Die Faltenunterspritzung durch den Zahnarzt - Ratajczak & Partner ...
Die Faltenunterspritzung durch den Zahnarzt - Ratajczak & Partner ...
Die Faltenunterspritzung durch den Zahnarzt - Ratajczak & Partner ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
RATAJCZAK & PARTNER<br />
Rechtsanwälte<br />
Berlin � Düsseldorf � Essen � Freiburg i.Br. � Köln � Meißen � München � Sindelfingen<br />
<strong>Die</strong> <strong>Faltenunterspritzung</strong> <strong>durch</strong> <strong>den</strong> <strong>Zahnarzt</strong> –<br />
wettbewerbsrechtliche Abmahnungen überrollen die Republik<br />
Darf ein <strong>Zahnarzt</strong> <strong>Faltenunterspritzung</strong>en mittels<br />
botulinumtoxin- bzw. hyaluronsäurehaltigen Präparaten<br />
<strong>durch</strong>führen? Gehört dieses noch zur Ausübung<br />
der Zahnheilkunde? Wenn ja, welche Körperpartien<br />
sind hiervon betroffen? Ein Urteil des<br />
Verwaltungsgerichts (VG) Münster vom<br />
19.04.2011 (Az.: 7 K 338/09) sorgt für Unsicherheiten.<br />
Zahnärztinnen und Zahnärzte haben bundesweit in<br />
<strong>den</strong> vergangenen Wochen Abmahnungen einer<br />
schweizerischen Firma erhalten, die offensichtlich<br />
aufgrund der Informationen auf <strong>den</strong> Internetpräsentationen<br />
der betroffenen Praxen vorgehen. Es wird<br />
<strong>den</strong> betroffenen Praxen vorgeworfen, gegen das<br />
Heilpraktikergesetz (HeilprG) verstoßen zu haben,<br />
was zugleich über § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig<br />
sei. <strong>Die</strong> Zahnärztinnen und Zahnärzte wur<strong>den</strong><br />
aufgefordert, eine mit Vertragsstrafe bewehrte<br />
Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und pauschalisierten<br />
Scha<strong>den</strong>sersatz in nicht unerheblicher<br />
Höhe zu zahlen.<br />
Was war geschehen?<br />
Dass es sich bei der <strong>Faltenunterspritzung</strong> um die<br />
Ausübung von Heilkunde handelt, wird in der<br />
Rechtsprechung seit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts<br />
(BVerwG) vom<br />
25.06.2007 (Az.: 3 B 82/06) nicht mehr bestritten.<br />
Demnach sind die Regeln des HeilprG zu beachten.<br />
Nach § 1 Abs. 1 HeilprG bedarf derjenige, der<br />
die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt<br />
zu sein, einer behördlichen Erlaubnis. Handelt es<br />
sich um die Ausübung der Zahnheilkunde ist nach<br />
§ 6 HeilprG das HeilprG aber nicht einschlägig,<br />
sondern das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde<br />
(ZHG). Folglich stellt sich die Frage, ob<br />
die <strong>Faltenunterspritzung</strong> – auch – als Ausübung der<br />
Zahnheilkunde im Sinne von § 1 Abs. 3 ZHG angesehen<br />
wer<strong>den</strong> kann. Nach dieser Vorschrift ist<br />
Zahnheilkunde die berufsmäßige auf zahnärztlich<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung<br />
und Behandlung von Zahn-, Mund- und<br />
Kieferkrankheiten, wobei als Krankheit jede von<br />
der Norm abweichende Erscheinung im Bereich<br />
der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen<br />
ist, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung<br />
und des Fehlens von Zähnen.<br />
<strong>Die</strong> Entscheidung des VG Münster<br />
