MZ-81-12 – Dezember/Januar - Mänziger Zytig
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THEMA<br />
ZU BESUCH BEI STEFANS FAMILIE MIT GROSSDÄDI UND GOTTI<br />
Natürlich erinnern sich Karl und Rita Röllin sen.<br />
noch an die Zeit, als sie Kinder waren. Da waren<br />
auch schwere Jahre zu überstehen: der frühe Tod<br />
der Mutter, sieben Kinder und der Mann, die plötzlich<br />
ohne sie auskommen mussten, die grosse<br />
Arbeit auf dem Bauernhof mit Tanten, Mägden,<br />
Knechten, als noch alles von Hand gemacht wurde<br />
<strong>–</strong> Bilder die immer wieder hochkommen. Ringsum<br />
lebten die Menschen gleich, man ist <strong>–</strong> zum Beispiel<br />
als Schwiegertochter <strong>–</strong> «einfach so hineingekommen,<br />
das haben die Frauen einfach so gemacht».<br />
Kinder wurden in die Arbeiten eingespannt und<br />
wuchsen in die Aufgaben hinein.<br />
Beim letzten Generationenwechsel hat man eine<br />
klarere Trennung gesucht. Geplant war der<br />
«Rückzug» der Eltern in den oberen Stock. Von der<br />
Denkmalpflege wurde ein eigener Wohnungsaufgang<br />
nicht bewilligt und der Neubau eines Stöcklis<br />
vorgeschlagen. Rechtzeitig auf den Einzug der<br />
jungen Bäuerin Rosmarie wurde das Haus fertig<br />
und der «Auszug» der Eltern konnte vollzogen<br />
werden.<br />
Heute werden viele Aufgaben getrennt wahrgenommen,<br />
die man früher gemeinsam verrichtet<br />
hat: besonders diejenigen im Haushalt wie Kochen,<br />
Backen, Waschen, Putzen. Und sie geben damit<br />
nicht Anlass zu Spannungen und Streit, was früher<br />
mancherorts der Fall sein konnte. Flexibel und<br />
Hand in Hand werden Arbeiten auf dem Hof und<br />
in der Sägerei geplant und abgesprochen. Sie<br />
machen gut und gerne noch eine 100%Stelle<br />
aus, aber man hilft sich gegenseitig und spricht<br />
sich ab: Grossdädi arbeitet vor allem in der Sägerei,<br />
Karl jun. ist für die Landwirtschaft zuständig und<br />
hilft in der Sägerei aus. Auch die Kinder haben ihre<br />
Ämtli wie zum Beispiel Stalldienst. Sie helfen auch<br />
bei der Futterernte gerne mit, vor allem auf dem<br />
Traktor.<br />
Die Kinder bilden den besonderen Kitt des Zusammenlebens.<br />
Als ich, unangemeldet, zum Fotografieren<br />
auftauche, schauen gerade Stefan (6) und<br />
Grossdädi in der Sägerei zum Rechten. Der Senior<br />
zersägt einen Baumstamm, Stefan sägt an einem<br />
Holzbrett, auf das er, wenn es dann eben genug ist,<br />
einen Turm mit Treppenzugang bauen will. Was<br />
haben die Kinder nicht alles für Erinnerungen an<br />
Grossdädi und Gotti (ihre Grossmutter): spazieren,<br />
spielen am Bächli, Ausflug auf den Gottschalkenberg,<br />
ein «Bebe» verbinden. Nach der «Arbeit»<br />
<strong>Dezember</strong> 20<strong>12</strong> / <strong>Januar</strong> 2013 mänziger zytig Nr. <strong>81</strong><br />
beim Gotti einen Kaffee trinken oder am Samstag<br />
bei Grossdädi «Pfluderichäs» (Raclette) essen,<br />
Fernsehen gucken. Und dabei die Eltern entlasten<br />
und ein bisschen verwöhnt werden!<br />
Die vier älteren Geschwister sind schon in den<br />
Startpflöcken für die Berufswelt: Landwirt, Konditorin/Confiseurin,<br />
Landmaschinenmechaniker und<br />
vielleicht Schreiner. Die Sägerei reklamiert Stefan<br />
für sich.<br />
Und was direkt nach der Landwirtschaftslehre im<br />
Sommer 2013? Gibt es schon Ideen für die Arbeit<br />
der Zukunft auf dem Hof? Mal anderswo arbeiten,<br />
das hat Karl Röllin erlebt beim Aushelfen und im<br />
Maschinenring: das gibt wertvolle Einsichten.<br />
Einen Laufstall bauen? JerseyKühe anschaffen?<br />
Ziegen? Mal zur Alp gehen? Schnell liegen Ideen<br />
auf dem Tisch, die Zukunftsplanung ist voll im<br />
Gang, und alle sind am Gespräch beteiligt.<br />
Nicht nur im Gespräch, auch im Umgang mit<br />
Konflikten muss man auf einem Dreigenerationenhof<br />
Wege finden: «Konflikte gibt es, wo es zwei<br />
Menschen gibt mit einer eigenständigen Meinung»,<br />
stellt man fest. Da sei es logisch, dass man<br />
sich auch mal weh tun könne. Das enge Zusammenleben<br />
bedinge, «dass man korrekt und offen<br />
ist, seine Meinung sagt <strong>–</strong> und sagen darf <strong>–</strong> und<br />
sich auch für die Meinung des andern interessiert».<br />
So finde man zu guten Lösungen, das hätten Karl<br />
jun. und sen. zum Beispiel beim Bau des Stöcklis<br />
viele Male erfahren.<br />
Schnell ist es ob dem Gespräch spät geworden.<br />
Aber ohne Kuchen und Kaffee lässt man den Gast<br />
nicht gehen. Rosmarie Röllin tischt auf und tut ganz<br />
selbstverständlich das, was <strong>–</strong> weiter oben im Artikel<br />
<strong>–</strong> als «Weitergabe von Ritualen und Traditionen»<br />
beschrieben worden ist. Wie wohltuend!<br />
33<br />
Drei Generationen<br />
auf dem Hof (von<br />
links): Rita (72),<br />
Stefan (6), Christoph<br />
(14), Karl sen. (75),<br />
Matthias (<strong>12</strong>), Karl<br />
jun. (48), Rosmarie<br />
(45). Nicht auf dem<br />
Foto: Thomas (18),<br />
Martina (16).