantenverb<strong>in</strong>dungen,<br />

• ungewöhnliche Akzentuierungsmuster,<br />

• systemfremde Laute,<br />

• Transliteration aus e<strong>in</strong>er anderen Schrift,<br />

• Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Mittlersprache.<br />

Solche und weitere Ursachen führen häufig dazu, dass die Aussprache fremder Wörter den<br />

Gewohnheiten der deutschen Artikulationsbasis angepasst wird. Dies erfolgt im Falle vieler<br />

Sprecher spontan und ungeregelt. E<strong>in</strong> solches Vorgehen ist aber sowohl für die Sprecher/<strong>in</strong>nen<br />

als auch für Hörer/-<strong>in</strong>nen unbefriedigend.<br />

Aussprachewörterbücher übernehmen die Rolle e<strong>in</strong>es empfehlenden Referenzwerks für die<br />

so genannte deutsche Standardaussprache. Der Umgang mit nicht deutschen Namen und<br />

Wörtern stellt dabei e<strong>in</strong>e besondere Herausforderung dar, denn es muss dabei immer zwischen<br />

Orig<strong>in</strong>alnähe und Annäherung an die Aussprachegesetzmäßigkeiten des Deutschen<br />

abgewogen werden.<br />

Das Ziel der E<strong>in</strong>deutschungsforschung ist es e<strong>in</strong>erseits, zu e<strong>in</strong>er differenzierteren Beschreibung<br />

für fremde Ausspracheformen <strong>in</strong> der deutschen Standardaussprache zu gelangen und<br />

andererseits, daraus E<strong>in</strong>deutschungspr<strong>in</strong>zipien abzuleiten, um die Aussprache fremder Wörter<br />

und Namen <strong>in</strong>nerhalb der deutschen Standardsprache zu vere<strong>in</strong>heitlichen. Dies ist <strong>in</strong>sbesondere<br />

für Pädagogen, Mediensprecher, Lehrer und Lerner im Bereich Deutsch als Fremdsprache<br />

sowie Personen aus weiteren sprech<strong>in</strong>tensiven Berufen von Interesse. Die Forschung<br />

ist e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> das Projekt zur Aussprachekodifikation des Sem<strong>in</strong>ars für Sprechwissenschaft<br />

und Phonetik an der Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im Mittelpunkt<br />

stehen dabei verschiedene empirische Herangehensweisen. Mittels phonetischer Analysen<br />

und soziophonetischer Untersuchungen sollen möglichst e<strong>in</strong>heitliche und praktikable Regeln<br />

für die Aussprache e<strong>in</strong>gedeutschter Wörter entwickelt werden, die auf e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternen standardsprachlichen<br />

Norm basieren und es ermöglichen, fremde Wörter und Namen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

nachvollziehbaren und akzeptierbaren Maß an das Deutsche anpassen zu können.<br />

Im Rahmen des Vortrags soll Folgendes exemplifiziert werden:<br />

1. vorliegende E<strong>in</strong>deutschungsrichtl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> den gängigen Aussprachewörterbüchern<br />

2. e<strong>in</strong>zelne theoretische Positionen und Problemstellungen h<strong>in</strong>sichtlich der E<strong>in</strong>deutschung<br />

fremder Namen und Wörter<br />

3. erste Forschungsergebnisse und daraus resultierende Implikationsansätze zur Kodifizierung<br />

für Englisch, Russisch und Polnisch.<br />

8


Symposium 1<br />

Sab<strong>in</strong>e Strauß<br />

Die Aussprachedatenbank der niederländischen Radio- und Fernsehanstalten NOS<br />

und Wereldomroep<br />

Die Mitarbeitenden der niederländischen Radio- und Fernsehanstalten NOS und Wereldomroep<br />

können e<strong>in</strong>e Datenbank benutzen, um sich über die Aussprache und Schreibung<br />

fremdsprachlicher Namen zu <strong>in</strong>formieren. Ziel dieser Datenbank Zeggen en Schrijven („Sagen<br />

und Schreiben“) ist es, dass diese Namen e<strong>in</strong>heitlich ausgesprochen und geschrieben<br />

werden. Außer für Sprechende <strong>in</strong> den Medien ist Zeggen en Schrijven auch anderen Interessierten<br />

zugänglich, da die Informationen über Internet frei verfügbar s<strong>in</strong>d<br />

(http://zeggenenschrijven.rnw.nl).<br />

Im E<strong>in</strong>zelbeitrag soll diese Datenbank kurz beschrieben werden, wobei es um folgende Aspekte<br />

geht: Kontext und Leitl<strong>in</strong>ien des Zusammenstellens und Pflegens der Datenbank, Inhalt,<br />

Aufbau und Form. Folgende D<strong>in</strong>ge fallen bei diesen Aspekten zum Beispiel <strong>in</strong>s Auge:<br />

die Autorität der Nachrichten wird als Motivation für die Existenz der Datenbank betont; die<br />

Datenbank enthält e<strong>in</strong>ige E<strong>in</strong>träge, bei denen es sich nicht um Eigennamen handelt; zum<br />

Transkribieren der Aussprache wird ausschließlich das late<strong>in</strong>ische Alphabet verwendet.<br />

Um e<strong>in</strong>schätzen zu können, <strong>in</strong>wiefern die Datenbank ihr Ziel erreicht, sollen außerdem e<strong>in</strong>ige<br />

Beispiele zur tatsächlichen Aussprache von Eigennamen <strong>in</strong> den Radio- und Fernsehnachrichten<br />

von NOS und Wereldomroep gegeben und diese mit der vorgeschlagenen Aussprache<br />

<strong>in</strong> der Datenbank verglichen werden.<br />

Weiterh<strong>in</strong> sollen an den relevanten Stellen e<strong>in</strong>ige Unterschiede zur ARD-<br />

Aussprachedatenbank herausgestrichen werden. Diese Unterschiede bestehen zum Beispiel<br />

<strong>in</strong> den Zugangsmöglichkeiten zur Datenbank, <strong>in</strong> deren Umfang und <strong>in</strong> den verwendeten<br />

Transkriptionsarten.<br />

9


Symposium 1<br />

Roland He<strong>in</strong>emann<br />

Die Position der ARD-Aussprachedatenbank zwischen den Polen „so orig<strong>in</strong>al wie<br />

möglich“ und „so deutsch wie möglich“<br />

Seit 1997 betreibt der Hessische Rundfunk federführend die „ARD-Aussprachedatenbank“<br />

(ADB: http://www.ard.de/kultur/wortlaut/-/id=467248/1r3qbgw/<strong>in</strong>dex.html). Sprecher/<strong>in</strong>nen,<br />

Journalisten/<strong>in</strong>nen und Moderatoren/<strong>in</strong>nen können rund um die Uhr die Aussprache von Namen<br />

und Begriffen onl<strong>in</strong>e abrufen. Die Ausspracheangaben erfolgen <strong>in</strong> der Internationalen<br />

Lautschrift und e<strong>in</strong>er volkstümlichen Umschrift; seit 2000 s<strong>in</strong>d alle E<strong>in</strong>träge zusätzlich mit<br />

Audios im MP3-Format h<strong>in</strong>terlegt. Die Datenbank wird täglich ergänzt und be<strong>in</strong>haltet nicht<br />

nur Namen und Begriffe aus dem aktuellen politisch-geografischen Nachrichtenbereich, sondern<br />

aus allen Ressorts journalistischer Arbeit sowie auch <strong>in</strong>sbesondere der Musikpräsentation<br />

Die Beschreibung fremdsprachlicher Namen und Begriffe erfolgt im Grundsatz nach der Regel:<br />

„So orig<strong>in</strong>al wie möglich, so deutsch wie nötig“. Aufbauend auf dem „Pr<strong>in</strong>zip der relativen<br />

E<strong>in</strong>deutschung“ sowie der „gemäßigten E<strong>in</strong>deutschung“ der DDR-Aussprachewörterbücher<br />

(Wörterbuch der deutschen Aussprache 1964; Großes Wörterbuch der deutschen Aussprache<br />

1982) werden zunächst übergreifende, allgeme<strong>in</strong>e Regeln zur E<strong>in</strong>deutschung def<strong>in</strong>iert,<br />

wie z.B. „Die Erhaltung von Vokalqualität geht vor Vokalquantität“, und: „Fremdsprachliche<br />

Laute, die nicht zum deutschen Laut<strong>in</strong>ventar gehören, werden durch solche Laute ersetzt,<br />

die artikulatorisch und/oder auditiv die größte Ähnlichkeit haben“.<br />

Für <strong>in</strong>zwischen ca. 30 Fremdsprachen haben Arbeitsgruppen (unter E<strong>in</strong>beziehung der Vertreter<br />

des Rundfunks <strong>in</strong> Österreich und der Schweiz sowie unter Beteiligung von Muttersprachlern)<br />

festgelegt, welche E<strong>in</strong>deutschung im Detail empfehlenswert ist; dabei geht es<br />

nicht zuletzt um die Frage, welche e<strong>in</strong>gedeutschte Aussprache von Muttersprachlern als „tolerabel“<br />

empfunden wird. So wird z.B. von Ungarn e<strong>in</strong> Wechsel der Vokalqualität für weniger<br />

störend erachtet als die Dehnung e<strong>in</strong>es Vokals, um dessen orig<strong>in</strong>ale Qualität zu erhalten.<br />

Die kontrastive phonetische Betrachtung e<strong>in</strong>zelner Sprachen <strong>in</strong> Ergänzung e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>en<br />

Regel<strong>in</strong>ventars zur „E<strong>in</strong>deutschung“ hat sich bisher als geeignete Methode erwiesen, um<br />

fremdsprachliche Namen und Begriffe für deutsche Sprecher/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Hörfunk und Fernsehen<br />

mittels der „ARD-Aussprache-datenbank“ bereit zu stellen.<br />

Im Vortrag werden Grundsätze und Verfahrensweisen der ADB anhand zahlreicher Beispiele<br />

aus der Rundfunkpraxis erörtert. Während der Präsentation besteht Live-Zugriff <strong>in</strong> die ARD-<br />

Aussprachedatenbank.<br />

Hessischer Rundfunk<br />

Sendeleitung Hörfunk<br />

ARD-Aussprachedatenbank<br />

Bertramstraße 8<br />

60222 Frankfurt<br />

Tel. +49-(0)69-155 2338<br />

Fax +49-(0)69-155 4518<br />

E-Mail: rhe<strong>in</strong>emann@hr-onl<strong>in</strong>e.de<br />

10


Symposium 1<br />

Re<strong>in</strong>hard Wenk<br />

Das konfrontative Pr<strong>in</strong>zip für die Auswahl von Ausspracheangaben im Russisch-<br />

Deutschen Wörterbuch<br />

1. In der russistischen Lexikographie ist es – bis auf wenige Ausnahmen, z.B. <strong>in</strong> Lehrwörterbüchern<br />

– nicht üblich, vollständige Transkriptionen der Stichwörter anzuführen. Meist ist<br />

das dem Platzmangel und der Orientierung auf die Hauptaufgabe e<strong>in</strong>es Wörterbuchs geschuldet,<br />

nämlich der möglichst umfassenden Darstellung der Bedeutungen des jeweiligen<br />

Stichworts.<br />

2. Aber auch <strong>in</strong> Aussprachewörterbüchern des Russischen gibt es ke<strong>in</strong>e vollständigen Transkriptionen.<br />

Dort werden lediglich die für den russischen Muttersprachler bestehenden orthoepischen<br />

Schwierigkeiten dargestellt, die durch die Entwicklung der Standardaussprache,<br />

durch dialektale oder umgangssprachliche Abweichungen von der Norm, aber auch<br />

bei neuen Fremdwörtern entstehen, <strong>in</strong> denen häufig weder die normale Vokalreduktion<br />

noch die <strong>in</strong> origiären russischen Wörtern obligatorische Palatalisierung von Vorderzungenkonsonanten<br />

vor /ɛ/ zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d.<br />

3. Die meisten russisch-deutschen Wörterbücher, soweit sie nicht ganz auf Ausspracheangaben<br />

verzichten, übernehmen auch nur diese H<strong>in</strong>weise. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> jedem Falle notwendig.<br />

Es kommt aber darauf an, dem <strong>in</strong>teressierten deutschen Nutzer zusätzlich dazu und<br />

gezielt möglichst kurz gefasste Hilfen für die Aussprache solcher Stichwörter zu geben,<br />

die durch die Wirkung der deutschen Aussprachegewohnheiten des Nutzers auf die Aussprache<br />

russischer Silben orthoepisch falsch gesprochen werden können. Das gilt <strong>in</strong>sbeondere<br />

für russische Fremdwörter, die den deutschen Entsprechungen ähnlich s<strong>in</strong>d. Diese<br />

treten im Russisch-Deutschen Wörterbuch durch die umfangreiche Berücksichtigung<br />

fachsprachlicher Term<strong>in</strong>i gehäuft auf.<br />

4. Als Kriterium für die Auswahl der zusätzlich zu transkribierenden Silben e<strong>in</strong>es Stichworts<br />

bietet sich das konfrontative Pr<strong>in</strong>zip an, das sich bei der praktischen Ausspracheschulung<br />

bereits bestens bewährt hat. Es werden also nicht ganze Stichwörter, sondern nur solche<br />

Silben <strong>in</strong> phonetischer Umschrift angeführt, die trotz Kenntnis der grundlegenden Regeln<br />

für die russische Aussprache (z.B. zur quantitativen und qualitativen Reduktion unbetonter<br />

Vokale, zur Erkennung und lautlichen Realisierung palatalisierter und nicht palatalisierter<br />

Konsonantphoneme oder zur Stimmassimilation) durch negativen Transfer aus dem<br />

Deutschen falsch gesprochen werden können. Wenn allerd<strong>in</strong>gs Anfangs- und Endsilben<br />

oder alle Silben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stichwort Hilfe erfordern, wird das gesamte Wort transkribiert.<br />

5. An Hand der kyrillischen und IPA-Transkription e<strong>in</strong>er Reihe russischer und deutscher Beispiele<br />

aus dem Russisch-Deutschen Wörterbuch bzw. dem Deutschen Aussprachewörterbuch<br />

wird das Pr<strong>in</strong>zip ausführlich dargestellt und erläutert.<br />

11


Symposium 1<br />

Ursula Hirschfeld, Rüdiger Hoffmann und Eberhard Stock<br />

Stand und Probleme der Entwicklung e<strong>in</strong>es „sprechenden“ Aussprachewörterbuchs<br />

E<strong>in</strong> „sprechendes“ Aussprachewörterbuch ist e<strong>in</strong>e wünschenswerte und von den Nutzern<br />

erwartete Ergänzung zum herkömmlichen Aussprachewörterbuch, weil es den Zugang zur<br />

deutschen Standardaussprache erleichtern und e<strong>in</strong>prägbare Klangmuster vermitteln kann.<br />

Transkription <strong>in</strong> gesprochene Sprache umzusetzen, ist für ungeübte Nutzer sehr schwierig.<br />

Die <strong>in</strong> Aussprachewörterbüchern für das Deutsche verwendete <strong>in</strong>ternationale Transkription<br />

lässt zudem e<strong>in</strong>en gewissen Spielraum. Sie ist, da sie übersichtlich bleiben soll, nicht eng<br />

und detailliert genug, um alle Aussprachemerkmale genau zu erfassen. So wird z.B. für die<br />

verschiedenen konsonantischen R-Varianten nur e<strong>in</strong> Zeichen verwendet; für die Akzentuierung<br />

wird nur die Akzentstelle angegeben, nicht aber die Mittel, mit denen Akzentvokale bzw.<br />

-silben hervorgehoben werden usw.<br />

Da es nicht möglich ist, die vorgesehene große Zahl von 100.000 oder 150.000 Klangbeispielen<br />

aufzunehmen und auf e<strong>in</strong>er CD-ROM zu speichern, bleibt nur der Weg der Sprachsynthese.<br />

Die erforderliche Technologie dafür ist verfügbar. Durch die Entwicklung der PC-<br />

Technik und der Schaltkreisbasis vollzog sich Anfang der 1990er Jahre <strong>in</strong>ternational der<br />

Übergang von parametrischen, ressourcensparenden Verfahren zur sog. konkatenativen<br />

Sprachsynthese, bei der kle<strong>in</strong>e, natürliche Sprachsegmente nach bestimmten Regeln zur<br />

gewünschten Äußerung verkettet werden. Mit diesem Verfahren, das e<strong>in</strong>e bessere Qualität<br />

als die der parametrischen Verfahren liefert, arbeitet auch das Dresdner Sprachsynthesesystem<br />

(DRESS).<br />

Da <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wörterbuch nur Wörter und ggf. Wortgruppen und ke<strong>in</strong>e längeren Phrasen verwendet<br />

werden, entfällt die Komponente, die für die l<strong>in</strong>guistische Textanalyse erforderlich ist,<br />

und damit e<strong>in</strong>e Quelle für unerwünschte Artefakte. Dennoch ist die mit der vorhandenen<br />

Ausbaustufe des Sprachsynthesesystems DRESS erreichbare Sprachqualität bisher für e<strong>in</strong><br />

solches Wörterbuch-Projekt unzureichend. Die Hauptursachen s<strong>in</strong>d:<br />

a) aus phonetischer Sicht werden zu wenige Bauste<strong>in</strong>varianten (Diphone) verwendet,<br />

b) die prosodische Steuerung (Intonation, Lautlängen, Intensität) ist noch nicht zufriedenstellend.<br />

Der Beitrag stellt die Anforderungen an e<strong>in</strong>e „musterhafte“ d.h. standardsprachliche Aussprache<br />

auf der Basis von Sprachsynthese dar und zeigt den aktuellen Stand des Sprachsynthesesystems<br />

DRESS, für das gegenwärtig e<strong>in</strong> spezieller Editor (LEX-Editor) entwickelt<br />

wird, mit dem segmentale und suprasegmentale Merkmale der Sprachausgabe gezielt bee<strong>in</strong>flusst<br />

werden können.<br />

12


Symposium 2<br />

Andreas Rohde<br />

Lexikalische Pr<strong>in</strong>zipien als Voraussetzungen für den Wortschatzaufbau im L1- und L2-<br />

Erwerb<br />

Bis <strong>in</strong> die 1980er Jahre h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> wurde für den Wortschatzerwerb stets implizit angenommen,<br />

dass K<strong>in</strong>der von Beg<strong>in</strong>n des Erwerbsprozesses an wissen, dass Wörter referieren und dass<br />

sie sich auf ganz bestimmte Aspekte der außersprachlichen Welt beziehen, jedoch nicht auf<br />

andere. Woher aber weiß e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, dass das Wort „Hund“ auf e<strong>in</strong>en Hund <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ganzheit<br />

referiert und nicht etwa auf die Form se<strong>in</strong>es Kopfes, die Farbe se<strong>in</strong>es Körpers, die Beschaffenheit<br />

se<strong>in</strong>es Fells etc.? Das K<strong>in</strong>d wird offenbar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Annahmen, auf welche außersprachliche<br />

Entität e<strong>in</strong> neu auftretendes Wort referieren kann, durch angeborene oder erlernte<br />

Pr<strong>in</strong>zipien begrenzt. Die Aufgabe des Lexikonerwerbs wird dadurch erleichtert und beschleunigt,<br />

dass e<strong>in</strong> Wort nicht unendlich viele potenzielle Bedeutungen haben kann.<br />

Dieser Beitrag besteht aus zwei Teilen: Der erste, theoretische, Teil beschäftigt sich mit e<strong>in</strong>er<br />

modifizierten Fassung des Pr<strong>in</strong>zipienmodells nach Markman (1994), das drei lexikalische<br />

Pr<strong>in</strong>zipien bzw. drei Annahmen über die Referenz von Wörtern enthält:<br />

1. Die Objekt-Annahme<br />

(Wörter beziehen sich auf Objekte <strong>in</strong> ihrer Ganzheit, whole object assumption)<br />

2. Die Taxonomie-Annahme<br />

(Wörter beziehen sich auf Entitäten gleicher Art, taxonomic assumption)<br />

3. Die Exklusions-Annahme<br />

(K<strong>in</strong>der nehmen zunächst an, dass jedes Objekt nur mit e<strong>in</strong>em Wort benannt wird, mutual<br />

exclusivity assumption)<br />

Im zweiten Teil werden Studien diskutiert, <strong>in</strong> denen die drei Annahmen nachgewiesen werden<br />

konnten (Überblick <strong>in</strong> Rohde 2005). Dabei zeigt sich für den L1-Erwerb, dass K<strong>in</strong>der im<br />

Alter zwischen drei und sechs Jahren den Annahmen folgen, gleichzeitig jedoch lernen, dass<br />

die Pr<strong>in</strong>zipien verletzt werden müssen, um zu e<strong>in</strong>em hierarchischen Wortschatz zu gelangen.<br />

Daten für den L2-Erwerb, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er deutsch-englisch bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dertagesstätte erhoben<br />

wurden, legen den Schluss nahe, dass die K<strong>in</strong>der – obwohl sie aus ihrer L1-Erfahrung<br />

wissen, dass die Annahmen <strong>in</strong> vielen konkreten Kontexten „überschrieben“ werden müssen<br />

– dennoch auf die Annahmen als Strategien zurückgreifen, wenn sie mit neuen, bisher nicht<br />

gehörten, Wörtern konfrontiert werden. Produktionsdaten aus dem natürlichen L2-Erwerb<br />

weisen zudem darauf h<strong>in</strong>, dass auch K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em englischsprachigen Umfeld sich beim<br />

Aufbau ihres produktiven Wortschatzes an den lexikalischen Annahmen orientieren: Ihr früher<br />

Wortschatz weist ausschließlich Wörter für Objekte <strong>in</strong> ihrer Ganzheit auf, ist auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />

taxonomische Ebene ausgerichtet, dem basic level und vermeidet Synonyme. Neue<br />

Daten aus e<strong>in</strong>er Kölner bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dertagesstätte bestätigen die bisherigen Beobachtungen<br />

und deuten auf e<strong>in</strong>e Interaktion zwischen den lexikalischen Annahmen und den kommunikativen<br />

Bedürfnissen der K<strong>in</strong>der h<strong>in</strong>.<br />

Literatur:<br />

Markman, E.M. (1994). Constra<strong>in</strong>ts on word mean<strong>in</strong>g <strong>in</strong> early language acquisition. In:<br />

Gleitman, L.R. & Landau, B. (Hg.), The Acquisition of the Lexicon. Cambridge, MA & London:<br />

M.I.T. Press, 199–228.<br />

Rohde, A. (2005). Lexikalische Pr<strong>in</strong>zipien im Erst- und Zweitsprachenerwerb. Trier: Wissenschaftlicher<br />

Verlag Trier WVT.<br />

13


Symposium 2<br />

Christ<strong>in</strong>e Tiefenthal<br />

Fast mapp<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der Kita<br />

Fast mapp<strong>in</strong>g bezeichnet e<strong>in</strong>en zentralen Lernmechanismus im Lexikonerwerb, bei dem<br />

Wortform und Bedeutung mite<strong>in</strong>ander verbunden werden. Wörter müssen nicht explizit als<br />

neues sprachliches Material e<strong>in</strong>geführt werden, sie werden auch gelernt, wenn sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

E<strong>in</strong>führungskontext gewissermaßen „nebenbei“ benutzt werden. Dies wurde zunächst nur für<br />

die Erstsprache bei 12–18 Monate alten Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern berichtet (Carey 1978). Dieser Beitrag<br />

beschäftigt sich mit der Frage, ob sich fast mapp<strong>in</strong>g auch auf den Zweitspracherwerb übertragen<br />

lässt und wenn ja, <strong>in</strong>wiefern sich dieser Lernmechanismus <strong>in</strong> der Erst- und Zweitsprache<br />

unterscheidet.<br />

Die Datenerhebung erfolgte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er deutsch-englisch bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dertagesstätte <strong>in</strong> Altenholz<br />

bei Kiel mit drei- bis sechsjährigen K<strong>in</strong>dern, die Englisch im täglichen Umgang auf natürliche<br />

Weise ohne Unterricht lernten. In neun empirischen, longitud<strong>in</strong>al angelegten Testdesigns<br />

konnte fast mapp<strong>in</strong>g experimentell im Zweitspracherwerb nachgewiesen werden.<br />

Die Testergebnisse zeigten, dass der Lernmechanismus des fast mapp<strong>in</strong>g bei drei- bis<br />

sechsjährigen LernerInnen sowohl <strong>in</strong> der Erstsprache Deutsch als auch <strong>in</strong> der Zweitsprache<br />

Englisch zu beobachten ist. L2-fast mapp<strong>in</strong>g ist allerd<strong>in</strong>gs nicht so effektiv wie <strong>in</strong> der L1. Weiterh<strong>in</strong><br />

wurde festgestellt, dass die Testergebnisse u.a. durch den dargebotenen Kontext, die<br />

Testverfahren, Charakteristika der LernerInnen und die Lernumgebung bee<strong>in</strong>flusst wurden.<br />

Festgestellt wurde darüber h<strong>in</strong>aus, dass K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Bezug auf L2-fast mapp<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> erhebliches<br />

Ausmaß an <strong>in</strong>ter<strong>in</strong>dividueller Variation zeigen und dass dieser Lernmechanismus durch phonologische<br />

Ähnlichkeiten zwischen L1- und L2-Wörtern, die Wortklasse und -länge der neu<br />

e<strong>in</strong>geführten Wörter, die Zeitspanne zwischen der E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es neuen Wortes und dem<br />

Testbeg<strong>in</strong>n, Benennungshäufigkeit und durch Besonderheiten des E<strong>in</strong>führungskontextes<br />

sowie durch Lernervariablen wie Geschlecht, Kontaktdauer und Alter bee<strong>in</strong>flusst wird. Aus<br />

den Untersuchungsergebnissen zum E<strong>in</strong>fluss dieser Faktoren auf den lexikalischen Erwerbsprozess<br />

lassen sich didaktische H<strong>in</strong>weise für ErzieherInnen und BetreuerInnen für die<br />

alltägliche Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung ableiten.<br />

Literatur:<br />

Carey, S. & Bartlett, E. (1978). Acquir<strong>in</strong>g a s<strong>in</strong>gle new word. Papers and Reports on Child<br />

Language Development 15, S. 17–29.<br />

Tiefenthal, C. (2009). Fast mapp<strong>in</strong>g im natürlichen L2-Erwerb, Trier: Wissenschaftlicher Verlag<br />

Trier WVT.<br />

14


Symposium 2<br />

Kirst<strong>in</strong> Kersten<br />

Wortschatzerwerb im frühen Fremdsprachenlernen <strong>in</strong> bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dergärten<br />

In Deutschland und vielen europäischen Ländern f<strong>in</strong>det <strong>in</strong>tensiver Fremdsprachenerwerb <strong>in</strong><br />

dieser Altersstufe <strong>in</strong> zunehmendem Maße <strong>in</strong> bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dertagesstätten statt, <strong>in</strong> denen<br />

häufig Muttersprachler/<strong>in</strong>nen der neuen Sprache e<strong>in</strong>en Teil der Gruppenbetreuung übernehmen<br />

und für die K<strong>in</strong>der auf diese Weise im gesamten Tagesablauf e<strong>in</strong>e möglichst natürliche<br />

L2-Sprachumgebung schaffen. Begleitende Beobachtung <strong>in</strong> bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dergärten<br />

(Kersten 2010) bestätigt die Ergebnisse verschiedener Studien, dass das Verständnis des<br />

Wortschatzes der Produktion vorausgeht (vgl. Rohde 2010). Daher stellt die vorliegende<br />

Studie die Frage, <strong>in</strong> welcher Art und Weise rezeptiver L2-Wortschatzerwerb <strong>in</strong> bil<strong>in</strong>gualen<br />

K<strong>in</strong>dergärten stattf<strong>in</strong>det, wie sich der frühe Beg<strong>in</strong>n des L2-Kontakts auswirkt und von welchen<br />

Kontextfaktoren und Lernervariablen der Erwerb bee<strong>in</strong>flusst wird.<br />

In e<strong>in</strong>er Longitud<strong>in</strong>alstudie <strong>in</strong> Deutschland, Belgien, Schweden und England wurde u.a. der<br />

rezeptive Wortschatzerwerb von 200 K<strong>in</strong>dern aus neun bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dertagesstätten untersucht<br />

(ELIAS-Studie: Early Language and Intercultural Acquisition Studies, Kersten 2010,<br />

Kersten et al. 2010). Daten wurden mit Hilfe des BPVS II (British Picture Vocabulary Scale II,<br />

Dunn et al. 1997) zu zwei Testzeitpunkten erhoben. Der BPVS II ist e<strong>in</strong> standardisiertes Instrument<br />

zur Erfassung des rezeptiven Wortschatzlernens für L1- und EAL 1 -Lerner im Alter<br />

von 3–15 Jahre.<br />

Erste Ergebnisse zeigen, dass sich die Lerner von T1 zu T2 signifikant verbessern (Rohde<br />

2010). Die Ergebnisse von L1-Sprechern werden nicht erreicht. Die Faktoren L2-<br />

Kontaktdauer und Intensität des L2-Inputs haben e<strong>in</strong>en signifikanten E<strong>in</strong>fluss auf die Testergebnisse,<br />

Geschlecht h<strong>in</strong>gegen nur zu e<strong>in</strong>em Testzeitpunkt (mit e<strong>in</strong>en Vorteil für die Mädchen).<br />

Migrationsh<strong>in</strong>tergrund und L2-Input-Qualität zeigen ke<strong>in</strong>e signifikanten Unterschiede<br />

(Rohde 2010).<br />

Literatur:<br />

Dunn, L., Dunn, L., Whetton, C., Burley, J. (1997). The British Picture Vocabulary Scale II.<br />

W<strong>in</strong>dsor: NFER-Nelson.<br />

Kersten, K. (Hg.) (2010). ELIAS – Early Language and Intercultural Acquisition Studies: F<strong>in</strong>al<br />

Report. Universität Magdeburg: ELIAS. (www.elias.bilikita.org)<br />

Kersten, K., Rohde, A., Schelletter, C., Ste<strong>in</strong>len, A. (Hg.) (2010). Bil<strong>in</strong>gual Preschools. Vol. I:<br />

Learn<strong>in</strong>g and Development. Vol. II: Best Practices. Trier: WVT.<br />

Long, M.H. (2007). Problems <strong>in</strong> SLA. New York, London: Erlbaum.<br />

Rohde, A. (2010). Introduction to Second Language Acquisition. In: Kersten, K., Rohde, A.,<br />

Schelletter, C., Ste<strong>in</strong>len, A. (Hg.). Bil<strong>in</strong>gual Preschools. Vol. II: Best Practices. Trier: WVT,<br />

119–130.<br />

1<br />

EAL: English as an additional language – Vergleichswerte für Lerner mit Englisch als Zweitsprache<br />

<strong>in</strong> Großbritannien.<br />

15


Symposium 2<br />

Christ<strong>in</strong>a Schelletter<br />

Lexikalische Entwicklung von bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dergartenk<strong>in</strong>dern<br />

Bil<strong>in</strong>guale K<strong>in</strong>der lernen schon früh, dass derselbe Begriff <strong>in</strong> zwei Sprachen unterschiedlich<br />

benannt werden kann (Schelletter 2002). Dennoch kennen K<strong>in</strong>der nicht alle Begriffe der e<strong>in</strong>en<br />

Sprache auch <strong>in</strong> der anderen Sprache, so dass sie bei der Verwendung der e<strong>in</strong>en Sprache<br />

auch Wörter der anderen Sprache gebrauchen (Genesee 1987). Zu beachten ist <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang aber, dass der Wortschatz bil<strong>in</strong>gualer K<strong>in</strong>der im K<strong>in</strong>dergartenalter <strong>in</strong><br />

jeder ihrer Sprachen oft unter der Norm für den Wortschatz monol<strong>in</strong>gualer K<strong>in</strong>der liegt (Hoff<br />

& Elledge 2005), wobei die tatsächliche Größe des Wortschatzes natürlich besonders auch<br />

davon abhängig ist, welchen Input K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> jeder ihrer Sprachen erhalten (Mueller Gathercole<br />

et al. 2008).<br />

Der Wortschatz von bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dern im Vergleich zu monol<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dern im K<strong>in</strong>dergartenalter<br />

ist auch Gegenstand der hier vorgestellten Studie. Die Erhebung der Daten fand<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es von der Europäischen Kommission geförderten Projekts (ELIAS – Early Language<br />

and Intercultural Acquisition Studies) statt, das u.a. die Sprachlernfortschritte von monol<strong>in</strong>gual<br />

englischen und bil<strong>in</strong>gual englisch-deutschen K<strong>in</strong>dern untersucht hat, die im K<strong>in</strong>dergarten<br />

sowohl Deutsch als auch Englisch nach dem Immersionspr<strong>in</strong>zip lernten (Kersten et al.<br />

2010). Alle K<strong>in</strong>der lebten <strong>in</strong> England. Die bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>der besuchten e<strong>in</strong>en zweisprachigen<br />

K<strong>in</strong>dergarten <strong>in</strong> der Nähe von London. Für die hier vorgestellte Studie wurden der passive<br />

und aktive englische Wortschatz von 30 monol<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dern mit L1 Englisch und 30 englisch-deutsch<br />

bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dern im Alter von 3–5 Jahren mit dem British Picture Vocabulary<br />

Scale (Dunn et al. 1997) und dem Word F<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g Vocabulary Test (Renfrew 1997) getestet.<br />

Die Deutschkenntnisse der bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>der wurden darüber h<strong>in</strong>aus mit dem Aktiven Wortschatztest<br />

(Kiese & Kozielski 1996) untersucht.<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass sich der rezeptive und produktive Wortschatz der K<strong>in</strong>der mit<br />

zunehmendem Alter vergrößert hat. Zwei bil<strong>in</strong>guale Gruppen wurden unterschieden: Die<br />

K<strong>in</strong>der der e<strong>in</strong>en Gruppe hatten deutschsprachige, die anderen dagegen englischsprachige<br />

Mütter. Die Ergebnisse der englisch-dom<strong>in</strong>anten Gruppe unterschieden sich im aktiven und<br />

passiven Wortschatz des Englischen nicht von denen der monol<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>der. Andererseits<br />

lag bei der englisch-dom<strong>in</strong>anten Gruppe der deutsche aktive Wortschatz weit unter der<br />

Norm. Die Werte der deutsch-dom<strong>in</strong>anten Gruppe lagen im passiven englischen Wortschatz<br />

und im aktiven Wortschatz <strong>in</strong> beiden Sprachen unter der Norm.<br />

Die Ergebnisse bestätigen die Beobachtung, dass der Input <strong>in</strong> den jeweiligen Sprachen e<strong>in</strong>en<br />

entscheidenden E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklung des bil<strong>in</strong>gualen Lexikons hat. Wie <strong>in</strong> anderen<br />

Untersuchungen hatten die bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>der im Vergleich zu den monol<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dern<br />

e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>geren aktiven und passiven Wortschatz <strong>in</strong> jeder ihrer Sprachen.<br />

Literatur:<br />

Dunn, L., Dunn, L., Whetton, C., Burley, J. (1997). The British Picture Vocabulary Scale.<br />

W<strong>in</strong>dsor: NFER-Nelson.<br />

Genesee, F. (1987). Early bil<strong>in</strong>gual development. One language or two? Journal of Child<br />

Language, 16, 161–179.<br />

Hoff, E., Elledge, C. (2005). Bil<strong>in</strong>gualism as one of many environmental variables that affect<br />

language development. In: J. Cohen, K. McAlister, K. Rolstad and J. MacSwan (eds.),<br />

ISB4: Proceed<strong>in</strong>gs of the 4th International Symposium on Bil<strong>in</strong>gualism. Somerville: Cascadilla,<br />

1034–1040.<br />

16


Symposium 2<br />

Kersten, K., Rohde, A., Schelletter, C. & Ste<strong>in</strong>len, A. (2010). Bil<strong>in</strong>gual Preschools. Vol 1:<br />

Learn<strong>in</strong>g and Development. Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier.<br />

Kiese, C. & Kozielski, P.-M. (1996). Aktiver Wortschatztest für 3–6-jährige K<strong>in</strong>der. 2. Auflage<br />

Gött<strong>in</strong>gen: Beltz Test GmbH.<br />

Mueller Gathercole, V., Mon Thomas, E., Hughes, E. (2008). Design<strong>in</strong>g a normed receptive<br />

vocabulary test for bil<strong>in</strong>gual populations: A model from Welsh. International Journal of Bil<strong>in</strong>gual<br />

Education and Bil<strong>in</strong>gualism 11(6), 678–720.<br />

Schelletter, C. (2002). The effect of form similarity on bil<strong>in</strong>gual children’s lexical development.<br />

Bil<strong>in</strong>gualism: Language and Cognition 5 (2), 93–107.<br />

17


Symposium 2<br />

Christ<strong>in</strong>e Möller<br />

Lexikalische Mittel der Textkonstitution <strong>in</strong> der L2 Englisch<br />

In diesem Beitrag wird der Erwerb kohäsiver Mittel <strong>in</strong> der L2 Englisch von Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schülern e<strong>in</strong>es englischsprachigen Immersionsprogramms an e<strong>in</strong>er deutschen Grundschule<br />

nachgezeichnet. Im Fokus steht hierbei die Entwicklung verschiedener lexikalischer Mittel<br />

der Kohäsion, d.h. lexikalischer Mittel, die von den Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern mit text<strong>in</strong>ternem<br />

Bezug verwendet werden und so dazu beitragen, e<strong>in</strong>en „Text“ bzw. „Diskurs“ zu konstituieren.<br />

Die gewählten Kategorien folgen Halliday und Hasans (1976) Standardwerk Cohesion <strong>in</strong><br />

English, auf das die meisten neueren Ansätze zurückgehen, und sie gliedern sich grob <strong>in</strong><br />

Reiterationen und Kollokationen. Die Kategorie der Reiterationen umfasst hierbei Wortwiederholungen,<br />

Synonyme und Hyponyme, die der Kollokationen umfasst Antonyme, Co-<br />

Hyponyme, (Co-)Meronyme und lexikalische Felder. Untersucht wurden mündliche Nacherzählungen<br />

der Bildergeschichte Frog where are you? (Mayer 1969), die am Ende der ersten<br />

und vierten Klasse erhoben wurden, d.h. nach e<strong>in</strong>em bzw. vier Jahren Kontaktzeit zur L2 <strong>in</strong><br />

der Grundschule.<br />

Nach e<strong>in</strong>er kurzen E<strong>in</strong>ordnung der lexikalischen Mittel der Textkonstitution <strong>in</strong> das Gesamtkonstrukt<br />

der Textkohäsion und dessen Entwicklung wird <strong>in</strong> diesem Beitrag der Frage nachgegangen,<br />

ob sich Veränderungen <strong>in</strong> der Anzahl dieser lexikalischen Mittel von der ersten<br />

zur vierten Klasse nachzeichnen lassen. Danach wird untersucht, <strong>in</strong>wiefern sich Veränderungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb der e<strong>in</strong>zelnen (Unter-)Kategorien ergeben. Schließlich wird diskutiert, wie<br />

sich der Besuch e<strong>in</strong>er bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung auf die <strong>in</strong> der Grundschule erzielten<br />

Ergebnisse auswirkt: E<strong>in</strong> Teil der Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler besuchte vor der E<strong>in</strong>schulung<br />

<strong>in</strong> die englisch immersiv unterrichtende Grundschule e<strong>in</strong>e bil<strong>in</strong>guale K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung.<br />

Die Ergebnisse dieser Gruppe mit Vorkenntnissen werden den Ergebnissen der K<strong>in</strong>der<br />

gegenübergestellt, die ohne Vorkenntnisse e<strong>in</strong>geschult wurden.<br />

Literatur:<br />

Halliday, M.A.K. & Hasan, R. (1976). Cohesion <strong>in</strong> English. London: Longman.<br />

Mayer, M. (1969). Frog, where are you? New York: Puff<strong>in</strong> Pied Piper.<br />

18


Symposium 2<br />

Jan<strong>in</strong>e Laupenmühlen<br />

Begriffe, Begriffsbildung & -bezeichnung im bil<strong>in</strong>gualen Biologieunterricht<br />

Begriffsbildung ist <strong>in</strong> der Biologie, deren Begriffssystem Riedl mit mehreren Millionen empirisch<br />

geprüften Begriffen schon 1987 als das umfänglichste unserer Kultur bezeichnet, das<br />

die großen Sprachen um e<strong>in</strong>e Größenordnung überträfe, von entscheidender Bedeutung für<br />

<strong>in</strong>haltliches Lernen. Demgegenüber zeigen Erhebungen, dass Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

durchschnittlich „nur“ 1 bis maximal 2 Begriffe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Biologiestunde langfristig behalten.<br />

Während es unmittelbar e<strong>in</strong>leuchtend ersche<strong>in</strong>t, dass dem nur durch gezielte Auswahl an<br />

Begriffen begegnet werden kann, gestaltet sich die Frage nach den Kriterien für die zu wählenden<br />

Begriffsbezeichnungen als schwierig und kontrovers. Sollten z.B. Bezeichnungen<br />

gewählt werden, die begriffsbildendes Potenzial besitzen (wie z.B. Zersetzer) oder late<strong>in</strong>ischen<br />

bzw. griechischen Ursprunges (wie z.B. Destruent statt Zersetzer) und damit der<br />

Fachterm<strong>in</strong>ologie näher und eher <strong>in</strong>ternational verständlich s<strong>in</strong>d oder Beides? Sollte dies<br />

davon abhängen, ob die Bezeichnungen <strong>in</strong> Form von Alltagsbegriffen bereits vorliegen (wie<br />

z.B. Anabolika), oder gibt es gewichtigere Kriterien?<br />

Diese Frage gew<strong>in</strong>nt im bil<strong>in</strong>gualen Unterricht zusätzlich an Komplexität, da nun <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

zweiten Sprache Alltags- und fachwissenschaftliches Konzept und Alltags- und fachwissenschaftliche<br />

Bezeichnung <strong>in</strong> jeweils spezifischer Konstellation h<strong>in</strong>zutreten (vgl. z.B. Spucke /<br />

Speichel / spittle / saliva; Regenwurm / earthworm / Lumbricus terrestris / lumbricus terrestis;<br />

Stoffwechsel / Metabolismus / metabolism). Auch ist die fachwissenschaftliche Begriffsdef<strong>in</strong>ition<br />

im Deutschen und im Englischen nicht immer identisch, weswegen sich etwa das Eckart<br />

Kle<strong>in</strong> Wörterbuch vorbehält, ke<strong>in</strong>e wortwörtlichen Übersetzungen von Begriffsdef<strong>in</strong>itionen<br />

und -bezeichnungen sondern vielmehr die landestypische Lehrme<strong>in</strong>ung abzubilden. H<strong>in</strong>zu<br />

treten die kognitionsl<strong>in</strong>guistische Frage, ob Sprache nicht grundsätzlich Konzeptualisierung<br />

formt (L<strong>in</strong>guistischer Determ<strong>in</strong>ismus nach der Sapir-Whorf-Hypothese), wie die psychol<strong>in</strong>guistische<br />

(E<strong>in</strong>wort)Forschung zum geme<strong>in</strong>samen oder geteilten Konzeptualisierungssystem<br />

und lexikalischen Lexikon zweier Sprachen.<br />

Dieses Verhältnis von Begriffen und Begriffsbezeichnungen <strong>in</strong> der Landes- und Fremdsprache<br />

(Deutsch und Englisch) möchte der Beitrag theoretisch beleuchten und anhand des<br />

exemplarischen E<strong>in</strong>satzes von Begriffen im bil<strong>in</strong>gualen Biologieunterricht im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

Promotionsvorhabens erforschen. Dazu s<strong>in</strong>d Daten z.B. <strong>in</strong> Form von mündlichen Schülerbefragungen,<br />

Partnerarbeiten und schriftlichen Aufgaben erhoben worden. Diese geben<br />

exemplarische E<strong>in</strong>blicke etwa <strong>in</strong> das begriffsbildende Potenzial von Bezeichnungen und damit<br />

verknüpfte Schülervorstellungen, den Transfer fremdsprachlicher Fachbezeichnungen<br />

(z.B. prote<strong>in</strong>s) <strong>in</strong> die deutsche Sprache (Prote<strong>in</strong>e) und die vom Lerner (nicht) geleistete Verknüpfung<br />

mit deutschen Begriffen und Bezeichnungen (Eiweiß). Zusammen mit den erhobenen<br />

Erfahrungen von Lernern mit Begriffsbildung <strong>in</strong> der Fremd- und Landessprache und der<br />

Verfügbarkeit von Bezeichnungen und allgeme<strong>in</strong>er Versprachlichung <strong>in</strong> beiden Sprachen <strong>in</strong><br />

Schule und Alltag bieten sich zahlreiche Anknüpfungspunkte für didaktisch-methodische<br />

Konsequenzen zur Unterstützung von Begriffsbildung, -bezeichnung und gesamter Versprachlichung<br />

<strong>in</strong> zwei Sprachen im bil<strong>in</strong>gualen Fachunterricht.<br />

19


Symposium 2<br />

Angelika Kußmaul<br />

Lernerwortschatz und Wortschatzlernen im bil<strong>in</strong>gualen Unterricht<br />

Dieser Beitrag behandelt den Erwerb des fremdsprachlichen Wortschatzes im deutschenglisch<br />

bil<strong>in</strong>gualen Unterricht (BIU). Er ist im Rahmen der Evaluierung des BIU <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

entstanden, e<strong>in</strong>em Modell später, teilweiser Immersion deutscher Muttersprachler<br />

<strong>in</strong> das Englische als ihrer ersten Fremdsprache: spät, weil die bil<strong>in</strong>guale Komponente <strong>in</strong><br />

der 7. Klasse e<strong>in</strong>geführt wird, also zu e<strong>in</strong>em Zeitpunkt, zu dem die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

bereits zwei Jahre konventionellen Fremdsprachenunterricht erhalten hatten. Von teilweiser<br />

Immersion wird gesprochen, weil nicht alle Fächer, sondern ausschließlich die Fächer Geschichte<br />

und/oder Erdkunde auf Englisch unterrichtet wurden. Die Datenerhebung erfolgte<br />

mittels des kommunikativen Tests A Difficult Decision. Insgesamt werden die mündlichen<br />

Daten von drei Schülergruppen gegenübergestellt, und zwar monol<strong>in</strong>gual unterrichtete SchülerInnen<br />

von Schulen mit bil<strong>in</strong>gualem Zweig (Gruppe A), deutsch-englisch bil<strong>in</strong>gual unterrichtete<br />

SchülerInnen (Gruppe B) und monol<strong>in</strong>gual unterrichtete KontrollschülerInnen von Schulen<br />

ohne bil<strong>in</strong>gualen Zweig (Gruppe C). Von zentralem Interesse s<strong>in</strong>d dabei die folgenden<br />

Fragestellungen: Fördert BIU das aktive mündliche L2-Lexikon besser als traditioneller<br />

Fremdsprachenunterricht? Profitieren bestimmte Aspekte des Lernerwortschatzes mehr vom<br />

BIU als andere? Untersucht wurden der qualitative und quantitative Umfang des Wortschatzes<br />

(type- und token-Zahl), lexikalische Fehler (Fehlertokens und Fehlertypes), Herkunft des<br />

aktivierten Vokabulars (aus dem Text des vorgelegten Tests, der Vokabelliste des Englischlehrbuchs<br />

etc.) sowie Wortfelder und Synonyme. Die Ergebnisse zeigen, dass bereits nach<br />

e<strong>in</strong>em Zeitraum von sieben Monaten <strong>in</strong>sbesondere der Umfang des Wortschatzes und die<br />

Verwendung von Synonymen vom BIU profitieren. Ebenso fördert BIU nachweislich die Verwendung<br />

von Wörtern, die weder im Testtext noch <strong>in</strong> der Vokabelliste des Englischlehrbuchs<br />

verzeichnet s<strong>in</strong>d und somit aus anderen Inputquellen, z.B. dem BIU, stammen. Alles <strong>in</strong> allem<br />

weisen die Ergebnisse der Datenanalyse somit darauf h<strong>in</strong>, dass BIU <strong>in</strong> verschiedener H<strong>in</strong>sicht<br />

e<strong>in</strong>en positiven E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklung des aktiven L2-Lexikons hat (siehe Daniel<br />

2001 für e<strong>in</strong>en Überblick). In Bezug auf theoretische Fragestellungen wird zur Diskussion<br />

gestellt, <strong>in</strong>wieweit durch Produktionstests andere Erkenntnisse über lexikalische Kompetenz<br />

gewonnen werden können als durch Hörverständnistests.<br />

Literatur:<br />

Daniel, A. (2001). Lernerwortschatz und Wortschatzlernen im bil<strong>in</strong>gualen Unterricht. Frankfurt<br />

a.M. et al.: Peter Lang (Duisburger Arbeiten zur Sprach- und Kulturwissenschaft 44).<br />

20


Symposium 3<br />

Ernst Apeltauer<br />

Zu Erwerb und Gebrauch von Präfixverben <strong>in</strong> Lernersprachen türkischer DaZ-Lerner<br />

<strong>in</strong> Vor- und Grundschule<br />

Verben spielen bei der Sprachverarbeitung e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Sie beanspruchen mehr kognitive<br />

Verarbeitungskapazitäten als z.B. Nomen und werden deshalb i. d. R. auch später erworben.<br />

Es gibt e<strong>in</strong>e überschaubare Zahl e<strong>in</strong>facher Verben (auch: basic verbs wie sagen,<br />

gehen, sprechen, vgl. Viberg 2002), die <strong>in</strong> vielen Sprachen existieren und deren Bedeutung<br />

aus der L1 transferiert werden kann. Sie werden gewöhnlich problemlos erlernt (vgl. Apeltauer<br />

2011). Dagegen bereiten die Präfixverben des Deutschen vielen Lernenden (wegen<br />

der damit verbundenen semantischen Differenzierungen und den daran gekoppelten syntaktischen<br />

Veränderungen) Schwierigkeiten. Im Schulkontext kann das Nicht- oder Missverstehen<br />

e<strong>in</strong>es Präfixverbs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Text Verstehens- und Lernblockaden auslösen.<br />

In Lernersprachen tauchen Präfixverben meist relativ spät auf. Zu fragen ist, ob es e<strong>in</strong>en<br />

Schwellenwert gibt (bzw. e<strong>in</strong>e Anzahl von Basisverben, die bis dah<strong>in</strong> i.d.R. beherrscht werden)?<br />

Präfixverben werden anfangs wie Verben ohne Vorsilbe verstanden und gebraucht.<br />

Doch auch wenn sie später <strong>in</strong> korrekter Form verwendet werden, kommt es häufig zu Unsicherheiten<br />

und Übergeneralisierungen. Wie lange dauert es, bis Bedeutungsveränderungen<br />

(vgl. z.B. lernen, erlernen, anlernen) wahrgenommen und damit verbundene syntaktische<br />

Strukturen erfasst und gespeichert werden? Werden trennbare Präfixverben früher aufgegriffen<br />

als untrennbare Präfixverben? Oder dom<strong>in</strong>iert die umgekehrte Reihenfolge? Werden<br />

beide Arten vielleicht sogar zeitgleich erworben? Welche typischen Fehler lassen sich beim<br />

Verstehen oder beim Gebrauch beobachten? Wie lange halten sich diese Fehler? Gibt es<br />

Präfixverben, die besonders fehleranfällig s<strong>in</strong>d?<br />

Für die Präsentation sollen die Lernersprachen von drei türkischen K<strong>in</strong>dern – auf der Grundlage<br />

von Langzeitdaten aus der Vor- und Grundschule – im H<strong>in</strong>blick auf die Aneignung und<br />

den Gebrauch von trennbaren und nicht trennbaren Präfixverben im oben genannten S<strong>in</strong>ne<br />

analysiert und beschrieben werden. Auch sollen Verstehens- und E<strong>in</strong>hilfen, die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

bzw. Lehrkräfte diesen Lernern im K<strong>in</strong>dergarten und <strong>in</strong> der Grundschule angeboten haben,<br />

exemplarisch beschrieben und analysiert werden. Abschließend sollen – auf der Grundlage<br />

dieser (vorläufigen) Ergebnisse – mögliche Konsequenzen für die Vermittlung <strong>in</strong> schulischen<br />

Kontexten diskutiert werden.<br />

Literatur:<br />

Viberg, Åke 2002: Basic verbs <strong>in</strong> lexical progression and regression. In: Burmeister, Petra/<br />

Piske, Thorsten/Rohde, Andreas eds.: An Integrated View of Language Development;<br />

Trier (Wissenschaftlicher Verlag Trier), 109–135.<br />

Apeltauer, Ernst 2011: Zur Verbentwicklung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Lernersprache. In: ders. /Rost-Roth,<br />

Mart<strong>in</strong>a Hrsg.: Sprachförderung Deutsch als Zweitsprache, Von der Vor- <strong>in</strong> die Grundschule;<br />

Tüb<strong>in</strong>gen (Stauffenburg), 23–43.<br />

21


Symposium 3<br />

Britta Hövelbr<strong>in</strong>ks<br />

Bildungs- und fachsprachliche Wortschatzelemente im frühen naturwissenschaftlichen<br />

Lernen: E<strong>in</strong> Vergleich zwischen bil<strong>in</strong>gualen und monol<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dern<br />

Sprache gilt als Medium der Wissensvermittlung und -aneignung <strong>in</strong> allen Lernbereichen und<br />

Schulfächern. Sprachkompetenz ist daher entscheidend für den Bildungserfolg und sollte<br />

von der frühen bis zur beruflichen Bildung gefördert werden. Dabei werden spätestens <strong>in</strong> der<br />

Grundschule neue Sprachregister – die sog. Bildungs- oder Schulsprache sowie e<strong>in</strong>zelne<br />

Fachsprachen – verwendet, die mit ihrer komplexen Morphosyntax und Lexik schriftsprachlich<br />

geprägt s<strong>in</strong>d und mit denen die (ggf. ebenfalls neuen) Sprachhandlungen im Unterricht<br />

realisiert werden (Gogol<strong>in</strong> 2009, Vollmer & Thürmann 2010).<br />

Bisher ist wenig bekannt über den Erwerb dieser Register und deren Verwendung im Unterricht;<br />

<strong>in</strong>sbesondere die Kompetenzunterschiede zwischen e<strong>in</strong>sprachig und zwei- oder mehrsprachig<br />

aufwachsenden Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern <strong>in</strong> Deutschland s<strong>in</strong>d nicht ausreichend<br />

erforscht, was die wirksame Ausrichtung von Sprachförderprogrammen erschwert.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund soll im Vortrag anhand von eigenen empirischen Daten e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>blick<br />

<strong>in</strong> die produktive Verwendung bildungs- und fachsprachlicher Wortschatzelemente von monol<strong>in</strong>gualen<br />

und bil<strong>in</strong>gualen K<strong>in</strong>dern gegeben werden. Die vergleichend angelegte Videostudie<br />

zu e<strong>in</strong>er naturwissenschaftlichen Unterrichtsreihe im ersten Schuljahr kann aufzeigen,<br />

welches Potential bildungssprachlicher Wortschatzarbeit im Sachunterricht vorhanden ist<br />

(siehe auch Ahrenholz 2010 oder Quehl 2009). Gleichzeitig können die vorhandenen sprachlichen<br />

Disparitäten, die seit IGLU und PISA im Fokus von Forschung und Bildungspolitik stehen,<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Wortschatzkompetenz differenzierter betrachtet werden. Dazu werden<br />

ausgewählte Wortschatzelemente der Bildungssprache (Komposita, präfigierte Verben,<br />

Konjunktionen, Präpositionen) und verwendete Fachwörter <strong>in</strong> ihrer Häufigkeit und Vielfalt<br />

dargestellt und <strong>in</strong> Bezug auf beide Lerngruppen vergleichend diskutiert. Die Ergebnisse können<br />

die Relevanz bildungs- und fachsprachlicher Kompetenz im Anfangsunterricht aufzeigen<br />

und zum Verständnis des Aufbaus von schulischem Wortschatz und differenziertem Wortbildungssystem<br />

beitragen – mit besonderem Fokus auf K<strong>in</strong>der mit Deutsch als Zweitsprache.<br />

Literatur:<br />

Ahrenholz, Bernt (2010): Bildungssprache im Sachunterricht der Grundschule. In: Ahrenholz,<br />

Bernt (Hrsg.): Fachunterricht und Deutsch als Zweitsprache. Tüb<strong>in</strong>gen: Narr-Verlag, 15–<br />

35.<br />

Gogol<strong>in</strong>, Ingrid (2009): Zweisprachigkeit und die Entwicklung bildungssprachlicher Fähigkeiten.<br />

In: Gogol<strong>in</strong>, Ingrid; Neumann, Ursula (Hrsg.): Streitfall Zweisprachigkeit – The bil<strong>in</strong>gualism<br />

controversy. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 263–280.<br />

Quehl, Thomas (2009): Sprachbildung im Sachunterricht der Grundschule. In: Lengyel, Drorit;<br />

Reich, Hans H.; Roth, Hans-Joachim; Döll, Marion (Hrsg.): Von der Sprachdiagnose<br />

zur Sprachförderung. Förmig Edition, 5. Münster: Waxmann, 193–205.<br />

Vollmer, Helmut Johannes; Thürmann, Eike (2010): Zur Sprachlichkeit des Fachlernens:<br />

Modellierung e<strong>in</strong>es Referenzrahmens für Deutsch als Zweitsprache©. In: Ahrenholz, Bernt<br />

(Hrsg.): Fachunterricht und Deutsch als Zweitsprache. Tüb<strong>in</strong>gen: Narr-Verlag, 107–132.<br />

22


Symposium 3<br />

Mart<strong>in</strong>a Rost-Roth<br />

Begründen <strong>in</strong> Argumentationen und anderen Gesprächs- und Handlungskontexten.<br />

Lexikalische Mittel zum Ausdruck von Kausalität bei K<strong>in</strong>dern mit Deutsch als Zweitsprache<br />

und Deutsch als Erstsprache <strong>in</strong> der 3. und 4. Jahrgangsstufe.<br />

Lexikalische Mittel zum Ausdruck von Kausalität s<strong>in</strong>d von zentraler Bedeutung für Begründungen.<br />

Begründen wiederum ist zentraler Bestandteil von Argumentationen und Referenzen<br />

auf Ursache-Wirkungszusammenhänge auch <strong>in</strong> anderen Gesprächs- und Handlungskontexten.<br />

Dabei handelt es sich um e<strong>in</strong>en Bestand an Funktionswörtern, die unterschiedlichen<br />

Klassen von Wortarten angehören (wie z.B. Konjunktionen, Subjunktionen, Adverbien,<br />

Präpositionen, etc.) und unterschiedliche Verwendungsbed<strong>in</strong>gungen – <strong>in</strong>sbesondere auch<br />

syntaktisch – haben. Der Erwerb entsprechender Ausdrucksmittel zeigt von daher auch e<strong>in</strong>en<br />

engen Zusammenhang mit dem Ausbau von syntaktischer Komplexität im Erwerbsprozess.<br />

Der Erwerb kausaler Lexik und Ausdrucksmöglichkeiten wird im Rahmen e<strong>in</strong>es konzeptorientierten<br />

Ansatzes der Zweitspracherwerbsforschung untersucht, i.e. der Erwerb sprachlicher<br />

Mittel wird <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf bestimmte funktional-semantisch bestimmte Ausdrucksbereiche<br />

betrachtet (vgl. von Stutterheim/Kle<strong>in</strong>). Im Verlaufe von Erwerbsprozessen ist im allgeme<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong> Prozess der Ausdifferenzierung <strong>in</strong> semantischer H<strong>in</strong>sicht und e<strong>in</strong>e Zunahme an<br />

Komplexitätsgraden zu beobachten. Analysiert wird, wie Begründungen von Lernern auf unterschiedlichen<br />

Erwerbsstufen realisiert werden und welche lexikalischen Mittel jeweils zum<br />

E<strong>in</strong>satz kommen – von rudimentären Ausdrucksmöglichkeiten bis h<strong>in</strong> zu Kompetenzen, die<br />

als ‚native like‘ betrachtet werden können.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund allgeme<strong>in</strong>erer Überlegungen zur Sprachförderung von K<strong>in</strong>dern mit<br />

Deutsch als Zweitsprache stellt sich nicht nur die Frage, wie sich dieser Prozess gestaltet<br />

und <strong>in</strong> welcher H<strong>in</strong>sicht sich Erwerbsprobleme zeigen können; hier ist besonders auch die<br />

Frage nach Möglichkeiten der Sprachförderung von Interesse. Dabei ist auch von Bedeutung,<br />

<strong>in</strong> welchem Verhältnis die zu beobachtenden Mittel zu Aspekten des Sprachgebrauchs<br />

stehen, die gegenwärtig <strong>in</strong> der Diskussion um Anforderungen des Bildungssystems als<br />

,Cognitive Academic Language Proficiency‘, ‚Bildungssprache‘ oder ‚Schulsprache‘ behandelt<br />

werden.<br />

Begründen ist als e<strong>in</strong> zentraler Teilbereich von Argumentationen und argumentativen Kompetenzen<br />

Gegenstand der Sprachdidaktik, hat aber auch für andere Teilfächer hohe Relevanz.<br />

So s<strong>in</strong>d Begründungen auch wesentlicher Teil von Erklärungen <strong>in</strong> Versuchsbeschreibungen<br />

<strong>in</strong> naturwissenschaftlichen Fächern oder als Versprachlichung von Ursache-<br />

Wirkungszusammenhängen auch fachübergreifend von Bedeutung.<br />

Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf kausalen lexikalischen Mitteln <strong>in</strong> Sprachproduktionen<br />

(Output) und zielsprachlichem Input im Regel- und Fachunterricht <strong>in</strong> der 3. und 4. Jahrgangsstufe,<br />

wobei sprachliche Produktionen von K<strong>in</strong>dern mit Deutsch als Zweitsprache mit<br />

Produktionen von K<strong>in</strong>dern mit Deutsch als Erstsprache verglichen werden. Datenbasis s<strong>in</strong>d<br />

Longitud<strong>in</strong>aldaten aus dem DFG-Projekt ‚Förderunterricht und Deutsch als Zweitspracherwerb‘,<br />

die Entwicklungen über zwei Jahre erfassen. Die Befunde zu K<strong>in</strong>dern mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />

werden darüber h<strong>in</strong>aus mit Sprachproduktionen von anderen Lernergruppen<br />

mit Deutsch als Zweitsprache verglichen.<br />

23


Symposium 3<br />

Madelene Domenech<br />

Wortschatz – Lexik – kognitive Fähigkeit. Unterschiedliche Zugänge zur E<strong>in</strong>schätzung<br />

des Wortschatzes von DaZ‐Lernern als Teilkompetenz schriftlichen Argumentierens<br />

Die Berücksichtigung spezifischer situativer Anforderungen an e<strong>in</strong>e kontextgemäße Wortschatz‐<br />

Verwendung , bed<strong>in</strong>gt z.B. durch die Modalität, den <strong>in</strong>teraktiven bzw. <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Rahmen oder den Gegenstand der Kommunikation, stellen e<strong>in</strong>erseits für Lerner e<strong>in</strong>e zentrale<br />

Erwerbsanforderung dar und zeichnen andererseits den Sprachgebrauch kompetenter<br />

Sprecher aus. Dies mag zunächst trivial ersche<strong>in</strong>en – mit Blick auf die Diskussion um den<br />

Wortschatzerwerb, <strong>in</strong>sbesondere auch im schulischen Kontext, verweist diese Feststellung<br />

jedoch auf wichtige Aspekte seitens der Schüler (z.B. Motivation), der Lehrer (z.B. Pr<strong>in</strong>zipien<br />

der Vermittlung) sowie der Diagnose (z.B. Validität von Tests).<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus stellt sich die Frage, wie genau das Zusammenspiel zwischen Wortschatzerwerb<br />

und dem Lernen <strong>in</strong> anderen, sprachlichen oder fachlichen, Bereichen aussieht, ob die<br />

Beherrschung der entsprechenden Lexik ‚Mittel zum Zweck‘ ist oder der Weg zum Ziel e<strong>in</strong>es<br />

differenziert e<strong>in</strong>setzbaren Wortschatzes über die Praxis unterschiedlichster Anwendungssituationen<br />

führt.<br />

E<strong>in</strong>ige dieser Aspekte greift der Vortrag anhand erster Ergebnisse e<strong>in</strong>es laufenden Dissertationsprojektes<br />

auf, <strong>in</strong>dem unterschiedliche Zugänge zur E<strong>in</strong>schätzung der ‚Wortschatz‐Kompetenz‘<br />

als sprachliche Teildimension schriftlichen Argumentierens vorgestellt<br />

werden.<br />

Das Promotionsvorhaben modelliert empirisch basiert den Erwerbsstand<br />

schrift(sprach‐)licher Argumentationskompetenz von Lernern des Deutschen als Zweitsprache<br />

zu Beg<strong>in</strong>n der Sekundarstufe I (5. Klasse) mit e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation aus l<strong>in</strong>guistischen Analysen,<br />

unterschiedlichen Kodierverfahren und quantitativen Berechnungen. Die Datengrundlage<br />

bilden argumentativer Briefe, ergänzt um psychologische Tests und Fragebogenangaben<br />

aus der Erhebung des Projekts FUnDuS 1 .<br />

Zunächst sollen ausgehend von der argumentativen Schreibaufgabe datengeleitet unterschiedliche<br />

lexikalische Profile skizziert werden. In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt wird der umgekehrte<br />

Blick versucht, ob sich bestimmte Indikatoren auf Wortschatzebene für unterschiedliche<br />

Niveaustufen der Schreibaufgaben‐Lösung (ermittelt über e<strong>in</strong> im Projekt entwickeltes<br />

Textauswertungsraster) f<strong>in</strong>den lassen. Ergänzt werden diese Perspektiven durch Ergebnisse<br />

der Lerner im Wortschatztest des Kognitiven Fähigkeitstests (KFT 4‐12+R), e<strong>in</strong>em standardisierten<br />

psychologischen Test.<br />

Die Ergebnisse liefern zum e<strong>in</strong>en aufschlussreiche H<strong>in</strong>weise h<strong>in</strong>sichtlich des Zusammenspiels<br />

von Lexik und komplexen bzw. übersatzmäßigen sprachlichen Aufgaben, wie dem<br />

Verfassen e<strong>in</strong>es argumentativen Briefs. Zum andern unterstreicht gerade die Unterschiedlichkeit<br />

der verschiedenen Resultate zur Wortschatz‐Kompetenz die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er<br />

kontextsensitiven Konstruktion und Auswertung entsprechender Tests sowie den Forschungsbedarf<br />

im Bereich des Wortschatzerwerbs und se<strong>in</strong>er Diagnose.<br />

1 FUnDuS untersucht die Rolle familialer Unterstützung beim Erwerb von Diskurs‐ und Schreibfähigkeiten<br />

von muttersprachlichen Lernern <strong>in</strong> der Sek I (Leitung Prof. Quasthoff/Prof. Wild).<br />

24


Symposium 3<br />

Marie Less<strong>in</strong>g<br />

Metaphern <strong>in</strong> Fachtexten – E<strong>in</strong>e fächerübergreifende Herausforderung für das<br />

<strong>in</strong>tegrierte Fach- und Sprachlernen<br />

Gleich ob man im Geschichtsunterricht über die Industrialisierung vernimmt, durch sie habe<br />

die Welt ihr Gesicht verändert, im Politikunterricht über die Weltwirtschaftskrise liest, sie sei<br />

e<strong>in</strong>e Titanicfahrt, oder im Biologieunterricht vom Evolutionsbaum gesprochen wird – um die<br />

Bedeutung kontextuell-situativ zu erschließen, muss der Rezipient Metaphern verstehen<br />

können. Die Metapher ist ubiquitär (vgl. Skirl & Schwarz-Friesel 2007). Sie nicht zu verstehen,<br />

bedeutet, an vielen Kommunikations- und Lernprozessen nicht oder nur bruchstückhaft<br />

teilnehmen zu können. Wenn die Metapher nicht erkannt wird, verschließt sich dem Rezipienten<br />

nicht nur e<strong>in</strong> sprachliches Verstehen, sondern auch der Zugang zur metaphorisch präsentierten<br />

fachlichen Information sowie e<strong>in</strong>e mögliche E<strong>in</strong>schätzung der Tragweite diszipl<strong>in</strong>ärer<br />

Perspektiven oder das Erkennen von politischen Implikationen.<br />

Metaphern im Textzusammenhang stellen e<strong>in</strong>e besondere kognitive Herausforderung dar.<br />

Ihr Verstehen läuft im Gegensatz zu normalen Verstehensprozessen (meist) nicht unbewusst<br />

ab, sondern ist e<strong>in</strong> Fall von analytischem Problemlösen, das nach K<strong>in</strong>tsch (2005) dann aktiviert<br />

wird, wenn der automatische Prozess gestört wird – im vorliegenden Fall durch die Konterdeterm<strong>in</strong>iertheit<br />

des Kontextes (vgl. We<strong>in</strong>rich 1976). Damit kann das Metaphernverstehen<br />

als „kognitive Konstruktivität“ (Christmann & Scheele 2001: 263) bezeichnet werden, e<strong>in</strong>e<br />

aktive Konstruktion von Informationen <strong>in</strong> Form von elaborativen Inferenzen.<br />

Wenn man nun Merkmale von schwachen Leser/<strong>in</strong>nen, d.h. die mangelnde Ausprägung verschiedener<br />

Teilprozesse wie Worterkennung, Vorwissen und Automatisierung hierarchieniedriger<br />

Prozesse (vgl. Rieckmann 2010), betrachtet, drängt sich die Frage auf, wie diese<br />

Gruppe von Lernenden im Vergleich zu leistungsstarken Schüler/<strong>in</strong>nen mit den beschriebenen<br />

komplexen Anforderungen auf der Prozessebene umgeht, deren erfolgreiche Bewältigung<br />

notwendig für das Verstehen von Fach<strong>in</strong>formationen, aber auch das Erkennen von<br />

Wertungen und Perspektivierung ist. Auf der Basis von quantitativ (IQB-Lesetest, C-Test,<br />