Mit Urteil vom 19.04.2011 (Az.: 7 K 338/09) vertrat<br />
das VG Münster die Ansicht, dass die <strong>Faltenunterspritzung</strong><br />
im Hals- und Gesichtsbereich nicht<br />
mehr als Ausübung der Zahnheilkunde angesehen<br />
wer<strong>den</strong> könne, mit der Folge, dass eine derartige<br />
Tätigkeit Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht gestattet<br />
sei. <strong>Die</strong> Unterspritzung der Lippen war nicht<br />
Gegenstand dieses Verfahrens, weil die im Verfahren<br />
beteiligte Zahnärztekammer Westfalen-Lippe<br />
eine solche Tätigkeit bereits im Vorfeld als der<br />
Zahnheilkunde zugehörig bestätigt hatte. Das VG<br />
Münster musste sich hiermit nicht befassen, ließ<br />
jedoch erkennen, dass es die Einschätzung der<br />
Zahnärztekammer Westfalen-Lippe teilen würde.<br />
Auszugehen ist je<strong>den</strong>falls davon, dass offenbar<br />
auch das VG Münster der Meinung ist, dass es sich<br />
bei <strong>den</strong> Unterspritzungen von Lippen um eine Tätigkeit<br />
handele, die auch <strong>durch</strong> Zahnärztinnen und<br />
Zahnärzte ausgeführt wer<strong>den</strong> könne.<br />
Antrag auf Zulassung der Berufung<br />
<strong>Die</strong> vorgezeichnete Entscheidung des VG Münster<br />
ist noch nicht rechtskräftig. <strong>Die</strong> klagende Zahnärztin<br />
hat einen Antrag auf Zulassung der Berufung<br />
beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster<br />
gestellt (Az.: 13 A 1210/10). Eine Entscheidung<br />
über diesen Antrag steht noch aus. <strong>Die</strong> Diskussion<br />
ist somit noch nicht abgeschlossen, möglicherweise<br />
wird hier nach Abschluss der Instanzen das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diese Frage<br />
unter dem Blickwinkel der Berufsausübungsfreiheit<br />
des Artikel 12 Abs. 1 GG beurteilen müssen.<br />
<strong>Die</strong> weitere Entwicklung in der<br />
Rechtsprechung bleibt abzuwarten<br />
Ob es sich bei der <strong>Faltenunterspritzung</strong> auch um<br />
die Ausübung der Zahnheilkunde handelt, bedarf<br />
noch einer eingehen<strong>den</strong> rechtlichen Begutachtung<br />
sowie einer Festigung in der Rechtsprechung. Eine<br />
einzelne erstinstanzliche Entscheidung wird sicherlich<br />
wenig geeignet sein, zu einer abschließen<strong>den</strong><br />
Feststellung des Umfanges der Tätigkeitsmöglichkeiten<br />
beizutragen, zumal hier erhebliche rechtliche<br />
Angriffspunkte bestehen, insbesondere ob die<br />
Auslegung des im ZHG verwendeten Begriffs der<br />
Zahnheilkunde <strong>den</strong> europäischen Vorgaben entspricht.<br />
Keine vorschnelle Reaktion<br />
auf eine Abmahnung<br />
Bestärkt <strong>durch</strong> die Entscheidung des VG Münster<br />
wer<strong>den</strong> Zahnärztinnen und Zahnärzte, welche in<br />
der Vergangenheit <strong>Faltenunterspritzung</strong>en im Hals-<br />
und Gesichtsbereich beworben haben, abgemahnt.<br />
Gerichtliche Entscheidungen, dass diese Abmahnungen<br />
berechtigt sind, stehen aber – soweit ersichtlich<br />
– noch aus. Es sind erhebliche Be<strong>den</strong>ken<br />
angebracht, ob die derzeit kursieren<strong>den</strong> Abmahnungen<br />
berechtigt sind. Nicht ausgeschlossen ist<br />
aber, dass sich Zahnärztinnen und Zahnärzte <strong>durch</strong><br />
