Algorithmisches Differenzieren - M1
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<strong>Algorithmisches</strong> <strong>Differenzieren</strong><br />
Herbert Fischer<br />
1 Einleitung<br />
Wir wollen für eine Funktion f die Ableitung f ′ an einer gegebenen Stelle berechnen.<br />
Nehmen wir zum Beispiel die Funktion f : IR → IR mit f(x) = (x 3 + x) 2 und fragen<br />
nach f ′ (7). Gemäß der Definition der Ableitung erhalten wir den Wert<br />
f ′ ((7 + h)<br />
(7) = lim<br />
h→0<br />
3 + (7 + h)) 2 − (73 + 7) 2<br />
h<br />
= 103600.<br />
Üblicher ist es, mit den bekannten Regeln der Differentialrechnung eine Formel<br />
f ′ (x) = 2(x 3 + x)(3x 2 + 1)<br />
zu erzeugen, mit der wir dann f ′ (7) = 103600 berechnen. Beide Wege sind nur in<br />
einfachen Fällen brauchbar. Ist die Funktion f etwa durch ein Programm mit 5000<br />
Anweisungen gegeben, so sind andere Wege zu suchen.<br />
Die Regeln zum <strong>Differenzieren</strong> ermöglichen es, die Berechnung von Ableitungen<br />
zu automatisieren. Das Prinzip ist einfach: Die gegebene Funktion f wird in Teile<br />
zerlegt, für die Teile werden Ableitungen gebildet, sodann werden die Ableitungen der<br />
Teile zusammengesetzt und ergeben f ′ (x). Dieses mehr oder weniger automatische<br />
<strong>Differenzieren</strong> wollen wir schematisch so darstellen.<br />
103600<br />
✛<br />
auto. Diff.<br />
✛<br />
✛<br />
(x 3 + x) 2<br />
In vielen Bereichen der Angewandten Mathematik treten Ableitungen auf: beim iterativen<br />
Lösen von nichtlinearen Gleichungen, in der nichtlinearen Optimierung, bei der<br />
Behandlung von Differentialgleichungen, bei der Steuerung von Robotern, in der Sensitivitätsanalyse,<br />
bei fast allen kontinuierlichen physikalischen Problemen. Während<br />
innerhalb der Reinen Mathematik die Behandlung von Ableitungen, also die Differentialrechnung,<br />
seit langem ein abgeschlossenes Gebiet ist, wird in der numerischen<br />
Praxis bezüglich der Ableitungen meist der Stand vor Leibniz beibehalten: Für eine<br />
gegebene Funktion f wird die Ableitung f ′ an gegebener Stelle x angenähert durch<br />
einen Differenzen-Quotienten<br />
f ′ (x) ≈<br />
f(y) − f(x)<br />
.<br />
y − x<br />
7