Fragebogen zum Sprach- und Leseverhalten) und qualitativ erhobenen Daten (Lautes Denken<br />

zu e<strong>in</strong>em metaphernlastigen Zeitungstext, Typ „Glosse“) geht der vorliegende, auf e<strong>in</strong>em<br />

Dissertationsprojekt beruhende Beitrag daher der Frage nach, welche spezifischen Strategien<br />

Schüler/<strong>in</strong>nen des neunten Schuljahrs mit schwachen und starken Lese- und Sprachkompetenzen<br />

beim Verstehen von (idiomatisch-)konventionellen und kreativen Metaphern<br />

anwenden und ob sich diese negativ oder positiv auf den Verstehensprozess auswirken. E<strong>in</strong><br />

besonderer Fokus liegt hierbei auf der Generierung von semantischen, konzeptuellen und<br />

emergenten Merkmalen (vgl. Skirl 2009), der bildhaften Vorstellungs- und der Assoziationsbildung.<br />

Ziel dieser Lokalisierung von Verstehensproblemen und -strategien ist es, e<strong>in</strong>e Basis<br />

für Fördermaßnahmen zu entwickeln.<br />

Literatur:<br />

Christmann, Ursula; Scheele, Brigitte (2001): Kognitive Konstruktivität am Beispiel von Ironie<br />

und Metapher. In: Norbert Groeben (Hg.): Zur Programmatik e<strong>in</strong>er sozialwissenschaftlichen<br />

Psychologie. Münster: Aschendorff, S. 261–326.<br />

K<strong>in</strong>tsch, Walter; Rawson, Kather<strong>in</strong>e A. (2005): Comprehension. In: Margaret J. Snow-l<strong>in</strong>g<br />

und Charles Hulme (Hg.): The science of read<strong>in</strong>g. A handbook. Malden, MA: Blackwell<br />

Pub., S. 209–226.<br />

Rieckmann, Carola (2010): Leseförderung <strong>in</strong> sechsten Hauptschulklassen. Zur Wirksamkeit<br />

e<strong>in</strong>es Vielleseverfahrens. Baltmannsweiler: Schneider-Verl. Hohengehren.<br />

25


Symposium 3<br />

Skirl, Helge (2009): Emergenz als Phänomen der Semantik am Beispiel des Metaphernverstehens.<br />

Tüb<strong>in</strong>gen, Germany: Gunter Narr.<br />

Skirl, Helge; Schwarz-Friesel, Monika (2007): Metapher. Heidelberg: W<strong>in</strong>ter.<br />

We<strong>in</strong>rich, Harald (1976): Sprache <strong>in</strong> Texten. 1. Aufl. Stuttgart: Klett.<br />

26


Symposium 3<br />

Beate Lütke<br />

Kollokationen im Kontext schulischer Fachsprache: Problematisierung aus<br />

theoretischer und empirischer Perspektive<br />

Kollokationen bilden als phraseologische E<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong>e Schnittstelle zwischen lexikalischen<br />

und grammatischen Beschreibungsperspektiven (vgl. Carter 1998). Ausgehend von empirischen<br />

Untersuchungen zum Fremdsprachenerwerb Erwachsener wird angenommen, dass<br />

bei der Rezeption und Produktion von Kollokationen zweitspracherwerbsspezifische Besonderheiten<br />

e<strong>in</strong>e Rolle spielen (vgl. Carter 1998: 72, Reder 2011). Diese Besonderheiten können<br />

dazu führen, dass Schwierigkeiten beim Abruf von Wörtern aus dem mentalen Lexikon<br />

auftreten und <strong>in</strong>terl<strong>in</strong>guale Prozesse aktiviert werden, z.B. bei der Suche nach der zu e<strong>in</strong>em<br />

Begriff gehörenden Wortergänzung (vgl. Reder 2011). Außerdem sche<strong>in</strong>en DaF-Lernende im<br />

Vergleich zu Probanden, die Deutsch als L1 sprechen, phraseologische Strukturen je nach<br />

Kollokationstyp weniger als Wortgruppe, sondern stärker <strong>in</strong> ihren E<strong>in</strong>zelbestandteilen wahrzunehmen<br />

und zu analysieren (vgl. Reder 2011: 63).<br />

Im <strong>in</strong>stitutionellen Kontext ‚Schule‘ können Kollokationen Probleme bei der Sprachrezeption<br />

und -produktion verursachen, weil sie gehäuft <strong>in</strong> fach- bzw. schulsprachlichen Texten auftreten<br />

(vgl. Chlosta & Schäfer 2008). Es ist anzunehmen, dass die im DaF-Kontext bei erwachsenen<br />

Lernenden gemachten Beobachtungen auch H<strong>in</strong>weise auf die Schwierigkeiten von<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern, die Deutsch als Zweitsprache erwerben, geben. Wichtig ersche<strong>in</strong>t<br />

jedoch, die Spezifika des zweitsprachlichen Erwerbsprozesses (vgl. Apeltauer 2008)<br />

im Vergleich zum fremdsprachlichen zu berücksichtigen und den besonderen Erwerbskontext<br />

‚Fachunterricht‘ zu reflektieren (vgl. Grießhaber 2010).<br />

Im Vortrag werden Kollokationstypen, die im schulsprachlichen Kontext e<strong>in</strong>e Rolle spielen,<br />

am Beispiel e<strong>in</strong>es Lehrbuchtextes l<strong>in</strong>guistisch beschrieben und <strong>in</strong> ihrer Relevanz für das<br />

fachbezogene schulische Lernen beleuchtet. Ausgehend von den theoretischen Ausführungen<br />

und von e<strong>in</strong>er schwerpunktbildenden Zusammenfassung der Kollokationsforschung sollen<br />

DaZ-spezifische Fragestellungen benannt werden, die den fach<strong>in</strong>tegrativen Spracherwerb<br />

problematisieren. Abschließend werden l<strong>in</strong>guistische und sprachdidaktische Forschungsdesiderate<br />

benannt.<br />

Literatur:<br />

Apeltauer, Ernst (2008): Wortschatzentwicklung und Wortschatzarbeit. In: Ahrenholz, B. &<br />

Oomen-Welke, I. (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache, 239–252.<br />

Carter, Ronald (2005): Vocabulary. Applied L<strong>in</strong>guistic Perspectives. New York: Routledge.<br />

Grießhaber, Wilhelm (2010): (Fach-)Sprache im zweitsprachlichen Fachunterricht. In: Ahrenholz,<br />

B. (Hrsg.): Fachunterricht und Deutsch als Zweitsprache. Tüb<strong>in</strong>gen: Narr, 37–53.<br />

Reder, Anna (2011): Kollokationsrezeption. In: Katelhön, P. & Sett<strong>in</strong>ieri, J. (Hrsg.): Wortschatz,<br />

Wörterbücher und L2-Erwerb. Wien: Praesens, 48–68.<br />

27


Symposium 3<br />

Barbara Geist, Anja Müller und Petra Schulz<br />

Wortschatz meets Syntax: Evidenz aus e<strong>in</strong>er Studie zum frühen Zweitspracherwerb<br />

Im Mittelpunkt dieses Beitrages steht der Zusammenhang zwischen dem Wortschatz und der<br />

Entwicklung syntaktischer Fähigkeiten bei frühen Zweitsprachlernern (fL2).<br />

Studien zum Erstspracherwerb zeigen, dass frühe lexikalische Leistungen prädiktiv für spätere<br />

grammatische Fähigkeiten s<strong>in</strong>d (P<strong>in</strong>ker 1999, Marchman & Bates 1994, Moyle et al.<br />

2007). In Kauschkes (2000) Studie korreliert der Wortschatz im Alter von 21 Monaten mit der<br />

Äußerungslänge und mit der Produktion von Nebensätzen im Alter von 36 Monaten. In der<br />

Zweitspracherwerbsforschung ist der Zusammenhang zwischen Lexikon und Grammatik<br />

bisher wenig erforscht. Die Ergebnisse e<strong>in</strong>er Fallstudie mit zwei fL2-K<strong>in</strong>dern von Rothweiler<br />

(2009) deuten darauf h<strong>in</strong>, dass der Erwerb der Verbzweitstellung mit der Größe des Verblexikons<br />

verbunden ist.<br />

Ausgehend von diesen Ergebnissen untersuchen wir <strong>in</strong> unserer Studie folgende Frage: Ist<br />

der Umfang des Verbwortschatzes und/oder des Nomenwortschatzes e<strong>in</strong> Prädiktor für die<br />

Entwicklung syntaktischer Fähigkeiten von fL2-K<strong>in</strong>dern?<br />

Getestet wurden 37 6-jährige fL2-K<strong>in</strong>der (Erwerbsbeg<strong>in</strong>n: 3;4 Jahre; Bereich: 2;1–6;1, Kontaktdauer:<br />

33 Monate; Bereich: 5–46). Die lexikalischen und syntaktischen Fähigkeiten der<br />

K<strong>in</strong>der wurden an zwei Testzeitpunkten (T1 & T2) erfasst. Zu T1 wurde der expressive Wortschatz<br />

mit dem AWST-R (Kiese-Himmel, 2005) erhoben. Die syntaktischen Fähigkeiten wurden<br />

zu T1 und T2 (im Abstand von 4 Monaten) mittels LiSe-DaZ (Schulz/Tracy 2011) erfasst.<br />

Die Daten des Wortschatztests wurden getrennt für Nomen und Verben ausgewertet. Für die<br />

syntaktischen Fähigkeiten wurde die Produktion der Verbzweitstellung <strong>in</strong> Hauptsätzen und<br />

der Verbendstellung <strong>in</strong> Nebensätzen ausgewertet.<br />

E<strong>in</strong>e erste Datenanalyse zeigt, dass die syntaktischen Fähigkeiten der K<strong>in</strong>der zu T2 nicht<br />

signifikant mit dem Alter, dem Erwerbsbeg<strong>in</strong>n oder der Kontaktdauer (Bereich r = −.241 bis<br />

.196) korrelieren.<br />

Der Vergleich zwischen dem Wortschatz zu T1 und den syntaktischen Fähigkeiten zu T2<br />

zeigt e<strong>in</strong>e signifikante Korrelation des Verbwortschatzes mit den syntaktischen Fähigkeiten<br />

zu T2 (r = .441, p = .006). Dagegen korreliert der Nomenwortschatz zu T1 nicht mit den syntaktischen<br />

Fähigkeiten zu T2 (r = .224, p = .183).<br />

Diese Ergebnisse belegen, dass es auch im frühen Zweitspracherwerb e<strong>in</strong>en engen Zusammenhang<br />

zwischen lexikalischen und syntaktischen Leistungen gibt. Dabei ist der Umfang<br />

des Verbwortschatzes, jedoch nicht der Umfang des Nomenwortschatzes, prädiktiv für<br />

die Entwicklung syntaktischer Fähigkeiten.<br />

Für die Sprachförderung von K<strong>in</strong>dern mit Deutsch als Zweitsprache legt dieses Ergebnis die<br />

Annahme nahe, dass e<strong>in</strong>e Erweiterung des Verbwortschatzes den Syntaxerwerb bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Aktuell wird jedoch <strong>in</strong> der Wortschatzförderung vorwiegend mit Nomen gearbeitet (Ricart<br />

Brede 2011). E<strong>in</strong>e stärkere Berücksichtigung von Verben <strong>in</strong> der Sprachförderung wäre daher<br />

s<strong>in</strong>nvoll.<br />

Literatur:<br />

Kauschke, C. (2000). Der Erwerb des frühen Lexikons. Tüb<strong>in</strong>gen: Gunter Narr Verlag.<br />

Moyle, M.J.; Weismer, S.E.; Evans, J.L. & L<strong>in</strong>dstrom, M.J.(2007). Longitud<strong>in</strong>al Relationships<br />

between lexical and grammatical development <strong>in</strong> typical and late-talk<strong>in</strong>g children. Journal<br />

of Speech, Language, and Hear<strong>in</strong>g Research, Vol. 50, 508–528.<br />

Rothweiler, M. (2009). Über den Zusammenhang von Lexikon, Grammatik und Mehrsprachigkeit.<br />

Sprachheilarbeit 6, 246–254.<br />

28


Symposium 3<br />

Ilirjana Her<strong>in</strong>ger, Gunde Kurtz und Tetyana Vasylyeva<br />

Wortschatztra<strong>in</strong><strong>in</strong>g im Zuge der Textarbeit – Schulalltag <strong>in</strong> allen Fächern<br />

Wie können die seit Jahren gestellten Forderungen nach sprachlicher Bildung durch Schule<br />

(„Sprache <strong>in</strong> allen Fächern“) im Unterrichtsalltag kont<strong>in</strong>uierlich umgesetzt werden? Wie können<br />

Beiträge zur sprachlichen Bildung effektiv gestaltet se<strong>in</strong> und diejenigen Sprachbereiche<br />

<strong>in</strong>s Zentrum rücken, die maßgeblich für Schulerfolg se<strong>in</strong> dürften?<br />

Die Schlüsselrolle von Wortschatz <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe sprachlicher Kompetenzen tritt zunehmend<br />

<strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> von Spracherwerbsforschung und -didaktik. Diese Rolle tritt <strong>in</strong>sbesondere<br />

dann deutlich hervor, wenn Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler im häuslichen Umfeld wenig<br />

Zugang zur Standard- und Bildungssprache Deutsch haben. Die unbegrenzte Menge an<br />

potentiell wichtigem Wortschatz, die Unwägbarkeit wann welcher Wortschatz benötigt wird,<br />

die Tatsache dass Grundwortschätze e<strong>in</strong>erseits für e<strong>in</strong>e Schulsprache (im Gegensatz zur<br />

Fremdsprache) schwer festzulegen s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> jedem Fall bei Weitem nicht ausreichen und<br />

Fachwortschätze andererseits e<strong>in</strong>es umfänglichen allgeme<strong>in</strong>en Wortschatzes zu ihrer Verankerung<br />

bedürfen, all das trägt dazu bei, dass die Aufgabe des Wortschatzerwerbs mehr<br />

oder weniger der Hoffnung überlassen bleibt, „beiläufig“ bewältigt zu werden. Dass dies nicht<br />

der Fall ist, lässt sich an mündlichen und schriftlichen Produktionen beträchtlicher Teile der<br />

Schülerschaft an Ende der Pflichtschulzeit beobachten. Von diesen Beobachtungen ausgehend<br />

musste „Wortschatz“ zunächst weiter gefasst werden, nämlich als e<strong>in</strong>e heterogene<br />

Gruppe von Ausdrucksmitteln (Wörter, Mehrworte<strong>in</strong>heiten, Idiome u. Ä.) <strong>in</strong> bestimmten Äußerungszusammenhängen<br />

(Texten, Diskursen). Mit dem Ziel, diese rezeptiv und produktiv<br />

zu fördern und mit Anregungen aus der englischsprachigen Text-&Wortschatzdidaktik entstand<br />

das Robuste Wortschatztra<strong>in</strong><strong>in</strong>g fürs Deutsche (RoW).<br />

In unserem Beitrag möchten wir das „Robuste Wortschatztra<strong>in</strong><strong>in</strong>g“ vorstellen, das als e<strong>in</strong> Teil<br />

der Antwort auf obige Fragen entwickelt wurde. Das Konzept, das im Projekt „Integrierte<br />

Sprachförderung <strong>in</strong> 3. und 4. Klassen“ entwickelt wurde und seit Herbst 2011 im E<strong>in</strong>satz ist,<br />

wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er theoretischen Verankerung <strong>in</strong> gebrauchsbasierten Spracherwerbstheorien dargestellt<br />

und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Besonderheiten bei der praktischen Umsetzung begründet. Exemplarisch<br />

werden RoW-Sequenzen, wie sie <strong>in</strong> verschiedenen Fächern stattf<strong>in</strong>den, gezeigt und<br />

erste Erfahrungen der Lehrer<strong>in</strong>nen und Förderlehrer<strong>in</strong>nen mit dieser Art <strong>in</strong>tegrierter Spracharbeit<br />

berichtet.<br />

Literatur:<br />

Beck, Isabell; McKeown, Margaret; Kucan, L<strong>in</strong>da (2008): Creat<strong>in</strong>g Robust Vocabulary. New<br />

York: Guilford.<br />

Verhoeven, Ludo; Perfetti, Charles (Hrsg.) (2011): Vocabulary Growth and Read<strong>in</strong>g Skill.<br />

Special Issue: Scientific Studies of Read<strong>in</strong>g 15(1).<br />

29


Symposium 4<br />

Dmitrij Dobrovol’skij und Artem Sharand<strong>in</strong><br />

Die Fokuspartikel EBEN und ihre Quasisynonyme <strong>in</strong> deutsch-russischer<br />

lexikographischer Perspektive<br />

Traditionell werden Funktionswörter <strong>in</strong> zweisprachigen Wörterbüchern nicht adäquat erfasst.<br />

Ausnahmen wie WDP bestätigen eher die Regel. Bei der Arbeit an NDRG wurde versucht<br />

Funktionswörter nach Möglichkeit l<strong>in</strong>guistisch sauber zu beschreiben. Nichtdestotrotz blieben<br />

gewisse Defizite <strong>in</strong> der Darstellung von Lexemen dieses Typs. Im Beitrag wird diese Problematik<br />

am Beispiel der Fokuspartikeln eben, gerade und ausgerechnet mit ihren russischen<br />

Entsprechungen diskutiert. Ferner werden Vorschläge gemacht für die bessere lexikographische<br />

Beschreibung dieser Lexeme. Dies wird möglich aufgrund e<strong>in</strong>er sorgfältigen korpusbasierten<br />

semantischen Analyse.<br />

Die drei Wörter s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> hohem Maße polysem (besonders eben, das hier im Mittelpunkt<br />

steht). Uns <strong>in</strong>teressieren diese Wörter nur <strong>in</strong> der Funktion e<strong>in</strong>er Fokuspartikel. In der herkömmlichen<br />

deutsch-russischen Lexikographie wurde diesen Wörtern überhaupt ke<strong>in</strong>e spezifische<br />

Bedeutungsposition als Fokuspartikel zugeordnet. In NDRG wurde die Situation verbessert.<br />

Vgl.:<br />

� eben prtc foc (не несёт фразового ударения) именно, как раз; ~ das wollte ich<br />

sagen именно это я и хотел сказать; du bist ~ der, den ich suche ты именно тот<br />

человек, которого я ищу <br />

� gerade prtc foc (не несёт фразового ударения) именно, как раз; warum<br />

muß ~ ich das tun? почему именно [как раз] я должен это сделать?; ~ jetzt ist er krank<br />

именно [как раз] теперь он болен <br />

� ausgerechnet prtc foc (вот) именно, как раз, как нарочно; und das mußte ~<br />

ihm passieren и надо же было, чтобы это случилось именно с ним <br />

Zwischen diesen Fokuspartikeln gibt es semantische Unterschiede. Dabei ist es<br />

bemerkenswert, dass nur das Wort eben als Satzäquivalent fungieren kann. Dieser Tatsache<br />

wurde <strong>in</strong> NDRG auch Rechnung getragen: eben stzq вот то-то и оно, вот именно .<br />

Dass nur eben als Satzäquivalent ersche<strong>in</strong>t, muss bestimmte semantische Gründe haben.<br />

D.h. eben unterscheidet sich grundsätzlich von ausgerechnet und gerade. Die l<strong>in</strong>guistische<br />

Aufgabe besteht hier dar<strong>in</strong>, die entsprechenden dist<strong>in</strong>ktiven Merkmale zu ermitteln, um die<br />

Bedeutungen dieser quasisynonymen Fokuspartikeln <strong>in</strong> künftigen deutsch-russischen<br />

Wörterbüchern genauer auszudifferenzieren.<br />

Unsere Hypothese: eben bedeutet nicht (wie allgeme<strong>in</strong> angenommen) „emphatic assertion of<br />

identity“ (König 1991: 125) bzw. drückt nicht aus, „dass die Bezugse<strong>in</strong>heit ganz genau der<br />

Situation entspricht“ (WDP: 264), sondern weist darauf h<strong>in</strong>, dass die E<strong>in</strong>heit im Skopus von<br />

eben <strong>in</strong> der betreffenden Situation zentral, d.h. für die Interpretation der Situation als Ganzes<br />

entscheidend ist (Dobrovol’skij/Levont<strong>in</strong>a <strong>in</strong> pr<strong>in</strong>t). Vgl. eben das wollte ich sagen.<br />

Pragmatische Konsequenz ist, dass der Sprecher die Wichtigkeit der E<strong>in</strong>heit im Skopus von<br />

eben hervorhebt.<br />

Im Gegensatz zu eben markieren die Partikeln gerade und ausgerechnet den Bezug der<br />

fokussierten E<strong>in</strong>heit zu e<strong>in</strong>er anderen Größe, die im Kontext mit erwähnt und zum<strong>in</strong>dest mit<br />

gedacht wird. Vgl. Muß denn gerade am Sonntag aufgeräumt werden? [F. Kafka. Der<br />

Prozeß]. Aus diesen semantischen Unterschieden zwischen eben und den beiden anderen<br />

Fokuspartikeln ergibt sich die Fähigkeit von eben als Satzäquivalent zu fungieren.<br />

Im Beitrag wird ferner auf die russischen Korrelate von den betreffenden deutschen<br />

Lexemen e<strong>in</strong>gegangen. So s<strong>in</strong>d die russischen Entsprechungen von eben als Satzäquivalent<br />

(то-то и оно und вот именно) untere<strong>in</strong>ander nicht synonym. Die Wahl des passenden<br />

30


Symposium 4<br />

Korrelats hängt von den pragmatischen Parametern der Situation ab (E<strong>in</strong>verständnis vs.<br />

Nichte<strong>in</strong>verständnis mit dem Gesprächspartner). Vgl. die folgenden Belege aus dem<br />

deutsch-russischen Parallelkorpus des RNC.<br />

Aber vor allem sche<strong>in</strong>t es mir nötig, daß du mal e<strong>in</strong> bißchen h<strong>in</strong>auskommst, dich e<strong>in</strong> wenig<br />

aufmunterst, Abwechslung hast… „Das ist es eben!“ sagte sie eifrig. „Nun muß ich dir mal<br />

e<strong>in</strong>e Geschichte erzählen.“ [Th. Mann. Buddenbrooks]<br />

Но пока что тебе необходимо немножко освежиться, приободриться, повидать свет… –<br />

Вот именно, – живо подхватила она. – Но тут я должна рассказать тебе одну<br />

историю. [Т. Манн. Будденброки]<br />

„Glauben Sie denn wirklich, dass ich mich wegen e<strong>in</strong>es fremden Mädchens mit Ihnen verfe<strong>in</strong>den<br />

könnte?“ – „Das ist es ja eben, Herr K.“, sagte Frau Grubach . [F. Kafka. Der<br />

Prozeß] – Неужели вы и вправду поверили, что из-за какой-то малознакомой барышни<br />

я с вами поссорюсь? – То-то и оно, господин К., – сказала фрау Грубах <br />

[Ф. Кафка. Процесс]<br />

Literatur:<br />

Dobrovol’skij, Dmitrij/Levont<strong>in</strong>a, Ir<strong>in</strong>a. O s<strong>in</strong>onimii fokusirujuščix častic: na materiale<br />

nemeckogo i russkogo jazykov. In: Dialogue <strong>2012</strong>. Moscow: RGGU, <strong>in</strong> pr<strong>in</strong>t.<br />

König, Ekkehard. The Mean<strong>in</strong>g of Focus Particles: A Comparative Perspective. New York,<br />

London: Routledge, 1991.<br />

NDRG = Das Neue Deutsch-Russische Großwörterbuch. In 3 Bänden: etwa 500000 lexikalische<br />

E<strong>in</strong>heiten. Hrsg. von Dmitrij O. Dobrovol’skij. Wissenschaftliche Redaktion: D.O.<br />

Dobrovol’skij, A.V. Šarand<strong>in</strong>, A. Baumgart-Wendt. Moskau: AST-Astrel, 2008–2010.<br />

WDP = Métrich, René/Faucher, Eugène – <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Jörn Albrecht. Wörterbuch<br />

deutscher Partikeln. Unter Berücksichtigung ihrer französischen Äquivalente. Berl<strong>in</strong>, New<br />

York: de Gruyter, 2009.<br />

31


Symposium 4<br />

Kathr<strong>in</strong> Kunkel-Razum<br />

Funktionswörter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>eren DaF-Wörterbuch – Auswahl und Darstellung<br />

Basierend auf den E<strong>in</strong>führungsfragen zum Symposium Funktionswörter – lexikografisch<br />

werde ich <strong>in</strong> diesem Diskussionsbeitrag Überlegungen zur Auswahl und zur Darstellung von<br />

Funktionswörtern für e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres DaF-Wörterbuch anstellen. Dabei gehe ich praxisorientiert<br />

vor und zeige, welcher Hilfsmittel sich die Dudenredaktion bedient, um zu Entscheidungen<br />

über die Aufnahme bzw. Nicht-Aufnahme von Funktionswörtern zu kommen und welche<br />

Funktionswörter schließlich den Weg <strong>in</strong>s Wörterbuch f<strong>in</strong>den. In e<strong>in</strong>em zweiten Teil widme ich<br />

mich der angemessenen Darstellung der ausgewählten Lemmata im Wörterbuch auf dem<br />

H<strong>in</strong>tergrund des Spannungsfeldes lexikografische und grammatische Exaktheit vs. Angemessenheit<br />

für die Zielgruppe. In alle Überlegungen fließen Aspekte der Positionierung und<br />

Vermarktung e<strong>in</strong>es solchen Wörterbuchs, das zunächst für den Druck konzipiert wurde, dann<br />

aber elektronische Erweiterungen erfuhr, e<strong>in</strong>.<br />

32


Symposium 4<br />

Eva Bre<strong>in</strong>dl<br />

Vom Handbuch der deutschen Konnektoren zum Wörterbuch der deutschen<br />

Konnektoren: Umsetzungswege am Beispiel der „negativ-additiven“ Konnektoren<br />

Im Handbuch der deutschen Konnektoren (Band I zur Syntax: Pasch et al. 2003, Band II zur<br />

Semantik: Bre<strong>in</strong>dl/Volod<strong>in</strong>a/Wassner i.V.) wurde im Rahmen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>duktiv erstellten, hierarchisch<br />

geordneten semantischen Klassifikation e<strong>in</strong>e semantische Klasse der „negativadditiven<br />

Konnektoren“ ausgegliedert. Darunter fallen z.B. die <strong>in</strong> ihren syntaktischen Eigenschaften<br />

sehr verschiedenen Konnektoren ohne dass, weder … noch, geschweige denn,<br />

statt, statt dass, sondern, vielmehr. Für den zweiten Band des Handbuchs s<strong>in</strong>d sie bereits <strong>in</strong><br />

ihren syntaktischen, semantischen und prosodischen Eigenschaften beschrieben.<br />

Parallel zum ersten, syntaxzentrierten, Band des Konnektorenhandbuchs wurde im Rahmen<br />

des grammatischen Informationssystems grammis des IDS <strong>in</strong> der Komponente „Grammatisches<br />

Wörterbuch“ e<strong>in</strong> hypertextuelles Konnektorenwörterbuch erstellt. Dieses soll nun um<br />

die semantische Komponente erweitert werden. Die bei der Umsetzung e<strong>in</strong>es grammatikographisch<br />

orientierten Handbuchs <strong>in</strong> e<strong>in</strong> lexikographisches Format auftretenden Probleme<br />

s<strong>in</strong>d Gegenstand des Vortrags. Zur Sprache kommen Fragen wie<br />

• wie kann die E<strong>in</strong>ordnung e<strong>in</strong>es Konnektors <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e syntaktische und e<strong>in</strong>e semantische<br />

Taxonomie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wörterbuch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er für den Nutzer nachvollziehbaren Weise erfolgen<br />

(z.B. die Verortung e<strong>in</strong>er semantischen Klasse „negativ-additiv“)<br />

• wie geht man mit dem für Konnektoren geradezu typischen Phänomen der Heterosemie<br />

um (z.B. ohne, statt)<br />

• wie erfasst man im Wörterbuch die Variationsbreite bei Kollokationen (z.B. weder... noch,<br />

ke<strong>in</strong> X…. noch, nicht x … noch)<br />

• wie erfolgt die Vernetzung mit benachbarten Relationen/Konnektoren (z.B. aber vs. sondern)<br />

• wie macht man e<strong>in</strong> solches Wörterbuch anschlussfähig an andere Beschreibungsformate<br />

• wie s<strong>in</strong>d lexikalische und grammatische Information zu <strong>in</strong>tegrieren<br />

• wie können theoretische und praktische Ergebnisse der Funktionswortlexikographie genutzt<br />

werden (König et al. 1990, Métrich/Faucher 2009).<br />

Literatur:<br />

Grammatisches Wörterbuch <strong>in</strong> grammis: http://hypermedia.ids-mannheim.de/<strong>in</strong>dex.html<br />

Pasch, Renate/Brauße, Ursula/Bre<strong>in</strong>dl, Eva/Waßner, Ulrich Hermann (2003): Handbuch der<br />

deutschen Konnektoren. L<strong>in</strong>guistische Grundlagen der Beschreibung und syntaktische<br />

Merkmale der deutschen Satzverknüpfer (Konjunktionen, Satzadverbien und Partikeln).<br />

Berl<strong>in</strong>/New York: de Gruyter.<br />

Bre<strong>in</strong>dl, Eva/Volod<strong>in</strong>a, Anna/Waßner, Ulrich (i.Vorb.): Handbuch der deutschen Konnektoren.<br />

Band 2. Semantik.<br />

Bre<strong>in</strong>dl, Eva (<strong>2012</strong>): Satzverknüpfungen als Brücke zwischen Satz und Diskurs. Schnittstellen<br />

und Beschreibungswerkzeuge am Beispiel von statt. In: Di Meola, Claudio et al. (Hg.):<br />

Perspektiven Vier. Akten der IV. Tagung Deutsche Sprachwissenschaft <strong>in</strong> Italien, (Rom,<br />

4.-6.2.2010). Frankfurt a. M. u.a.: Lang.<br />

König, Ekkehard/Stark, Detlef/Requardt, Susanne (1990): Adverbien und Partikeln. E<strong>in</strong><br />

deutsch-englisches Wörterbuch. Heidelberg: Groos.<br />

Métrich, René/Faucher, Eugène (2009): Wörterbuch deutscher Partikeln. Unter Berücksichtigung<br />

ihrer französischen Äquivalente. In Zusammenarbeit mit Jörn Albrecht. Berl<strong>in</strong>/New<br />

York: De Gruyter.<br />

33


Symposium 4<br />

Annette Klosa und Antje Töpel<br />

Funktionswörter <strong>in</strong> elexiko – Problemfälle und Lösungsmöglichkeiten<br />

Im allgeme<strong>in</strong>sprachigen deutschen Onl<strong>in</strong>ewörterbuch elexiko (www.elexiko.de) s<strong>in</strong>d unter<br />

den rund 300.000 Stichwörtern selbstverständlich auch Funktionswörter enthalten. Gerade<br />

im hochfrequenten Bereich s<strong>in</strong>d solche Lemmata wie Pronomen (man), Artikelwörter (die,<br />

e<strong>in</strong>er), Junktoren (andernfalls), Präpositionen (abzüglich) oder Partikel (recht) vertreten. Diese<br />

werden grundsätzlich nach der gleichen Artikelstruktur beschrieben wie die Autosemantika.<br />

Daraus ergeben sich verschiedene Probleme, z.B. bei der Formulierung e<strong>in</strong>er Funktionsbeschreibung.<br />

Andere Angabebereiche, die für die korpusgestützte Beschreibung von Bedeutung<br />

und Verwendung der Autosemantika vorgesehen s<strong>in</strong>d, wie die Kollokatoren und<br />

Konstruktionen, können für Funktionswörter im Grunde nicht angegeben werden.<br />

In unserem Beitrag stellen wir die Angabestruktur verschiedener Funktionswortklassen vor<br />

und zeigen an Beispielen, welche Probleme sich bei der Beschreibung von Synsemantika<br />

ergeben. E<strong>in</strong> Ausblick auf die erweiterten Suchmöglichkeiten und die Verl<strong>in</strong>kung mit grammatischen<br />

Informationssystemen rundet den Vortrag ab.<br />

34


Symposium 4<br />

Angelika Wöllste<strong>in</strong><br />

Zum Status von um als Funktionswort<br />

Die Reflexion über um unter dem Aspekt Funktionswort ist immer an spezifische theoretische<br />

Positionen gebunden, die determ<strong>in</strong>ieren, unter welchen Voraussetzungen bei (zu-)Inf<strong>in</strong>itiven<br />

Satzwertigkeit gegeben ist oder überhaupt e<strong>in</strong>e Satzstruktur vorliegt. Betrachtet man bspw.<br />

das Auftreten e<strong>in</strong>es Subjekts als konstitutives Kriterium für Satz-Äußerungen bzw. Vollsätze,<br />

so gelten <strong>in</strong>f<strong>in</strong>ite Konstruktionen wie (1) nicht als Sätze, da sie – anders als z.B. Ellipsen –<br />

nicht mittels Expansion des zu komplettierenden Ausdrucks rekonstruierbar s<strong>in</strong>d:<br />

(1) Hans verspricht, (*er) zu tanzen.<br />

Im Zuge dessen <strong>in</strong>terpretieren u.a. Zifonun et al. (1997: 2163) (zu-)Inf<strong>in</strong>itive als maximale<br />

Prädikate ohne Subjekt, die der E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e übergeordnete kommunikative M<strong>in</strong>imale<strong>in</strong>heit<br />

bedürfen. Daraus folgt für die Grammatikographie – im Besonderen GRAMMIS 2,0 –,<br />

dass bei Inf<strong>in</strong>itiven wie <strong>in</strong> (1)–(3) ke<strong>in</strong>e Satzstruktur vorliegt, sondern von e<strong>in</strong>er Inf<strong>in</strong>itivkonstruktion<br />

(mit und ohne zu) ausgegangen wird. Wie Sätze können Inf<strong>in</strong>itivkonstruktionen aber<br />

als Adjunkte/Supplemente auftreten, vgl. (GRAMMIS 2,0) wobei ohne/anstatt (dass) funktional<br />

als periphere Satzadverbiale analysiert werden.<br />

(2) Es muss alles getan werden, um Missverständnisse zu vermeiden<br />

(3) Er überquerte die Straße, ohne/anstatt auf den Verkehr zu achten<br />

Die Konsequenz für E<strong>in</strong>heiten wie um(/ohne/anstatt), die sich aus dieser Sichtweise ergibt,<br />

hat weitreichende Folgen für die Bestimmung ihres kategorialen Status: Als Konnektoren<br />

(i.S.d. HdK e<strong>in</strong>e Kategorien übergreifende Klasse) können nur diejenigen E<strong>in</strong>heiten gelten,<br />

deren Komplement e<strong>in</strong>e Satzstruktur ist. Damit fallen die e<strong>in</strong>zigen drei E<strong>in</strong>heiten, die überhaupt<br />

im Deutschen nicht-f<strong>in</strong>ite Sätze e<strong>in</strong>leiten können, aus der grammatischen Diskussion<br />

heraus und werden z.B. im Grammatischen Wörterbüchern (GRAMMIS 2,0) unter der lexikalischen<br />

Kategorie Präposition geführt.<br />

Betrachtet man zu-Inf<strong>in</strong>itive dagegen unter dem Gesichtspunkt distributioneller syntaktischer<br />

Kriterien, so können sie – im Gegensatz zu re<strong>in</strong>en Inf<strong>in</strong>itiven und Partizipien – als satzwertig<br />

gelten, da sie <strong>in</strong> bestimmten Fällen e<strong>in</strong>e gegenüber dem übergeordneten Satz <strong>in</strong>tervenierende<br />

Grenzkategorie (oberhalb der VP) aufspannen. Auf Satzwertigkeit weisen dann u.a. h<strong>in</strong>:<br />

die Alternation der Inf<strong>in</strong>itivkonstruktion (4a) mit e<strong>in</strong>em f<strong>in</strong>iten Satz (4b) im Nachfeld und die<br />

Beschränkung des Skopus des Negationsträgers auf den ihn enthaltenden Satz:<br />

(4) a. Hans hat nicht versprochen, [zu tanzen].<br />

(kann nicht <strong>in</strong>terpretiert werden als: hat versprochen nicht zu tanzen)<br />

b. Hans hat nicht versprochen, [dass er tanzen wird].<br />

(kann nicht <strong>in</strong>terpretiert werden als: hat versprochen, dass er nicht tanzen wird)<br />

Im Vortag sollen zwei Fragen diskutiert werden, die Belege dafür liefern, dass um mit se<strong>in</strong>en<br />

spezifischen Merkmalen <strong>in</strong> die Klasse der Konnektoren zu rechnen ist – also e<strong>in</strong> Funktionswort<br />

ist – und dort e<strong>in</strong>e gram-matische Erkärungslücke füllt, die bei ganz anderen Konstruktionen<br />

Aufschluss über Bedeutungskonstitution gibt. 1. Welche grammatischen Eigenschaften<br />

weist overtes um als Subjunktor <strong>in</strong> F<strong>in</strong>alsätzen auf? 2. Welche grammatischen Beschränkungen<br />

kompensieren nicht-overtes um <strong>in</strong> F<strong>in</strong>alsätzen der Sorte (5).<br />

35


Symposium 4<br />

[+um+zu]: ke<strong>in</strong>e Beschränkung auf PP oder PPLOC, aber ke<strong>in</strong> leeres Prädikat bei der Kopula<br />

(5) a. Hans ist [PP <strong>in</strong> München], um se<strong>in</strong>e politischen Ziele durchzusetzen.<br />

a.’ Hans ist [NP Bürgermeister], um se<strong>in</strong>e politischen Ziele durchzusetzen.<br />

a.’’ *Irene ist [PP-Loc ∅] um ihre Mutter zu besuchen.<br />

[−um+zu]: notwendige Beschränkung auf PPLOC, aber ke<strong>in</strong> leeres Prädikat bei der Kopula<br />

b. Hans ist [PP <strong>in</strong> Augsburg], se<strong>in</strong>e Mutter zu besuchen.<br />

b.’ *Hans ist [NP Bürgermeister], se<strong>in</strong>e politischen Ziele durchzusetzen.<br />

b.’’ *Irene ist [PP-Loc ∅] ihre Mutter zu besuchen.<br />

[−um−zu]: notwendige Beschränkung auf PPLOC und leeres Kopula-Prädikat (eLOC) möglich<br />

c. Irene ist [PP <strong>in</strong> Augsburg], ihre Mutter besuchen.<br />

c.’ *Hans ist [NP Bürgermeister], se<strong>in</strong>e politischen Ziele durchsetzen.<br />

c.’’ Irene ist [PP-Loc ∅], ihre Mutter besuchen.<br />

Literatur:<br />

Pasch, Renate/Brauße, Ursula/Bre<strong>in</strong>dl, Eva/Waßner, Ulrich Hermann (2003): Handbuch der<br />

deutschen Konnektoren. L<strong>in</strong>guistische Grundlagen der Beschreibung und syntaktische<br />

Merkmale der deutschen Satzverknüpfer. Berl<strong>in</strong>, New York: de Gruyter. (Schriften des Instituts<br />

für Deutsche Sprache 9)<br />

Wöllste<strong>in</strong>, A. & Chr. Fortmann: Zur Grammatik (nicht-)overter sprachlicher E<strong>in</strong>heiten: die sogenannte<br />

Absentivkonstruktion.(Ms. Univ. Tüb<strong>in</strong>gen)<br />

Zifonun, G. et al. (1997): Grammatik der Deutschen Sprache, 3.Bde. Schriften des Instituts<br />

für Deutsche. Berl<strong>in</strong>, New York, De Gruyter.<br />

36


Symposium 5<br />

Elena Smirnova<br />

Syntaktische Konstruktionen <strong>in</strong> Wörterbüchern<br />

Syntaktische Konstruktionen bzw. Muster f<strong>in</strong>det man normalerweise nicht <strong>in</strong> Wörterbüchern,<br />

zum<strong>in</strong>dest nicht explizit. Informationen zu spezifischen Verwendungen und morphosyntaktischen<br />

Eigenschaften von Lexemen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Wörterbuche<strong>in</strong>trägen allerd<strong>in</strong>gs häufig präsent<br />

und geben Aufschluss über das konstruktionelle Spektrum des betroffenen Lexems. Diese<br />

Informationen lassen sich grob <strong>in</strong> zwei Bereiche unterteilen: Lexikalische Spezifikationen<br />

be<strong>in</strong>halten <strong>in</strong> der Regel idiomatische Wendungen bzw. Phraseologismen, an denen das Lexem<br />

teilhat; vere<strong>in</strong>zelt wird auch auf häufige Kollokationen h<strong>in</strong>gewiesen. Grammatische Informationen<br />

dagegen beschränken sich im Wesentlichen auf Flexionsirregularitäten (falls<br />

vorhanden) und Angaben zur Valenz. Somit s<strong>in</strong>d syntaktische Konstruktionen <strong>in</strong> Wörterbüchern<br />

nicht völlig abwesend, spielen allerd<strong>in</strong>gs – abgesehen von idiomatischen Ausdrücken<br />

– e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle.<br />

In den letzten Jahrzehnten, <strong>in</strong>sbesondere seit dem Aufkommen der Konstruktionsgrammatik<br />

<strong>in</strong> ihren verschiedenen Varianten, hat sich das Augenmerk mehr und mehr von e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen<br />

Lexem (samt se<strong>in</strong>en Projektionseigenschaften bzw. Komb<strong>in</strong>ationsregeln mit anderen<br />

E<strong>in</strong>heiten) <strong>in</strong> Richtung größerer sprachlicher E<strong>in</strong>heiten – Konstruktionen – verschoben. Diese<br />

neueren Entwicklungen <strong>in</strong> der sprachtheoretischen Forschung bleiben natürlich nicht ohne<br />

Folgen für die angewandte Sprachwissenschaft. Unter anderem geht es dabei um die Integration<br />

von Konstruktionen <strong>in</strong> die Wörterbücher. Wenn Konstruktionen, verstanden im<br />

technischen S<strong>in</strong>ne der Konstruktionsgrammatik, und nur Konstruktionen das gesamte Inventar<br />

der sprachlichen E<strong>in</strong>heiten konstituieren, von e<strong>in</strong>zelnen Morphemen bis h<strong>in</strong> zu satzübergreifenden<br />

Schemata, stellt sich das Problem, wie diese konkret <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wörterbuch erfasst<br />

werden könnten.<br />

In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie syntaktische Konstruktionen e<strong>in</strong>es bestimmten<br />

Typs <strong>in</strong> Wörterbüchern e<strong>in</strong>en geeigneten Platz f<strong>in</strong>den könnten. Es handelt sich<br />

dabei um Komplementsatz-Konstruktionen nach direktiven Verben wie bitten, erlauben und<br />

befehlen, vgl.: Peter bittet mich, ihm zu helfen versus Peter bittet mich, dass ich ihm helfe.<br />

Me<strong>in</strong>e früheren Studien zeigten, dass diese Konstruktionen unterschiedliche Grundbedeutungen<br />

aufweisen. Während die Konstruktion mit dass-Satz auf die Äußerung e<strong>in</strong>er Direktive<br />

referiert, bezeichnet die Konstruktion mit zu-Inf<strong>in</strong>itiv den bloßen Akt des Direktive-Gebens.<br />

Aus diesen relativ abstrakten Bedeutungen lassen sich Regularitäten im Gebrauch erklären,<br />

und zwar weitgehen unabhängig davon, mit welchen konkreten Matrixverben diese Konstruktionen<br />

<strong>in</strong>tegriert werden.<br />

In diesem Zusammenhang wird zunächst überprüft, ob und, wenn ja, wie diese konstruktionale<br />

Differenzen bislang <strong>in</strong> den Wörterbüchern beschrieben werden. Im zweiten Schritt wird<br />

e<strong>in</strong> Vorschlag gemacht, wie die Informationen auf der Ebene der syntaktischen Konstruktion<br />

bei der lexikologischen Beschreibung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wörterbuch am besten mit e<strong>in</strong>bezogen werden<br />

können.<br />

37


Symposium 5<br />

Stefanie Meier<br />

Nutzungsfreundliche Darstellungsmöglichkeiten von Kollokationen <strong>in</strong> der deutschen<br />

Lexikografie<br />

Kollokationen s<strong>in</strong>d Wortverb<strong>in</strong>dungen, die sich sowohl durch ihre Festigkeit als auch ihren<br />

semantischen Gehalt auszeichnen. Da sie sich zwischen Grammatik und Wörterbuch bewegen,<br />

müssen neue lexikografische Darstellungsformen gefunden werden.<br />

E<strong>in</strong> Vergleich mit dem Englischen und dem Oxford Collocations Dictionary soll aufzeigen,<br />

dass die syntaktische Seite von Kollokationen Auswirkungen auf deren Darstellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Kollokationenwörterbuch hat. Besonders wenn e<strong>in</strong> Wörterbuch auf die Sprachproduktion<br />

ausgerichtet ist, wird deutlich, dass die Darstellung von Kollokationen h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Nutzendenfreundlichkeit<br />

sprachenspezifisch evaluiert werden muss.<br />

Der Oxford Collocations Dictionary passt die Artikeldarstellung der festen englischen Wortstellung<br />

an, <strong>in</strong>dem bei den Substantivartikeln die dazugehörigen Verbkollokatoren nach syntaktischem<br />

Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>geordnet werden. Das heißt, es wird unterschieden ob die Basis der<br />

Kollokation <strong>in</strong> der Objekt- oder der Subjektposition steht, da sich diese Unterscheidung auf<br />

die Satzstellung auswirkt (Es gibt also die Gruppen ,Verb + Kollokationsbasis‘ und ‚Kollokationsbasis<br />

+ Verb‘). E<strong>in</strong>e solche Darstellung wäre im Deutschen nicht möglich, da sich die<br />

syntaktische Eigenschaft e<strong>in</strong>er Satzkomponente nicht durch die Satzstellung eruieren lässt<br />

und es zudem für Objekte mehr als e<strong>in</strong>en Kasus gibt. E<strong>in</strong>e an das Deutsche angepasste,<br />

äquivalente Darstellung wäre also e<strong>in</strong>e Gruppenunterteilung nach Kasus (Kollokationsbasis<br />

im Nom<strong>in</strong>ativ, im Akkusativ, im Dativ, im Genitiv und als Präpositionalphrase). E<strong>in</strong> solches<br />

Vorgehen setzt aber e<strong>in</strong> hohes grammatisches Wissen bei den Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzern<br />

voraus und reißt semantisch zusammengehörige Kollokationen ause<strong>in</strong>ander (Die semantische<br />

Nähe von Freundschaften knüpfen und mit jmdm. Freundschaft schließen könnte bei<br />

e<strong>in</strong>er solchen Darstellung nicht aufgezeigt werden).<br />

Im Vortrag werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie man <strong>in</strong> der deutschen Wörterbucharbeit<br />

sowohl der Formelhaftigkeit von Kollokationen als auch ihrer semantischen Qualität Rechnung<br />

tragen kann. Der Anspruch an die Darstellung von Kollokationen im Wörterbuch muss<br />

se<strong>in</strong>, dass die textproduzierenden Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzer die adäquate Kollokation für ihre<br />

konkrete Anfrage möglichst <strong>in</strong>tuitiv f<strong>in</strong>den. Vorgestellt wird die Lösung des Kollokationenwörterbuchs,<br />

das momentan an der Universität Basel erarbeitet wird.<br />

38


Symposium 5<br />

Tobias Roth<br />

Zur Integration von Komposita <strong>in</strong> deutschsprachige Kollokationenwörterbücher<br />

Schreibt man e<strong>in</strong> Kollokationenwörterbuch fürs Deutsche, das auf Sprachlernende ausgerichtet<br />

und als Hilfsmittel für die Textproduktion konzipiert ist, muss man sich fragen, wie<br />

man mit Komposita verfahren möchte. Sollen sie nicht mit <strong>in</strong>s Wörterbuch, weil sie ke<strong>in</strong>e Kollokationen<br />

s<strong>in</strong>d? Oder eben doch, weil sie ähnliche Funktionen übernehmen wie Kollokationen?<br />

Der Beitrag will – u.a. kontrastiv, mit e<strong>in</strong>em Vergleich mit anderssprachigen Kollokationenwörterbüchern<br />

– zeigen, dass es s<strong>in</strong>nvoll ist, Kollokationen und Komposita zusammen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Wörterbuch zu vere<strong>in</strong>en.<br />

Beiden – Kollokationen und Komposita – geme<strong>in</strong>sam ist, dass sie durch die Komb<strong>in</strong>ation<br />

bestehender Lexeme Begriffe bilden (komb<strong>in</strong>atorische Begriffsbildung). Der Unterschied dabei<br />

ist e<strong>in</strong>zig, dass die e<strong>in</strong>en mit syntaktischen, die anderen mit morphologischen Mitteln<br />

gebildet werden. Komposition ist im Deutschen äusserst produktiv, die Sprache ausserordentlich<br />

reich an Komposita. Wer mit e<strong>in</strong>er bestimmten Wortkomb<strong>in</strong>ation nicht vertraut ist,<br />

kann oft nicht im vornhere<strong>in</strong> sagen, ob sie als Kollokation oder als Kompositum realisiert<br />

wird.<br />

Mit dem Ausschluss von Komposita aus Kollokationenwörterbüchern wird e<strong>in</strong> substanzieller<br />

Teil der komb<strong>in</strong>atorischen Begriffsbildung des Deutschen e<strong>in</strong>fach weggelassen und steht so<br />

als Produktionshilfsmittel nicht zur Verfügung. Wer aus dem Englischen kommt und etwas<br />

wie mortal fear im Deutschen wiedergeben möchte, f<strong>in</strong>det beim Nachschlagen unter Angst<br />

zwar tödliche oder sterbliche Angst nicht, dafür Alternativen wie panische, höllische, entsetzliche,<br />

ungeheure Angst. Er oder sie wird aber kaum darauf kommen, die hier treffendsten<br />

Übersetzungsmöglichkeiten Todesangst oder Sterbensangst zu verwenden.<br />

E<strong>in</strong> direkter Vergleich mit Kollokationenwörterbüchern aus anderen Sprachen (vor allem aus<br />

dem Englischen und Französischen) soll helfen, e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck vom Ausmass der Problematik<br />

zu erhalten. Wie gehen diese Wörterbücher selber mit Komposita um? Welche Kollokationen<br />

würden im Deutschen als Komposita wiedergegeben? Wie hoch ist ihr Anteil? Der<br />

Beitrag möchte Antworten auf diese Fragen geben und versucht durch den kontrastiven Ansatz<br />

sowie den Vergleich auch mit lexikografischen Vorbildern wie dem Oxford Collocations<br />

Dictionary, die Komposita-Integrations-Frage für das Deutsche klarer e<strong>in</strong>zuordnen.<br />

39


Symposium 5<br />

Manfred Sailer, Frank Richter, Beata Trawiński<br />

E<strong>in</strong> Forschungsportal an der Grammatik-Lexikon-Schnittstelle<br />

Aus e<strong>in</strong>em konservativen Verständniss dessen, was e<strong>in</strong>e kompetenz-orientierte l<strong>in</strong>guistische<br />

Sprachbeschreibung erfassen soll, nämlich die Menge der wohlgeformten Sätze e<strong>in</strong>er Sprache,<br />

lassen sich Kollokations- und Konstruktionsphänomene identifizieren, die als Teil des<br />

sprachlichen Wissens des kompetenten Sprechers jenseits von Performanzpräferenzen angesehen<br />

werden müssen. Hiervon sollen die folgenden vier hervorgehoben werden.<br />

1) gebundene Wörter: Solche Wörter stehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em festen Kollokationsverhältnis. E<strong>in</strong> Beispiel<br />

ist Kohldampf, das ,Hunger‘ bedeutet, aber nur bed<strong>in</strong>gt Hunger ersetzen kann (Hunger/Kohldampf<br />

haben aber Hunger/*Kohldampf leiden).<br />

2) Polaritätselemente: Negative Polaritätselemente wie sonderlich oder jm. e<strong>in</strong> Haar krümmen<br />

treten <strong>in</strong> der Regel <strong>in</strong> verne<strong>in</strong>ten oder <strong>in</strong> anderer Weise negativ markierten Sätzen<br />

auf. Positive Polaritätselemente (wie ziemlich) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> solchen Sätzen nicht zu f<strong>in</strong>den.<br />

3) phraseologisierte Teilsätze: Das s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>gebettete Sätze, die <strong>in</strong>nerhalb von Idiomen auftreten<br />

und weitgehend festes lexikalisches Material haben, wie <strong>in</strong> wissen, [wo Barthels<br />

den Most holt].<br />

4) Phraseoschablonen: Dies s<strong>in</strong>d Konstruktionen, die nur begrenzt fixes lexikalisches Material<br />

haben, aber syntaktische, semantische und/oder pragmatische Besonderheiten aufweisen.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel hierfür ist As goes X so goes Y oder je X desto Y.<br />

In den ersten beiden Fällen muss zur Erfassung e<strong>in</strong>es lexikalischen Elements se<strong>in</strong> Auftretenskontext<br />

mit berücksichtigt werden. Dieser kann durch Dependenzrelationen def<strong>in</strong>iert<br />

se<strong>in</strong>, wie im Falle gebundener Wörter oder durch semantisch-pragmatische Beschränkungen,<br />

wie bei Polartiätselementen. Die letzten beiden Fälle betrachten die <strong>in</strong>terne Struktur von<br />

syntaktisch komplexen lexikalischen E<strong>in</strong>heiten. Sie können beliebig <strong>in</strong>tern komplex se<strong>in</strong><br />

(phraseologisierte Teilsätze), weisen jedoch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuell unterschiedliches Maß an <strong>in</strong>terner<br />

Flexibilität auf, wobei Phraseoloschablonen besonders offen s<strong>in</strong>d.<br />

In vorangegangenen Projekten haben wir gezielt Daten zu den vier genannten Bereichen<br />

gesammelt und nach l<strong>in</strong>guistischen Kriterien aufbereitet. Die Kompetenzperspektive erlaubt<br />

hierbei e<strong>in</strong>e Fokussierung auf diejenigen Aspekte der Daten, die <strong>in</strong> jeder Beschreibung — ob<br />

kompetenz- oder gebrauchsbasiert — enthalten se<strong>in</strong> müssen. Die Sammlungen zu gebundenen<br />

Wörtern und Polaritätselementen liegen bereits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heiltichen onl<strong>in</strong>e zugänglichen<br />

Format vor (Richter et al., 2010). Diese Sammlungen dokumentieren derzeit, <strong>in</strong> welchen<br />

Kontexten die jeweiligen Wörter <strong>in</strong> Standardkorpora und <strong>in</strong> Internetbelegen auftreten.<br />

Diese qualitativen Profile werden Schritt für Schritt um quantitative Profile ergänzt, also um<br />

Angaben, wie häufig die betrachteten Wörter <strong>in</strong> verschiedenen Kontexten s<strong>in</strong>d. Die Sammlungen<br />

zu phraseologisierten Teilsätzen und Phraseoschablonen s<strong>in</strong>d bislang noch nicht<br />

öffentlich zugänglich, s<strong>in</strong>d aber bereits <strong>in</strong> Publikationen e<strong>in</strong>geflossen (Richter and Sailer,<br />

2009).<br />

Im Vortrag stellen wir e<strong>in</strong> Forschungsportal vor, das die bisherigen Sammlungen <strong>in</strong>tegriert.<br />

Durch diesen Zusammenschluss erreichen wir die folgenden Ziele: (i) Es entsteht e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches<br />

Portal, das mehr Forscher/<strong>in</strong>nen erreichen kann. (ii) Wir garantieren e<strong>in</strong>e langfristige<br />

Bereitstellung und Weiterführung der Sammlungen. (iii) Wir bauen die Sammlungen systematisch<br />

aus und fügen kont<strong>in</strong>uierlich neue Sammlungen h<strong>in</strong>zu. (iv) Wir unterstützen Kolleg/<strong>in</strong>n/en,<br />

die analoge Datensammlungen anlegen und bieten an, diese <strong>in</strong> das Portal e<strong>in</strong>zufüttern.<br />

Dieses Portal unterscheidet sich von anderen Initiativen: (i) Es ist nicht an e<strong>in</strong> zeitlich<br />

begrenztes Forschungsprojekt gebunden. (ii) Während immer mehr Forscher/<strong>in</strong>nen ihre Ana-<br />

40


Symposium 5<br />

lysen auf e<strong>in</strong>e solide empirische Basis stellen, ist deren Datenbasis oft nicht öffentlich zugänglich.<br />

(iii) Die Aufbereitung der Daten erfolgt nach l<strong>in</strong>guistischen Kriterien, so dass sie<br />

direkt für die Forschung relevante Fragestellungen anspricht. Dadurch wird zwar ke<strong>in</strong> für<br />

Sprachlerner oder -Anwender direkt nutzbares Wissen abgebildet, jedoch relevantes Wissen<br />

für Ersteller von Wörterbüchern und Systemen zur automatischen Sprachverarbeitung (Traw<strong>in</strong>ski<br />

et al., 2008).<br />

Mit der Zusammenführung der vorhandenen Datensammlungen wird im Sommersemester<br />

<strong>2012</strong> begonnen, so dass wir davon ausgehen, bis zur <strong>GAL</strong>-Tagung mit e<strong>in</strong>er ersten Version<br />

des Portals onl<strong>in</strong>e zu se<strong>in</strong>.<br />

Wenngleich sich unsere Sammlungen primär an e<strong>in</strong> wissenschaftliches Publikum richten,<br />

wenden wir uns genau solchen Phänomenen zu, die Herausforderungen für wort-basierte<br />

Lexikonkonzepte darstellen, da wir uns mit Wörtern und Wendungen befassen, die selbst<br />

<strong>in</strong>tern komplex s<strong>in</strong>d oder feste, aber zum Teil abstrakte, Anforderungen an ihre Auftretenskontexte<br />

stellen. Wir erhoffen uns deshalb e<strong>in</strong>en regen Austausch <strong>in</strong> der Symposiumsdiskussion.<br />

Literatur:<br />

Richter, Frank and Sailer, Manfred (2009). Phraseological Clauses <strong>in</strong> Constructional HPSG.<br />

In S. Müller (Ed.), Proceed<strong>in</strong>gs of the 16th International Conference on Head-Driven<br />

Phrase Structure Grammar, Gött<strong>in</strong>gen 2009, Stanford, pp. 297–317. CSLI Publications.<br />

cslipublications.stanford.edu/HPSG/2009/richter-sailer.pdf.<br />

Richter, Frank, Sailer, Manfred, and Traw<strong>in</strong>ski, Beata (2010). The Collection of Distributionally<br />

Idiosyncratic Items. An Interface between Data and Theory. In S. Ptashnyk, E. Hallste<strong>in</strong>sdóttir,<br />

and N. Bubenhofer (Eds.), Korpora, Web und Datenbanken. Computergestützte<br />

und korpusbasierte Methoden <strong>in</strong> der Phraseologie, Phraseografie und der Lexikografie,<br />

pp. 245–261. Hohengehren: Schneider Verlag.<br />

Traw<strong>in</strong>ski, Beata, Soehn, Jan-Philipp, Sailer, Manfred, Richter, Frank, and Lemnitzer, Lothar<br />

(2008).<br />

Cranberry Expressions <strong>in</strong> English and <strong>in</strong> German. In N. Grégoire, S. Evert, and B. Krenn<br />

(Eds.), Proceed<strong>in</strong>gs of the LREC Workshop Towards a Shared Task for Multiword Expressions<br />

(MWE 2008), Marrakech, Morokko, pp. 35–38.<br />

41


Symposium 5<br />

Torsten Müller<br />

„Darum gehet h<strong>in</strong> und lehret alle Völker.“ Über Produktivität und Formelhaftigkeit von<br />

h<strong>in</strong>gehen und V und go and V <strong>in</strong> deutscher und englischer Sprache<br />

Bereits Jespersen stellt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Modern English Grammar on Historical Pr<strong>in</strong>ciples (Band 5)<br />

fest, dass <strong>in</strong> verbalen Strukturen der Art go and V das Element go oftmals kaum noch eigene<br />

Bedeutung zu haben sche<strong>in</strong>t (Jespersen 1940). Da Verben wie go sich für Grammatikalisierungsprozesse<br />

eignen, ist folgerichtig darauf h<strong>in</strong>gewiesen worden, dass auch go and V e<strong>in</strong>en<br />

solchen Prozess unterlaufen hat bzw. unterläuft (e.g. Hopper 2002), andere haben go and V<br />

als e<strong>in</strong>e Konstruktion im S<strong>in</strong>ne der Construction Grammar identifiziert, die zusätzliche Bedeutungsnuancen<br />

entwickelt hat, <strong>in</strong>sbesondere die e<strong>in</strong>er negativen Evaluierung der dargestellten<br />

Situation (and then he goes and spoils it all) (Stefanowitsch 2000). In go and V tritt<br />

go zudem überwiegend <strong>in</strong> der base form und somit ohne Flexionsendung auf, sodass Hopper<br />

(2002) dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Indiz dafür sieht, dass go and V auch morphologisch die Merkmale von<br />

Modalverben annimmt.<br />

Bei e<strong>in</strong>er Analyse des gesprochenen Segmentes des BNC und des COCA zeigt sich, dass<br />

e<strong>in</strong> großer Teil der Belege allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e Interpretation von go als Bewegungsverb nicht nur<br />

zulässt, sondern oftmals geradezu unterstreicht. Zudem verteilt sich besonders im BNC die<br />

überwiegende Anzahl der Belege auf nur wenige verschiedene Verben, die die Stelle nach<br />

and besetzen (z.B. go and get, go and see). Die Tendenz von go, <strong>in</strong> der base form bzw. im<br />

Inf<strong>in</strong>itiv aufzutreten, zeigt sich zudem auch <strong>in</strong> historischen Belegen des Mittel- und Frühneuenglischen,<br />

sodass dies ke<strong>in</strong>e neue Entwicklung darstellt. Somit lassen sich vor allem Belege<br />

wie go and get und go and see auch als feststehende, formelhafte Ausdrücke (etwa im<br />

S<strong>in</strong>ne von Wray 2002 und 2008) <strong>in</strong>terpretieren (e<strong>in</strong>e solche Interpretation lassen auch die<br />

Ergebnisse <strong>in</strong> Newman/Rice 2008 zu). Somit wären diese Ausdrücke nicht etwa Teil der<br />

Grammatik, sondern Teil des Lexikons. Als Konsequenz sollten solche formulas (Wray 2002)<br />

und ihre Verwendungsweisen <strong>in</strong> Wörterbüchern behandelt werden, nicht <strong>in</strong> Grammatiken des<br />

Englischen, während andere, weniger häufige Belege sich als Konstruktion und somit als Teil<br />

der Grammatik auffassen lassen.<br />

Im Deutschen s<strong>in</strong>d solche Ausdrücke weitaus weniger untersucht, obwohl sich etwa e<strong>in</strong>e<br />

Form mit h<strong>in</strong>gehen und V ebenfalls schon für frühere Sprachstufen belegen lässt (vgl. Darumb<br />

gehet h<strong>in</strong> und leret alle Völcker aus Luthers Bibelübersetzung). Die deutschsprachigen<br />

Daten unterscheiden sich aber h<strong>in</strong>sichtlich Frequenz, Formelhaftigkeit und Grammatikalisierung<br />

deutlich von den englischen: Sie zeigen e<strong>in</strong>e viel größere Unabhängigkeit der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Elemente, obwohl sich Beispiele f<strong>in</strong>den lassen wie er geht h<strong>in</strong> und macht Blöds<strong>in</strong>n, die suggerieren,<br />

dass sich auch hier e<strong>in</strong>e Konstruktion zu entwickeln sche<strong>in</strong>t.<br />

Literatur:<br />

Jespersen, Otto (1940) A Modern English Grammar on Historical Pr<strong>in</strong>ciples. Part 5. Syntax.<br />

Kopenhagen: Munksgaard.<br />

Hopper, Paul (2002) “Hendiadys and auxiliation <strong>in</strong> English.” In: Joan Bybee/Michael Noonan<br />

(eds.): Complex Sentences <strong>in</strong> Grammar and Discourse. Essays <strong>in</strong> Honor of Sandra A.<br />

Thompson. Amsterdam/Philadelphia: Benjam<strong>in</strong>s, pp. 145–173.<br />

Newman, John/Sally Rice (2008) “Asymmetry <strong>in</strong> English multi-verb sequences. A corpusbased<br />

approach.” In: Barbara Lewandowska-Tomaszcyk (ed.): Asymmetric Events. Amsterdam/Philadelphia:<br />

Benjam<strong>in</strong>s, pp. 3–23. (Converg<strong>in</strong>g Evidence <strong>in</strong> Language and<br />

Communication Research. 11)<br />

42


Symposium 5<br />

Stefanowitsch, Anatol (2000) “The go-(PRT)-and-V construction <strong>in</strong> English.” In: Proceed<strong>in</strong>gs<br />

of the Twenty-sixth Annual Meet<strong>in</strong>g of the Berkeley L<strong>in</strong>guistics Society, pp. 259–270.<br />

Wray, Alison (2002) Formulaic Language and the Lexicon. Cambridge (etc.): CUP.<br />

Wray, Alison (2008) Formulaic Language. Push<strong>in</strong>g the Boundaries. Oxford (etc.): OUP. (Oxford<br />

Applied L<strong>in</strong>guistics.)<br />

43


Symposium 5<br />

Olga Batiukova und Elena De Miguel<br />

Lexical Structures and Grammar <strong>in</strong> a Dictionary of Motion Verbs<br />

This proposal aims at contribut<strong>in</strong>g to the discussion to be held at the panel with the results of<br />

the research project “Multil<strong>in</strong>gual Electronic Dictionary of Broad Mean<strong>in</strong>g Motion Verbs”, currently<br />

developed by the research team UPSTAIRS (Unit for the Word Study: Internal Structure<br />

and Syntactic Relationships) at the Spanish Language Department, Madrid Autonomous<br />

University.<br />

The goal of the dictionary is to register <strong>in</strong> a systematic and homogeneous way the different<br />

senses that the motion verbs display as a result of their comb<strong>in</strong>ation with different contextual<br />

environments. We follow lexicalist approaches <strong>in</strong> assum<strong>in</strong>g that some mean<strong>in</strong>g attributes<br />

lexicalized by these verbs determ<strong>in</strong>e their morphosyntactic behavior and also license the<br />

mean<strong>in</strong>g alterations <strong>in</strong> the form of idiomatic expressions, metaphorical collocations, verbal<br />

periphrases, etc. Consequently, it is our belief that, <strong>in</strong> order to fulfill their ma<strong>in</strong> function (account<br />

for word mean<strong>in</strong>g), the dictionaries must acknowledge theoretical advances <strong>in</strong> lexiconsyntax<br />

<strong>in</strong>terface (the lexicographical projects WordNet, VerbNet, FrameNet, REDES,<br />

ADESSE, among others, could serve as a reference).<br />

The design of our dictionary seeks to reconcile the theoretical exhaustiveness and userfriendl<strong>in</strong>ess<br />

by distribut<strong>in</strong>g different k<strong>in</strong>ds of <strong>in</strong>formation between the “theoretical” and the<br />

“practical” modules, and also by offer<strong>in</strong>g flexible search options, which allow each user to<br />

choose the k<strong>in</strong>d of data he wants to visualize when consult<strong>in</strong>g the dictionary.<br />

The theoretical module is be<strong>in</strong>g developed for Spanish at present; it is conceived as a theoretical<br />

tool for l<strong>in</strong>guists <strong>in</strong>terested <strong>in</strong> the semantics and the syntax of motion, as well as <strong>in</strong> its<br />

typological manifestations. The meta-entry (a template designed to accommodate the description<br />

of concrete verbs) is based on formal representations of lexical and grammatical<br />

structures adopted from several <strong>in</strong>fluential models of mean<strong>in</strong>g (cognitive l<strong>in</strong>guistics, Frame<br />

Semantics, generative grammar, etc.): argument structure, thematic structure (semantic<br />

roles, frames), event structure and qualia structure. The concepts of the event structure and<br />

the qualia structure are <strong>in</strong>terpreted follow<strong>in</strong>g the Generative Lexicon theory; these are the<br />

most <strong>in</strong>novative elements of the entries. The m<strong>in</strong>imal specifications provided through these<br />

structures account for the core mean<strong>in</strong>g of the motion verbs and allow track<strong>in</strong>g their modifications<br />

<strong>in</strong> different k<strong>in</strong>ds of the so-called “fixed” expressions (periphrases, metaphorical collocations,<br />

and idioms).<br />

The expressions referred to above are notoriously difficult for second language learners,<br />

s<strong>in</strong>ce their mean<strong>in</strong>g cannot be <strong>in</strong>terpreted compositionally, and is rarely accounted for by<br />

generic rules <strong>in</strong> the classroom, <strong>in</strong> handbooks, and <strong>in</strong> learner dictionaries. The L2 learners are<br />

one of the groups that would benefit most from the results of this project. Obviously, hav<strong>in</strong>g<br />

to deal with all the <strong>in</strong>formation provided <strong>in</strong> the theoretical module would be frustrat<strong>in</strong>g and<br />

counterproductive for non-expert users, this is why the search options <strong>in</strong> the practical module<br />

will be limited to sense def<strong>in</strong>itions, examples, equivalences <strong>in</strong> different languages, and other<br />

general and easily comprehensible <strong>in</strong>formation.<br />

We believe that this briefly outl<strong>in</strong>ed conception allows turn<strong>in</strong>g the traditionally considered as<br />

uneasy coexistence of lexical and grammatical <strong>in</strong>formation <strong>in</strong> a dictionary <strong>in</strong>to a vital symbiosis,<br />

from which a wide range of users will benefit.<br />

44


Symposium 5<br />

References:<br />

Batiukova, O. (2009): “Aplicaciones lexicográficas de la teoría del Lexicón Generativo”, <strong>in</strong> E.<br />

De Miguel et al. (eds.): Fronteras de un diccionario. Las palabras en movimiento, San Millán<br />

de la Cogolla, Cilengua, 231–268.<br />

Batiukova, O. (2009): “La teoría del léxico en los nuevos diccionarios”, <strong>in</strong> E. De Miguel (ed.),<br />