das forsche Vorgehen verunsichern ließen und auf<br />
die Forderungen des schweizerischen Unternehmens<br />
eingegangen sind.<br />
Nicht so einfach beeindrucken lassen sollte man<br />
sich auch von <strong>den</strong> in der Abmahnung in Bezug<br />
genommenen Strafbefehlen, mit welchen Zahnärztinnen<br />
und Zahnärzte angeblich zu einer Geldstrafe<br />
verpflichtet wur<strong>den</strong>. Denn in der Abmahnung verschwiegen<br />
wird, dass es sich bei einem Strafbefehl<br />
nicht um ein Verfahren handelt, welches auf<br />
Grundlage einer mündlichen Hauptverhandlung<br />
vor einem Strafgericht ergangen ist, sondern es<br />
Impressum:<br />
www.rpmed.de<br />
<strong>Ratajczak</strong> & <strong>Partner</strong>, Rechtsanwälte<br />
Posener Str. 1, 70165 Sindelfingen<br />
AG Stuttgart (PR 240005), Sitz Sindelfingen<br />
USt.-I<strong>den</strong>t-Nr.: DE145149760<br />
Verantwortlich im Sinne des Presserechts:<br />
Dr. Detlef Gurgel<br />
E-Mail der Redaktion: redaktion@rpmed.de<br />
<strong>Die</strong> Mitteilungen dieses Newsletters enthalten allgemeine Informationen zu rechtlichen<br />
Themen. Eine rechtliche Beratung im Einzelfall können sie nicht ersetzen. Für<br />
die Richtigkeit der Information übernehmen wir keine Haftung.<br />
sich letztlich um so etwas wie eine „Verurteilung<br />
im schriftlichen Verfahren“ handelt. Nicht selten<br />
wer<strong>den</strong> Strafbefehle einfach akzeptiert, um die<br />
Angelegenheit zu been<strong>den</strong>. Ein Einspruch unterbleibt<br />
dann. <strong>Die</strong> Aussagekraft einer solchen Entscheidung<br />
für vergleichbare Fälle ist demnach eher<br />
gering.<br />
Ungeachtet dessen stellt sich die Frage, ob eine im<br />
Ausland ansässige Gesellschaft überhaupt wettbewerbsrechtliche<br />
Ansprüche erheben kann, da diese<br />
je<strong>den</strong>falls voraussetzen, dass zwischen dieser Firma<br />
und <strong>den</strong> abgemahnten Zahnärztinnen und<br />
Zahnärzte ein konkretes Wettbewerbsverhältnis<br />
besteht. Abmahner und Abgemahnte müssen als<br />
Mitbewerber im wettbewerbsrechtlichen Sinne<br />
anzusehen sind. <strong>Die</strong>s ist im vorliegen<strong>den</strong> Fall fraglich,<br />
jedoch unverzichtbare Voraussetzungen für<br />
<strong>den</strong> geltend gemachten Unterlassungs- und Scha<strong>den</strong>ersatzanspruch.<br />
Zudem stellt sich die Frage, wie sich die geltend<br />
gemachten exorbitant hohen Scha<strong>den</strong>ersatzforderungen<br />
begrün<strong>den</strong>, wobei auch hier die Frage beantwortet<br />
wer<strong>den</strong> muss, seit wann dieses Unternehmen<br />
in der behaupteten Art und Weise überhaupt<br />
tätig ist.<br />
Fazit<br />
<strong>Die</strong> weiteren Entscheidungen – insbesondere die<br />
des OVG Münster – bleiben abzuwarten. Eine vorschnelle<br />
und unüberlegte Reaktion auf die Abmahnung<br />
sollte jedoch unbedingt vermie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />
Jede Zahnärztin und jeder <strong>Zahnarzt</strong> ist gut beraten,<br />
die Frage, ob und wie auf eine solche Abmahnung<br />
reagiert wer<strong>den</strong> soll, rechtlich eingehend abzuwägen.<br />
Dr. Marc Sieper, Sindelfingen<br />
Fachanwalt für Medizinrecht<br />
sieper@rpmed.de