Panorama de la Lexicología, Barcelona, Ariel, 487–519.<br />

Bosque, I. (dir.) (2004): REDES. Diccionario comb<strong>in</strong>atorio del español contemporáneo, Madrid,<br />

SM.<br />

De Miguel, E. (2009): “La Teoría del Lexicón Generativo”, <strong>in</strong> Panorama de la Lexicología,<br />

337–368, Barcelona, Ariel.<br />

De Miguel, E. (2010): “La polisemia de los verbos soporte. Propuesta de def<strong>in</strong>ición mínima”,<br />

<strong>in</strong> P. Battaner and E. Bernal (eds.), Los verbos en los diccionarios, Barcelona, Edicions<br />

de l’IULA.<br />

Fellbaum, C. (1998): WordNet. An Electronic Lexical Database, Cambridge, MIT Press.<br />

García Fernández, L. (2006) (dir.): Diccionario de perífrasis verbales, Madrid, Gredos.<br />

Pustejovsky, J. (1995): The Generative Lexicon, Cambridge, MIT Press.<br />

Subirats, C. (2004): “FrameNet Español. Una red semántica de marcos conceptuales”, VI<br />

International Congress of Hispanic L<strong>in</strong>guistics, Universität Leipzig.<br />

Talmy, L. (2000): Toward a Cognitive Semantics, Cambridge, MIT Press.<br />

45


Symposium 5<br />

Tamás Kispál<br />

Konstruktionen <strong>in</strong> Lernerwörterbüchern – E<strong>in</strong> Vergleich<br />

Konstruktionen s<strong>in</strong>d für die Lerner des Deutschen als Fremdsprache wichtige sprachliche<br />

Zeichen im Kont<strong>in</strong>uum von Lexikon und Grammatik. Im Beitrag wird das Ergebnis e<strong>in</strong>er Untersuchung<br />

dargestellt, <strong>in</strong> der mehrere DaF-Lernerwörterbücher <strong>in</strong> Bezug auf die Konstruktionen<br />

anhand von e<strong>in</strong>igen Fallstudien überprüft wurden. Die Analyse zeigt, welche Konstruktionstypen<br />

die untersuchten Lernerwörterbücher enthalten (morphologische E<strong>in</strong>heiten, syntaktische<br />

Strukturen, konventionalisierte und variable Mehrwortverb<strong>in</strong>dungen) und welche<br />

dieser Wörterbücher den Erwartungen gegenüber e<strong>in</strong>er benutzerfreundlichen lexikographischen<br />

Kodifizierung der Konstruktionen aus der Sicht der DaF-Lernenden am meisten entsprechen<br />

können. In den Lernerwörterbüchern werden bestimmte Strukturmodelle kodifiziert,<br />

allerd<strong>in</strong>gs öfter nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Wörterbüchern und auch mit teilweise verschiedenen Beschreibungsmethoden.<br />

Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache<br />

(LGwDaF) enthält beispielsweise die Konstruktion X an X: „etwas an etwas (zwischen jeweils<br />

dem gleichen Subst. ohne Artikel) verwendet, um die räumliche Nähe zweier D<strong>in</strong>ge oder die<br />

große Anzahl ähnlicher D<strong>in</strong>ge zu betonen“. In PONS Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache<br />

(PGwDaF) f<strong>in</strong>det man diese Konstruktion nicht, aber dafür die Konstruktion X an Y<br />

(die man jedoch <strong>in</strong> LGwDaF vergeblich sucht): „A an B KOCH. (geh.) verwendet, um auszudrücken,<br />

dass e<strong>in</strong>e Speise oder e<strong>in</strong> Hauptgericht A zusammen mit e<strong>in</strong>er Beilage oder Soße<br />

B serviert wird“. Auch folgende Konstruktion wird <strong>in</strong> LGwDaF mit e<strong>in</strong>er Strukturformel kodifiziert:<br />

„Subst/Pronomen + und + Adj/Adv/<strong>in</strong>f<strong>in</strong>itiv; verwendet, um Zweifel, Ironie o. Ä. auszudrücken:<br />

Ich und e<strong>in</strong>e Rede halten – Niemals!; Die und schön? (= diese Frau ist doch nicht<br />

schön)“. E<strong>in</strong>e andere Beschreibung liegt für diese Struktur <strong>in</strong> de Gruyter Wörterbuch Deutsch<br />

als Fremdsprache (DGWDaF) vor: . Mehrwortverb<strong>in</strong>dungen verdienen e<strong>in</strong>e besondere Aufmerksamkeit (z.B. Feilke 2007,<br />

Gries 2008). Dabei können besonders die lexikalisch teilspezifizierten Konstruktionen (Deppermann<br />

2006) relevant se<strong>in</strong>, wie auch folgende Konstruktion <strong>in</strong> LGwDaF: „... h<strong>in</strong>, ... her;<br />

verwendet, um auszudrücken, dass man trotzdem etwas tun oder sich <strong>in</strong> bestimmter Weise<br />

verhalten muss.“ Weitere ähnliche Konstruktionen werden im Beitrag im H<strong>in</strong>blick auf ihre<br />

(lerner)lexikographische Kodifizierung h<strong>in</strong> untersucht.<br />

Literatur:<br />

Deppermann, Arnulf (2006): Construction grammar – E<strong>in</strong>e Grammatik für die Interaktion. In:<br />

Deppermann, A. et al. (Hrsg.): Grammatik und Interaktion. Untersuchungen zum Zusammenhang<br />

von grammatischen Strukturen und Gesprächsprozessen. Radolfzell: Verlag für<br />

Gesprächsforschung. S. 43–65.<br />

Feilke, Helmuth (2007): Syntaktische Aspekte der Phraseologie III: Construction Grammar<br />

und verwandte Ansätze. In: Burger, H. et al. (Hrsg.): Phraseologie/Phraseology. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales<br />

Handbuch zeitgenössischer Forschung/An International Handbook of Contemporary<br />

Research. Berl<strong>in</strong>: de Gruyter (= HSK, 28.1). S. 63–76.<br />

Gries, Stefan Th. (2008): Phraseology and l<strong>in</strong>guistic theory. A brief survey. In: Granger, S./<br />

Meunier, F. (eds.): Phraseology. An <strong>in</strong>terdiscipl<strong>in</strong>ary perspective. Amsterdam: Benjam<strong>in</strong>s.<br />

S. 3–25.<br />

46


Symposium 5<br />

Dom<strong>in</strong>ik Banhold und L<strong>in</strong>e-Marie Hohenste<strong>in</strong><br />

Traditionen der Darstellung grammatischer Varianz <strong>in</strong> der anwendungsorientierten<br />

deutschen Sprachlexikographie<br />

Die anwendungsorientierte deutsche Sprachlexikographie umfasst e<strong>in</strong> breites Spektrum von<br />

Wörterbüchern und vergleichbaren Nachschlagewerken. Sie werden nicht nur von Sprachwissenschaftlern,<br />

sondern vor allem von Laien benutzt, die sich oft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganz besonderen<br />

Nachschlagesituation bef<strong>in</strong>den:<br />

Wenn sie e<strong>in</strong> Wort nachschlagen, geschieht dies nicht selten aufgrund von Unsicherheit und<br />

des Dilemmas, sich zwischen Varianten entscheiden zu müssen. Die Aufgabe e<strong>in</strong>es Wörterbuches<br />

liegt gemäß dem oben genannten Verständnis dann dar<strong>in</strong>, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen Grad<br />

Abhilfe zu schaffen und sprachliche Zweifelsfälle (engl. evtl. ähnlich wie common language<br />

errors) aufzulösen (Kle<strong>in</strong> 2003).<br />

Im Zentrum des Vortrags steht die Frage, mit welchen Strategien <strong>in</strong> anwendungsorientierten<br />

Wörterbüchern zu Varianten normativ Stellung genommen wird. Dabei geht es <strong>in</strong>sbesondere<br />

um das Problem von tradierten Bewertungsmustern, die von der Sprache der Gegenwart<br />

m<strong>in</strong>destens 150 Jahre zurückreichen.<br />

Zudem soll auch auf die Identifikation von Varianten e<strong>in</strong>gegangen werden, von der zu vermuten<br />

ist, dass sie nicht immer auf Ergebnissen empirischer grammatischer Forschung basiert,<br />

sondern auf lexikografischer Verfestigung beruht. An dieser Stelle wäre zudem zu fragen,<br />

welche Rolle sog. grammatische Konstruktionen spielen.<br />

Die Traditionen <strong>in</strong> der Darstellung und Beurteilung grammatischer Varianz bilden also den<br />

roten Faden dieses Vortrags. Damit werden auch neuere Forschungen aufgenommen, <strong>in</strong><br />

denen dezidiert und detailliert die normativen Muster und Vorgaben bei der Entstehung und<br />

Profilierung des Neuhochdeutschen untersucht wurden (z.B. Davies/Langer 2006).<br />

Literatur:<br />

Davies, W<strong>in</strong>ifred V./Nils Langer (2006): The Mak<strong>in</strong>g of Bad Language. Lay L<strong>in</strong>guistic Stigmatisations<br />

<strong>in</strong> German: Past and Present. Frankfurt/M (= Vario L<strong>in</strong>gua 28).<br />

Kle<strong>in</strong>, Wolf Peter (2003): Sprachliche Zweifelsfälle als l<strong>in</strong>guistischer Gegenstand. Zur E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> vergessenes Thema der Sprachwissenschaft. In: Wolf Peter Kle<strong>in</strong> (Hg.):<br />

Sprachliche Zweifelsfälle. Theorie und Empirie (= L<strong>in</strong>guistik onl<strong>in</strong>e 16,<br />

http://www.l<strong>in</strong>guistik-onl<strong>in</strong>e.de/16_03/kle<strong>in</strong>.html).<br />

47


Symposium 5<br />

Christa Dürscheid und Patrizia Sutter<br />

Helvetismen im Wörterbuch – (k)e<strong>in</strong> Fall für die Grammatik?<br />

Der Vortrag befasst sich mit der Frage, <strong>in</strong>wiefern die heutige Lexikographie dem Konzept der<br />

Plurizentrizität des Deutschen gerecht wird. Dabei legen wir den Schwerpunkt auf die<br />

Schweizer Varietät des Standarddeutschen, genauer: auf die <strong>in</strong> dieser Varietät vorkommenden<br />

Helvetismen auf lexikalischer, phraseologischer und syntaktischer Ebene (z.B. traktandieren;<br />

das Heu auf derselben Bühne haben; jdm. etwas beantragen). Als Grundlage dient<br />

e<strong>in</strong>e Bestandesaufnahme gegenwartssprachlicher Wörterbücher. Diese werden daraufh<strong>in</strong><br />

untersucht, welche Typen von Helvetismen verzeichnet s<strong>in</strong>d, auf welcher Basis diese ausgewählt<br />

wurden und welche Angaben sich zu ihrem Gebrauch f<strong>in</strong>den. In dem Zusammenhang<br />

ist die von Ulrich Ammon et al. im Variantenwörterbuch (2004) so bezeichnete Kategorie<br />

„Grenzfall des Standards“ von besonderem Interesse. In der Weiterführung dieses Ansatzes<br />

legen wir den Schwerpunkt auf die Frage, wie arealspezifische, grammatische Konstruktionen<br />

im Wörterbuch erfasst werden können, welche Unterschiede auf standardsprachlicher<br />

Ebene zu verzeichnen s<strong>in</strong>d und welche Möglichkeiten der Datenerhebung zur Verfügung<br />

stehen, wenn man diese Unterschiede dokumentieren will. Ziel der Betrachtung ist es, Denkanstösse<br />

für den Umgang mit standardsprachlicher Variation <strong>in</strong> Referenzwerken des Deutschen<br />

zu geben und aufzuzeigen, dass <strong>in</strong> der Plurizentrizitätsforschung des Deutschen (und<br />

damit auch <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>schlägigen Wörterbüchern) der Fokus nicht nur auf der Lexik, sondern<br />

auch auf der Grammatik liegen sollte.<br />

48


Symposium 5<br />

Alfred Holl<br />

Rückläufige Wörterbücher zur Flexionsmorphologie des Verbs als Schnittstelle<br />

zwischen Lexik und Grammatik<br />

Die Analyse flexionsmorphologischer Systeme natürlicher Sprachen aus synchroner Sicht<br />

zeigt e<strong>in</strong>en auffälligen Zusammenhang zwischen dem Flexionstyp e<strong>in</strong>es Lexems und dem<br />

Ausgang se<strong>in</strong>er lexikalischen Grundform, der für Verben am besten erforscht ist. In vielen<br />

Fällen kann man nämlich den Konjugationstyp e<strong>in</strong>es Verbs – wie aus der Late<strong>in</strong>-Romania<br />

wohlbekannt – am Ausgang des Inf<strong>in</strong>itivs erkennen. Rückläufige Ähnlichkeit des Inf<strong>in</strong>itivs<br />

(d.h. der gleiche Inf<strong>in</strong>itivausgang) zweier Verben lässt also auf den ersten Blick auf den gleichen<br />

Konjugationstyp schließen, wie z.B. im Deutschen alle Verben auf -reiben (reiben,<br />

schreiben, treiben) gleich konjugieren; dies gilt auch für regelhafte Besonderheiten der Verben<br />

auf -den, -ten, -sen, -ßen, -zen<br />

Allerd<strong>in</strong>gs kann der Analogieschluss von rückläufiger Ähnlichkeit auf Konjugationsgleichheit<br />

auch irreführend se<strong>in</strong> und zu Fehlern führen, im Deutschen etwa bei den Verben auf -reiten<br />

(reiten, breiten, schreiten, streiten), die unterschiedlich konjugieren. Beispielsweise f<strong>in</strong>det<br />

sich k<strong>in</strong>dersprachlich er hat *gestreitet zu streiten wegen er hat ausgebreitet zu ausbreiten.<br />

Daher ist e<strong>in</strong>e Untersuchung von Verbgruppen gleichen Ausgangs auf Konjugationsgleichheit<br />

lohnend. In der Informatik bezeichnet man solche Lexemgruppen als Cluster und deren<br />

Untersuchung als Cluster-Analyse. Letztere umfasst e<strong>in</strong>e Reihe von Techniken, die zum Bereich<br />

Data M<strong>in</strong><strong>in</strong>g („Schürfen nach gesetzmäßigen, <strong>in</strong>teressanten Zusammenhängen zwischen<br />

Daten“) gehören. Datenanalysen bilden aber schon von jeher die Basis für die Darstellung<br />

flexionsmorphologischer Systeme <strong>in</strong> deskriptiven Grammatiken.<br />

Der aktuelle Forschungsstand verfügt über e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelsprach- und wortartenunabhängigen<br />

Cluster-Analyse-Algorithmus, der die Lexeme flexionsmorphologischer Systeme <strong>in</strong> natürlichen<br />

Sprachen auf die Relation zwischen rückläufiger Ähnlichkeit und Flexionsgleichheit<br />

untersucht. Ergebnis des Verfahrens s<strong>in</strong>d kompakte rückläufige Wörterbücher mit detaillierten<br />

Flexionsangaben. Die Wörterbücher bilden e<strong>in</strong>e Schnittstelle zwischen Lexik und Grammatik,<br />

können normative Funktion übernehmen und Sprachlernern sowie Muttersprachlern<br />

und L<strong>in</strong>guisten als Nachschlagewerke dienen.<br />

Mit solchen Wörterbüchern kann zu jedwedem Zufallslexem e<strong>in</strong>er Sprache-Wortart-<br />

Komb<strong>in</strong>ation der genaue Flexionstyp ermittelt werden. In digitaler Form geschieht das mit<br />

e<strong>in</strong>em ebenfalls e<strong>in</strong>zelsprach- und wortartenunabhängigen Suchalgorithmus. Dieser führt<br />

e<strong>in</strong>e transparente, nachvollziehbare Suche nach e<strong>in</strong>em Musterlexem durch, deren Ergebnis<br />

explizit begründbar ist.<br />

49


Symposium 5<br />

Sascha S. Griffiths<br />

Interaktionsdesign: Grammatik, Lexikon und Weltwissen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dialogsystem<br />

Wörterbücher werden nicht nur <strong>in</strong> gedruckter Form für die Benutzung durch den menschlichen<br />

Endnutzer produziert, sondern auch <strong>in</strong> technologischen Kontexten für diverse Zwecke<br />

<strong>in</strong> der Sprachtechnologie e<strong>in</strong>gesetzt. Hierbei liegen sie <strong>in</strong> elektronischer Form vor. Dialogsysteme<br />

stellen e<strong>in</strong>e solche Anwendung dar, die natürlich-sprachliche Interaktionen mit Menschen<br />

betreiben kann.<br />

Der folgende Beitrag betrachtet das Thema Konstruktionen und Wörterbücher aus der Sicht<br />

der Computerl<strong>in</strong>guistik und Sprachtechnologie. Die theoretischen Implikationen e<strong>in</strong>er konkreten<br />

Anwendung, i.e. des CITEC Dialog-Demonstrators, werden vor dem H<strong>in</strong>tergrund der<br />

Frage, wie Lexik und Grammatik im System <strong>in</strong>teragieren, diskutiert. Wenn auch ke<strong>in</strong> expliziter<br />

Konstruktionsgrammatik-Ansatz im System vorliegt, so sche<strong>in</strong>t das vordef<strong>in</strong>ierte sprachliche<br />

Wissen doch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise def<strong>in</strong>iert, dass man es als „konstruktionenhaft“ <strong>in</strong>terpretieren<br />

könnte.<br />

Der CITEC Dialog-Demonstrator wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rezeptionisten-Szenario e<strong>in</strong>gesetzt. 1 Dabei<br />

fungiert e<strong>in</strong> Virtueller Agent als Ansprechpartner für Gäste e<strong>in</strong>es Forschungsgebäudes. Das<br />

Dialogmodel, das der sprachlichen Interaktion des Charakters V<strong>in</strong>ce <strong>in</strong> diesem Fall zu Grunde<br />

liegt, basiert auf den „Interaction Patterns“ von Peltason & Wrede (2010a, 2010b), bei<br />

denen das sprachliche Wissen auf Aussagenebene modelliert ist.<br />

Um nun e<strong>in</strong>en flüssigen Dialog zwischen V<strong>in</strong>ce und e<strong>in</strong>em Gast herstellen zu können, müssen<br />

variable Elemente <strong>in</strong> diese Aussagen e<strong>in</strong>gebaut werden können. Es müssen Elemente<br />

aus dem Wissen sowohl über das Gebäude als auch über die dar<strong>in</strong> arbeitenden Personen<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden können. Folglich müssen feststehende Aussagen mit Lexikone<strong>in</strong>trägen <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>klang gebracht werden.<br />

Die Erstellung des Dialogsystems und die erste Evaluationsstudie zeigen e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>teressante<br />

Aspekte h<strong>in</strong>sichtlich der Repräsentation von sprachlichem Wissen auf. Zunächst steht dabei<br />

der Aufbau des Systems <strong>in</strong>sofern im Vordergrund, als dass aufgezeigt werden muss, an welcher<br />

Stelle sprachliches Wissen wie def<strong>in</strong>iert ist – als Wörterbuch, Satzliste oder Grammatik.<br />

Dabei muss betrachtet werden, welche Elemente e<strong>in</strong>er Aussage variabel s<strong>in</strong>d und welche als<br />

feststehend <strong>in</strong>nerhalb des Dialogs zu behandeln s<strong>in</strong>d.<br />

Der Dialog selbst wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wizard-of-Oz-Szenario evaluiert, <strong>in</strong> dem das System von<br />

e<strong>in</strong>em Menschen gesteuert wird, jedoch vonseiten des Benutzers als autonom handelnd<br />

empfunden wird. Dadurch ist es möglich, Aussagen darüber zu treffen, welchen Effekt der<br />

Austausch von sprachlichen Elementen auf unterschiedlichsten Ebenen auf den Nutzer hat.<br />

Peltason, J. and B. Wrede (2010): Pam<strong>in</strong>i: A framework for assembl<strong>in</strong>g mixed-<strong>in</strong>itiative human-robot<br />

<strong>in</strong>teraction from generic <strong>in</strong>teraction patterns, SIGDIAL 2010 Conference, Tokyo,<br />

Japan, Association for Computational L<strong>in</strong>guistics.<br />

Peltason, J., and B. Wrede (2010): Model<strong>in</strong>g Human-Robot Interaction Based on Generic<br />

Interaction Patterns, AAAI Fall Symposium: Dialog with Robots, Arl<strong>in</strong>gton, VA, USA, AAAI<br />

Press.<br />

1 Das Szenario, <strong>in</strong> dem das Dialogsystem e<strong>in</strong>gesetzt wird, ist am Ende des CITEC „Situated Communication“<br />

Films zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=GOz_MsLel1Y<br />

50


Symposium 5<br />

Maria José Bocorny F<strong>in</strong>atto<br />

Brazilian Portuguese as a Foreign Language: On the Proposal of an On-L<strong>in</strong>e<br />

Dictionary<br />

This paper will present the under-construction proposal of a free on-l<strong>in</strong>e Brazilian Portuguese<br />

dictionary targeted towards learners of Portuguese as an additional language who are<br />

speakers of languages that are distantly related to Portuguese, such as German or Asian<br />

languages.<br />

As <strong>in</strong>itially planned, this will be a monol<strong>in</strong>gual dictionary (Brazilian Portuguese) which conta<strong>in</strong>s<br />

some auxiliary notes <strong>in</strong> English. All the entries, def<strong>in</strong><strong>in</strong>g paraphrases, notes, examples,<br />

and other <strong>in</strong>formation will be written <strong>in</strong> a simplified pattern of language bear<strong>in</strong>g <strong>in</strong> m<strong>in</strong>d the<br />

needs of speakers of languages that are distantly related to Portuguese. The language pattern<br />

used <strong>in</strong> the dictionary stems from the written language used <strong>in</strong> contemporary newspapers<br />

s<strong>in</strong>ce we had as our sources various corpora data from Brazilian newspapers which are<br />

available on-l<strong>in</strong>e. Among those sources, we would like to draw attention to the use of a corpus<br />

composed by texts from a popular newspaper, which, <strong>in</strong> theory, br<strong>in</strong>gs out more accessible<br />

language s<strong>in</strong>ce it is aimed at a public of readers who have a lower level of formal education.<br />

Another important facts to be considered <strong>in</strong> the construction of the dictionary are: a) <strong>in</strong>formation<br />

on collocations or phraseology; b) the use of a def<strong>in</strong><strong>in</strong>g vocabulary (DV), which will<br />

determ<strong>in</strong>e the vocabulary to be used <strong>in</strong> the writ<strong>in</strong>g of the def<strong>in</strong>itions, bear<strong>in</strong>g <strong>in</strong> m<strong>in</strong>d that this<br />

is a monol<strong>in</strong>gual work and its users, who are speakers of languages that are distantly related<br />

to Portuguese, have a level of knowledge of Portuguese that can be ranked between Upper-<br />

Basic and Intermediate level. However, at least <strong>in</strong> Brazil, there is no lexicological research<br />

that could help us delimitate the features of such a vocabulary. In spite of that, as one stage<br />

<strong>in</strong> the dictionary production, we implemented an exploratory work <strong>in</strong> order to identify the<br />

range and configuration of this DV; this step will be shown later <strong>in</strong> further details. Based on<br />

the subsequent prelim<strong>in</strong>ary DV chart, composed of words that are of easier understand<strong>in</strong>g to<br />

our target users, we will present a critical review of one pilot entry that is already available <strong>in</strong><br />

terms of the adequacy of the language used.<br />

Once we have concisely determ<strong>in</strong>ed the general outl<strong>in</strong>e of our proposal, the present article<br />

will have the follow<strong>in</strong>g organization: 1) Brief literature review of: a) qualification of levels of<br />

proficiency <strong>in</strong> Brazilian Portuguese language; b) closely and distantly related languages; c)<br />

learner`s monol<strong>in</strong>gual dictionaries for speakers of foreign languages that use DV; d) treatment<br />

of collocations or phraseologies <strong>in</strong> this k<strong>in</strong>d of dictionary; 2) presentation of the proposal<br />

of macro and micro structures for a Brazilian Portuguese dictionary for foreign learners;<br />

3) presentation of the exploratory study <strong>in</strong> order to obta<strong>in</strong> a DV chart; 4) critical review of one<br />

exist<strong>in</strong>g entry consider<strong>in</strong>g the aforementioned chart; 5) f<strong>in</strong>al considerations and perspectives<br />

for the development of the dictionary.<br />

51


Symposium 6<br />

Oskar Reichmann<br />

Historische Lexikographie als Grundlagenwissenschaft der Geschichtsforschung<br />

Fasst man das Lexikon e<strong>in</strong>er Sprache als historisch begründetes, sozial hochgradig ausdifferenziertes<br />

System von Zeichen auf, die zum Zweck von Bedeutung da s<strong>in</strong>d, d.h. die Darstellung,<br />

Kognition, Kommunikation, Beziehungsgestaltung und wechselseitige Kennzeichnung<br />

(usw.) ermöglichen, dann ist eben dieses Lexikon neben Syntax und Textlichkeit e<strong>in</strong>er der<br />

drei fundamentalen Pfeiler jeder Sprachwissenschaft. Dabei gilt es zwei Leistungen besonders<br />

hervorzuheben: Es gibt – und das ist e<strong>in</strong>e methodische Aussage – ke<strong>in</strong>e Bezugsgegenstände,<br />

auf die man nicht mittels lexikalischer E<strong>in</strong>heiten Bezug nehmen müsste; und es gibt<br />

– das ist e<strong>in</strong>e theoretische Aussage – ke<strong>in</strong>e Bezugsgegenstände, -sachverhalte, Beziehungsverhältnisse,<br />

die nicht im Lexikon e<strong>in</strong>er Sprache, Sprachvarietät, Textgruppe, e<strong>in</strong>es<br />

E<strong>in</strong>zeltextes <strong>in</strong> je besonderer, e<strong>in</strong>maliger bis kollektiver, damit kulturspezifischer Weise konstituiert<br />

wären. Dies hebt die Rolle der Lexikographie über den Rahmen l<strong>in</strong>guistischer Erkenntnis<br />

und Beschreibung weit h<strong>in</strong>aus. Lexikographie, verstanden als Bedeutungswissenschaft,<br />

ist Grundlagenwissenschaft für alle Diszipl<strong>in</strong>en, deren Gegenstände man sprachlich<br />

im S<strong>in</strong>ne von bloßer ‚Bezeichnung‘ vermittelt; und sie ist Grundlagenwissenschaft für alle<br />

Diszipl<strong>in</strong>en, deren ‚Gegenstände’ sprachlich verfasst s<strong>in</strong>d und die nur <strong>in</strong> wiederum sprachlich<br />

verfasster Weise, nämlich als ihrerseits kulturspezifische Konstitute von Realität vermittelbar<br />

s<strong>in</strong>d. Diese Leitl<strong>in</strong>ie des Vortrages verb<strong>in</strong>det sich mit der l<strong>in</strong>guistischen Frage: Welche Eigenschaften<br />

haben lexikalische E<strong>in</strong>heiten/E<strong>in</strong>heitentypen, <strong>in</strong> denen sich das genannte Funktionsspektrum<br />

des Lexikons realisiert? Welche Informationspositionen sollten Wörterbücher<br />

haben, damit sie der Bedeutungsleistung des Lexikons gerecht werden?<br />

52


Symposium 6<br />

Volker Harm<br />

Historische Lexikographie zwischen Tradition und Innovation – Impulsvortrag<br />

Die Lage der gegenwärtigen Lexikographie des Deutschen ist durch e<strong>in</strong>e auffallende Gleichzeitigkeit<br />

des Ungleichzeitigen gekennzeichnet: Zum e<strong>in</strong>en werden <strong>in</strong> lexikographischen<br />

Langfristprojekten Programme abgearbeitet, die den klassischen sprachhistorischen Forschungs<strong>in</strong>teressen<br />

verpflichtet s<strong>in</strong>d und deren Konzeption zum Teil weit <strong>in</strong> das vergangene<br />

Jahrhundert zurückreicht. Parallel hierzu s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten Jahren zahlreiche Projekte begründet<br />

worden, die neue methodische Zugänge zu sprachhistorischen Gegenständen suchen<br />

(Diskurswörterbücher, historische Wortfamilienwörterbücher, Varietätenwörterbücher<br />

und anderes mehr). In dem Vortrag soll zunächst das Spannungsverhältnis zwischen traditionellen<br />

und methodisch <strong>in</strong>novativen Projekten beschrieben werden. Sodann soll vor allem<br />

versucht werden, die künftigen Aufgabenfelder der historischen Lexikographie im Kontext<br />

e<strong>in</strong>es sich wandelnden kulturellen und fachwissenschaftlichen Umfelds zu umreißen.<br />

53


Symposium 6<br />

Wolf Peter Kle<strong>in</strong><br />

Zur Lexikographie der frühen deutschen Wissenschaftssprachen<br />

Wenn man die seit dem 17. Jahrhundert allmählich entstehenden deutschen Wissenschaftssprachen<br />

lexikographisch erfassen will, stellen sich aus verschiedenen Gründen ganz spezielle<br />

Probleme. Sie hängen vor allem mit dem zunächst recht ungefestigten Charakter dieser<br />

Sprachvarietäten zusammen, außerdem mit ihrem spannungsreichen Verhältnis zu den e<strong>in</strong>schlägigen<br />

late<strong>in</strong>ischen Vorgaben. Systematisch gesprochen lässt sich die besondere Existenzform<br />

dieser Sprachen wie folgt umreißen: Sowohl ausdrucksseitig als auch <strong>in</strong>haltsseitig<br />

s<strong>in</strong>d die frühen deutschen Wissenschaftssprachen durch relativ große Instabilität gekennzeichnet.<br />

Dies manifestiert sich z.B. <strong>in</strong> dem Umstand, dass zu vielen frühen Term<strong>in</strong>i Varianten<br />

und Doppelformen existierten und gleichzeitig die Bedeutung der Term<strong>in</strong>i vergleichsweise<br />

unscharf und sehr kontext- und sogar autorabhängig war. Die lexikographische Erfassung<br />

der frühen Fachwortschätze muss versuchen diese Schwankungen und ihre H<strong>in</strong>tergründe<br />

angemessen zu dokumentieren, um damit auch die spätere Herausbildung stabiler, schwankungsloser<br />

Wissenschaftslexik und die dabei wirkenden Selektionspr<strong>in</strong>zipien zu verstehen.<br />

E<strong>in</strong> traditionelles Wörterbuch ist für diese Aufgabe weniger gut geeignet, weil es durch se<strong>in</strong>e<br />

pure Existenz e<strong>in</strong>e Stabilität suggeriert, die im Frühstadium der deutschen Wissenschaftssprachen<br />

faktisch noch nicht bestand. Zu diesem Zweck können allerd<strong>in</strong>gs die modernen<br />

digitalen Möglichkeiten der Sprach- und Wissensdokumentation herangezogen werden.<br />

Durch die verschiedenen Möglichkeiten der Verl<strong>in</strong>kung und Vernetzung von Term<strong>in</strong>i,<br />

Wissensbeständen und Bilddokumenten ist es pr<strong>in</strong>zipiell möglich, die große Schwankungsbreite<br />

der frühen deutschen Wissenschaftssprachen angemessen zu dokumentieren und für<br />

die Fachwelt und die <strong>in</strong>teressierte Öffentlichkeit verfügbar zu machen. In diesem S<strong>in</strong>ne soll<br />

im Vortrag im Rahmen e<strong>in</strong>er kurzen Projektskizze die lexikographische Weiterentwicklung<br />

e<strong>in</strong>er Plattform zur Erforschung der frühneuzeitlichen Wissenschaftssprachen vorgestellt<br />

werden, auf der bisher lediglich die e<strong>in</strong>schlägigen digitalen Texte gesammelt und systematisch<br />

verfügbar gemacht werden, vgl.: http://www.fachtexte.germanistik.uni-wuerzburg.de/.<br />

Literatur:<br />

Kle<strong>in</strong>, W.P.: Die deutsche Sprache <strong>in</strong> der Gelehrsamkeit der frühen Neuzeit. Von der l<strong>in</strong>gua<br />

barbarica zur HaubtSprache. In: Jaumann, Herbert (Hg.): Diskurse der Gelehrtenkultur <strong>in</strong><br />

der Frühen Neuzeit. E<strong>in</strong> Handbuch. Berl<strong>in</strong>/New York 2011, S. 465–516.<br />

Kle<strong>in</strong>, W.P.: Deutsch statt Late<strong>in</strong>! Zur Entwicklung der Wissenschaftssprachen <strong>in</strong> der frühen<br />

Neuzeit. In: E<strong>in</strong>s, Wieland/Glück, Helmut/Pretscher, Sab<strong>in</strong>e (Hg.): Wissen schaffen – Wissen<br />

kommunizieren. Wissenschaftssprache <strong>in</strong> Geschichte und Gegenwart. Wiesbaden<br />

2011, S. 35–47.<br />

54


Symposium 6<br />

Anja Lobenste<strong>in</strong>-Reichmann<br />

Historischer Wortschatz: Text-/Autorenwörterbücher<br />

Versteht man Text-, speziell Autorenwörterbücher als e<strong>in</strong>e neben den languebezogenen<br />

Werken herausragende Abteilung historischer Lexikographie, dann verwundert es, dass es<br />

im Deutschen zwar immer wieder Bemühungen um die Erstellung e<strong>in</strong>es Wörterbuches der<br />

im Geschichtsbewusstse<strong>in</strong> zentralen großen Gestalten/Werke deutscher Sprache gibt (z.B.<br />

zu Wolfram, Luther, Goethe, Kant, Marx bzw. zum M<strong>in</strong>nesang, zur Mystik, zur deutschen<br />

Klassik, zur Philosophie der Aufklärung, zum bürgerlichen Trauerspiel, zu den historischen<br />

Fachsprachen), dass diese Bemühungen aber mehr noch als diejenigen der Langue-, speziell<br />

etwa der Sprachstadienlexikographie nicht gerade von Erfolg gekrönt waren. Entsprechendes<br />

gilt für weitere Sprachen, etwa das Niederländische und Englische. Der Vorschlag<br />

konzentriert sich auf die Specifica der Text-/Autorenlexikographie gegenüber der Languelexikographie,<br />

auf ihren kulturpädagogischen Zweck, auf Gestaltungsfragen (speziell auf die<br />

Lemmaauswahl, die Bedeutungserläuterung, die Belegung). E<strong>in</strong> Inhaltspunkt betrifft die Frage,<br />

welchen Beitrag die literarische, philosophische, theologische, technische usw. Höhenkammliteratur<br />

zur Geschichte der deutschen Hoch-, Schriftsprache (nicht Standardsprache)<br />

<strong>in</strong> ihrem lexikalischen Kern, der Bildungs-/Kulturwortschatz, geliefert hat und wie dieser Beitrag<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wörterbuch beschrieben werden könnte.<br />

55


Symposium 6<br />

Stefan Thim<br />

Historische Lexikographie des Englischen<br />

Der Vortrag bietet e<strong>in</strong>en kurzen Überblick über Stand und Perspektiven der gegenwärtigen<br />

historischen Lexikographie des Englischen. Bekanntlich s<strong>in</strong>d die historischen Varietäten des<br />

Englischen lexikographisch ausgesprochen umfangreich dokumentiert (vgl. Cowie 2009,<br />

Béjo<strong>in</strong>t 2010 und Thim 2011), so dass e<strong>in</strong>e Beschränkung auf die kurze Darstellung e<strong>in</strong>iger<br />

zentraler Wörterbücher und die Vorstellung der wichtigsten aktuellen Projekte nötig se<strong>in</strong> wird.<br />

Dazu gehören das Oxford English Dictionary, dessen e<strong>in</strong>igermaßen problematische zweite<br />

Auflage, die seit e<strong>in</strong>igen Jahren auch <strong>in</strong> verschiedenen elektronischen Versionen verfügbar<br />

ist, seit 2000 zur ausschließlich onl<strong>in</strong>e verfügbaren dritten Auflage überarbeitet wird, aber<br />

auch Projekte wie das vor zehn Jahren abgeschlossene Middle English Dictionary oder das<br />

seit über dreissig Jahren entstehende Dictionary of Old English. Im Zusammenhang damit<br />

sollen auch der Thesaurus of Old English (1995) und der Historical Thesaurus of the Oxford<br />

English Dictionary (2009) kurz vorgestellt werden. E<strong>in</strong> zentrales Merkmal der gegenwärtigen<br />

Situation ist e<strong>in</strong>erseits die Digitalisierung dieser Projekte auf hohem Niveau, anderseits auch<br />

ihre zunehmende Verflechtung über hotl<strong>in</strong>ks u.ä. Wie sich zeigen wird, ist diese an sich erfreuliche<br />

Entwicklung nicht ohne gewisse Nachteile.<br />

Weiterh<strong>in</strong> werden e<strong>in</strong>ige Desiderate der englischen historischen Lexikographie kurz anzusprechen<br />

se<strong>in</strong>, so z.B. die Abwesenheit e<strong>in</strong>es umfangreichen frühneuenglischen Wörterbuches<br />

oder die durchweg veralteten etymologischen Wörterbücher, aber auch e<strong>in</strong>ige<br />

Schwachstellen der großen Projekte. Abschließend möchte ich noch e<strong>in</strong>en kurzen Blick auf<br />

die vielen historischen Wörterbücher regionaler und nationaler Varietäten des Englischen<br />

werfen (z.B. das Dictionary of Canadianisms on Historical Pr<strong>in</strong>ciples, das Dictionary of American<br />

Regional English oder das Dictionary of the Older Scottish Tongue), <strong>in</strong> deren Entstehung<br />

sich sowohl wissenschaftliche als auch kulturelle Entwicklungen <strong>in</strong> besonderer Weise<br />

widerspiegeln.<br />

Literatur:<br />

Béjo<strong>in</strong>t, Henri. 2010. The Lexicography of English: From Orig<strong>in</strong>s to Present. Oxford: Oxford<br />

University Press.<br />

Cowie, A. P. (ed.). 2009. The Oxford History of English Lexicography (vol. 1: General Purpose<br />

Dictionaries, vol. 2: Specialized Dictionaries). Oxford: Clarendon Press.<br />

Thim, Stefan. 2011. Historical Dictionaries of English. Lexicographica 27. 63–99.<br />

56


Symposium 6<br />

Thomas Städtler<br />

Die historische Lexikographie des Französischen am Beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhunderts<br />

Die historische Lexikographie leistet e<strong>in</strong>en zentralen Beitrag zur Erforschung der kulturellen<br />

Grundlagen Europas und somit zu e<strong>in</strong>em besseren Verstehen unserer gegenwärtigen Lebenswelt,<br />

<strong>in</strong>dem sie den Wortschatz als Schlüssel zum kulturellen Gedächtnis Europas begreift<br />

und auf diese Weise zur ganzheitlichen Integration historisch-kulturellen Wissens beiträgt.<br />

Das Altfranzösische ersche<strong>in</strong>t aufgrund se<strong>in</strong>er zentralen Bedeutung für das europäische<br />

Mittelalter als Dreh- und Angelpunkt e<strong>in</strong>es solchen Forschungsansatzes besonders<br />

geeignet.<br />

Es existieren bereits Wörterbücher zum Altfranzösischen, die jedoch nach wissenschaftlichen<br />

Kriterien deutlich veraltet s<strong>in</strong>d (J. B. de la Curne de Sa<strong>in</strong>te-Palaye [1697–1781], Dictionnaire<br />

historique de l’ancien langage françois ou Glossaire de la langue françoise, 10<br />

Bde., Niort/Paris 1875–1882; F. Godefroy [1826–1897], Dictionnaire de l’ancienne langue<br />

française et de tous ses dialectes du IX e au XV e siècle, 10 Bde., Paris 1880–1902) bzw. die<br />

altfranzösische Literatur nicht umfassend und nicht primär unter l<strong>in</strong>guistischen Gesichtspunkten<br />

bearbeitet haben (A. Tobler [1835–1910]/E. Lommatzsch [1886–1975], Altfranzösisches<br />

Wörterbuch, Bde. 1–10, Berl<strong>in</strong>/Wiesbaden, seit 1925). Das Französische Etymologische<br />

Wörterbuch (W. von Wartburg [1888–1971], Französisches Etymologisches Wörterbuch.<br />

E<strong>in</strong>e darstellung des galloromanischen sprachschatzes, Bonn/Heidelberg/Leipzig-Berl<strong>in</strong>/<br />

Basel, seit 1922) behandelte das Altfranzösische, zumal <strong>in</strong> den ersten Bänden, zumeist rudimentär<br />

sowie ohne philologische Perspektive und ohne Textbelege. Nach wie vor besteht<br />

das Desideratum der Erfassung und Erklärung des gesamten altfranzösischen Wortschatzes<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>es modernen wissenschaftlichen Projekts.<br />

Der Dictionnaire étymologique de l’ancien français (DEAF), e<strong>in</strong> Langzeitprojekt der Heidelberger<br />

Akademie der Wissenschaften, versucht seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts<br />

diese Lücke zu schließen. Seit e<strong>in</strong>igen Jahren wird das Wörterbuch mit Hilfe e<strong>in</strong>es<br />

computergestützten Redaktionssystems erarbeitet und wird neben der gedruckten Version<br />

auch onl<strong>in</strong>e publiziert. Aus wissenschaftspolitischen Überlegungen heraus wurde vor kurzer<br />

Zeit das Laufzeitende des Projekts für das Jahr 2017 festgelegt, womit das Ende der wissenschaftlichen<br />

historischen Lexikographie des Französischen festgeschrieben wurde, ohne<br />

dass das Wörterbuch bis dah<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em wünschenswerten Abschluss gekommen se<strong>in</strong> wird.<br />

E<strong>in</strong> Blick auf themenverwandte Kle<strong>in</strong>projekte <strong>in</strong> Franreich zeigt, dass sie das enstehende<br />

Vakuum nicht werden füllen können.<br />

57


Symposium 6<br />

Tanneke H. Schoonheim<br />

Historical Dictionaries of Dutch<br />

After the completion of the Oudnederlands Woordenboek (ONW; Old Dutch Dictionary) <strong>in</strong><br />

2008, the Dutch language is described <strong>in</strong> four major historical dictionaries. Together these<br />

dictionaries cover a period of fifteen centuries, from the beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g of the 6th to the end of the<br />

20th Century. The ONW covers the period from ca. 500 until 1200, the Vroegmiddelnederlands<br />

Woordenboek (VMNW; Early Middle Dutch Dictionary) covers the 13th Century, the<br />

Middelnederlandsch Woordenboek (MNW; Middle Dutch Dictionary) the period between ca.<br />

1250 and ca. 1550 and the Woordenboek der Nederlandsche Taal (WNT; Dictionary of the<br />

Dutch Language) the period between ca. 1550 and 1976.<br />

Although these dictionaries were made at different times (ONW 2008; VMNW 2000; WNT<br />

1865–1998; MNW 1892–1952) and with a different approach to lexicographical standards,<br />

INL has managed to br<strong>in</strong>g them together <strong>in</strong> the onl<strong>in</strong>e dictionary application Historische<br />

Woordenboeken van het Nederlands onl<strong>in</strong>e (http://gtb.<strong>in</strong>l.nl; Historical Dictionaries of Dutch<br />

Onl<strong>in</strong>e). This application allows users to consult each dictionary on its own (stand-alone), but<br />

it also allows them to consult two or more dictionaries simultaneously. Us<strong>in</strong>g the numerous<br />

search possibilities available, <strong>in</strong>formation can be retrieved up to the t<strong>in</strong>iest detail conta<strong>in</strong>ed <strong>in</strong><br />

each entry. This enables the study of Dutch words through a period of time regardless of<br />

which dictionary actually conta<strong>in</strong>s the <strong>in</strong>formation.<br />

However nice this might be, it is obvious that we are still deal<strong>in</strong>g with four different dictionaries<br />

with their own peculiarities, which makes it difficult to do research on the development of<br />

words smoothly through time. Therefore, it would be a big step forward if we were able to<br />

add state of the art entries to the current application, that offer the user an overall survey of<br />

the development of words from their <strong>in</strong>ception onwards. Already there has been some research<br />

undertaken on this and the first results look very promis<strong>in</strong>g.<br />

58


Symposium 6<br />

Jochen A. Bär<br />

Zentralbegriffe der klassisch-romantischen »Kunstperiode« (1760–1840). Wörterbuch<br />

zur Literatur- und Kunstreflexion der Goethezeit<br />

Die Zentralbegriffe der klassisch-romantischen „Kunstperiode“ (ZBK) s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> begriffshistorisches<br />

Nachschlagewerk zum literatur- und kunsttheoretischen Diskurs der Goethezeit. Das<br />

Werk eröffnet e<strong>in</strong>en Zugang zum Gedankenkosmos e<strong>in</strong>er der bedeutendsten Epochen der<br />

deutschen Geistesgeschichte. Geplant s<strong>in</strong>d zwei Teile:<br />

• e<strong>in</strong> lexikographischer Teil mit Artikeln zu wichtigen Wörtern der literatur- und kunsttheoretischen<br />

Reflexion der Zeit und<br />

• e<strong>in</strong> im engeren S<strong>in</strong>ne begriffshistorischer, d.h. e<strong>in</strong>zelwortübergreifender Teil, der <strong>in</strong> enzyklopädisch<br />

angelegten Überblicksdarstellungen die semantischen Strukturen zentraler<br />

Wortfelder beschreibt.<br />

Vorgestellt werden das Quellenkorpus – über 400 deutschsprachige Autor<strong>in</strong>nen und Autoren<br />

der Zeit zwischen 1760 und 1840 mit mehr als 66.000 E<strong>in</strong>zeltexten (über 400.000 Druckseiten,<br />

ca. 100 Mio. laufende Wortformen) –, die lexikographische Methode – relationale Semantik<br />

–, die Struktur der Artikel sowie erste Arbeitsergebnisse (am Beispiel der Probeartikel<br />

klassisch und romantisch).<br />

59


Symposium 6<br />

Oskar Reichmann<br />

Semantische Europäismen<br />

Die Sprachen Europas werden <strong>in</strong>folge der historisch-genetischen Sicht der Sprachwissenschaft<br />

seit der Romantik gerne als Verzweigungsl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>er Ursprache – welchen genauen<br />

Status auch immer – verstanden und l<strong>in</strong>guistisch entsprechend beschrieben. Das Schwergewicht<br />

der Forschung liegt demzufolge auf der Ausdrucksseite der Sprache, selbst des Lexikons,<br />

auf der bis zu Konstanzvorstellungen reichenden Ungebrochenheit der Wortgeschichte,<br />

folglich auf e<strong>in</strong>er der historisch-genetischen Sprachwissenschaft <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sischen Reserve<br />

gegen das Fremdwort, und – nochmals folglich – auf der leichten Instrumentalisierbarkeit<br />

des alten Denkmodells für nationalkulturelle Zwecke. Die Gestaltung/Gliederung des<br />

Bedeutungsspektrums lexikalischer E<strong>in</strong>heiten, wie sie etwa im Frühneuhochdeutschen Wörterbuch<br />

erfolgt, zeigt nun, dass die Gesamtheit der E<strong>in</strong>zelbedeutungen (Sememe), die man<br />

e<strong>in</strong>em Wort zuschreibt, <strong>in</strong>nere Bezüge aufweist, die nicht genetisch erklärbar s<strong>in</strong>d: Lexikalische<br />

E<strong>in</strong>heiten des Deutschen, etwa Haus oder Arbeit, zeigen <strong>in</strong> anderen europäischen<br />

Sprachen e<strong>in</strong> mehr oder weniger vergleichbares Bedeutungsfeld, und zwar erstens über genetische<br />

Unterschiede – etwa slav. dom, dt./nl./engl. Haus (o.ä.), rom. casa h<strong>in</strong>weg, zweitens<br />

über die <strong>in</strong>nereuropäischen genetischen Verwandtschaftsverhältnisse h<strong>in</strong>weg. E<strong>in</strong> nl. Bedeutungsspektrum<br />

ist <strong>in</strong> vielen Fällen stärker von e<strong>in</strong>em dt. unterschieden als e<strong>in</strong> tschech. (also<br />

e<strong>in</strong> satemsprachliches) oder sogar als e<strong>in</strong> ung. (also e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>nougrisches). Als Erklärung dieser<br />

Ähnlichkeitsverhältnisse (ich nenne sie semantisch-lexikalische Europäismen) kann nur<br />

Kulturgeschichte, speziell die europäische Literaturklammer seit der Antike, herangezogen<br />

werden. Es gibt offensichtlich e<strong>in</strong> durch die kulturelle Überlieferung bestimmtes europäisches<br />

Bild- und Assoziationsgeflecht als Folie der Europäismen. Daraus folgt die Idee e<strong>in</strong>es europäischen<br />

Wörterbuches mit dem Ziel der Herausstellung semantischer Ähnlichkeiten, der<br />

Reduzierung des Fremdwortskepsis usw. Dieses Wörterbuch passt <strong>in</strong> die Zeit e<strong>in</strong>er europäischen<br />

Nationsbildung. Im übrigen unterliegt die Idee e<strong>in</strong>er ganzen Anzahl schwerwiegender<br />

theoretischer und praktischer Bedenken.<br />

60


Symposium 6<br />

Alexander Geyken<br />

Aufbau e<strong>in</strong>es historischen Referenzkorpus (1650–1900) und dessen Integration <strong>in</strong> das<br />

Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache<br />

Ziel des von der DFG seit 2007 geförderten Projekts Deutsches Textarchiv (DTA) ist der<br />

Aufbau e<strong>in</strong>es qualitativ hochwertigen und diszipl<strong>in</strong>enübergreifenden Referenzkorpus<br />

deutschsprachiger Texte aus der Zeit von 1650 bis 1900. Das Korpus wird aus zwei Quellen<br />

gespeist: den aus Eigenmitteln erstellten Bestandteil von derzeit (Stand März <strong>2012</strong>) etwa 50<br />

Millionen Textwörtern und e<strong>in</strong>em m<strong>in</strong>destens ebenso großen Anteil externer Texte, die durch<br />

Kooperationen <strong>in</strong> das DTA aufgenommen werden können. Besonderheiten aller Texte des<br />

DTA s<strong>in</strong>d: Text/Bild-Verknüpfung, standardkonforme Annotierung der Texte gemäß der im<br />

Clar<strong>in</strong>-Projekt genutzten Standards. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d alle Texte lemmatisiert und durchsuchbar.<br />

Das Referenzkorpus wird der Ausgangspunkt für die historische Komponente des Digitalen<br />

Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS) für den Zeitraum von 1650–1900 se<strong>in</strong>. Verschiedene<br />

Software-Werkzeuge wie die Lemmatisierung historischer Formen, die automatische<br />

Extraktion von Kookurrenzen zur Beschreibung syntagmatischer Relationen sowie e<strong>in</strong><br />

Modul zum Auff<strong>in</strong>den guter Belege erleichtern die lexikographische Arbeit.<br />

Das Informationsprogramm des Wörterbuchs orientiert sich an vier Leitl<strong>in</strong>ien:<br />

a) Die Wörterbuchartikel zusammengenommen sollen e<strong>in</strong> digitales lexikalisches System<br />

<strong>in</strong> der Weise ergeben, dass die verschiedenen Informationstypen mite<strong>in</strong>ander vernetzt<br />

und damit aufe<strong>in</strong>ander beziehbar s<strong>in</strong>d. Der Wörterbuchartikel ist somit ke<strong>in</strong> l<strong>in</strong>earer Fließtext,<br />

sondern besteht aus <strong>in</strong> sich verständlichen Teiltexten, bei dem die jeweiligen Informationstypen<br />

explizit strukturiert und annotiert s<strong>in</strong>d. Durch die Vergabe von expliziten<br />

Annotationen und Verweisen steigt der Vernetzungsgrad <strong>in</strong> Bezug auf die Paradigmatik<br />

und der Syntagmatik des Wortschatzes auf allen Ebenen der Artikelstruktur. Neben der<br />

Durchsuchbarkeit aller Angabetypen wird e<strong>in</strong>e systematische Rückb<strong>in</strong>dung auf andere<br />

Informationsebenen des DLS möglich, <strong>in</strong>sbesondere werden Beleg- und Frequenzangaben<br />

an den im DWDS genutzten Korpora nachprüfbar.<br />

b) Die Neuartikel sollen Erkenntnisse der modernen wissenschaftlichen Lexikographie<br />

berücksichtigen und <strong>in</strong>tegrieren und so Ergebnisse sprachwissenschaftlicher Untersuchungen<br />

nutzen. Dazu zählen <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>e systematische Vorgehensweise bei der<br />

Ausarbeitung der Syntagmatik (Kollokationen, Beschreibung von Funktionsverbgefügen)<br />

und der Paradigmatik des Wortschatzes (lexikalisch-semantische Relationen, Wortbildung).<br />

Ergebnisse der sprachwissenschaftlichen Forschung können der modernen Lexikographie<br />

Impulse geben, wie bei der Beschreibung der Lexikalisierung von Partizipien.<br />

c) Das Informationsprogramm soll nicht nur gegenwartssprachliche lexikographische Aspekte<br />

modellieren, sondern auch ermöglichen, dass synchrone Wörterbuchartikel mit historischer<br />

Tiefe erstellt werden können.<br />

d) Das Informationsprogramm soll über die für Wörter der gegenwärtigen Standardsprache<br />

üblichen Angaben verfügen (z.B. Angaben zur Rechtschreibung und zur Aussprache).<br />

Literatur:<br />

Kle<strong>in</strong>, Wolfgang/Geyken, Alexander (2010): Das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache<br />

(DWDS). In: Heid, Ulrich/Schierholz, Stefan/Schweickard, Wolfgang/Wiegand, Herbert<br />

Ernst/Gouws, Rufus H./Wolski, Werner (Hg.): Lexikographica. Berl<strong>in</strong>/New York, S. 79–93.<br />

www.deutschestextarchiv.de<br />

www.dwds.de<br />

61


Symposium 7<br />

Robert Lew<br />

User-generated content (UGC) <strong>in</strong> onl<strong>in</strong>e dictionaries for learners of English<br />

In what is referred to as Web 2.0 — the next <strong>in</strong>teractive stage <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternet experience — web<br />

users are no longer passive recipients of packaged content. Increas<strong>in</strong>gly, users actively contribute<br />

to the creation and provision of self-made content. This means also that their social<br />

roles become blurred. In the context of onl<strong>in</strong>e lexicography, the tendency translates <strong>in</strong>to dictionary<br />

users becom<strong>in</strong>g home-grown lexicographers.<br />

While a UGC-driven model, perhaps best known from Wikipedia, has been a resound<strong>in</strong>g<br />

success <strong>in</strong> terms of encyclopedic content (factual data), it does not seem to translate well<br />

<strong>in</strong>to lexicographic endeavours, such as Wiktionary. Wikipedia revolves on the pr<strong>in</strong>ciple that<br />

somewhere out there <strong>in</strong> the world there are experts on every little bit of knowledge will<strong>in</strong>g to<br />

give of their time to freely share their expertise with other people. While this model works<br />

surpris<strong>in</strong>gly well for the report<strong>in</strong>g of encyclopedic facts, it is much less robust when it comes<br />

to the job of describ<strong>in</strong>g words and expressions of a language: their mean<strong>in</strong>g, pronunciation,<br />

morphology, syntax, word comb<strong>in</strong>ation (collocation and colligation), and usage. To put it<br />

simply, while it makes good sense that somewhere out there there is an expert on a piece of<br />

specialized knowledge (say, a rare species of nettle) who is will<strong>in</strong>g to share their expertise<br />

with the world, there is normally no such expert on the mean<strong>in</strong>gs of a particular everyday<br />

word (say, the word field), who would be capable of teas<strong>in</strong>g apart the senses and provid<strong>in</strong>g a<br />

nuanced treatment of the many comb<strong>in</strong>ations and uses of the word. Rather, we could say<br />

that there are too many self-proclaimed language experts with a will<strong>in</strong>gness to share, but<br />

their best efforts cannot match the output of professional, tra<strong>in</strong>ed lexicographers. This is because<br />

the quality of lexicographic description heavily depends on a good grasp of lexicographic<br />

pr<strong>in</strong>ciples, procedures, and tools of the trade (such as skilled use of corpus data or<br />

structural markup). This is the situation for general language, though th<strong>in</strong>gs do get a bit more<br />

blurred at the <strong>in</strong>terface of encyclopedic and l<strong>in</strong>guistic description: specialized vocabulary and<br />

term<strong>in</strong>ology.<br />

Of the few prestigious onl<strong>in</strong>e dictionaries for learners of English, Macmillan English Dictionary<br />

has been the boldest <strong>in</strong> embrac<strong>in</strong>g the UCG model: the dictionary site <strong>in</strong>vites users to<br />

contribute entries to what it calls “Open Dictionary”. Presumably, the publisher believes <strong>in</strong> the<br />

importance of the sense of community generated through users be<strong>in</strong>g given a chance to, on<br />

the one hand, contribute their own entries, and, on the other hand, read entries edited by<br />

their peers. In this way, casual dictionary users may become more mean<strong>in</strong>gfully (pun <strong>in</strong>tended)<br />

<strong>in</strong>volved.<br />

Dictionaries also experiment with user-generated content available elsewhere. A prime example<br />

of this is Wordnik (www.wordnik.com), which relies very heavily on citations from Twitter<br />

and images from Flickr.<br />

In my contribution to the Symposium, I hope to discuss the potential and dangers of us<strong>in</strong>g<br />

and reus<strong>in</strong>g user-generated content and issues of quality control, with numerous illustrations<br />

from current onl<strong>in</strong>e dictionaries of English.<br />

62


Symposium 7<br />

Katr<strong>in</strong> Thier<br />

Das Oxford English Dictionary onl<strong>in</strong>e und se<strong>in</strong>e Benutzer<br />

Das Oxford English Dictionary onl<strong>in</strong>e ist seit 2000 im Internet zugänglich. Es enthielt ursprünglich<br />

den gesamten Text der 2. Ausgabe des OED von 1989 und erstes revidiertes<br />

Material. Seitdem werden vierteljährlich Datenblöcke mit neuem und revidiertem Material<br />

geladen. Zunächst wurde bestehendes Material <strong>in</strong> alphabetischer Reihenfolge revidiert (angefangen<br />

mit M); aktuelle und wichtige neue E<strong>in</strong>träge kamen von Anfang an aus allen Teilen<br />

des Alphabets. Seit 2008 wird auch <strong>in</strong> immer stärkerem Maß bestehendes Material aus anderen<br />

Teilen des Alphabets revidiert. Diese Wortgruppen werden nach mehreren Kriterien<br />

ausgewählt, unter anderem kann wichtig se<strong>in</strong>, wie häufig sie nachgeschlagen werden.<br />

Schon seit se<strong>in</strong>en Anfängen im 19. Jahrhundert nimmt das OED (damals New English Dictionary)<br />

die freiwillige Hilfe der Öffentlichkeit <strong>in</strong> Anspruch. Damals wurden vor allem Zitate<br />

aus verschiedenen Texten e<strong>in</strong>schickt; das war oft die effektivste Art, Daten zu f<strong>in</strong>den. Doch<br />

auch heute, im Zeitalter der Datenbanken, werden noch wertvolle Informationen von Lesern<br />

e<strong>in</strong>gereicht; Richtl<strong>in</strong>ien und e<strong>in</strong> Formular s<strong>in</strong>d auf der Webseite publiziert.<br />

Der Wörterbuchtext selber ist nur für Abonnenten zugänglich. OED onl<strong>in</strong>e kann allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong><br />

Großbritannien von allen öffentlichen Bibliotheken genutzt werden und steht so e<strong>in</strong>em großen<br />

Teil der Bevölkerung zur Verfügung. Darüber h<strong>in</strong>aus f<strong>in</strong>den sich unter www.oed.com<br />

viele öffentliche Seiten mit Hilfestellungen zur Nutzung und Artikeln über das Wörterbuch<br />

selber und die englische Sprache im Allgeme<strong>in</strong>en, sowie e<strong>in</strong>er Anzahl Videos, die über Youtube<br />

gezeigt werden. Auch direkte Fragen an die Redaktion s<strong>in</strong>d möglich. Weiterh<strong>in</strong> können<br />

sich die Leser auf verschiedene Weise mit aktuellen Entwicklungen und generellen<br />

Nachrichten auf dem Laufenden halten. Neben dem lang etablierten „Word of the Day“ gibt<br />

es <strong>in</strong>zwischen auch e<strong>in</strong> Blog und e<strong>in</strong>en Twitter-Service.<br />

Der Vortrag soll kurz auf die Geschichte der Interaktion von OED und se<strong>in</strong>en Nutzern e<strong>in</strong>gehen,<br />

und dann im Detail, und aus der Perspektive der Redaktion, die verschiedenen praktischen<br />

Angebote im Internetzeitalter vorstellen.<br />

63


Symposium 7<br />

Andrea Rapp, Luise Borek und Vera Hildenbrandt<br />

Abgeschlossen und doch offen – Nutzerbeteiligung bei retrodigitalisierten<br />

Pr<strong>in</strong>twörterbüchern<br />

Neben der Vielzahl digital entstandener bzw. entstehender Internetwörterbücher existieren<br />

Nachschlagewerke, die zunächst ausschließlich im Druck publiziert und erst im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>s digitale Zeitalter überführt und onl<strong>in</strong>e veröffentlicht wurden. In aller Regel kann der Nutzer<br />

<strong>in</strong> die Konzeption und Erarbeitung der Inhalte dieser Wörterbücher nicht mehr e<strong>in</strong>bezogen<br />

werden. Dennoch gibt es auch hier verschiedene Bereiche, <strong>in</strong> denen die Anwender dazu<br />

beitragen können, das reichhaltige Material dieser Werke leichter zugänglich zu machen und<br />

zu erschließen. Am Beispiel der vom Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs-<br />

und Publikationsverfahren <strong>in</strong> den Geisteswissenschaften an der Universität Trier im Internet<br />

zur Verfügung gestellten Wörterbücher (www.woerterbuchnetz.de), bei denen es sich überwiegend<br />

um Retrodigitalisate handelt, soll diskutiert werden, wie welche Nutzergruppen aktiv<br />

<strong>in</strong> die Ausarbeitung der Onl<strong>in</strong>e-Publikation e<strong>in</strong>gebunden werden können.<br />

So fließt etwa aus dem an der TU Darmstadt angesiedelten BMBF-Projekt „Wechselwirkungen<br />

zwischen l<strong>in</strong>guistischen und bio<strong>in</strong>formatischen Verfahren, Methoden und Algorithmen“<br />

e<strong>in</strong> Tool <strong>in</strong> das Wörterbuchnetz e<strong>in</strong>, das die vorgenommene Vernetzung vertieft und somit<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>direkte Unterstützung für den Anwender bereitstellt. Über e<strong>in</strong>e semasiologisch angelegte<br />

Metalemmaliste wird es möglich, dialektale und historische Varianz abzubilden. Somit<br />

kann der Benutzer über die E<strong>in</strong>gabe e<strong>in</strong>es standardsprachlichen Lemmas dessen Entsprechungen<br />

<strong>in</strong> anderen Wörterbüchern abgreifen, ohne die abweichenden Formen kennen zu<br />

müssen.<br />

Ausgehend von der wissenschaftlich aufbereiteten und bereits <strong>in</strong> das Wörterbuchnetz <strong>in</strong>tegrierten<br />

Metalemmaliste soll diskutiert werden, wie Nutzer diese Struktur verwenden können,<br />

um eigene L<strong>in</strong>ks zu erzeugen und damit zur weiteren Verdichtung des Netzes beizutragen.<br />

Gleichzeitig dient die Metalemmaliste als Schnittstelle zwischen abgeschlossenen, retrodigitalisierten<br />

Pr<strong>in</strong>twörterbüchern und digitaler Lexikografie bzw. laufenden Wörterbuchprojekten,<br />

<strong>in</strong>dem Verknüpfungen weitgehend projektunabhängig und über Projektgrenzen h<strong>in</strong>aus<br />

realisiert werden können.<br />

In e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Ausblick sollen zudem Szenarien skizziert werden, <strong>in</strong> denen begleitend zur<br />

elektronischen Publikation spezifische Wörterbuch<strong>in</strong>halte aufbereitet werden. Unter Ausschöpfung<br />

des Potentials digitaler Medien wird daraus e<strong>in</strong> spielerischer Zugang zum wissenschaftlichen<br />

Material geschaffen, der e<strong>in</strong>e weitere Maßnahme zur Nutzer(an)b<strong>in</strong>dung bietet.<br />

64


Symposium 7<br />

Jörg Schröder<br />

Über den Spagat zwischen wissenschaftlicher Korrektheit und Nutzerfreundlichkeit<br />

Wie jedes Wörterbuch steht auch die Neubearbeitung des Grimm vor der Schwierigkeit dem<br />

Lexikonparameter der Akkuratheit der Information Genüge zu tun und gleichzeitig die Informationsdarstellung<br />

und Textorganisation aus ökonomischen Gründen so knapp wie möglich<br />

zu halten. Die sich daraus ergebenden Darstellungs- und Ausdrucksformen (unterschiedliche<br />

Schrifttypen und Schriftneigungen, Kapitälchen, Abkürzungen, runde, eckige oder spitze<br />

Klammern, Absätze, Gliederungsmarken und vieles andere mehr) helfen, die Artikelkonstituenten<br />

zu def<strong>in</strong>ieren und Informationstypen zu unterscheiden. Aus persönlicher Erfahrung<br />

weiß ich, daß selbst erfahrene Nutzer des Deutschen Wörterbuchs nicht alle angebotenen<br />

Informationen erkennen oder die verschiedenen Ausdrucksformen richtig zu deuten wissen.<br />

An ausgewählten Beispielen aus der Neubearbeitung soll das z.T. diffizile und komplexe<br />

System der Darstellungs- und Ausdrucksformen, das auch als Reaktion auf den etwas sorglosen<br />

Umgang der Brüder Grimm <strong>in</strong> den ersten Bänden der Erstauflage entstanden ist, vorgestellt<br />

werden, das sich zwar um äußerste Genauigkeit bemüht, für den Nutzer aber auch<br />

manchmal schwer zu durchschauen ist. Was für Lösungen könnte e<strong>in</strong> digitales lexikographisches<br />

System hierzu bereithalten?<br />

Wie könnte der Nutzer überhaupt <strong>in</strong> Zukunft <strong>in</strong> dieses System e<strong>in</strong>gebunden werden? Zur Zeit<br />

erreichen uns Fragen, H<strong>in</strong>weise, Anregungen und Wünsche meist von <strong>in</strong>teressierten Laien<br />

per E-Mail, die wir auf dem selben Weg beantworten. Daneben haben wir uns e<strong>in</strong>en bis jetzt<br />

nur kle<strong>in</strong>en Kreis von Fachwissenschaftlern aufgebaut z.B. aus dem Botanischen Garten<br />

Berl<strong>in</strong>, an den wir uns <strong>in</strong> Zweifelsfragen wenden können oder e<strong>in</strong>en Indogermanisten, der<br />

unsere Etymologien gegen liest. E<strong>in</strong>e Trennung zwischen Laien- und Fachnutzern ersche<strong>in</strong>t<br />

uns grundsätzlich s<strong>in</strong>nvoll. Mit e<strong>in</strong>em Ausblick auf weitere Möglichkeiten, die e<strong>in</strong> elektronisch-lexikographisches<br />

System <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht bieten könnte, schließt den Vortrag ab.<br />

65


Symposium 7<br />

Stephan Bopp<br />

Über Sprache bloggen – Erfahrungen mit e<strong>in</strong>em Blog zur deutschen Sprache<br />

Auch <strong>in</strong> den neuen Medien geht es nicht ohne Deutsch. Legt man dabei Wert auf e<strong>in</strong>en verständlichen<br />

und korrekten Sprachgebrauch, stößt man öfter an die Grenzen se<strong>in</strong>es Korrekturprogramms<br />

– und se<strong>in</strong>es Wissens.<br />

Dafür gibt es onl<strong>in</strong>e u.a. Canoonet, die kostenlose deutsche Wörterbuch- und Grammatiksite.<br />

Für den Fall, dass dort etwas nicht beschrieben se<strong>in</strong> sollte oder man es e<strong>in</strong>fach nicht f<strong>in</strong>det,<br />

bietet Canoonet e<strong>in</strong>e Art altmodischen Briefkastenonkel-Dienst <strong>in</strong> moderner Form an, der<br />

das elektronische Angebot s<strong>in</strong>nvoll ergänzt: Unter dem Titel «Fragen Sie Dr. Bopp» beantwortet<br />

der L<strong>in</strong>guist Stephan Bopp Nutzerfragen zur deutschen Sprache und Rechtschreibung.<br />

In se<strong>in</strong>em Blog (http://www.canoo.net/blog) veröffentlicht er regelmäßig Antworten, die<br />

für e<strong>in</strong>en breiteren Kreis von Sprach<strong>in</strong>teressierten hilfreich oder amüsant oder am liebsten<br />

beides se<strong>in</strong> könnten. Ziel ist es auch, den Sprachnutzern und -nutzer<strong>in</strong>nen die häufig allzu<br />

große Ehrfurcht oder gar Angst vor der „hehren“ deutschen Hochsprache zu nehmen. Stephan<br />

Bopp spricht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Vortrag über die Grundlagen se<strong>in</strong>er Arbeit, den Nutzen e<strong>in</strong>es<br />

Sprachdienstes und die konkreten Erfahrungen als Sprachberater und Sprachblogger.<br />

66


Symposium 7<br />

Kar<strong>in</strong> Rautmann<br />

Duden onl<strong>in</strong>e und se<strong>in</strong>e Nutzer<br />

Im Mai 2011 g<strong>in</strong>g unter www.duden.de mit Duden onl<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> neues Internetwörterbuch an<br />

den Start. Es stellt das Herzstück der ebenfalls im Mai 2011 relaunchten Verlagswebsite<br />

duden.de dar. Das Wörterbuch basiert auf dem Duden-Wissensnetz, der zentralen Quelle<br />

der von Duden vorgehaltenen Sprachdaten.<br />

Der Vortrag zeigt, <strong>in</strong> welcher Weise die Nutzer<strong>in</strong>teressen bereits <strong>in</strong> die Konzeption von Duden<br />

onl<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>geflossen s<strong>in</strong>d und wie sie seit dem Launch des neuen Wörterbuchs dessen<br />

Weiterentwicklung bee<strong>in</strong>flussen. Ferner werden die verschiedenen Pfade, über die die Nutzer<strong>in</strong>teressen<br />

dem Redaktionsteam zugänglich s<strong>in</strong>d (z.B. Marktforschung, Onl<strong>in</strong>eumfragen,<br />

Auswertung von Logfiles, direktes Feedback der Nutzer), beleuchtet. Untersucht werden die<br />

Quantität und die Qualität der Nutzerrückmeldungen. In diesem Zusammenhang wird auch<br />

die Frage diskutiert, wie stark bei Nutzern von Duden onl<strong>in</strong>e das Bedürfnis nach „Mitmachen“,<br />

d.h. nach Teilhabe am lexikografischen Prozess, ausgeprägt ist. Anschließend wird<br />

anhand konkreter Beispiele gezeigt, wie das Duden-onl<strong>in</strong>e-Team Nutzerrückmeldungen<br />

auswertet und <strong>in</strong>wieweit Nutzerfeedback und Wissen der Redaktion über die Nutzung von<br />

Duden onl<strong>in</strong>e zu e<strong>in</strong>er Änderung der Wörterbuchsubstanz und der -strukturen führt (Aufnahme<br />

neuer Wörter, neuer Bedeutungen, Fehlerkorrektur usw.).<br />

Zum Schluss wird unter dem Aspekt der B<strong>in</strong>dung der Nutzer an Duden onl<strong>in</strong>e die Rolle des<br />

Duden-Newsletters untersucht. Geprüft wird auch, <strong>in</strong>wieweit Social-Media-Aktivitäten wie e<strong>in</strong><br />

Blog oder e<strong>in</strong>e Präsenz <strong>in</strong> Facebook für den Erfolg von Duden onl<strong>in</strong>e relevant s<strong>in</strong>d.<br />

67


Symposium 7<br />

Doris Leibold<br />

Die LEO-Wörterbücher und ihre Benutzer<br />

Unter der Webadresse www.leo.org s<strong>in</strong>d mehrere zweisprachige Wörterbücher mit Deutsch<br />

als Ausgangs- und Zielsprache zu erreichen. Daneben werden Diskussionsforen und Vokabeltra<strong>in</strong>er<br />

angeboten. Die Publikation der Wörterbücher beruht u.a. auf der Mitwirkung von<br />

Benutzern, die größere Wortschatzmengen an LEO schenken. Benutzer können aber auch<br />

neue Wörter zur Aufnahme vorschlagen und <strong>in</strong> anderer Weise am weiteren Ausbau von LEO<br />

mitwirken. Über die Vor- und Nachteile dieser Zusammenarbeit zwischen LEO und se<strong>in</strong>en<br />

Benutzern wird es <strong>in</strong> diesem Vortrag gehen.<br />

68


Symposium 7<br />

Luca Melchior<br />

Ansätze zu e<strong>in</strong>er halbkollaborativen Lexikographie – das Beispiel LEO<br />

Wie <strong>in</strong> MELCHIOR 2009, MELCHIOR <strong>2012</strong> und MELCHIOR/D’AGOSTINI 2011 beschrieben, basieren<br />

die zweisprachigen Internetwörterbücher LEO (dict.leo.org) (anders zum Beispiel als das<br />

kollaborative Projekt Wiktionary, vgl. FUERTES-OLIVERA 2009) auf dem Pr<strong>in</strong>zip der Halbkollaborativität.<br />

Das heißt, dass die Nutzer im Wörterbuchprojekt mit e<strong>in</strong>bezogen werden und<br />

dass ihr Beitrag zur Gestaltung des Wörterbuchs und zu se<strong>in</strong>er stetigen Fortentwicklung vom<br />

lexikographischen und technischen Team erwünscht wird, jedoch jede Entscheidung über<br />

möglicheVeränderungen – sowohl auf technischer als auch auf <strong>in</strong>haltlicher Ebene <strong>in</strong> der alle<strong>in</strong>igen<br />

Verantwortung der LEO-Mitarbeiter liegt. Der Nutzer kann se<strong>in</strong> Feedback <strong>in</strong> unterschiedlicher<br />

Form abgeben: Durch Meldungen <strong>in</strong> den verschiedenen Forenrubriken, durch E-<br />

Mail-Kontakt mit der Redaktion von LEO sowie durch eigens entwickelte Tools zur Meldung<br />

von (Schreib-)Fehlern. Darüber h<strong>in</strong>aus haben die Nutzer die Möglichkeit, <strong>in</strong> den Foren untere<strong>in</strong>ander<br />

und mit der Redaktion zu <strong>in</strong>teragieren. Im Vortrag werden praktische Beispiele dieser<br />

Interaktionen zwischen Nutzern und Redaktion sowie unter der Nutzercommunity analysiert<br />

und daraus Schlussfolgerungen für die lexikographische Praxis und für die metalexikographische<br />

Theorie gezogen, <strong>in</strong>dem die Vorteile, aber auch die Gefahren e<strong>in</strong>es halbkollaborativen<br />

Ansatzes gezeigt werden.<br />

Literatur:<br />

FUERSTES OLIVERA, Pedro A.: „The Function Theory of Lexicography and Electronic Dictionaries:<br />

WIKTIONARY as a Prototype of Collective Free Multiple-Language Internet Dictionary“,<br />

<strong>in</strong>: BERGENHOLTZ, Henn<strong>in</strong>g/NIELSEN, Sandro/TARP, Sven (Hrsg.): Lexicography at a<br />

Crossroads. Dictionaries and Encyclopedias Today, Lexicographical Tools Tomorrow,<br />

Bern: Lang, [=L<strong>in</strong>guistic Insights. Studies <strong>in</strong> Language and Communication 90], 99–134.<br />

MELCHIOR, Luca (2009): „'Frocio', 'checca', 'morosa' e... un problema lessicografico“, <strong>in</strong>: Italienisch<br />

62, 67–88.<br />

MELCHIOR, Luca (<strong>2012</strong>): „Halbkollaborativität und Onl<strong>in</strong>e-Lexikographie. Ansätze und Überlegungen<br />

zu Wörterbuchredaktion und Wörterbuchforschung am Beispiel LEO Deutsch-<br />

Italienisch“, <strong>in</strong>: Lexicographica 28 (im Druck).<br />

MELCHIOR, Luca/D’AGOSTINI, Fabio (2011): „Halbkollaborative Wörterbücher – Zur Darstellung<br />

von Perzeptionsdaten <strong>in</strong> bil<strong>in</strong>gualen Wörterbüchern“, <strong>in</strong>: KITTLER, Judith/NICKENIG,<br />

Annika/SIEBENBORN, Eva/DEL VALLE, Victoria (Hrsg.): Repräsentationsformen von Wissen.<br />

Beiträge zum XXVI. Forum Junge Romanistik <strong>in</strong> Bochum (26.-29. Mai 2010), München:<br />

Mart<strong>in</strong> Meidenbauer Verlag [= Forum Junge Romanistik 17], 249–273.<br />

69


Symposium 7<br />

Gilles-Maurice de Schryver und David Joffe<br />

Visions and Reality – the users and their dictionary<br />

Today we are witness<strong>in</strong>g a multi-pronged “attack” (so to speak) on lexicography as a discipl<strong>in</strong>e<br />

and, more relevant for more people, as a career. We can identify these trends as comb<strong>in</strong><strong>in</strong>g:<br />

1. The rise of automated lexicography.<br />

2. Information is decreas<strong>in</strong>gly scarce.<br />

3. The dictionary, as such, is <strong>in</strong>creas<strong>in</strong>gly ‘disappear<strong>in</strong>g’ or be<strong>in</strong>g ‘subsumed’ <strong>in</strong>to other tools,<br />

such as mach<strong>in</strong>e translation (e.g. Google Translate), word processors (<strong>in</strong>tegrated dictionaries,<br />

spellcheckers, etc.), as well as smartphones and the associated commoditisation of<br />

mach<strong>in</strong>e-vision-based <strong>in</strong>formation lookup (e.g. be<strong>in</strong>g able to just po<strong>in</strong>t your phone at a<br />

sign <strong>in</strong> a foreign country and gett<strong>in</strong>g an immediate translation, spoken to you <strong>in</strong> your language).<br />

Dictionary users have stopped ‘look<strong>in</strong>g up’, they now ‘speak <strong>in</strong>’, ‘po<strong>in</strong>t at’ and will soon just<br />

‘th<strong>in</strong>k about’ when <strong>in</strong> need of <strong>in</strong>formation about word mean<strong>in</strong>g and word use. In the process<br />

they will ‘argue with’, ‘correct’ and even ‘overrule’ what they are presented with. So what to<br />

do for lexicographers? Will they be flipp<strong>in</strong>g burgers, or can they adapt and re-apply their<br />

skills <strong>in</strong> this new era, and if so, how/where best to do that? Gett<strong>in</strong>g lexicography right is, after<br />

all, a notoriously hard undertak<strong>in</strong>g. Any practic<strong>in</strong>g lexicographer will f<strong>in</strong>d it hard to imag<strong>in</strong>e<br />

the day where she or he can be replaced by a mach<strong>in</strong>e: Here’s a corpus, press a button, and<br />

your dictionary comes out. Or, for multil<strong>in</strong>gual lexicography: Here are a bunch of corpora,<br />

press a button or two, and there are your translation dictionaries. What is important <strong>in</strong> this<br />

vision is that the one who presses the buttons is the dictionary user.<br />

But we may be gett<strong>in</strong>g ahead of ourselves. Is that vision really the future? If the current prototypes<br />

are anyth<strong>in</strong>g to go by, then that future will consist of mediocre reference works only.<br />

The reality, <strong>in</strong>deed, is more complex. Far more complex tools (dictionary writ<strong>in</strong>g systems,<br />

corpus query packages, real-time assemblers of packaged knowledge, etc.) will have to be<br />

developed and used, by far more competent lexicographers. And most important of all, the<br />

dictionary users of the future will out of necessity have to become ever-more brighter.<br />

In our contribution to the Symposium we <strong>in</strong>tend to discuss the requirements of those lexicographic<br />

tools of the future, both back-end (for lexicographers) and front-end (for users).<br />

70


Symposium 7<br />

Magali Paquot und Marie-Aude Lefer<br />

Fuzzy feedback <strong>in</strong> the compilation of the UCL-K.U.Leuven University Term<strong>in</strong>ology<br />

Database<br />

The UCL-K.U.Leuven University Term<strong>in</strong>ology Database is a corpus-based tril<strong>in</strong>gual (French,<br />

English and Dutch) term<strong>in</strong>ological database of university-related terms (e.g. coord<strong>in</strong>ated research<br />

project, foundation year, co-supervision agreement) developed with<strong>in</strong> the framework<br />

of a research project led by Prof. S. Granger and S. Verl<strong>in</strong>de (2007–2008). University terms<br />

were identified automatically us<strong>in</strong>g keyword analysis (i.e. analysis of words or clusters that<br />

are statistically significantly more frequent <strong>in</strong> a given corpus compared to a reference corpus).<br />

To do so, a large number of web pages from university websites were downloaded and<br />

used to create representative corpora of ‘university language’. The database, which currently<br />

conta<strong>in</strong>s c. 2,000 French terms and their English (and Dutch) equivalents, is freely available<br />

on the web (http://sites-f<strong>in</strong>al.uclouva<strong>in</strong>.be/lexique/lexique.php).<br />

In this presentation, we shall focus on the second phase of the dictionary compilation project<br />

dur<strong>in</strong>g which the dictionary was made available onl<strong>in</strong>e while still be<strong>in</strong>g compiled. Over the<br />

last two years (2009–2011), logfiles and users’ comments were used to enlarge the coverage<br />

of the term<strong>in</strong>ological database, a procedure that De Schryver’s (2009) refers to as ‘fuzzy<br />

simultaneous feedback’. Among other th<strong>in</strong>gs, we shall focus on the number and type of<br />

words that were looked up but not found <strong>in</strong> the term<strong>in</strong>ological database and <strong>in</strong>vestigate to<br />

what extent users’ queries were then used to <strong>in</strong>form the database compilation. We shall also<br />

report on the criteria used to assess whether miss<strong>in</strong>g words had to enter the term<strong>in</strong>ological<br />

database.<br />

71


Symposium 7<br />

Iryna Gurevych und Christian M. Meyer<br />

Kollaborative Lexikographie und Nutzerbeteiligung <strong>in</strong> Wiktionary<br />

Kollaborative Lexikographie bezeichnet e<strong>in</strong> neues Paradigma zur Erstellung von Wörterbüchern:<br />

Die E<strong>in</strong>träge werden von den Wörterbuchbenutzern selbst verfasst, überarbeitet und<br />

diskutiert. In unserem Vortrag werden wir das Onl<strong>in</strong>e-Wörterbuch Wiktionary als den prom<strong>in</strong>entesten<br />

Vertreter kollaborativ erstellter Wörterbücher vorstellen und die verschiedenen<br />

Formen der Nutzerbeteiligung diskutieren.<br />

Die „Community“ der Wiktionary-Benutzer besteht aus unterschiedlichen Nutzertypen, die<br />

von Adm<strong>in</strong>istratoren zu passiven Lesern reicht. Wir charakterisieren diese verschiedenen<br />

Benutzergruppen und analysieren deren Organisation und welche Regeln sowohl für den<br />

Umgang als auch für die lexikographische Arbeit def<strong>in</strong>iert wurden. Im Vergleich zu professionellen<br />

Lexikographen diskutieren wir Chancen und Risiken von kollaborativ erstellten Wörterbüchern<br />

und beleuchten die Frage, welche Nutzergruppen von Wiktionary profitieren können.<br />

72


Symposium 7<br />

Karl-He<strong>in</strong>z Best<br />

Das Wiktionary aus Sicht e<strong>in</strong>es Autors – Erfahrungen aus der Innenperspektive<br />

Die Erfahrungen mit der Arbeit als Autor zahlreicher E<strong>in</strong>träge im Wiktionary (z.B. zur l<strong>in</strong>guistischen<br />

Fachterm<strong>in</strong>ologie) werden <strong>in</strong> diesem Beitrag im Zentrum stehen. Erläutert werden<br />

soll zunächst die Motivation, im Wiktionary lexikographisch tätig zu werden. E<strong>in</strong>ige Vor- und<br />

Nachteile des Wiktionary werden anschließend aus Autorensicht diskutiert, bevor schließlich<br />

e<strong>in</strong> paar Beobachtungen aus der praktischen Arbeit folgen. Im Rahmen dieses Beitrags soll<br />

auch viel Platz für Fragen der Zuhörer se<strong>in</strong>.<br />

73


Symposium 8<br />

Leni Dam und Lienhard Legenhausen<br />

Vocabulary acquisition <strong>in</strong> the autonomy classroom – pr<strong>in</strong>ciples, procedures, and<br />

outcomes<br />

School knowledge is the knowledge which someone else presents to us. We partly<br />

grasp it, enough to answer the teacher’s questions, to do exercises, or to answer exam<strong>in</strong>ation<br />

questions, but it rema<strong>in</strong>s someone else’s knowledge, not ours. If we never<br />

use this knowledge we probably forget it. Action knowledge is different. We use it for<br />

our own purposes; we <strong>in</strong>corporate it <strong>in</strong>to our view of the world, and use parts of it to<br />

cope with the “exigencies of liv<strong>in</strong>g”. (Barnes, 1976)<br />

Vocabulary acquisition largely depends on the learners’ active engagement <strong>in</strong> the process.<br />

They, themselves, should therefore be given the chance to select the vocabulary needed for<br />

their own language development and use <strong>in</strong> communicative situations. In many textbook-<br />

based FL classrooms, however, the concept implies that vocabulary – assumed to be of <strong>in</strong>terest<br />

to the students – has to be taught before it can be used. The words taught are then<br />

practised <strong>in</strong> various exercises and activities. At best, the result is that the vocabulary learned<br />

will end up as school knowledge, unfortunately seldom as action knowledge (cf. Barnes). In<br />

the autonomy classroom, by contrast, the students from the very beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g are engaged <strong>in</strong><br />

activities where they activate their exist<strong>in</strong>g knowledge – also as regards vocabulary – and<br />

expand it accord<strong>in</strong>g to their <strong>in</strong>terests and needs.<br />

In the workshop, examples of such activities will be shown and discussed. At the same time,<br />

the role of the teacher will be described, <strong>in</strong>clud<strong>in</strong>g how she sees to the requirements of the<br />

curricular guidel<strong>in</strong>es. Participants will be asked to compare their own experiences with successful<br />

vocabulary acquisition to the described pr<strong>in</strong>ciples and processes. F<strong>in</strong>ally, the session<br />

will <strong>in</strong>clude a short report on the f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs of a research project carried out over a period of<br />

four years <strong>in</strong> a class of mixed ability students <strong>in</strong> a Danish folke school. Vocabulary tests were<br />

adm<strong>in</strong>istered after 15 and 30 lessons of learn<strong>in</strong>g English. In order to <strong>in</strong>terpret the f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs,<br />

identical tests were carried out <strong>in</strong> a ‘traditional’ class of the same Danish school and <strong>in</strong> a<br />

German Gymnasium class. One of the f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs was the extent to which the vocabulary acquired<br />

by the learners under discussion compared to the standard vocabulary usually found<br />

<strong>in</strong> textbook-based courses.<br />

74


Symposium 8<br />

Ewa Tomczak<br />

The s<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g way to autonomy: Foster<strong>in</strong>g autonomous language learn<strong>in</strong>g with the use<br />

of songs<br />

The effectiveness of tools for FL/L2 learn<strong>in</strong>g depends on a wide range of contribut<strong>in</strong>g variables,<br />

some of which relate to whether learners f<strong>in</strong>d the tools useful, pleasurable and enjoyable.<br />

The subjective pleasure taken <strong>in</strong> mere <strong>in</strong>volvement <strong>in</strong> activities nourishes learners’ <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sic<br />

motivation on which they draw when they assume responsibility for their own learn<strong>in</strong>g,<br />

make choices, self-manage and reflect upon their learn<strong>in</strong>g process, i.e. become more autonomous<br />

and self-directed lifelong learners (cf. Little 1991). The enjoyable and effective learn<strong>in</strong>g<br />

tools that can promote learner autonomy through <strong>in</strong>-class and out-of-class FL/L2 activities<br />

range from narrative fiction and feature films (Pr<strong>in</strong>ce 2011), drama projects (F<strong>in</strong>e & Coll<strong>in</strong>s<br />

2011), web 2.0 and mobile technologies (cf. Thomas 2009), to songs.<br />

The present contribution aims at present<strong>in</strong>g songs as (1) an effective <strong>in</strong>strument <strong>in</strong> vocabulary<br />

learn<strong>in</strong>g, and (2) a medium to promote autonomous FL/L2 learn<strong>in</strong>g. Firstly, to evaluate<br />

the effectiveness of a ‘song’ technique <strong>in</strong> vocabulary atta<strong>in</strong>ment, two studies with a pretestposttest<br />

design were conducted with two groups of EFL learners. The two groups were exposed<br />

to the same vocabulary set presented to them either with the use of a song or with a<br />

more conventional auditory technique. The group with the vocabulary items <strong>in</strong>troduced <strong>in</strong> a<br />

song context showed a significant advantage <strong>in</strong> remember<strong>in</strong>g vocabulary over the other<br />

group on the delayed recall <strong>in</strong> both studies (study 1, p


Symposium 8<br />

Bernd Rüschoff<br />

Learner autonomy and technology<br />

Current th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g <strong>in</strong> SLA methodology favors knowledge construction rather than simple <strong>in</strong>structivist<br />

learn<strong>in</strong>g as an appropriate paradigm for language learn<strong>in</strong>g. With<strong>in</strong> this context,<br />

project-based and task-oriented scenarios have often been regarded as the real forte of digital<br />

media and technology enhanced tools. Such approaches to learn<strong>in</strong>g are also rooted <strong>in</strong> the<br />

output hypothesis, which argues that learners should actively engage themselves <strong>in</strong> the negotiation<br />

and creation of ‘comprehensible output’ <strong>in</strong> order to develop l<strong>in</strong>guistically and cognitively.<br />

This presentation will discuss the pr<strong>in</strong>ciples of output and process orientation <strong>in</strong> language<br />

learn<strong>in</strong>g with particular focus on writ<strong>in</strong>g activities. The importance of “self-<strong>in</strong>itiated content/pragmatic<br />

repair, rather than other-<strong>in</strong>itiated l<strong>in</strong>guistic repair” (cf. Shehadeh 1999) as a<br />

valuable contribut<strong>in</strong>g factor to the development of learner autonomy with<strong>in</strong> process-oriented<br />

writ<strong>in</strong>g activities will be a special focus of the presentation. It will also consider the new level<br />

of dynamics afforded by some of the tools available <strong>in</strong> the “new” Internet as well as how<br />

these can be used to support the learners’ active engagement <strong>in</strong> productive and reflective<br />

processes when creat<strong>in</strong>g text-based output <strong>in</strong> language learn<strong>in</strong>g.<br />

76


Symposium 8<br />

Christian Ludwig<br />

The role of dictionaries <strong>in</strong> the autonomy classroom<br />

While learners would normally turn to more knowledgeable peers or the teachers to f<strong>in</strong>d out<br />

about a word, dictionaries present a very useful and additional tool.<br />

Some of the advantages of us<strong>in</strong>g dictionaries are:<br />

• dictionaries can help to raise awareness of spell<strong>in</strong>g, mean<strong>in</strong>g and pronunciation<br />

• dictionaries can support the acquisition of vocabulary and enhance comprehension<br />

• dictionaries provide collocations which help learners ga<strong>in</strong> an <strong>in</strong>sight <strong>in</strong>to the foreign culture<br />

through language.<br />

Apart from this general approach to us<strong>in</strong>g dictionaries <strong>in</strong> foreign language learn<strong>in</strong>g, they especially<br />

present an <strong>in</strong>dispensible tool <strong>in</strong> the autonomy classroom where there is a shift of<br />

responsibility from the teacher to the learners and therefore a redef<strong>in</strong>ition of learner and<br />

teacher roles. Here, dictionaries present an important tool for teachers to let their learners go<br />

as well as for learners to take over responsibility for their own learn<strong>in</strong>g.<br />

However, it is important to note that it is the responsibility of the teacher to <strong>in</strong>itiate tasks and<br />

activities <strong>in</strong> which learners have to make use of dictionaries <strong>in</strong> order to fulfill the task (e.g. to<br />

compose a dialogue, to write a play or to produce a written text). These activities also provide<br />

the teacher with situations <strong>in</strong> which learners might have difficulties with us<strong>in</strong>g the dictionary<br />

successfully. These difficulties can then be discussed <strong>in</strong> class or <strong>in</strong> groups <strong>in</strong> order to<br />

provide learners with strategies and skills for us<strong>in</strong>g dictionaries appropriately.<br />

In this context, we will also focus on practical examples of dictionaries and develop ideas of<br />

how to use them <strong>in</strong> order to give learners more autonomy <strong>in</strong> language learn<strong>in</strong>g. Therefore,<br />

we will discuss<br />

• the use of picture dictionaries with beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g and young learners and how they should be<br />

designed <strong>in</strong> order to support vocabulary learn<strong>in</strong>g<br />

• the constra<strong>in</strong>ts of wordlists <strong>in</strong> textbooks which are currently be<strong>in</strong>g used <strong>in</strong> German classrooms<br />

and which do not support learners <strong>in</strong> complet<strong>in</strong>g all the tasks and activities <strong>in</strong>cluded<br />

<strong>in</strong> the textbooks<br />

• the opportunities for learners to compile their own dictionaries.<br />

F<strong>in</strong>ally, we will have a look at onl<strong>in</strong>e dictionaries and onl<strong>in</strong>e corpora <strong>in</strong> order for learners to<br />

become l<strong>in</strong>guistically more aware and enhance their autonomy. Apart from a number of advantages<br />

of the new technologies we will also shed light on possible disadvantages.<br />

77


Symposium 9<br />

Helmut Prechtl<br />

Fachsprache im naturwissenschaftlichen Unterricht<br />

Sprache stellt im Alltag die Basis jeglicher gesellschaftlicher Teilhabe dar. Die Fachsprache<br />

im naturwissenschaftlichen Unterricht hat e<strong>in</strong>en spezifischen Stellenwert für die naturwissenschaftliche<br />

Grundbildung <strong>in</strong>ne, die als Voraussetzung dafür gilt, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er von den Naturwissenschaften<br />

geprägten Gesellschaft zu orientieren, über naturwissenschaftliche Inhalte<br />

und Handlungen zu kommunizieren und Anwendungen zu bewerten (Norris & Phillips, 2003).<br />

Fachsprache ist Unterrichts<strong>in</strong>halt wie auch Vermittlungsmedium zugleich. Ihre Besonderheiten<br />

und ihr Gebrauch s<strong>in</strong>d zu erlernen, um Kenntnisse über naturwissenschaftliche Konzepte<br />

und Prozesse erwerben zu können sowie um über die Naturwissenschaften und ihre Anwendungen<br />

kommunizieren zu können. Die Spezifika verschiedener Fachsprachen gegenüber<br />

der Alltagssprache bestehen u.a. <strong>in</strong> Besonderheiten von Wortschatz, Morphologie und Syntax.<br />

Die nationale und <strong>in</strong>ternationale fachdidaktische Forschung <strong>in</strong> Bereich der naturwissenschaftlichen<br />

Fächer beschäftigt sich nicht nur mit den Kennzeichen der Fachsprache und<br />

den Möglichkeiten ihrer Vermittlung im Unterricht, sondern auch mit der Frage, welche Position<br />

die Unterrichtssprache im Spannungsfeld zwischen Alltagssprache und Fachsprache<br />

e<strong>in</strong>nehmen sollte, um fachliches und fachsprachliches Lernen zu unterstützen (z.B. R<strong>in</strong>cke,<br />

2010). Als theoretische Grundlage liegen Konzeptionen von Fachsprache vor, wonach diese<br />

als Verbund unterschiedlicher Repräsentationsformate mit unterschiedlichem Abstraktionsgrad<br />

aufgefasst werden können (z.B. konkret-gegenständlich, bildhaft, verbal-sprachlich,<br />

symbolisch, mathematisch; Leisen & Mentges, 2009; Lemke, 2003). Fachsprachliche Aspekte<br />

s<strong>in</strong>d auch Teil theoretischer Modellierungen kommunikativer Kompetenzen im naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht (Kulgemeyer & Schecker, 2009). Derzeitige Forschungsprojekte<br />

zur Fachsprache im naturwissenschaftlichen Unterricht betrachten diese als e<strong>in</strong> Qualitätsmerkmal<br />

des Unterrichts (Wüsten, 2010) und br<strong>in</strong>gen sie daher mit Lehrerkompetenzen und<br />

Lehrhandeln <strong>in</strong> Zusammenhang. Dabei werden auch die E<strong>in</strong>stellungen von Lehrkräften zur<br />

Bedeutung und zum E<strong>in</strong>satz der Fachsprache im naturwissenschaftlichen Unterricht erhoben<br />

(Nitz et al., 2011) sowie die Wirkung dieser E<strong>in</strong>stellungen auf die fachsprachliche Unterrichtsgestaltung.<br />

Ebenso werden Lehrstrategien zur Vermittlung von Fachsprache sowie die<br />

Wirkung verschiedener Umgangsformen mit Fachsprache im Unterricht auf das fachliche<br />

und fachsprachliche Lernen der Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler analysiert (z.B. Bernholt et al.,<br />

2010). Es liegen bereits elaborierte Zugänge zur fachsprachlichen Unterrichtsgestaltung für<br />

den naturwissenschaftlichen Unterricht vor, die neben e<strong>in</strong>er theoretischen Fundierung z.T.<br />

auch schon e<strong>in</strong>e empirische Absicherung vorweisen können (Parchmann & Stäudel, 2008).<br />

Weitgehend ungeklärt ist bislang, <strong>in</strong> welchem Verhältnis die von den Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern<br />

im naturwissenschaftlichen Unterricht zu erwerbenden fachsprachlichen Fähigkeiten zu<br />

den zuvor angeeigneten sprachlichen Basisqualifikationen (Ehlich et al., 2008) stehen. Neben<br />

e<strong>in</strong>er theoretischen Klärung von Zusammenhängen und Unterschieden, wären vor allem<br />

auch die Übergänge von sprachlichen Basisqualifikationen zu fachsprachlichen Fähigkeiten<br />

<strong>in</strong> unterschiedlichen Fächern zu beschreiben sowie (fach)didaktisch zu gestalten.<br />

Im Vortrag werden aktuelle fachdidaktische Forschungsansätze im Überblick angesprochen<br />

sowie eigene Forschungsarbeiten vorgestellt.<br />

78


Symposium 9<br />

Literatur:<br />

Bernholt, S., Parchmann, I., Anschütz, A., Moschner, B., Özyurt, J. & Thiel, C. (2010). Die<br />

Sprache der Chemie verstehen: Son2e, CaCl2 und Molekülmodelle. In D. Höttecke<br />

(Hrsg.), Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens zwischen Phänomen und Systematik.<br />

Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik. Jahrestagung <strong>in</strong> Dresden 2009<br />

(pp. 296–298). Münster: LIT Verlag.<br />

Ehlich, K., Bredel, U. & Reich H. H. (2008) (Hrsg.). Referenzrahmen zur altersspezifischen<br />

Sprachaneignung. Bonn/Berl<strong>in</strong>: Bundesm<strong>in</strong>isterium für Bildung und Forschung (BMBF)<br />

(Bildungsforschung Band 29/I)<br />

Kulgemeyer, C. & Schecker, H.: Kommunikationskompetenz <strong>in</strong> der Physik: Zur Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es domänenspezifischen Kommunikationsbegriffs. In: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften<br />

15 (2009), 131–153.<br />

Leisen, J. & Mentges, H. (Eds.) (2009). Sachtexte lesen im Fachunterricht der Sekundarstufe.<br />

Seelze-Velber: Klett Kallmeyer.<br />

Lemke, J. L. (2003). Teach<strong>in</strong>g all the languages of science: Words, symbols, images, and<br />

actions [electronic version]. http://academic.brooklyn.cuny.edu/education/jlemke/papers/<br />

barcelon.htm. Accessed 25 September 2011.<br />

Nitz, S., Enz<strong>in</strong>gmüller, C., Prechtl, H., & Nerdel, C. (2011). Fachsprache im naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht – e<strong>in</strong>e empirische Untersuchung zur E<strong>in</strong>stellung angehender Lehrkräfte.<br />

Unterrichtswissenschaft, 39(3), 245–262.<br />

Norris, S. P., & Phillips, L. M. (2003). How Literacy <strong>in</strong> Its Fundamental Sense Is Central to<br />

Scientific Literacy. Science Education, 87(3), 224–240.<br />

Parchmann, I. & Stäudel, L. (Hrsg.) (2008). Themenheft Fachsprache und Kommunikation.<br />

NiU Chemie, 19, 106.<br />

R<strong>in</strong>cke, K. (2010). Alltagssprache, Fachsprache und ihre besonderen Bedeutungen für das<br />

Lernen. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, 16, 235–260.<br />

Wüsten, S. (2010). Allgeme<strong>in</strong>e und fachspezifische Merkmale der Unterrichtsqualität im Fach<br />

Biologie. Berl<strong>in</strong>: Logos.<br />

79


Symposium 9<br />

Gabriele Kniffka und Birgit Neuer<br />

Orientierung geben und f<strong>in</strong>den – Möglichkeiten der Vermittlung von Sprache im<br />

Geographieunterricht<br />

Angesichts e<strong>in</strong>er sprachlich und kulturell zunehmend heterogenen Schülerschaft, die zum<br />

Teil Deutsch als Zweitsprache spricht, s<strong>in</strong>d Fachlehrer<strong>in</strong>nen und -lehrer längst nicht mehr<br />

re<strong>in</strong> als Vertreter/<strong>in</strong>nen ihres jeweiligen Unterrichtsfaches gefordert. Sie s<strong>in</strong>d dafür verantwortlich<br />

– <strong>in</strong>sbesondere nachdem <strong>in</strong> den neuen Bildungsstandards auch sprachliche Ziele für<br />

die nicht-sprachlichen Fächer formuliert wurden –, dass ihre Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler die<br />

fachlichen Inhalte über Fach-/Schulbuchtexte rezipieren können, dass sie fachliche Diskurse<br />

führen und e<strong>in</strong> gewisses Spektrum an fachsprachlichen Texten auch produzieren können.<br />

Lehrkräfte müssen also <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> ihrem Fachunterricht sprachliche Kompetenzen<br />

zu vermitteln und dabei auf die spezifischen sprachlichen Bedürfnisse ihrer Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler e<strong>in</strong>zugehen, wenn ihr Unterricht <strong>in</strong>haltlich nachhaltig se<strong>in</strong> soll.<br />

Wie aber können künftige Geographie-Lehrer<strong>in</strong>nen und -lehrer, die möglicherweise aufgrund<br />

ihrer Fächerwahl ke<strong>in</strong>e Deutsch- oder Deutsch als Zweitsprache-Ausbildung erhalten, auf<br />

diese Anforderungen vorbereitet werden?<br />

E<strong>in</strong> fächerübergreifendes Pilot-Projekt mit dem Titel „Sprachsensibler Geographieunterricht“,<br />

das 2009 an der Universität zu Köln durchgeführt wurde, versucht hierzu erste Antworten zu<br />

f<strong>in</strong>den. Verfolgt wurden bei diesem Projekt zwei Ziele. Basierend auf den von Gibbons 2002<br />

und 2009 und anderen entwickelten Konzepten des ‚Scaffold<strong>in</strong>g‘ sollten zum e<strong>in</strong>en<br />

Geographie-Studierende zunächst für e<strong>in</strong>en sprach-orientierten Geographie-Unterricht<br />

sensibilisiert werden. Darauf aufbauend sollten Vorgehensweisen vermittelt werden, die bei<br />

der Planung und Gestaltung e<strong>in</strong>es sprachsensiblen Fachunterrichts helfen können. Zum<br />

anderen sollten aber auch erste Erkenntnisse für Inhalte von Fortbildungen für bereits im<br />

Schuldienst tätige Lehrkräfte gewonnen werden. Auf der Basis e<strong>in</strong>es gängigen Lehrwerks<br />

wurden fünf Unterrichtse<strong>in</strong>heiten zum Thema „Räumliche Orientierung“ nach den Pr<strong>in</strong>zipien<br />

des Scaffold<strong>in</strong>g geplant und es wurden ergänzende Materialien erarbeitet. In Kooperation mit<br />

e<strong>in</strong>er Kölner Hauptschule wurden diese neu konzipierten Unterrichtse<strong>in</strong>heiten von der<br />

zuständigen Fachlehrer<strong>in</strong> durchgeführt. Der Unterricht wurde filmisch und durch<br />

teilnehmende Beobachtung dokumentiert und anschließend analysiert. Das<br />

Planungskonzept für sprachsensiblen Geographieunterricht und erste Ergebnisse der<br />

Datenauswertung werden im Vortrag vorgestellt.<br />

Literatur:<br />

Gibbons, Paul<strong>in</strong>e (2002): Scaffold<strong>in</strong>g Language, Scaffold<strong>in</strong>g Learn<strong>in</strong>g. Teach<strong>in</strong>g Second<br />

Language Learners <strong>in</strong> the Ma<strong>in</strong>stream Classroom. Portsmouth, NH: He<strong>in</strong>emann.<br />

Gibbons, Paul<strong>in</strong>e (2009): English Learners Academic Literacy and Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g. Portsmouth,<br />

NH: He<strong>in</strong>emann.<br />

80


Symposium 9<br />

Silke Ruwisch<br />

Begründungsanforderungen im Mathematikunterricht der Grundschule<br />

Für die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Mathematik gilt Begründungskompetenz als wichtige Grundlage<br />

und wird <strong>in</strong> den Bildungsstandards von Beg<strong>in</strong>n an gefordert. Sie befähigt die Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler, sich aktiv und kritisch mit mathematischen Zusammenhängen ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />

Dabei müssen Begründungen im Mathematikunterricht sicher als spezifische<br />

Formen des Begründens verstanden werden. In der Regel werden sie <strong>in</strong> direktem Zusammenhang<br />

mit dem Beweisen gesehen.<br />

So ist <strong>in</strong> den Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss formuliert: „mathematische<br />

Argumentationen entwickeln (wie Erläuterungen, Begründungen, Beweise)“ (KMK 2003, S.<br />

11). Da im Grundschulunterricht ke<strong>in</strong>e formalen Beweise erwartet werden, die Standards<br />

jedoch als durchgängige Leitl<strong>in</strong>ien durch das gesamte mathematische Arbeiten gesehen<br />

werden, f<strong>in</strong>det sich dort als „Abschwächung“: „Mathematische Zusammenhänge erkennen<br />

und Vermutungen entwickeln – Begründungen suchen und nachvollziehen“ (KMK 2004, S.<br />

10).<br />

E<strong>in</strong>e begriffliche Klärung und somit Abgrenzung zwischen Argumentieren, Begründen, Erklären<br />

und Beweisen wird <strong>in</strong> der mathematikdidaktischen Literatur nur vere<strong>in</strong>zelt vorgenommen.<br />

Teilweise f<strong>in</strong>den sich die Begriffe, wie <strong>in</strong> den Bildungsstandards, gleichrangig nebene<strong>in</strong>ander<br />

aufgeführt, wenngleich letztlich dennoch „Beweisen“ damit geme<strong>in</strong>t sche<strong>in</strong>t (vgl. z.B. Reiss<br />

2001). E<strong>in</strong>e analytische Klärung dieses Begriffsnetzes nicht nur aus mathematikdidaktischer<br />

Sicht sondern gleichzeitig mit sprachwissenschaftlichem Fokus muss somit e<strong>in</strong>en ersten<br />

Schwerpunkt bei der Entwicklung e<strong>in</strong>es Kompetenzmodells mathematischen Begründens <strong>in</strong><br />

der Grundschule darstellen.<br />

Nach Bezold (2009) lässt sich das Begründen im Mathematikunterricht der Grundschule aus<br />

fachdidaktischer Sicht <strong>in</strong> vier Bauste<strong>in</strong>en des Argumentierens, welche <strong>in</strong> der Regel aufe<strong>in</strong>ander<br />

aufbauend zu verstehen s<strong>in</strong>d, verorten: Entdecken mathematischer Phänomene, Beschreiben<br />

mathematischer Entdeckungen, H<strong>in</strong>terfragen der Entdeckungen und Begründen<br />

der Entdeckungen.<br />

Begründungen im Mathematikunterricht vollziehen Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler sowohl mittels<br />

sprachlicher Darstellungen (mündlich und schriftlich) als auch mittels nicht-sprachlicher Darstellungen,<br />

z.B. mit Hilfe von Zeichnungen oder Material. Alle<strong>in</strong> schon die Stellung von Begründungen,<br />

welche zusätzlich zur Durchdr<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>es mathematischen Phänomens und<br />

dessen Beschreibung (auch diese bedient sich <strong>in</strong> der Regel sprachlicher Mittel) auch noch<br />

stützende Argumentationen notwendig werden lassen, weist auf den hohen Anforderungscharakter<br />

dieser Handlung h<strong>in</strong>. Zusätzlich muss konstatiert werden, dass Mathematik und<br />

damit auch das Unterrichtsfach <strong>in</strong> der Grundschule e<strong>in</strong> eigenes Denk- und Zeichensystem<br />

verwendet – dies ist <strong>in</strong> anderen Unterrichtsfächern ebenso, meist allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> späterem<br />

Schulalter. Damit gehen besondere verbal-sprachliche wie schrift-sprachliche Anforderungen<br />

e<strong>in</strong>her. Spezifiziert auf Begründungsanforderungen wird sowohl e<strong>in</strong>e syntaktisch „e<strong>in</strong>wandfreie“<br />

Verwendung dieses Symbolsystems erwartet, welches um metakognitive und/oder<br />

sprachliche Kompetenzen zu erweitern ist.<br />

Im Vortrag soll zum e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e genauere Begriffsklärung von Begründungen im Mathematikunterricht<br />

der Grundschule vorgenommen werden. Dazu wird Begründen als Vorstufe des<br />

Beweisens sowie als Element der mathematischen Fachsprache betrachtet und durch die<br />

Perspektive als Sprechhandlung e<strong>in</strong>erseits und die Abgrenzung zur Argumentation andererseits<br />

vertieft. Im Anschluss werden Indikatoren für Begründungsaufforderungen abgeleitet,<br />

die das Fundament für e<strong>in</strong>e erste Untersuchung mathematischer Schulbücher der 3. Klasse<br />

bildeten. Die Kategorien wie Ergebnisse sollen zur Diskussion gestellt werden.<br />

81


Symposium 9<br />

Literatur:<br />

KMK (Hrsg.) 2003: Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10).<br />

München: Luchterhand.<br />

KMK (Hrsg.) 2004: Bildungsstandards im Fach Mathematik für den Primarbereich (Jahrgangsstufe<br />

4). München, Neuwied: Luchterhand.<br />

Bezold, Angela (2009): Förderung von Argumentationskompetenzen durch selbstdifferenzierende<br />

Lernangebote – e<strong>in</strong>e Studie im Mathematikunterricht der Grundschule. Hamburg:<br />

Kovač.<br />

Reiss, Krist<strong>in</strong>a (2001): Argumentieren, Begründen, Beweisen im Mathematikunterricht. Bayreuth:<br />

Universität Projektserver SINUS.<br />

82


Symposium 9<br />

Petra He<strong>in</strong>richs<br />

Sprachliche Anforderungen und sprachliche Förderung im Philosophieunterricht<br />

Die sprachliche Förderung aller Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler ist mittlerweile als Aufgabe für alle<br />

Fächer formuliert. Didaktische Konzepte allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d noch rar und vornehmlich für das<br />

Fach Deutsch entwickelt. Auch die Philosophiedidaktik hat sich bislang noch nicht dadurch<br />

ausgezeichnet, die sprachlich besonders hohen Anforderungen an das Fach mit Konzeptionen<br />

zur sprachlichen Förderung federführend voranzutreiben. Sie konzentriert sich maßgeblich<br />

auf die Frage, ob der Unterricht eher bildungs- und identitätstheoretisch (Rehfus 1986)<br />

oder eher kommunikations- und praxisorientiert (Martens 2003) ausgerichtet se<strong>in</strong> sollte.<br />

Trotz e<strong>in</strong>er Weiterentwicklung dieser widerstreitenden Positionen (Henke 2000, Meyer 2010)<br />

und methodischer Ausdifferenzierung des Unterrichts (Wittschier 2010), stehen noch systematische<br />

Untersuchungen zu den Möglichkeiten und Grenzen sprachlicher Anforderungen <strong>in</strong><br />

Relation zum sprachlichen Förderbedarf des Faches aus. Dem möchte der vorliegende Beitrag<br />

theoretisch und mit unterrichtspraktischen Beispielen entgegenwirken.<br />

Zunächst soll das Dilemma des Philosophieunterrichts erörtert werden, e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> der<br />

Themen- und Textauswahl eng an der akademischen Lehre orientiert zu se<strong>in</strong>, aber im Zuge<br />

der jüngsten Oberstufenreformen immer weniger Relevanz als Abiturfach zu erfahren und<br />

andererseits e<strong>in</strong>e immer größere Bedeutung als Religionsersatzfach zu erlangen. Der Beitrag<br />

reflektiert anschließend <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es kurzen historischen Überblicks die Entwicklung<br />

des Philosophieunterrichts von den ersten gymnasialen Anfängen <strong>in</strong> der frühen Nachkriegszeit<br />

über Modellversuche <strong>in</strong> den 1980er und 1990er Jahren unter dem Stichwort der „K<strong>in</strong>derphilosophie“<br />

(Brün<strong>in</strong>g 1990, Henke/Schulze 2007) bis h<strong>in</strong> zur gegenwärtigen Etablierung des<br />

Faches <strong>in</strong> den meisten Bundesländern mit variierenden Inhalten und unter unterschiedlichen<br />

Namen (Philosophie, Praktische Philosophie, Ethik, Werte und Normen u.a.). Schließlich<br />

wird der E<strong>in</strong>satz klassischer philosophischer Texte wie Platons „Höhlengleichnis“ oder aus<br />

Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ am Beispiel aktueller Unterrichtsmodelle aus<br />

der Philosophiedidaktik diskutiert. Im Zentrum stehen dabei Fragen nach der Umsetzbarkeit<br />

dieser Modelle <strong>in</strong> sprachheterogenen Lerngruppen und Perspektiven für e<strong>in</strong>en Philosophieunterricht,<br />

der den Gedanken sprachlicher Bildung auch unterrichtspraktisch durch sprachliche<br />

Förderung aller Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler realisiert.<br />

Literatur:<br />

Brün<strong>in</strong>g, Barbara (1990): „Was ist e<strong>in</strong>e philosophische Diskussion mit jüngeren K<strong>in</strong>dern?“ In:<br />

Camhy, Daniela (Hg.): Wenn K<strong>in</strong>der philosophieren. Leykam, Graz S. 109–112.<br />

Henke, Roland; Schulze, Matthias (2007): „Alternative Formen der Textarbeit“. In: »10 Jahre<br />

Praktische Philosophie« – Methodenvielfalt im Unterricht. Philosophieunterricht <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfahlen.<br />

Beiträge und Informationen Nr. 43. Hrsg. v. Fachverband Philosophie.<br />

Onl<strong>in</strong>e: URL http://www.fv-philosophie-nrw.de/Mitteilungen%20Nr%2043.pdf<br />

Martens, Ekkehard (2003): Methodik des Ethik- und Philosophieunterrichts. Philosophieren<br />

als elementare Kulturtechnik. Siebert, Hannover (5. Auflage 2010).<br />

Meyer, Kirsten (2010): „Didaktik der Philosophie. Über den Wert des Philosophierens und die<br />

Kunst, es zu lehren“. In: Dies (Hg.): Texte zur Didaktik der Philosophie. Reclam, Stuttgart<br />

S. 7–39.<br />

Rehfus, Wulf D. (1986): „Methodischer Zweifel und Metaphysik. Der bildungstheoretischidentitätstheoretische<br />

Ansatz“. In: Rehfus/Becker (Hg.): Handbuch des Philosophie-<br />

Unterrichts. Schwann, Düsseldorf.<br />

83


Symposium 9<br />

Rösch, Anita: Kompetenzorientierung im Philosophie- und Ethikunterricht: Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

Kompetenzmodells für die Fächergruppe Philosophie, Praktische Philosophie, Ethik, Werte<br />

und Normen, LER. Lit, Wien/Zürich/Berl<strong>in</strong> 2009.<br />

Wittschier, Michael (2010): Textschlüssel Philosophie. 30 Erschließungsmethoden mit Beispielen.<br />

Patmos, München.<br />

84


Symposium 9<br />

Maik Philipp<br />

Sprachlose Fächer? Probleme, Potenziale und Perspektiven der Lese- und<br />

Schreibförderung jenseits des Sprachunterrichts<br />

Die Zuständigkeiten für die Lese- und Schreibförderung sche<strong>in</strong>en klar verteilt: Die Fähigkeiten<br />

zum Umgang mit Schriftsprache werden im Deutschunterricht bis zum Ende der Grundschule<br />

vermittelt, und danach können alle Fächer das Lesen und Schreiben als Werkzeuge<br />

des Lernens nutzen. Dass diese Sichtweise naiv ist, zeigen nicht nur die Befunde aus Large-<br />

Scale-Studien zum Lesen und Schreiben, nach denen e<strong>in</strong> Großteil der Heranwachsenden zu<br />

ger<strong>in</strong>ge Lese- und Schreibkompetenzen aufweist und Schriftsprache weder rezeptiv noch<br />

produktiv zum Lernen nutzen kann (Bos et al., 2007; Naumann et al., 2010; Neumann &<br />

Lehmann, 2008; Persky et al., 2003; Salahu-D<strong>in</strong> et al., 2008). Auch die vielen domänenspezifischen<br />

Konventionen von Texten bilden Barrieren für Heranwachsende (Fang, 2006;<br />

Fang & Schleppegrell, 2010; Schleppegrell, 2007; Schleppegrell et al., 2004). H<strong>in</strong>zu kommen<br />

die Widerstände, aber auch Unsicherheiten von Lehrpersonen <strong>in</strong> Nicht-Sprachen-Fächern<br />

(Hall, 2005).<br />

Der Vortrag setzt an dieser Stelle an und will das Spannungsfeld von mangelnder Schriftsprach<strong>in</strong>struktion<br />

e<strong>in</strong>erseits und nachgewiesenermaßen wirksamen Lese- und Schreibförderung<br />

andererseits beleuchten. Dabei ist e<strong>in</strong>e streng empirische Perspektive leitend: Es<br />

werden Studienergebnisse zur Unterrichtsgestaltung von Lehrpersonen mit den Ergebnissen<br />

aus Interventionsstudien kontrastiert. Dadurch lassen sich mögliche Lösungswege skizzieren.<br />

Als besonders aussichtsreich gelten dabei die Vermittlung von Textsortenwissen und<br />

Lese- und Schreibstrategien <strong>in</strong>nerhalb der Fächer.<br />

Literatur:<br />

Bos, W., Valt<strong>in</strong>, R., Hornberg, S., Buddeberg, I., Goy, M. & Voss, A. (2007). Internationaler<br />

Vergleich 2006: Lesekompetenzen von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern am Ende der vierten<br />

Jahrgangsstufe. In W. Bos, S. Hornberg, K.-H. Arnold, G. Faust, L. Fried, E.-M. Lankes,<br />

K. Schwippert & R. Valt<strong>in</strong> (Hrsg.), IGLU 2006. Lesekompetenzen von Grundschulk<strong>in</strong>dern<br />

<strong>in</strong> Deutschland im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich (S. 109–160). Münster: Waxmann.<br />

Fang, Z. (2006). The Language Demands of Science Read<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Middle School. International<br />

Journal of Science Education, 28 (5), 491–520.<br />

Fang, Z. & Schleppegrell, M. J. (2010). Discipl<strong>in</strong>ary Literacies across Content Areas: Support<strong>in</strong>g<br />

Secondary Read<strong>in</strong>g through Functional Language Analysis. Journal of Adolescent<br />

& Adult Literacy, 53 (7), 587–597.<br />

Hall, L. A. (2005). Teachers and Content Area Read<strong>in</strong>g: Attitudes, Beliefs and Change.<br />

Teach<strong>in</strong>g and Teacher Education, 21 (4), 403–414.<br />

Naumann, J., Artelt, C., Schneider, W. & Stanat, P. (2010). Lesekompetenz von PISA 2000<br />

bis PISA 2009. In E. Klieme, C. Artelt, J. Hartig, N. Jude, O. Köller, M. Prenzel, W.<br />

Schneider & P. Stanat (Hrsg.), PISA 2009. Bilanz nach e<strong>in</strong>em Jahrzehnt (S. 23–71).<br />

Münster: Waxmann.<br />

Neumann, A. & Lehmann, R. H. (2008). Schreiben Deutsch. In DESI-Konsortium (Hrsg.),<br />

Unterricht und Kompetenzerwerb <strong>in</strong> Deutsch und Englisch. Ergebnisse der DESI-Studie<br />

(S. 89–103). We<strong>in</strong>heim: Beltz.<br />

Persky, H. R., Daane, M. C. & J<strong>in</strong>, Y. (2003). The Nation’s Report Card: Writ<strong>in</strong>g 2002. Wash<strong>in</strong>gton:<br />

National Center for Education.<br />

85


Symposium 9<br />

Salahu-D<strong>in</strong>, D., Persky, H. & Miller, J. (2008). The Nation’s Report Card: Writ<strong>in</strong>g 2007: National<br />

Assessment of Educational Progress at Grades 8 and 12. Wash<strong>in</strong>gton: National<br />

Center for Education.<br />

Schleppegrell, M. J. (2007). The L<strong>in</strong>guistic Challenges of Mathematics Teach<strong>in</strong>g and Learn<strong>in</strong>g:<br />

A Research Review. Read<strong>in</strong>g & Writ<strong>in</strong>g Quarterly, 23 (2), 139–159.<br />

Schleppegrell, M. J., Achugar, M. & Oteíza, T. (2004). The Grammar of History: Enhanc<strong>in</strong>g<br />

Content-Based Instruction through a Functional Focus on Language. TESOL Quarterly,<br />

38 (1), 67–93.<br />

86


Symposium 9<br />

Barbara Schmidt-Thieme<br />

Kugeln, Bälle, Sphären und Seifenblasen. Mathematische Fachwörter im<br />

Varietätenkont<strong>in</strong>uum des Klassenzimmers<br />

Der Fachwortschatz der Mathematik hat sich im jahrhundertelangen Gebrauch der Sprache<br />

zur Aneignung und Vermittlung mathematischen Wissens herausgebildet. Er dient Experten<br />

des Faches hervorragend zur Darstellung und Kommunikation über Mathematik. Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler als Lernende der Mathematik müssen sich diesen Wortschatz jedoch zusammen<br />

mit dem mathematischen Wissen aneignen. Der Fachspracherwerb geht <strong>in</strong> Unterrichtssituationen<br />

also verschränkt mit dem Wissenserwerb e<strong>in</strong>her, den Lehrenden stellen<br />

sich daher als Moderator <strong>in</strong> diesem doppelten Erwerbsprozess besondere Aufgaben.<br />

Im Vortrag sollen zum e<strong>in</strong>en Fachwörter/Fachterm<strong>in</strong>i als Bestandteil der Fachsprache Mathematik<br />

beschrieben werden und deren Fachspezifik im horizontalen Vergleich mit anderen<br />

Fächern herausgearbeitet werden (z.B. Übergang von Beschreibung zu Setzung/Def<strong>in</strong>ition;<br />

axiomatischlogische Struktur; hohe Konsensualität; Symbole und Variablen). Zum anderen<br />

werden diese Fachterm<strong>in</strong>i vertikal <strong>in</strong>s klassenzimmer<strong>in</strong>terne Varietätenkont<strong>in</strong>uum e<strong>in</strong>gegliedert<br />

(z.B. Fachsprache, Bildungssprache, Umgangssprache). An Videomitschnitten wird anschließend<br />

beispielhaft verfolgt, wie Fachterm<strong>in</strong>i neben anderen Wörtern bei der Wissensaneignung<br />

und Begriffsbildung durch Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler benutzt werden bzw. wie Lehrende<br />

durch sprachliche Handlungen und besondere Wortwahl diesen Prozess unterstützen.<br />

87


Symposium 9<br />

Sven Oleschko<br />

Fachsprache Gesellschaftswissenschaften – Welche potentiellen sprachlichen<br />

Schwierigkeiten birgt der Geschichts- und Politikunterricht?<br />

Welche fachspezifischen Textmuster existieren im Politikunterricht? Und welche Schwierigkeiten<br />

bereiten bestimmte Operatoren sprachschwachen Lernenden? Diese und weitere<br />

Fragen s<strong>in</strong>d durch Fachdidaktik, aber auch Fachwissenschaft bisher unbeantwortet. Der Zusammenhang<br />

von fachlichem und sprachlichem Lernen <strong>in</strong> den gesellschaftswissenschaftlichen<br />

Fächern (Geschichte, Politik/Sozialwissenschaften) ist <strong>in</strong> der empirischen und theoretischen<br />

Forschung unterrepräsentiert. Anders als <strong>in</strong> der Fachdidaktik der Mathematik und der<br />

Naturwissenschaften ist die sprachsensible Unterrichtsgestaltung im Fachunterricht Geschichte<br />

und Politik/Sozialwissenschaften noch nicht im Fokus der Forschung. Dabei ist vor<br />

allem der Geschichts- und Politikunterricht durch besondere sprachliche Anforderungen gekennzeichnet,<br />

die so <strong>in</strong> anderen Fächern kaum bis gar nicht existieren.<br />

Aufgrund der Bezugsdiszipl<strong>in</strong>en (Politikwissenschaft, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften)<br />

und des Bezugs zur politischen Wirklichkeit (Reden von Politikern u.ä.) besitzt der Fachunterricht<br />

Politik unterschiedliche Fachsprachen. Aber nicht nur diese größere Varianz bereitet<br />

Schwierigkeiten, sondern vor allem der Individualstil der Autoren. Für soziologische Studiene<strong>in</strong>gangstexte<br />

hat dies bereits Schröder (1988) nachgewiesen, erste Analysen zeigen aber,<br />

dass der Individualstil auch für Schulbuchtexte (vgl. Oleschko/Moraitis <strong>2012</strong>) zu konstatieren<br />

ist. Hier werden Fachbegriffe une<strong>in</strong>heitlich e<strong>in</strong>geführt und unterschiedlich verwendet. Diese<br />

Tatsache führt dazu, dass Lernende Fachterm<strong>in</strong>i als Vokabeln oder Lernwörter aufbekommen.<br />

E<strong>in</strong>e erste eigen durchgeführte Vorstudie zur Sprachsensibilisierung von Politiklehrenden<br />

zeigt, dass Fachkonzepte, die h<strong>in</strong>ter Begriffen stehen, seltener als Schwierigkeit erkannt<br />

werden als die konkreten Begriffe, die diese repräsentieren.<br />

Neben der Wortebene bereiten aber auch fachspezifische Textsorten Schwierigkeiten. Im<br />

Politikunterricht wird e<strong>in</strong>e Vielzahl von Textsorten e<strong>in</strong>gesetzt: Zu den klassischen zählen Zeitungstexte,<br />

Kommentare, Flugblätter, Leserbriefe u.a. (vgl. Weißeno 1993: 17), aber auch<br />

diskont<strong>in</strong>uierliche Texte und grafische Darstellungen wie Schaubilder, Diagramme u.a. (vgl.<br />

Oleschko <strong>2012</strong>: 50). Schaubild- und Kartenbeschreibungen, die über den Operator beschreibe<br />

gefordert werden, können von Lernenden des Anfangsunterrichts (5. und 6. Klasse) kaum<br />

zielsprachlich geleistet werden. Für e<strong>in</strong>e nicht ausreichende Aufgabenlösung s<strong>in</strong>d sowohl<br />

Schwierigkeiten mit der Rezeption des Schaubildes/der Karte als auch fehlendes Textsortenwissen<br />

verantwortlich. Visuelle Darstellungen (Bilder) als Impuls zur sprachsensiblen Unterrichtsgestaltung<br />

im Fach Geschichte werden seit mehreren Semestern an der Universität<br />

Duisburg-Essen <strong>in</strong> Kooperation mit dem Projekt ProDaZ, dem Arbeitsbereich DaZ/DaF, dem<br />

Historischen Institut und der Fachdidaktik Geschichte <strong>in</strong> Pilotveranstaltungen untersucht und<br />

deren unterrichtliche Umsetzung erprobt. Ziel dieser Pilotveranstaltungen ist es, <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är<br />

den untrennbaren Zusammenhang von fachlichem und sprachlichem Lernen zu erforschen<br />

und zu erarbeiten, wie konkret e<strong>in</strong> solcher Fachunterricht gestaltet se<strong>in</strong> kann. Studierende<br />

werden dabei für ihre spätere Berufspraxis sensibilisiert und erhalten Impulse, wie der<br />

Fachunterricht für sprachlich heterogene Lerngruppen gestaltet werden kann. Im Rahmen<br />

des Vortrags werden empirische Ergebnisse zur Sprachsensibilität von Lehrkräften des Politikunterrichts,<br />

Schwierigkeiten mit der Bearbeitung von Schaubildaufgaben und Erfahrungen<br />

aus den Kooperationssem<strong>in</strong>aren vorgestellt. Dabei stehen potentielle sprachliche Schwierigkeiten<br />

des Politik- und Sozialwissenschaftsunterrichts im Fokus der Betrachtung. Es soll aufgezeigt<br />

werden, dass die Beschäftigung mit der Fachsprache des Politikunterrichts untrennbar<br />

zu dem fachlichen Lernen zusammengehört und es verstärkt theoretischer und empirischer<br />

Unterrichtsforschung zu diesem Themenbereich bedarf.<br />

88


Symposium 9<br />

Literatur:<br />

Oleschko, Sven (<strong>2012</strong>): Mit Texten politisch handeln. Fachliches und sprachliches Lernen im<br />

Politikunterricht am Beispiel der Sprachvielfalt an Schulen. In: Praxis Politik. Heft 2/<strong>2012</strong>.<br />

S. 50–55.<br />

Oleschko, Sven/Moraitis, Anastasia (<strong>2012</strong>): Die Entwicklung von Sprache und Bildern <strong>in</strong> Geschichts-<br />

und Politikschulbüchern. In: Bildungsforschung. E<strong>in</strong>gereicht.<br />

Schröder, Hartmut (1988): Aspekte e<strong>in</strong>er Didaktik/Methodik des fachbezogenen Fremdsprachenunterrichts<br />

(Deutsch als Fremdsprache). Unter besonderer Berücksichtigung sozialwissenschaftlicher<br />

Fachtexte. Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. Bern: Verlag Peter Lang.<br />

Weißeno, Georg (1993): Über den Umgang mit Texten im Politikunterricht. Didaktischmethodische<br />

Grundlegung. Schwalbach: Wochenschau Verlag.<br />

89


Symposium 9<br />

Lena He<strong>in</strong>e<br />

Sprachbewusstheit von Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern der Sachfächer und Konsequenzen<br />

für die Lehrerausbildung<br />

Obwohl sich <strong>in</strong> den schulischen Fächern mehr und mehr die E<strong>in</strong>sicht durchsetzt, dass fachliche<br />

Kompetenzen auch sprachlich-kommunikative Kompetenzdimensionen umfassen, wirkt<br />

sich dies jedoch bisher noch nicht spürbar auf die unterrichtliche Praxis aus. Dies ist wenig<br />

überraschend, fehlt es doch – auf Ausnahmen abgesehen, vgl. Leisen 2010, Tajmel 2010 –<br />

sowohl <strong>in</strong> der Lehrerausbildung als auch <strong>in</strong> verfügbaren Lehrwerken noch weitgehend an<br />

konkreten H<strong>in</strong>weisen und Handreichungen dazu, wie spezifische sprachliche Kompetenzen<br />

für das jeweilige Sachfach erfasst und wie diese <strong>in</strong> Unterrichtskontexten angebahnt werden<br />

können.<br />

Dieser Beitrag beg<strong>in</strong>nt mit der Annahme, dass e<strong>in</strong> Bewusstheit für schulisch-fachliche<br />

Sprachanforderungen e<strong>in</strong>e Schlüsselkompetenz für Schulerfolg darstellen, und dass<br />

„[l]anguage awareness […] beg<strong>in</strong>s with teacher language awareness“ (Breidbach, Elsner &<br />

Young 2010: 12). Aus diesem Grund soll die Lehrendenperspektive <strong>in</strong> den Fokus gerückt<br />

werden. Es werden Ergebnisse e<strong>in</strong>er Interviewstudie präsentiert, <strong>in</strong> der Sachfachlehrer<strong>in</strong>nen<br />

und -lehrer verschiedener Schulformen nach ihrem Verständnis von fachspezifischen<br />

Sprachanforderungen befragt wurden. Hierbei war es e<strong>in</strong>erseits das Ziel, die subjektiven<br />

Theorien der Lehrenden bezüglich fachspezifischer Sprachdimensionen ihrer Fächer zu erheben,<br />

andererseits ihre Bedürfnisse an Aus- und Weiterbildungsangeboten bezüglich ihrer<br />

Rolle als Sprachförderer zu eruieren.<br />

Die aus den Interviews entnommenen Desiderate werden im Kontext derzeitiger Lehrerausbildungskonzepte<br />

diskutiert und theoretisch fundierte Vorschläge für Weiterentwicklungen<br />

abgeleitet, wobei auch auf die subjektiv empfundenen Desiderata von Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern<br />

e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />

Literatur:<br />

Breidbach, S., Elsner, D. & Young, A. (2010). Language awareness <strong>in</strong> teacher education:<br />

cultural-political and social-educational dimensions. In: Breidbach, S., Elsner, D. & Young,<br />

A. (Hrsg.), Language Awareness <strong>in</strong> Teacher Education. Frankfurt a.M.: Lang, 11–18.<br />

Leisen, Josef (2010). Handbuch Sprachförderung im Fach. Sprachsensibler Fachunterricht <strong>in</strong><br />

der Praxis. Bonn: Varus.<br />

Tajmel, Tanja (2011). Sprachliche Lernziele des naturwissenschaftlichen Unterrichts. Universität<br />

Duisburg-Essen, Projekt ProDaZ.<br />

http://www.uni-due.de/prodaz/sek_1_2_berufskolleg.php [zuletzt gesehen am 15.03.<strong>2012</strong>]<br />

90


Symposium 9<br />

Magdalena Michalak und Sab<strong>in</strong>e Stephany<br />

Sprache als Medium des Lehrens und Lernens <strong>in</strong> allen Fächern – e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung<br />

Sprache ist im Schulunterricht nicht nur Lerngegenstand, Sprache ist immer auch Lernmedium,<br />

denn Lern<strong>in</strong>halte werden über Sprache vermittelt. Das Beherrschen der Unterrichtssprache<br />

ist daher Voraussetzung für erfolgreiches Lernen <strong>in</strong> der Schule.<br />

Forschungsarbeiten der letzten Jahre haben zwar e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen Sprachkompetenz<br />

und Schulerfolg aufgezeigt (vgl. PISA, SOKKE, IGLU, TIMSS, VERA), welche<br />

spezifischen sprachlichen Fähigkeiten von der Schule jedoch genau gefordert werden, bleibt<br />

vielfach noch vage. Erste Antworten darauf geben die Konzepte der alltäglichen Wissenschaftssprache<br />

(Ehlich, 1999), der Bildungssprache (Gogol<strong>in</strong>, u.a. 2011) und der Schulsprache<br />

(Feilke, 2011) bzw. für den englischen Sprachraum u.a. das Konzept der „language of<br />

school<strong>in</strong>g“ (Schleppegrell, 2004). E<strong>in</strong>e detaillierte, empirisch basierte, und vor allem systematische<br />

fachbezogene Beschreibung und Analyse schulsprachlicher Register steht für den<br />

deutschsprachigen Raum allerd<strong>in</strong>gs noch aus.<br />

Neben e<strong>in</strong>er l<strong>in</strong>guistischen Analyse der schulsprachlichen Register, müssen zusätzlich die<br />

Lernenden <strong>in</strong> den Blick gerückt werden. Denn für viele Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />

und aus bildungsfernen Schichten stellt das spezifische Register der Schule<br />

e<strong>in</strong>e große Hürde auf dem Weg zum Schulerfolg dar. Hier mangelt es an e<strong>in</strong>schlägigen Untersuchungen<br />

zu den aus den sprachlichen Anforderungen resultierenden Schwierigkeiten<br />

für die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler.<br />

Die Kenntnisse gerade dieser Schwierigkeiten s<strong>in</strong>d aber Voraussetzung für die gezielte Vermittlung<br />

und Förderung schulsprachlicher Kompetenzen. Diese Förderung muss dabei Aufgabe<br />

nicht nur des Deutsch- oder des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts se<strong>in</strong>, sondern<br />

gerade auch des Fachunterrichts, denn nur so kann den spezifischen Anforderungen des<br />

Fachunterrichts Rechnung getragen werden.<br />

Sprachförderung im Fachunterricht stellt die fachdidaktische Forschung vor große Herausforderungen:<br />

Benötigt werden Modelle und Methoden, die e<strong>in</strong>en „sprachsensiblen“ Fachunterricht<br />

ermöglichen, <strong>in</strong>dem schulsprachliche Kompetenzen auf- und ausgebaut werden, ohne<br />

Fach<strong>in</strong>halte zu vere<strong>in</strong>fachen oder zu vernachlässigen. Diese Konzepte müssen aber zugleich<br />

zeitökonomisch und für Fachlehrkräfte, die höchstens über l<strong>in</strong>guistisches und sprachdidaktisches<br />

Grundlagenwissen verfügen, umsetzbar se<strong>in</strong>.<br />

Als E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Thema des Symposions soll zunächst e<strong>in</strong> Überblick gegeben werden<br />

über den Stand der Forschung im H<strong>in</strong>blick auf die Bedeutung und Funktion von Sprache im<br />

Fachunterricht. Dabei wird zudem auf die sprachlichen Anteile e<strong>in</strong>gegangen, die <strong>in</strong> den Curricula<br />

der verschiedenen Schulfächer beschrieben werden. Daraus entstehende Schwierigkeiten<br />

von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern werden exemplarisch anhand von Schülerbeispielen<br />

aufgezeigt.<br />

Abschließend wird gezeigt, wie e<strong>in</strong>e mögliche theoretische Verzahnung von deutschdidaktischen<br />

Modellen und anderen Fachdidaktiken aussehen könnte und welche Konsequenzen<br />

sich daraus für die Lehrerbildung ergeben.<br />

Literatur:<br />

Ehlich, K. (1999). Alltägliche Wissenschaftssprache. In: Info DaF 26/1, 3–24.<br />

Feilke, H. (2011). Schulsprache – Wie Schule Sprache macht. In Günther, S. et al. (Hrsg.).<br />

Kommunikation und Öffentlichkeit. Sprachwissenschaftliche Potenziale zwischen Empirie<br />

und Norm (i. E.).<br />

91


Symposium 9<br />

Gogol<strong>in</strong>, I. & Lange, I. (2011). Bildungssprache und durchgängige Sprachbildung. In: Fürstenau,<br />

S. & Gomolla, M. (Hrsg.): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit.<br />

Wiesbaden: VS, 107–129.<br />

Schleppegrell, M.J. (2004). The Language of School<strong>in</strong>g. A Functional L<strong>in</strong>guistics perspective.<br />

New York, London: Routledge.<br />

92


Symposium 10<br />

Gundula Gwenn Hiller und Claus Ehrhardt<br />

Kommunikative Herausforderungen <strong>in</strong> der Hochschullehre vor dem H<strong>in</strong>tergrund von<br />

Internationalisierung und Diversität<br />

Obwohl Mobilität und Internationalisierung im wissenschaftlichen Bereich stetig zunehmen,<br />

s<strong>in</strong>d bislang weder wahrnehmbare Fachdiskussionen noch explizite Forschung über die damit<br />

verbundenen <strong>in</strong>terkulturellen hochschuldidaktischen Herausforderungen für Lehrende <strong>in</strong><br />

Ersche<strong>in</strong>ung getreten. Dies verwundert <strong>in</strong>sofern, als die alltägliche Praxis zeigt, dass die<br />

Internationalisierung viele Herausforderungen für Lehrende mit sich br<strong>in</strong>gt. Über <strong>in</strong>stitutionell<br />

bed<strong>in</strong>gte adm<strong>in</strong>istrative Hürden h<strong>in</strong>aus lässt sich e<strong>in</strong>e beachtliche Reihe an kommunikativen<br />

Prozessen identifizieren, die durch die Kollision unterschiedlicher akademischer Systeme,<br />

Diskursformen und Praktiken entstehen und den Betroffenen Schwierigkeiten bereiten. In<br />

diesem Beitrag soll e<strong>in</strong> Ausschnitt aus e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternationalen Forschungsprojekt zu akademischen<br />

Wissenskulturen vorgestellt werden. Zunächst werden überblicksartig verschiedene<br />

Kommunikationsbereiche e<strong>in</strong>schließlich Textsorten betrachtet, die besonders <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Interaktionssituationen häufig fehlerhafte sprachliche Realisierungen (z.B. von Anliegen),<br />

Fehlkommunikation, Missverständnisse oder auch Kommunikationsabbrüche mit sich br<strong>in</strong>gen.<br />

Hierzu gehören etwa Sem<strong>in</strong>arkommunikation, Sprechstunden- oder Beratungsgespräche,<br />

Prüfungen, Abschlussarbeiten, Gutachten, usw.<br />

Im nächsten Schritt wird am Beispiel e<strong>in</strong>er empirischen Untersuchung von E-Mail-<br />

Kommunikation zwischen Lehrenden und <strong>in</strong>ternationalen Studierenden aufgezeigt, welches<br />

Missverständnispotential diese <strong>in</strong> der Hochschulkommunikation alltägliche und häufig verwendete<br />

Kommunikationsform <strong>in</strong> sich birgt. Der Korpus umfasst E-Mails, die von den an<br />

deutschen Hochschulen Lehrenden als nicht angemessen, unhöflich, irritierend oder e<strong>in</strong>fach<br />

kurios angesehen wurden. Die Analyse fragt danach, welche sprachlichen Faktoren zu diesem<br />

E<strong>in</strong>druck geführt haben. Es manifestieren sich hier e<strong>in</strong>e Reihe von sprachlichen Fehlgriffen<br />

(z.B. <strong>in</strong> der Wahl des sprachlichen Registers, unangemessene Anredeformen und<br />

Schlussformeln, fehlende Distanz, fehlende Abschwächung von Aufforderungen bzw. zu<br />

forscher Ton, unklare Zielformulierungen, zu lange und ausführliche Detailschilderungen<br />

etc.).<br />

Die sprachlichen Fehlhandlungen können zwar teilweise auch auf Unsicherheiten mit der<br />

benutzten Fremdsprache (<strong>in</strong> den hier genannten Beispielen deutsch und englisch) zurückgeführt<br />

werden, oder auch auf fehlende Normen für das relativ junge Medium E-Mail. Andererseits<br />

lassen h<strong>in</strong>ter diesen sprachlichen Äußerungen auch kulturell bed<strong>in</strong>gte Unterschiede <strong>in</strong><br />

Bezug auf kommunikative Handlungen, E<strong>in</strong>stellungen oder auch Erwartungen <strong>in</strong> Bezug auf<br />

Lehrende vermuten. Dazu gehören z.B. das Rollenverständnis von Studierenden/Lehrenden,<br />

die Fehle<strong>in</strong>schätzung von hierarchischen Beziehungen, Formen der Wissensvermittlung und<br />

-aneignung oder auch Erwartungen an die Institution Hochschule. Anhand dieser empirischen<br />

Beispiele wird somit aufgezeigt, wie unterschiedliche kulturelle Gegebenheiten Hochschulkommunikation<br />

zur Heruasforderung für Studierende und Lehrende werden, und aus<br />

<strong>in</strong>terkultureller Perspektive e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes, bislang weitgehend unerforschtes Praxisfeld<br />

darstellen. Insgesamt möchte die hier erwähnte <strong>in</strong>ternational angelegte Studie neue Erkenntnisse<br />

zur Entwicklung und Vertiefung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terkulturellen Hochschuldidaktik leisten,<br />

die e<strong>in</strong>gedenk der zunehmenden Internationalisierung und Diversität <strong>in</strong> der deutschen Hochschullandschaft<br />

an Bedeutung gew<strong>in</strong>nt.<br />

93


Symposium 10<br />

Literatur:<br />

Bachmann-Ste<strong>in</strong>, Andrea (2011): „Kommunikationsform E-Mail <strong>in</strong> der Institution ‚Hochschule‘<br />

zwischen Distanzierung und Ent-Distanzierung.“ In: Birkner, Kar<strong>in</strong> & Dorothee Meer<br />

(Hrsg.): Institutionalisierter Alltag. Mündlichkeit und Schriftlichkeit <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />

Praxisfeldern. Mannheim: Verlag für Gesprächsforschung, S. 149–166.<br />

Economidou-Kogetsidis, Maria (2011): „Please answer me as soon as possible“: Pragmatic<br />

failure <strong>in</strong> non-native speakers’ e-mail requests to faculty. Journal of pragmatics 43 (2011)<br />

3193–3215.<br />

94


Symposium 10<br />

Adelheid Schumann<br />

Zur Untersuchung von Akademischen Kulturen mit Hilfe von Critical Incidents<br />

Die Internationalisierung der deutschen Hochschulen führt dazu, dass die universitäre Kommunikation<br />

immer stärker von Multikulturalität und Mehrsprachigkeit geprägt ist, was nicht<br />

nur Verständigungsprobleme sprachlicher Art mit sich br<strong>in</strong>gt, sondern sich auf alle Bereiche<br />

des universitären Lebens auswirkt. Die <strong>in</strong>terkulturellen Kommunikationsprobleme, die durch<br />

diese Entwicklung entstehen, werfen e<strong>in</strong>e Reihe von Fragen auf:<br />

• Welche Differenzen <strong>in</strong> Akademischen Kulturen können bei den <strong>in</strong>ternationalen Studierenden<br />

zu Missverständnissen führen?<br />

• Welche unterschiedlichen Konzepte der Wissensvermittlung und Wissensrepräsentation<br />

lassen sich ermitteln?<br />

• Wie entstehen <strong>in</strong>terkulturelle Missverständnisse <strong>in</strong> der Beziehung zwischen Dozenten und<br />

Studierenden bzw. zwischen deutschen und <strong>in</strong>ternationalen Studierenden?<br />

• Wie wirken sich <strong>in</strong>terkulturelle Missverständnisse auf Studienverlauf und Studienerfolg der<br />

<strong>in</strong>ternationalen Studierenden aus?<br />

• Welche Maßnahmen ersche<strong>in</strong>en geeignet, <strong>in</strong>ternationale Studierende besser <strong>in</strong> die Akademische<br />

Kultur <strong>in</strong> Deutschland zu <strong>in</strong>tegrieren?<br />

Ich möchte e<strong>in</strong> Forschungsprojekt präsentieren, das es sich zum Ziel gesetzt hat, <strong>in</strong>terkulturelle<br />

Missverständnisse <strong>in</strong> der universitären Kommunikation mit Hilfe von Critical Incidents<br />

als empirischem Erhebungs<strong>in</strong>strument zu untersuchen und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsverfahren zur Integration<br />

<strong>in</strong>ternationaler Studierender zu entwickeln. Dabei werden das wissenschaftliche Potenzial<br />

von Critical Incidents und die Forschungsmethoden des Projektes vorgestellt und anhand<br />

von Beispielen erläutert.<br />

Im Fokus dieses Vortrags soll jedoch vor Allem die Frage stehen, welchen Beitrag die Untersuchung<br />

zur Analyse von <strong>in</strong>terkulturellen Differenzen <strong>in</strong> Akademischen Kulturen leisten kann<br />

und welche Unterschiede <strong>in</strong> der Art der Wissensvermittlung und Wissensaneignung, der<br />

Verhaltensnormen <strong>in</strong> Lehrveranstaltungen, der Beziehung zwischen Studierenden und Dozenten,<br />

den Formen der studentischen Zusammenarbeit <strong>in</strong> Arbeitsgruppen etc. E<strong>in</strong>fluss auf<br />

die Studienverläufe <strong>in</strong>ternationaler Studierender haben. Dabei wird die Analyse von <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Differenzen dazu genutzt, Aufschlüsse über Verhaltens- und Diskurskonventionen <strong>in</strong><br />

kontextspezifischen akademischen Situationen, wie Lehrveranstaltungen, Sprechstunden<br />

und Arbeitsgruppen, zu ermitteln.<br />

95


Symposium 10<br />

Stephan Wolt<strong>in</strong>g<br />

Kulturelle akademische Stile? – Überlegungen zum Wechselverhältnis von Lehr<strong>in</strong>stitutionen,<br />

Lerntraditionen und akademischer Kommunikation<br />

Der Begriff „Stil“ gilt als e<strong>in</strong>er der umstrittensten wie häufig gebrauchten Begriffe <strong>in</strong>nerhalb<br />

der <strong>in</strong>ternationalen scientific community, der nicht zuletzt im H<strong>in</strong>blick auf unterschiedliche<br />

kulturelle kommunikative Stile se<strong>in</strong>e Anwendung f<strong>in</strong>det. Innerhalb dieses Beitrags soll es um<br />

die Frage gehen, <strong>in</strong>wieweit der Begriff im kulturkontrastiven Bereich operationabel ist, <strong>in</strong>sbesondere<br />

unter E<strong>in</strong>bezug der Wechselwirkung von <strong>in</strong>stitutionellen akademischen Vorgaben<br />

und sich daraus entfaltender und wieder zurück wirkender Lehr- und Lernkommunikation.<br />

In S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Komplementarität von Mikro- und Makroanalysen sollen erste Ergebnisse e<strong>in</strong>es<br />

mult<strong>in</strong>ationalen Projekts zur akademischen „Wissensproduktion“ (e<strong>in</strong> Begriff von Richard<br />

Münch) vorgestellt werden, das sich zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>haltlich an Claus Leggewies ‚Die akademische<br />

H<strong>in</strong>tertreppe – Kle<strong>in</strong>es Lexikon des wissenschaftlichen Kommunizierens’ orientiert und<br />

Subphänomene und Subbegriffe zu Stil mit e<strong>in</strong>bezieht, was sich auf e<strong>in</strong> Thema der <strong>GAL</strong>-<br />

Tagung „Wörter <strong>in</strong> kulturellen und sozialen Kontexten“ bezieht.<br />

Methodisch wird sich zum e<strong>in</strong>en an Diskursanalyse, <strong>in</strong>terkultureller Hermeneutik sowie Studien<br />

zum erweiterten Textbegriff angelehnt, zum anderen an die Untersuchungen von Elias<br />

und Bourdieu zum Habitusbegriff angeknüpft. Im strengen S<strong>in</strong>ne handelt es sich also um e<strong>in</strong><br />

Projekt, das über den re<strong>in</strong> l<strong>in</strong>guistischen Rahmen h<strong>in</strong>ausweist und <strong>in</strong> S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Zugangs Ergebnisse der Soziologie, der (<strong>in</strong>terkulturellen) Hermeneutik, der Phänomenologie,<br />

aber auch der Kultursemiotik, der Systemanalyse sowie der Hirnforschung mit<br />

e<strong>in</strong>bezieht. Methodisch soll <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie qualitativ empirisch, kulturkontrastiv, emisch sowie<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ergänzenden S<strong>in</strong>ne deskriptiv-phänomenologisch vorgegangen werden. Am Beispiel<br />

ausgesuchter Bereiche wie z.B. Sem<strong>in</strong>arkommunikation (mündlich) oder Qualifizierungsarbeiten<br />

(schriftlich) soll auf je kulturspezifische Arten der wissenschaftlichen Interaktion<br />

aufmerksam gemacht und Ergebnisse der oben genannten Studie vorgestellt werden.<br />

Dabei soll so „dicht“ wie möglich „beschrieben“ werden und deutlich zwischen kulturellem<br />

H<strong>in</strong>tergrund, akademischem Bereich, aber auch nach anderen Variablen wie beruflicher Stellung,<br />

Alter und Geschlecht im H<strong>in</strong>blick auf die Hersausbildung e<strong>in</strong>es „funktionalen Stils“ etc.<br />

differenziert werden.<br />

96


Symposium 10<br />

Annelie Knapp<br />

Englisch als L<strong>in</strong>gua franca <strong>in</strong> der Hochschullehre: Probleme, Lösungsansätze und<br />

Forschungsdesiderate<br />

Im Zuge der fortschreitenden Internationalisierung des Studiums f<strong>in</strong>den Lehrveranstaltungen<br />

an deutschen Hochschulen zunehmend auch <strong>in</strong> englischer Sprache statt. Lehrveranstaltungskommunikation<br />

ist damit immer häufiger auch L<strong>in</strong>gua-franca-Kommunikation. In diesem<br />

Vortrag wird anhand empirischer Daten exemplarisch gezeigt, welche Probleme Studierende<br />

und Lehrende mit der Verwendung von Englisch als L<strong>in</strong>gua franca <strong>in</strong> Lehrveranstaltungen<br />

haben, welche Strategien zur Lösung von Verständigungsproblemen sie e<strong>in</strong>setzen, wie sie<br />

ihre Mehrsprachigkeit als Ressource nutzen und welchen E<strong>in</strong>fluss die Wahl von Englisch als<br />

L<strong>in</strong>gua franca auf die Struktur von universitären Lehr-Lerndiskursen haben kann.<br />

Im zweiten Teil des Vortrags wird e<strong>in</strong>e Lehre<strong>in</strong>heit vorgestellt, mit der Studierende aller Fächer<br />

auf L<strong>in</strong>gua-franca-Kommunikation im Hochschulkontext vorbereitet werden sollen. Diese<br />

Lehre<strong>in</strong>heit wurde im Rahmen des Projekts „Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im<br />

Studium“ (MuMiS) an der Uni Siegen entwickelt und erprobt. E<strong>in</strong>e besondere Herausforderung<br />

bestand dabei dar<strong>in</strong>, auch Studierende nicht-sprachlicher Fächer für sprachlichkommunikative<br />

Aspekte ihres Studiums zu sensibilisieren und sie zur Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit dieser Thematik zu motivieren.<br />

Der Vortrag schließt mit Überlegungen zu weiterem Forschungsbedarf <strong>in</strong> Bezug auf englischsprachige<br />

Lehrveranstaltungen mit sprachlich und kulturell heterogenen Studierendengruppen.<br />

E<strong>in</strong>e grundlegende Annahme dabei ist, dass sich mit der Wahl von Englisch als<br />

Lehrveranstaltungssprache noch nicht alle Probleme sprachlicher und kultureller Heterogenität<br />

lösen. Kulturspezifische Merkmale kommunikativen Stils und das damit verbundene Missverständnispotenzial<br />

können auch bei der Verwendung von Englisch als L<strong>in</strong>gua franca erhalten<br />

bleiben, ebenso kulturbed<strong>in</strong>gt unterschiedliche Auffassungen von Lerner- und Lehrerrollen<br />

<strong>in</strong> der Interaktion. Besonderes Interesse muss der Frage nach dem Erfolg von Wissens-<br />

bzw. Kompetenzvermittlung über das Medium e<strong>in</strong>er Fremdsprache gelten: Verändern sich<br />

sprachlich-kommunikative Verfahren der Wissens – bzw. Kompetenzvermittlung durch die<br />

Lehrenden bei der Verwendung von Englisch als L<strong>in</strong>gua franca im Vergleich zur Wissens-<br />

bzw. Kompetenzvermittlung <strong>in</strong> der Muttersprache? Gel<strong>in</strong>gt es den Studierenden, Lernergebnisse<br />

zu erzielen, die sowohl quantitativ als qualitativ mit Ergebnissen e<strong>in</strong>es Studiums <strong>in</strong> ihrer<br />

Muttersprache vergleichbar s<strong>in</strong>d?<br />

97


Symposium 10<br />

Christoph Breitsprecher, Gabriella Carobbio, Dorothee Heller, Angelika Redder und<br />

Claudia Zech<br />

Diskursives Lernen <strong>in</strong> den Sozial- und Geisteswissenschaften – e<strong>in</strong> deutschitalienischer<br />

Vergleich<br />

Der Beitrag präsentiert Teilergebnisse des b<strong>in</strong>ationalen VW-Forschungsprojekts euroWiss –<br />

L<strong>in</strong>guistische Profilierung e<strong>in</strong>er europäischen Wissenschaftsbildung zum sprachlichen Handeln<br />

<strong>in</strong> der Hochschulkommunikation Italiens und Deutschlands.<br />

Nach e<strong>in</strong>er kurzen Bestimmung diskursiven Lernens werden dessen Ausprägungen <strong>in</strong> den<br />

Geistes- und Sozialwissenschaften anhand exemplarisch ausgewählter Transkriptausschnitte<br />

vorgestellt. Die Auswahl basiert auf der Durchsicht von Videoaufnahmen verschiedener<br />

Sitzungen dreißig deutscher und zehn italienischer Lehrveranstaltungen aus unterschiedlichen<br />

Phasen des Studiums.<br />

Im Fokus steht die Frage, wie die Lernenden jeweils <strong>in</strong> den Lehr-Lern-Diskurs <strong>in</strong>volviert werden.<br />

Wodurch zeichnet sich Involvierung aus? S<strong>in</strong>d rege Diskussionen notwendigerweise<br />

Ausdruck diskursiven Lernens? Welche anderen Formen gibt es neben der Sem<strong>in</strong>ardiskussion?<br />

Wie machen die Lehrtraditionen der beiden Länder davon Gebrauch?<br />

Diskutiert wird dabei auch, wodurch diese Formen strukturiert werden bzw. wo die Grenzen<br />

ihrer Entfaltbarkeit liegen. Insbesondere die <strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und<br />

-setzungen sowie die Wissensvoraussetzungen der Studierenden s<strong>in</strong>d hier zu berücksichtigen.<br />

98


Symposium 10<br />

Katr<strong>in</strong> L<strong>in</strong>demann<br />

Universitäre Lern-Kommunikation <strong>in</strong> virtuellen Räumen – Kommunikative Prozesse<br />

auf e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>teraktiven Lernplattform<br />

Beim E-Learn<strong>in</strong>g f<strong>in</strong>det die Kommunikation zwischen den Beteiligten vor allem <strong>in</strong> Form des<br />

Lesens und Schreibens von Texten <strong>in</strong> digitalen Umgebungen statt. Auch wenn es <strong>in</strong>zwischen<br />

e<strong>in</strong>e Fülle von Untersuchungen zur ‚Sprache im Internet‘ gibt, wissen wir über die kommunikativen<br />

Prozesse beim Onl<strong>in</strong>e-Lernen aus sprachwissenschaftlicher Sicht immer noch sehr<br />

wenig.<br />

Daher sollen im Vortrag auf Basis empirischer Beispiele Merkmale von Lern- und Wissens-<br />

Kommunikation <strong>in</strong> komplexen, <strong>in</strong>teraktiv konzipierten Onl<strong>in</strong>e-Lernumgebungen im Hochschulkontext<br />

fokussiert werden. Als Korpus dienen Beispiele der archivierten Kommunikation<br />

(Dateidiskussionen, Foren, Wikis, Aufgabenlösungen) aus dem E-Learn<strong>in</strong>g-Angebot „gi –<br />

Gesprächsanalyse <strong>in</strong>teraktiv“, e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>teraktiven, auf kollaboratives forschendes Lernen ausgerichteten<br />

Lehrveranstaltung, die am Deutschen Sem<strong>in</strong>ar der Universität Zürich entwickelt<br />

wurde und dort <strong>in</strong> der Lehre (L<strong>in</strong>guistik, BA/MA) e<strong>in</strong>gesetzt wird. Zur Untersuchung der Daten<br />

werden text- und gesprächsl<strong>in</strong>guistische Methoden verwendet, um den sowohl monologischen<br />

wie dialogischen Formen und der Spannung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit<br />

analytisch gerecht werden zu können.<br />

Im Rahmen des Vortrags werden kommunikative Strategien beschrieben, die die TeilnehmerInnen<br />

(Studierende, TutorInnen, Dozierende) beim Austausch über und zur Generierung<br />

von Wissen e<strong>in</strong>setzen. Dabei spielen z.B. soziale Positionierungen e<strong>in</strong>e Rolle, ebenso Strukturen<br />

und Funktionen von Fragen sowie kommunikative Prozesse beim kollaborativen<br />

Schreiben. Grundsätzlich s<strong>in</strong>d alle kommunikativen Strategien von Interesse, die im Zusammenhang<br />

mit der Aufgabenfokussierung e<strong>in</strong>gesetzt werden sowie beim Wechsel zwischen<br />

Aufgabenorientierung und ‚privater‘ Kommunikation.<br />

99


Symposium 10<br />

Beatrix Kreß<br />

„Was habt ihr Neues erfahren, wovon Ihr vorher nichts wusstet?“ Diskussionen im<br />

Unterricht unter der Bed<strong>in</strong>gung sprachlicher und kultureller Diversität (Diskussionen<br />

im außerschulischen Förderunterricht und <strong>in</strong> der Regelschule im kontrastiven<br />

Vergleich)<br />

Der geplante Beitrag setzt an bei der Frage, <strong>in</strong>wiefern kommunikative Gattungen <strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutionell<br />

wie kulturell unterschiedlich verorteten schulischen Kontexten differieren. Exemplarisch<br />

wird dies gezeigt anhand von russischsprachigem Förderunterricht <strong>in</strong> Deutschland im Vergleich<br />

zu deutschsprachigen Diskussionsformaten <strong>in</strong> der Regelschule. Ausgangslage: Wenn<br />

für die deutsche Regelschule kulturelle wie z.T. sprachliche Diversität angenommen werden<br />

kann, so gilt dies für die russischsprachigen Förderschulen auf freiwilliger Basis umso mehr.<br />

Gleichzeitig br<strong>in</strong>gen die Lehrenden ihre kommunikativen Praktiken <strong>in</strong> den Unterricht e<strong>in</strong>, die<br />

<strong>in</strong> jeweils unterschiedlichen (Aus-)Bildungssystemen (dem russischen und dem deutschen)<br />

erworben wurden. Im Fokus des Beitrag stehen daher folgende Fragestellungen:<br />

• Differieren Gespräche/Diskussionen im Unterricht <strong>in</strong> unterschiedlichen kulturellen und<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Kontexten?: Wie bewältigen Lehrende ihre Interaktionsaufgaben <strong>in</strong> Gesprächsformaten<br />

im Unterricht (Fragen zur Wissensmobilisierung, Strukturierung (Themenwechsel),<br />

Bewertung von Schüleraktivitäten) und differieren diese je nach Kontext?<br />

• Spielt kulturelle wie sprachliche Diversität im Klassenraum (sowohl h<strong>in</strong>sichtlich der Lehrenden<br />

gegenüber den Schülern als auch <strong>in</strong>nerhalb der Schülerschaft) <strong>in</strong> den Gesprächsformaten<br />

e<strong>in</strong>e Rolle und wenn ja, wie manifestiert sie sich und wie gehen die Beteiligten<br />

damit um?<br />

Der Untersuchung kann somit verstanden als e<strong>in</strong> Beitrag zur Frage nach unterschiedlichen<br />

„Diskussionskulturen“ sowie nach unterschiedlichen „Lehr- und Lernstilen“.<br />

Literatur:<br />

Glowka, D. (1995) Schulen und Unterricht im Vergleich: Russland/Deutschland. Münster:<br />

Waxmann.<br />

Umland, A. (Hrsg.) (2005) Geistes und sozialwissenschaftliche Hochschullehre <strong>in</strong> Osteuropa.<br />

E<strong>in</strong>drücke, Erfahrungen und Analysen deutscher Gastlektoren. E<strong>in</strong> Projekt des Lektorenprogramms<br />

der Robert-Bosch-Stiftung <strong>in</strong> Mittel- und Osteuropa. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> u.a.:<br />

Lang.<br />

100


Symposium 10<br />

Jochen Rehbe<strong>in</strong><br />

Politische Diskussionen im Fernsehen<br />

Es ist klar, dass <strong>in</strong> der spezifischen Diskursform „politischen Diskussion im Fernsehen“, die<br />

mehr und mehr sich zu e<strong>in</strong>er konstituierenden Diskursform moderner Demokratien entwickelt,<br />

die Beteiligten ihren jeweiligen Standpunkt weder ad hoc e<strong>in</strong>nehmen noch ad hoc ändern.<br />

Vielmehr wird präfabriziertes Wissen im jeweiligen Beitrag <strong>in</strong> sprachlicher Form abgerufen<br />

und aufgrund e<strong>in</strong>er negativen Instantiierung des Kulturellen Apparats verfestigt – zum<strong>in</strong>dest<br />

<strong>in</strong> propositional-argumentativer H<strong>in</strong>sicht. Sowohl Wissensstrukturen als auch Präsuppositionen<br />

werden kaum reflektiert. Dies macht die „politische Diskussion im Fernsehen“<br />

zu e<strong>in</strong>er hochgradig ideologischen Unternehmung, um nicht zu sagen, zu e<strong>in</strong>er Maskerade.<br />

Die nicht zu bestreitende Dynamik der Diskursform dürfte <strong>in</strong> der Komplexität der jeweiligen<br />

illokutiven Struktur der sprachlichen Handlungen zu suchen se<strong>in</strong>, durch die Angriff, Verteidigung,<br />

Ausgrenzung und Konsens sowie andere Elemente des „Kampfmodells“ <strong>in</strong>szeniert<br />

werden. Die Komplexität der illokutiven Struktur erfordert dabei e<strong>in</strong>e Erweiterung des traditionellen<br />

(nach Sprecher und Hörer begrenzt differenzierten) Aktanten-Modells, und zwar zum<br />

e<strong>in</strong>en mit Blick auf das, was „Öffentlichkeit“ genannt wird, zum andern mit Blick auf die (unterschiedliche)<br />

Verbalisierung von Emotion. Die Fragestellungen werden anhand konkreter<br />

Fälle, wenn möglich im Kulturvergleich, behandelt, die Methode verwendet das Vorgehen der<br />

funktional-pragmatischen Diskursanalyse <strong>in</strong> handlungstheoretischer Konzeption.<br />

Literatur:<br />

Holly, W. Kühn, P. & Püschel, U. (1989) Redeshows. Fernsehdiskussionen <strong>in</strong> der Diskussion.<br />

Tüb<strong>in</strong>gen: Niemeyer<br />

Rehbe<strong>in</strong>, Jochen (2006) The cultural apparatus. Thoughts on the relationship between language,<br />

culture and society. In: Krist<strong>in</strong> Bührig/Jan D. ten Thije (eds.) Beyond misunderstand<strong>in</strong>g,<br />

the l<strong>in</strong>guistic reconstruction of <strong>in</strong>tercultural discourse. Amsterdam and Philadelphia:<br />

John Benjam<strong>in</strong>s, 43–96<br />

Rehbe<strong>in</strong>, Jochen & Kameyama, Sh<strong>in</strong>ichi (2003) Pragmatik. Artikel 69 <strong>in</strong>: Ammon, Ulrich;<br />

Dittmar, Norbert; Mattheier, Klaus & Trudgill, Peter (eds.) ‘Sociol<strong>in</strong>guistics’/<br />

‘Soziol<strong>in</strong>guistik’. Berl<strong>in</strong> etc.: de Gruyter, 556–588<br />

101


Symposium 10<br />

Ulrike Schröder<br />

Gesellschaftsmetaphern im Sprachgebrauch: e<strong>in</strong>e vergleichende Untersuchung<br />

Aus der Sicht der Kognitiven Semantik (Lakoff & Johnson 1980; 1999) beziehen sich Metaphern<br />

ke<strong>in</strong>esfalls <strong>in</strong> deskriptivem S<strong>in</strong>ne auf e<strong>in</strong>e externe Welt, sondern nehmen die Rolle<br />

e<strong>in</strong>es Vermittlers zwischen Kognition und Sprache sowie zwischen Individuum und Gesellschaft<br />

e<strong>in</strong>. Folglich bilden sie e<strong>in</strong> zentrales Medium im H<strong>in</strong>blick auf kulturelle Variation (Köveceses<br />

2005), <strong>in</strong>dem sie Bilder <strong>in</strong> Umlauf br<strong>in</strong>gen, die sowohl epistemologische als auch<br />

pragmatische und handlungsleitende Funktion haben und konstitutiv für unsere Alltags<strong>in</strong>teraktionen<br />

s<strong>in</strong>d (Cameron 2008; Kohl 2007).<br />

Auf der Grundlage von vier verschiedenen Textgenres – schriftlichen und mündlichen Interviews,<br />

Onl<strong>in</strong>e-Zeitungsartikeln und Sachbüchern – war Ziel der empirischen Untersuchung<br />

herauszuf<strong>in</strong>den, wie das Konzept ‚Gesellschaft‘ heutzutage <strong>in</strong> der deutschen im Vergleich<br />

zur brasilianischen Kultur diskursiv erzeugt wird. In methodologischer H<strong>in</strong>sicht wurde bei der<br />

Analyse des Korpus auf die von der Pragglejaz Group (2007) entwickelte Methode zur Identifizierung<br />

metaphorischer Ausdrücke zurückgegriffen und im Anschluss daran zwischen types<br />

und tokens unterschieden, bevor <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt e<strong>in</strong>e qualitativ orientierte Untersuchung<br />

konkrete Kommunikationskontexte beleuchtete, um den Prozess der Generierung<br />

neuer Metaphern sowie deren Habitualisierung (Beckmann 2003) genauer <strong>in</strong> Augensche<strong>in</strong><br />

zu nehmen.<br />

Die Studie förderte folgende Ergebnisse zutage: In Übere<strong>in</strong>stimmung mit der Wahrnehmung<br />

der eigenen Gesellschaft als „<strong>in</strong> Bewegung geraten“ zeigt sich im deutschen Korpus e<strong>in</strong>e<br />

Tendenz zu dynamisierten und animierten Überlagerungen verschiedener Bildschemata<br />

(Kimmel 2005), wogegen die brasilianischen Primärmetaphern tendenziell statisch bleiben.<br />

Auf der Ebene komplexerer konzeptueller Metaphern kann man im brasilianischen Korpus<br />

e<strong>in</strong>e Präferenz für die Ausgangsdomänen FLORA, THEATER, FAMILIE und KRIEG beobachten,<br />

während im deutschen Korpus GESCHÄFT, GEBÄUDE, WETTKAMPF und BEOBACHTUNG häufiger<br />

verwendet werden.<br />

Neben konventionellen Metaphern, die diesen Ausgangsdomänen entspr<strong>in</strong>gen, kommt es<br />

sowohl <strong>in</strong> spezifischen Kommunikationssituationen zwischen den Interviewpartnern als auch<br />

<strong>in</strong> längeren Textpassagen des Schriftkorpus zur Erzeugung spezifischer metaphorischer<br />

Szenarien, die als ‚Diskursmetaphern‘ im aktuellen Handlungskontext emergieren (Z<strong>in</strong>ken &<br />

Musolff 2009; Cameron 2007). Das HAUS DER GESELLSCHAFT kann z.B. als propositionale<br />

Konkretisierung e<strong>in</strong>er Vermischung der Schemata VERTIKALITÄT, HIERARCHIE und CONTAINER<br />

<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit der konventionellen Metapher GEBÄUDE betrachtet werden, wobei das Zusammenspiel<br />

im jeweiligen Kommunikationskontext gleichsam neue metaphorische Ausdrücke<br />

hervorbr<strong>in</strong>gt. Demgegenüber f<strong>in</strong>den sich im brasilianischen Korpus weitaus häufiger<br />

Personifikationen, welche die Vorstellung von der eigenen Gesellschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong> plastisches<br />

Bild komprimieren, bei dem die Charaktereigenschaften <strong>in</strong> Form von Adjektivmetaphern e<strong>in</strong>e<br />

größere Rolle spielen als die Handlungsebene <strong>in</strong> Form von Verbmetaphern.<br />

Diese unterschiedliche Zeichnung der eigenen Gesellschaft führt uns neben e<strong>in</strong>er Betrachtung<br />

der aktuellen gesellschaftlichen Situation im jeweiligen Land auch zur Frage nach historisch-kulturell<br />

bed<strong>in</strong>gten ‚S<strong>in</strong>nformeln‘ und ‚Orientierungsmustern‘ (Geideck & Liebert 2003),<br />

womit die re<strong>in</strong> kognitive Perspektive um e<strong>in</strong>e diskursiv-funktionale Betrachtung der Ergebnisse<br />

erweitert wird.<br />

102


Symposium 10<br />

Literatur:<br />

BECKMANN, Susanne. Die Grammatik der Metapher. E<strong>in</strong>e gebrauchstheoretische Untersuchung<br />

des metaphorischen Sprechens. Tüb<strong>in</strong>gen: Max Niemeyer Verlag, 2001.<br />

CAMERON, Lynne. „Confrontation or complementarity? Metaphor <strong>in</strong> language use and cognitive<br />

metaphor theory“. In: Annual Review of Cognitive L<strong>in</strong>guistics, 5, 2007, 107–135.<br />

CAMERON, Lynne. „Metaphor and talk“. In: GIBBS, Raymond W. Jr. The Cambridge Handbook<br />

of Metaphor and Thought. Cambridge: Cambridge University Press, 2008, 197–211.<br />

GEIDECK, Susan & LIEBERT, Wolf-Andreas. S<strong>in</strong>nformeln. L<strong>in</strong>guistische und soziologische<br />

Analysen von Leitbildern, Metaphern und anderen kollektiven Orientierungsmustern. Berl<strong>in</strong>,<br />

New York: Walter de Gruyter, 2003.<br />

KIMMEL, Michael. „Culture rega<strong>in</strong>ed: situated and compound image schemas“. In: HAMPE,<br />

Beate & GRADY, Joseph E. From Perception to Mean<strong>in</strong>g. Image Schemas <strong>in</strong> Cognitive<br />

L<strong>in</strong>guistics. Berl<strong>in</strong>, New York: Mouton de Gruyter, 2005, 285–311.<br />

KOHL, Katr<strong>in</strong>. Metapher. Stuttgart, Weimar: Metzler, 2007.<br />

KÖVECSES, Zoltán. Metaphor <strong>in</strong> Culture. Universality and Variation. Cambridge: Cambridge<br />

University Press, 2005.<br />

LAKOFF, George & JOHNSON, Mark. Metaphors We Live By. Chicago: The University of<br />

Chicago Press, 1980.<br />

LAKOFF, George & JOHNSON, Mark. Philosophy <strong>in</strong> the Flesh. The Embodied M<strong>in</strong>d and its<br />

Challenge to Western Thought. New York: Basic Books 1999.<br />

PRAGGLEJAZ GROUP. „MIP: A method for identify<strong>in</strong>g metaphorically used words <strong>in</strong> discourse“.<br />

In: Metaphor and Symbol 22, 2007, 1–39.<br />

ZINKEN, Jörg & MUSOLFF, Andreas. „Metaphorical Mean<strong>in</strong>g & Understand<strong>in</strong>g“. In: MU-<br />

SOLFF, Andreas & ZINKEN, Jörg. Metaphor and Discourse. Hampshire: Palgrave<br />

Macmillan, 2009, 1–8.<br />

103


Symposium 11<br />

Reyhan Kuyumcu<br />

(Zweitsprachliche) Wörter, (erstsprachliches) Wissen?<br />

Der Erwerb und die Entwicklung des Wortschatzes im Vorschulalter bei zwei- und mehrsprachig<br />

aufwachsenden K<strong>in</strong>dern, die dem Deutschen ab dem E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>dergarten<br />

systematisch begegnen, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> schwierig zu erfassendes Gebiet. Denn die Begriffe <strong>in</strong> der<br />

Erstsprache unterliegen noch Umstrukturierungen und Neuorganisierungen, und die Wörter<br />

<strong>in</strong> der Zweitsprache werden auf der sich noch entwickelnden Grundlage der Erstsprache<br />

erworben (Apeltauer 2008).<br />

Offenbar orientieren sich zwei-/mehrsprachig aufwachsende K<strong>in</strong>der auch im weiteren Verlauf<br />

ihres Wortschatzerwerbs (<strong>in</strong> der Schule) an ihrer Erstsprache, was Lehrkräften als Ausdruckschwäche<br />

ersche<strong>in</strong>en mag (Schroeder 2009). Es ist daher wichtig, die Prozesse der<br />

wechselseitigen Bee<strong>in</strong>flussung von Erst- und Zweitsprache zu untersuchen, um Gebrauchsweisen<br />

von zwei-/mehrsprachig aufwachsenden K<strong>in</strong>dern besser nachvollziehen zu können.<br />

Anhand e<strong>in</strong>er longitud<strong>in</strong>alen Untersuchung bei Vorschulk<strong>in</strong>dern mit Erstsprache Türkisch und<br />

Zweitsprache Deutsch sollen <strong>in</strong> diesem Beitrag auf die Aneignungsprozesse von Wörtern bei<br />

zwei K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>gegangen und mögliche didaktische Konsequenzen diskutiert werden.<br />

Literatur:<br />

Apeltauer, Ernst (2008): „Wortschatz- und Bedeutungsentwicklung bei zweisprachig aufwachsenden<br />

K<strong>in</strong>dern“. In: Flensburger Papiere zur Mehrsprachigkeit und Kulturenvielfalt<br />

im Unterricht 47/48.<br />

Schroeder, Christoph (2009): „Gehen, laufen, torkeln: E<strong>in</strong>e typologisch gegründete Hypothese<br />

für den Schriftspracherwerb <strong>in</strong> der Zweitsprache Deutsch mit Erstsprache Türkisch“.<br />

In: Schramm, Karen/Schroeder, Christoph (Hrsg.): Empirische Zugänge zu Sprachförderung<br />

und Spracherwerb <strong>in</strong> Deutsch als Zweitsprache (Mehrsprachigkeit). Münster [u.a.]:<br />

Waxmann: 185–202.<br />

104


Symposium 11<br />

Beate L<strong>in</strong>gnau, Ulrich Mehlem und Magdalena Spaude<br />

Erwerb von Wortschreibungen des Deutschen bei mehrsprachigen K<strong>in</strong>dern im ersten<br />

Schuljahr<br />

Im Abgleich mit der durch den SET 5-10 gemessenen Wortschatzentwicklung im ersten<br />

Schuljahr werden <strong>in</strong> dem Projekt Wortschreibungen von mehrsprachigen K<strong>in</strong>dern untersucht,<br />

die mithilfe des alphabetischen Pr<strong>in</strong>zips schreiben lernen. Dabei s<strong>in</strong>d folgende Fragen von<br />

Bedeutung: Kenntnis des Lexems, Stabilisierung der Standardlautung, Umgang mit Strategien<br />

der alphabetischen Schreibung (Zergliederung, Lautgew<strong>in</strong>nung, Abgleich mit der Anlauttabelle).<br />

Dabei geht es <strong>in</strong>sbesondere um das Problem der Lauttreue, das sich bereits für<br />

muttersprachliche deutsche K<strong>in</strong>der stellt (Reduktionssilben, r-Vokalisierung), aber bei mehrsprachigen<br />

K<strong>in</strong>dern aufgrund der lexikalischen und phonologischen Unsicherheit verstärkt<br />

wird.<br />

Ausgangspunkt der Analysen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits Schülerschreibungen aus dem Unterricht, Ergebnisse<br />

der Hamburger Schreibprobe am Ende des ersten Schuljahres sowie Videoaufnahmen<br />

von Schreib<strong>in</strong>teraktionen mit Lehrer<strong>in</strong> und Sprachförderkraft aus der Mitte und<br />

vom Ende des ersten Schuljahres.<br />

105


Symposium 11<br />

Till Woerfel<br />

„Der ist von der Röhre rausgegangen“ – Bewegungsereigniskonstruktionen von<br />

sukzessiv-bil<strong>in</strong>gualen türkisch-deutschen Jugendlichen<br />

Me<strong>in</strong> Vortrag fokussiert lexikalische Veränderungen im Kontext des frühen Zweitspracherwerbs<br />

auf der Grundlage typologischer Unterschiede der L1 und L2. Nach Talmys typologischer<br />

Klassifizierung (u.a. Talmy 2000) unterscheiden sich die Sprachen der Welt, wie sie<br />

semantische E<strong>in</strong>heiten (WEG, ART & WEISE, URSACHE, QUELLE, ZIEL) lexikalisieren und<br />

wo sie diese auf Satzebene ausdrücken. Bei der Versprachlichung von Bewegungsereignissen<br />

bündeln satellite-framed Sprachen (sf) <strong>in</strong> der Regel BEWEGUNG und ART & WEISE im<br />

Verbstamm und enkodieren WEG außerhalb des Hauptverbs <strong>in</strong> sog. Satelliten (vgl. Bsp. 1,<br />

Cristante 2010).<br />

(1) und dann ist die bowl<strong>in</strong>gkugel mit der katze zusammen<br />

<strong>in</strong> so e<strong>in</strong>e kegelbahn gerollt<br />

WEG BEWEGUNG+ART&WEISE<br />

In verb-framed Sprachen (vf) wird tendenziell BEWEGUNG und WEG im Verbstamm und die<br />

ART & WEISE e<strong>in</strong>er Bewegung implizit oder außerhalb <strong>in</strong> peripheren Konstruktionen, <strong>in</strong><br />

Konverben (vgl. Bsp. 2, Woerfel <strong>in</strong> Vorb.) oder subord<strong>in</strong>ativ ausgedrückt (oder optional weggelassen).<br />

(2) Ondan sonra sürüklen-erek bowl<strong>in</strong>g oyun yer-<strong>in</strong>-e git-ti.<br />

danach schleppen-KONV Bowl<strong>in</strong>g Spiel Ort-POSS-DAT gehen.PRÄT(3SG)<br />

BEWEGUNG+ART&WEISE BEWEGUNG+WEG<br />

‚Danach g<strong>in</strong>g sie/er schleppend zum Bowl<strong>in</strong>gspielort‘<br />

Die Analyse elizitierter, mündlicher Sprachdaten von Sprechern, die Türkisch (vf) als L1 und<br />

Deutsch (sf) als frühe L2 erworben haben, zeigt, dass sich bei Äußerungen bil<strong>in</strong>gualer Sprecher<br />

die typischen Konflationsmuster und Konstruktionen beider erworbener Sprachen gegenseitig<br />

bee<strong>in</strong>flussen können (vgl. Bsp. 3/4, Woerfel <strong>in</strong> Vorb.). Im Vergleich zu monol<strong>in</strong>gualen<br />

Sprechern betrifft dies u.a. die (i) Verbsemantik (ii) Konzeptualisierung von WEG-<br />

Schemata und dementsprechende Verwendung von Weg- und Artverben, (iii) semantische<br />

Komplexität auf Satzebene.<br />

(3) und dann rollt sie die straße so runter und da war so e<strong>in</strong> bowl<strong>in</strong>gbahn oder so<br />

BEWEGUNG & ART&WEISE WEG<br />

und dann g<strong>in</strong>g er so <strong>in</strong> den laden re<strong>in</strong><br />

BEWEGUNG & WEG WEG WEG<br />

(4) hemen ev-<strong>in</strong>-den çık-ıp içeri koş-uyor<br />

Sofort Haus-POSS-ABL h<strong>in</strong>aus.bewegen-KONV re<strong>in</strong> rennen-PR(3SG)<br />

BEWEGUNG+WEG WEG BEWEGUNG+ART&WEISE<br />

‚Er/Sie verlässt se<strong>in</strong> Haus und rennt re<strong>in</strong>‘<br />

Die vorläufigen Ergebnisse festigen die Hypothese, dass <strong>in</strong> Sprachkontaktsituationen – hier<br />

im Kontext des frühen sukzessiven Zweitspracherwerbs – e<strong>in</strong>e andere typologische Perspektive<br />

aufgezeigt werden kann (vgl. Berthele 2004, Goschler et al. (e<strong>in</strong>ger.), Schroeder 2009).<br />

106


Symposium 11<br />

Literatur:<br />

BERTHELE, Raphael: The typology of motion and posture verbs: A variationist account. In:<br />

Kortmann, Bernd (Hrsg.): Dialectology Meets Typology. Dialect Grammar from a Cross-<br />

L<strong>in</strong>guistic Perspective. Berl<strong>in</strong>/New York: 93–126.<br />

CRISTANTE, Valent<strong>in</strong>a (2010): The relation between speech and gesture <strong>in</strong> German elicitations<br />

of motion events. Unveröffentlichte MA, Universität Potsdam.<br />

GOSCHLER, Juliana, Till Woerfel, Anatol Stefanowitsch, Heike Wiese & Christoph Schroeder<br />

(e<strong>in</strong>gereicht): Beyond Conflation Patterns: The Encod<strong>in</strong>g of Motion Events <strong>in</strong> Kiezdeutsch.<br />

E<strong>in</strong>gereicht <strong>in</strong> STUF.<br />

SCHROEDER, Christoph (2009): gehen, laufen, torkeln: E<strong>in</strong>e typologisch gegründete Hypothese<br />

für den Schriftspracherwerb <strong>in</strong> der Zweitsprache Deutsch mit Erstsprache Türkisch.<br />

In K. Schramm and Ch. Schroeder (eds.), Empirische Zugänge zu Sprachförderung und<br />

Spracherwerb <strong>in</strong> Deutsch als Zweitsprache, Münster/New York: Waxmann, 185–201.<br />

TALMY, Leonard (2000): Towards a cognitive semantics. Volume II: Typology and process <strong>in</strong><br />

concept structur<strong>in</strong>g, Cambridge, Massachusetts: MIT Press.<br />

WOERFEL, Till (<strong>in</strong> Vorb.): Sylvester goes Tweety. Pilot-Studie im Rahmen des Dissertationsprojektes<br />

‚Verbsemantik <strong>in</strong> der Zweisprachigkeit. Türkisch-Deutsch und Türkisch-<br />

Französisch‘, LMU München/LIPP.<br />

107


Symposium 11<br />

Seda Yılmaz und Carol W. Pfaff<br />

Lexical Knowledge of Multil<strong>in</strong>guals<br />

In the proposed presentation, we exam<strong>in</strong>e the mutual <strong>in</strong>fluence of the knowledge of Turkish,<br />

German and English of multil<strong>in</strong>gual adolescents on their realization of s<strong>in</strong>gle lexical items<br />

and phrases <strong>in</strong> parallel oral and written narrative and expository texts <strong>in</strong> each language produced<br />

<strong>in</strong> their monol<strong>in</strong>gual modes.<br />

The study is based on data us<strong>in</strong>g elicitation procedures extended from the Berman/<br />

Verhoeven cross-l<strong>in</strong>guistic study of monol<strong>in</strong>guals <strong>in</strong> seven languages. The present study is<br />

also cross-l<strong>in</strong>guistic <strong>in</strong> nature, but here the three languages under <strong>in</strong>vestigation are all part of<br />

the verbal repertoire of 11 pupils at a Gymnasium <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Kreuzberg who participated both<br />

<strong>in</strong> 10th and 12th grade data collection <strong>in</strong> 2008 and 2010, thus compris<strong>in</strong>g a longitud<strong>in</strong>al subsample<br />

of the larger ongo<strong>in</strong>g study (Pfaff 2007, 2009).<br />

In an earlier paper, Pfaff et al. 2011, we discussed the quantitative development lexical diversity<br />

<strong>in</strong> these texts. Here, we focus on qualitative evidence of contact-<strong>in</strong>duced phenomena<br />

<strong>in</strong> the lexicon of Turkish, German and English texts, analyz<strong>in</strong>g the <strong>in</strong>stances of borrow<strong>in</strong>g,<br />

code-switch<strong>in</strong>g and calques which occur as a result of cross-l<strong>in</strong>guistic <strong>in</strong>fluences and also<br />

reflect the participants’ patterns of language use <strong>in</strong> and outside school.<br />

In our presentation, we will exemplify and discuss apparent cross l<strong>in</strong>guistic transfer <strong>in</strong> the<br />

usage of <strong>in</strong>dividual lexical items and calqu<strong>in</strong>g <strong>in</strong> longer collocations. There is little explicit<br />

borrow<strong>in</strong>g or code-switch<strong>in</strong>g <strong>in</strong> the written texts but more <strong>in</strong> the oral production, <strong>in</strong>dicat<strong>in</strong>g the<br />

participants’ metal<strong>in</strong>guistic awareness of appropriate registers for school-like tasks and conversational<br />

<strong>in</strong>teraction. In both oral and written texts, we f<strong>in</strong>d that lexical choice is related to<br />

the participants’ language practices outside school.<br />

References:<br />

Akıncı, M.-A., M. Dollnick, C. W. Pfaff and S. Yılmaz (2010): “Development of lexical richness<br />

<strong>in</strong> Turkish written texts of bil<strong>in</strong>gual children <strong>in</strong> Germany”. International Conference on<br />

Turkish L<strong>in</strong>guistics 15.<br />

Berman, R., and L. Verhoeven (2002a): “Develop<strong>in</strong>g text-production abilities across languages,<br />

genre and modality”. In: Written Languages and Literacy 5, 1: 1–43.<br />

Pfaff, C. W. (2007): “Parallel assessment oral and written text production: A pilot study of 12 th<br />

graders <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> with Turkish L1, German L1.5 and English FL”. Gesellschaft für angewandte<br />

L<strong>in</strong>guistik (<strong>GAL</strong>), Hildesheim.<br />

Pfaff, Carol W. (2009): “Parallel assessment of oral and written text production of multil<strong>in</strong>guals:<br />

Methodological and analytical issues”. In: Ahrenholz, B. (ed.): DaZ-Forschung.<br />

Empirische Befunde zum Deutsch-als-Zweitsprache-Erwerb und zur Sprachförderung.<br />

Beiträge aus dem 3. ‚Workshop K<strong>in</strong>der mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund.‘ Freiburg <strong>in</strong> Breisgau:<br />

Fillibach: 213–233.<br />

Pfaff, C. W., S. Yılmaz, T. Woerfel and M. Dollnick (2011): “Development of lexical richness<br />

<strong>in</strong> Turkish, German and English of multil<strong>in</strong>gual adolescents <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>”. Paper presented at<br />

the Eighth International Symposium on Bil<strong>in</strong>gualism (ISB8). Oslo.<br />

108


Symposium 11<br />

Karen Pupp Sp<strong>in</strong>assé<br />

Der lexikalische Aspekt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sprachkontaktregion Portugiesisch-Deutsch <strong>in</strong><br />

Brasilien und die sozialen sowie didaktischen Folgen für die heutigen Sprecher<br />

Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts gab es e<strong>in</strong>e repräsentative Massene<strong>in</strong>wanderung von<br />

Deutschsprechern <strong>in</strong> Brasilien. Diese Immigranten verteilten sich hauptsächlich <strong>in</strong> drei Bundesländern,<br />

<strong>in</strong> denen sie lange Zeit <strong>in</strong> ziemlich homogenen Kolonien ihre Traditionen aus<br />

dem Heimatland pflegen wollten – und darunter spielte die Sprache selbstverständlich e<strong>in</strong>e<br />

sehr bedeutende Rolle. Diese Tatsache hat zur Folge, dass heutzutage noch viele Menschen<br />

verschiedene Mundarten deutscher Herkunft <strong>in</strong> Brasilien sprechen.<br />

Die große Entfernung vom deutschsprachigen Raum sowie der immer enger werdende Kontakt<br />

zum Portugiesischen haben zu e<strong>in</strong>er unvermeidlichen Situation von Sprachkontakt und<br />

zu vielen Entlehnungen geführt – hauptsächlich lexikalischer Art.<br />

Diese <strong>in</strong> Brasilien vorhandenen Varietäten des Deutschen wurden <strong>in</strong> der Wissenschaft bereits<br />

charakterisiert und teilweise beschrieben, dennoch werden sie von den Sprechern immer<br />

noch e<strong>in</strong>fach „Deutsch“ genannt – allerd<strong>in</strong>gs halten sie ihre Mundarten für e<strong>in</strong> „schlechtes“,<br />

„falsches“ Deutsch, da der E<strong>in</strong>fluss und vor allem die entlehnten Wörter des Portugiesischen<br />

von ihnen negativ angesehen werden.<br />

Ziel dieses Beitrags ist es, Forschungsergebnisse zu präsentieren, die den lexikalischen Aspekt<br />

<strong>in</strong> diesem mehrsprachigen Kontext auf verschiedene Weisen behandeln: Die Dynamik<br />

der Wortschatzentwicklung und die Strategien der Wörterbildung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er spezifischen Varietät<br />

des Deutschen <strong>in</strong> Brasilien können erst e<strong>in</strong>mal der Illustration dieser besonderen Situation<br />

von Sprachkontakt Portugiesisch-„Deutsch“ dienen; der lexikalische Transfer und die Erf<strong>in</strong>dung<br />

neuer Wörter seitens der DaF-Schüler aus solchen Regionen können auf l<strong>in</strong>guistischer<br />

sowie auf nicht-l<strong>in</strong>guistischer bzw. auf soziol<strong>in</strong>guistischer Ebene ihre Beziehung zur<br />

ihren Sprachen widerspiegeln.<br />

In den Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprojektes an der Universidade Federal<br />

do Rio Grande do Sul beschäftigen wir uns mit dem Hunsrückischen, e<strong>in</strong>e von den genannten<br />

Mundarten, und se<strong>in</strong>em (positiven und negativen) E<strong>in</strong>fluss, wenn se<strong>in</strong>e bil<strong>in</strong>gualen Sprecher<br />

das Hochdeutsche <strong>in</strong> der Schule lernen. In diesem S<strong>in</strong>ne möchte dieser Vortrag ebenfalls<br />

e<strong>in</strong>en didaktischen Beitrag leisten, <strong>in</strong>dem aus unseren empirischen Forschungsaktionen<br />

Strategien für die lexikalische Arbeit mit Hunsrückischsprechern beim Erlernen des Hochdeutschen<br />

vorgestellt werden.<br />

109


Symposium 11<br />

Gesa Siebert-Ott und Lena Decker<br />

„… seitdem bastelt man an e<strong>in</strong>em neuen Kernlehrplan“ – Entwicklung und Förderung<br />

akademischer Textkompetenz im Übergang von der gymnasialen Oberstufe zur<br />

Hochschule – e<strong>in</strong>e Interventionstudie<br />

Studierende erfüllen zu Studienbeg<strong>in</strong>n die <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>heitlichen Prüfungsanforderungen für<br />

das Fach Deutsch für die gymnasiale Oberstufe formulierten Kompetenzerwartungen auf<br />

unterschiedlichen Anforderungsniveaus. Es gibt allerd<strong>in</strong>gs bislang ke<strong>in</strong>e gesicherten Erkenntnisse<br />

darüber, welches Anforderungsniveau Studierende im H<strong>in</strong>blick auf die Fähigkeit,<br />

„sich mündlich und schriftlich mit anderen differenziert und situationsangemessen <strong>in</strong> der<br />

hochdeutschen Allgeme<strong>in</strong>sprache zu verständigen“ (EPA Deutsch, Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz<br />

2002, 3), zu Studienbeg<strong>in</strong>n erreicht haben sollten, um die <strong>in</strong> ihrem Studium künftig an sie<br />

gestellten sprachlichen und fachlichen Kompetenzerwartungen selbstständig erfüllen zu<br />

können und welche Interventionen ggf. erforderlich se<strong>in</strong> können, wenn die verfügbaren Kompetenzen<br />

zu Studienbeg<strong>in</strong>n unter e<strong>in</strong>em bestimmten Schwellenniveau liegen. Es gibt auch<br />

ke<strong>in</strong>e gesicherten Erkenntnisse zu der Frage, ob zweisprachig aufgewachsene Studienanfänger/<strong>in</strong>nen<br />

aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte andere Voraussetzungen mitbr<strong>in</strong>gen<br />

als e<strong>in</strong>sprachig aufgewachsene Studienfänger/<strong>in</strong>nen aus Familien ohne Zuwanderungsgeschichte,<br />

auch wenn diese Frage <strong>in</strong>zwischen zunehmend e<strong>in</strong>e bildungspolitisch <strong>in</strong>teressierte<br />

Öffentlichkeit zu beschäftigen sche<strong>in</strong>t:<br />

In se<strong>in</strong>em Beitrag „Die klugen Migranten“ für die deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT berichtet<br />

der Wissenschaftsjournalist Mart<strong>in</strong> Spiewak 2007 über e<strong>in</strong> wachsendes öffentliches Interesse<br />

an e<strong>in</strong>er Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die <strong>in</strong> den Medien sonst allenfalls<br />

mit negativen Schlagzeilen bedacht werden. Im Untertitel für se<strong>in</strong>en Beitrag dämpft<br />

Spiewak selbst allerd<strong>in</strong>gs auch die geweckten Erwartungen wieder: „Deutschland entdeckt<br />

e<strong>in</strong>e neue Studentenelite. Doch viele E<strong>in</strong>wandererk<strong>in</strong>der brechen ihr Studium ab. Es fehlt an<br />

Förderung.“ Dass hier eher von e<strong>in</strong>em brachliegenden Potenzial als von vorhandenen Ressourcen<br />

gesprochen werden müsse, macht der Autor mit Vergleichszahlen – e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerer<br />

prozentualer Anteil bei den Studienanfängern und e<strong>in</strong> höherer Anteil bei den Studienabbrechern<br />

– deutlich. Als wesentliche Ursachen hierfür sieht der Autor e<strong>in</strong>en Mangel an Allgeme<strong>in</strong>bildung<br />

bei Studierenden aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte und mangelnde<br />

Sprachkenntnisse im Bereich der Bildungs- und Fachsprache: „Den Alltagsjargon beherrschen<br />

viele Migrantenk<strong>in</strong>der perfekt. Bei der Schrift- und Fachsprache jedoch tun sich Lücken<br />

auf.“ Als Beispiel für diese Lücken nennt Spiewak, e<strong>in</strong>en Hochschullehrer zitierend,<br />

unvollständige Sätze, Substantive ohne Artikel und den <strong>in</strong>korrekten Gebrauch von Begriffen.<br />

Der Autor plädiert für e<strong>in</strong>e gezielte (sprachliche) Förderung von Studierenden aus Familien<br />

mit Zuwanderergeschichte auch noch im universitären Bereich.<br />

Unser Lehr-Lern-Forschungsprojekt wurde im Jahr 2008 begonnen mit e<strong>in</strong>er Bestandsaufnahme<br />

der für Studierende fachnah oder zentral vorgehaltenen Angebote zur Entwicklung<br />

von Text- und Diskurskompetenzen sowie zur (nachträglichen) Entwicklung sprachlicher Basiskompetenzen.<br />

Anlass waren Bestrebungen, speziell für Studierende aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte<br />

geeignete zentrale Förderangebote an unserer Hochschule zu schaffen.<br />

Ab dem WiSe 2008/2009 haben wir zusätzlich damit begonnen, <strong>in</strong> unseren Sem<strong>in</strong>aren<br />

die von Studierenden semesterabschließend e<strong>in</strong>gereichten Aufgaben kriteriengeleitet im<br />

H<strong>in</strong>blick auf Stärken und Schwächen im Bereich der fachlichen und der sprachlichen Kompetenzen<br />

zu beurteilen und den Studierenden anschließend e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Feedback mit Hilfe<br />

von Beurteilungsbögen und <strong>in</strong>dividuellen Rückmeldegesprächen zu geben.<br />

110


Symposium 11<br />

Dieses Programm zur Förderung der Entwicklung von Text- und Diskurskompetenzen wurde<br />

<strong>in</strong> den folgenden Semestern kont<strong>in</strong>uierlich weiterentwickelt. Dazu wurden zusätzlich semesterbegleitende<br />

Aufgaben erprobt, die auf e<strong>in</strong>er Lernplattform abgelegt werden konnten. Dies<br />

sollte, unterstützt durch kriteriengeleitete Feedbacks zu den e<strong>in</strong>gereichten Aufgaben, zur<br />

gezielten Vorbereitung auf die semesterabschließende (Klausur-)Aufgabe dienen.<br />

Ziel des Projektes ist die Modellierung und die kriteriengeleitete Beurteilung der Text- und<br />

Diskurskompetenzen von Studierenden sowie deren Förderung auf der Basis e<strong>in</strong>er sprachsensitiv<br />

gestalteten Fachlehre für alle Studierenden (vgl. hierzu auch Sch<strong>in</strong>dler/Siebert-Ott<br />

2011a,b,c; Siebert-Ott 2010; Siebert-Ott/Decker 2011).<br />

In unserem Beitrag sollen erste Resultate aus e<strong>in</strong>er im Rahmen des Projektes mit Studierenden<br />

zu Studienbeg<strong>in</strong>n durchgeführten Interventionsstudie vorgestellt werden, <strong>in</strong> der die Studierenden<br />

für die besonderen sprachlichen Anforderungen akademischen Schreibens im<br />

Bereich Wortschatz und Redewendungen (Formulierungsrout<strong>in</strong>en) sensibilisiert werden sollen.<br />

Literatur:<br />

Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz (2002): E<strong>in</strong>heitliche Prüfungsanforderung <strong>in</strong> der Abiturprüfung<br />

Deutsch. (Beschluss der Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz vom 01.12.1989 i.d.F. vom 24.05.2002<br />

http://www.kmk.org/fileadm<strong>in</strong>/veroeffentlichungen_beschluesse/1989/1989_12_01-EPA-<br />

Deutsch.pdf [10.09.2011]<br />

Sch<strong>in</strong>dler, Kirsten, Siebert-Ott, Gesa (2011a, e<strong>in</strong>gereicht): „Textkompetenzen im Übergang<br />

Oberstufe – Universität“. Ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>: Feilke, Helmuth, Köster, Juliane (Hrsg.): Textkompetenzen<br />

<strong>in</strong> der Sekundarstufe II. Freiburg: Fillibach.<br />

Sch<strong>in</strong>dler, Kirsten, Siebert-Ott, Gesa (2011b, zur Veröffentlichung angenommen): „Schreiben<br />

<strong>in</strong> der Zweitsprache“. Ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>: Feilke, Helmut, Pohl, Thorsten (Hrsg.): Schriftlicher<br />

Sprachgebrauch/Texte verfassen. (= Reihe Deutschunterricht <strong>in</strong> Theorie und Praxis, herausgegeben<br />

von W<strong>in</strong>fried Ulrich). Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.<br />

Sch<strong>in</strong>dler, Kirsten, Siebert-Ott, Gesa (2011c): „Entwicklung von Textkompetenz (<strong>in</strong> der Zweitsprache<br />

Deutsch) – Propädeutik, akademisches und berufsbezogenes Schreiben“. In:<br />

Krafft, Andreas, Spiegel, Carmen (Hrsg.): Sprachliche Förderung und Weiterbildung –<br />

transdiszipl<strong>in</strong>är. Frankfurt am Ma<strong>in</strong>: Lang : 91–110<br />

Siebert-Ott, Gesa, Decker, Lena (2011, e<strong>in</strong>gereicht): „Entwicklung und Förderung akademischer<br />

Textkompetenz <strong>in</strong> der Zweitsprache Deutsch zu Studienbeg<strong>in</strong>n“. Ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>: Röhner,<br />

Charlotte (Hrsg.): Zweitsprachliche Förderung <strong>in</strong> fachlichen Kontexten. Theoretische<br />

Konzepte und empirische Befunde zum Erwerb bildungssprachlicher Kompetenzen.<br />

We<strong>in</strong>heim: Juventa.<br />

Spiewak, Mart<strong>in</strong> (2007): „Die klugen Migranten. Deutschland entdeckt e<strong>in</strong>e neue Studentenelite.<br />

Doch viele E<strong>in</strong>wandererk<strong>in</strong>der brechen ihr Studium ab. Es fehlt an Förderung“. In:<br />

DIE ZEIT Nr. 28 vom 05. 07. 2007. http://www.zeit.de/2007/28/Migrantenstudenten<br />

[28.10.2011]<br />

111


Symposium 11<br />

Christoph Schroeder<br />

Wörter – Wissen – Mehrsprachigkeit: Interdependenzen zwischen Erst- und<br />

Zweitsprache? Methoden- und Datendiskussion<br />

Auf der Sitzung sollen Herangehensweisen und Methoden der Untersuchung von Interdependenzen<br />

zwischen den Sprachen mehrsprachiger Individuen <strong>in</strong> Bezug auf die lexikalische<br />

Ebene anhand vorliegender Daten diskutiert werden. In e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>gangsreferat wird zunächst<br />

das DFG-geförderte b<strong>in</strong>ationale Projekt „Entwicklung der mündlichen und schriftlichen Kompetenzen<br />

<strong>in</strong> der Erst-, Zweit- und Fremdsprache bei mehrsprachigen K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen<br />

mit türkischem H<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> Frankreich und Deutschland (MULTILIT)“ (siehe auch<br />

http://www.uni-potsdam.de/daf/projekte/multilit.html) dargestellt, das sprachliche Kompetenzen<br />

mehrsprachiger K<strong>in</strong>der und Jugendlicher der 5., 7., 10. und 12. Klassenstufen <strong>in</strong> ihrer<br />

Familiensprache (Türkisch), ihrer Umgebungs- und Schulsprache (Deutsch bzw. Französisch)<br />

sowie <strong>in</strong> ihrer ersten Fremdsprache Englisch mit e<strong>in</strong>em Schwerpunkt auf Strategien<br />

des Sprachausbaus untersucht. Anhand e<strong>in</strong>es vom Potsdamer MULTILIT-Team zusammengestellten<br />

und annotierten deutsch-türkisch-englischen Subkorpus sollen anschließend lexikalische<br />

Analysekriterien und Vorgehensweisen der lexikalischen Datenanalyse <strong>in</strong> MULTILIT<br />

dargestellt und diskutiert werden.<br />

112


Symposium 12<br />

Constanze Spieß<br />

Wörter <strong>in</strong> der Politik<br />

Die sprachliche E<strong>in</strong>heit des Wortes spielt im Kontext der Politik seit jeher e<strong>in</strong>e zentrale Rolle.<br />

In jüngerer Zeit wurden im Forschungsbereich der Politol<strong>in</strong>guistik Analyseansätze entwickelt,<br />

die den Wortgebrauch <strong>in</strong> der Politik nicht mehr unabhängig von größeren sprachlichen E<strong>in</strong>heiten<br />

bzw. größeren, diskursiven Zusammenhängen betrachten. Ausgehend von e<strong>in</strong>em<br />

weiten Politikbegriff systematisieren und beschreiben jüngere Ansätze Wörter und Wortgebrauch<br />

<strong>in</strong> der Politik <strong>in</strong> semantischer und funktionaler, handlungsorientierter Perspektive und<br />

verfahren kontextsensibel; Benennungsstrategien oder Bedeutungsvariationen s<strong>in</strong>d somit<br />

l<strong>in</strong>guistisch immer schon im Zusammenhang von Diskurskontexten, Welt-, Erfahrungs- und<br />

kulturellen Wissensbezügen zu beschreiben und zu begründen. (Vgl. hier u.a. Girnth 1993,<br />

Felder 2006, Spieß, 2011, Ziem 2008) In diesem Zusammenhang entstanden auch Wörterbücher,<br />

die zentrale, umstrittene bzw. brisante Wörter des öffentlich-politischen Kommunikationsbereiches<br />

diskursbezogen <strong>in</strong> den Blick nahmen. (Vgl. hier u.a. Stötzel/Wengeler 1995<br />

oder Stötzel/Eitz 2002, Eitz/Stötzel 2007)<br />

Gegenwärtig ist e<strong>in</strong>e Tendenz auszumachen, die mit korpusl<strong>in</strong>guistischen Methoden auf<br />

Wörter <strong>in</strong> der Politik zugreift, <strong>in</strong>sofern mittels e<strong>in</strong>es corpus driven-Verfahrens <strong>in</strong> großen Textkorpora<br />

nach signifikanten Wörtern bzw. Wortverwendungen gesucht wird (vgl. Bubenhofer<br />

2009).<br />

Der Vortrag möchte zeigen, dass die Methoden der Korpusl<strong>in</strong>guistik zum e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong> enormes<br />

Potenzial für die Politol<strong>in</strong>guistik bieten, aber zum anderen auch die Gefahr bergen, die qualitative<br />

Analyse – die gerade im Bereich der Wörter <strong>in</strong> der Politik von zentraler Relevanz ist –<br />

<strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund treten zu lassen bzw. zu vernachlässigen.<br />

Im Vortrag sollen zum e<strong>in</strong>en an konkreten Wörtern verschiedener politischer Diskursbereiche<br />

(Wirtschaft, Ethik und Kultur) beide Zugriffsweisen auf Wörter <strong>in</strong> der Politik – die quantitative<br />

und die qualitative – mite<strong>in</strong>ander verbunden und der Mehrwert dieser Komb<strong>in</strong>ation herausgestellt<br />

werden. Zum anderen soll es darum gehen, die Relevanz der kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>heit des<br />

Wortes im Zusammenhang von politischen Diskurskontexten und -strategien hervorzuheben.<br />

Und zum Dritten soll mittels der Komb<strong>in</strong>ation von qualitativer und quantitativer Analyse e<strong>in</strong>e<br />

Perspektive für künftige (Wortgebrauchs)Analysen im Bereich der Politol<strong>in</strong>guisitik vorgeschlagen<br />

werden.<br />

Literatur:<br />

Bubenhofer, Noah (2009): Sprachgebrauchsmuster. Korpusl<strong>in</strong>guistik als Methode der Diskurs-<br />

und Kulturanalyse. Berl<strong>in</strong>/New York: de Gruyter.<br />

Domke, Christ<strong>in</strong>e /Kilian, Jörg (Hrsg.) (2011): Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes.<br />

Sprache <strong>in</strong> der Politik. Aktuelle Ansätze und Entwicklungen der politol<strong>in</strong>guistischen<br />

Forschung. Heft 3.<br />

Eitz, Thorsten/Stötzel, Georg (2007): Wörterbuch der Vergangenheitsbewältigung. Die NS-<br />

Vergangenheit im öffentlichen Sprachgebrauch. Hildesheim: Olms.<br />

Felder, Ekkehard (Hrsg.)(2006): Semantische Kämpfe. Macht und Sprache <strong>in</strong> den Wissenschaften.<br />

Berl<strong>in</strong>/New York: de Gruyter, S. 13–46.<br />

Girnth, Heiko (1993): E<strong>in</strong>stellungs- und E<strong>in</strong>stellungsbekundung <strong>in</strong> der politischen Rede. E<strong>in</strong>e<br />

sprachwissenschaftliche Untersuchung der Rede Philipp Jenn<strong>in</strong>gers vom 10. November<br />

1988. Frankfurt u.a.: Peter Lang.<br />

Spieß, Constanze (2011): Diskurshandlungen. Theorie und Methode l<strong>in</strong>guistischer Diskursanalyse<br />

am Beispiel der Bioethikdebatte. Berl<strong>in</strong>/Boston: de Gruyter.<br />

113


Symposium 12<br />

Stötzel, Georg/Eitz, Thorsten (2002) (Hrsg.): Zeitgeschichtliches Wörterbuch der deutschen<br />

Gegenwartssprache. Lizenzausgabe. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.<br />

Stötzel, Georg/Wengeler, Mart<strong>in</strong> (1995): Kontroverse Begriffe. Geschichte des öffentlcihen<br />

Sprachgebrauchs <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland. Berl<strong>in</strong>/New York: de Gruyter.<br />

Ziem, Alexander (2008): Frames und sprachliches Wissen. Kognitive Aspekte der semantischen<br />

Kompetenz. Berl<strong>in</strong>/New York: de Gruyter.<br />

114


Symposium 12<br />

Jana Reissen<br />

Wörter und Zielgruppen – wie die rechtsextreme Szene im Netz um Zustimmung wirbt<br />

Die Verwendung von Schlagwörtern <strong>in</strong> der nationalsozialistischen Propaganda ist von der<br />

Sprachwissenschaft bereits umfassend untersucht worden. Im Bezug auf den Rechtsextremismus<br />

nach 1945 besteht jedoch nach wie vor Forschungsbedarf, vor allem im H<strong>in</strong>blick auf<br />

die vergleichsweise neuen Kommunikationsmöglichkeiten durch das Internet.<br />

Der geplante Vortrag behandelt die gezielte Verwendung von Schlagwörtern durch rechtsextreme<br />

Gruppierungen im Internet. Die Ergebnissse e<strong>in</strong>er Untersuchung von rund 80 verschiedenen<br />

rechtsextremen Internetseiten werden h<strong>in</strong>sichtlich der Frage vorgestellt, wie unterschiedliche<br />

Zielgruppen durch die Verwendung von Schlagwörtern <strong>in</strong> besonderem Maße<br />

angesprochen und überzeugt werden sollen.<br />

Zum E<strong>in</strong>stieg werden die zentralen Ergebnisse der Untersuchung vorgestellt. Häufigkeiten<br />

der Verwendung von Schlagwörtern und des geme<strong>in</strong>samen Auftretens verschiedener Wörter<br />

<strong>in</strong>nerhalb desselben Kontextes s<strong>in</strong>d dabei ebenso Thema, wie das gehäufte Auftreten von<br />

speziellen Schlagwörtern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ander ähnlichen Kontexten.<br />

Im Weiteren wird darauf e<strong>in</strong>gegangen, wie Zielgruppen durch e<strong>in</strong>e besondere Wortwahl angesprochen<br />

werden sollen und welche Besonderheiten an dieser Stelle durch das Internet<br />

als Kommunikationsmedium entstehen. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanter Bezug kann hier auch zu market<strong>in</strong>gstrategischen<br />

Gesichtspunkten hergestellt werden, da die Wortwahl <strong>in</strong> Netz-Texten auch<br />

die Suchmasch<strong>in</strong>en-Optimierung bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Zum Ende des Vortrags wird dann – auch <strong>in</strong> der geme<strong>in</strong>samen Diskussion – beleuchtet, <strong>in</strong>wieweit<br />

Parallelen zur Schlagwortverwendung <strong>in</strong> der nationalsozialistischen Propaganda<br />

sichtbar s<strong>in</strong>d und wo sich <strong>in</strong> der aktuellen Situation neue Gefahren auftun.<br />

115


Symposium 12<br />

Kornelia Pollmann<br />

Von „aufmüpfig“ bis „Wutbürger“. E<strong>in</strong>e kritische Betrachtung des populären Rank<strong>in</strong>gs<br />

der „Wörter des Jahres“.<br />

„Wörter des Jahres“ verstanden als sprachliche Chronik bezeugen die enge Verflechtung<br />

von Sprache und Kultur. Sie spiegeln verschiedene Themen <strong>in</strong> Zeitungen, Zeitschriften und<br />

Onl<strong>in</strong>e-Medien und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der öffentlichen Diskussion des gesellschaftlichen Lebens präsent.<br />

Mit diesem populären Rank<strong>in</strong>g von Schlüsselwörtern mischen sich L<strong>in</strong>guisten, ohne<br />

belehren zu wollen, <strong>in</strong> die öffentliche Debatte e<strong>in</strong>, beschreiben die Morphologie und Semantik<br />

dieser exponierten Wörter und Phrasen und kommentieren den Wortgebrauch situativ und<br />

kontextuell. Mag e<strong>in</strong> solches Rank<strong>in</strong>g der Wörter des Jahres, das national wie <strong>in</strong>ternational<br />

zahlreiche Nachahmer gefunden hat, durchaus umstritten se<strong>in</strong>, so ist es allemal e<strong>in</strong>e Möglichkeit,<br />

den sprachkritischen Dialog zwischen sprachlich kompetenten Laien auf der e<strong>in</strong>en<br />

Seite und Sprachwissenschaftlern auf der anderen Seite anzuregen.<br />

Ausgehend von e<strong>in</strong>em kulturalistischen und sprachkritischen Ansatz soll <strong>in</strong> dem Beitrag gezeigt<br />

werden, dass e<strong>in</strong> „Wort-S<strong>in</strong>n“ nicht zuletzt durch e<strong>in</strong>e Wort-Geschichte als verbalisiertes<br />

Wissen geprägt wird. Die Rezipienten konstruieren Wissen im konkreten medialen Kontext,<br />

sie erschließen und <strong>in</strong>terpretieren Wortbedeutungen. Darüber h<strong>in</strong>aus sollen aber ausgewählte<br />

Textbeiträge vor allem <strong>in</strong> den neuen Medien belegen, dass sich <strong>in</strong>teragierende<br />

User <strong>in</strong> Blogs und Medienkommentaren den S<strong>in</strong>n ausgewählter Schlüsselwörter wechselseitig<br />

erläutern, diesen problematisieren und fortschreiben. Diese kommunikativen Austauschprozesse<br />

der Interaktanten konstruieren Wissens<strong>in</strong>halte <strong>in</strong> ihrer Zeit, s<strong>in</strong>d immer sozial geprägt<br />

und bee<strong>in</strong>flussen die Folgekommunikation. E<strong>in</strong>e solche Betrachtung schärft den Blick<br />

auf die historische und soziale Perspektive der „Wörter des Jahres“.<br />

116


Symposium 12<br />

Mart<strong>in</strong> Wengeler<br />

Unwörter. E<strong>in</strong>e medienwirksame Kategorie zwischen l<strong>in</strong>guistisch begründeter und<br />

populärer Sprachkritik<br />

„Manche L<strong>in</strong>guisten suchen […] e<strong>in</strong>en Mittelweg zwischen wissenschaftlicher, publizistischer<br />

und populärer Kritik, <strong>in</strong>dem sie alljährlich modische Unwörter küren oder […] ‚Plastikwörter‘<br />

zusammentragen.“ (Kilian 2001, 300)<br />

Dieses Zitat kann stellvertretend für viele kritische Stimmen aus der sprachwissenschaftlichen<br />

Zunft gegenüber der alljährlich stattf<strong>in</strong>denden Unwort-Wahl stehen. Im Vortrag möchten<br />

wir die Kategorie „Unwort“ zunächst <strong>in</strong> die Traditionen der Sprachkritik e<strong>in</strong>ordnen sowie die<br />

<strong>in</strong>zwischen 20-jährige Geschichte der Unwort-Wahlen <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland<br />

darstellen.<br />

Im Mittelpunkt des Vortrags stehen aber die von der Jury <strong>in</strong> diesem Jahr neu formulierten<br />

Kriterien für Unwörter e<strong>in</strong>erseits und die <strong>in</strong> vielen Unwort-Vorschlägen immer wieder genutzten,<br />

von den Kriterien der Jury abweichenden Begründungen für „Unwörter“ (hässliche Ausdrucksseite,<br />

negatives Referenzobjekt, ungrammatische Bildung etc.) andererseits. Deutlich<br />

werden soll dabei, dass die Jury ihre Unwort-Kriterien ernst nimmt und die Wahl nicht als<br />

„modisches“ Spielchen versteht, sondern mit der Unwort-Wahl Sprachkritik als Diskurskritik<br />

leisten will. Sie bemüht sich dabei, e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>guistisch vertretbare und <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten<br />

<strong>in</strong> zahlreichen Diskussionen erarbeitete Spielart der Sprachkritik <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er öffentlichkeitswirksamen<br />

Aktion e<strong>in</strong>em fachlich nicht <strong>in</strong>teressierten Publikum zu vermitteln. Auf welche<br />

Schwierigkeiten dies bei der medialen Rezeption der Unwort-Wahl stößt, wird ebenfalls thematisiert.<br />

Mit zahlreichen Beispielen aus den vergangenen Wahlen und der aktuellen Unwort-Aktion<br />

wird im Vortrag die Praxis der Unwort-Wahl mit der sprachwissenschaftlichen Reflexion der<br />

Kriterien für Unwörter <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht. So werden beispielsweise aktuelle Begründungen<br />

für Unwort-Vorschläge wie „kommt e<strong>in</strong>er Entwertung, ja sogar Entmenschlichung der<br />

Getöteten gleich“ (Döner-Morde), „Problembewusstse<strong>in</strong> und Tatkraft bei der Lösung schwieriger<br />

Fragen […] und bl<strong>in</strong>den Aktionismus […] kaschieren wollen“ (Stresstest) oder „Volksverdummung<br />

[…], das ist genauso als ob man von e<strong>in</strong>er ‚partiellen vorübergehenden<br />

Schwangerschaft‘ sprechen würde“ (partielle Kernschmelze) diskutiert.<br />

117


Symposium 12<br />

Bett<strong>in</strong>a Bock<br />

Fahnen- und Hochwertwörter im Systemumbruch: Semantische Kämpfe ehemaliger<br />

Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit nach 1989/90<br />

diese geschichte war nach unserer e<strong>in</strong>schätzung von anfang an e<strong>in</strong> riesiger (.) etikettenschw<strong>in</strong>del<br />

(-) es war e<strong>in</strong>fach so dass man dieses etikett friedensbewegung benutzt<br />

hat (.) weil die ddr sich <strong>in</strong> ihrer (--) außenpolitik die auf frieden und abrüstung gerichtet<br />

war diskreditiert hätte wenn sie also gegen irgende<strong>in</strong>e bewegung die unter dem<br />

mantel der friedensbewegung auftritt vorgegangen wäre (--) und äh (.) so hat sich das<br />

dann auch für uns weiter dargestellt (MfS-Oberstleutnant Wolfgang Schmidt)<br />

In dem Beitrag sollen semantische Kämpfe um Wörter im Mittelpunkt stehen, wie sie von<br />

ehemaligen hauptamtlichen Mitarbeitern des DDR-M<strong>in</strong>isteriums für Staatssicherheit (MfS)<br />

nach 1989/1990 geführt wurden und werden: Es geht um Fahnen- und Hochwertwörter der<br />

DDR und wie sie nach dem Systemwechsel von den MfS-Mitarbeitern <strong>in</strong> ihrer Bedeutung<br />

gefüllt werden. Untersucht wurden Äußerungen von MfS-Mitarbeitern <strong>in</strong> aktuellen Dokumentarfilm-Interviews,<br />

<strong>in</strong> denen vor allem Fragen zum Arbeitsalltag, aber auch zur persönlichen<br />

Rolle <strong>in</strong>nerhalb der DDR-Staatssicherheit gestellt wurden. In dem Kontext werden von den<br />

Interviewten auch immer wieder Wörter thematisiert, und zwar zum e<strong>in</strong>en Fahnen- und<br />

Hochwertwörter aus dem „ideologischen Allgeme<strong>in</strong>wortschatz“ der DDR, wie er z.B. im „Kle<strong>in</strong>en<br />

politischen Wörterbuch“ versammelt ist (z.B. Frieden/friedlich, (Konter-)Revolution). Zum<br />

anderen werden Schlagwörter des Geheimdienst-Fachwortschatzes thematisiert, die im „Politisch-operativen<br />

Wörterbuch“ der Staatssicherheit gesammelt s<strong>in</strong>d, das damals nur den<br />

hauptamtlichen MfS-Mitarbeitern zugänglich war (z.B. Zersetzung/jemanden zersetzen,<br />

Hass) 1 . Während vor 1989/90 allerd<strong>in</strong>gs die Wörter <strong>in</strong> der öffentlichen und offiziellen (bzw.<br />

<strong>in</strong>stitutions<strong>in</strong>ternen) Kommunikation weitgehend ohne formale und semantische Variation<br />

gebraucht wurden, akzentuieren die MfS-Mitarbeiter <strong>in</strong> den Interviews gezielt e<strong>in</strong>zelne Bedeutungsaspekte<br />

oder def<strong>in</strong>ieren selbstbewusst um. Sie „betreiben“ aber nicht nur auf der<br />

Ebene der Bedeutung „Arbeit am Wort“, sondern auch auf der Ebene der Benennungen/<br />

Bezeichnungen, z.B. <strong>in</strong>dem sie konkurrierende Begriffe des heute dom<strong>in</strong>anten „Klassengegners“,<br />

d.h. der öffentlichen Rede der Bundesrepublik, gegenüberstellen, um sie zu „entlarven“<br />

und abzuwerten, oder <strong>in</strong>dem sie argumentieren, dass e<strong>in</strong> ganz anderer Sachverhalt mit<br />

bestimmten Wörtern (wie z.B. Zersetzung) bezeichnet werde als die Öffentlichkeit annehme.<br />

Teilweise werden sehr nachdrücklich Worterklärungen präsentiert, die mit der (DDR-)Realität<br />

offenkundig wenig zu tun haben. Manchmal widersprechen sich die Interviewten selbst.<br />

Die Thematisierungen der Wörter haben unterschiedliche Funktionen für die jeweilige Gesamtargumentation.<br />

Grundsätzlich s<strong>in</strong>d sie Teil e<strong>in</strong>er bestimmten Selbstverortungs- und<br />

Selbstdarstellungsstrategie der MfS-Mitarbeiter im Interview. Weil sie wissen, dass öffentlich<br />

wird, was sie sagen, sehen sich die Befragten stets – auch wenn dies nicht explizit thematisiert<br />

wird – mit dem öffentlichen Diskurs und dem allgeme<strong>in</strong>en Diskurswissen über die<br />

Staatssicherheit konfrontiert.<br />

1 E<strong>in</strong>es der bekanntesten Beispiele aus dem MfS-Wörterbuch ist die Def<strong>in</strong>ition für Hass: „<strong>in</strong>tensives<br />

und tiefes Gefühl, das wesentlich das Handeln von Menschen mitbestimmen kann. [...] [Hass kann]<br />

wertvoll und erhaben oder kle<strong>in</strong>lich und niedrig se<strong>in</strong>. [...] H. ist e<strong>in</strong> wesentlicher bestimmender Bestandteil<br />

der tschekistischen Gefühle, e<strong>in</strong>e der entscheidenden Grundlagen für den leidenschaftlichen<br />

und unversöhnlichen Kampf gegen den Fe<strong>in</strong>d. Se<strong>in</strong>e Stärkung und Vertiefung <strong>in</strong> der Praxis<br />

des Klassenkampfes und an e<strong>in</strong>em konkreten und realen Fe<strong>in</strong>dbild ist Aufgabe und Ziel der klassenmäßigen<br />

Erziehung.“<br />

118


Symposium 12<br />

Dieses Diskurswissen be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e starke Negativbewertung, die sich auch auf sie selbst<br />

als ehemalige Angehörige dieser Institution bezieht. In diesem Kontext ist auch ihr Umgang<br />

mit den Fahnen- und Hochwertwörtern zu sehen.<br />

Insgesamt verfahren die MfS-Mitarbeiter mit Geheimdienst-Worten (Hass, Zersetzung) distanzierter<br />

als mit den allgeme<strong>in</strong>-ideologischen Wörtern (Frieden, Antifaschismus, Konterrevolution<br />

usw.), mit denen sie sich häufig explizit identifizieren: E<strong>in</strong>e ungebrochene Identifikation<br />

mit dem MfS-Fachwortschatz sehen sie <strong>in</strong>nerhalb des (öffentlichen Teils des) Diskurses über<br />

die Staatssicherheit offenkundig als schwierig an. Erstaunlich ist dies <strong>in</strong>sofern, als die Interviewten<br />

sich überwiegend nicht nur als (nach wie vor) überzeugte Sozialisten, sondern auch<br />

als ebenso überzeugte Mitarbeiter der Staatssicherheit darstellen.<br />

119


Symposium 12<br />

Michael Klemm und Sascha Michel<br />

Der Bürger hat das Wort. Politiker im Spiegel von Userkommentaren <strong>in</strong> Twitter und<br />

Facebook – e<strong>in</strong>e Wortschatzanalyse<br />

Wortschatzanalysen des politischen Sprachgebrauchs untersuchen traditionell die öffentliche<br />

Kommunikation von Politikern und politischen Parteien (vgl. z.B. Habscheid/Klemm 2007). Im<br />

Mittelpunkt steht dabei der (strategische) Wortgebrauch <strong>in</strong> programmatischen Publikationen,<br />

Ansprachen und Reden oder bei TV-Auftritten von Spitzenpolitikern. Analysiert wurde vor<br />

allem die Konzeptualisierung und Benennung politisch relevanter Sachverhalte und Diskurse<br />

durch das „Besetzen“ von („brisanten“) Begriffen, welches der Profilierung der Eigengruppe<br />

und der Abgrenzung zu anderen dient, die Verwendung von Fahnen- oder Stigmawörtern<br />

(vgl. Holly 1990) oder die viel diskutierte Herausbildung, Veränderung und Abgrenzung von<br />

Symbol- und Schlagwörtern (vgl. Diekmannshenke/Kle<strong>in</strong> 1996, Girnth 2002).<br />

Bislang wenig bekannt ist über die Reaktionen und Kommentare der Zielgruppen dieser Äußerungen<br />

und damit sozusagen über den „Wortschatz der Bürger“, wenn man e<strong>in</strong>mal absieht<br />

von Untersuchungen von Leserbriefen (z.B. Fix 2007), Politikerchats (Diekmannshenke<br />

2005), Zuschauerkommentaren (Klemm 2007) oder zur Kommunikation <strong>in</strong> Bürger<strong>in</strong>itiativen<br />

(z.B. Hausendorf 2007). Durch die „neuen“ (Internet-)Medien ergeben sich aber nun nicht nur<br />

neue Wege der politischen Darstellung, sondern auch – <strong>in</strong> diesem Ausmaß bisher nicht mögliche<br />

– E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die kommunikative Politikaneignung von Bürgern/Wählern. In unterschiedlichen<br />

Kommunikationsformen haben User die Gelegenheit, mittels Kommentaren und<br />

Anregungen am politischen Me<strong>in</strong>ungs- und Willensbildungsprozess zu partizipieren oder ihre<br />

eigenen Diskurse zu gestalten. In jüngerer Zeit s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere soziale Netzwerke wie<br />

Facebook oder Twitter <strong>in</strong>s Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, zeigen doch u.a. der „Fall<br />

Guttenberg“ oder „Stuttgart 21“ sehr e<strong>in</strong>drücklich, dass durch die Netzwerkbildung bestimmter<br />

Gruppen politische Diskurse <strong>in</strong>itiiert oder mit nachhaltigen Konsequenzen verstärkt werden<br />

können.<br />

In unserem Vortrag soll es darum gehen, Kommentare von Usern zu politischen Akteuren<br />

oder Parteien <strong>in</strong> eben diesen sozialen Netzwerken – am Beispiel von Facebook und Twitter –<br />

h<strong>in</strong>sichtlich des verwendeten Wortschatzes exemplarisch zu analysieren. Wie wird auf politische<br />

Akteure und Parteien <strong>in</strong> diesen neuen (öffentlichen!) Geme<strong>in</strong>schaften referiert? Welchen<br />

Themengebieten und Diskursen s<strong>in</strong>d die Kommentare zuzuordnen? Welche Wortfelder<br />

s<strong>in</strong>d typisch für die Aneignung des vielschichtigen und hochkomplexen politischen Geschehens?<br />

Wie wird der meist fachlich geprägte politische Wortschatz <strong>in</strong> die Umgangs- bzw.<br />

Standardsprache transferiert und vom Bürger „kle<strong>in</strong>gearbeitet“?<br />

Literatur:<br />

Diekmannshenke, Hajo (2005): Mitwirkung von allen? Demokratische Kommunikation im<br />

Chat. In: Jörg Kilian (Hg.): Sprache und Politik. Mannheim: Dudenverlag, 258–277.<br />

Diekmannshenke, Hajo/Kle<strong>in</strong>, Josef (Hgg.) (1996): Wörter <strong>in</strong> der Politik. Analysen zur Lexemverwendung<br />

<strong>in</strong> der politischen Kommunikation, Opladen.<br />

Fix, Ulla (2007): Leserbriefe. Öffentliche politische Debatte „im Kle<strong>in</strong>en“. In: Stephan<br />

Habscheid/Michael Klemm (Hgg.). Sprachhandeln und Medienstrukturen <strong>in</strong> der politischen<br />

Kommunikation, Tüb<strong>in</strong>gen, 213–236.<br />

Girnth, Heiko (2002): Sprache und Sprachverwendung <strong>in</strong> der Politik. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die<br />

l<strong>in</strong>guistische Analyse öffentlich-politischer Kommunikation, Tüb<strong>in</strong>gen.<br />

Habscheid, Stephan/Klemm, Michael (Hgg.) (2007): Sprachhandeln und Medienstrukturen <strong>in</strong><br />

der politischen Kommunikation, Tüb<strong>in</strong>gen.<br />

120


Symposium 12<br />

Hausendorf, Heiko (2007): Politikersprache. Zur Politisierung von Kommunikation am Beispiel<br />

der Ause<strong>in</strong>andersetzung um gentechnikrechtliche Genehmigungsverfahren. In: Stephan<br />

Habscheid/Michael Klemm (Hgg.). Sprachhandeln und Medienstrukturen <strong>in</strong> der politischen<br />

Kommunikation, Tüb<strong>in</strong>gen, 45–62.<br />

Holly, Werner (1990): Politikersprache. Inszenierungen und Rollenkonflikte im <strong>in</strong>formellen<br />

Sprachhandeln e<strong>in</strong>es Bundestagsabgeordneten. Berl<strong>in</strong>, New York.<br />

Klemm, Michael (2007): Die fe<strong>in</strong>en Nadelstiche des Vergnügens. Fallstudien zur „widerständigen“<br />

Medienaneignung. In: Michael Klemm/Eva Maria Jakobs (Hgg.). Das Vergnügen <strong>in</strong><br />

und an den Medien. Interdiszipl<strong>in</strong>äre Perspektiven. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> u.a., 249–270.<br />

121


Symposium 13<br />

Mart<strong>in</strong>a Nied Curcio, Fabio Mollica und María José Domínguez Vázquez<br />

Vom Nutzen der bil<strong>in</strong>gualen Lexikographie aus der Perspektive des DaF-Lernenden –<br />

Neue Tendenzen?!<br />

Bis weit <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert nahmen Kontrastive L<strong>in</strong>guistik bzw. Lexikologie und lexikographische<br />

Praxis i.d.R. kaum vone<strong>in</strong>ander Notiz; sie waren praktisch getrennt und ihr Verhältnis<br />

zue<strong>in</strong>ander blieb lange ungeklärt (vgl. Kühlwe<strong>in</strong>/Wilss 1978). E<strong>in</strong>en wichtigen Impuls für<br />

die Verb<strong>in</strong>dung von (Kontrastiver) L<strong>in</strong>guistik, Deutsch als Fremdsprache und Lexikographie,<br />

<strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Deutschland, lieferte die Valenztheorie, und mit ihr das „Kle<strong>in</strong>e[s] Valenzlexikon<br />

deutscher Verben“ von Engel/Schumacher (1978), auf dessen Grundlage zahlreiche<br />

bil<strong>in</strong>guale Verbvalenzwörterbücher entstanden s<strong>in</strong>d, wie z.B. Rall/Rall/Zorrilla (1980), Engel/<br />

Sav<strong>in</strong> 1983, Ozil 1990, Cirko et al (1995), Fàbián 1996/1998/2005, Bianco 1996, Blumenthal/<br />

Rovere 1998, Curcio 1999, Djordjević/Engel 2009.<br />

E<strong>in</strong> erster Schritt für e<strong>in</strong>e konstruktive Beziehung zwischen kontrastiver L<strong>in</strong>guistik und zweisprachiger<br />

Lexikographie war damit getan. Nach e<strong>in</strong>er ersten Welle im lexikographischen<br />

Bereich sche<strong>in</strong>t die Valenz heute jedoch <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der zweisprachigen Lexikographie<br />

wieder zu verschw<strong>in</strong>den, bzw. Konkurrenz durch die Konstruktionsgrammatik und die <strong>in</strong> Mode<br />

gekommenen Kollokationen und Chunks zu bekommen (Fobbe 2010, Handwerker 2009,<br />

Her<strong>in</strong>ger 2007, Ste<strong>in</strong>bügl 2005).<br />

In dieser Sektion wollen wir uns mit verschiedenen Problemen im Bereich der kontrastiven<br />

Lexikographie ause<strong>in</strong>andersetzen (<strong>in</strong>sbesondere unter Berücksichtigung des E<strong>in</strong>satzes von<br />

Wörterbüchern im Fremdsprachenunterricht) und dabei folgenden Fragen nachgehen:<br />

• Welche zweisprachigen Wörterbücher liegen vor und auf welchen l<strong>in</strong>guistischen Grundlagen<br />

basieren sie?<br />

• Welchen E<strong>in</strong>fluss nimmt die onl<strong>in</strong>e- bzw. elektronische Darbietung der Daten auf die Entwicklung<br />

der Mikro- und Makrostrukturen dieser Wörterbücher?<br />

• Gibt es heutzutage multil<strong>in</strong>guale und reversible Wörterbücher? Auf welchen Grundlagen<br />

basieren sie? Für welche Sprachen? Wie s<strong>in</strong>d Konzeption und Aufbau?<br />

• Welche Rolle spielt heute die Valenz (auch <strong>in</strong> nicht explizit valenzausgerichteten Wörterbüchern)?<br />

Wie weit spielen die neuen Erkenntnisse der Konstruktionsgrammatik e<strong>in</strong>e Rolle?<br />

• Welche Tendenzen s<strong>in</strong>d generell auszumachen?<br />

• Welche Arbeitsschritte stehen noch aus? Wie sieht die Zukunft der kontrastiven Lexikographie<br />

aus?<br />

Aber auch eher lernerorientierte und sprachbed<strong>in</strong>gte Fragen können im Mittelpunkt stehen,<br />

wie bspw. die Frage nach der lexikographischen Notierung von Divergenzen und Konvergenzen<br />

zwischen den Sprachen und möglichen Interferenzen (wie falsche Freunde, Probleme<br />

der Polysemie), die lexikospezifische Wort-Syntagma-Äquivalenz, die Rolle von nicht<br />

Standardäquivalenten usw.<br />

Außerdem sollte an all diese Fragen unter besonderer Berücksichtigung des Wörterbuchbenutzers<br />

herangegangen werden. E<strong>in</strong>erseits liegen recht wenige empirische Untersuchungen<br />

über die Rolle des Wörterbuchs und se<strong>in</strong>en Nutzen als Hilfsmittel beim Übersetzen und im<br />

Fremdsprachenunterricht im Allgeme<strong>in</strong>en vor, andererseits weist die steigende Anzahl an<br />

122


Symposium 13<br />

Lernerwörterbüchern 1 darauf h<strong>in</strong>, dass die Perspektive des Benutzers im Allgeme<strong>in</strong>en, aber<br />

auch die Perspektive des Fremdsprachenlerners, bei lexikographischen Überlegungen immer<br />

mehr <strong>in</strong> den Mittelpunkt rückt. Trotzdem bleiben noch viele Fragen offen: S<strong>in</strong>d die Wörterbücher,<br />

die sich auf dem Markt bef<strong>in</strong>den (auch die onl<strong>in</strong>e-Wörterbücher), wirklich diejenigen,<br />

die gebraucht werden? Welche Verbesserungen s<strong>in</strong>d möglicherweise vorzunehmen?<br />

Literatur:<br />

Bianco, Maria Teresa (1996): Valenzlexikon Deutsch-Italienisch. Dizionario della valenza<br />

verbale. Heidelberg: Julius Groos.<br />

Blumenthal, Peter/Rovere, Giovanni (1998): Wörterbuch der italienischen Verben. Konstruktionen,<br />

Bedeutungen, Übersetzungen. Stuttgart: Klett.<br />

Cirko et al (1995): Deutsch-polnisches Valenzwörterbuch. Cirko, Lesław/Morc<strong>in</strong>iec, Norbert/<br />

Ziobro, Ryszard (1995): Wörterbuch zur Valenz deutscher und polnischer Verben. Wroclaw:<br />

Wydawnictwo Uniwersytetu Wrocławskiego.<br />

Curcio, Mart<strong>in</strong>a Lucia (1999): Kontrastives Valenzwörterbuch der gesprochenen Sprache<br />

Italienisch-Deutsch. Grundlagen und Auswertungen. Mannheim: Institut für Deutsche<br />

Sprache.<br />

Djordjević, Miloje/Engel, Ulrich (2009): Wörterbuch zur Verbvalenz Deutsch–Bosnisch/<br />

Kroatisch/Serbisch. München: Iudicium.<br />

Engel, Ulrich/Sav<strong>in</strong>, Emilia (1986): Valenzlexikon Deutsch-Rumänisch. Heidelberg: Julius<br />

Groos.<br />

Engel, Ulrich/Schumacher, Helmut (2003): Kle<strong>in</strong>es Valenzlexikon deutscher Verben. Mannheim:<br />

Institut für Deutsche Sprache (unveränderter Nachdruck der Auflage 1978).<br />

Fábián, Zsuzsanna (1996): Olasz–magyar melléknévi vonzatszótár. Dizionario italianoungherese<br />

della valenza degli aggettivi. Budapest: Nemzeti Tankönyvkiadó.<br />

Fábián, Zsuzsanna/Angel<strong>in</strong>i, Maria Teresa (1998): Olasz igei vonzatok. Reggenze dei verbi<br />

italiani. Budapest: Tankönyvkiadó.<br />

Fábián, Zsuzsanna/Angel<strong>in</strong>i, Maria Teresa (2005): Olasz-magyar főnévi valenciaszótár. Dizionario<br />

italiano-ungherese della valenza dei nomi. Szeged: Grimm Kiadó.<br />

Fobbe, Eilika (2010): „Was von Valenz übrig bleibt. Die Rolle der Valenzgrammatik <strong>in</strong> Lehrwerken<br />

des Deutschen als Fremdsprache“, <strong>in</strong> Fischer K./Fobbe, E./Schierholz, S.J. (Hg.):<br />

Valenz und Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt: Lang (= Deutsche Sprachwissenschaft<br />

International, 6), S. 61–85.<br />

Handwerker, Brigitte/Madlener, Kar<strong>in</strong> (2009): Chunks für DaF. Theoretischer H<strong>in</strong>tergrund<br />

und Prototyp e<strong>in</strong>er multimedialen Lernumgebung (<strong>in</strong>klusive DVD). Hohengehren: Schneider.<br />

Her<strong>in</strong>ger, Hans Jürgen (2007): „Deutsch lernen mit Valenz-Chunks“, <strong>in</strong> ZfAL 47, S. 3–16.<br />

Kühlwe<strong>in</strong>, Wolfgang/Wilss, Wolfram (1981): „Kontrastive L<strong>in</strong>guistik und Übersetzungswissenschaft<br />

– E<strong>in</strong>leitung“. In: Kühlwe<strong>in</strong>, Wolfgang/Thome, Gisela/Wilss, Wolfram (Hg.): Kontrastive<br />

L<strong>in</strong>guistik und Übersetzungswissenschaft, Akten des Internationalen Kolloquiums<br />

Trier/Saarbrücken 25.-30.9.1978. München: F<strong>in</strong>k, S. 7–17.<br />

Nuccor<strong>in</strong>i, Stefania (1993): La parola che non so. Saggio sui dizionari pedagogici. Scandicci<br />

Firenze: La Nuova Italia.<br />

Ozil, Seyda (1990): Valenzwörterbuch deutsch-türkisch. Degerlilik Sözlügü Almanca-Türkçe<br />

(= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit, 38/90). Hamburg: Arbeiten zur Mehrsprachigkeit 38/90.<br />

1 Die Tendenz im englischsprachigen Raum sche<strong>in</strong>t sich auch <strong>in</strong> den anderen Sprachen bzw. <strong>in</strong><br />

anderen Sprachenpaaren zu manifestieren, vgl. Nuccor<strong>in</strong>i 1993, Schafroth 2004, Wiegand 1998,<br />

Verdiani 2010.<br />

123


Symposium 13<br />

Rall, Dietrich/Rall, Marlene/Zorilla, Oscar (1980): Diccionario de valencias verbales. Alemán–<br />

Espanol. Tüb<strong>in</strong>gen: Narr.<br />

Schafroth, Elmar (2004): „Anmerkungen zur lexikographischen Dimension der Lernersprachen<br />

Italienisch und Deutsch“, <strong>in</strong>: dafWerkstatt 3, S. 109–124.<br />

Schumacher, Helmut/Kubczak, Jacquel<strong>in</strong>e et al. (2004): VALBU – Valenzwörterbuch deutscher<br />

Verben. Tüb<strong>in</strong>gen: Narr.<br />

Ste<strong>in</strong>bügl, Birgit (2005): Deutsch-englische Kollokationen. Erfassung <strong>in</strong> zweisprachigen Wörterbüchern<br />

und Grenzen der korpusbasierten Analyse. Tüb<strong>in</strong>gen: Narr.<br />

Verdiani, Silvia (2010): Tedesco Junio. Dizionario di apprendimento della l<strong>in</strong>gua tedesca.<br />

Tedesco Italiano-Italiano Tedesco. Milano: Loescher.<br />

Wiegand, Herbert Ernst (1998): Wörterbuchforschung. Untersuchungen zur Wörterbuchbenutzung,<br />

zur Theorie, Geschichte, Kritik und Automatisierung der Lexikographie. 2 Bände.<br />

Berl<strong>in</strong>; New York: de Gruyter.<br />

124


Symposium 13<br />

Joern-Mart<strong>in</strong> Becker<br />

Große Sprachen, kle<strong>in</strong>e Sprachen – Perspektiven für die Wörterbuchschreibung/<br />

Lexikografie <strong>in</strong> der Slawistik<br />

Die Lexikografie ist <strong>in</strong> der Slawistik gut aufgestellt. Es gibt e<strong>in</strong>e große Zahl an Wörterbüchern<br />

aller Typen und aller zur slawischen Gruppe gehörenden Sprachen. Dabei fällt natürlich auf,<br />

dass es sog. „große Sprachen“ mit e<strong>in</strong>er Vielzahl an Sprechern bzw. Muttersprachlern und<br />

mit e<strong>in</strong>er gewissen Bedeutung für die Sprachen der Welt bzw. e<strong>in</strong>er bestimmten Region wie<br />

Mittel-, Ost- oder Südeuropa gibt. Dazu können wir etwa das Polnische, das Tschechische,<br />

das Russische, das Ukra<strong>in</strong>ische, das Serbisch-Kroatische und vielleicht noch das Bulgarische<br />

zählen. Aber es gibt <strong>in</strong> dieser Gruppe auch „kle<strong>in</strong>ere“ Sprachen wie das Slowakische,<br />

das Weißrussische, das Slowenische und Mazedonische. Insbesondere für die großen Sprachen<br />

f<strong>in</strong>den wir Wörterbücher jeder Art und zu jedem speziellen Thema, Fach oder für e<strong>in</strong>zelne<br />

soziale Gruppen.<br />

Auf der Suche nach Ideen für neue Wörterbücher, die dann mit dem Ausloten bestimmter<br />

Trends im beruflichen oder kulturellen Alltag verbunden s<strong>in</strong>d, tritt die Lexikografie <strong>in</strong> der Öffentlichkeit<br />

nicht nur als Forschungsdiszipl<strong>in</strong> und Wissensvermittler <strong>in</strong> der Lehre auf. Sie<br />

übernimmt auch immer häufiger Aufgaben als Dienstleister außerhalb von Wissenschaft und<br />

Schule. Hier helfen vor allem mehrsprachige Internetwörterbücher (Datenbanken, Foren,<br />

Clouds), die im Bereich der kle<strong>in</strong>eren Sprachen Sammlung und lernerorientierte Darstellung<br />

von Spezialwortschatz ermöglichen und durch Gegenüberstellung und e<strong>in</strong>fachen Zugriff sowohl<br />

der kontrastive L<strong>in</strong>guistik als Forschungsbereich als auch der Interkomprehensik als<br />

Lernmethode e<strong>in</strong>e moderne und strukturenreiche Grundlage schaffen.<br />

Die Interkomprehensik ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante Neuheit im Bereich der Sprachvermittlung und<br />

Sprachlehre. Hier werden mehrere e<strong>in</strong>ander ähnliche bzw. mite<strong>in</strong>ander verwandte Sprachen<br />

zugleich gelehrt. Dieses Pr<strong>in</strong>zip kann sich die Lexikografie zu eigen machen bzw. wird bereits<br />

genutzt. Insbesondere die kle<strong>in</strong>eren Sprachen, Kle<strong>in</strong>stsprachen und Dialektformen – für<br />

die der Druck von größeren Wörterbüchern oft aufgrund der Kosten nicht lohnt – können<br />

dadurch profitieren.<br />

Gegenstand me<strong>in</strong>er Untersuchung ist es nun, die Möglichkeiten auszuloten, die Internet und<br />

mehrsprachige Wörterbücher <strong>in</strong> der Slavia bieten, welche Entwicklungstendenzen auszumachen<br />

und welche technologischen und strukturellen Trends nutzbar s<strong>in</strong>d. Ziel ist es letztlich,<br />

eigene Ideen für neue Arten von kontrastiven Internetwörterbüchern vor allem für kle<strong>in</strong>ere<br />

slawische Sprachen und für spezielle Gruppen von Nutzern, etwa für unterschiedliche<br />

Berufsgruppen (Juristen, Politiker, Mitarbeiter verschiedener Medien, Mitarbeiter <strong>in</strong> Wirtschaft<br />

und Handel, Mediz<strong>in</strong>er, Naturwissenschaftler oder Techniker), aber auch im privaten<br />

Bereich zu präsentieren, um somit neue Fragen zur Rolle des modernen Wörterbuchs zu<br />

stellen.<br />

125


Symposium 13<br />

Rufus H. Gouws<br />

Towards bil<strong>in</strong>gual dictionaries with Afrikaans and German as language pair<br />

Early <strong>in</strong> the previous century the extent of the local German community <strong>in</strong> South Africa and<br />

the subsequent need for the teach<strong>in</strong>g of German as a foreign language led to the compilation<br />

of a few dictionaries with Afrikaans and German as language pair. It was soon clear that only<br />

one of these dictionaries, i.e. Wörterbuch/Woordeboek (Trümpelmann et al.) would eventually<br />

be the preferred lexicographic <strong>in</strong>strument. A decrease <strong>in</strong> the German community and a<br />

severe decrease <strong>in</strong> the number of learners and students tak<strong>in</strong>g German as foreign language<br />

resulted <strong>in</strong> this dictionary not be<strong>in</strong>g revised as often or as extensively as needed. The last<br />

revision was published <strong>in</strong> 1983 and s<strong>in</strong>ce then there has only been a repr<strong>in</strong>t of this outdated<br />

edition. The costs of a new edition and the restricted market have previously been given as<br />

motivation for the delay <strong>in</strong> the revision of this dictionary. Although the publish<strong>in</strong>g house is<br />

prepar<strong>in</strong>g a new edition, this outdated dictionary is currently the only available pr<strong>in</strong>ted dictionary<br />

for this language pair.<br />

Albeit of a restricted extent there is a real need for new dictionaries with Afrikaans and German<br />

as language pair. However, the target user group of these dictionaries is quite diverse<br />

and their needs and reference skills differ considerably. Consequently it will hardly be possible<br />

to satisfy these diverse needs <strong>in</strong> a s<strong>in</strong>gle dictionary.<br />

A mere cosmetic or superficial revision of Wörterbuch/Woordeboek will not suffice and will<br />

only partially satisfy the needs of a limited section of the real target user group. Innovative<br />

and transformative plann<strong>in</strong>g is necessary to produce lexicographic tools that can satisfy all<br />

the needs of all the <strong>in</strong>tended target users <strong>in</strong> all situations of dictionary use.<br />

This paper looks at a new concept for bil<strong>in</strong>gual dictionaries with Afrikaans and German as<br />

language pair, work<strong>in</strong>g with the approach of a s<strong>in</strong>gle electronic data base from which different<br />

dictionaries can be extracted. It will be shown how a well-devised data base can be employed<br />

as a source from which a series of dictionaries can be compiled <strong>in</strong> order to provide<br />

lexicographic assistance that could lead to the satisfaction of different lexicographic functions<br />

for different groups of target users. The different dictionaries <strong>in</strong>clude those with a communication<br />

function, i.e. for text production, text reception, translation and edit<strong>in</strong>g <strong>in</strong> different situations<br />

of dictionary use, e.g. <strong>in</strong> teach<strong>in</strong>g German as foreign language or <strong>in</strong> situations of translation<br />

and edit<strong>in</strong>g. Each one of these dictionaries will have a well-identified target user group<br />

and cognizance will be taken of the specific needs and reference skills of the <strong>in</strong>tended user<br />

group. Proposals will be made for ways <strong>in</strong> which users can identify themselves and build a<br />

user-profile that will allow them access to a dictionary relevant to a specific consultation procedure<br />

with a data selection and presentation directed at their real needs.<br />

Utilis<strong>in</strong>g lexicographic theory it is shown how models for new dictionaries with German and<br />

Afrikaans as language pair can enhance the lexicographic practice <strong>in</strong> response to the lexicographic<br />

needs of a diverse target user group.<br />

Reference:<br />

Trümpelmann, G.P.J. & E. Erbe. 1983 8 . Woordeboek/Wörterbuch. Pretoria: J.L. van Schaik.<br />

126


Symposium 13<br />

Peter Meyer<br />

Vere<strong>in</strong>heitlichter Zugriff auf heterogene lexikografische Ressourcen: Probleme und<br />

Lösungsansätze am Beispiel e<strong>in</strong>es Internetportals für Lehnwörterbücher<br />

Die Schaffung übergreifender und e<strong>in</strong>heitlicher Zugriffs- und Recherchemöglichkeiten für<br />

bereits vorhandene elektronische Ressourcen unterschiedlicher Herkunft und Struktur ist<br />

e<strong>in</strong>e große Herausforderung auch für die gegenwärtige Lexikografie. Im Vortrag sollen<br />

exemplarisch Lösungsstrategien für Probleme vorgestellt und diskutiert werden, die sich<br />

beim Aufbau e<strong>in</strong>es Internetportals für Lehnwörterbücher ergeben haben.<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>eren Pilotprojektes wird derzeit am Institut für Deutsche Sprache e<strong>in</strong>e<br />

Webanwendung entwickelt, die Benutzern den Zugriff auf mehrere Lehnwörterbücher mit<br />

Deutsch als geme<strong>in</strong>samer Gebersprache gestattet (siehe www.ids-mannheim.de/lexik/<br />

lehnwortportal; vgl. Meyer/Engelberg 2011). Neben dem Zugriff auf die E<strong>in</strong>zelwörterbücher<br />

soll das Portal als ‚umgekehrtes Lehnwörterbuch‘ (Engelberg 2010) komplexe wörterbuchübergreifende<br />

Suchabfragen <strong>in</strong>sbesondere auch aus der Perspektive der Gebersprache<br />

Deutsch ermöglichen.<br />

Die grundsätzliche Problemlage beim Aufbau e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tegrierten Zugriffs auf die Lehnwörterbücher<br />

f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> größeren Dimensionen beispielsweise beim Wörterbuchnetz des Trierer<br />

Kompetenzzentrums für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren wieder (vgl.<br />

Burch/Rapp 2007). Als e<strong>in</strong>e Besonderheit des vorzustellenden Projekts ergibt sich jedoch,<br />

dass die für übergreifende Suchvorgänge erforderlichen Metadaten nicht nur Verweisbeziehungen<br />

zwischen Wörterbuchartikeln als ganzen betreffen, sondern verschiedenartige <strong>in</strong>haltliche<br />

Beziehungen zwischen Informationse<strong>in</strong>heiten – <strong>in</strong>sbesondere Wortformen, nämlich<br />

Herkunfts- und Lehnwörtern samt deren Varianten, Ableitungen usw. – <strong>in</strong>nerhalb solcher<br />

Artikel. Daraus ergeben sich verschiedene lexikografische und technische Konsequenzen:<br />

• Die erforderliche portalweite Abstraktionsschicht kann als gerichteter azyklischer Graph<br />

dargestellt werden, dessen Knoten nicht ganze Artikel, sondern jeweils e<strong>in</strong>zelne <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Artikel genannte Wortformen samt grammatischen, diasystematischen und anderen Informationen<br />

repräsentieren. E<strong>in</strong> solcher Graph kann mit spezialisierten Datenbankwerkzeugen,<br />

z.B. Graphdatenbanken, verwaltet und effizient rekursiv abgefragt werden. Bei<br />

der Retrodigitalisierung von Pr<strong>in</strong>twerken muss für jeden Artikel e<strong>in</strong> Teilgraph erstellt und<br />

als XML-Dokument kodiert werden.<br />

• Die Aufbereitung der lexikografischen Daten stellt bei e<strong>in</strong>er solchen granularen Repräsentation<br />

hohe <strong>in</strong>haltliche und technische Anforderungen. So kann schon e<strong>in</strong> Teilgraph, der<br />

die Relationen zwischen Wortformen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Wörterbuchartikels darstellt,<br />

pr<strong>in</strong>zipiell beliebig lange Pfade aufweisen (z.B. Variante � Derivat � Variante �<br />

Lehnwort (Lemmaform) � Etymonvariante � Etymon � Metaetymon). Diese Pfade müssen<br />

sich aus der rekursiv verschachtelten XML-Baumstruktur der jeweils zugrundeliegenden<br />

Digitalisate ableiten lassen; sie ergeben sich i.a. nicht schon aus der lokalen XML-<br />

Auszeichnung des betreffenden Elements.<br />

• Das wichtigste tertium comparationis des Lehnwörterbuchportals bilden die <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Artikel genannten deutschen Etymaformen, nicht die Lemmata der Wörterbücher. Für die<br />

Vernetzungsstruktur des Portals und für s<strong>in</strong>nvolle Suchen im ‚umgekehrten Lehnwörterbuch‘<br />

müssen diese deutschen Wortformen daher auf Wörter e<strong>in</strong>er für das Portal zu erstellenden<br />

‚Metaetymonliste‘, also e<strong>in</strong>er dedizierten Lemmaliste des umgekehrten<br />

Lehnwörterbuchs, abgebildet werden. Dies erfordert sprachhistorisch <strong>in</strong>formierte manuelle<br />

Arbeit mit speziellen Werkzeugen, die auch bei größeren Datenbeständen z.B. schnelles<br />

Suchen nach bereits angelegten Metaetyma gestatten, morphologische Relationen zwischen<br />

Metaetyma verwalten können und bei komplexeren Operationen – wie etwa dem<br />

127


Symposium 13<br />

nachträglichen Zusammenführen von zwei zunächst etymologisch verschieden beurteilten<br />

Etyma – die Wahrung der Datenkonsistenz und der Schleifenfreiheit des Graphen sicherstellen.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Besonderheit der vorzustellenden Portalkonzeption ist der Umstand, dass der<br />

für Suchvorgänge verwendete Metadatengraph nicht e<strong>in</strong>fach an die Stelle der XML-kodierten<br />

Orig<strong>in</strong>aldigitalisate, also der digitalen Wörterbuchartikel, tritt und nicht selber mit Ergänzungen<br />

sowie Vernetzungs- und Korrektur<strong>in</strong>formationen angereichert wird. Der Metadatengraph<br />

wird für die Webanwendung vielmehr dynamisch aus den Orig<strong>in</strong>al-XML-Instanzen, der als<br />

gesondertes XML-Dokument vorliegenden aktuellen Metaetymonliste sowie ggf. weiteren,<br />

separat verwalteten, Modifikations- und Ergänzungsdateien generiert, wobei die <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>zelwörterbüchern<br />

verwendeten unterschiedlichen Begrifflichkeiten (diasystematische Klassifikation,<br />

Datierung, grammatische Kategorien, …) auf portalweit gültige Klassifikationsschemata<br />

(Ontologien, Taxonomien) abgebildet werden.<br />

Die XML-Instanzen der E<strong>in</strong>zelwörterbücher werden bei der Portal<strong>in</strong>tegration grundsätzlich<br />

nicht verändert. Sie dienen im Portal als Grundlage für die Onl<strong>in</strong>e-Artikelansicht und können<br />

– ggf. auch außerhalb der Webanwendung – über Abfragesprachen wie XQuery für fortgeschrittene<br />

Abfragen verwendet werden.<br />

Das skizzierte Verfahren beruht auf e<strong>in</strong>er plattformunabhängigen und beliebig erweiterbaren<br />

XML-basierten Datenhaltung mit strenger Trennung der verschiedenen Informationsquellen<br />

und komb<strong>in</strong>iert diese mit den Vorzügen leistungsfähiger Datenbanktechnologien. So wird<br />

e<strong>in</strong>e Portal<strong>in</strong>frastruktur möglich, die e<strong>in</strong>e komplexe hierarchisch-rekursiv strukturierte Vernetzung<br />

von Artikelbestandteilen über Artikel- und Wörterbuchgrenzen h<strong>in</strong>weg voraussetzt.<br />

Literatur:<br />

Burch, Thomas/Rapp, Andrea (2007): Das Wörterbuch-Netz: Verfahren – Methoden – Perspektiven.<br />

In: Geschichte im Netz: Praxis, Chancen, Visionen. Beiträge der Tagung .hist<br />

2006, hg. für Clio-onl<strong>in</strong>e von Daniel Burckhardt, Rüdiger Hohls und Claudia Pr<strong>in</strong>z, unter<br />

Mitwirkung von Sebastian Barteleit, Gudrun Gersmann, Peter Haber, Madele<strong>in</strong>e Herren,<br />

Patrick Sahle, Daniel Schlögl, Georg Vogeler, Claudia Wagner und Irmgard Zündorf (Historisches<br />

Forum 10, Teilband I). Berl<strong>in</strong>, 607–627.<br />

Engelberg, Stefan (2010): An <strong>in</strong>verted loanword dictionary of German loanwords <strong>in</strong> the languages<br />

of the South Pacific. In: Dykstra, Anne/Schoonheim, Tanneke (Hgg.): Proceed<strong>in</strong>gs<br />

of the XIV Euralex International Congress. Leeuwarden, 6–10 July 2010. Fryske Akademy:<br />

Leeuwarden, 639–647.<br />

Meyer, Peter/Engelberg, Stefan (2011): E<strong>in</strong> umgekehrtes Lehnwörterbuch als Internetportal<br />

und elektronische Ressource: Lexikographische und technische Grundlagen. In:<br />

Hedeland, Hanna/Schmidt, Thomas/Wörner, Kai (Hgg.): Multil<strong>in</strong>gual Resources and Multil<strong>in</strong>gual<br />

Applications. Proceed<strong>in</strong>gs of the Conference of the German Society for Computational<br />

L<strong>in</strong>guistics and Language Technology (GSCL) 2011. Arbeiten zur Mehrsprachigkeit/<br />

Work<strong>in</strong>g Papers <strong>in</strong> Multil<strong>in</strong>gualism, Folge B, Nr. 96. Universität Hamburg: Hamburg, 169–<br />

174.<br />

128


Symposium 13<br />

David L<strong>in</strong>demann<br />

Zweisprachige Lexikographie des Sprachenpaares Deutsch–Baskisch<br />

Die baskische Sprache ist ausgehend von W. v. Humboldt (1799; 1812; 1817 u.a.) Gegenstand<br />

sprachwissenschaftlicher Forschung <strong>in</strong> deutscher Sprache und (<strong>in</strong> sehr begrenztem<br />

Umfang) auch der deutschsprachigen Lexikographie (Humboldt 1817; Charpentier 1823;<br />

Mahn 1840). Im 20. Jahrhundert und bis heute s<strong>in</strong>d drei Arbeiten h<strong>in</strong>zugekommen (Löpelmann<br />

1968; Kühnel 1999; Martínez Rubio 2007). Nach e<strong>in</strong>er kurzen Vorstellung dieser Vorläufer,<br />

ihrer Eigenschaften, ihres Umfangs, e<strong>in</strong>iger ihrer Glücksgriffe und Fehltritte, geben wir<br />

<strong>in</strong> diesem E<strong>in</strong>führungsteil e<strong>in</strong>en Überblick über die Entwicklung der baskischen Lexikographie,<br />

unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der jüngsten Reformen der Standardvariante<br />

für die lexikographische Arbeit.<br />

Die Entwicklung e<strong>in</strong>er neuen zweisprachigen lexikographischen Datenbank knüpft an Überlegungen<br />

zu Wörterbuchfunktionen (Tarp & Bergenholtz 2005) und e<strong>in</strong>igen baskischen Arbeiten<br />

an, die uns <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie an Baskisch-L1-Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzer unserer Datenbank<br />

denken lassen, die mit Deutsch als Fremdsprache arbeiten.<br />

Bei der Erstellung der Lemmastrecke greifen wir auf die DEREWO-Häufigkeitslisten des Instituts<br />

für Deutsche Sprache (IDS 2009) sowie auf vorhandene Nachschlagewerke zurück.<br />

Die Erstellung der Datenbank und ihre Nutzbarmachung im Vorfeld der Veröffentlichung erfolgt<br />

mit der <strong>in</strong> Pretoria (Südafrika) entwickelten Software TshwaneLex (hierzu Schryver<br />

2003; Joffe & Schryver 2010).<br />

Die Vorstellung unserer praktischen lexikographischen Arbeit schließt e<strong>in</strong>ige allgeme<strong>in</strong>e und<br />

e<strong>in</strong>ige für das Sprachenpaar Deutsch-Baskisch spezifische lexikographische Problemstellungen<br />

im H<strong>in</strong>blick auf Mikrostruktur und Darstellungsform des Wörterbuchs sowie unsere<br />

Lösungsvorschläge e<strong>in</strong>.<br />

Literatur:<br />

Azkarate, M., 1991. Basque Lexicography. In F. J. Hausmann, ed. Wörterbücher: E<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales<br />

Handbuch zur Lexikographie. Berl<strong>in</strong>: de Gruyter, pp. 2371–2375.<br />

Charpentier, J. von, 1823. Paradigmen Baskischer Decl<strong>in</strong>ationen und Conjugationen, nebst<br />

e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Wörterverzeichnisse, <strong>in</strong> der zu Sa<strong>in</strong>t Etienne (Donostiÿ) Hauptdorf des Thales<br />

von Baigorrÿ bei Sa<strong>in</strong>t-Jean-Pied-De-Port üblichen Mundart.<br />

Humboldt, W. von, 1812. Ankündigung e<strong>in</strong>er Schrift über die baskische Sprache und Nation.<br />

In F. von Schlegel, ed. Deutsches Museum, Bd. II. Wien: Cames<strong>in</strong>a, pp. 485–502.<br />

Humboldt, W. von, 1799. Anmerkung über die baskische Sprache. In C. A. Fischer, ed. Reise<br />

von Amsterdam über Madrid und Cádiz nach Genua <strong>in</strong> den Jahren 1797 und 1798.<br />

Nebst e<strong>in</strong>em Anhange über das Reisen <strong>in</strong> Spanien. Berl<strong>in</strong>: J.F. Unger, pp. 139–144.<br />

Humboldt, W. von, 1817. Berichtigungen und Zusätze zum erste Abschnitte des zweyten<br />

Bandes des Mithridates über die cantabrische oder baskische Sprache, Berl<strong>in</strong>: Vossische<br />

Buchhandlung.<br />

IDS, 2009. Korpusbasierte Wortgrundformenliste DEREWO, v-40000g-2009-12-31-0.1, mit<br />

Benutzerdokumentation.<br />

Joffe, D. & Schryver, G.-M. de, 2010. The TshwaneLex Suite – User Guide. Onl<strong>in</strong>e-<br />

Dokument, http://tshwanedje.com/docs/TshwaneLex%20User%20Guide.pdf.<br />

Kühnel, H., 1999. Wörterbuch des Baskischen, Wiesbaden: Reichert.<br />

L<strong>in</strong>demann, D., 2010a. Alemanerazko euskal bibliografia – Deutschsprachige baskische Bibliographie<br />

– Bibliografia vasca en alemán. Onl<strong>in</strong>e-Dokument, Sancho el Sabio Fundazioa,<br />

Vitoria-Gasteiz, http://www.fsancho-sabio.es/html/Publicaciones_Aleman.html.<br />

129


Symposium 13<br />

L<strong>in</strong>demann, D., 2010b. Hiztegig<strong>in</strong>tza elebiduna: Euskara-alemanera. Hizkuntzalaritza eta<br />

Euskal Filologia: Master amaierako lana. Gasteiz: UPV-EHU.<br />

L<strong>in</strong>demann, D., 2011. Hiztegig<strong>in</strong>tza elebiduna: euskara-alemanera. XIX. mendeko hiru lan.<br />

Sancho el sabio: Revista de cultura e <strong>in</strong>vestigación vasca, (34), pp. 209–232.<br />

Löpelmann, M., 1968. Etymologisches Wörterbuch der baskischen Sprache; Dialekte von<br />

Labourd, Nieder-Navarra und La Soule, Berl<strong>in</strong>: de Gruyter.<br />

Mahn, C.A.F., 1840. Baskisches Wörterbuch I II.<br />

Martínez Rubio, E., 2007. Euskara alemana hiztegia, Donostia: Elkar.<br />

Schryver, G.-M. de, 2003. Lexicographers’ Dreams <strong>in</strong> the Electronic‐Dictionary Age. International<br />

Journal of Lexicography, 16(2), pp.143–199.<br />

Tarp, S. & Bergenholtz, H., 2005. Wörterbuchfunktionen. In I. Barz, H. Bergenholtz, & J.<br />

Korhonen, eds. Schreiben, Verstehen, Übersetzen, Lernen. Zu e<strong>in</strong>- und zweisprachigen<br />

Wörterbüchern mit Deutsch. Frankfurt: Lang, pp. 11–26.<br />

130


Symposium 13<br />

Elmar Schafroth<br />

Digitale Wörterbücher des Sprachenpaars Deutsch/Französisch unter dem Aspekt der<br />

Benutzerbedürfnisse<br />

Bis zum Druckterm<strong>in</strong> ist leider ke<strong>in</strong> Abstract e<strong>in</strong>gegangen.<br />

131


Symposium 13<br />

Alexander Koplenig und Carol<strong>in</strong> Müller-Spitzer<br />

Darstellung von Wortartikeln <strong>in</strong> Onl<strong>in</strong>ewörterbüchern. Empirische Ergebnisse aus der<br />

Wörterbuchbenutzungsforschung<br />

Wir berichten über Ergebnisse aus e<strong>in</strong>em Projekt zur Wörterbuchbenutzungsforschung bei<br />

Onl<strong>in</strong>ewörterbüchern (www.benutzungsforschung.de) des Instituts für Deutsche Sprache. In<br />

diesem Projekt wurden mehrere Studien zu unterschiedlichen Aspekten der Benutzung von<br />

Onl<strong>in</strong>ewörterbüchern durchgeführt, an denen jeweils mehrere Hundert Probanden teilgenommen<br />

haben. Für unseren Vortrag werden wir aus diesen Studien e<strong>in</strong>e Forschungsfrage<br />

herausgreifen, und zwar die Frage der Präsentation und Anordnung von Wortartikeln im Onl<strong>in</strong>emedium.<br />

Heutzutage unterscheiden sich die meisten Onl<strong>in</strong>ewörterbücher vom Design her deutlich von<br />

gedruckten. Anstatt Wortartikel mit Verdichtungen und anderen Formen der Textkomprimierung<br />

und -kondensierung auf möglichst kle<strong>in</strong>em Raum zu präsentieren, können <strong>in</strong> digitalen<br />

lexikografischen Werken ganz neue Möglichkeiten der Darstellung genutzt werden, wie die<br />

Angaben auf unterschiedlichen Bildschirmen zu verteilen, Angaben selektiv zu- und aufklappbar<br />

darzustellen und vieles mehr. Bei der Planung e<strong>in</strong>es digitalen Wörterbuchs ist es<br />

dabei wichtig zu beachten, welches Design den <strong>in</strong>tendierten Benutzern entgegenkommt.<br />

Hierüber lagen bisher kaum empirische Erkenntnisse vor.<br />

In e<strong>in</strong>em Fragebogen zur Benutzung von Onl<strong>in</strong>ewörterbüchern (freigeschaltet vom 11.8.–<br />

16.9.2010) haben wir die Teilnehmer (N=390) deshalb gebeten, verschiedene mögliche Ansichten<br />

e<strong>in</strong>es Onl<strong>in</strong>ewörterbuchs nach verschiedenen Kriterien zu bewerten und ihre Bewertung<br />

zu begründen.<br />

Dabei haben wir vier prototypische Präsentationsformen von wissenschaftlichen Onl<strong>in</strong>ewörterbüchern<br />

mit e<strong>in</strong>er detaillierten Mikrostruktur herausgegriffen:<br />

i) Die erste Alternative ist e<strong>in</strong>e Adaption des Microsoft W<strong>in</strong>dows EXPLORER. In diesem<br />

Layout ist der Wortartikel wie e<strong>in</strong> Baum strukturiert, dessen e<strong>in</strong>zelne Teile zu- und ausgeklappt<br />

werden können. Zwei Beispiele von Wörterbüchern, die e<strong>in</strong>e solche Ansicht gewählt<br />

haben, s<strong>in</strong>d das dänische Onl<strong>in</strong>ewörterbuch „De Danske Ordbog“ (http://ordnet.dk/<br />

ddo/) und das „Algemeen Nederlands Woordenboek“ (http://anw.<strong>in</strong>l.nl).<br />

ii) Im zweiten Layout ist der Wortartikel aufgebaut wie e<strong>in</strong>e Tabelle mit verschiedenen Modulen<br />

von Informationen. Das „Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache“ (www.dwds.de)<br />

benutzt e<strong>in</strong> ähnliches Layout, <strong>in</strong> dem der Benutzer verschiedene Panels von Informationen<br />

e<strong>in</strong>- oder ausblenden kann. Diese Präsentationsmöglichkeit haben wir <strong>in</strong> unserer<br />

Studie MATRIX genannt.<br />

iii) Die dritte Alternative ist die sog. REITER-Ansicht, der das H<strong>in</strong>- und Herspr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> unterschiedliche<br />

Teile e<strong>in</strong>es Wortartikels <strong>in</strong> Tabs oder Reitern ermöglicht. Das monol<strong>in</strong>guale<br />

deutsche Onl<strong>in</strong>ewörterbuch elexiko (www.elexiko.de) sowie das deutsch-italienische Eldit<br />

(www.eurac.edu/eldit) nutzen dieses Design.<br />

iv) Als letzte Alternative haben wir schließlich den <strong>in</strong>novativeren Ansätzen der Darstellung<br />

e<strong>in</strong>e PRINT-orientierte Ansicht gegenübergestellt, da es immer noch Onl<strong>in</strong>ewörterbücher<br />

gibt, die sich eng an den gedruckten anlehnen.<br />

Diese unterschiedlichen Darstellungsmöglichkeiten wurden von den Teilnehmern zunächst<br />

nach den Kriterien gut, übersichtlich und verständlich <strong>in</strong> 7-Punkte-Likert-Skalen bewertet und<br />

anschließend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Rangordnung gebracht, welche die Gesamtpräferenz spiegelt. Anschließend<br />

wurden die Probanden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er offenen Frage gebeten, Gründe für ihre Präferenz<br />

anzugeben. Um potenzielle Gruppendifferenzen zu identifizieren, wurden verschiedene H<strong>in</strong>-<br />

132


Symposium 13<br />

tergrund-Variablen wie akademischer und beruflicher H<strong>in</strong>tergrund, Sprachversion des Fragebogen<br />

(Deutsch/Englisch) etc. berücksichtigt.<br />

In unserem Vortrag berichten wir über die Ergebnisse dieser Fragen mit besonderer Berücksichtigung<br />

von Übersetzern/-<strong>in</strong>nen, da dies für das Symposium von besonderem Interesse<br />

se<strong>in</strong> dürfte. Wir geben außerdem e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die weiteren Ergebnisse unserer Studien,<br />

beispielsweise E<strong>in</strong>schätzungen von Nutzern zum E<strong>in</strong>satz von Multimedia sowie zur Entwicklung<br />

benutzeradaptiver Zugänge.<br />

133


Symposium 13<br />

Holger Wochele<br />

Usererstellte und professionelle Lexikographie: Zweisprachige Internetwörterbücher<br />

im Vergleich<br />

Während zweisprachige Pr<strong>in</strong>twörterbücher <strong>in</strong> den letzten Jahren nicht nur immer weniger<br />

verkauft, sondern auch seltener konsultiert werden, sche<strong>in</strong>t sich zum Nachschlagen unbekannter<br />

Wörter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fremdsprache bzw. zum Auff<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>es fremdsprachlichen Äquivalents<br />

für e<strong>in</strong> muttersprachliches Wort immer mehr das Internetwörterbuch durchzusetzen.<br />

Gerade zweisprachige Wörterbuchangebote im Internet s<strong>in</strong>d – sofern ihre Autorenschaft<br />

denn transparent gemacht wird – häufig aber nicht das Ergebnis der Arbeit von professionellen<br />

Lexikographen.<br />

Im vorliegenden Beitrag soll anhand ausgewählter zweisprachiger Internetwörterbücher<br />

(französisch-deutsch und spanisch-deutsch) deren Qualität kritisch betrachtet werden. Dies<br />

geschieht e<strong>in</strong>erseits im Vergleich zu (professionell erstellten) Pr<strong>in</strong>twörterbüchern und andererseits<br />

im Vergleich der Internetangebote untere<strong>in</strong>ander (usererstellte Wörterbücher vs.<br />

professionell erstellte Wörterbücher). Abschließend sollen Diskussionen, die User <strong>in</strong> den<br />

Foren der Internetwörterbücher bezüglich Lücken, Qualitätsverbesserungen u. ä. führen,<br />

genauer betrachtet werden.<br />

Literatur:<br />

Engelberg, Stefan/Lemnitzer, Lother ( 4 2009): Lexikographie und Wörterbuchbenutzung. Tüb<strong>in</strong>gen:<br />

Stauffenburg<br />

Herbst, Thomas/Klotz, Michael (2003): Lexikografie, Paderborn/Wien et al., Schön<strong>in</strong>gh.<br />

134


Symposium 13<br />

Carol<strong>in</strong>a Fl<strong>in</strong>z<br />

TOURLEX: E<strong>in</strong>e erste Lemmata-Auswahl<br />

„Tourismus“-Lexika s<strong>in</strong>d sowohl im Pr<strong>in</strong>tformat als auch als Onl<strong>in</strong>e-Ressource 1 vorzuf<strong>in</strong>den.<br />

Zweisprachige Lexika s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen seltener und kaum im Sprachenpaar Deutsch–<br />

Italienisch vorhanden 2 . Tourlex (e<strong>in</strong> Projekt der Fakultät Tourismuswissenschaft, Universität<br />

Pisa) wird versuchen diese Lücke im lexikographischen Panorama zu füllen. Tourlex wird e<strong>in</strong><br />

frei verfügbares Onl<strong>in</strong>e-Lexikon se<strong>in</strong>: Jeder E<strong>in</strong>trag soll aus e<strong>in</strong>em Lemma, diversen<br />

morphosyntaktischen Angaben (Genus und Numerus) und dem Äquivalent bzw. den<br />

Äquivalenten <strong>in</strong> italienischer Sprache bestehen. Kollokationen und Beispiele sollen die<br />

Angaben beenden 3 .<br />

Tourlex soll auch als Lernerwörterbuch konzipiert werden, da die Idee dafür aus der<br />

Unterrichtssituation entstanden ist. E<strong>in</strong> solches Instrument für den DaF-Unterricht an e<strong>in</strong>er<br />

Tourismusschule oder Tourismusfakultät könnte von großem Vorteil se<strong>in</strong>, da digitale<br />

Sprachressourcen auch e<strong>in</strong>en methodischen Zugang zu Sprache ermöglichen, der parallel<br />

und ggf. auch <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit anderen methodischen Zugängen dazu beiträgt, das<br />

Wissen über sprachliche Strukturen und Funktionen zu erweitern (Beißwenger/Storrer 2011:<br />

121).<br />

Tourlex soll sich also an Studenten, Dozenten und Interessenten des spezifischen<br />

Fachbereiches Tourismus richten, aber auch an Experten des Tourismusbereiches<br />

(Reiseveranstalter). Folgende Benutzergruppen s<strong>in</strong>d für Tourlex relevant: 1. italienische<br />

Muttersprachler, die über gewisse Deutschkenntnisse verfügen, und 2. deutsche<br />

Muttersprachler, die Italienisch als Fremdsprache beherrschen. Die Benutzungssituation<br />

kann zweierlei se<strong>in</strong>: a) Der Benutzer benötigt gewisse Informationen und sucht sie im<br />

Wörterbuch, das als „Werkzeug“ benutzt wird und die Bedürfnisse des Benutzers befriedigen<br />

soll; b) Das Wörterbuch wird verwendet, um e<strong>in</strong> entstandenes Kommunikationsproblem zu<br />

lösen, zum Beispiel <strong>in</strong> der Textproduktion, Textrezeption oder Übersetzung. Tourlex soll <strong>in</strong><br />

beiden Benutzersituationen Anwendung f<strong>in</strong>den. Fragebogen <strong>in</strong> schriftlicher Form und<br />

Wörterbuchbenutzungsprotokolle werden die möglichen Situationen noch detaillierter<br />

dokumentieren.<br />

Tourlex wird mehrere Funktionen erfüllen: e<strong>in</strong>e aktive und e<strong>in</strong>e passive Funktion. Der<br />

italophone Benutzer wird im Wörterbuch nachschlagen: a) Wenn er e<strong>in</strong> deutsches Fachwort<br />

verstehen will; b) Wenn er die Übersetzung e<strong>in</strong>es deutschen Fachwortes wissen möchte. Der<br />

deutschsprachige Benutzer wird zum Nachschlagewerk greifen, wenn er: a) Ins Italienische<br />

übersetzt; b) Fachtexte <strong>in</strong> italienischer Sprache erstellt. Tourlex kann aber auch zur<br />

Textübersetzung und zur Textproduktion dienen. Insbesondere wird der Übersetzer das<br />

Wörterbuch zu Rate ziehen, wenn er Wörter f<strong>in</strong>det, die er nicht kennt, und<br />

Übersetzungsäquivalente sucht, um e<strong>in</strong>e Bedeutung auszudrücken, die ihm zwar bekannt<br />

ist, bei der er aber Formulierungsschwierigkeiten hat.<br />

Tourlex bedient sich computergestützter Kriterien. Nach Herstellung e<strong>in</strong>es Korpus von Fachtexten<br />

(zum Beispiel deutsche und italienische Reisekataloge im Pr<strong>in</strong>tformat) werden diese<br />

digitalisiert. Anschließend werden sie mit Hilfe der Software Word Smith Tools 3.0 analysiert<br />

und die Ergebnisse aufgrund von Frequenzkriterien ausgewertet. Typische Konkordanzen<br />

und Kollokationen werden ebenfalls reflektiert und aufgenommen. Die daraus entstehenden<br />

1<br />

E<strong>in</strong>e Verwechslung der Textsorten Wörterbuch, Lexikon und Glossar ist sehr häufig im Onl<strong>in</strong>e-<br />

Medium festzustellen.<br />

2<br />

Die dokumentierten deutsch-italienischen Onl<strong>in</strong>e-Lexika bieten ke<strong>in</strong>e morphosyntaktischen Informationen<br />

und weisen eher Eigenschaften e<strong>in</strong>sprachiger Werkzeuge auf.<br />

3<br />

Ob Angaben zur Phonetik und Valenz h<strong>in</strong>zugefügt werden sollen, muss noch entschieden werden.<br />

135


Symposium 13<br />

deutschen und italienischen Lemmalisten werden dann verglichen und konfrontiert. Aus dieser<br />

Prozedur werden dann die endgültigen E<strong>in</strong>träge und deren Äquivalente <strong>in</strong> italienischer<br />

Sprache extrapoliert.<br />

Die Planung des Lexikons ist noch <strong>in</strong> den Anfängen und deswegen werden die wichtigsten<br />

Entscheidungen zu Makro- und Mikrostruktur erläutert. Dabei wird auf die ersten Lemmata,<br />

die aus der Textsorte <strong>in</strong> Relation „Rechtliche H<strong>in</strong>weise“ extrahiert worden s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Literatur:<br />

Beißwenger, Michael – Angelika Storrer (2011): Digitale Sprachressourcen <strong>in</strong> Lehramtsstudiengängen:<br />

Kompetenzen – Erfahrungen – Desiderate. In: Journal for Language Technology<br />

and Computational L<strong>in</strong>guistics (Themenheft „Language Resources and Technologies<br />

<strong>in</strong> E-Learn<strong>in</strong>g and Teach<strong>in</strong>g“, ed. Maja Bärenfänger, Frank B<strong>in</strong>der, Henn<strong>in</strong>g Lob<strong>in</strong>,<br />

Harald Lüngen, Maik Stührenberg), 119–139.<br />

136


Symposium 13<br />

Marietta Calderón Tichy<br />

La f<strong>in</strong> del mundo [lad<strong>in</strong>oavlante] o un gayiko? – Pr<strong>in</strong>t- und elektronisch verfügbare<br />

Wörterbücher des Sephardischen als Instrumente von Sprach-, und Kulturdidaktik<br />

und Translation<br />

Durch mediale Stützung im Internet erlebt das Sephardische, dem Jahrzehnte h<strong>in</strong>durch h<strong>in</strong>sichtlich<br />

se<strong>in</strong>er Existenz besonders auch <strong>in</strong> l<strong>in</strong>guistischer Literatur e<strong>in</strong>e schlechte Prognose<br />

gestellt wurde, e<strong>in</strong>en Aufschwung. 1 Dieser wird <strong>in</strong> verschiedenen Textsorten manifestiert,<br />

darunter <strong>in</strong> zweisprachigen Wörterbüchern unterschiedlicher makro- und mikrostruktureller<br />

Qualität und unterschiedlicher Intertextualität zue<strong>in</strong>ander und zu anderen Textsorten.<br />

Beispiele s<strong>in</strong>d: Koen-Sarano, M./L. Arzi (Hg.): Diksionario Lad<strong>in</strong>o (Djudeo-Espanyol)-Ebreo,<br />

Yerushalaim: S. Zack 2010; Orgun, G./R. Portal/A. Ruiz T<strong>in</strong>oco (Hg.): Diksionario de<br />

Djudeoespanyol a Castellano [sic], 2006 (26.3.12); Orgun, G./A. Ruiz T<strong>in</strong>oco (Hg.): Diksionario<br />

de Djudeoespanyol a Inglez, 2010 (26.3.12), beide mit direktem Bezug zum Yahoo-<br />

Forum Lad<strong>in</strong>okomunita sowie zu ihrer viersprachigen Erweiterung Orgun, G. et al. (Hg.):<br />

Diksionario de Lad<strong>in</strong>okomunita. Djudeo-Espanyol Castellano English Türkçe (a.n.)<br />

[26.3.12]; formal e<strong>in</strong>sprachig, versteckt mehr- und eben auch sephardischsprachig ist<br />

http://en.wiktionary/wiki/[sephardischsprachiges Beispiel] (bei – im Gegensatz zur Existenz<br />

e<strong>in</strong>er http://lad.wikipedia.org/wiki/L<strong>in</strong>gua–djudeo-españyola – (derzeitigen?) Nicht-Existenz<br />

e<strong>in</strong>es http://lad.wiktionary), e<strong>in</strong> mehrsprachiges Translationsportal (mit – für das Sephardische<br />

essentiellen – Sprichwörtern) http://www.logos.it [26.3.12].<br />

Vortragsziel ist, den Fragen nachzugehen, <strong>in</strong>wiefern Wechselwirkungen zwischen von sephardophonen<br />

AkteurInnen (u.a. der Sprachakademie) geäußertem lexikographischem Aufholbedarf,<br />

spezifisch translatorischen Elementen und sprach- und kulturdidaktischen Strategien<br />

konstruiert und genutzt werden und wie die Zusammenarbeit zwischen professionellen<br />

L<strong>in</strong>guistInnen und sprachbewussten Laienl<strong>in</strong>guistInnen (soweit am Output unterscheidbar)<br />

anhand konkreter Beispiele dieses hier im Zentrum stehenden Wörterbuchtyps funktioniert.<br />

1 Vgl. H.V. Sephihas logos-E<strong>in</strong>trag [26.3.12]: A lo ke el guzano del gayiko yama la f<strong>in</strong> del mundo, el<br />

resto del mundo lo yama gayiko [,Was für die Raupe das Ende der Welt ist, wird vom Rest der Welt<br />

Schmetterl<strong>in</strong>g genannt‘].<br />

137


Symposium 13<br />

Maxim Chikov<br />

Lexikographische Erfassung der funktionsgleichen deutschen und russischen<br />

Kollokationen<br />

Wir sprechen nicht mit Wörtern, sondern mit Wortverb<strong>in</strong>dungen. Wenn bei Letzteren vom<br />

Verb ausgegangen wird, dann ist festzustellen, dass deutsche und russische Verben bald<br />

sehr ähnliche bis gleiche, bald verschiedene Kollokationen bilden und dementsprechend<br />

gleiche oder verschiedene semantische Felder decken. Man braucht nur an Verben physikalischer<br />

E<strong>in</strong>wirkung zu denken wie etwa stechen, stecken, stoßen, um die Unterschiede zu<br />

sehen, die von grammatisch-semantischen über lexikalisch-semantische bei Verb<strong>in</strong>dungsart<br />

des Verbs und des Substantivs bis lexikalisch-semantische bei dem Verb selbst reichen:<br />

Sticht man etwa auf Deutsch Löcher <strong>in</strong> das Leder oder stößt man sie <strong>in</strong> die Scheibe, so bedient<br />

man sich im Russischen bei der gleichen Aussage des Dativs (im Leder, <strong>in</strong> der Scheibe);<br />

auf Russisch kann man sich zwar das Haar zu e<strong>in</strong>em Knoten stecken, das Verb ist <strong>in</strong><br />

diesem Fall aber ohne e<strong>in</strong> spezielles Präfix, anders als im Deutschen, nicht möglich; man<br />

kann sich auf Russisch nicht an der Stirn e<strong>in</strong>e Beule stoßen, es sollte eher schlagen heißen,<br />

wieder mit e<strong>in</strong>em speziellen Präfix. Bei sich an der Tischkante stoßen, sich den Kopf stoßen<br />

soll es auf Russisch wiederum schlagen heißen, aber mit e<strong>in</strong>em anderen Wortstamm, der<br />

den Verbaspekt ändert. Man kann im Russischen auch gar nicht Salat oder Spargel stechen,<br />

genauso wie das Haar <strong>in</strong>s Rötliche nicht stechen kann. Die exemplarisch genannten fe<strong>in</strong>en<br />

Unterschiede, die es ansonsten sehr viele gibt, zeugen von Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten<br />

<strong>in</strong> der semantischen Auffassung der Welt, die sicherlich je nach gewissen regulären<br />

Entsprechungen lexikographisch erfasst werden können. So kann e<strong>in</strong> Lexikon entweder<br />

onomasiologisch (nach Feldpr<strong>in</strong>zip) oder semasiologisch (nach Verben), oder beides vere<strong>in</strong>igend,<br />

zusammengestellt werden, wobei jeweils auf die Ähnlichkeiten und Unterschiede<br />

e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />

138


Symposium 13<br />

Zita Hollós<br />

Die lexikographische Darstellung von Syntagmatik auf der grammatischen Ebene und<br />

von Interferenz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kollokationslexikon für Deutschlerner<br />

2005 startete das Forschungs- und Wörterbuchprojekt KOLLEX (ung. SZÓKAPTÁR) mit dem<br />

Ziel der Erstellung e<strong>in</strong>es korpus- und datenbankbasierten, deutsch-ungarischen<br />

syntagmatischen Wörterbuchs für Deutschlerner an der KRE Budapest. Als Endprodukt ist<br />

e<strong>in</strong> Lernerwörterbuch mit mehr als 45 500 Kollokationen/Wortkomb<strong>in</strong>ationen und ihren<br />

jeweiligen ungarischen Übersetzungen entstanden.<br />

Die wichtigsten Charakteristika des Wörterbuchtyps bilden auch die für die Sektion<br />

relevanten Schlüsselwörter, wie z.B. Zweisprachigkeit, Syntagmatik oder DaF. Wie die Verb<strong>in</strong>dung<br />

der kontrastiven Lexikologie, Valenz, Deutsch als Fremdsprache und Lexikographie<br />

möglich ist, wird anhand des im KOLLEX angewandten <strong>in</strong>tegrativen Kollokationsbegriffs<br />

vorgestellt und mit Hilfe von Kollokationen unterschiedlichen Typs aus dem Wörterbuch<br />

gezeigt. Dabei gilt der Augenmerk der Syntagmatik auf grammatischer Ebene, d.h. den<br />

Valenzeigenschaften der Kollokationen und der Interferenz, d.h. den verschiedenen<br />

kollokationsrelevanten Interferenzfällen. Währenddessen werden verschiedene Typen von<br />

<strong>in</strong>terl<strong>in</strong>gualen Kollokationen präsentiert und diskutiert. Am Ende des Vortrages soll die Frage<br />

beantwortet werden: Kann e<strong>in</strong>e Typologie für <strong>in</strong>terl<strong>in</strong>guale Kollokationen relativ zum<br />

Wörterbuchtyp erarbeitet werden.<br />

139


Symposium 13<br />

Dirk Siepmann<br />

Kontrastive lexikalische Semantik und Lernerlexikographie am Beispiel des Bilexicon<br />

Der Vortrag baut auf neueren Erkenntnissen zur kontrastiven lexikalischen Semantik auf, die<br />

im Rahmen des EMOLEX-Projekts (DFG-ANR) gewonnen wurden. Unter Verwendung wahrsche<strong>in</strong>lichkeitstheoretischer<br />

Verfahren ergab sich u.a., dass der Stereotypiegrad von Wortverwendungen<br />

variiert und manche Lexeme bzw. ihre Lesarten – unabhängig von ihrer absoluten<br />

Frequenz im Text – <strong>in</strong> hohem Maße zu festen und vorhersehbaren Wortverb<strong>in</strong>dungen<br />

neigen (Beispiel: peur), andere sich dagegen <strong>in</strong> differenzierter Weise mit e<strong>in</strong>er großen Anzahl<br />

von Begleitern komb<strong>in</strong>ieren lassen (Beispiele aus dem gleichen Wortfeld: cra<strong>in</strong>te, angoisse)<br />

(vgl. Blumenthal 2006, Diwersy 2007). Darüber h<strong>in</strong>aus lassen sich für bestimmte<br />

Gefühlsausdrücke (z.B. dt. Überraschung, engl. surprise, frz. surprise) unterschiedliche Konfigurationen<br />

semantischer Dimensionen feststellen; im Französischen beispielsweise ist die<br />

Dimension „Kausativität“ wesentlich ausgeprägter als <strong>in</strong> den anderen untersuchten Sprachen<br />

(créer/causer/provoquer/susciter une surprise, réserver/ménager une surprise) (Grutschus/<br />

Kern, i.V.). Schließlich lassen sich neben den bekannten lexikalischen Lücken auch „Kollokationslücken“<br />

feststellen (Siepmann 2003, Siepmann, i.V.); so lässt sich die der Dimension<br />

„Manifestation“ zurechenbare deutsche Kollokation „Verachtung schlägt j-mdem entgegen“<br />

nur schwerlich unter Verwendung der gleichen Dimension <strong>in</strong>s Französische übertragen (die<br />

Wendung „le mépris accueille qqn“ kann als veraltet gelten).<br />

Der Vortrag geht am Beispiel von Artikeln für e<strong>in</strong> Onl<strong>in</strong>ewörterbuch (Bilexicon) auf die Bedeutung<br />

dieser Erkenntnisse für die Gestaltung von Lernerwörterbüchern e<strong>in</strong>. Besprochen<br />

werden sollen <strong>in</strong>sbesondere die E<strong>in</strong>tragsstruktur für Kollokationen sowie der Umgang mit<br />

Kollokationslücken.<br />

Literatur:<br />

Blumenthal, P. (2006). Wortprofil im Französischen. Tüb<strong>in</strong>gen: Niemeyer.<br />

Diwersy, S. (2007). Kookurrenz, Kontrast, Profil. Korpus<strong>in</strong>duzierte Studien zur lexikalischsyntaktischen<br />

Komb<strong>in</strong>atorik französischer Substantive. Niemeyer.<br />

Siepmann, D. (2003). Collocations <strong>in</strong> Tril<strong>in</strong>gual Perspective: New Evidence from Large Corpora<br />

and Implications for Dictionary Mak<strong>in</strong>g. Cahiers de Lexicologie 83 (2003-2), 173–<br />

196.<br />

140


Symposium 13<br />

Luisa Giacoma<br />

Die Giacoma/Kolb Wörterbücher Deutsch–Italienisch: e<strong>in</strong> Erfahrungsbericht<br />

Wenn italienische Studierende <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweisprachigen Wörterbuch Deutsch-Italienisch<br />

nachschlagen, suchen sie vor allem nach italienischen Wortäquivalenten und nach grammatischen<br />

Eigenschaften deutscher Wörter. Nicht immer jedoch s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wörterbuch<br />

stehenden Informationen ausreichend oder korrekt. Die folgenden Überlegungen s<strong>in</strong>d das<br />

Ergebnis e<strong>in</strong>er langjährigen lexikographischen Tätigkeit (zusammen mit Susanne Kolb) und<br />

me<strong>in</strong>er sechsjährigen Erfahrung als Lehrbeauftragte für Wirtschaftsdeutsch und Übersetzung<br />

an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tur<strong>in</strong>. Nied Curcio (2006: 61;<br />

2011: 192) schreibt bzgl. traditioneller Wörterbüchern wie das Sansoni (2006 6 ) und das DIT<br />

(2008 4 ), „die Lexikographen stützten sich beim Wörterbuchschreiben meist nicht auf die Studien<br />

der kontrastiven Lexikographie […], sondern verließen sich fast ausschlieβlich auf ihre<br />

Erfahrung“. Die Wörterbücher Deutsch-Italienisch, Italienisch-Deutsch, die von Luisa Giacoma<br />

und Susanne Kolb bei Zanichelli/Klett herausgegeben worden s<strong>in</strong>d (GKWb: Il Dizionario<br />

di Tedesco, Groβwörterbuch Deutsch-Italienisch Italienisch-Deutsch 2 2009; PONS-<br />

Wörterbuch Studienausgabe Italienisch für Schule und Studium, 2010; Il Tedesco smart,<br />

2011) s<strong>in</strong>d die ersten, wo metalexikographische Überlegungen nicht nur bei der Beschreibung<br />

von Verben, sondern der ganzen Sprache (Nied Curcio, 2006: 62) E<strong>in</strong>gang gefunden<br />

haben. Im besonderen kam <strong>in</strong> diesen Wörterbüchern die Valenztheorie zum Tragen. In diesem<br />

Vortrag werden zuerst die wichtigsten Nachteile und Mängel der Wörterbücher beschrieben,<br />

die nicht auf metalexikographischer Überlegungen beruhen. Es wird dann erläutert,<br />

wie die GKWb die <strong>in</strong> diesen Werken manifesten Schwierigkeiten zu überw<strong>in</strong>den versucht<br />

haben und welche Lösungen vorgeschlagen wurden.<br />

In den GKWb wird nicht nur jedes Wort mit großer Genauigkeit de- und wieder enkodiert –<br />

wie dies schon bei den Wörterbüchern zuvor der Fall war –, sondern es werden auch zahlreiche<br />

explizite und systematische Angaben gemacht, wie die Stichwörter (mit anderen<br />

sprachlichen Elementen) komb<strong>in</strong>iert werden können oder müssen. E<strong>in</strong>e Art Wortgrammatik<br />

ist mittels Kollokatoren und grammatikalischen Strukturformeln e<strong>in</strong>geführt worden. Unter der<br />

ersten Gruppe s<strong>in</strong>d ‚Partner‛ zu verstehen, mit denen e<strong>in</strong> bestimmtes Stichwort häufig anzutreffen<br />

ist. Die Beschreibung der syntaktischen Umgebung des Lemmas bildet die zweite<br />

neue Gruppe.<br />

Zwei der sicherlich am häufigsten kritisierten Aspekte der traditionellen Wörterbücher s<strong>in</strong>d<br />

die unzureichende und vor allem unklare E<strong>in</strong>tragung von Kollokationen und die grammatikalischen<br />

Angaben zur Rektion, die manchmal anzutreffen s<strong>in</strong>d, die Verb<strong>in</strong>dung des Lemmas<br />

zu se<strong>in</strong>er l<strong>in</strong>guistischen Umgebung aber <strong>in</strong> meist unzureichender Weise beschreiben.<br />

Schafroth (2004, 119) unterstreicht <strong>in</strong> Bezug auf die vom Lerner benötigten Informationen<br />

um Sätze korrekt produzieren zu können, dass es ke<strong>in</strong> Problem für den Lerner darstellt,<br />

wenn e<strong>in</strong> Wörterbuch Strukturformeln systematisch und explizit angibt. Dieser Notwendigkeit<br />

kommen <strong>in</strong> den GKWb die sogenannten grammatikalischen Strukturformeln entgegen, die<br />

die traditionellen Rektionen zur bloßen Formel reduzieren. Diese beschreiben die Kontexte,<br />

<strong>in</strong> die die Lemmata e<strong>in</strong>zugliedern s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>dem sie alle Ergänzungen e<strong>in</strong>es Verbs, die Präpositionen<br />

und die von Substantiven, Verben und Adjektiven regierten Fälle und alle möglichen<br />

syntaktischen Verb<strong>in</strong>dungen angeben.<br />

Me<strong>in</strong>e Erfahrungen aus diversen Übersetzungskursen bestätigten die Vorteile der <strong>in</strong> die<br />

GKWb e<strong>in</strong>gearbeiteten Neuerungen, die zum Ziel hatten, die Nachteile früherer Wörterbücher<br />

zu überw<strong>in</strong>den: die unzureichende und unübersichtliche E<strong>in</strong>tragung von Kollokationen,<br />

die unzureichende Differenzierung zwischen den verschiedenen Äquivalenten, das Fehlen<br />

von Angaben über den syntaktischen Kontext, das Fehlen von pragmatischen Angaben, die<br />

141


Symposium 13<br />

Redundanz und die Wiederholung von Beispielen, usw. Ich konnte beobachten, dass viele<br />

Wörterbücher den wachsenden Bedürfnissen der Benutzer nur <strong>in</strong> unbefriedigender Weise<br />

entsprechen, vor allem was den aktiven Gebrauch der Sprache angeht. Zum Abschluss werden<br />

e<strong>in</strong>ige Überlegungen zu den CD-Rom- oder Onl<strong>in</strong>e-Ausgaben der geprüften Wörterbücher<br />

dargelegt. Obwohl noch nicht alle Probleme gelöst s<strong>in</strong>d, ist es e<strong>in</strong> erster Versuch <strong>in</strong> die<br />

richtige Richtung: es bietet Lernern e<strong>in</strong>e Art „Landkarte“, bei der jeder die Kompetenz der<br />

eigenen Muttersprache nutzen kann.<br />

142


Symposium 13<br />

Christ<strong>in</strong>e Konecny und Erica Autelli<br />

Polysemie, Valenz und Kollokationen <strong>in</strong> der zweisprachigen Lexikographie Italienisch–<br />

Deutsch: Plädoyer für e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegriertes, dynamisches Repräsentationsmodell auf<br />

lernerorientierter und semantisch-kognitiver Basis<br />

Valenz- und Kollokationsforschung sche<strong>in</strong>en im H<strong>in</strong>blick auf die Lexikographie vielfach ause<strong>in</strong>anderzudriften;<br />

es existieren zwar verschiedene Valenz- und Kollokationswörterbücher,<br />

diese stehen aber häufig <strong>in</strong> Konkurrenz zue<strong>in</strong>ander und nur selten ist e<strong>in</strong>e gegenseitige Befruchtung<br />

beider Ansätze erkennbar. Dies hängt offenbar damit zusammen, dass jeweils von<br />

e<strong>in</strong>er andersgearteten hierarchischen Struktur der Elemente ausgegangen wird: Während<br />

aus valenztheoretischer Sicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verb-Substantiv-Verb<strong>in</strong>dung das Verb den regierenden<br />

Kopf darstellt, wird im Falle von Kollokationen (sofern diese e<strong>in</strong> Verb be<strong>in</strong>halten und von<br />

e<strong>in</strong>er engen Kollokationskonzeption ausgegangen wird) das Substantiv als Basis bzw. übergeordnetes<br />

Element, das Verb h<strong>in</strong>gegen als Kollokator bzw. untergeordnetes Element angesehen<br />

(vgl. Hausmann 1979). Vom lernerorientierten Standpunkt aus betrachtet wird e<strong>in</strong>e<br />

Kollokation i.d.R. unter der (meist a priori bekannten) Basis gesucht und unter dieser lexikographisch<br />

erfasst, weil der Kollokator von jenem der Muttersprache oft abweicht und das<br />

unvorhergesehene Element darstellt. Informationen zur Valenz f<strong>in</strong>den sich h<strong>in</strong>gegen i.d.R.<br />

unter den verbalen Lemmata und nicht unter den mit ihnen verb<strong>in</strong>dbaren Substantiven.<br />

Ausgehend von e<strong>in</strong>em dynamischen Valenzmodell (vgl. Siller-Runggaldier 2004) und e<strong>in</strong>em<br />

auf semantisch-kognitiven Kriterien basierenden Kollokationsbegriff (vgl. Konecny 2010) soll<br />

gezeigt werden, dass die Phänomene Valenz und Kollokation eng zusammenhängen, wobei<br />

besonders die Polysemie e<strong>in</strong>e zentrale Rolle spielt und e<strong>in</strong> beide Aspekte verb<strong>in</strong>dendes<br />

Moment darstellt. Ferner wird untersucht, wie sich Erkenntnisse der Valenz- und Kollokationsforschung<br />

<strong>in</strong> der Lexikographie s<strong>in</strong>nvoll mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>den lassen und welcher Mehrwert<br />

sich daraus für WörterbuchnutzerInnen ergeben könnte. Zu diesem Zweck möchten wir<br />

ausgewählte E<strong>in</strong>träge zu polysemen Verben <strong>in</strong> italienischen Wörterbüchern vergleichen und<br />

analysieren, <strong>in</strong>wiefern Valenzmerkmale und Kollokationen <strong>in</strong> diesen berücksichtigt werden<br />

und <strong>in</strong> welchen Bereichen sich Unterschiede sowie Vor-/Nachteile für [L2-]NutzerInnen erkennen<br />

lassen. Dabei wird u.a. untersucht, wie viele Valenzschemata zu bestimmten Lemmata<br />

angeführt werden, anhand welcher methodischer Vorgangsweisen die e<strong>in</strong>zelnen Wörterbücher<br />

erstellt wurden und welche Möglichkeiten diesbezüglich am geeignetsten für L2-<br />

LernerInnen ersche<strong>in</strong>en. Abschließend soll e<strong>in</strong> lexikographischer Mustere<strong>in</strong>trag für e<strong>in</strong>e mögliche<br />

Verb<strong>in</strong>dung von Valenz- und Kollokationsmerkmalen vorgestellt werden, <strong>in</strong> welchem<br />

auch der Konzeptualisierung im Rahmen bestimmter Bedeutungen polysemer Verben Rechnung<br />

getragen wird.<br />

Literatur:<br />

Hausmann, Franz Josef (1979): „Un dictionnaire des collocations est-il possible?“ In: TraLiLi<br />

17/1, S. 187–195.<br />

Konecny, Christ<strong>in</strong>e (2010): Kollokationen. Versuch e<strong>in</strong>er semantisch-begrifflichen Annäherung<br />

und Klassifizierung anhand italienischer Beispiele. München: Meidenbauer.<br />

Siller-Runggaldier, Heidi (2004): „Zwischen Avalenz und Polyvalenz. Die Witterungsverben it.<br />

piovere/frz. pleuvoir. Plädoyer für e<strong>in</strong>e dynamische Valenztheorie.“ In: Gil, Alberto/Osthus,<br />

Dietmar/Polz<strong>in</strong>-Haumann, Claudia (Hg.): Romanische Sprachwissenschaft. Zeugnisse für<br />

Vielfalt und Profil e<strong>in</strong>es Faches. Festschrift für Christian Schmitt zum 60. Geburtstag.<br />

Frankfurt a.M. et al.: Lang, S. 225–249.<br />

143


Symposium 13<br />

Monika Bielińska<br />

Allgeme<strong>in</strong>es zweisprachiges Wörterbuch als Lernerwörterbuch. E<strong>in</strong>ige Überlegungen<br />

zur Exemplifizierung der Phraseologismen.<br />

In H<strong>in</strong>blick auf die Behandlung der Phraseologismen <strong>in</strong> zweisprachigen Wörterbüchern<br />

werden meistens folgende Fragen diskutiert: die Selektion der <strong>in</strong>s Wörterbuch<br />

aufzunehmenden Phraseologismen der Ausgangssprache, die makrostrukturelle Anordnung<br />

der Phraseologismen, ihre mikrostrukturelle E<strong>in</strong>ordnung sowie die Bestimmung der<br />

Reihenfolge der Phraseologismen <strong>in</strong>nerhalb der Wörterbuchartikel, die Zuordnung der<br />

zielsprachlichen Äquivalente und schließlich die Bestimmung der Notationsformen.<br />

Ziel des geplanten Vortrags ist es, Überlegungen zu e<strong>in</strong>em seltener behandelten Problem<br />

anzustellen, und zwar zur Wahl und Gestaltung der Beispiele, die <strong>in</strong> zweisprachigen<br />

Wörterbüchern den Gebrauch von Phraseologismen veranschaulichen. Phraseologismen<br />

(genauer: Phrasemangaben) haben e<strong>in</strong>e doppelten Status im allgeme<strong>in</strong>en Wörterbuch.<br />

E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d sie Elemente der lexikographischen Beschreibung der E<strong>in</strong>zellexeme,<br />

andererseits s<strong>in</strong>d sie selbst – als sublemmatische Adressen – Objekte der lexikographischen<br />

Beschreibung. Daher können sie, und manchmal sollten sogar, mit Verwendungsbeispielen<br />

versehen werden.<br />

Den Ausgangspunkt der Überlegungen zur Exemplifizierung der Phraseologismen bildet die<br />

tatsächliche Funktion des zweisprachigen Wörterbuchs. Durchschnittliche Wörterbuchbenutzer<br />

besitzen meistens nur e<strong>in</strong> Wörterbuch der zu erlernenden Fremdsprache, und das<br />

ist <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> zweisprachiges Wörterbuch. Viel seltener kommt es vor, dass<br />

Fremdsprachenlerner auch e<strong>in</strong>sprachige Wörterbücher der jeweiligen Sprache haben, noch<br />

seltener – entsprechende phraseologische Wörterbücher. Dies hat zur Folge, dass e<strong>in</strong><br />

durchschnittlicher Wörterbuchbenutzer/Fremdsprachenlerner e<strong>in</strong> zweisprachiges Wörterbuch<br />

als universelles Hilfsmittel sowohl beim Umgang mit fremdsprachigen Texten als auch beim<br />

Spracherwerb betrachtet. Er sucht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Wörterbuch Informationen zu<br />

Phraseologismen, die <strong>in</strong> Wörterbüchern anderer Typen enthalten s<strong>in</strong>d. Kurz: Er betrachtet<br />

e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es zweisprachiges Wörterbuch als polyfunktionales Lernerwörterbuch, das ihn<br />

vielseitig beim Sprachgebrauch und -erwerb unterstützen sollte. Die tatsächlichen<br />

Erwartungen des Benutzers an diesen Wörterbuchtyp s<strong>in</strong>d also viel größer als dessen<br />

traditionell aus der Funktion und Position <strong>in</strong> der Wörterbuchtypologie resultierende Leistung.<br />

Angesichts dessen sche<strong>in</strong>t es angebracht, Regeln zu erarbeiten, die den Lexikographen<br />

erleichtern, sprachdidaktisch motivierte und den Benutzerbedürfnissen entsprechende<br />

Entscheidungen h<strong>in</strong>sichtlich der Exemplifizierung von Phraseologismen zu treffen. Im Vortrag<br />

werden vor allem diverse Kriterien diskutiert, nach denen die Auswahl von Phraseologismen<br />

erfolgen kann, die mit Verwendungsbeispielen zu versehen s<strong>in</strong>d. Ferner werden Fragen<br />

behandelt, ob und ggf. <strong>in</strong> welchen Fällen die Grundform des Phraseologismus und das<br />

Beispiel separat anzuführen s<strong>in</strong>d bzw. ob und wann e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte Darstellungsform<br />

akzeptabel wäre. Der Form der Beispiele (konstruiert vs. korpusbasiert vs. korpusgestützt)<br />

wird ebenfalls Aufmerksamkeit geschenkt.<br />

144


Symposium 13<br />

Zsuzsanna Fábián<br />

Die Valenz <strong>in</strong> den zweisprachigen Wörterbüchern. E<strong>in</strong>e Analyse zwischen Italienisch<br />

und Ungarisch.<br />

Es ist bekannt, dass die Valenz der Verben, Substantive und Adjektive beim Aufbau der<br />

sprachlichen Äußerungen e<strong>in</strong>e grundlegende Rolle spielt. Deshalb sollten die möglichen Argumentstrukturen<br />

der Lexeme auch <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>en Wörterbüchern e<strong>in</strong>en geeigneten<br />

Platz f<strong>in</strong>den.<br />

Das Ziel der vorliegenden Analyse ist es, aufzuzeigen, <strong>in</strong> welchem Maße und <strong>in</strong> welcher Art<br />

die Valenz der zu den drei wichtigsten Wortklassen (Verb, Adjektiv, Substantiv) zugehörenden<br />

Lexeme <strong>in</strong> den italienisch-ungarischen Valenz-, bzw. allgeme<strong>in</strong>en Wörterbüchern präsent<br />

ist.<br />

Im ersten Teil der Analyse werden kurz die drei Valenzwörterbücher (Verben, Adjektive,<br />

Substantive) zwischen Italienisch und Ungarisch präsentiert (Fábián–Angel<strong>in</strong>i: Olasz igei<br />

vonzatok. [Reggenze verbali italiane] Budapest, Nemzeti Tankönyvkiadó, 1981; 1998 2 ; Fábián:<br />

Olasz–magyar melléknévi vonzatszótár. [Vocabolario italiano-ungherese della reggenza degli<br />

aggettivi] Budapest, Nemzeti Tankönyvkiadó, 1996; Fábián–Angel<strong>in</strong>i: Olasz–magyar főnévi<br />

valenciaszótár. Dizionario italiano–ungherese della valenza dei nomi. Szeged, Grimm Kiadó,<br />

2005). Aus den (auch mit Beispielen illustrierten) Satzrahmen entfalten sich die vollkommenen<br />

Argumentstrukturen der (auf Grund der Häufigkeit ausgewählten) Stichwörter.<br />

Im zweiten Teil der Analyse wird diskutiert/aufgezeigt, welche Möglichkeiten der Wörterbuchverfasser<br />

für e<strong>in</strong>e optimale Repräsentation der Argumentstrukturen im zweisprachigen<br />

Wörterbuch hat. Parallel zur Analyse der „größeren“ italienisch-ungarischen Wörterbücher<br />

wird außerdem erläutert, welche Möglichkeiten den Autoren der kle<strong>in</strong>en Wörterbücher zu<br />

Verfügung stehen, Valenz auch auf e<strong>in</strong>e „e<strong>in</strong>fachere Weise“ repräsentieren zu können.<br />

145


Symposium 13<br />

Maria Teresa Bianco<br />

Es sche<strong>in</strong>t, als würde der Sommer nicht mehr werden: E<strong>in</strong>e Lücke <strong>in</strong> der deutschen<br />

und italienischen lexikographischen Beschreibung am Beispiel des Vollverbs werden<br />

Die Grammatiken ordnen das Verb werden bestimmten Verbklassen zu: Traditionell wird nur<br />

zwischen Kopulaverb und Hilfsverb (Nebenverb bei Engel) unterschieden. Nur selten<br />

schreibt man diesem E<strong>in</strong>trag den Status von Vollverb/Hauptverb zu. Schon <strong>in</strong> den Fällen, bei<br />

denen werden valenziell zweiwertig vorkommt, s<strong>in</strong>d sich die L<strong>in</strong>guisten nicht darüber e<strong>in</strong>ig,<br />

ob es e<strong>in</strong> Neben- oder e<strong>in</strong> Hauptverb sei. Von e<strong>in</strong>em lexikographischen Blickpunkt aus wird<br />

die e<strong>in</strong>wertige Variante – außer <strong>in</strong> der Valenzlexikographie – ganz vernachlässigt, wobei<br />

man allerd<strong>in</strong>gs zugeben muss, dass die Beschreibung se<strong>in</strong>es syntaktischen und semantischen<br />

Valenzrahmens sehr problematisch ist.<br />

Abgesehen von Verwendungen dieses E<strong>in</strong>trags, die als Funktionsverbgefüge oder idiomatische<br />

Formen gelten, gibt es aber auch e<strong>in</strong>e Reihe von Belegen, die für e<strong>in</strong>e Vollverbverwendung<br />

von werden sprechen.<br />

Es fehlen <strong>in</strong> den großen Bedeutungs- und Lernerwörterbüchern genaue Angaben zu se<strong>in</strong>em<br />

Satzbauplan und zu den semantischen Eigenschaften des Nomens, das als se<strong>in</strong> Subjektkomplement<br />

fungieren kann, so dass für den DaF-Lerner jegliche H<strong>in</strong>weise zum korrekten<br />

Gebrauch dieses Verbs ausbleiben.<br />

Ausgangspunkt me<strong>in</strong>es Beitrags sollen die Erläuterungen zu werden im Valenzlexikon deutscher<br />

Verben (VALBU) se<strong>in</strong>. Auf dieser Grundlage sollen dann die entsprechenden Beschreibungen<br />

der bedeutendsten dt. und it. Wörterbücher überprüft werden. Anhand von<br />

Beispielen werde ich Übersetzungen <strong>in</strong>s Italienische vorschlagen, um gewisse Vorkommensbeziehungen<br />

herauszuf<strong>in</strong>den, die als Anhaltspunkte zu e<strong>in</strong>er adäquaten lexikographischen<br />

Beschreibung dieses Verbs dienen könnten.<br />

Literatur:<br />

Eisenberg, P. (2006 3 ): Grundriss der deutschen Grammatik. Der Satz. Stuttgart: Metzler.<br />

Engel, U. (2004): Deutsche Grammatik. Neubearbeitung. München: Iudicium.<br />

Engel, U. (1988): Deutsche Grammatik. Heidelberg: Julius Groos.<br />

Götze, G./Hess-Lüttich, E.W.B. (2002): Grammatik der deutschen Sprache. Sprachsystem<br />

und Sprachgebrauch. Gütersloh/München: Wissen Media Verlag.<br />

Habermann, M. (Hg.) (2010): Grammatik wozu? Vom Nutzen des Grammatikwissens <strong>in</strong> Alltag<br />

und Schule. DUDEN, Band 11. Mannheim; Zürich: Dudenverlag.<br />

Redder, A. (1999): ‚Werden‘ – funktional-grammatische Bestimmungen. In: Redder, A./<br />

Rehbe<strong>in</strong>, J. (Hg.): Grammatik und mentale Prozesse. Tüb<strong>in</strong>gen: Stauffenburg, S. 295–<br />

336.<br />

Thieroff, R. (1994): Das f<strong>in</strong>ite Verb im Deutschen. Tempus – Modus – Distanz. Tüb<strong>in</strong>gen:<br />

Narr.<br />

Thurmair, M. (1997): Nicht ohne me<strong>in</strong>e Grammatik. Vorschläge für e<strong>in</strong>e Pädagogische<br />

Grammatik im Unterricht des Deutschen als Fremdsprache. In: Jahrbuch Deutsch als<br />

Fremdsprache 23, S. 25–45.<br />

Wörterbücher:<br />

DIT. Il dizionario. Tedesco-italiano/italiano- tedesco (2003 3 ). In collaborazione Tor<strong>in</strong>o: Paravia;<br />

Berl<strong>in</strong>/München: Langenscheidt.<br />

Duden. Deutsches Universalwörterbuch (2011) 7. überarbeitete und erweiterte Auflage.<br />

Mannheim/Zürich: Dudenverlag.<br />

146


Symposium 13<br />

Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache (1999). 3. Auflage. Mannheim: Dudenverlag<br />

(zehn Bände).<br />

Il dizionario di tedesco con CD-ROM per W<strong>in</strong>dows. Dizionario tedesco-italiano/italianotedesco<br />

(2001). In collaborazione Bologna: Zanichelli; Stuttgart: Pons/Klett.<br />

Kempcke, G. (2000): Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache. Berl<strong>in</strong>/New York: de Gruyter.<br />

Kempcke, G. (1984): Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Berl<strong>in</strong>: Akademie<br />

Verlag.<br />

Klappenbach, R./Ste<strong>in</strong>itz, W. (Hg.) (1977): Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache.<br />

Berl<strong>in</strong>: Akademie Verlag.<br />

Langenscheidts Handwörterbuch (2003) (4. Auflage): Teil I: Italienisch-Deutsch. Tur<strong>in</strong>: Paravia.<br />

Teil II: Deutsch-Italienisch. Berl<strong>in</strong>; München: Langenscheidt.<br />

Pons. Großwörterbuch Deutsch Italienisch. Italienisch Deutsch (2001) (herausgegeben von<br />

Giacoma, L./Kolb, S.). Bologna: Zanichelli; Stuttgart: Klett.<br />

Schumacher, H. (Hg.) (1986): Verben <strong>in</strong> Feldern. Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik<br />

deutscher Verben. Berl<strong>in</strong>/New York: de Gruyter.<br />

Wahrig, G./Wahrig-Burfe<strong>in</strong>d, R. (Hg.) (2006(8)): Deutsches Wörterbuch. Gütersloh/München:<br />

Wissen Media Verlag.<br />

Schumacher, H./Kubczak, J./Schmidt, R./de Ruiter, V. (2004): VALBU – Valenzwörterbuch<br />

deutscher Verben. Tüb<strong>in</strong>gen: Narr.<br />

147


Symposium 13<br />

Klaus Fischer<br />

Valenz, Konstruktion und Lernerwörterbuch<br />

E<strong>in</strong> häufiger Vorwurf gegen e<strong>in</strong>sprachige und kontrastive Valenzwörterbücher ist, dass sie<br />

zwar nicht-muttersprachliche Deutschlerner als Adressaten nennen, aber so benutzerunfreundlich<br />

angelegt s<strong>in</strong>d, dass sie <strong>in</strong> der Praxis von Lernern ignoriert werden und eigentlich<br />

nur von Sprachwissenschaftlern, vor allem anderen Valenzlexikographen, konsultiert würden<br />

(z.B. Bielińska 2003). E<strong>in</strong>e genauere Analyse der <strong>in</strong>tendierten Adressaten zeigt allerd<strong>in</strong>gs,<br />

dass Deutschlerner hier gar nicht an erster Stelle stehen.<br />

E<strong>in</strong>e zweite Frage ist, ob Valenzwörterbücher überhaupt lernerrelevante Informationen<br />

enthalten. Aus konstruktionsgrammatischer Perspektive ist mit dem Verb ke<strong>in</strong>e morphosynytaktische<br />

und als komb<strong>in</strong>atorische Bedeutung nur konkret-semantische Rollen<strong>in</strong>formation<br />

verbunden (Goldberg 1995, 2006). Geübt werden müssten also abstrakte Konstruktionen,<br />

etwa Satzbaupläne. Die E<strong>in</strong>fügung von E<strong>in</strong>zellexemen („konkreten Konstruktionen“)<br />

müsste sich dann automatisch ergeben, vorausgesetzt, der Lerner kennt die Bedeutung des<br />

Lexems. Wollte man traditionelle Wörterbücher ergänzen, so müsste e<strong>in</strong> Konstruktionslexikon<br />

geschaffen werden.<br />

In me<strong>in</strong>em Vortrag werde ich erstens der Frage nachgehen, ob die weitgehend nichtprojektive<br />

Perspektive der Konstruktionsgrammatik Goldbergs haltbar ist. Hier wird die von<br />

der Konstruktionsgrammatik favorisierte kognitiv-empirische Sprachlernforschung (Tomasello<br />

2003) herangezogen, die eigentlich eher e<strong>in</strong>e projektive Sicht stützt. Sodann wird gefragt,<br />

wie Valenz<strong>in</strong>formation lernerfreundlicher dargestellt werden kann. E<strong>in</strong> erprobtes lernerfreundliches<br />

Wörterbuchformat bieten Lernerwörterbücher an, die allerd<strong>in</strong>gs als Allgeme<strong>in</strong>wörterbücher<br />

Valenz nur unvollständig berücksichtigen, wie u.a. Thomas Herbst verschiedentlich<br />

gezeigt hat. Auch wenden sie sich an Lerner mit unterschiedlichen Muttersprachen.<br />

Abschließend werden unveröffentlichte Wörterbuche<strong>in</strong>träge aus e<strong>in</strong>em von Alan Cornell, Ian<br />

Roe und mir geplanten Valenzlexikon für englischsprachige Lerner des Deutschen vorgestellt.<br />

Diese stellen e<strong>in</strong> Beispiel dar, wie kontrastive Valenz<strong>in</strong>formationen didaktisch für e<strong>in</strong>e<br />

spezifische Zielgruppe verarbeitet werden können.<br />

Literatur:<br />

Bielińska, Monika (2003): Valenzwörterbücher – das Ideal und das Leben. In: Cornell, Alan/<br />

Fischer, Klaus/Roe, Ian F. (Hrsg.): Valency <strong>in</strong> Practice. Valenz <strong>in</strong> der Praxis. Oxford et al.:<br />

Lang, 241–258.<br />

Goldberg, Adele E (1995): Constructions: a construction grammar approach to argument<br />

structure. Chicago: The University of Chicago Press.<br />

Goldberg, Adele E (2006): Constructions at Work. The nature of generalization <strong>in</strong> language.<br />

Oxford: Oxford University Press.<br />

Jacobs, Joachim (2008): Wozu Konstruktionen? In: L<strong>in</strong>guistische Berichte 213, 3–44.<br />

Jacobs, Joachim (2009): Valenzb<strong>in</strong>dung oder Konstruktionsb<strong>in</strong>dung? E<strong>in</strong>e Grundfrage der<br />

Grammatiktheorie, <strong>in</strong>: Zeitschrift für Germanistische L<strong>in</strong>guistk 37/3, 490–513.<br />

Tomasello, Michael (2003): Construct<strong>in</strong>g a Language: a usage-based theory of language<br />

acquisition. Cambridge, Mass.: Harvard University Press.<br />

Welke, Klaus (2005) Deutsche Syntax funktional. Perspektiviertheit syntaktischer Strukturen.<br />

2. bearb. Aufl. Tüb<strong>in</strong>gen: Stauffenburg.<br />

Welke, Klaus. (2009a): Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik. In: Zeitschrift für Germanistische<br />

L<strong>in</strong>guistk 37, 81–124.<br />

148


Symposium 13<br />

Welke, Klaus (2009b): Konstruktionsvererbung, Valenzvererbung und die Reichweite von<br />

Konstruktionen. In: Zeitschrift für Germanistische L<strong>in</strong>guistk 37, 514–543.<br />

Welke, Klaus (2011): Valenzgrammatik des Deutschen. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung. Berl<strong>in</strong>, New York:<br />

De Gruyter.<br />

Wörterbücher:<br />

Engel, Ulrich/Sav<strong>in</strong>, Emilia et al. (1983) Valenzlexikon deutsch-rumänisch. Dicţionar de valenţă<br />

german-român. Heidelberg: Groos.<br />

Engel, Ulrich/Schumacher, Helmut (1976, 2 1978): Kle<strong>in</strong>es Valenzlexikon deutscher Verben.<br />

Tüb<strong>in</strong>gen: Narr.<br />

Helbig, Gerhard/Schenkel, Wolfgang (1969, 6 1982): Wörterbuch zur Valenz und Distribution<br />

deutscher Verben. Leipzig: VEB.<br />

Herbst, Thomas/Heath, David/Roe, Ian/Götz, Dieter (2004): A Valency Dictionary of English.<br />

Berl<strong>in</strong>/New York: de Gruyter.<br />

Schumacher, Helmut (Hrsg.) (1986): Verben <strong>in</strong> Feldern. Valenzwörterbuch zur Syntax und<br />

Semantik deutscher Verben. Berl<strong>in</strong>/New York: de Gruyter.<br />

Schumacher, Helmut et al. (2004): VALBU – Valenzwörterbuch deutscher Verben. Tüb<strong>in</strong>gen:<br />

Narr.<br />

149


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Judith Bündgens-Kosten<br />

Bloggen <strong>in</strong> der Fachsprache? E<strong>in</strong>satz von Schüler- und Klassenblogs im Unterricht<br />

und die Rolle von Sprache<br />

Mit dem Web2.0 entwickelten sich viele niedrigschwellige Formen des onl<strong>in</strong>e Publish<strong>in</strong>gs, die<br />

auch im Unterricht e<strong>in</strong>setzbar s<strong>in</strong>d. Sie werden seit langem von Wissenschaftler/<strong>in</strong>nen und<br />

Wissenschaftscommunities zum Austausch und zur Diskussion von Fach<strong>in</strong>halten genutzt<br />

und wachsen auch im schulischen und universitären Unterricht langsam über die experimentelle<br />

Phase h<strong>in</strong>aus.<br />

Die Existenz von Wissenschaftscommunities <strong>in</strong>nerhalb der Blogosphäre ermöglicht bloggenden<br />

Schüler/<strong>in</strong>nen nicht nur, zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad, Imitation von Wissenschaftsdiskursen,<br />

sondern eröffnet, zum<strong>in</strong>dest pr<strong>in</strong>zipiell, die Möglichkeit der Partizipation, des Lesensund-gelesen-werdens,<br />

und damit auch e<strong>in</strong>en ganz anderen ‚Realismus‘ als bei im Schulheft<br />

verfaßten Fachtexten, die nur vom Lehrer/von der Lehrer<strong>in</strong> rezipiert werden. Wissenschaftskommunikation,<br />

an die sich, zum<strong>in</strong>dest dem Anspruch nach, schulischer Fachsprachgebrauch<br />

anlehnt, ist immer an e<strong>in</strong>en anderen gerichtet und reich an Möglichkeiten zur Erwiderung<br />

und Diskussion. Dieses Element, das bei vielen fachlichen Textproduktionen im Unterricht<br />

fehlt, ist e<strong>in</strong>e der Affordances von Blogs und kann unter günstigen Umständen oder mit<br />

entsprechender didaktischer Planung auch bei Schülerblogs realisiert werden.<br />

Gleichzeitig aber br<strong>in</strong>gen Blogs spezifische Eigenschaften, auch sprachlicher Natur, mit sich.<br />

Wissenschaftskommunikation <strong>in</strong> Blogs unterscheidet sich deutlich von Wissenschaftskommunikation<br />

etwa auf Konferenzen oder <strong>in</strong> Fachzeitschriften. Der E<strong>in</strong>satz von Blogs im Fachunterricht<br />

br<strong>in</strong>gt daher, was das Erlernen der Fachsprache angeht, zwei Vorteile mit sich.<br />

Zum e<strong>in</strong>en können essentielle Elemente aller Fachkommunikation geübt werden, ggf. auch<br />

fachspezifische, andererseits können vorhandene Unterschiede zwischen Blogs und anderen<br />

Formen der Wissenschaftskommunikation e<strong>in</strong>e Möglichkeit zur Reflexion darstellen (z.B.<br />

über Neutralität <strong>in</strong> der Darstellung von Forschungsergebnissen).<br />

Im Rahmen dieser Studie habe ich halb-offene leitfadengestützte Interviews mit fünf Lehrer/<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> Deutschland und Österreich geführt, die Blogs – oft über viele Jahre h<strong>in</strong>weg – <strong>in</strong><br />

ihrem Fachunterricht verwendet haben. Ich diskutiere, (a) was für Lehrer/<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong> ‚gutes‘<br />

Schülerblog ausmacht, (b) welche Fähigkeiten Schüler/<strong>in</strong>nen aus Lehrersicht benötigen, um<br />

e<strong>in</strong>es zu führen, und (c) wie Bloggen im Unterricht angeleitet wird. Der Fokus der der Diskussion<br />

liegt dabei auf sprachlichen Aspekten <strong>in</strong>nerhalb dieses Themenkomplexes.<br />

Insgesamt läßt sich sagen, daß aus der Sicht der <strong>in</strong>terviewten Lehrer/<strong>in</strong>nen Sprache ganz<br />

allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Rolle bei der Anleitung und Bewertung von Schülerblogs spielt. Als<br />

Voraussetzung für erfolgreiches Bloggen stehen bei den befragten Lehrer/<strong>in</strong>nen sprachliche<br />

Kompetenzen eher im H<strong>in</strong>tergrund, dagegen werden allgeme<strong>in</strong>ere charakterliche Dispositionen<br />

wie Neugierde oder Spaß am Schreiben betont. Was die Anleitung zum Bloggen angeht,<br />

wird der Schwerpunkt auf Funktionsbeschreibung und historische Herleitung von Blogs gelegt;<br />

explizite Vermittlung von Normen sowie das Lesen von Blogs als Mittel des beiläufigen<br />

Erwerbs von (sprachlichem und nicht-sprachlichem) Normenwissen ist selten. Wenn sprachliche<br />

Fragen thematisiert werden, s<strong>in</strong>d dies im allgeme<strong>in</strong>en eher Blogg<strong>in</strong>g- und Fachsprach-<br />

übergreifende Schreibrout<strong>in</strong>en (Feilke <strong>2012</strong>) als blog- oder fachspezifische Textrout<strong>in</strong>en.<br />

Literatur:<br />

Feilke, Helmuth: Was s<strong>in</strong>d Textrout<strong>in</strong>en? – Zur Theorie und Methodik des Forschungsfeldes,<br />

Schreib- und Textrout<strong>in</strong>en, Peter Lang, 1–31, Eds: Feilke, Helmuth, and Lehnen, Katr<strong>in</strong>,<br />

<strong>2012</strong>.<br />

150


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Tobias He<strong>in</strong>z und Alexander Horn<br />

Diskursive Entfaltung sprachkritischen Wissens<br />

Seit den 1990er-Jahren wird von der Sprachdidaktik verstärkt e<strong>in</strong> „reflektierender<br />

Sprachgebrauch“ als Lernziel gefordert (vgl. bspw. Praxis Deutsch, 22. Jg., H. 132, 1995).<br />

Dieser „reflektierende Sprachgebrauch“, der auch E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Curricula und Lehrpläne<br />

der verschiedenen Bundesländer gefunden hat (siehe Kilian/Niehr/Schiewe 2010, 136ff.),<br />

basiert auf e<strong>in</strong>er begründeten Sprachkritik, welche auch als „Sprachkritik im engeren S<strong>in</strong>ne“<br />

(Kilian) gefasst werden kann. In dieser sollen sowohl Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler als auch<br />

Student<strong>in</strong>nen und Studenten auf der Basis e<strong>in</strong>er „Sprachreflexionskompetenz“ (Klotz 2004)<br />

zu l<strong>in</strong>guistisch begründeten Urteilen und Bewertungen von Sprache und Sprachgebrauch<br />

befähigt werden (vgl. Kilian/Niehr/Schiewe 2010, 106f.).<br />

Auf Basis der beschriebenen Entwicklungen wurden zahlreiche Aufgabentypen und<br />

methodische Ansätze entwickelt, deren Umsetzung <strong>in</strong>nerhalb verschiedener Lehrwerke als<br />

teilweise unbefriedigend bewertet wird (He<strong>in</strong>z/Horn 2011). Innerhalb der Sprachdidaktik<br />

wurden <strong>in</strong> letzter Zeit <strong>in</strong>sbesondere die Bereiche Lexik und Semantik diskutiert (u.a. Niehr/<br />

Funken 2009). Gleichfalls wurden methodische Umsetzungen vorgeschlagen, die auf der<br />

Theorie der kritischen Semantik basieren – wie etwa die Arbeit mit Fragebögen oder die<br />

Thematisierung sprachkritischer Fragestellungen im Rahmen textgebundener Erörterungen<br />

(dazu He<strong>in</strong>z/Horn 2011, 227–234).<br />

Der Beitrag, der unter anderem an die Ergebnisse des Workshops Wörterbuchwerkstatt zur<br />

kritischen Semantik im Rahmen der Akademietagung Sprachkritik <strong>in</strong> der Schule an der<br />

Universität Greifswald anschließt, lotet Möglichkeiten aus, wie die Unterrichtsform Diskussion<br />

für die Entfaltung sprachkritischen Wissens nutzbar gemacht und methodisch e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden kann. Die Diskussion – hier am Beispiel des natürlichen arrangierten sprachreflexiven<br />

Kle<strong>in</strong>gruppengesprächs – ersche<strong>in</strong>t hierfür besonders geeignet: Diskussionsthema<br />

ist der Gebrauch politisch nicht „korrekter“ Ausdrücke (bspw. Neger). Innerhalb des Vortrags<br />

soll der Frage nachgegangen werden, wie sich – sowohl <strong>in</strong> Schule als auch Universität – das<br />

jeweilige sprachkritische Wissen des e<strong>in</strong>zelnen Diskussionsteilnehmers diskursiv entfaltet<br />

und wie es <strong>in</strong> der Zusammenführung der e<strong>in</strong>zelnen Wissensbestände erweitert wird.<br />

Ausgewähltes Beispielmaterial veranschaulicht diesen Aspekt.<br />

Literatur:<br />

He<strong>in</strong>z, Tobias/Horn, Alexander (2011): Wörterbuchwerkstatt zur kritischen Semantik, <strong>in</strong>: Birte<br />

Arendt/Jana Kiesendahl (Hg.): Sprachkritik <strong>in</strong> der Schule. Theoretische Grundlagen und<br />

ihre praktische Relevanz. Gött<strong>in</strong>gen, S. 217–238.<br />

Kilian, Jörg/Niehr, Thomas/Schiewe, Jürgen (2010): Sprachkritik. Ansätze und Methoden der<br />

kritischen Sprachbetrachtung. Berl<strong>in</strong>/New York.<br />

Klotz, Peter (2004): Sprachreflexionskompetenz und kompetenter Sprachgebrauch, <strong>in</strong>: Michael<br />

Kämper-van den Boogaart (Hg.): Deutschunterricht nach der PISA-Studie. Frankfurt/M.,<br />

S. 153–168.<br />

Niehr, Thomas/Funken, Jan (2009): Sprachkritik im Unterricht. Das Beispiel „Lexik und Semantik“,<br />

<strong>in</strong>: Aptum, 5. Jg., H. 2, S. 130–148.<br />

151


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Madjid Nezhad Masum<br />

Technikabhaängige Repräsentation und Verarbeitung der gelernten<br />

fremdsprachlichen Vokabeln im biligualen Gedächtnis<br />

Der Effekt von drei weit verbreiteten und kontrovers diskutierten Techniken zur Bedeutungserklärung,<br />

nämlich der zweisprachigen, der visuellen und der textbasierten Vokabelvermittlung,<br />

wurde auf die Produktionsgeschw<strong>in</strong>digkeit und das Behalten der gelernten fremdsprachlichen<br />

Vokabeln bei erwachsenen Lernenden untersucht. In Bezug auf die Wortproduktionsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

wurden die nach der Technik der visuellen Bedeutungserklärung<br />

gelernten Vokabeln vergleichsweise schneller produziert. Signifikant unterschied sich diese<br />

Technik jedoch nur von der Technik der zweisprachigen Bedeutungserklärung. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

des Behaltens der vermittelten Vokabeln hatte die Technik der visuellen Bedeutungserklärung<br />

deutlich besser als die beiden anderen Techniken abgeschnitten. Aus den Ergebnissen<br />

wurde geschlussfolgert, dass der erworbene signifikante Unterschied bezüglich der o.g. Variablen<br />

im Gegensatz zur traditionellen Annahme nicht an den zur Vokabelvermittlung benutzten<br />

bildlichen vs. verbalen Kodes, sondern an der Stärke der entwickelten fremdsprachbezogenen<br />

lexikalischen Konzepte lag. Diese Stärke ergibt sich ursprünglich aus der Aktivierungsbreite<br />

der semantisch-konzeptuellen Netzwerke während der Vokabelvermittlung. Dazu<br />

tragen nicht nur bildliche, sondern auch verbale Kodes, nämlich E<strong>in</strong>führungstexte, bei. Es<br />

wurde auch darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass der <strong>in</strong>terne Aufbau des bil<strong>in</strong>gualen Gedächtnisses<br />

sowie der von Fremdsprachendidaktikern beobachtete Bildüberlegenheitseffekt ebenfalls als<br />

Effekt der Stärke der fremdsprachbezogenen lexikalischen Konzepte zu betrachten s<strong>in</strong>d.<br />

152


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Pavl<strong>in</strong>a Zlateva<br />

Präpositionalattribut mit der Präposition „an“ im Deutschen und se<strong>in</strong>e Äquivalente im<br />

Bulgarischen<br />

Die Rektionssubstantive, die <strong>in</strong> wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Texten<br />

e<strong>in</strong>e relativ hohe Gebrauchsfrequenz aufweisen, bereiten sogar fortgeschrittenen DaF-<br />

Lernern beträchtliche Schwierigkeiten. Vgl.:<br />

(1) der Gedanke an die Mutter<br />

(2) die Er<strong>in</strong>nerung an die Vergangenheit<br />

(3) die Beteiligung an der <strong>in</strong>teressanten Veranstaltung<br />

Der Beitrag stellt e<strong>in</strong>e korpusgestützte Untersuchung von Rektionssubstantiven mit der Präposition<br />

„an“ und ihren Konkurrenzformen im Deutschen (z.B. Freude an, auf, über, zu, um<br />

usw.) mit den bulgarischen Äquivalenten dar.<br />

Bei der Analyse der Belege aus dem IDS-Korpus COSMAS II geht man von den theoretischen<br />

Ansätzen zur deutschen Substantivvalenz (Teubert, Engel, Helbig u.a.) und von den<br />

Testverfahren zur Bestimmung der Präpositionalattribute (St. Schierholz) aus. Es werden<br />

dabei auch Konkurrenzformen der Präposition „an“ bei den relevanten Substantiven berücksichtigt<br />

und dadurch die(Nicht)Austauschbarkeit dieser Präposition im Präpositionalattribut<br />

festgestellt.<br />

Um das E<strong>in</strong>prägen der betreffenden Substantive (und der entsprechenden Kasusform nach<br />

der Präposition) bei den Lernern zu erleichtern, versucht man durch abstrakte Merkmale<br />

Subklassen <strong>in</strong>nerhalb der verwirrenden Fülle anzusetzen. Sie korrespondieren teilweise mit<br />

den Bedeutunsnuancen von nichtfixierten Präpositionen, weil ihre Bedeutung <strong>in</strong> den fixierten,<br />

nomendependenten Konstruktionen nicht völlig „verblaßt“ ist.<br />

Der Beitrag ist kontrastiv ausgerichtet. Man betrachtet die Realisierungsmöglichkeiten der<br />

relevanten präpositionsvalenten Substantive <strong>in</strong> der bulgarischen Sprache, sich ergebende<br />

strukturelle und topologische Unterschiede.<br />

153


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Steffi W<strong>in</strong>kler<br />

„Tipp: Nomen immer mit Artikel lernen“. Erwerbstheoretische und praxisrelevante<br />

Überlegungen zur Vermittlung der deutschen Genera im Sprachunterricht.<br />

Das deutsche Genussystem <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er syntagmatischen wie auch paradigmatischen Organisation<br />

stellt – unlösbar verschränkt mit dem Kasussystem des Deutschen natürlich – e<strong>in</strong>es<br />

der hartnäckigsten Lernprobleme <strong>in</strong> sowohl DaF- als auch DaZ-Kontexten dar (z.B. Wegener,<br />

1995; Kaltenbacher und Klages, 2006; Diehl et al., 2000). E<strong>in</strong> klassischer Versuch, von<br />

Lehrwerken oder Lehrern, dieses Problem von Beg<strong>in</strong>n des Spracherwerbs an zum<strong>in</strong>dest<br />

teilweise anzugehen, ist der Tipp, jedes Nomen gleich mit dem dazugehörigen (Nom<strong>in</strong>ativ)Artikel<br />

zusammen zu lernen. Die beiden Elemente Artikel und Nomen sollen also sozusagen<br />

wie EINE lexikalische E<strong>in</strong>heit behandelt werden. Dieser Lerntipp ersche<strong>in</strong>t aus m<strong>in</strong>destens<br />

zwei Gründen problematisch:<br />

1. Er sche<strong>in</strong>t psychol<strong>in</strong>guistisch nicht haltbar, d.h. es gibt ke<strong>in</strong>e Evidenz, dass derartige Artikel-Nomen-Cluster<br />

im mentalen L1- oder L2-Lexikon existieren.<br />

2. Es ist <strong>in</strong> Frage zu stellen, dass der Artikel im (frühen) DaZ- bzw. DaF-Erwerb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Funktion als Genusmarker überhaupt erkannt bzw. verwendet wird (vgl. z.B. Wegener,<br />

1995).<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund dieser Tatsachen wurde e<strong>in</strong>e Studie mit italienischsprachigen Lernern<br />

des Deutschen durchgeführt (n=112, DaF-Kontext, Niveau A1–B1). Alle Probanden absolvierten<br />

den sogenannten Elicited Imitation Task (EI), im Rahmen dessen die Teilnehmer gebeten<br />

werden, akustisch dargebotene Sätze möglichst orig<strong>in</strong>algetreu zu wiederholen. Als<br />

Testitems dienten hier <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Sätze mit Personenbezeichnungen als Subjekt-NP, bei<br />

denen das Genus also meist dem Sexus entspricht und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zuweisung so transparent<br />

ist. Die erhobenen Daten legen die Schlussfolgerung nahe, dass der Artikel im frühen DaF-<br />

Erwerb <strong>in</strong> der Tat (noch) nicht als Genusmarker verwendet wird. Erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren<br />

Schritt erweist sich dann das natürliche Geschlechtspr<strong>in</strong>zip als (erste?) Genusregel als erworben,<br />

bevor im nachfolgenden Erwerbsverlauf e<strong>in</strong>e Etablierung und Festigung des deutschen<br />

Genussystems festzustellen ist. Das Neutrum wird dabei besonders schwer erworben,<br />

was auf muttersprachliche E<strong>in</strong>flüsse zurückgeführt werden könnte.<br />

Für die Praxis des Deutschunterrichts suggerieren diese Befunde e<strong>in</strong>e zyklische Progression<br />

im Bereich der nom<strong>in</strong>alen Kategorie Genus, wie sie <strong>in</strong> gängigen DaF-Lehrwerken jedoch<br />

kaum zu beobachten ist. Wohl sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e frühe E<strong>in</strong>führung von Artikelwörtern im Deutschunterricht<br />

unumgänglich, jedoch sollte beachtet werden, dass diese für den Anfängerlerner <strong>in</strong><br />

ihrer Funktion als Genusmarker kognitiv noch nicht zu bewältigen s<strong>in</strong>d.<br />

Literatur:<br />

Kaltenbacher, Erika & Klages, Hana (2006): Sprachprofil und Sprachförderung bei Vorschulk<strong>in</strong>dern<br />

mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund. In: Bernt Ahrenholz (Hrsg.): K<strong>in</strong>der mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />

– Spracherwerb und Fördermöglichkeiten. Freiburg i.Br.: Fillibach. 80–97.<br />

Wegener, Heide (1995): Das Genus im DaZ-Erwerb – Beobachtungen an K<strong>in</strong>dern aus Polen,<br />

Rußland und der Türkei. In: Brigitte Handwerker (Hrsg.): Fremde Sprache Deutsch. Tüb<strong>in</strong>gen:<br />

Narr. 1-24.<br />

Diehl, Erika; Christen, Helen; Leuenberger, Sandra; Pelvat, Isabelle & Studer, Thérèse<br />

(2000): Grammatikunterricht: Alles für der Katz? Untersuchungen zum Zweitspracherwerb<br />

Deutsch. Tüb<strong>in</strong>gen: Niemeyer.<br />

154


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Stephan Habscheid, Britta Thörle und Antje Wilton<br />

Transfer von Wissen und Aushandlung gesellschaftlicher Legitimation <strong>in</strong> öffentlichen<br />

Sicherheitsdebatten: das Beispiel Körperscanner<br />

E<strong>in</strong>e der Funktionen des Wissenstransfers <strong>in</strong>nerhalb der Gesellschaft ist die Herstellung ziviler<br />

Sicherheit. Dabei geht es nicht alle<strong>in</strong> darum, über Gefahren und Risiken zu <strong>in</strong>formieren<br />

und über Sicherheitsmaßnahmen aufzuklären. Die Konstitution des Risikos<br />

selbst kann als Ergebnis e<strong>in</strong>es Kommunikationsprozesses betrachtet werden, und auch die<br />

erfolgreiche Gestaltung und Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen bedarf der Akzeptanz<br />

der Betroffenen, die ebenfalls kommunikativ ausgehandelt wird. Dies wird besonders<br />

deutlich, wenn beispielsweise bei der E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er neuen Sicherheitstechnik schwerwiegende<br />

Ziel- und Interessenskonflikte auftreten, wie es etwa bei Körperscannern an Flughäfen<br />

der Fall ist. Die Akzeptanz (oder Ablehnung) dieser Technologie unter bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen<br />

hängt wesentlich davon ab, wie auf der Basis des verfügbaren Wissens Risiken e<strong>in</strong>geschätzt<br />

werden und welche Bedeutung dem Wert Sicherheit im Vergleich zu anderen Werten<br />

wie Gesundheit, Schutz der persönlichen Freiheit und der Intimsphäre beigemessen<br />

wird.<br />

Der Transfer von Wissen spielt <strong>in</strong> diesem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess e<strong>in</strong>e zentrale<br />

Rolle und f<strong>in</strong>det auf mehreren Ebenen statt: z.B. zwischen Fachleuten (bei der Entwicklung<br />

der THz-Technik, der Klärung juristischer, ökonomischer und organisationaler Bed<strong>in</strong>gungen<br />

der Implementierung), zwischen Fachleuten und (politischen) Entscheidungsträgern,<br />

im öffentlichen Diskurs der Massenmedien und zwischen den Verbrauchern selbst. Dabei<br />

treffen unterschiedliche Wahrnehmungs- und Denkmodelle aufe<strong>in</strong>ander, die sprachlich strukturiert<br />

und aufe<strong>in</strong>ander bezogen werden müssen.<br />

Der Beitrag konzentriert sich auf die kultur- und sprachvergleichende Analyse öffentlicher<br />

Diskurse <strong>in</strong> Parlamentsdebatten und <strong>in</strong> der Presseberichterstattung im Zusammenhang mit<br />

der E<strong>in</strong>führung von Körperscannern <strong>in</strong> Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Besondere<br />

Aufmerksamkeit gilt der Diskussion um die konkrete Gestaltung der Checkpo<strong>in</strong>ts (Auswahl<br />

und Kategorisierung der Passagiere, Art der Visualisierung des gescannten Körpers,<br />

Art der E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> die kommunikative Ökologie des E<strong>in</strong>satzortes etc.). Anhand dieser Debatte<br />

soll untersucht werden, wie durch dynamische positionsgebundene Versprachlichungen<br />

Legitimation und Akzeptanz der Körperscannertechnik vor dem H<strong>in</strong>tergrund unterschiedlicher<br />

Risikobegriffe, Wahrnehmungs- und Denkmodelle ausgehandelt werden.<br />

155


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Christ<strong>in</strong>e Ott<br />

Konzeptionen von ,Weiblichkeit‘ und ,Männlichkeit‘ <strong>in</strong> Schulbüchern<br />

Dieser Vortrag lenkt den Blick auf im H<strong>in</strong>tergrund der Institution ‚Schule‘ ablaufenden Kommunikationsprozesse,<br />

die bei der Produktion von Schulbuch-Wissen e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />

Schulbücher s<strong>in</strong>d tägliche Lehr-und Lernmittel, mit denen zum e<strong>in</strong>en fachspezifisches deklaratives<br />

Wissen vermittelt wird, denen zum anderen aber auch ‚soziokulturelles‘ Wissen e<strong>in</strong>geschrieben<br />

ist, das implizit am Konstruktionsprozess von ‚Welt‘ der Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

teilhat. Als kultur-und gesellschaftsabhängige Zeitdokumente vertreten Schulbücher e<strong>in</strong><br />

zeitgebundenes Weltbild und weisen bestimmte soziale Praktiken als ‚Norm‘ aus. Für den<br />

Vortrag ist von besonderem Interesse, wie <strong>in</strong> diesem Medium Konzeptionen von ‚Weiblichkeit‘<br />

und ‚Männlichkeit‘ konstituiert werden. Im Rahmen e<strong>in</strong>es Dissertationsvorhabens werden<br />

<strong>in</strong>sgesamt 150 Schulbücher aus 140 Jahren (1871–<strong>2012</strong>) auf diese Schulbuch<strong>in</strong>halte<br />

untersucht. Hierfür wurde <strong>in</strong> Anlehnung an die von Spitzmüller und Warnke entwickelte Diskursl<strong>in</strong>guistische<br />

Mehr-Ebenen-Analyse (DIMEAN) e<strong>in</strong> dreigliedriges Analysemodell für<br />

Schulbücher entworfen.<br />

Im ersten Teil stehen die Akteure, die an der Produktion der Bücher beteiligt s<strong>in</strong>d, im Vordergrund.<br />

Schulbücher unterliegen e<strong>in</strong>em staatlichen Zulassungs-und Genehmigungsverfahren<br />

– welche Inhalte E<strong>in</strong>gang f<strong>in</strong>den und wie diese aufbereitet werden, ist Ergebnis der Interaktion<br />

von Behörden, Verlagen und AutorInnen. Welche Vorgaben Kultusm<strong>in</strong>isterien beispielsweise<br />

zur Darstellung der Geschlechter im Schulbuch an Verlage und AutorInnen machen,<br />

gilt es an diesem Punkt näher zu betrachten. Daran schließt sich im zweiten Teil die Schulbuchstudie<br />

an. Das für die <strong>in</strong>tratextuelle Analyse relevante Kategorienschema wird hier u.a.<br />

beschrieben. Im letzten, dritten Teil erfährt der Kontext, mit dem die Schulbücher diskursiv<br />

verbunden s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e Würdigung. E<strong>in</strong>erseits werden die Studienergebnisse an den Geschlechterdiskurs,<br />

wie er <strong>in</strong> wissenschafts-und sozialgeschichtlichen Studien beschrieben<br />

wird, rückgebunden. Andererseits werden die behördlichen Vorgaben mit den empirisch erhobenen<br />

geschlechtsspezifischen Schulbuch<strong>in</strong>halten verglichen.<br />

Im Vortrag sollen das Projekt und erste Ergebnisse e<strong>in</strong>er Pilotstudie vorgestellt werden.<br />

156


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Markus Nickl<br />

Wie iPhone und Co Texte verändern<br />

Ob iPad, Android, K<strong>in</strong>dle – mobile Plattformen s<strong>in</strong>d derzeit <strong>in</strong> aller Munde. Auf den ersten<br />

Blick sche<strong>in</strong>t dies zunächst lediglich e<strong>in</strong>e Herausforderung für App-Programmierer zu se<strong>in</strong>.<br />

Doch sieht man genauer h<strong>in</strong>, stellt man fest: E<strong>in</strong> Großteil der Anwendungen auf diesen Geräten<br />

dient dazu, Inhalte mobil verfügbar zu machen. Doch wie verändern die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

dieser Medien die Inhalte? Welche neuen Möglichkeiten entstehen für Autoren? Und<br />

mit welchen Methoden lassen sich bestehende Inhalte für e<strong>in</strong> mobiles Publikum aufbereiten?<br />

Der Vortrag beleuchtet aus l<strong>in</strong>guistischer und praxisorientierter Sicht die Probleme, die sich<br />

bei der Erstellung und Aufbereitung von Content für mobile Medien stellen. Er zeigt Entwicklungsl<strong>in</strong>ien<br />

von pr<strong>in</strong>t über onl<strong>in</strong>e bis h<strong>in</strong> zu mobilen Medien auf. Und er diskutiert die Frage,<br />

<strong>in</strong>wiefern durch die Möglichkeiten der mobilen Medien Textsorten sich verändern oder neue<br />

Textsorten entstehen.<br />

157


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Karola Pitsch<br />

E<strong>in</strong> humanoider Roboter als Museumsführer. Zur Eröffnung e<strong>in</strong>es neuen<br />

Forschungsfeldes für die l<strong>in</strong>guistische Gesprächsforschung<br />

In den letzten Jahren ist verstärkt der <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Fokus auf e<strong>in</strong>e möglichst<strong>in</strong>tuitive Bedienbarkeit<br />

von Technologien gelegt worden, die an den Alltagspraktiken der menschlichen<br />

Benutzer ansetzen (Harper et al. 2008). Jüngste Entwicklungen dieser Mensch-Masch<strong>in</strong>e-<br />

Schnittstelle s<strong>in</strong>d humanoide Roboter, die mittlerweile <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, ihre Umwelt (rudimentär)<br />

zu beobachten, zu sprechen, zu gestikulieren und sich im Raum zu bewegen. Aktuelle<br />

Forschung zielt darauf ab, solche Systeme <strong>in</strong> die Lage zu versetzen, mit menschlichen<br />

Benutzern auf möglichst <strong>in</strong>tuitive und dem menschlichen Kommunikationsverhalten nachempfundene<br />

Weise zu <strong>in</strong>teragieren. Dazu werden implementierbare Interaktionsmodelle für<br />

die Gestaltung der Mensch-Roboter-Interaktion benötigt. D.h. Systeme müssen ausgestattet<br />

werden mit Möglichkeiten, (a) das Verhalten von Menschen zu beobachten, (b) dieses als<br />

bedeutungsvoll im S<strong>in</strong>ne von Interaktionsorganisation zu <strong>in</strong>terpretieren und (c) darauf <strong>in</strong> ihrem<br />

eigenen Verhalten angemessen zu reagieren. Im Vortrag wird die Mensch-Roboter-<br />

Interaktion im S<strong>in</strong>ne von Design und Evaluierung als e<strong>in</strong> neues Forschungs-und Anwendungsfeld<br />

für die l<strong>in</strong>guistische Gesprächsforschung präsentiert (Pitsch 2009; Pitsch & Koch<br />

2010; Lohan, Pitsch et al. 2011).<br />

Dieses neuartige Forschungsfeld wird am Beispiel der Wissensvermittlung im Museum aufgezeigt.<br />

Dabei werden erste Ergebnisse aus e<strong>in</strong>er mehrtägigen Studie (08/2011) präsentiert,<br />

<strong>in</strong> der e<strong>in</strong> humanoider Roboter als TourGuide <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Museum vorbeikommenden Besuchern<br />

Informationen über verschiedene im Raum bef<strong>in</strong>dliche Bilder anbietet. Die Präsentation<br />

der Kunstwerke durch den Roboter erfolgt multimodal unter koord<strong>in</strong>ierter Verwendung<br />

von Verbalsprache, Blickorganisation, Gestik und Bewegung im Raum sowie mit basalen<br />

Interaktionsmöglichkeiten des Besuchers mit dem Roboter: Das System detektiert den Besucher,<br />

richtet se<strong>in</strong>e Orientierung daran aus, stellt an ausgewählten Stellen Fragen und versucht,<br />

die Antworten der Besucher mit e<strong>in</strong>zubeziehen. Primäre Adressatenzielgruppe des<br />

Roboters s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der (ab 4 Jahren), die im Rahmen e<strong>in</strong>es zweiwöchigen Wissenschaftsfestivals<br />

als Besucher der Kunsthalle Bielefeld mit dem Roboter <strong>in</strong>teragiert haben. Daraus ist e<strong>in</strong><br />

umfangreiches Video-Corpus der Roboter-K<strong>in</strong>d-Interaktion entstanden, dasdurch e<strong>in</strong>e anschließende<br />

Fragebogenerhebung komplettiert wird.<br />

Konkret wird im Vortrag mit sequenzanalytischen Methoden der ethnomethodologischen<br />

Konversationsanalyse untersucht, wie die k<strong>in</strong>dlichen Besucher mit dem Roboter <strong>in</strong>teragieren,<br />

sequenzielle Handlungsstrukturen versuchen herzustellen und dabei die Kompetenzen des<br />

Systems ausloten. Der analytische Fokus liegt dabei auf Verfahren (a) der Eröffnung von<br />

Interaktion und (b) des Verweisens auf (spezifische Elemente) von Bildern und ihren <strong>in</strong>teraktiven<br />

Implikationen. Dabei wurden jeweils aus konversationsanalytischer Forschung bekannte<br />

Interaktionsverfahren implementiert und es wird evaluiert, <strong>in</strong>wiefern diese für die Mensch-<br />

Roboter-Interaktion anwendbar s<strong>in</strong>d. Die Interaktionsanalysen werden verbunden mit e<strong>in</strong>er<br />

Fragebogen-Auswertung, welche <strong>in</strong>haltlichen Informationen die K<strong>in</strong>der aus der Präsentation<br />

des Roboters entnommen haben. Der Aspekt ‚Wissen‘ kommt also <strong>in</strong> zweierlei H<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong><br />

den Blick: (a) im S<strong>in</strong>ne von für die Gestaltung erfolgreicher Mensch-Roboter-Interaktion erforderlichem<br />

Interaktionswissen; und (b) im S<strong>in</strong>ne von Wissenskommunikation im Museum.<br />

158


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Re<strong>in</strong>hard Fiehler<br />

Was uns Univerbierung über mentale Wortkonzepte sagt<br />

Werden zwei Wörter, die bisher mehrheitlich durch e<strong>in</strong> Spatium getrennt wurden, nicht mehr<br />

getrennt-, sondern zusammengeschrieben, so liegt Univerbierung vor. Im Wegfall der Spatiensetzung<br />

kommt zum Ausdruck, dass SchreiberInnen zwei Wörter nicht mehr als getrennt,<br />

sondern als zusammengehörend, als e<strong>in</strong> Wort, empf<strong>in</strong>den. Auf der Grundlage der korpusgestützten<br />

Analyse von Univerbierungsprozessen und -verläufen lassen sich univerbierungsfördernde<br />

und -beh<strong>in</strong>dernde Faktoren herausarbeiten. Sie betreffen alle sprachsystematischen<br />

Ebenen.<br />

Die Entscheidungen, ob SchreiberInnen e<strong>in</strong>e Wortfolge zusammenschreiben oder getrennt,<br />

s<strong>in</strong>d – neben dem Normbezug – Resultante des Zusammenspiels dieser Faktoren. Sie s<strong>in</strong>d<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsformen bzw. Ausdruck e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dividuellen wie kollektiven Wortkonzepts. Die<br />

Explikation dieser Faktoren trägt dazu bei, zu operationalisieren, was Personen als e<strong>in</strong> Wort<br />

verstehen, und so e<strong>in</strong> empirisch fundiertes Wortkonzept zu erarbeiten.<br />

159


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.052<br />

Jussara Paranhos Zitterbart<br />

Ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht<br />

Das Funktionswort lauter, ahd. (h)luttar, mhd. luter, agerm. (got. hlutrs), wurzelverwandt mit<br />

griesch. klýze<strong>in</strong> ›spülen, re<strong>in</strong>igen‹, konnte im Laufe se<strong>in</strong>er langen Geschichte verschiedene<br />

Bedeutungen aufweisen, wie unter anderem:<br />

1. (ahd.) durchsichtig hell, re<strong>in</strong>, klar<br />

2. (ahd.) frei von fremdartiger Beimischung, zunächst von solcher, die den Glanz trübt, also<br />

unbetrübt<br />

3. (ahd.) auf Geistiges übertragen: unverfälscht und<br />

4. (mhd.) ausschließlich, lediglich, nur<br />

(vgl. DWB 1984, Band 12: 378–384; Paul: Deutsches Wörterbuch 1885: 596)<br />

In der letzten Bedeutung hat es sich <strong>in</strong> der erstarrten Form des Nom. Sg. als Kollektivbegriff<br />

festgesetzt. Nach dem DWB (1984: 383) wird lauter <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne seit dem 16. Jahrhundert<br />

verwendet, also seit der frühneuhochdeutschen Zeit. Die ursprüngliche Bedeutung und<br />

die ursprünglichen grammatischen Eigenschaften als Adjektiv s<strong>in</strong>d verloren gegangen, weitere<br />

unterschiedliche semantische Merkmale und grammatische Eigenschaften kamen h<strong>in</strong>zu.<br />

Somit handelt es sich bei lauter um e<strong>in</strong>en Grenzgänger des Gegenwartsdeutschen, der sich<br />

nicht leicht klassifizieren lässt. Der Vortrag untersucht die Möglichkeiten e<strong>in</strong>er Klassifikation –<br />

neben den Wortarten Adjektiv, Partikel und Determ<strong>in</strong>ativ kommen andere <strong>in</strong> Frage –, die<br />

dem Funktionswort grammatisch und lexikographisch, auch im Bereich Deutsche als Fremdsprache,<br />

gerecht werden können.<br />

Literatur:<br />

Duden: Deutsches Universalwörterbuch 2001: 997.<br />

Duden: Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache 2001, Band 7: 474.<br />

Schützeichel: Althochdeutsches Wörterbuch 1989: 179.<br />

160


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Marcel Dräger<br />

Kollokationenwörterbücher – e<strong>in</strong> neuer Wörterbuchtyp?<br />

Die Kollokationsforschung gehört zu den expandierenden l<strong>in</strong>guistischen Fachbereichen der<br />

letzten Jahre. Beflügelt wurde und wird diese Entwicklung durch die Fortschritte korpusanalytischer<br />

Werkzeuge, die e<strong>in</strong>e empirische Identifikation von (potentiellen) Kollokationen ermöglichen.<br />

Da ist es nur konsequent, dass nun auch die ersten Kollokationenwörterbücher für<br />

den deutschsprachigen Raum am Markt s<strong>in</strong>d. An der Universität Basel erarbeiten wir gerade<br />

unter der Leitung von Annelies Häcki Buhofer e<strong>in</strong> Kollokationenwörterbuch für die Zielgruppe<br />

der Sprachlernenden (www.kollokationenwoerterbuch.ch).<br />

In me<strong>in</strong>em Vortrag will ich die Frage stellen, ob wir es hier mit e<strong>in</strong>em neuen Wörterbuchtypus<br />

zu tun haben, und was ihn – falls es so se<strong>in</strong> sollte – auszeichnet. Auf die Schnelle wäre zu<br />

vermuten, dass Kollokationenwörterbücher strukturell mit anderen phraseologischen Nachschlagewerken<br />

vergleichbar s<strong>in</strong>d. Verzeichnen sie doch beide Mehrworte<strong>in</strong>heiten. E<strong>in</strong>en<br />

Vorgänger von Kollokationenwörterbüchern f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong> Duden. Das Stilwörterbuch, <strong>in</strong> welches<br />

auch der Wortschatz das ostdeutschen Pendants Wörter und Wendungen. Wörterbuch<br />

zum deutschen Sprachgebrauch e<strong>in</strong>geflossen ist. Im Vorwort des Stilwörterbuchs und auch<br />

<strong>in</strong> der Mikro- und Makrostruktur deutet viel daraufh<strong>in</strong>, dass mit Kollokationenwörterbüchern<br />

das Rad nicht neu erfunden wurde. Die Frage nach dem neuen Wörterbuchtyp muss also<br />

auch die Frage danach se<strong>in</strong>, ob und <strong>in</strong>wiefern Kollokationenwörterbücher Stilwörterbücher<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

An dieser Stelle will ich dann noch e<strong>in</strong>e dritte, grundlegendere Frage aufwerfen – e<strong>in</strong>e Frage,<br />

über deren Beantwortung sich <strong>in</strong> der Lexikographie häufig nur spekulieren lässt: Wer s<strong>in</strong>d die<br />

potentiellen Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzer von Kollokationenwörterbüchern? Ich werde die Frage<br />

nicht beantworten können, aber ich will aufzeigen, dass je nach Antwort auf diese Frage, die<br />

lexikographischen Strukturen <strong>in</strong> Kollokationenwörterbücher sehr unterschiedlich ausfallen<br />

können.<br />

Als Antwort auf die Ausgangsfrage lässt sich folgendes Zwischenresumee auf der Basis e<strong>in</strong>es<br />

Stimmungsbildes deutscher Wörterbuchverlage ziehen: Kollokationenwörterbücher s<strong>in</strong>d<br />

– zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> dieser expliziten Form – e<strong>in</strong> neu entstehender Wörterbuchtypus. Dieser wird<br />

sich aber nur dann etablieren können, wenn es gel<strong>in</strong>gt, beispielsweise <strong>in</strong> Kooperation mit der<br />

Deutschdidaktik, den Nutzen und die Anwendungsmöglichkeiten von Kollokationenwörterbüchern<br />

<strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> der potentiellen Nutzer<strong>in</strong>nen und Nutzer zu br<strong>in</strong>gen.<br />

161


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Matthias Schulz<br />

Gedicht statt Wörterbuch? E<strong>in</strong>e gereimte Homophonieauflistung für Buchdrucker,<br />

Setzer und Korrektoren im frühen 18. Jahrhundert<br />

Bei Homophonie denkt man zunächst an Fälle wie Märkte (Nom./Gen./Akk. Pl. des mask.<br />

Substantivs Markt) im Gegensatz zu merkte (1./3. Pers. Sg. Ind. Prät. des schw. Verbs merken).<br />

Für die Gegenwartssprache liegen zu diesem Bereich mehrere lexikographische Werke<br />

vor. Die Homophonenlexikographie hat aber auch e<strong>in</strong>e jahrhundertelange Wörterbuchtradition.<br />

E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die Sprachgeschichte zeigt erwartbar, dass Homophonie auch verschiedene<br />

Formen regionaler und dialektaler Lautung umfasst. Nicht nur Märkte und merkte oder Bund<br />

und bunt, auch Arche (Noah) und arge (Not) oder Euter und Eiter werden <strong>in</strong> Wörterbüchern<br />

der Frühen Neuzeit als potentiell „gleich=lautend“ beschrieben. Für die Schreibung der Wörter<br />

stellt das vor dem H<strong>in</strong>tergrund ihrer Lautung und ihrer Morphologie im handgeschriebenen<br />

wie im gedruckten Deutsch e<strong>in</strong>en Problemfall dar.<br />

Neben Schulmeistern, Kanzlisten, Grammatikern und Lexikographen mussten sich auch<br />

Drucker, Setzer und Korrektoren mit der Homophonieproblematik befassen. Setzer und Korrektoren<br />

waren im Rahmen der Arbeitsprozesse e<strong>in</strong>er Offiz<strong>in</strong> dazu gezwungen, für jede zu<br />

druckende Zeile zu entscheiden, wie e<strong>in</strong>zelne Wörter – auch gegen das Manuskript des Autors<br />

– gesetzt werden sollten. Sie stellten damit im frühen Buchdruck e<strong>in</strong>e Orthographie für<br />

den zu druckenden Text häufig überhaupt erst her.<br />

Historische Handbücher für Setzer und Korrektoren s<strong>in</strong>d für die Sprachgeschichtsforschung<br />

noch weitgehend unerschlossen. Solche Anleitungstexte zeigen aber aufschlussreiche Befunde<br />

gerade auch zum Bereich der Homophonie und Homographie. Im Vortrag soll e<strong>in</strong> gereimtes<br />

Wörterverzeichnis mit gleichlautenden Wörtern, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Handbuch für Setzer<br />

und Korrektoren des frühen 18. Jahrhunderts überliefert ist, vorgestellt und genauer analysiert<br />

werden. Dazu werden die unterschiedlichen Homophonie-Typen, die gleichermaßen<br />

Rückschlüsse auf die Sprache und den Usus der Setzer und Korrektoren zulassen, differenziert.<br />

Es wird zudem die Frage nach Vergleichstexten aufgeworfen. Schließlich soll die Liste<br />

<strong>in</strong> den Kontext der frühneuzeitlichen Homophonenlexikographie gerückt werden.<br />

162


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Carol<strong>in</strong> Ostermann<br />

Cognitive Lexicography. Develop<strong>in</strong>g a new theory of lexicography us<strong>in</strong>g cognitive<br />

semantics<br />

The lexicography of English looks back on a rich tradition reach<strong>in</strong>g back many centuries (cf.<br />

Béjo<strong>in</strong>t 2010); monol<strong>in</strong>gual learner’s dictionaries have been <strong>in</strong> existence s<strong>in</strong>ce the early 20 th<br />

century. Lexicography has, however, largely rema<strong>in</strong>ed with<strong>in</strong> the framework of structuralist<br />

and corpus l<strong>in</strong>guistics. The potential of cognitive l<strong>in</strong>guistics has only hesitantly been recognised<br />

<strong>in</strong> literature (cf. Geeraerts 2007), although the major f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs of cognitive l<strong>in</strong>guistics<br />

have laid the basis for a whole new conception of semantics. Lexicography could especially<br />

profit from cognitive l<strong>in</strong>guistics, s<strong>in</strong>ce the latter tries to expla<strong>in</strong> how humans perceive and<br />

conceptualise the language that lexicography aims to expla<strong>in</strong> <strong>in</strong> dictionaries. This is where I<br />

would like to follow up and suggest that improvements of lexicographic theory and practice<br />

could be made by us<strong>in</strong>g cognitive l<strong>in</strong>guistic theories such as prototype theory, frame semantics,<br />

cognitive metaphor theory and cognitive approaches to polysemy. These theories can all<br />

fruitfully be applied to dictionaries’ micro- and macrostructure, and especially to def<strong>in</strong><strong>in</strong>g formats,<br />

lead<strong>in</strong>g to a whole new conception of lexicography.<br />

Regard<strong>in</strong>g def<strong>in</strong><strong>in</strong>g structures, I propose a new def<strong>in</strong><strong>in</strong>g format for a class of abstract nouns,<br />

namely emotion terms, a semantic field that is notoriously hard to def<strong>in</strong>e where dictionary<br />

def<strong>in</strong>itions often rema<strong>in</strong> vague and circular (cf. e.g. OALD8). I propose a new def<strong>in</strong><strong>in</strong>g structure<br />

based on Kövecses’ emotion scenario (cf. 2000: 129), cognitive metaphors and metonymies<br />

of emotions, and Wierzbicka’s semantic primitive approach (cf. 1992). My cognitive<br />

def<strong>in</strong>itions still follow the traditional lexicographic format stat<strong>in</strong>g a superord<strong>in</strong>ate with its specifications,<br />

but are more elaborate <strong>in</strong>tegrat<strong>in</strong>g prototypical situations and other cognitive l<strong>in</strong>guistic<br />

semantic <strong>in</strong>formation (e.g. metaphors or Wierzbicka’s emotion scenarios, cf. 1992), all<br />

of which facilitate concept activation of the terms def<strong>in</strong>ed. Whereas a dictionary def<strong>in</strong>ition of<br />

e.g. sadness might be circular (‘the feel<strong>in</strong>g of be<strong>in</strong>g sad’, OALD8), m<strong>in</strong>e reads<br />

“the bad feel<strong>in</strong>g that br<strong>in</strong>gs you down when sth has happened that you do not want to be that<br />

way or when you lose sb you like a lot; it makes your heart feel heavy and might make you<br />

cry.”<br />

User studies carried out with students of English on Basic Emotions terms have proven that<br />

this new cognitive def<strong>in</strong>ition type leads to a significantly better understand<strong>in</strong>g and better dictionary<br />

performance compared to traditional learner’s dictionaries. A follow-up study on complex<br />

emotions will hopefully confirm my first f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs.<br />

Similar results are also expected for for event-denot<strong>in</strong>g nouns and verbs (‘argument’, ‘restaurant’)<br />

or prepositions, the mean<strong>in</strong>gs of which can be arranged <strong>in</strong> a new cognitive microstructure.<br />

References:<br />

BÉJOINT, Henri. 2010. The Lexicography of English. Oxford: Oxford University Press.<br />

GEERAERTS, Dirk. 2007. “Lexicography”. The Oxford Handbook of Cognitive L<strong>in</strong>guistics. Eds.<br />

Dirk Geeraerts and Hubert Cuyckens. 2007. Oxford: Oxford University Press. 1160–1174.<br />

KÖVECSES, Zoltán. 2000. Metaphor and Emotion. Language, Culture, and Body <strong>in</strong> Human<br />

Feel<strong>in</strong>g. Cambridge: Cambridge University Press.<br />

Oxford ADVANCED LEARNER’S Dictionary of Current English. 8 th ed. 2010. Manag<strong>in</strong>g ed.<br />

Joanna Turnbull. Oxford: Oxford University Press – Cornelsen. [=OALD8]<br />

WIERZBICKA, Anna. 1992. “Def<strong>in</strong><strong>in</strong>g Emotion Concepts”. Cognitive Science 16: 539–581.<br />

163


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Josefien Sweep<br />

Wörter, Idiome, und syntaktische Komb<strong>in</strong>ationen im Allgeme<strong>in</strong>en Niederländischen<br />

Wörterbuch (ANW)<br />

Das Allgeme<strong>in</strong>e Niederländische Wörterbuch (ANW), das durch das Institut für niederländische<br />

Lexikologie (INL) entwickelt worden ist, ist e<strong>in</strong> neues, modernes Wörterbuch, das nur<br />

im Internet veröffentlich wird (http://anw.<strong>in</strong>l.nl). Die Struktur des ANWs ist für das Internet<br />

entworfen und somit sieht das ANW anders aus als traditionelle, papierene Wörterbücher.<br />

Wort<strong>in</strong>formationen können durch L<strong>in</strong>ks und ohne Mangel an Raum <strong>in</strong>korporiert werden und<br />

das Wörterbuch kann ständig geupdatet werden. Das ANW kann deswegen als ‚das Wörterbuch<br />

der Zukunft‘ bezeichnet werden. In mancherlei H<strong>in</strong>sicht ist das ANW-Projekt vergleichbar<br />

mit dem deutschen elexiko (http://www.owid.de/wb/elexiko/start.html), entwickelt vom<br />

Institut für deutsche Sprache (IDS) <strong>in</strong> Mannheim (vgl. Moerdijk 2008a).<br />

Durch die neue Gestaltung fürs Internet gibt es neue Suchemöglichkeiten, wie z.B. e<strong>in</strong>e<br />

onomasiologische Verfahrensweise zum Suchen (vgl. Moerdijk, Tiberius & Niestadt 2008).<br />

Außerdem s<strong>in</strong>d es viel mehr Wort<strong>in</strong>formationen vorhanden als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em traditionellen Wörterbuch:<br />

Abgesehen von e<strong>in</strong>er klassischen Bedeutungsangabe gibt es zum Beispiel sogenannte<br />

‚Semagramme‘, die allerart Merkmale des Wortkonzepts beschreiben (vgl. Moerdijk<br />

2008b).<br />

Dazu werden viele Komb<strong>in</strong>ationsmöglichkeiten mit anderen Wörtern und ihre entsprechenden<br />

Bedeutungen gegeben. Es gibt hierzu zwei Möglichkeiten: Entweder die Komb<strong>in</strong>ation<br />

wird als ‚Verb<strong>in</strong>dung‘ e<strong>in</strong>gestuft, was mit Sprichwörtern, Idiomen und anderen festen Verb<strong>in</strong>dungen<br />

geschieht oder die ‚Komb<strong>in</strong>ation‘ wird syntaktisch klassifiziert und mit Beispielen<br />

illustriert (was für Kollokationen sehr geeignet ist). Im ersten Fall wird praktisch immer e<strong>in</strong>e<br />

Bedeutungserläuterung h<strong>in</strong>zugefügt, im zweiten Fall ist diese optional. Dies ermöglicht es<br />

nicht nur idiomatische Verb<strong>in</strong>dungen und Kollokationen sondern auch Konstruktionen aufzunehmen<br />

und zu erklären. Ohne die Grenzen zwischen Lexikon und Grammatik völlig zu verwischen,<br />

können so auf eleganter Weise Bedeutungen <strong>in</strong> der Syntax erklärt werden.<br />

In dieser Präsentation wird gezeigt, wie bedeutungsvolle Grammatik <strong>in</strong> das ANW aufgenommen<br />

wird, wie dies im digitalen Wörterbuch aussieht und wie man solche Informationen<br />

f<strong>in</strong>den kann. Anhand e<strong>in</strong>iger aus der Konstruktionsgrammatik bekannten Konstruktionen des<br />

Niederländischen, wird erklärt, wie sie <strong>in</strong> das ANW <strong>in</strong>korporiert s<strong>in</strong>d und welche Informationen<br />

man über sie erhalten kann.<br />

Literatur:<br />

Moerdijk, F., C. Tiberius, J. Niestadt (2008): “Access<strong>in</strong>g the ANW Dictionary”, <strong>in</strong>: Proceed<strong>in</strong>gs<br />

of the Workshop on Cognitive Aspects of the Lexicon (CO<strong>GAL</strong>EX 2008), p. 18–24.<br />

Moerdijk , F. (2008a): “Das „Algemeen Nederlandse Woordenboek“ (ANW) und „elexiko“ –<br />

e<strong>in</strong> Vergleich”, <strong>in</strong>: A. Klosa (Ed.) Lexikografische Portale im Internet, Mannheim, IDS:<br />

OPAL (Onl<strong>in</strong>e publizierte Arbeiten zur L<strong>in</strong>guistik), p. 143–151.<br />

Moerdijk, F. (2008b): “Frames and Semagrams. Mean<strong>in</strong>g Description <strong>in</strong> the General Dutch<br />

Dictionary”, <strong>in</strong>: E. Berndal & J. de Cesaris (Eds.), Proceed<strong>in</strong>gs of the XIII EURALEX International<br />

Congress, p. 561–571.<br />

164


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Claudio Scarvaglieri<br />

Der therapeutische Diskurs: nichts anderes als e<strong>in</strong> hörerzentrierter Austausch von<br />

Worten<br />

„Nichts anderes als e<strong>in</strong> Austausch von Worten“ (Freud 1948: 9) realisiert den Zweck von<br />

Psychotherapie: die Umstrukturierung von Wissen durch Sprache. Wörter stellen die Mittel<br />

von Psychotherapie dar, während die Veränderung von Wissen den Zweck von Psychotherapie<br />

bildet. Der Vortrag fragt, wie sich das Verhältnis von Mitteln und Zweck <strong>in</strong> der Psychotherapie<br />

realisiert, bzw. wie die Worte, die Therapeut und Patient benutzen, auf Seiten des<br />

Patienten zu e<strong>in</strong>er Umstrukturierung des Wissens führen.<br />

Zentrale These ist, dass das Geschehen <strong>in</strong> der Psychotherapie durch die vollständige und<br />

durchgängige Ausrichtung auf den Patienten, den Hörer der entscheidenden therapeutischen<br />

Worte, geprägt wird. Diese Prägung der sprachlichen Mittel wird als „Hörerzentrierung“ des<br />

therapeutischen Diskurses erfasst, sie macht den therapeutischen Diskurs von benachbarten<br />

Diskursen (Psychiatrie, Arzt-Patienten-Kommunikation, Beratung) unterscheidbar.<br />

Empirisch basiert der Vortrag auf zweierlei Grundlagen (Scarvaglieri 2011): 1.) auf e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>gehenden<br />

Sichtung und Diskussion der l<strong>in</strong>guistischen Literatur über Psychotherapie und 2.)<br />

auf Gesprächsanalysen an e<strong>in</strong>em Korpus von 70 authentischen Therapiegesprächen aus<br />

Gesprächstherapie und tiefenpsychologischer Therapie. Psychotherapie zeigt sich auf dieser<br />

Basis vor allem durch zwei Momente bestimmt: der Ausrichtung des Geschehens auf die<br />

Selbstthematisierung und die Selbstaktivierung des Patienten. Diese Momente werden im<br />

Vortrag zunächst deskriptiv entfaltet und anschließend durch Rückb<strong>in</strong>dung an den Zweck<br />

von Psychotherapie funktional erklärt. Gezeigt wird, dass der E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die mentalen Prozesse<br />

des Patienten so weitgehend ist, dass Psychotherapie nur dann gel<strong>in</strong>gen kann, wenn<br />

das kommunikative Geschehen auf allen Stufen sprachlichen Handelns auf die Elizitierung,<br />

Aktivierung und Restrukturierung der Wissensressourcen des Patienten ausgerichtet ist.<br />

Diese Ausrichtung auf den Patienten wird als „Hörerzentrierung“ gefasst und macht die charakteristischen<br />

Ausformungen des therapeutischen Sprechens und Hörens von ihrer Funktion<br />

her verstehbar. Die „Hörerzentrierung“ ist als genu<strong>in</strong>es Kennzeichen von Sprache <strong>in</strong> der<br />

Psychotherapie zu verstehen und weder mit dem „recipient design“ von Äußerungen überhaupt<br />

(vgl. Sacks u.a. 1974) noch mit der eher programmatisch zu verstehenden „Klientenzentrierung“<br />

der Gesprächstherapie nach Rogers (1973) zu verwechseln.<br />

Literatur:<br />

Freud, Sigmund (1948) Vorlesungen zur E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Psychoanalyse. [Erstausgabe<br />

1916–17]. In: Freud, Sigmund: Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet. London:<br />

Imago, Bd. 11.<br />

Rogers, Carl R. (1973) Client-centered therapy. Its current practice, implications, and theory.<br />

London:<br />

Constable. Sacks, Harvey; Schegloff, Emanuel A. & Jefferson, Gail (1974) A simplest systematics<br />

for the organization of turn-tak<strong>in</strong>g for conversation. In: Language, Jg. 50, H. 4,<br />

696–735.<br />

Scarvaglieri, Claudio (2011) „Nichts anderes als e<strong>in</strong> Austausch von Worten…“. Empirische<br />

Untersuchungen zum sprachlichen Handeln <strong>in</strong> der Psychotherapie. Dissertation. Hamburg:<br />

Universität Hamburg, Institut für Germanistik I.<br />

165


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Sonja Ruda<br />

Wissen über Risiko und Sicherheit im Kontext der Straßenverkehrskommunikation<br />

Im Duden Deutsches Universalwörterbuch (2007, S. 1400) steht unter dem Stichwort Risiko<br />

die Bedeutung „möglicher negativer Ausgang bei e<strong>in</strong>er Unternehmung, mit dem Nachteile,<br />

Verlust, Schäden verbunden s<strong>in</strong>d; mit e<strong>in</strong>em Vorhaben, Unternehmen o. Ä. verbundenes<br />

Wagnis“ und unter Sicherheit „Zustand des Sicherse<strong>in</strong>s, Geschütztse<strong>in</strong>s vor Gefahr od.<br />

Schaden; höchstmögliches Freise<strong>in</strong> von Gefährdungen“ (ebd., S. 1539). Im Vortrag soll betrachtet<br />

werden, welche Wissenskonzepte für Risiko und Sicherheit im Kontext der Straßenverkehrskommunikation<br />

herangezogen und umgesetzt werden. Dazu gehören u.a. allgeme<strong>in</strong>e<br />

Wissenskonzepte sowie Umgebungen, z.B. Synonyme von Risiko und Sicherheit, und<br />

fachsprachliche Wissenskonzepte, wie z.B. ‚passive Sicherheit‘, d.h. Maßnahmen zur Verh<strong>in</strong>derung<br />

bzw. Verm<strong>in</strong>derung von Unfallfolgen (vgl. hierzu Rothkegel 2010, 69 und W<strong>in</strong>zer/<br />

Schnieder/Bach 2010). Vorgestellt werden hierzu die Ergebnisse e<strong>in</strong>er pragmal<strong>in</strong>guistischen<br />

Analyse von u.a. Artikeln aus Regionalzeitungen. Ziel ist der Entwurf e<strong>in</strong>es Modells zur Sicherheitskommunikation<br />

für den Straßenverkehr.<br />

Literatur:<br />

Duden (2007): Deutsches Universalwörterbuch. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage.<br />

Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag.<br />

Rothkegel, Annely (2010): Technikkommunikation. Produkte – Texte – Bilder. Wien: Huter &<br />

Roth (= UTB 3214).<br />

W<strong>in</strong>zer, Petra/Schnieder, Eckehard/Bach, <strong>Friedrich</strong>-Wilhelm (Hrsg.) (2010): Sicherheitsforschung<br />

– Chancen und Perspektiven. Berl<strong>in</strong>, Heidelberg: acatech, Spr<strong>in</strong>ger (= acatech<br />

diskutiert).<br />

166


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Leona van Vaerenbergh<br />

Über den Stellenwert von Wort und Term<strong>in</strong>us <strong>in</strong> Stilrichtl<strong>in</strong>ien zur mehrsprachigen<br />

Fachkommunikation<br />

Dass <strong>in</strong> der Fachkommunikation Wort und Term<strong>in</strong>us als <strong>in</strong>haltstragende und wissensvermittelnde<br />

Elemente e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle spielen, bedarf ke<strong>in</strong>er weiteren Erläuterung. Damit<br />

die Kommunikation gel<strong>in</strong>gt, sollen aber neben der lexikalischen Bedeutung auch das Kommunikationsziel,<br />

die Situation und die Zielgruppe berücksichtigt werden. Es ist ja wichtig,<br />

dass zwischen den Kommunikationspartnern genügend „Common Ground“ hergestellt wird,<br />

dass Wissensunterschiede überbrückt werden. Um dies zu ermöglichen, können z.B. wissenschaftliche<br />

Term<strong>in</strong>i durch allgeme<strong>in</strong> verständliche ersetzt oder erläutert werden.<br />

In me<strong>in</strong>em Beitrag möchte ich e<strong>in</strong>ige Ergebnisse e<strong>in</strong>er Untersuchung an Stilrichtl<strong>in</strong>ien zur<br />

Fachkommunikation zusammenfassen. Material der Studie bilden sowohl veröffentlichte Anweisungen<br />

als auch gesetzliche Richtl<strong>in</strong>ien (z.B. Richtl<strong>in</strong>ie 2001/83/EG) und unternehmens-<br />

bzw. <strong>in</strong>stitutions<strong>in</strong>terne Anweisungen und Empfehlungen (z.B. Europäische Kommission).<br />

Untersucht wird nicht nur, welcher Anteil dem Wortgebrauch <strong>in</strong> diesen Stilvorschriften und<br />

-empfehlungen zukommt, sondern vor allem auch welche Dimensionen im Mittelpunkt stehen:<br />

die lexikalische Bedeutung, kulturelle Unterschiede, Verständlichkeit, sogar das Pr<strong>in</strong>zip<br />

der Ökonomie.<br />

Im Fokus me<strong>in</strong>er Betrachtungen steht die Frage, ob und <strong>in</strong>wiefern die Stilrichtl<strong>in</strong>ien der Tatsache<br />

Rechnung tragen, dass die meisten fachkommunikativen Texte mehrsprachig erstellt<br />

oder übersetzt werden. Gibt es Anweisungen für e<strong>in</strong>en übersetzungsgerechten Wort- und<br />

Term<strong>in</strong>usgebrauch?<br />

Literatur:<br />

Baumer, Andreas (2011). Professionell texten. Grundlagen, Tipps und Techniken. Dtv.<br />

Europese Commissie (2010a). Duidelijk schrijven. Brussel: Publicatiebureau van de<br />

Europese Unie.<br />

Europese Commissie (2010b). How to write clearly. Brussel: Publicatiebureau van de<br />

Europese Unie.<br />

Europese Commissie (2011a). English Style Guide. A handbook for authors and translators<br />

<strong>in</strong> the European Commission (6 ed.). Luxemburg: Publicatiebureau van de Europese<br />

Unie.<br />

Guidel<strong>in</strong>e on the readability of the labell<strong>in</strong>g and package leaflet of medic<strong>in</strong>al products for human<br />

use (2009), European Commission Enterprise and Industry Directorate-General –<br />

http://ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol-2/c/smpc_guidel<strong>in</strong>e_rev2_en.pdf<br />

.<br />

Richtl<strong>in</strong>ie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur<br />

Änderung der Richtl<strong>in</strong>ie 2001/83/EG zur Schaffung e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>schaftskodexes für<br />

Humanarzneimittel, Amtsblatt der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften, L 136, 34–57.<br />

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:136:0034:0057:<br />

DE:PDF .<br />

Young, Matt (2002). The Technical Writer’s Handbook. Writ<strong>in</strong>g with Style and Clarity. University<br />

Science books<br />

167


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Gerhard Edelmann<br />

Anforderungen an zwei- oder mehrsprachige Fachwörterbücher im Bereich des<br />

Rechts: Die Bedeutung der Begriffssysteme<br />

Um term<strong>in</strong>ologische Äquivalenz <strong>in</strong> Fachübersetzungen zu erreichen, muss der Übersetzer<br />

die Term<strong>in</strong>i des Texts nach dem entsprechenden Begriffssystem ordnen und, unabhängig für<br />

die Ausgangssprache und für die Zielsprache, die entsprechenden Begriffssysteme bestimmen.<br />

Für die Rechtsübersetzung kommt dazu, dass man eher von der Sprache der Ausgangsrechtsordnung<br />

und der Sprache der Zielrechtsordnung sprechen sollte, weil nicht von<br />

e<strong>in</strong>er Sprache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere, sondern von e<strong>in</strong>er Rechtsordnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere Rechtsordnung<br />

übersetzt wird.<br />

Zwei- oder mehrsprachige Wörterbücher s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wichtiges Werkzeug für jeden Übersetzer.<br />

Wegen der Bedeutung der Begriffssysteme s<strong>in</strong>d die Anforderungen an e<strong>in</strong> Fachwörterbuch<br />

bedeutend höher als an allgeme<strong>in</strong>e Wörterbücher.<br />

In me<strong>in</strong>em Beitrag werde ich die wesentlichen Anforderungen untersuchen, die an e<strong>in</strong> Fachwörterbuch<br />

im Bereich des Rechts zu stellen s<strong>in</strong>d. Dabei werde ich vom praktischen Fall e<strong>in</strong>es<br />

Rechtshilfeersuchens ausgehen, bei dem im Zuge der gerichtlichen Untersuchung e<strong>in</strong>es<br />

Drogendelikts e<strong>in</strong>schlägige Gesetzesbestimmungen Spaniens <strong>in</strong> die Rechtssprachen<br />

Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zu übersetzen s<strong>in</strong>d.<br />

Obwohl die genannten Rechtsordnungen von den bestehenden <strong>in</strong>ternationalen Verträgen<br />

über Drogen ausgehen, gliedern die nationalen Gesetzgebungen die Begriffe <strong>in</strong> verschiedener<br />

Weise. Wenn man nur die grundsätzliche E<strong>in</strong>teilung der unter die Gesetze fallenden<br />

Stoffe betrachtet, sehen wir, dass unter den spanischen Oberbegriff drogas tóxicas die beiden<br />

Unterbegriffe estupefacientes und sustancias psicotrópicas fallen. Die selben Stoffe<br />

werden <strong>in</strong> Deutschland vom Term<strong>in</strong>us Betäubungsmittel erfasst, die sich wiederum <strong>in</strong> Stoffe<br />

und Zubereitungen gliedern. Die österreichische Rechtsordnung spricht von Suchtmitteln mit<br />

den Unterbegriffen Suchtgifte und psychotrope Stoffe, während man im Schweizer Gesetz<br />

von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen spricht, wobei der Begriffsumfang der<br />

Schweizer Betäubungsmittel kle<strong>in</strong>er ist als jener des deutschen Begriffs Betäubungsmittel.<br />

Diese Besonderheiten der nationalen Begriffssysteme gelten auch für andere Term<strong>in</strong>i, wie<br />

die Formulierung der deliktischen Handlungen <strong>in</strong> den Straftatbeständen, die Bestimmungen<br />

der Mengen mit strafrechtlicher Relevanz (z.B. nicht ger<strong>in</strong>ge Menge <strong>in</strong> Deutschland, Grenzmenge<br />

<strong>in</strong> Österreich)<br />

Die Aufabe für den Übersetzer besteht dar<strong>in</strong>, dass er zuerst, abhängig vom Übersetzungsauftrag,<br />

die Rechtsordnung (z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz) und damit das Begriffssystem<br />

festlegen, <strong>in</strong> weiterer Folge e<strong>in</strong>en Vergleich dieses Begriffssystems mit jenem der<br />

Ausgangsrechtsordnung (<strong>in</strong> diesem Falle Spanien) anstellen und schließlich die Äquivalenzen<br />

zwischen den Begriffen <strong>in</strong> der Ausgangsrechtsordnung und der Zielrechtsordnung f<strong>in</strong>den<br />

muss, um die Term<strong>in</strong>i der Ausgangssprache bzw. Ausgangsrechtsordnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dem Begriffssystem<br />

der Zielsprache bzw. Zielrechtsordnung entsprechenden kohärenten Weise<br />

wiedergeben zu können.<br />

Anhand vorliegender Rechtswörterbücher werde ich untersuchen, <strong>in</strong> welchem Maße diese<br />

Wörterbücher den Übersetzer bei se<strong>in</strong>er Aufgabe unterstützen können, um <strong>in</strong> weiter Folge<br />

die Anforderungen zu formulieren, die der Übersetzer an e<strong>in</strong> Rechtswörterbuch stellen muss,<br />

um e<strong>in</strong>e wirkungsvolle Hilfe zur Anfertigung e<strong>in</strong>er sachgerechten Übersetzung an der Hand<br />

zu haben. Es wird auch die Frage zu diskutieren se<strong>in</strong>, ob e<strong>in</strong> Wörterbuch überhaupt <strong>in</strong> der<br />

Lage ist, diesen Anforderungen zur Gänze gerecht zu werden.<br />

168


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Larissa A. Averk<strong>in</strong>a<br />

Nationale und kulturelle Realien im publizistischen Diskurs und ihre Übersetzung aus<br />

dem Deutschen <strong>in</strong>s Russische<br />

Nationale und kulturelle Realien gehören der so genannten äquivalentlosen Lexik (E<strong>in</strong>s-zu-<br />

Null-Entsprechungen, oder lexikalische Lücken) und s<strong>in</strong>d sehr häufig Gegenstand übersetzungswissenschaftlicher<br />

Literatur. Traditionell werden sechs Typen der Ethnorealien unterschieden:<br />

Bezeichnungen für Gegenstände und Ersche<strong>in</strong>ungen, die mit dem politischgesellschaftlichen<br />

Leben e<strong>in</strong>er Sprechergeme<strong>in</strong>schaft zusammenhängen; Bezeichnungen für<br />

Dienstgrade, Titel, akademische Grade; Bezeichnungen für Orden, Medaillen, Auszeichnungen;<br />

Bezeichnungen für Feiertage, Feste und Bräuche; Bezeichnungen für Gegenstände des<br />

Alltagslebens, landestypische Gerichte und Speisen; Maße und Gelde<strong>in</strong>heiten und e<strong>in</strong>ige<br />

andere thematische Gruppen.<br />

Die <strong>in</strong> der Übersetzungswissenschaft gängige Auffassung von der lexikalischen Lücke als<br />

e<strong>in</strong>er sprachlichen E<strong>in</strong>heit der Ausgangssprache ohne Äquivalent <strong>in</strong> der Zielsprache ist <strong>in</strong><br />

sich widersprüchlich, da sich eben doch Mittel und Wege der Übertragung f<strong>in</strong>den lassen und<br />

es somit also durchaus möglich ist, im Zieltext Äquivalenz herzustellen.<br />

In der Übersetzungspraxis s<strong>in</strong>d folgende Übertragungverfahen äquivalentloser Lexik bekannt:<br />

Transliteration, Lehnübersetzung (calque), umschreibende Übersetzung und<br />

Anmerkung des Übersetzers. Jedes dieser Verfahren hat se<strong>in</strong>e Vor- und Nachteile. Es ist<br />

zu betonen, dass der Übersetzer bei der Übertragung der Realien zunächst e<strong>in</strong>en Übersetzungstyp<br />

wählen und sich dann für die spezifische Form entscheiden muss, um beide Seiten<br />

der lexikalischen E<strong>in</strong>heit des Ausgangstextes wider zu spiegeln: den Inhalt und die Form.<br />

Wenn er aus der Fremd- <strong>in</strong> die Muttersprache übersetzt, soll er nicht nur das vielfältige Wirkungspotenzial<br />

des Ausgangstextes, sondern auch das Übersetzungsziel und den Adressatenkreis<br />

des Zieltextes, des Translats berücksichtigen. Zur Translationskompetenz für das<br />

Übersetzen e<strong>in</strong>es publizistischen Diskurs mit historischem und nationalem Kolorit, wo es um<br />

die Kluft zwischen den Kulturen und ihre jeweiligen Wertesysteme geht, gehört se<strong>in</strong>e Fähigkeit,<br />

e<strong>in</strong>en solchen Text unter verschiedenen Gesichtspunkten zu analysieren und zu <strong>in</strong>terpretieren.<br />

Dabei muss sich der Übersetzer zwischen dem <strong>in</strong>haltlichen Verlust und dem<br />

Form-Verlust entscheiden.<br />

Wie unsere Analyse zeigt, ist es wünschens- und empfehlenswert, dass der Übersetzer bei<br />

der Übertragung der Realien nicht e<strong>in</strong>, sondern e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Translationsverfahren<br />

verwendet, um den <strong>in</strong>haltlichen und formellen Aspekt der Realie wider zu spiegeln.<br />

E<strong>in</strong>zusetzen s<strong>in</strong>d folgende Verfahren: Transliteration zum Ausdruck des formalen Aspekts<br />

(zwecks Markierung des Gegenstandes, um den Begriff im Bewusstse<strong>in</strong> des Adressaten zu<br />

verankern) sowie umschreibende (erklärende) Übersetzung als auch Anmerkung des<br />

Übersetzers (<strong>in</strong> Klammern oder als Fußnote) – zum Ausdruck des <strong>in</strong>haltlichen Aspekts.<br />

Betrachtet man Translation des publizistischen Diskurs mit nationalen und kulturellen Realien<br />

als Kultur-Begegnung, so ist hervorzuheben, dass e<strong>in</strong> Übersetzer nicht nur über e<strong>in</strong>e hohe<br />

Translationskompetenz, sondern auch weitreichende außersprachliche Kenntnisse verfügen<br />

sollte.<br />

169


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Caja Thimm, Mark Dang-Anh und Jessica E<strong>in</strong>spännerg<br />

Wörter <strong>in</strong> der politischen Onl<strong>in</strong>e-Kommunikation: Praktiken der Bezugnahme über<br />

Hashtags <strong>in</strong> Twitter<br />

In e<strong>in</strong>er zunehmend durch die digitale Mediatisierung geprägten Welt (Krotz 2007) verändern<br />

sich die Strukturen der Kommunikation. Auch <strong>in</strong> neuen politischen Öffentlichkeiten, die sich<br />

<strong>in</strong>sbesondere durch die Nutzung von Social Media wie Facebook, YouTube oder Twitter<br />

konstituieren, gibt es spezifische Nutzungskulturen, die politol<strong>in</strong>guistisch relevant s<strong>in</strong>d. Hierbei<br />

geraten nicht nur Politiker und Parteien <strong>in</strong> den Blick, auch Bürger nehmen an Onl<strong>in</strong>e-<br />

Diskursen teil und erhalten durch den Strukturwandel e<strong>in</strong>e neue Publikationsautonomie.<br />

In dem Microblog Twitter ist die Länge der Beiträge auf 140 Zeichen begrenzt. Diese und<br />

andere mediale Eigenschaften – die Medialität Twitters – bed<strong>in</strong>gen und ermöglichen zugleich<br />

e<strong>in</strong>en medienspezifischen Sprachgebrauch. Sowohl aus Gründen der Sprachökonomie (Moraldo<br />

2009) als auch durch ihre referenzielle Funktionalität erfahren Wörter <strong>in</strong> politischen<br />

Onl<strong>in</strong>e-Diskursen, so die These, e<strong>in</strong>e neuartige Bedeutung und e<strong>in</strong>en neuen Stellenwert.<br />

Hierbei geraten <strong>in</strong>sbesondere Praktiken des Social Tagg<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> den Fokus, also die durch<br />

Nutzer selektierte technische Indexierung von Wörtern, Abkürzungen und Okkasionalismen,<br />

die mit unterschiedlichen kommunikativen Funktionen e<strong>in</strong>hergeht (Thimm/Dang-Anh/<br />

E<strong>in</strong>spänner 2011). Derart generierte Hashtags dienen der Kontextualisierung (Auer 1986)<br />

von mehrfachadressierten Beiträgen <strong>in</strong> Onl<strong>in</strong>e-Debatten und entspannen somit e<strong>in</strong> sprachlich-kommunikatives<br />

Netz über die Dimensionen Wort, Text und Diskurs. Die vollzogenen<br />

Referenzierungen auf Themen, Ereignisse und Personen haben dabei sowohl deskriptiven<br />

als auch deontischen Charakter (Hermanns 1989).<br />

Anhand von Fallbeispielen aus Wahlkampfdiskursen <strong>in</strong> Twitter im Rahmen der Landtagswahlen<br />

2011 <strong>in</strong> Baden-Württemberg, Berl<strong>in</strong>, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz und Sachsen-Anhalt sowie des Diskurses<br />

um Stuttgart 21 soll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er synchronen Analyse gezeigt werden, <strong>in</strong>wiefern Wörter als<br />

Hashtags <strong>in</strong> der politischen Kommunikation gebraucht werden. In e<strong>in</strong>er diachronen Analyse<br />

der Kommunikation im Landtagswahlkampf <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen 2010 und <strong>2012</strong> soll zudem<br />

gefragt werden, ob und wie sich der politische Sprachgebrauch von Hashtags über die<br />

Zeit verändert.<br />

Literatur:<br />

Auer, Peter (1986): Kontextualisierung. Studium L<strong>in</strong>guistik 19, S. 22–47<br />

Hermanns, Fritz (1989): Deontische Tautologien. E<strong>in</strong> l<strong>in</strong>guistischer Beitrag zur Interpretation<br />

des Godesberger Programms (1959) der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, <strong>in</strong>:<br />

Kle<strong>in</strong>, Josef (Hrsg.): Politische Semantik. Beiträge zur politischen Sprachverwendung. Opladen<br />

1989, S. 69–149.<br />

Krotz, <strong>Friedrich</strong> (2007): Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation. Wiesbaden:<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Moraldo, Sandro M. (2009): Twitter: Kommunikationsplattform zwischen Nachrichtenticker,<br />

Small Talk und SMS. In: Ders.: Internet.kom. Neue Sprach- und Kommunikationsformen<br />

im WorldWideWeb. Band 1: Kommunikationsplattformen. Roma: Aracne, S. 245–281.<br />

Thimm, Caja/Dang-Anh, Mark/E<strong>in</strong>spänner, Jessica (2011): Diskurssystem Twitter: Semiotische<br />

und handlungstheoretische Perspektiven. In: Anastasiadis, Mario/Thimm, Caja<br />

(2011) (Hrsg.): Social Media – Theorie und Praxis digitaler Sozialität. Frankfurt a. M.: Peter<br />

Lang, S. 265–286.<br />

170


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Sascha Demarmels<br />

„Ökologische Kraftwerke müssen das Kriterium der Fischgängigkeit erfüllen“ – Wenn<br />

uns Fachwörter im Alltag begegnen<br />

Die zunehmende Differenzierung führt nicht nur zu komplexeren Teilgebieten <strong>in</strong> der Wissenschaft,<br />

sie führt auch dazu, dass unser Alltag zunehmend von Fachsprache durchsetzt wird.<br />

Dass Wissen und Verstehen komplexer Sachverhalte gehört heute zu den alltäglichen Kompetenzen.<br />

Daraus ergeben sich verschiedene Fragen: Was s<strong>in</strong>d Konsequenzen, wenn<br />

Fachwörter E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Alltagssprache f<strong>in</strong>den? Was passiert mit solchen Fachwörtern <strong>in</strong><br />

der Alltagssprache? Wann handelt es sich überhaupt noch um e<strong>in</strong> Fachwort?<br />

Im <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Projekt „Ökopower oder Naturstrom?“ untersuchen wir die Market<strong>in</strong>gkommunikation<br />

für Strom aus erneuerbaren Energiequellen im Bezug auf ihre Verständlichkeit.<br />

Verständlichkeit ist nicht nur e<strong>in</strong>e Texteigenschaft, sondern hängt vor allem von der<br />

Zielgruppe e<strong>in</strong>es Textes und deren Vorwissen ab. Die Market<strong>in</strong>gbroschüren der Elektrizitätswerke<br />

richten sich an die sehr heterogene Allgeme<strong>in</strong>heit mit ganz unterschiedlichem<br />

Vorwissen. E<strong>in</strong> Problem <strong>in</strong> der Praxis ist, dass Market<strong>in</strong>gmaterialien meist <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit<br />

zwischen der Kommunikationsabteilung und den Produktmanagern entstehen: Während<br />

die Kommunikationsleute auf e<strong>in</strong>fache, verständliche Texte pochen, verlangen die Produktmanager<br />

nach e<strong>in</strong>er exakten Darstellung ihrer Produkte. Diese impliziert aber notgedrungen<br />

auch die Verwendung von Fachwörtern. Die Textanalyse von Market<strong>in</strong>gmaterialien<br />

ergab denn auch, dass relativ viele Fachwörter <strong>in</strong> den untersuchten Texten vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />

Das Projekt verfolgt e<strong>in</strong>en mehrstufigen Ansatz mit gemischten Methoden: Auf e<strong>in</strong>e qualitative<br />

Textanalyse folgte e<strong>in</strong>e quantitative Verifizierung der theoretischen Vorannahmen <strong>in</strong> Form<br />

von Experimenten. Unter anderem wurden <strong>in</strong> der Textanalyse auch die Fachwörter erhoben.<br />

Sie s<strong>in</strong>d gemäss Theorie (z.B. Hamburger Verständlichkeitsmodell von Langer et al. 1974,<br />

Verständlichkeitsmodell von Groeben 1982) mit ausschlaggebend für die Verständlichkeit<br />

von Texten. Jedoch ist ihre tatsächliche Auswirkung bislang kaum empirisch belegt. In den<br />

Experimenten s<strong>in</strong>d wir darum der Frage nachgegangen, wie sich Fachwörter tatsächlich auf<br />

die Verständlichkeit von Texten und auf die Kaufbereitschaft auswirken. Dabei hat sich gezeigt:<br />

Die Erklärung von Fachwörtern macht e<strong>in</strong> Stromprodukt attraktiver und glaubwürdiger.<br />

Die Versuchspersonen würden mehr ökologischen (und damit teureren) Strom aus erneuerbaren<br />

Energiequellen kaufen, wenn die Fachwörter <strong>in</strong> den Market<strong>in</strong>gtexten erklärt werden<br />

oder wenn überhaupt ke<strong>in</strong>e Fachwörter vorkommen.<br />

Literatur:<br />

Demarmels, S. (2010). Was misst man eigentlich, wenn man Verständlichkeit misst? In: E.<br />

Galliker & A. Kle<strong>in</strong>ert (Hgg.): Messen <strong>in</strong> der L<strong>in</strong>guistik. Hohengeren: Schneider, S. 105–<br />

121.<br />

Demarmels, S. & Janoschka, A. (2011). Ökostrom oder Naturpower? Verständlichkeit als<br />

Zeichen für Qualität <strong>in</strong> der Market<strong>in</strong>gkommunikation. In: H. Haas & K. Lob<strong>in</strong>ger (Hgg.):<br />

Qualitäten der Werbung – Qualitäten der Werbeforschung. Köln: Halem.<br />

Göpferich, S. (2009): Comprehensibility assessment us<strong>in</strong>g the Karlsruhe Comprehensibility<br />

Concept. In: The Journal of Specialised Translation 11, S. 31–52.<br />

Groeben, N. (1982). Leserpsychologie: Textverständnis – Textverständlichkeit. Münster:<br />

Aschendorff.<br />

Langer, I., Schulz von Thun, F. & Tauscher, R. (1974). Verständlichkeit <strong>in</strong> Schule, Verwaltung,<br />

Politik und Wissenschaft. München/Basel: Re<strong>in</strong>hardt.<br />

171


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Philipp Neubauer<br />

Towards an open source term<strong>in</strong>ology database – an idea for adapt<strong>in</strong>g exist<strong>in</strong>g<br />

technology<br />

Term<strong>in</strong>ological databases are electronic stores of knowledge and the terms that represent it,<br />

and have multiple uses <strong>in</strong> language learn<strong>in</strong>g, expert communication and translation/<br />

localization. They have been constructed and used <strong>in</strong> private enterprise (Tanke 2008) or<br />

public <strong>in</strong>stitutions (Ahmad, Barbour & Thomas 1988) for approximately 52 years, but <strong>in</strong> the<br />

context of contemporary knowledge society, new applications are conceivable. These may<br />

<strong>in</strong>clude aids to captur<strong>in</strong>g and manag<strong>in</strong>g the ever-grow<strong>in</strong>g store of lexical knowledge<br />

(knowledge management) or support for digital libraries (Ba<strong>in</strong>bridge, Nichols & Witten 2001).<br />

Term<strong>in</strong>ology collections can even be considered digital libraries <strong>in</strong> their own right. There is a<br />

number of well-known commercial applications for term<strong>in</strong>ology management available, but<br />

their cost can prove prohibitive for occasional or research users, microbuis<strong>in</strong>esses or<br />

freelancers. Unfortunately, a fully featured and functional Free and Open Source alternative<br />

to fill this gap is still lack<strong>in</strong>g (Sandr<strong>in</strong>i 2011). This contribution seeks to jo<strong>in</strong> <strong>in</strong> the effort to<br />

create such an application (ibid.) by propos<strong>in</strong>g the <strong>in</strong>tegration of exist<strong>in</strong>g and stable FOSS<br />

front- and back ends (Meier <strong>2012</strong>, Bell <strong>2012</strong>) for the purpose of creat<strong>in</strong>g a free term<strong>in</strong>ology<br />

data base system. S<strong>in</strong>ce the approach employs a native XML database, it furthermore holds<br />

out the promise of more readily <strong>in</strong>terfac<strong>in</strong>g and <strong>in</strong>tegrat<strong>in</strong>g current translation/localization-<br />

and a number of recent generic document formats as well as facilitat<strong>in</strong>g data <strong>in</strong>terchange<br />

(Wright 2002).<br />

References:<br />

Ahmad, K., Barbour, S. & Thomas, P., (1988), Development of a term bank at the University<br />

of Surrey, <strong>in</strong> Anderman, G. and Rogers, M., (1988), Translation <strong>in</strong> language teach<strong>in</strong>g and<br />

for professional purposes Vol. II/edited by G. M. Anderman and M. A. Rogers, University<br />

of Surrey Centre for Translation and Language Studies: Guildford.<br />

Ba<strong>in</strong>bridge, D., Nichols, D.M. & Witten 2010, I.H., How to build digital libraries 2nd edition,<br />

Elsevier: Burl<strong>in</strong>gton MA.<br />

Bell, D. (<strong>2012</strong>), What is Treel<strong>in</strong>e?, Onl<strong>in</strong>e: http://treel<strong>in</strong>e.bellz.org/<strong>in</strong>dex.html, Retrieved:<br />

28/03/<strong>2012</strong>.<br />

Meier, W.M. (<strong>2012</strong>), eXist-db Open Source Native XML database, Onl<strong>in</strong>e: http://exist-db.org/<br />

exist/<strong>in</strong>dex.xml, Retrieved: 28/03/<strong>2012</strong>.<br />

Sandr<strong>in</strong>i, P. (2011), Free translation technology – Impacts and perspectives, Proceed<strong>in</strong>gs of<br />

the OCTIS2 Conference 2011, Friday 21st October 2011, University of Salford, Forthcom<strong>in</strong>g.<br />

Tanke, E. (2008), Die erste elektronische Term<strong>in</strong>ologiedatenbank, <strong>in</strong> Henn<strong>in</strong>g, J. & Tjarks-<br />

Sobhani, M. (2008), Term<strong>in</strong>ologiearbeit für die technische Dokumentation, Schmidt Röhmhild:<br />

Lübeck.<br />

Wright, S.E. (2002), Trends <strong>in</strong> language eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g, Onl<strong>in</strong>e: http://appl<strong>in</strong>g.kent.edu/<br />

ResourcePages/LTStandards/Chart/LanguageEng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g.test.PDF, Retrieved: 30/04/<br />

2008.<br />

172


E<strong>in</strong>zelvorträge 5.013<br />

Georg Weidacher<br />

Zur Verwendung von „Unschuldsvermutung“ im politischen Diskurs Österreichs<br />

Die speziell <strong>in</strong> der Presse, aber auch <strong>in</strong> anderen Medien der politischen Berichterstattung<br />

zunächst aus juristischen Gründen verwendete Phrase: „Es gilt die Unschuldsvermutung“ ist<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren <strong>in</strong> Österreich vor allem mit Bezug auf der Korruption verdächtige jetzige<br />

oder vormalige politische Akteure und auf im Umfeld der Politik agierende Lobbyisten etc. zu<br />

e<strong>in</strong>em diesen Diskurs prägenden „geflügelten Wort“ geworden. Der Satz wurde sogar zum<br />

österreichischen „Un-Spruch des Jahres 2010“ gewählt.<br />

Aufgrund dessen, dass die Zahl der Gerichtsprozesse, polizeilichen Vorermittlungen und<br />

parlamentarischen Untersuchungen <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf verdächtige F<strong>in</strong>anztransaktionen und<br />

ähnliche Malversationen und damit auch die Häufigkeit der Verwendung dieser Phrase eher<br />

noch im Steigen begriffen zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, und weil gleichzeitig e<strong>in</strong>e Tendenz zur Ironisierung<br />

festzustellen ist, entwickelt das Wort „Unschuldsvermutung“ dabei selbst e<strong>in</strong> Potenzial, als<br />

Stigmawort zu fungieren. Solche Verwendungsweisen, die die juristische Intention se<strong>in</strong>es<br />

Gebrauchs willentlich ad absurdum führen, f<strong>in</strong>den sich nicht nur <strong>in</strong> journalistischen Beiträgen<br />

zum politischen Diskurs, sondern auch <strong>in</strong> Äußerungen von PolitikerInnen – zum<strong>in</strong>dest, wenn<br />

deren jeweilige Partei gerade nicht von e<strong>in</strong>em aktuellen Fall betroffen ist. Man hört oder liest<br />

zum Beispiel Äußerungen wie: „Alle, für die die Unschuldsvermutung gilt …“, mittels derer<br />

e<strong>in</strong>e negativ konnotierte Kategorisierung von Personen bewirkt wird. Diese Entwicklung führte<br />

sogar zur Prägung: „die Unschuldsvermuteten“.<br />

In me<strong>in</strong>em Vortrag werde ich anhand e<strong>in</strong>er Analyse von Verwendungsweisen des Wortes<br />

„Unschuldsvermutung“ und davon abgeleiteter Prägungen <strong>in</strong> Texten des österreichischen<br />

politischen Diskurses aufzeigen, wie dieser Begriff als Stigmawort mit kognitiver und affektiver<br />

Wirkung <strong>in</strong> politischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen und politischer Berichterstattung gebraucht<br />

wird. Die methodische Grundlage hierfür bilden Ansätze der Diskursl<strong>in</strong>guistik und der Korpusanalyse<br />

sowie der kognitiven Semantik.<br />

173


Impressum<br />

1. Verantwortlich<br />

Prof. Dr. Stefan Schierholz<br />

<strong>Friedrich</strong>-Alexander-Universität <strong>Erlangen</strong>-Nürnberg<br />

Department Germanistik und Komparatistik<br />

Bismarckstr. 1<br />

D-91054 <strong>Erlangen</strong><br />

Tel.:+49 (0)9131 85-22353<br />

Fax: +49 (0)9131 85-22124<br />

E-Mail: gal<strong>2012</strong>@ger.phil.uni-erlangen.de<br />

Sekretariat<br />

Barbara Gabel-Cunn<strong>in</strong>gham<br />

<strong>Friedrich</strong>-Alexander-Universität <strong>Erlangen</strong>-Nürnberg<br />

Institut für Anglistik und Amerikanistik<br />

Bismarckstr. 1<br />

D-91054 <strong>Erlangen</strong><br />

Telefon: +49 (0)9131 85-22433<br />

Fax: +49 (0)9131 85-29362<br />

E-Mail: barbara.gabel-cunn<strong>in</strong>gham@angl.phil.uni-erlangen.de<br />

2. Bildnachweis<br />

Titelblatt und Logo:<br />

Mart<strong>in</strong> Boss<br />

Michael Mann<br />

174

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